Naturereignisse im frühen Mittelalter: Das Zeugnis der Geschichtsschreibung vom 6. bis 11. Jahrhundert [1 ed.] 3110572311, 9783110572315

There has been a dearth of systematic comparative studies of environmental and natural events during the Early and High

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Naturereignisse im frühen Mittelalter: Das Zeugnis der Geschichtsschreibung vom 6. bis 11. Jahrhundert [1 ed.]
 3110572311, 9783110572315

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Verzeichnis der Abkürzungen
Verzeichnis der Siglen
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Tabellen
1. Einleitung
2. Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse
3. Extreme Witterungsereignisse
4. Auswirkungen und Folgen
5. Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis
6. Zusammenfassung und Ausblick
7. Anhang
Quellen- und Literaturverzeichnis
Index

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Thomas Wozniak Naturereignisse im frühen Mittelalter

Europa im Mittelalter

Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik Herausgegeben von Michael Borgolte, Wolfgang Huschner und Barbara Schlieben

Band 31

Thomas Wozniak

Naturereignisse im frühen Mittelalter Das Zeugnis der Geschichtsschreibung vom 6. bis 11. Jahrhundert

ISBN 978-3-11-057231-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-057249-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-057241-4 ISSN 1615-7885 Library of Congress Control Number: 2018961143 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Printing and binding: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt Vorwort | XI Verzeichnis der Abkürzungen | XIII Verzeichnis der Siglen | XV Verzeichnis der Abbildungen | XXI Verzeichnis der Tabellen | XXII 1 Einleitung | 1 1.1 Voraussetzungen | 1 1.1.1 Gegenstand, Untersuchungszeit und -raum | 1 1.1.2 Definitionen | 6 1.1.3 Klima- und Umweltdeterminismus | 8 1.2 Forschungsüberblick | 11 1.2.1 Gesamtdarstellungen und Kataloge | 11 1.2.2 Probleme klimatischer Periodisierung (Longue durée) | 16 1.2.3 Tendenzen und Schwerpunkte der Forschung | 26 1.3 Quellenlage, -arten und -problematiken | 34 1.3.1 Annalistische und chronikalische Quellen | 36 1.3.2 Heiligenviten, Herrscherviten, Dichtung | 53 1.3.3 Urkunden, Kapitularien, Briefe | 55 1.4 Fragestellung, Methoden und Ziele der Untersuchung | 58 1.4.1 Fragestellung | 58 1.4.2 Methodik: Ein Messnetz der Quellen | 61 1.4.3 Die Bibel als Lehrwerk der Extremereignisse? | 66 2 Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse | 73 2.1 Supernovae | 76 2.2 Kometen | 91 2.2.1 Der Komet 1P/Halley | 97 2.2.2 Kometensichtungen im 6. und 7. Jahrhundert | 114 2.2.3 Kometensichtungen im 8. und 9. Jahrhundert | 121 2.2.4 Kometensichtungen im 10. Jahrhundert | 135 2.2.5 Kometensichtungen im 11. Jahrhundert | 143 2.2.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse | 147 2.3 Meteorströme | 149 2.4 Meteoriten | 160 2.5 Sonnenflecken | 169 2.6 Polarlichter | 173

VI | Inhalt

2.7

2.8

2.9 2.10 2.11 2.12

2.13 2.14 2.15

2.16

Sonnenfinsternisse | 193 2.7.1 Sonnenfinsternisse im 6. und 7. Jahrhundert | 197 2.7.2 Sonnenfinsternisse im 8. Jahrhundert | 202 2.7.3 Sonnenfinsternisse im 9. Jahrhundert | 206 2.7.4 Sonnenfinsternisse im 10. Jahrhundert | 213 2.7.5 Sonnenfinsternisse im 11. Jahrhundert | 219 2.7.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse | 226 Mondfinsternisse | 229 2.8.1 Mondfinsternisse im 6. und 7. Jahrhundert | 233 2.8.2 Mondfinsternisse im 8. Jahrhundert | 236 2.8.3 Mondfinsternisse im 9. Jahrhundert | 239 2.8.4 Mondfinsternisse im 10. Jahrhundert | 245 2.8.5 Mondfinsternisse im 11. Jahrhundert | 247 2.8.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse | 252 Transit der Planeten Merkur und Venus | 255 Optische Atmosphärenphänomene | 257 Zur Wahrnehmung tektonischer Bewegungen | 270 Erdbeben | 273 2.12.1 Erdbeben im 6. und 7. Jahrhundert | 274 2.12.2 Erdbeben im 8. Jahrhundert | 279 2.12.3 Erdbeben im 9. Jahrhundert | 282 2.12.4 Erdbeben im 10. und 11. Jahrhundert | 286 2.12.5 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse | 293 Gravitative Massenbewegungen und Erdspalten | 295 Tsunamis | 303 Beschreibungen vulkanischer Ereignisse | 312 2.15.1 Der Ätna | 321 2.15.2 Der Vesuv | 324 2.15.3 Der Santorin | 331 2.15.4 Der Volcano | 333 2.15.5 Vulkanausbrüche auf Island | 335 Sonnenverdunkelung und Höhenrauch | 342

3 Extreme Witterungsereignisse | 351 3.1 Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner | 351 3.1.1 Unwetter im 6., 7. und 8. Jahrhundert | 356 3.1.2 Unwetter im 9. Jahrhundert | 363 3.1.3 Unwetter im 10. Jahrhundert | 371 3.1.4 Unwetter im 11. Jahrhundert | 375 3.1.5 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse | 380 3.2 Winde und Stürme | 384 3.2.1 Stürme im 6., 7. und 8. Jahrhundert | 386

Inhalt | VII

3.2.2 Stürme im 9. Jahrhundert | 389 3.2.3 Stürme im 10. und 11. Jahrhundert | 393 3.2.4 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse | 397 3.3 Orkane, Windhosen und Tornados | 399 3.4 Überschwemmungen durch Starkniederschläge | 405 3.5 Sturmfluten | 451 3.6 Extreme Winter | 460 3.6.1 Kalte Winter im 6., 7. und 8. Jahrhundert | 464 3.6.2 Kalte Winter im 9. Jahrhundert | 478 3.6.3 Kalte Winter im 10. Jahrhundert | 486 3.6.4 Kalte Winter im 11. Jahrhundert, besonders 1076/77 | 493 3.6.5 Milde Winter | 515 3.6.6 Zusammenfassung der Winter und Frühjahrsfröste | 517 3.7 Extreme Sommer und Trockenperioden | 519 3.8 Extreme in Frühling oder Herbst | 536 3.9 Beschreibungen von Blutwundern | 537 3.9.1 Beschreibungen von Blutregen | 539 3.9.2 Beschreibungen blutroter Seen und Gewässer | 547 4 Auswirkungen und Folgen | 549 4.1 Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 549 4.1.1 Heuschreckenplagen im 6., 7., 8. und 9. Jahrhundert | 557 4.1.2 Heuschreckenplagen der Jahre 873/874 | 562 4.1.3 Heuschreckenplagen im 10. und 11. Jahrhundert | 576 4.2 Beschreibungen anderer Tierplagen | 581 4.3 Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 587 4.3.1 Hungersnöte im 6. und 7. Jahrhundert | 588 4.3.2 Hungersnöte im 8. Jahrhundert | 594 4.3.3 Hungersnöte im 9. Jahrhundert | 601 4.3.4 Hungersnöte im 10. Jahrhundert | 613 4.3.5 Hungersnöte im 11. Jahrhundert | 618 4.3.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse | 628 4.4 Epidemische Erkrankungen bei Menschen | 630 4.4.1 Epidemien beim Menschen im 6. Jahrhundert | 632 4.4.2 Epidemien beim Menschen im 7. Jahrhundert | 642 4.4.3 Epidemien beim Menschen im 8. und 9. Jahrhundert | 646 4.4.4 Epidemien beim Menschen im 10. Jahrhundert | 651 4.4.5 Epidemien beim Menschen im 11. Jahrhundert | 655 4.4.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse | 660 4.5 „Heiliges Feuer“ – Kontamination mit Pilzsporen | 662 4.6 Epidemien bei Tieren | 668 4.6.1 Epidemien bei Tieren im 6. und 7. Jahrhundert | 671

VIII | Inhalt

4.7

4.6.2 Epidemien bei Tieren im 8. und 9. Jahrhundert | 673 4.6.3 Epidemien bei Tieren im 10. und 11. Jahrhundert | 679 4.6.4 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse | 686 Beschreibungen weiterer Folgen | 687 4.7.1 Kreuze auf der Kleidung | 687 4.7.2 Weinernte – gute und schlechte Jahre | 698 4.7.3 Gute Jahre voller Überfluss | 705

5 Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis | 711 5.1 Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 711 5.1.1 Topos: Endzeiterwartungen | 715 5.1.2 Topos: Strafende Gottheit | 717 5.1.3 Topos: Vorzeichen von Herrscherwechsel | 720 5.1.4 Topos: Ankündigung von Katastrophen | 725 5.1.5 Topos: Anthropophagie | 731 5.1.6 Die Folie der Topoi des Fuldaer Annalisten | 740 5.2 Maßnahmen bei Ungunst durch Hungersnot | 744 5.2.1 Witterungsextreme als militärisches Mittel | 744 5.2.2 Vieh- und Ernteraub als militärisches Mittel | 747 5.2.3 Vorchristliche Maßnahmen: Den König töten? | 753 5.2.4 Christliche Maßnahmen: Fasten, Gebete, Prozessionen, Almosen | 755 5.3 Zur Parallelüberlieferung | 764 6 Zusammenfassung und Ausblick | 767 6.1 Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse | 771 6.2 Extreme Witterungsereignisse | 782 6.3 Auswirkungen und Folgen | 790 6.4 Instrumentalisierung, Bewältigung, Darstellungspraxis | 797 6.5 Ausblick und künftiger Forschungsbedarf | 801 7 Anhang | 805 7.1 Tabellen | 805 7.2 Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 845 Quellen- und Literaturverzeichnis | 873 Verzeichnis der ungedruckten Quellen | 873 Verzeichnis der gedruckten Quellen, Regesten und Übersetzungen | 873 Verzeichnis der Literatur und Hilfsmittel | 888 Verzeichnis internetbasierter Datenbanken | 926

Inhalt | IX

Index | 927 Personen- und Ortsregister | 927 Register der Urkunden, Bibel-, Koran- und Quellenstellen | 947

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 von der Philosophischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Habilitationsschrift angenommen. Den Gutachtern, den Professorinnen und Professoren Ellen Widder, Steffen Patzold, Sigrid Hirbodian, Jörn Staecker (alle Tübingen) und Christian Rohr (Bern) bin ich für ihre Anregungen und Hinweise sehr dankbar. Für die Druckfassung wurde die bis Ende 2017 erschienene Literatur berücksichtigt. Werke, die mir später noch bekannt wurden, wie das „Handbook of climate history“ konnten jedoch nicht mehr eingearbeitet werden. Die Reihe derer, denen ich an dieser Stelle für die vielfältigen Unterstützungen, Förderungen und hilfreichen Diskussionen Dank sagen möchte, ist lang und nicht alle können hier namentlich genannt werden. Die vorliegende Arbeit ist an zwölf verschiedenen Schreibtischen, welche die Stationen zwischen Promotion und Habilitation widerspiegeln, entstanden (Benedik u. a. 2016). Der ungeahnte Weg begann, als ich Ende der 1990er-Jahre in einem Proseminar zur mittelalterlichen Geschichte bei Tilman Struve erfuhr, dass undatierte Briefe Heinrichs IV. mit den darin genannten Eklipsen datiert werden können. Konkret wurde das Projekt aber erst, als ich im Frühjahr 2010 an der Philipps-Universität Marburg einem ungelösten Problem in der Sachsengeschichte Widukinds von Korvei nachging. Für ihr Vertrauen und die Möglichkeiten in Marburg möchte ich Frau Verena Epp und Andreas Meyer herzlich danken, ohne sie wäre das Projekt nie begonnen worden. Dass es auch erfolgreich beendet werden konnte, ist Frau Widder zu danken, die mir im Sommer 2015 einen fünfzehnmonatigen Vertrag an der Universität Tübingen einräumte, mit dem Ziel die Arbeit abzuschließen. Für diese Chance möchte ich ihr ausdrücklich und herzlich danken. Weiterhin gilt mein Dank für Gutachten oder die Möglichkeit die Thematik in ihren Kolloquien zu diskutieren: Marita Blattmann, Gerrit J. Schenk, der hessischen Sektion des Konstanzer Arbeitskreises, besonders Verena Epp, Steffen Patzold und Ellen Widder sowie Mark Mersiowsky. Viele Anregungen brachten auch die Diskussionen auf dem International Medieval Congress in Leeds (2015, 2017), dem Symposion des Mediävistenverbandes (2015) in Bern oder der Tagung Past Global Changes (2017) in Saragossa. Der Schwerpunkt des vorliegenden Werkes liegt zwar auf der Geschichtswissenschaft, trotzdem ist die Thematik genau an der Schnittstelle zwischen Geschichte, Geographie und frühgeschichtlicher Archäologie angesiedelt. Für meine diesbezüglichen Kenntnisse, die ich an der Universität zu Köln erwerben durfte, danke ich besonders Ernst Brunotte, Reinhard Zeese und Achim Schnüttgen sowie Gerhard Bosinski, Wolfgang Taute und Heinz-Werner Dämmer. Die gezielte Verbindung der ge-

https://doi.org/10.1515/9783110572490-201

XII | Vorwort

ographischen und geschichtswissenschaftlichen Herangehensweisen haben mit ihren historisch-geographischen „Doppelseminaren“ Michael Zahrnt und Gert Ziegeler maßgeblich geprägt. Ihnen allen sei herzlich gedankt. Für viele Gespräche, kritische Diskussionen und konstruktive Ideen danke ich Martin Bauch, Stefan Ebert, Hans-Georg Stephan, Holger Gaensicke, Kerstin Steinbrecher, Klaus Richter, Jürgen Nemitz, Bengt Büttner, Günter Eichler, Yannick Strauch, Patrick Reinard, Maximilian Schuh, Heli Huhtamaa, Cornel-Peter Rodenbusch, Marco Krätschmer, Philipp Nothaft, Oliver Schlegel und Markus Düppengießer. Den Herausgebern Michael Borgolte und Wolfgang Huschner danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Europa im Mittelalter“, den Mitarbeitern in Leipzig, Sven Jaros, Stefan Magnussen, Eric Böhme (arab. Namen), Sarah Jacob, Katrin Gurt, Maximilian Schwarzkopf und John Hinderer, für zahlreiche Hinweise und für die gute Zusammenarbeit mit dem Verlag Elisabeth Kempf, Maria Zucker, Laura Burlon und Florian Ruppenstein. Mein Dank für die Geduld, die das Teilen eines Büros erfordert, geht an Asami Kobayashi, Matthias Witzleb, Dorett Werhahn-Piorkowsky, Stefanie Riedasch, Alexander Maul, Jennifer Engelhardt und Patrizia Hartich. Gewidmet ist dieses Buch meiner Familie, besonders meiner Mutter, die die Anfänge noch erlebt hat, und meiner Großmutter, die auch mit 94 Jahren noch hilfreiche Hinweise geben kann. Von ganzem Herzen danke ich Anja Thaller, die mir bei der Arbeit immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Tübingen, Stuttgart und München im Frühjahr 2019 Thomas Wozniak

Verzeichnis der Abkürzungen AB

Aurora Borealis, Polarlicht

AE

Astronomische Einheit, Abstand Erde-Sonne, ~149 Mio. km

AH

Anno Hegirae (nach der Hiǧra Mohammeds im Jahr 622)

Bf.

Bischof

BR

Blutregen

DCP

Dark Cold Period

dioec.

Diözese

EB

Erdbeben

Ebf.

Erzbischof

EM

Epidemien Menschen

ER

Erdrutsch

ES

Extremer Sturm

ET

Extreme Trockenheit

Fl

Flut, Sturmflut, Tsunami

FJF

Frühjahrsfrost

Ge

Gewitter

GISP

Greenland Ice Sheet Project

GRIP

Greenland Ice Core Project

H

Hagel

hF

hydrologischer Frühling (März bis Mai)

hH

hydrologischer Herbst (September bis Dezember)

HN

Hungersnot, -nöte

HS

Heuschrecken

hS

hydrologischer Sommer (Juni bis August)

HW

Hochwasser, Überschwemmung

hW

hydrologischer Winter (Januar bis März)

K

Komet

Kg./Kgn.

König/Königin

Kr

Kreuze auf den Kleidern

Ks./Ksn.

Kaiser/Kaiserin

LALIA

Late Antique Little Ice Age

LIA

Little Ice Age

M

Meteor

MB

(gravitative) Massenbewegung

MF

Mondfinsternis

MK

Mutterkorn

MS

Meteorstrom

MWA

Medieval Warm Anomalie

MWP

Medieval Warm Period

NASA

National Aeronautics and Space Administration, US-Bundesbehörde

https://doi.org/10.1515/9783110572490-202

XIV | Verzeichnis der Abkürzungen

ND

Neudruck

NM

Nebenmond

NS

Nebensonne

O

optische Phänomene

O. Cist.

Zisterzienserorden

RWP

Roman Warm Period

SB

Sternbild

SF

Sonnenfinsternis

SN

Supernova

SW

Strenger Winter

TD

Terrestrial Dynamical Time

To

Tornado

TP

Tierplagen (Wölfe, Ratten)

TS

Tierseuchen

Ts

Tsunamie

Ü

Überfluss

USGS

United States Geological Survey

VA

Vulkanausbruch

VEI

Volcanic Explosivity Index

W

Weinernte

wojw.

Wojewodschaft

Verzeichnis der Siglen [Agapius]

Agapius von Manbiǧ, in: Theophilus of Edessa's Chronicle and the circulation of historical knowledge in late antiquity and early Islam, Ed. Robert G. Hoyland. Liverpool 2011.

Amm.

Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte. Lateinisch und Deutsch und mit einem Kommentar versehen. Ed. Wolfgang Seyfarth, 4 Bde. (Schriften und Quellen der Alten Welt 21, 1–4), Berlin 1968–1971.

Apollod.

Apollodori bibliotheka. Ed. Richard Wagner (Mythographi Graeci. Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana 1) Leipzig 1926 (ND 1965).

Aristot. an.

Aristoteles, ›über die Seele [De anima]. Mit Einleitung, Übersetzung (nach W. Theiler) und Kommentar. Ed. Horst Seidl. Griechischer Text in der Edition v. Wilhelm Biehl/Otto Apelt. Griechisch–deutsch. Hamburg 1995.

Aristot. mem.

Aristoteles, ›über Gedächtnis und Erinnerung [De memoria et reminiscentia], in: Kleine naturwissenschaftliche Schriften [Parva naturalia], Ed. Eugen Dönt. Stuttgart 1997, 87–100.

Aristot. meteor.

Ed. Fobes, Hildesheim 1967 (= Cambridge/Mass. 1919).

AT

Annalen von Tigernach, in: The Chronicle of Ireland. Ed. Thomas M. Charles-Edwards, 2 Bde. (Translated Texts for Historians 44). Liverpool University Press 2006. Annalen von Ulster, in: The Chronicle of Ireland. Ed. Thomas M. Charles-

AU

Edwards, 2 Bde. (Translated Texts for Historians 44). Liverpool University Press 2006. BBKL

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon

BECh

Bibliothèque de l’École des Chartes

Cass. Dio

Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanarum quae supersunt. Ed. Ursulus Philippus Boissevain, 5 Bde., Berlin 21955–1969.

Cic. In Pisonem

M. Tulli Ciceronis in L. Calpurnium Pisonem oratio. Ed. Robin G. M. Nisbet, Oxford 1961.

Cic. Div.

M. Tullius Cicero, De divinatione. Ed. Leighton D. Reynolds, Oxford 2000.

CCCM

Corpus Christianorum. Continuatio Medievalis

[Chron 1234]

Chronik von 1234, in: Theophilus of Edessa's Chronicle and the circulation of historical knowledge in late antiquity and early Islam. Ed. Robert G. Hoyland. Liverpool 2011.

CS

Chronicum Scotorum, in: The Chronicle of Ireland. Ed. Thomas M. CharlesEdwards, 2 Bde. (Translated Texts for Historians 44). Liverpool University Press 2006.

CSEL

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum

DA

Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters

DI

Die Deutschen Inschriften

FMSt

Frühmittelalterliche Studien

https://doi.org/10.1515/9783110572490-203

XVI | Verzeichnis der Siglen

FSGA - 2

Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten. Bd. 1. Buch 1–5. Ed. Rudolf Buchner. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 2) Darmstadt 82000.

- 3

Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten, Bd. 2. Buch 6–10. Ed Rudolf Buchner. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 3) Darmstadt 92000.

- 4

Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts. Die vier Bücher der Chroniken des sogenannten Fredegar (Buch 2, Kapitel 53 bis Buch 4, unwesentlich gekürzt), Die Fortsetzungen der Chroniken des sogenannten Fredegar, Das Buch von der Geschichte der Franken (unwesentlich gekürzt), Das alte Leben Lebuins (Auswahl), Jonas erstes Buch vom Leben Columbans. Ed. Andreas Kusternig. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 4a) Darmstadt 21994.

- 4b

Briefe des Bonifatius. Willibalds Leben des Bonifatius nebst einigen zeitgenössischen Dokumenten. Ed Reinhold Rau. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 4b) Darmstadt 1968.

- 5

Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Teil 1: Die Reichsannalen, Einhard Leben Karls des Großen, Zwei „Leben“ Ludwigs, Nithard Geschichten. Ed. Reinhold Rau. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 5) Darmstadt 1955.

- 6

Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Teil 2: Die Reichsannalen, Jahrbücher von St. Bertin, Jahrbücher von St. Vaast, Xantener Jahrbücher. Ed. Reinhold Rau. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 6) Darmstadt 1958.

- 7

Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Teil 3: Jahrbücher von Fulda, Regino Chronik, Notker Taten Karls. Ed Reinhold Rau. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 7) Darmstadt 1960.

- 8

Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Widukinds Sachsengeschichte, Adalberts Fortsetzung der Chronik Reginos, Liudprands Werke.Ed. Albert Bauer/Reinhold Rau. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 8) Darmstadt 52002.

- 9

Thietmar von Merseburg. Chronik. Ed, Werner Trillmich. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 9) Darmstadt 92011.

Verzeichnis der Siglen | XVII

- 11

Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der hamburgischen Kirche und des Reiches. Rimbert Leben Ansgars, Adam von Bremen: Bischofsgeschichte der Hamburger Kirche, Wipo Taten Kaiser Konrads II. Ed. Werner Trillmich. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 11) Darmstadt 61990.

- 13

Lampert von Hersfeld. Annalen. Ed. Adolf Schmidt/Wolfgang Dietrich Fritz. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 13) Darmstadt 42011.

- 14

Berthold und Bernolds Chroniken. Ed. Ian S. Robinson. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 14) Darmstadt 2002.

- 16

Otto Bischof von Freising. Chronik oder die Geschichte der zwei Staaten. Ed. Adolf Schmidt/Walther Lammers. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 16) Darmstadt 62011.

- 31

Quellen zur Geschichte des Bauernstandes im Mittelalter. Ed. Günther Franz. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 31) Darmstadt 21974.

- 40a

Quellen zur Alltagsgeschichte im Früh- und Hochmittelalter, Bd. 1. Ed. Ulrich Nonn. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 40a) Darmstadt 2003.

- 40b

Quellen zur Alltagsgeschichte im Früh- und Hochmittelalter, Bd. 2. Ed. Ulrich Nonn. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 40b) Darmstadt 2007.

GWU

Geschichte in Wissenschaft und Unterricht

HZ

Historische Zeitschrift

Ios. Bell. Iud.

Flavius Josephus, De bello Judaico: griechisch und deutsch. Ed. Otto Michel/Otto Bauernfeind. Darmstadt 2013.

Iust.

M. Iuniani Iustini epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi, Ed. Otto Seel, Stuttgart 21985.

LexMA

Lexikon des Mittelalter

Liv.

Titus Livius, Ab urbe condita. Ed. Thomas A. Dorey/Patrick G. Walsh, Leip-

Lucan.

M. Annaei Lucani De bello civili libri X. Ed. David R. Shackleton Bailey,

zig 1971–1986. Stuttgart 21997. Lucr.

Titus Lucretus Carus, De rerum natura libri sex. Ed. Conrad Müller, Zürich 1975.

MGH

Monumenta Germaniae Historica

- Auct. ant.

Auctores antiquissimi

- Briefe d. dt.

Die Briefsammlung Gerberts von Reims. Ed. Fritz Weigle. (Monumenta Ger-

Kaiserzeit 2

maniae Historica. Die Briefe der deutschen Kaiserzeit 2) Weimar 1966.

XVIII | Verzeichnis der Siglen

- Briefe d. dt. Kaiserzeit 4.2

Die Briefe des Petrus Damiani, Teil 2: Nr. 41–90. Ed. Kurt Reindel. (Monumenta Germaniae Historica. Die Briefe der deutschen Kaiserzeit 4.2) München 1988.

- Capit. 1

Capitularia regum Francorum, Bd. 1. Ed. Alfred Boretius. Hannover 1893.

- Capit. 2

Capitularia regum Francorum, Bd. 2. Ed. Alfred Boretius/Victor Krause.

- Conc. 2.1

Concilia aevi Karolini [742–842], Bd. 1. Ed. Albert Werminghoff. (Monu-

- Conc. 2.2

Concilia aevi Karolini [742–842], Bd. 2. Ed. Albert Werminghoff. (Monu-

Hannover 1897. menta Germaniae Historica. Concilia 2.1) Hannover / Leipzig 1906. menta Germaniae Historica. Concilia 2.2) Hannover / Leipzig1908. - Conc. 6.1

Die Konzilien Deutschlands und Reichsitaliens 916–1001, Teil 1916–960. Ed. Ernst-Dieter Hehl/Horst Fuhrmann. (Monumenta Germaniae Historica. Concilia 6.1) Hannover 1987.

- DD - DD H. I.

Diplomata Die Urkunden Konrad I. Heinrich I. und Otto I. Heinrich I. Ed. Theodor Sickel. (Monumenta Germaniae Historica. Die Urkunden der Deutschen Könige und Kaiser 1) Hannover 1879–1884, 37–79.

- DD H. IV.

Die Urkunden Heinrichs IV. Ed. Dietrich von Gladiss/Alfred Gawlik. (Monumenta Germaniae Historica. Die Urkunden der Deutschen Könige und Kaiser 6) Hannover 1941–1978.

- DD Kar. 1

Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Grossen. Ed. Engelbert Mühlbacher u. a. (Monumenta Germaniae Historica. Die Urkunden der Karolinger 1) Hannover 1906.

- DD LD

Die Urkunden Ludwigs des Deutschen, Karlmanns und Ludwigs des Jüngeren. Ludwig der Deutsche. Ed Paul Fridolin Kehr. (Monumenta Germaniae Historica. Die Urkunden der Deutschen Karolinger 1) Berlin 1934, 1–284.

- DD Mer.

Die Urkunden der Merowinger. Ed. Theo Kölzer, 2 Bde. (Monumenta Germaniae Historica. Die Urkunden der Deutschen Könige und Kaiser 1–2), Hannover 2001.

- DD O. I.

Die Urkunden Konrad I. Heinrich I. und Otto I. Otto I. Ed. Theodor Sickel. (Monumenta Germaniae Historica. Die Urkunden der Deutschen Könige und Kaiser 1) Hannover 1879–1884, 80–638.

- Epp.

Epistolae

- Epp. sel. 1

Die Briefe des Heiligen Bonifatius und Lullus. Ed. Michael Tangl. (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae selectee in usum scholarum 1) Berlin 1916.

- Epp. 3

Epistolae Merowingici et Karolini aevi, Bd. 1. Ed. Ernst Dümmler u. a. (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae (in Quart) 3) Berlin 1892.

- Epp. 4

Epistolae Karolini aevi, Bd. 2. Ed. Ernst Dümmler u. a. (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae (in Quart) 4) Berlin 1895.

- Epp. 5

Epistolae Karolini aevi, Bd. 3. Ed. Ernst Dümmler u. a. (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae (in Quart) 5) Berlin 1899.

Verzeichnis der Siglen | XIX

- Epp. 6

Epistolae Karolini aevi, Bd. 4. Ed. Ernst Dümmler u. a. (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae (in Quart) 6) Berlin 1925.

- Epp. 7

Epistolae Karolini aevi, Bd. 5. Ed. Erich Caspar u. a. (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae (in Quart) 7) Berlin 1928.

- LL

Leges

- LL 1

Capitularia regum Francorum. Ed. Georg Heinrich Pertz. (Monumenta Germaniae Historica. Leges (in Folio) 1) Hannover 1835.

- LL 2

Supplementa tomi I. Constitutiones regum Germaniae. Capitularia spuria. Canones ecclesiastici. Bullae pontificum. Ed. Georg Heinrich Pertz. (Monumenta Germaniae Historica. Leges (in Folio) 2) Hannover 1837.

- LL 5

Leges Saxonum. Lex Thuringorum. Edictum Theoderici regis. Remedii Curiensis episcopi capitula. Lex Ribuaria. Lex Francorum Chamavorum. Lex Romana Reatica Curiensis. Ed. Karl von Richthofen u. a. (Monumenta Germaniae Historica. Leges (in Folio) 5) Hannover 1875–1889.

- Poetae 1

Poetae Latini aevi Carolini, Bd. 1. Ed. Ernst Dümmler (Monumenta Germaniae Historica. (Poetae Latini medii aevi 1) Berlin 1881.

- Poetae 2

Poetae Latini aevi Carolini, Bd. 2. Ed. Ernst Dümmler. (Monumenta Ger-

- QQ

Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters

maniae Historica. Poetae Latini medii aevi 2) Berlin 1884. - SS

Scriptores

- SS rer. Germ.

Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi

- SS rer. Germ.

Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series

N. S. - SS rer. Lang.

Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum

- SS rer. Merov.

Scriptores rerum Merovingicarum

Migne PG

Migne. Patrologia Graeca

Migne PL

Migne. Patrologia Latina

[Msyr]

Michael der Syrer, in: Theophilus of Edessa's Chronicle and the circulation of historical knowledge in late antiquity and early Islam. Ed. Robert G. Hoyland. Liverpool 2011.

NDB

Neuere Deutsche Biographie

PG

Patrologia Graeca, siehe Migne PG

PL

Patrologia Latina, siehe Migne PL

Plin. nat.

C. Plinii Secundi naturalis historiae libri XXXVII.Ed. Ludwig von Jan/Karl Mayhoff, 6 Bde., Leipzig 1892–1906 (ND Stuttgart 1967–2002).

PNAS

Proceedings of the National Academy of Sciences

RAC

Reallexikon für Antike und Christentum

RGA

Reallexikon der Germanischen Altertumskunde

RE

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertums-wissenschaft

Rep. Font.

Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi. 11 Bde. Rom 1962–2007.

RHGF

Recueils des historiens des Gaules et de la France = Rerum Gallicarum et Francicarum Scriptores

XX | Verzeichnis der Siglen

RI

Regesta Imperii

RIS

Rerum Italicarum scriptores

Rolls series

Chronicles and Memorials of Great Britain and Ireland during Middle Ages = Rerum Britannicarum medii aevi scriptores

Solin.

C. Ivlii Solini collectanea rerum memorabilium. Ed. Theodor Mommsen, Zürich-Hildesheim 41999.

Strab. Suet. Caes.

Strabons Geographika. Ed. Stefan Radt, 10 Bde., Göttingen 2002–2010. C. Svetoni Tranqvilli De vita Caesarvm libros VIII. Ed. Robert A. Kaster, Oxford 2016, 7–64.

Suet. Claud.

Ebd., 245–282.

Suet. Galba

Ebd., 331–247.

Suet. Vesp.

Ebd., 371–390.

Sul. Sev., Dialogi

Sulpicius Severus, Dialogi, Ed. Karl Felix Halm 1866, CSEL 1, 138–151.

Tac. ann.

Tacitus, Annales. Ed. Heinrich Heubner, Stuttgart 1983.

Tac. hist.

Tacitus, Historiae. Ed. Kenneth Wellesley, Leipzig 1989.

[Theophanes]

Theophanes der Bekenner, in: Theophilus of Edessa's Chronicle and the circulation of historical knowledge in late antiquity and early Islam. Ed Robert G. Hoyland, Liverpool 2011.

Thuk.

Thukydides, Historiae. Ed. Henry Stuart Jones/John Enoch Powell, 2 Bde., Oxford 1942/1963.

Verg. Aen.

P. Vergili Maronis Aeneidos, in: P. Vergili Maronis Opera. Ed. Roger A. B. Mynors, Oxford 1969, 103–422.

Verg. georg.

Virgil, Georgics. Ed. Roger. A. B. Mynors, Oxford 1990.

VWSG

Vierteljahrschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1: Vergleich der Datierungen klimatischer Periodisierungssysteme.......................................21  Abb. 2: Rekonstruktion jährlicher Temperaturen der Nordhalbkugel der vergangenen 2000 Jahre . 23  Abb. 3: North American Drought Atlas, Gitternetz und die Rekonstruktion der Jahre 764 ............... 24  Abb. 4: Verwendete Annalen und Chroniken Nord- und Mitteleuropas (vgl. Tab. 73) ...................... 62  Abb. 5: Verwendete Annalen und Chroniken des Mittelmeerraumes (vgl. Tab. 73) ......................... 63  Abb. 6: Schematische Übersicht der in den Quellen genannten astronomischen Beobachtungen .. 74  Abb. 7: Schematische Übersicht verschiedener Ereignistypen an der Erdoberfläche ..................... 75  Abb. 8: Darstellung des Komet 1P/Halley 1066 auf dem Teppich von Bayeux ............................... 107  Abb. 9: Ansichten ausgewählter totaler, partieller und penumbraler Mondfinsternisse ............... 230  Abb. 10: Übersicht ausgewählter optischer Atmosphärenphänomene ........................................ 258  Abb. 11: Topografische Übersicht der Eisausbreitung im Winter 763/764 ................................... 476  Abb. 12: Topografische Übersicht der Winternennungen 1076/1077 ........................................... 512  Abb. 13: Topografische Übersicht der Nennungen von Heuschrecken 873/874 (vgl. Tab. 53) ........ 575  Abb. 14: Heuschrecken in Europa vom 6. bis 9. Jahrhundert (vgl. Tab. 54) .................................. 580  Abb. 15: Überlieferte Nennungen von Naturereignissen vom 6. bis 11. Jahrhundert (vgl. Tab. 72) . 770 

https://doi.org/10.1515/9783110572490-204

XXII | Verzeichnis der Tabellen

Verzeichnis der Tabellen Tab. 1: Vergleich der Datierungen klimatischer Periodisierungsversuche ..................................... 19  Tab. 2: Ordnungsschema nach Fritz Klemm ................................................................................ 29  Tab. 3: „Pfister-Indices“ nach Pfister und Mauelshagen .............................................................. 30  Tab. 4: Entwicklung der Witterungsbeschreibung ....................................................................... 31  Tab. 5: Hygrische Hinweise in Mitteleuropa zwischen 700 und 1000 nach Rüdiger Glaser.............. 32  Tab. 6: Thermische Hinweise in Mitteleuropa zwischen 700 und 1000 nach Rüdiger Glaser ........... 33  Tab. 7: Vergleich der Ausdehnung der Beobachtungsräume ........................................................60  Tab. 8: Vergleich biblischer Formulierungen mit Quellen des Früh- und Hochmittelalters ..............69  Tab. 9: Weltweite Sichtungen der Supernova von 1006 ............................................................... 83  Tab. 10: Sichtungen des Kometen 1P/Halley im Jahr 1066 ........................................................... 112  Tab. 11: Sichtungen des Kometen 1P/Halley von 500 bis 1100 ..................................................... 113  Tab. 12: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Kometennennungen von 500 bis 1100 ........... 147  Tab. 13: Wichtigste Meteorströme im Jahresverlauf ................................................................... 150  Tab. 14: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Meteorströme von 500 bis 1100 .................... 159  Tab. 15: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Meteoriten von 500 bis 1100 ......................... 168  Tab. 16: Überlieferung von Zeichen in der Sonne von 500 bis 1100 ............................................. 172  Tab. 17: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Polarlichter von 500 bis 1100 ........................ 192  Tab. 18: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Sonnenfinsternisse von 500 bis 1100 ............ 226  Tab. 19: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Mondfinsternisse von 500 bis 1100 ............... 253  Tab. 20: Zeitliche Verteilung der Überlieferung optischer Phänomene von 500 bis 1100 .............. 269  Tab. 21: Erdbeben von 500 bis 1100 nach dem Lexikon des Mittelalters...................................... 272  Tab. 22: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Erdbeben von 500 bis 1100 .......................... 293  Tab. 23: Überlieferung der Massenbewegungen im europäischen Raum von 500 bis 1100 ........... 301  Tab. 24: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Massenbewegungen von 500 bis 1100 .......... 302  Tab. 25: Überlieferung von Tsunamis und Gebirgsfluten von 500 bis 1100 ................................... 311  Tab. 26: Auswirkungen vulkanischer Eruptionen (verändert nach Allan Robock) ......................... 315  Tab. 27: Mögliche Beobachtungen von Höhenrauch von 500 bis 1100 ........................................ 348  Tab. 28: Überlieferte Vulkanausbrüche von 500 bis 1100 .......................................................... 349  Tab. 29: Zeitliche Verteilung der Überlieferung extremer Gewitter von 500 bis 1100 .................... 380  Tab. 30: Überlieferung extremer Hagelereignisse von 500 bis 1100 ............................................ 382  Tab. 31: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Hagelereignisse von 500 bis 1100 ................. 383  Tab. 32: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Stürme von 500 bis 1100 .............................. 397  Tab. 33: Klassifikationen von Tornados ....................................................................................400  Tab. 34: Überlieferung der Windhosen und Tornados von 500 bis 1100 ...................................... 403  Tab. 35: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Tornados von 500 bis 1100 ........................... 404  Tab. 36: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Überschwemmungen von 500 bis 1100 ......... 447  Tab. 37: Extreme Hochwasserereignisse (HW-Index 3): Loire, Seine, Po, Weser, Elbe, Donau .......448  Tab. 38: Extreme Hochwasserereignisse (HW-Index 3): Rhein und Tiber ..................................... 449  Tab. 39: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Sturmfluten von 500 bis 1100 ....................... 457  Tab. 40: Überlieferung der Sturmfluten von 500 bis 1100 .......................................................... 458  Tab. 41: Vergleich der Klassifikationsvorschläge von Wintern .................................................... 461  Tab. 42: Chronikalische Kurzeinträge zum Winter im Jahr 763 ................................................... 470  Tab. 43: Chronikalische Kurzeinträge zum Winter im Jahr 764 ................................................... 472  Tab. 44: Datierungsangaben des Extremwinters 763/764.......................................................... 478  Tab. 45: Datierungsangaben des Extremwinters 873/874 .......................................................... 485  Tab. 46: Nennungen des Extremwinters 1076/1077 ohne Angaben der Dauer ............................. 507 

Verzeichnis der Tabellen | XXIII

Tab. 47: Dauer des Extremwinters 1076/1077 in den Quellen ..................................................... 512  Tab. 48: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Extremwinter von 500 bis 1100...................... 517  Tab. 49: Zeitliche Verteilung der Überlieferung trockener Extremsommer von 500 bis 1100 .......... 535  Tab. 50: Überlieferung von Extremen in Frühling oder Herbst von 500 bis 1100 ........................... 536  Tab. 51: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Blut-(regen-)Ereignisse von 500 bis 1100 ....... 546  Tab. 52: Überlieferte Blut-(regen-)Ereignisse von 500 bis 1100 ...................................................547  Tab. 53: Überlieferung des Heuschreckenauftretens von 873/84 ................................................574  Tab. 54: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Heuschrecken von 500 bis 1100 ....................579  Tab. 55: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Heuschreckenplagen von 500 bis 1100 ..........579  Tab. 56: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Tierplagen von 500 bis 1100 ......................... 586  Tab. 57: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Hungerkatastrophen von 500 bis 1100 .......... 629  Tab. 58: Zeitliche Verteilung der Überlieferung Epidemien von 500 bis 1100 .............................. 660  Tab. 59: Zeitliche Verteilung der Überlieferung von Ergotismus von 500 bis 1100 ....................... 668  Tab. 60: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Epidemien bei Tieren von 500 bis 1100 ......... 686  Tab. 61: Überlieferung von Kreuzen auf der Kleidung von 781 bis 787 .........................................691  Tab. 62: Überlieferung der Kreuze auf der Kleidung von 956 bis 960 ......................................... 696  Tab. 63: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Kreuze auf der Kleidung von 500 bis 1500 ..... 697  Tab. 64: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Weinernten von 500 bis 1100 ....................... 703  Tab. 65: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Weinereignisse von 500 bis 1100 ................. 705  Tab. 66: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Jahre mit Überfluss von 500 bis 1100 ............ 709  Tab. 67: Überlieferung der Jahre mit Überfluss von 500 bis 1100 ................................................ 710  Tab. 68: Vorzeichen von Geburt oder Tod bedeutender Persönlichkeiten ................................... 722  Tab. 69: Vorzeichen von Extremereignissen und Prodigien ....................................................... 729  Tab. 70: Topoi des Verzehrs von Menschen- und Hundefleisch von 500 bis 1100 ........................ 739  Tab. 71: Vergleich der Offenbarung des Johannes mit den Annales Fuldenses ............................. 742  Tab. 72: Zeitliche Verteilung aller Naturereignis-Beobachtungen von 500 bis 1100 ..................... 768  Tab. 73: Überlieferungssituation der benutzten historiografischen Quellen ............................... 805  Tab. 74: Überlieferung der Sichtung von Kometen von 500 bis 1100 .......................................... 810  Tab. 75: Überlieferung der Polarlichter von 500 bis 1100 ............................................................814  Tab. 76: Überlieferung der Sonnenfinsternisse von 500 bis 1100 ............................................... 816  Tab. 77: Überlieferung der Mondfinsternisse von 500 bis 1100 .................................................. 818  Tab. 78: Überlieferung der Erdbeben im europäischen Raum von 500 bis 1100 ............................821  Tab. 79: Überlieferung extremer Gewitterereignisse von 500 bis 1100 ....................................... 825  Tab. 80: Überlieferung der extremen Sturmereignisse von 500 bis 1100 .................................... 827  Tab. 81: Überlieferung der Überschwemmungen von 500 bis 1100 ............................................. 829  Tab. 82: Überlieferung extremer Winter von 500 bis 1100 ......................................................... 832  Tab. 83: Überlieferung extremer Trockenheit von 500 bis 1100 .................................................. 835  Tab. 84: Überlieferung extremer Hungersnöte von 500 bis 1100 ................................................ 837  Tab. 85: Überlieferung der Epidemien beim Menschen von 500 bis 1100 .................................... 840  Tab. 86: Überlieferung der Tierseuchen von 500 bis 1100 ......................................................... 843  Tab. 87: Überlieferung extremer Naturereignisse und ihrer Folgen von 500 bis 1100 ................... 845 

1 Einleitung Et erunt signa in sole et luna et stellis, et super terram pressura gentium prae confusione sonitus maris et fluctuum, arescentibus hominibus prae timore et exspectatione eorum, quae supervenient orbi, nam virtutes caelorum movebuntur.1

1.1 Voraussetzungen 1.1.1 Gegenstand, Untersuchungszeit und -raum Politische, kulturelle, wirtschaftliche und religiöse Entwicklungen vollziehen sich innerhalb und in Abhängigkeit vom räumlichen System der Umwelt. Die Umwelt bildet den Rahmen, in dem sich die genannten Prozesse entfalten können, und besteht ihrerseits aus mehreren Komponenten, einerseits der Landschaft mit Boden, Gewässersystemen und Vegetation,2 andererseits der Atmosphäre mit Wetter, Witterung, Jahreszeiten und Klima. Diese Faktoren bilden die Leitplanken, innerhalb derer sich der Erfahrungshorizont menschlicher Geschichte abspielt. Deshalb wird die Umwelt zunehmend als vierte Grundkategorie der Geschichtswissenschaft neben Politik, Kultur und Wirtschaft wahrgenommen.3 Ein grundlegendes Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, zu prüfen, inwieweit sich der immer wieder betonte Einfluss der natürlichen Umwelt in der zeitgenössischen Entwicklung widerspiegelt und welche Beobachtungen und Reaktionen er hervorrief. Dabei ist zunächst auf die Wahrnehmung, Darstellung und Instrumentalisierung von Naturereignissen einzugehen. Die zeitgenössischen Quellen sagen – wie noch ausführlich gezeigt wird – sehr wenig über die regulären Naturereignisse aus. Ihr ganzes Interesse gilt den Abweichungen von der Norm, den Naturextremen. In dieser Arbeit wird nicht auf das Klima eingegangen, denn dieses setzt neben der Frequenz und Intensität meteorologischer Extreme die Kenntnis von Durchschnittswerten voraus; diese allerdings sind für das Früh- und Hochmittelalter nicht leicht zu rekonstruieren, vor allem nicht aufgrund historischer Quellen. Eine Untersuchung

|| 1 Lk 21,25: „Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen; und auf Erden wird den Leuten bange sein, und sie werden zagen, und das Meer und die Wassermengen werden brausen, und Menschen werden verschmachten vor Furcht und vor Warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden; denn auch der Himmel Kräfte werden sich bewegen.“ 2 Vgl. Denecke, Eingriffe der Menschen (1994), 59–71. 3 Vgl. Siemann, Umweltgeschichte (2003), 10; Mauelshagen/Pfister, Klima (2010), 245; JakubowskiTiessen, Umweltgeschichte (2014), 32.

https://doi.org/10.1515/9783110572490-001

2 | Einleitung

solcher Durchschnittswerte muss daher Studien anderer Quellenmaterialien überlassen bleiben. Im Folgenden geht es, aufgrund der Schwerpunkte der Quellenüberlieferung, ausschließlich um Naturextreme. Die Arbeit orientiert sich dabei an den drei großen Forschungsfeldern bisheriger Untersuchungen: 1) der Rekonstruktion vergangener Verhältnisse von Naturextremen (Temperatur-, Niederschlagsanomalien etc.), 2) der historischen Folgenforschung von Naturextremen (Mangel, Plagen, Erkrankungen etc.) und 3) der Wissensgeschichte über Naturextreme (Erstnennung, -beschreibung etc.).4 Die Angst vor der Plötzlichkeit unerwarteter Naturereignisse wie Erdbeben, vor der Unberechenbarkeit der Witterung und dem Anpassungsdruck aufgrund naturbedingter Notsituationen gehört wohl zu den Urängsten der Menschen. Kaum einem anderen Ereignis ist der Mensch so ausgesetzt wie einem unvorhergesehenen und überraschend hereinbrechenden Naturextrem.5 Die Betroffenen konnten sich die Phänomene zumeist nicht erklären, daher deuten sie sie oft als Wunderzeichen und Prodigien. Dabei sind aus der Antike viele Beschreibungen von Naturkatastrophen – allen voran der gut dokumentierte Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 n. Chr.6 – in die Vorstellungswelt der gebildeten Schreiber, Annalisten und Chronisten des Mittelalters gelangt. Wenn die mittelalterlichen Menschen ihrerseits Naturanomalien erlebten, versuchten auch sie – so sie dazu in der Lage waren – diese zu notieren, insbesondere wenn sie vom zeitgenössischen Erwartungshorizont signifikant abwichen. Indem die Ereignisse in Ostertafeln, Annalen und Chroniken eingetragen wurden, wurden sie aus dem oralen Erinnerungskreis hinüber in die Schriftlichkeit gerettet und zum Bestandteil einer schriftlich fixierten Erinnerungskultur gemacht. Diese bewahrt Erinnerungen zwar länger als orale Wissenstradierung, unterliegt aber der Dynamik von Überlieferungs-Chancen und Überlieferungs-Zufällen, wie sie Arnold Esch beschrieben hat. Um Berichte über Naturereignisse dauerhaft zu überliefern, bedarf es mehrerer Voraussetzungen. Der Beobachtende muss schreiben können und der Autor oder der Text so bekannt werden, dass spätere Generationen die Überlieferung der Werke im Original oder durch Abschriften ermöglichen.7 Dabei hatte das Selbsterlebte eine umso größere Chance notiert zu werden, je weiter es von der sonst erlebten Normalität abwich. Es ist von einem relativen Unterschied auszugehen, der sich auf die typischen Verhältnisse an dem Ort oder in der Region bezog, in der die beobachtende Person lebte. Es wurden eben keine täglichen Beobachtungen notiert, sondern fast ausnahmslos Extremereignisse. Anders als in späteren Zeiten reichen

|| 4 Vgl. Mauelshagen/Pfister, Klima (2010), 243. 5 Vgl. Vadas, Volcanoes (2010), 5–26. 6 Vgl. Thommen, Umweltgeschichte (2009), 116–120. 7 Vgl. Esch, Überlieferungs-Chance (1985), 529–570.

Voraussetzungen | 3

die Mitteilungen der früh- und hochmittelalterlichen Autoren also bei Weitem nicht aus, um eine kontinuierliche Beschreibung des Wetters oder der Witterung und darauf aufbauend eine Indexierung klimatischer Durchschnittswerte vorzunehmen. Da sich Naturereignisse nicht an politische Grenzen halten, wurde als transnationaler Untersuchungsraum das Gebiet des ehemaligen Römischen Reiches in seiner größten Ausdehnung und das sich nördlich daran anschließende Europa gewählt. Als Bearbeitungszeit wurde ein Rahmen gesetzt, der von zwei überregionalen Ereignissen begrenzt wird, die beide fast ganz Europa betrafen. Zum einen ist dies die ausgehende sogenannte Völkerwanderung, hier mit dem Stichjahr 500, zum anderen der Beginn des Ersten Kreuzzugs am Ende des 12. Jahrhunderts, Stichjahr 1100, da danach die Zahl der Quellen stark zunimmt. Damit eröffnen sich für die Epochen vom Jahr 500 bis 600 und vom Jahr 1000 bis 1100 zwei Übergangsphasen, in denen sich die vorliegende Auswertung mit anderen Untersuchungen vergleichen und kontextualisieren lässt.8 In den letzten Jahren wurden zwar von klimageografisch arbeitenden Forscherinnen und Forschern die Anstrengungen verstärkt, anhand historischer Quellen die Klimaentwicklung der vergangenen 1000 Jahre in Mitteleuropa zu klären,9 die unmittelbare Zeit vor dem ersten Jahrtausendwechsel wurde dabei aber bisher kaum berücksichtigt.10 Für die bisherige Forschung war bei vielen Ereignissen die Frage grundlegend, ob es sich dabei jeweils um eine singuläre Naturkatastrophe oder um einen allgemeinen Wandel der Klimabedingungen handelte.11 Dieser langfristige Wandel kann aus den genannten Gründen – es fehlen schlicht die historischen Daten – hier nicht untersucht werden, stattdessen liegt ein größeres Augenmerk auf den einzelnen Ereignissen, die dazu in drei große Gruppen eingeteilt werden: 1) astronomische, vulkanische, tektonische, geomorphologische Extremereignisse, 2) extreme Witterungsereignisse und 3) die aus diesen beiden Gruppen resultierenden Auswirkungen und Folgen wie Epidemien, Plagen, Hungersnöte. Diese Zuordnung folgt pragmatischen Gründen und ist nicht immer zwingend. Es handelt sich oft um relative, zeitgenössische Einschätzungen entsprechend der ortstypischen Witterungsmuster; daher ist überlegt worden, ob sich bei einem langfristigen Wandel der regionalen Verhältnisse beobachten lässt, dass die Erwartung der Autoren sich anpasst.12 Dies ist aber aufgrund der kurzen Intervalle eines menschlichen Lebens im Vergleich zu klimatischen Änderungen sehr unwahrscheinlich. Erst

|| 8 Glaser/Riemann, Thousand Year Record (2009), 437–449. 9 Bradley, Documentary Data (1999), 439–470. 10 Climat. Ed. Alexandre; Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas (2008). 11 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 150–166. 12 Riemann, Methoden zur Klimarekonstruktion (2011).

4 | Einleitung

naturwissenschaftlich gewonnene Datenreihen mit einer jahrweisen oder genaueren Auflösung können hier Aussagen zu langfristigen Entwicklungen ermöglichen. Für die Einbindung und Synchronisierung solcher Datenreihen in ein chronologisches Grundgerüst sind aber Anomalien notwendig, die in den Datenreihen als markante Spitzen auffallen. In diesen Extremfällen lassen die Beobachtungen der Zeitgenossen oft genauere Aussagen über das Ereignis zu als die naturwissenschaftlich gewonnenen Datenreihen. Schon bei der Datierung können oft tagesgenaue Angaben gemacht werden. Der Verlauf, die Ausbreitungsrichtung, die unmittelbaren Folgen und die Reaktionen eines Naturereignisses wurden oft sehr präzise beschrieben. Die Auswertung der Quellen, in denen diese Ereignisse beschrieben wurden, wird von der Geschichtswissenschaft durchgeführt, die in ihrer Fachtradition spezielle Verfahren der historischen Quellenkritik entwickelt hat, um aus den Quellen verlässliche Informationen gewinnen zu können. An diesem Punkt, der Sammlung und Analyse der zeitgenössischen Quellen, in denen extreme Naturereignissen vorliegen, möchte die vorliegende Arbeit ansetzen. Da oft lediglich die Folgen der Extreme in den Quellen dokumentiert wurden, müssen aus methodischen Gründen auch diese indirekten Hinweise mit in die Betrachtung einbezogen werden. Dabei gilt die Natur im Mittelalter noch als eine „empirische Welt für sich, eine außerhalb des Menschen befindliche Gegebenheit, und eben darin noch nicht bewältigt, kontrolliert, sondern ein Stück unberechenbaren Gotteswerks an der Seite des Menschen. Gleichsam noch wirkliche Natur, herrlich und schauerlich, ein unnahbares Geheimnis“.13 Die ganze Natur tritt dem Menschen „in furchterregender Drohgebärde“ gegenüber.14 Wie die Menschen mit den Naturextremen und deren Folgen umgingen und umgehen, kann aus ihren jeweiligen kulturellen und religiösen Kontexten abgelesen werden. Dabei wurde und wird die Natur in starkem Maße vom Menschen instrumentalisiert: Gott würde die Menschen bestrafen und dafür die Natur nutzen. Folgende Gründe werden dafür angeführt: 1) die Abkehr vom alten Glauben und Zuwendung zum Christentum, 2) die Abkehr vom gerade erworbenen Christentum durch Zuwendung zum alten Glauben, 3) die zu geringe Beachtung christlicher Moral- und Lebensvorstellungen, 4) eschatologische Erwartungen und 5) persönliche Verfehlungen einzelner oder vieler. Alle diese instrumentalisierenden Interpretationen können Nachrichten über die zeitgenössische Umwelt generieren, die zu möglichen Quellen für moderne Fragestellungen werden können.

|| 13 Borst, Alltagsleben (1983), 592 f. 14 Borst, Alltagsleben (1983), 592 f.

Voraussetzungen | 5

Auf die kurzfristig geänderten Rahmenbedingungen, besonders auf die plötzlich auftretenden Extreme und ihre oft dramatischen Folgen, mussten die zeitgenössischen Herrscher zwar reagieren,15 denn die Verantwortung für zu große Unglücksfälle wurde oft den Herrschenden angelastet. Allerdings reichte das Spektrum von der persönlichen Verantwortung für eine Hungerkatastrophe und einen entsprechenden Herrscheraustausch (im frühmittelalterlichen Norwegen) über konkrete Preisregulierung (im Reich Karls des Großen) bis hin zur Versorgung der Bevölkerung mit Schlachtvieh (zur Zeit Ottos I.). Die Natur stellte dabei nie die Ursache menschlichen Handelns dar, sondern die Rahmenbedingung, vor der sich dieses Handeln vollzog. Der Herrscher hatte die Naturereignisse aber noch stärker zu fürchten: Denn den Tod des Herrschers mit Prodigien zu erklären war ein häufig genutzter Topos der Historiografie. Gab es also astronomische oder meteorologische Erscheinungen, konnten diese als Vor- oder Wunderzeichen gewertet werden. Vorbilder für die mittelalterlichen Autoren waren dabei die Bibel, aber auch antike Texte wie die Kaiserbiografien Suetons, in denen dieser von Vorzeichen des Todes für die römischen Kaiser Augustus, Caligula und Claudius berichtet, auch Einhard gab für Karl den Großen in einem eigenen Kapitel die angeblichen Wunderzeichen vor dessen Tod wieder.16 Dies wurde aber nicht zwingend oder konsequent so gehandhabt. So schob Widukind von Korvei in seine Darstellung des Todes Heinrichs I. nachträglich einige Wunderzeichen ein, vermied solche aber bei seiner Darstellung des Todes Ottos des Großen.17 Die Aufnahme von Vor- oder Wunderzeichen in die eigene Sammlung hatte seine Ursache nicht nur in der Intention des jeweiligen Autors, sondern auch in der des Herrschers. Als im Jahre 837 ein Komet erschien, musste sich der als Astronomus bezeichnete Autor der Frage nach dem Sinn dieses Zeichens stellen, die Kaiser Ludwig der Fromme, der eine Bedeutung als vermeintliche Ankündigung seines eigenen Todes ahnte, konsequent an ihn richtete.18 Dieses Verhalten eines Herrschers, in dessen Herrschaftszeit ein Komet erschien, ist weder einmalig noch ungewöhnlich und lässt sich mehrfach nachweisen. Da Ludwig aber trotz „eindeutigen“ Prodigiums nicht starb, konnte Astronomus den Kometen nicht als Vorzeichen dokumentieren. Die extremen Naturereignisse werden nach ihren Ursachen in fünf Aspekte unterschieden: 1) in die astronomischen Aspekte, die im weitesten Sinne die vom Plane-

|| 15 Vgl. McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 865: „Revolutionäre Fortschritte der Naturwissenschaften verändern unser Verständnis der Vergangenheit. Diese Annahme wird von der vorliegenden Fallstudie gestützt, die neue Daten der letzten Jahrzehnte der paläoklimatischen Forschung mit der Geschichte des karolingischen Reiches verbindet. Für Mediävisten kann es die Tür öffnen zu neuen Innenansichten der gesamteuropäischen Zivilisation.“ 16 Einhard, Vita Caroli magni. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, 32. 17 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 32. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 93. 18 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 27. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 372 f. Vgl. Kap. 2.1.2 Kometen.

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ten Erde oft weit entfernten, aber beobachtbaren Ereignisse beinhalten, 2) in die atmosphärischen Aspekte, 3) in die tektonischen, 4) die geomorphologischen und 5) die vulkanischen Perspektiven. Die auf der Erdoberfläche eintreffende Energie der Sonne und die herabfallenden Meteoriten bilden hier einen Übergang. Besonders die einfallende Sonnenenergie bildet auf der Erdoberfläche den Motor für die bekannten meteorologischen Systeme, die darauf beruhen, das Energiegefälle zwischen Äquatornähe und den Erdpolen auszugleichen. Diese Angleichung findet durch Strömungen in den Ozeanen oder in der Atmosphäre statt. Im Kapitel zu den Auswirkungen und Folgen geht es um solche Ereignisse, die als Folge der vorhergehenden Naturanomalien auftreten, besonders die Plagen sich explosionsartig vermehrender Tiere oder Pflanzen (Heuschrecken, Schlauchpilze), aber auch um die Folgen für den Menschen in Form von Lebensmittelverknappung und Hungersnöten und weiteren Epidemien bei Menschen und Tieren. Die Betrachtung kann aber nicht an dem Punkt stehenbleiben, zu sammeln, was dargestellt wurde. Vielmehr ist zu fragen, warum es gerade so dargestellt wurde und, viel grundsätzlicher, ob nicht sämtliche Nachrichten zur Natur in Chroniken und Annalen rein allegorisch gelesen werden müssen. Es stellt sich die Frage, ob die Zeitgenossen also überhaupt tatsächliche, zeitgenössische Wahrnehmungen notiert haben und falls ja, wann und warum. Um sich diesen Fragen weiter zu nähern, ist es notwendig, die Voraussetzungen und bisherigen Definitionen näher zu betrachten und einen Überblick über die bisherige Forschung zu erlangen.

1.1.2 Definitionen Statt des Begriffs „Naturkatastrophe“19 wird im Folgenden „extremes Naturereignis“ oder „Naturextrem“ verwendet, denn „Naturkatastrophen kennt nur der Mensch, sofern er sie überlebt. Die Natur kennt keine Katastrophen.“20 Deshalb ist vieles, was über Naturkatastrophen geschrieben wurde, auf den hier verwendeten Begriff „Naturextrem“ zu übertragen.21 Durch die Wahl des Begriffes „extremes Naturereignis“ statt „Naturkatastrophe“ sollen Katastrophen nicht abgewertet werden. Im Denkund Wahrnehmungshorizont der Zeitgenossen deutet aber oft bereits das Erscheinen eines Kometen eine Katastrophe an, obwohl in der unmittelbaren Umgebung des Einzelnen nichts weiter geschah. Um allen mittelalterlichen Ereignissen gleichermaßen gerecht zu werden, lässt sich die „Katastrophe“ kaum zur Beschreibung heranziehen. In der Rückschau befinden sich Naturkatastrophen an der Nahtstelle zwischen Klimarekonstruktion und Klimafolgenforschung. Erst als sich der Fokus der Historischen Klimatologie von der Ermittlung der Durchschnittswerte zu den Extremereignissen

|| 19 Berlioz, Catastrophes naturelles (2005); Fouquet/Zeilinger, Katastrophen (2011). 20 Frisch, Mensch (1979), 271. 21 Schenk, Lektüren (2009), 507–520.

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verschob, etablierten sich die „natürlichen Anomalien“ als eigenes Forschungsfeld. Innerhalb dieses Feldes orientierte sich die Forschung zuletzt an den Begriffen der Wahrnehmung, Deutung, Bewältigung, Erfahrung und Verletzlichkeit.22 Die Begriffe Wetter, Witterung, Jahreszeit und Klima werden in der Fachliteratur klar unterschieden.23 Mit „Wetter“24 wird die unmittelbar einwirkende Konstellation von klimatischen Faktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit, barometrischer Druck, Winde25 etc. an einem bestimmten Ort beschrieben.26 Die am Wetter beteiligten Komponenten Temperatur, Wind und Niederschläge sind voneinander abhängig, wurden von den Zeitgenossen aber oft getrennt beschrieben. Mit der „Witterung“ wird der längerfristige Trend des Wetters an diesem Ort beschrieben, in einer zeitlichen Größenordnung von Wochen bis Monaten.27 Die „Jahreszeiten“ bilden ein Erfahrungswissen in den nichttropischen Gebieten ab, die durch einen starken Wandel der Einzelelemente (Temperatur, Niederschlag etc.) gekennzeichnet ist, der in Vierteljahresschritten wechselt. „Klima“ bezeichnet die Gesamtheit der Wettererscheinungen an einem Ort während einer längeren (nach der Weltmeteorologischen Organisation mindestens 30 Jahre) festgelegten Zeitspanne.28 Dabei werden für die einzelnen Klimaelemente Durchschnittswerte ermittelt. Kurz gefasst, während der Begriff „Wetter“ sich auf das jeweilige, momentane Tagesereignis bezieht und der Begriff „Witterung“ das Wetter über mehrere Tage und Wochen beschreibt, wird unter dem Begriff „Klima“ die langfristige Entwicklung der Durchschnittswerte von Wetter und Witterung zusammengefasst. Ein Klimaereignis hat also nichts mit dem Wetter zu tun, sondern ist ein herausgehobener kurzer Abschnitt der langfristigen klimati-

|| 22 Rohr/Camenisch/Krämer/Vlachos, Umweltgeschichtsforschung (2012), 198 f. 23 Vgl. Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 421. 24 Lindgren, Wetterbeobachtung (1998), 46–48. 25 Lindgren, Winde (1998), 231 f. 26 Vgl. Weischet/Endlicher, Einführung (2008), 19: „Atmosphärische Phänomene, die innerhalb weniger Sekunden, Minuten oder Tage ablaufen, werden als meteorologische Phänomene bezeichnet und dem Wetter zugeordnet.“ 27 Vgl. Weischet/Endlicher, Einführung (2008), 240: „Unter ‚Witterung‘ versteht man einen mehrere Tage oder allenfalls wenige Wochen dauernden Abschnitt mit einheitlichem Grundcharakter der kurzfristigen Wetterentwicklung. Sie wird von einer sog. ‚Großwetterlage‘ über einem gewählten Raum bestimmt (z.B. Westwetterlage, Hochdrucklage, Ostlage).“ und 20: „in der deutschen Sprache ist noch die ‚Witterung‘ zwischengeschaltet, mit der ein einheitliches Wettergeschehen während weniger Wochen, wie etwa die Witterungssingularitäten des Altweibersommers oder der Schafskälte, bezeichnet wird.“ 28 Vgl. zum Klima: Häckel, Meteorologie (2012), 315–317. Eine Zusammenstellung von Definitionen des Klimas bieten: Weischet/Endlicher, Einführung (2008), 15 f. Danach definierte die World Meteorological Organisation (1979) Klima als „die Synthese des Wetters über einen Zeitraum, der lang genug ist, um statistische Eigenschaften bestimmen zu können.“

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schen Entwicklung, beispielsweise in Form einer sogenannten schnellen Klimaänderung (rapid climatic change), wenn das Niveau der Durchschnittswerte gegenüber der Bezugsperiode ansteigt oder absinkt.

1.1.3 Klima- und Umweltdeterminismus Vom Beginn des 19. Jahrhunderts an, als erstmals der Zusammenhang zwischen einem Vulkanausbruch und der anschließenden Hungersnot konstatiert wurde, sind die natürlichen Faktoren immer stärker innerhalb deterministischer Modelle verwendet worden. In klimadeterministischer Sichtweise wurde und wird immer wieder versucht, in der klimatischen Entwicklung die Ursache historischer Prozesse zu sehen. Der Klimadeterminismus kann dabei als spezifische Ausprägung des Naturdeterminismus gedeutet werden und bedeutet eine monokausale Reduktion der Ursachen sozialer Phänomene auf die klimatische Entwicklung.29 Äußere Rahmenbedingungen wie Klima und geografische Lage wurden in der Vergangenheit insofern häufiger als prägend gedeutet, als dass man davon ausging, diese Faktoren würden sich unmittelbar auf die Lebensformen auswirken.30 Der deterministische Raumansatz machte aus dem Raum selbst ein Subjekt mit eigenen Ansprüchen. Auch wenn die Historische Klimatologie nie so weit ging, stand das Klima bei den Nachbardisziplinen doch oft im Verdacht, determinierend zu wirken.31 Den Tiefpunkt erreichte diese Entwicklung vermutlich mit den Publikationen Ellsworth Huntingtons,32 was parallel zu einer starken Ablehnung der Umwelt als Kategorie in vielen Bereichen der Geschichtswissenschaft führte. Soziale, kulturelle und politische Begründungen für Entwicklungsprozesse wurden als Gegenmodel zum Naturdeterminismus stärker betont, der Einfluss der Umwelt in hohem Maße negiert. Erst mit den Arbeiten von Pierre Alexandre33 oder Hubert Horace Lamb34 in den 1960er-Jahren änderte sich dies langsam, indem fortan monokausale Begründungen vermieden wurden. Mit der 1967 von Emmanuel Le Roy Ladurie veröffentlichten Arbeit „L’histoire du climat depuis l’an mil“ wurde eine bahnbrechende Abgrenzung von den deterministischen Ansätzen der älteren

|| 29 Vgl. Mauelshagen/Pfister, Klima (2010), 252 f. 30 Vgl. die Untersuchung bei Ehlers, Anthropozän (2008), 121. 31 Rau, Räume (2013), 33–38. 32 Huntington, Civilization and Climate (1945), 489: Als Beispiel sei das „Clock Diagramm of Droughts and Civil Wars“ genannt, in dem Trockenperioden, Kältephasen und Bürgerkriege zwischen 450 und 1950 mit 170- und 510-Jahresperioden dargestellt werden. 33 Alexandre, Histoire du climat (1974), 101–116. 34 Lamb, Climate. Bd. 1 (1972); Bd. 2 (1977); Lamb, Klima und Kulturgeschichte (1989).

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Klimageschichte erreicht, indem der französische Historiker die Geschichte des Menschen von der Geschichte der Natur trennte.35 Dennoch schwingt in den naturwissenschaftlichen Disziplinen noch bis in die jüngste Zeit ein stark deterministisches Modell im Hintergrund mit. Es mangelt aufgrund dieser Entwicklung nicht an gegenläufigen Versuchen, den Einfluss des Klimas als Entwicklungsfaktor vollständig zu negieren und aus einer Art polarisierendem Sozialdeterminismus heraus klimatische Aspekte völlig auszublenden. Dieses Vorgehen folgt dem Postulat der Sozialwissenschaften, Soziales nur mit Sozialem zu erklären.36 Es mangelt weiterhin nicht an Versuchen, den Klimadeterminismus in aktuellen Diskussionen – besonders in Bezug auf den Klimawandel (climatic change)37 – zu instrumentalisieren,38 was ebenfalls Gegenreaktionen auslöst. Einfach negieren lässt sich die Umwelt als Rahmenbedingung nicht und die „Forderung, das Klima müsse in der Geschichtswissenschaft neu gewichtet werden, sollte daher nicht mit Determinismusvorwürfen abgewürgt werden.“39 Die Umwelt sollte aber auch nicht überbewertet werden. In der Vergangenheit führten allzu viele Studien den Zusammenbruch von Weltreichen (large scale societal crises) auf klimatische Veränderungen zurück.40 Deterministische Kausalketten, nach denen ein starker Regen ein Hochwasser auslöste, in dessen Gefolge eine Epidemie ausbrach, unter deren demografischem Druck eine Dynastie zum Einsturz gebracht wurde, sind methodisch höchst zweifelhaft.41 Andere Autoren propagierten den umgekehrten Weg, um Aufstieg und Ausbreitung eines Weltreiches, im konkreten Fall das von Dschingis Khan zu Beginn des 13. Jahrhunderts, zu erklären; auch das ist nicht unproblematisch. Nach den bis dahin bevorzugten Theorien hatten die Mongolen ihr Reich ausbreiten müssen, um der Trockenheit und der damit einhergehenden Knappheit zu entgehen; im Gegensatz dazu wird aufgrund dendrochronologisch gewonnener Daten die These aufgestellt, die Mongolen hätten sich in einer relativ warmen, feuchten und grasreichen Periode ausgebreitet und der Überschuss an Gras hätte ihnen aufgrund des milden Klimas als Treibstoff der Kulturausbreitung gedient. Die Unterwerfung der Tanguten, Jurchen und anderer zentralasiatischer

|| 35 Vgl. Rohr u. a., Umweltgeschichtsforschung (2012), 197. 36 Vgl. Mauelshagen/Pfister, Klima (2010), 254. 37 Vgl. Cronin, Paleoclimates (2010). 38 Vgl. Hulme, Climate Change (2009). 39 Reith, Umweltgeschichte (2011), 16. 40 Buckley/Anchukaitis u. a. Climate (2010), 6748–6752. 41 In dieser Hinsicht einer der extremsten Ansätze ist es, den Untergang des Römischen Reiches auf eine Kältewelle zurückzuführen. Allerdings wird dies immer wieder von naturwissenschaftlichen Disziplinen vertreten. Vgl. beispielsweise: Holt, Did extreme climate conditions (2002).

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Stämme und Völker in den Jahren von 1206 bis 1225 wäre nur aufgrund dieser klimatischen Gunst möglich gewesen.42 Die über dem Durchschnitt liegenden Klimawerte können sicherlich als ein Faktor interpretiert werden, welcher der Lebensweise der Mongolen entgegenkam; aber auch die anderen Völker hätten davon profitiert, sodass eine ausschließlich klimatische Begründung für die Ausbreitung des mongolischen Reiches nicht überzeugt. Pfister und Mauelshagen haben zuletzt vom „Ge, spenst des Determinismus“ gesprochen43 und tatsächlich wird in aktuellen Artikeln auch vonseiten der Naturwissenschaft teilweise vorsichtiger formuliert.44 Den Gefahren des Determinismus wird zurzeit in folgender Weise begegnet: „Lassen Sie es mich auf jeden Fall kristallklar sagen: Ich würde in keiner Weise behaupten wollen, dass Vulkane den Fall des Römischen Reiches oder den Niedergang des Reiches von Karl dem Großen verursacht haben. Aber ich muss feststellen, dass sie eine Rolle dabei spielten, die zu Grunde liegenden Bedingungen von Leben und Tod großer Kulturen zu formen, und dass wir, als Historiker und Archäologen, aufgerufen sind, diese Rolle anzuerkennen und zu analysieren.“45 Bereits Lucien Febvre (1878–1956) setzte dem Determinismus den Possibilismus entgegen, als er schrieb: „Einige reden von Naturräumen, Klimazonen, botanischen Zonen, großen Zonen von Kräften, die direkt auf den Menschen einwirken, mit einer wahrscheinlich souveränen und determinierenden Macht. (…) Das versteht man unter Determinismus. (…) Naturräume [sind aber] nichts anderes als Ensembles von Möglichkeiten für die menschlichen Gesellschaften, die sie nutzen, die aber keineswegs von ihnen determiniert werden.“46 Susanne Rau fasste zusammen, dass geografische Bedingungen die Ausgangsmaterie und nicht die Ursachen der Entwicklung von Gesellschaften sind. Geografie, und das schließt die Klimageografie mit ein, heißt bei Febvre also nicht Unterwerfung, sondern Nutzung der vorgefundenen Möglichkeiten. Dies kann sehr vielfältig sein und ist keinesfalls zwangsläufig.47 Die zeitgenössisch Handelnden haben immer die Wahl, ihren kulturellen oder religiösen Vorstellungen entsprechend in unterschiedlicher Weise mit ihrer Umwelt umzugehen. Wie oben beschrieben, sollen hier Naturextreme und ihre Folgen ausschließlich als Rahmenbedingungen des menschlichen Handelns, aber nicht als Ursache behandelt werden, die den Handelnden immer die Wahl lassen, entsprechend ihren kulturellen oder religiösen Vorstellungen mit den Beeinflussungen durch die Natur umzugehen. Deshalb ist zu fragen, wie sich menschliche Gesellschaften verhalten, um mit den von

|| 42 Pederson u. a., Pluvials, droughts (2014), 4375–4379: Dendrochronologische Daten sibirischer Zirbelkiefern (pinus sibirica), zeigen ein Zeitfenster von 1211 bis 1225, in dem regelmäßig Werte über dem Durchschnitt der Gesamtkurve gemessen wurden. 43 Pfister/Mauelshagen, Vom Klima zur Gesellschaft (2010), 241 f. 44 Toohey u. a., Climatic and societal impacts (2016), 401–412. 45 McCormick, Karl der Große (2008), 26. 46 Hier zitiert nach Rau, Räume (2013), 41 f. 47 Rau, Räume (2013), 42.

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außen geänderten Rahmenbedingungen umzugehen.48 Durch die Fortschritte in den paläoklimatischen Naturwissenschaften können Klimaereignisse und langfristige Klimaveränderungen heute deutlicher denn je sichtbar gemacht werden. Daraus entstehen viele Chancen für eine fächerübergreifende Umweltgeschichte, 49 wie sie beispielsweise in Harvard oder in Princeton entwickelt werden.50 Der Ansatz, die von der Paläoklimatologie neu erarbeiteten Daten mit der Geschichte Europas zwischen 500 und 1100 zu verbinden, kann neue Innenansichten der europäischen Entwicklungsstränge ermöglichen. Dabei ist aber nicht etwa das Wetter für zivilisatorische Entwicklungen oder Umbrüche verantwortlich zu machen. Mehrfach wurde vor den Folgen umweltdeterministischen und simplifizierenden Vorgehens bei der Erforschung von Klimaeinflüssen auf die Agrar- und Bevölkerungsgeschichte gewarnt,51 deshalb lohnt es sich, die bisherige Forschung zu betrachten.

1.2 Forschungsüberblick In den folgenden Abschnitten werden zunächst die generellen Darstellungen zur historischen Klimatologie und die allgemeinen Kataloge von Einzelphänomenen vorgestellt, darauf folgt eine Auswahl der Spezialuntersuchungen, die zeitlich sehr inhomogen verteilt sind. Innerhalb der klassischen Geschichtsforschung nahm die Erforschung der extremen Naturereignisse des Früh- und Hochmittelalters bisher keine herausgehobene Stellung ein, stattdessen lag der Fokus für diese Epochen auf der Ereignis- und Politikgeschichte, der Kirchen- und der Verfassungsgeschichte.52

1.2.1 Gesamtdarstellungen und Kataloge Viele Sammlungen wurden zu sehr unterschiedlichen Einzelaspekten erstellt, zu Witterungsereignissen, Wintern, Trockenzeiten, Hungersnöten, Erdbeben, Kometen, Finsternissen etc. Deshalb werden diese Kataloge nicht hier vorgestellt, sondern jeweils zu Beginn desjenigen Kapitels, in dem diese Naturereignisse näher betrachtet werden.

|| 48 Diamond, Collapse (2005). 49 Pfister/Schuler, Historische Umweltforschung (1992), 169–187. 50 Vgl. dazu beispielsweise die aktuellen Projekte von Michael McCormick an der Harvard University oder von Timothy Newfield am Princeton Environmental Institute. 51 Siehe etwa: Militzer, Klima – Klimageschichte – Geschichte (1996), 82 Anm. 50. Pfister, Klima der Schweiz (1985). 52 Vgl. Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 19.

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Bereits früh wurde begonnen, Nachrichten zu Naturereignissen zusammenzustellen und darauf aufbauend in Gesamtdarstellungen die Besonderheiten herauszuarbeiten. Solche Sammlungen wurden schon im 17. Jahrhundert begonnen und im 18. und vor allem 19. Jahrhundert immer weiter ausgebaut. Als ein Beispiel von vielen ist die Schrift „Über die Beweglichkeit der Klimate” von Frih (!) Ehrenheim von 1824 zu nennen,53 der „das tragische Schicksal zu Teil geworden [ist], jederzeit als unfehlbarer Codex zu gelten.”54 Die scheinbare Objektivität der Sammlung, in die teilweise mit großem Fleiß auch viele Nachweise eingeflochten wurden, führt sich anhand der unkritischen Übernahme auch jüngerer Überlieferungen selbst ad absurdum. An der Sammlung von nicht an zeitgenössischen Quellen überprüften Angaben, teilweise aus Tageszeitungen, kranken viele weitere Kataloge, von denen der wirkungsmächtigste sicherlich die unkritische Zusammenstellung von Richard Hennig zu den „bemerkenswerten Witterungsereignissen der Jahre von 1754 v. Chr. bis 1799“ darstellt.55 Bereits Arnold Norlind war bei seiner Besprechung dieser mit viel Fleiß zusammengebrachten Arbeit verzweifelt.56 Trotzdem wurde sie zur Grundlage von zahlreichen statistischen Auswertungen.57 Der aus moderner Perspektive völlig einleuchtende methodische Schritt, ausschließlich die zeitnah belegten Quellen zu benutzen und die spätere Überlieferung einer sehr kritischen Untersuchung zu unterziehen, musste sich in Bezug auf Naturereignisse forschungsgeschichtlich erst langsam durchsetzen. Die Entwicklung lief dabei von der bloßen Sammlung ohne Nachweis,58 über die Sammlung mit Nachweis59 hin zur ausschließlichen Sammlung zeitgenössischer Quellenangaben. Nichtsdestotrotz sind einige der vermeintlichen „Ergebnisse“, die aus der bloßen Sammlung späterer Überlieferung stammen, lange als unfehlbare Angaben der Klimageschichte gehandelt worden, die bis in moderne Darstellungen hinein ihre Wirkung zeigen. So konnten Bell und Ogilvie 1978 zeigen, dass im wegweisenden

|| 53 Ehrenheim, Om Climaternes rörlighet (1824). 54 Norlind, Bemerkungen (1914), 8. 55 Hennig, Katalog (1904), 9–18. Hennig war durch ein Preisausschreiben des „Reale Istituto Lombardo di scienze e lettere“ in Mailand zu dem Thema gekommen, dessen Aufgabe darin bestand, einen Katalog der bemerkenswerten Witterungsereignisse bis zum Jahre 1800 zu sammeln. Hennig teilte sich den Preis mit zwei Italienern. 56 Norlind, Bemerkungen (1914), 9: „Es ist höchst peinlich, diese Arbeit, die doch mit solchem Fleiss zusammengebracht ist, beurteilen zu müssen. Das stattliche Quellenverzeichnis darf einen nicht irreführen, diese Arbeiten sind zum grössten Teile von sehr zweifelhaftem Werte. Andererseits muss es einem auffallen, dass die wirklich gleichzeitigen Chroniken nur ausnahmsweise herangezogen wurden.“ 57 Bernhardt/Mäder, Statistische Auswertung (1987), 120–130. 58 Als ein Beispiel von mehreren: Köhler, Beschreibung (1834). 59 Solch eine Mischung ist beispielsweise der Katalog zu meteorologischen Daten in Belgien und Deutschland von 120 bis 1834: Vanderlinden, Chronique des événements météorologiques (1924).

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Werk von Hubert Horace Lamb für das ausgehende 10. Jahrhundert von einer größeren Zahl von Hitzejahren ausgegangen wird, die aber, durch eine ungünstige Überlieferung aufgebläht, eigentlich nur auf ein einzelnes Ereignis zurückzuführen ist.60 Mit dem beginnenden 20. Jahrhundert nimmt die Zahl der Kataloge, die ausschließlich zeitnah belegte Quellen nachweisen, zu. So verzeichnete Fritz Curschmann die mittelalterlichen Hungersnöte zwischen 709 und 1317,61 Jacob Weiss sammelte die Nachrichten über Elementarereignisse und physisch-geografische Verhältnisse bis zum Jahr 900.62 Eine Aufstellung verschiedener Berichte über Naturerscheinungen vor 1100, „die schon für die Zeit vor dem 12. Jahrhundert Naturphänomene differenziert wiedergeben, indem Beziehungen zwischen Beobachtungen hergestellt werden“, aufgrund der Editionen im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica, legte Milène Wegmann im Jahr 2005 vor.63 Immer wieder wurden, oft auf nationale Sichtweisen beschränkt, Versuche unternommen, Quellen zur Klimageschichte zusammenzutragen, wie die Zusammenstellung der Himmelsphänomene und Erdbeben im heutigen Belgien zwischen 600 und 1200 von Isabelle Draelants.64 Die Quellen, welche die britischen Inseln betreffen, wurden von Charles Ernst Britton zusammengetragen.65 Für Deutschland und Zentraleuropa stellte Arnold Norlind ein „Kurzgefasstes Verzeichnis mittelalterlicher Witterungserscheinungen“ von 709/10 bis 1499 aufgrund der bis dahin erschienenen 31 Scriptores-Bände der MGH zusammen.66 Weiterhin zu nennen ist die sehr materialreiche Arbeit von Curt Weikinn, der in vier Bänden Quellen zur Witterungsgeschichte – Fluss- und Meeresfluten, gefrorene und trockene Flüsse in Westeuropa von 27 v. Chr. bis 1750 n. Chr. – zusammengestellt hat.67 Beide letztgenannte Arbeiten sind bis heute wertvoll, auch wenn sie fast reine Kompilationen von Quellenbelegen ohne quellenkritische Analysen sind. Für Dänemark und die skandinavischen Länder stellte Christian J. H. Speerschneider das Material zusammen,68 für die Steiermark Richard Peinlich.69 Für Byzanz hat Venance Grumel drei Listen der „Phénomènes Naturels“ aufgestellt: 1) eine Tafel der beobachteten Sonnen- und Mondfinsternisse zwischen 285 und 1500, 2) eine Liste der beobachteten Kometen zwischen 300 und 1462 sowie 3) eine Liste der Erdbebennennungen zwischen 320 und 1457.70 Von verschiedenen

|| 60 Bell/Ogilvie, Weather compilations (1978), 331–348. 61 Curschmann, Hungersnöte (1900); vgl. auch Tille, Quellen zur Geschichte (1918), 32–36. 62 Weiss, Elementarereignisse (1914). 63 Wegmann, Naturwahrnehmung im Mittelalter (2005), 186. 64 Draelants, Éclipses (1995). 65 Britton, Meteorological chronology (1937). 66 Norlind, Bemerkungen (1914). 67 Quellentexte. Ed. Weikinn. 68 Speerschneider, Om isforholdene (1915). 69 Peinlich, Chronistische Übersicht (1880). 70 Grumel, Chronologie (1958), 458–481.

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Seiten wurden Versuche unternommen, historisches Material zur Klimaentwicklung, zu Erdbeben71 und Vulkanausbrüchen72 katalogartig zusammenzutragen.73 Dadurch liegen mittlerweile in größerer Zahl diachrone Aufstellungen zu Naturereignissen und ihren Folgen vor. Sie listen die hier zu betrachtenden Jahre zwischen 500 und 1100 zwar häufig mit auf, aber aufgrund ihrer großen zeitlichen Ausdehnung bilden sie frühmittelalterliche Ereignisse oft nur am Rande ab. Einige sehr materialreiche Studien bilden Grundlagenwerke für die später einsetzende historische Klimafolgenforschung. Vorreiter waren zweifelsohne die Kataloge zu Klimafolgen, beispielsweise die Sammlungen von Friedrich Schnurrer zu den Epidemien,74 in denen oft sehr akribisch die Quellenstellen zusammengestellt wurden. Methodisch schwierig erweist sich dabei, dass insbesondere von Richard Hennig nur die Einträge frühneuzeitlicher Sammlungen zitiert wurden, ohne sich auf die Suche nach den zeitgenössischen Quellen zu machen. Bei fast allen Forschungsarbeiten zu den Natur- und Klimakatastrophen im Mittelalter beginnen die Untersuchungszeiträume ab dem Jahrtausendwechsel. Die Zeit davor wird nur von sehr wenigen Arbeiten betrachtet. Dies geschieht immerhin am Rande der Dissertation „Grundzüge der Klima- und Umweltgeschichte des Hoch- und Spätmittelalters in Mitteleuropa“ von Gabriela Schwarz-Zanetti.75 Einen anderen wichtigen Ansatz stellen die Arbeiten von Michael McCormick vor, in denen er versucht, die Folgen extremer Vulkanausbrüche aus historischen Quellen zu filtern, so in „Karl der Große und die Vulkane. Naturwissenschaft, Klimaforschung und Mittel“ alterforschung oder auch in „Volcanoes and the Climate Forcing of Carolingian Europe, A. D. 750–950”.76 Ein umfangreiches Werk zu den Einflüssen der Naturereignisse und ihrer Wahrnehmung im Ostalpenraum im Spätmittelalter hat 2008 Christian Rohr vorgelegt.77 Im gleichen Jahr bearbeitete Eric Schwarz die „Naturkatastrophen und -erscheinungen im 8. und 9. Jahrhundert und ihre Wahrnehmung in der fränkischen Geschichtsschreibung“.78 Aktuell hat Chantal Camenisch die Daten von 1400 bis 1500 zur Region der burgundischen Niederlande mit saisonalen Klimaindizes und einer Gegenüberstellung mit den Getreidepreisen publiziert.79 Umfassende Überblicke über die bisherige Forschung zur historischen Klimatologie und den Fragen des Climatic Change

|| 71 Alexandre, Séismes en Europe (1994). 72 Vgl. Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes of the World (2010). 73 Für eine Übersicht vgl. auch Leroy/Gracheva, Historical Events (2013), 452–471. 74 Schnurrer, Chronik der Seuchen (1824 und 1825). 75 Schwarz-Zanetti, Grundzüge (1988). 76 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 865–895; McCormick, Karl der Große (2008). 77 Siehe dazu: Cammin, Rezension zu Rohr 2007 (2008). 78 Schwarz, Naturkatastrophen (2008). 79 Camenisch, Endlose Kälte (2015).

Forschungsüberblick | 15

stellte Phil Jones 2008 zusammen. 80 Ausgehend von älteren Forschungen zu Klimaveränderungen81 über ihre eigenen Forschungen zu Klimaveränderungen in Island zwischen 865 und 1598,82 stellte Astrid Ogilvie immer wieder Datensammlungen zur Gesamtthematik zusammen.83 Eine Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes zu vielen methodischen Fragen findet sich in der „Encyclopedia of Paleoclimatology and Ancient Environments“ mit dem Forschungsstand von 2009.84 Zu nennen sind ferner Emanuela Guidoboni „Spirale del Clima“,85 des Weiteren Laurent Litzenburgers Geschichte von Metz im Spätmittelalter86 und ganz aktuell Bruce Campbells „Great Transition“.87 Eine Einführung in die mittelalterliche Umweltgeschichte Europas hat zuletzt Richard C. Hoffmann vorgelegt,88 eine Betrachtung der Extremereignisse beziehungsweise Naturkatastrophen überwiegend des Spätmittelalters stammt von Thomas Labbè.89 Viele Materialien zur Umweltgeschichte werden heute in Form von klimageografischen Datenbanken wie der Historischen Klimadatenbank (HISKLID),90 CLIMDAT: Klima-Umwelt-Mensch (1500–1800)91, Wettergeschichte für Hessen92, RECLIDO für Spanien93 oder der schweizerischen Datenbank Euro-Clim-Hist für Europa gesammelt.94 Auch für Italien werden Daten online katalogisiert.95 In der European Severe Weather Database (ESWD) werden Datensätze zu extremer Witterung in Europa zusammengeführt,96 auch wenn diese Datenbank nur folgende 31 Unwetterereignisse für die Jahre von 500 bis 1100 verzeichnet: sieben Hagelstürme, vier Starkregen, zwölf Tornados sowie achtmal Starkwinde.97 Allerdings sind die Einträge sehr unzuverläs-

|| 80 Jones, Historical climatology (2008), 181–186. 81 Bell/Ogilvie, Weather compilations (1978), 347 f. 82 Ogilvie, Climatic changes (1990), 233–251. 83 Ogilvie, Historical climatology (2010), 33–47. 84 Gornitz, Encyclopedia of Paleoclimatology (2009). 85 Guidoboni/Navarra/Boschi, Nella spirale del clima (2010). 86 Litzenburger, Une ville face au climat (2015). 87 Campbell, The Great Transition (2016). 88 Hoffmann, Environmental History (2014). 89 Labbé, Catastrophes naturelles (2017). 90 HISKLID, online: http://www.hisklid.de/ (1.3.2010). 91 CLIMDAT, online: http://mitglied.multimania.de/mili04/ (2.7.2010). 92 Wettergeschichte Hessen, http://www.wettergeschichte-hessen.de/ (3.7.2010). 93 RECLIDO, Spanish network of climate reconstruction from documentary sources, online: http://www.ucm.es/info/reclido/ (2.9.2010). 94 Euro-Clim-Hist, online: http://www.euroclimhist.unibe.ch/ (21.3.2013). 95 Camuffo/Enzi, Critical Analysis (1992), 65–74. 96 Vgl. online: http://essl.org/cgi-bin/eswd/eswd.cgi (19.11.2014). 97 Die Hagelstürme in den Jahren 580, 584, 586, 824, 837, 896, 1022, die Starkregen in den Jahren 580, 693, 755, 875, die Tornados in den Jahren 580, 588, 689, 782, 793, 855, 962, 989, 1011, 1054, 1067, 1091 und die Stürme in den Jahren 685, 800, 804, 856, 944, 1013, 1017, 1053.

16 | Einleitung

sig, da teilweise neuzeitliche Sammlungen, teilweise sogar nur unbelegte Informationen aus dem Internet ungeprüft verwendet wurden.98 Auch die historischen Landschaftsbezeichnungen wurden nicht beachtet, weshalb beispielsweise das „Sachsen“ des 10. Jahrhunderts um Dresden herum eingezeichnet wurde statt in der Region des heutigen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Dies verdeutlicht ein Grundproblem der bisherigen Forschung zur Umweltgeschichte im Früh- und Hochmittelalter. Es wurden zu oft nicht-zeitgenössische, spätere Auflistungen ungeprüft verwendet.

1.2.2 Probleme klimatischer Periodisierung (Longue durée) Die Klima-, Natur- und Umweltgeschichte der Antike ist gut untersucht, was auf die Quellensituation zurückzuführen ist sowie auf den aktuell erarbeiteten Forschungsstand.99 Dabei geht es oft um Naturkatastrophen,100 deren Wahrnehmung, Deutung und Darstellung.101 Allgemeine Darstellungen zur Klima- und Umweltgeschichte im Mittelalter beschäftigen sich überwiegend mit Übergangszeiten: von der Spätantike102 zum Frühmittelalter, vom Früh- zum Hochmittelalter103 und dann wieder zum Spätmittelalter,104 mit dem Einsetzen der reichen städtischen Überlieferung. Die Mediävistik ist bisher noch im Stadium einer Sondierung und Erstdiskussion witterungsbezogener Nachrichten, auch wenn Einzelregionen mittlerweile sehr gut bezüglich des Spätmittelalters erschlossen sind,105 auch ganz aktuell.106 Bei Weitem am stärksten untersucht ist die allgemeine Klima- und Umweltgeschichte der Neuzeit. In dieser Epoche setzte langsam die instrumentelle Messung ein und viele serielle Daten, die genauere Aussagen zulassen, wurden nun möglich. Aus dem stetig wachsenden Feld der Forschungsliteratur sollen hier nur einige Überblickswerke genannt werden. Handbücher, die einen schnellen Einstieg erlauben, ermöglichen den Zugriff auf den

|| 98 Vgl. https://web.archive.org/web/20081201224345/http://www.phenomena.org.uk/Landmarks2.htm (20.11.2014). 99 Thommen, Umweltgeschichte (2009). Quellentexte zur Geschichte. Ed. Bayerl/Troitzsch, 87–118. 100 Meier, Naturkatastrophen (2007), 559–586; Meier, Prokop, Agathias (2004), 281–310; Meier, Wahrnehmung und Deutung (2003), 45–64. 101 Barceló, Darstellung von Naturkatastrophen (1998), 99–104. 102 Harper, Environmental Fall (2016), 101–111; Haas, Umweltkrise des 3. Jahrhunderts (2006); Izdebski, Why did agriculture flourish (2011), 291–312. 103 Telelis, Weather and Climate (2007), 432–462; Herrmann, Siedlungsarchäologie und Klimaschwankungen (2003), 186–192; Ellenblum, Collapse of the Eastern Mediterranean (2012). 104 Schubert, Scheu vor der Natur (1994), 13–58. 105 Rohr, Mensch und Naturkatastrophe (2001), 13–31; Schenk, Mensch zwischen Natur und Kultur (2008), 27–51. 106 Camenisch u. a., 1430s: a cold period (2016), 2107–2126; Bauch, Regen (2015), 188–217.

Forschungsüberblick | 17

aktuellen Forschungsstand zur Umweltgeschichte allgemein,107 zur Umweltgeschichte in der Frühen Neuzeit,108 zur Klimageschichte zwischen 800 und heute,109 aber auch zu längeren Perioden.110 Zuletzt wurde herausgestellt, dass besonders bezüglich der Klimafolgenforschung unter Naturwissenschaftlern ideengeschichtlich der Klimadeterminismus unverfälscht fortlebt.111 Die häufig und weithin akzeptierte Denkweise der „Linearität“, „nach der Kausalbeziehungen nur in einer Richtung von A nach B, vom Klima zur Gesellschaft oder zur Kultur beachtet“ werden, berücksichtigt nicht, dass Kausalbeziehungen oft hochkomplex und multikausal sind.112 Während die Linearität im Denken der Zeitgenossen der Strukturierung dient, muss die moderne Forschung sich den multiplen Ursachen einer Multikausalität zuwenden. Wie bereits angeführt, wird hier unter den sich ändernden Witterungsfaktoren nur eine von mehreren Rahmenbedingungen verstanden, vor der sich politische, wirtschaftliche, kulturelle oder religiöse Veränderungen abspielen. Deshalb sind Rekonstruktionsvorschläge für diesen Rahmen notwendig. Innerhalb der Paläoklimatologie scheint eine Unterteilung der letzten 2500 Jahre in vier Großperioden Konsens zu sein: 1) „römische Warmzeit“ (roman warm period [RWP]) oder römisches Wärmeoptimum, 2) spätantike Kleine Eiszeit (late antique little ice age [LALIA]), die auch als „frühmittelalterliche Kaltzeit“113 (dark cold period [DCP]) oder Frühmittelalterliches Pessimum bezeichnet wird, 3) „mittelalterliches Wärmeoptimum“ (medieval warm period [MWP]) oder „mittelalterliche Wärmeperiode“ (medieval warm anomaly [MWA])114 und 4) die „Kleine Eiszeit“ (little ice age)115. Weiterhin ist eine „römische klassische Periode“ (roman classical period) zur Abgrenzung zwischen der römischen Warmzeit und der frühmittelalterlichen Kaltzeit vorgeschlagen worden. Der Beginn der sogenannten „Völkerwanderung“,116 die Ereignisse

|| 107 Winiwarter/Knoll, Umweltgeschichte (2007); Bruckmüller, Umweltgeschichte (2000). 108 Reith, Umweltgeschichte (2011); Mauelshagen, Klimageschichte der Neuzeit (2010). 109 Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas (2008); Glaser, Historische Klimatologie (2012); Glaser, Klima- und Erdbebenkatastrophen (2012), 97–122. 110 Bradley/Hughes/Diaz, Climate in Medieval Time (2003), 404 f.; Büntgen/Tegel u. a. 2500 Years of European Climate (2011), 578–582. 111 Vgl. Mauelshagen/Pfister, Klima (2010), 254. 112 Mauelshagen/Pfister, Klima (2010), 253. 113 Die Kaltzeit wird auch als „Pessimum der Völkerwanderungszeit“ oder „frühmittelalterliches Pessimum“ bezeichnet. 114 Fairbridge, Medieval Warm Period (2009), 551–553. 115 Shindell, Little Ice Age (2009), 520–524. White, Real Little Ice Age (2014), 327–352. 116 Holt, Did extreme climate conditions (2002).

18 | Einleitung

im 6. Jahrhundert117 sowie das Ende des Langobardenreiches118 werden auf eine Abkühlung der durchschnittlichen Witterungswerte zurückgeführt. Die Datierungsansätze für alle diese Phasen sind jedoch nicht präzise zu definieren und werden je nach Autor/en und je nach der zugrunde liegenden Datenbasis sehr unterschiedlich angegeben. Am ausgiebigsten haben dies bisher Hughes und Diaz untersucht, ohne allerdings die verschiedenen Ansätze nebeneinanderzustellen.119 Die folgende Tabelle gibt anhand ausgewählter Titel einen Überblick über die bisherigen Vorschläge, die klimatische Entwicklung der vergangenen 2500 Jahre zu periodisieren. Das Hauptproblem dieser 36 stichprobenartig ausgewählten Aufstellungen und Unterteilungen von 1965 bis 2016 liegt in der überdimensionalen räumlichen Betrachtungsebene. Dabei werden die Daten eines Daten-Samples, das speziellen mikroklimatischen Bedingungen unterliegt, auf die globale Ebene verallgemeinert. Die Auswertung der Tabelle ergibt folgendes Bild: Für das sogenannte Klimaoptimum der Römerzeit (Roman Warm Period) lässt sich ein Kernbereich der Datierungen zwischen 450 v. Chr. und 200 n. Chr. angeben. Das Spektrum des Startdatums reicht dabei von 550 bis 1 v. Chr. und das des Enddatums von 50 v. Chr. bis 380 n. Chr. Daran schloss sich nach dem bisherigen Modell das sogenannte frühmittelalterliche Pessimum (Dark Cold Period) mit einer Kernzeit von 500 bis 750 an. Das Spektrum des Startdatums liegt hier zwischen den Jahren 250 und 500, für jenes des Enddatums wurden die Jahre zwischen 600 und 1000 angegeben. Das frühmittelalterliche Pessimum wird von verschiedenen Seiten als eine der Hauptursachen der sogenannten Völkerwanderung und in deren Folge als einer der wichtigsten Gründe für den Untergang des (West-)Römischen Reiches angegeben. Dagegen gab es auch Widerspruch. Ganz aktuell wurde eine „spätantike kleine Eiszeit“ (late antique little ice age [LALIA]) vorgeschlagen, die von 536 bis etwa 660 gedauert haben soll.120

|| 117 Hirschfeld, Crisis of the sixth century (2006), 19–32; Koder, Climatic change (1996), 270–285. 118 Hantemirov/Gorlanova/Shiyatov, Extreme temperature (2004), 155–164. 119 Hughes/Diaz, Was there a ,medieval warm period’ (1994), 109–142. 120 Die bei Büntgen u. a., Cooling and Societal Change (2016), 235 f. genannte Bestätigung ihrer Daten: „(Supplementary Information), with additional forcing probably contributed by the exceptional seventh-century solar minimum“ aufgrund von Steinhilber/Beer/Fröhlich, Total solar irridance (2009), L19704, deutet bezüglich des Endes der Phase „um 660“ gerade ins Gegenteil. Denn die dort zugrunde liegenden Daten zeigen einen Tiefpunkt für die Jahre 658 bis 673 und steigen erst danach bis zum Jahr 723 wieder auf den Durchschnitt an.

Forschungsüberblick | 19

Tab. 1: Tabelle Vergleich der Datierungen klimatischer Periodisierungsversuche

Autor/en

Jahr

Lamb

Warme Periode (RWP)

Kalte Periode (DCP, LALIA)

Warme Periode (MWP, MWA)

Kalte Periode (LIA)

1965121

1000–1200

1500–1700

Bernhardt/Mäder

122

1987

1100–1300

1560–1860

Lamb

1989123

1000–1300

Pinna

1990124

Camuffo

1993125

400–750/800

800–1150/1200 1000-1200

126

Schönwiese

1995

250/459–750

Hupfer

1996127 200 v.–380 n. Chr.

380–750

Cubasch/Kasang

2000128

Crowley

2000129

1430–1850

950–1250

1250–1850

1200–1400

1250–1850

1010–1040, 1070– 1105, 1155–1190

Broecker

2001130

800–1200

131

Fagan

2002

Despart u. a.

2003132 450 v.–250 n. Chr.

500–1000

950–1400

1400–1860

Mann/Jones

2003133

6. Jh.

800–1400

15./17./19. Jh.

550–1300

1300–1900

400–800

800–1300

1300–1900

400–700

800–1200

1300–1750

1300–1850

134

Abrantes u. a.

2005

Eiríksson u. a.

2006135 400–50 v. Chr. 136

Lebreiro u. a.

2006

Pascua

2007137

1000–1300

Behringer

2007138

1261–1361

1–350 n. Chr.

|| 121 Lamb, Early Medieval Warm Epoch (1965), 13–37. 122 Bernhardt/Mäder, Statistische Auswertung (1987), 125 f. 123 Lamb, Klima und Kulturgeschichte (1989), 189–206. 124 Pinna, Il clima nell’alto medioevo (1990), 435. 125 Camuffo, Analysis of the Sea Surges (1993), 2. 126 Schönwiese, Klimaänderung (1995), 91. 127 Hupfer, Unsere Umwelt (1996),161 f. 128 Cubasch/Kasang, Anthropogener Klimawandel (2000),12. 129 Crowley/Lowery, How Warm was the Medieval Warm Period? (2000), 53. 130 Broecker, Was the Medieval Warm Period Global? (2001), 1497–1499. 131 Fagan, The Little Ice Age (2002). 132 Despart/Sánchez Goñi/Loutre, Revealing climatic variability (2003), 63–78. 133 Mann/Jones, Global surface temperatures (2003), 3. 134 Abrantes u. a., Sea surface temperature (2005); Abrantes u. a., Sediment cores (2005), 2477–2494. 135 Eiríksson/Bartels-Jónsdóttir u. a., Variability of the North Atlantic Current (2006), 1026 f. 136 Lebreiro/Francés u. a., Climate change (2006), 1003. 137 Pascua, Environmental change (2007), 161 f. 138 Behringer, Kulturgeschichte (2007), 103–115.

20 | Einleitung

Piva u. a.

2008139

1500–1880

140

Mann u. a.

2009

Mann

2009141

1000–1400

1400–1900

Corona u. a.

2010142

13. Jh.

1400–1700

Vinther u. a.

2010143

700–1100

Büntgen/Tegel

2011144

990er, 1150-1250

~1450–1820

600–1200

1200–1850

1150–1260147

1310

Martin-Chivelet u. a. 2011 Sirocko/David

145

950–1250

550 v.–300 v. Chr.

300–600

2011146 148

1400–1700

Grauel u. a.

2013

800–1200

1400–1850

Tegel

2013149

900–1400

~1300–1850

Masson-Delmotte/Schulz

2013

150

950–1250

1450–1850

Rehfeld u. a.

2013151

850–1250

1550–1850

Quamar/Chauhan

2014152

740–1150

Gillson

2015153 100 v.–400 n. Chr.

400–550

900–1300

1400– 1850

Wang/Wen/Huang

2016154 ~400 n. Chr.

400–900

900–1300

1300–1900

155

450 v.–200 n. Chr.

Berben u. a.

2016

Jomelli u. a.

2016156

Büntgen u. a.

2016157 ~ 300 n. Chr.

Blom

2017158

50 v.–400 n. Chr.

500–750

400–800

536–660

900–1500

1500–1900

950–1250

1450–1850

800–1200

1300–1850 1570–1700

|| 139 Piva/Asioli u. a., Late-Holocene climate variability (2008), 153. 140 Mann/Zhang u. a., Global Signatures (2009), 1256–1260. 141 Mann, Climate Variability (2009), 180. 142 Corona u. a, Millennium-long summer temperature variations (2010), 395. 143 Vinther/Jones u. a., Climatic signals (2010), 537. 144 Büntgen/Tegel, European tree-ring data (2011), 14. 145 Martin-Chivelet/Muiioz-Garcia u. a., Land surface temperature changes (2011), 1. 146 Sirocko/David, Wärmeoptimum (2011), 243–254. 147 Sirocko/David, Wärmeoptimum (2011), 243: „auch wenn die aus Baumringdaten erstellte Temperaturrekonstruktion das Temperaturmaximum vor allem auf die Zeit 980–1130 AD konzentriert“. 148 Grauel/Goudeau u. a., Climate of the past (2013), 1441. 149 Tegel, Jahrringe (2013), 184 f. 150 Masson-Delmotte/Schulz u. a., Information (2013), 389. 151 Rehfeld/Marwan u. a, Late Holocene (2013), 3–19. 152 Quamar/Chauhan, Signals (2014), 74–82. 153 Gillson, Biodiversity Conservation (2015), Fig. 5.3. 154 Wang/Wen/Huang, Climate of China (2016), 279. 155 Berben/Husum/Aagaard-Sørensen, A late-Holocene multi-proxy (2016), 1. 156 Jomelli, Paradoxical cold conditions (2016), Nr. 32984. 157 Büntgen u. a.: Cooling and Societal Change (2016), 234. 158 Blom, Welt aus den Angeln (2017).

Forschungsüberblick | 21

Für das sogenannte Wärmeoptimum im Hochmittelalter (Medieval Warm Period, Medieval Warm Anomaly) lässt sich als Kernzeit die Phase zwischen den Jahren 800 und 1200 angeben. Das Spektrum reicht aber von einem Startjahr 550–1150/1261 bis zu einem Endjahr zwischen 1100 und 1500. Hier sind je nach Autor also sogar Überschneidungen zwischen dem Start- und dem Enddatum der Warmperiode möglich. Die Frage, ob das 10. Jahrhundert ein „Prolog zum Mittelalterlichen Wärmeoptimum“159 war oder bereits ein Teil des Wärmeoptimums, ist noch nicht hinreichend geklärt, auch das deutet Probleme bei der Periodisierung an.

Abb. 1: Vergleich der Datierungen klimatischer Periodisierungssysteme

Daran schließt sich nach allgemeinem Konsens die „Kleine Eiszeit“ (Little Ice Age) mit einer Kernzeit von 1400 bis 1850 an, deren Spektrum reicht hier von einem Startjahr

|| 159 Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas (2008), 59.

22 | Einleitung

zwischen 1200 und 1560 bis zu einem Endjahr in der Zeit zwischen 1700 und 1900. Die größte Abkühlung der Durchschnittstemperatur wird zwischen 1645 und 1715 angenommen. Es fällt auf, dass bisher keine Kernzeiten definiert werden können, auf die alle Datengrundlagen (Proxydaten wie historische Quellen) bezogen werden könnten. Die oben genannten Jahreszahlen zeigen, dass die Unterteilung in vier große Phasen je nach zugrunde liegender Datenbasis und je nach verwendeter Methodik zu so unterschiedlichen Ergebnissen führt, dass die Phasen der einzelnen Modelle teilweise völlig gegeneinander verschoben sind. Um dies an Beispielen in Bezug auf die sogenannte „Mittelalterliche Warmzeit“ zu verdeutlichen: Enzi, Sghedoni und Betolin hielten fest, dass sich die meisten ihrer Daten im 12. und 13. Jahrhundert auf Episoden extrem kalter Winter beziehen, was relativ überraschend sei, „denn diese Periode ist als Mittelalterliche Warmzeit bekannt“.160 Auch für Nordostitalien wurde zusammengefasst: „In particular no warm episode is recorded throughout the 12th century!“ 161 Ganz allgemein musste 2016 konstatiert werden: „Unfortunately, current climate models cannot reproduce the MWP warming.“162 Aufgrund dendrochronologischer Daten publizierten Cook, Palmer und D’Arrigo genau gegenteilige Beobachtungen: „Of equal interest in the reconstruction is the sharp and sustained cold period in the A. D. 993–1091 interval. This cold event is easily the most extreme to have occurred over the past 1,100 years.“163 Die Rekonstruktionen historischer Anomalien und ihre Periodisierung in Phasen scheinen in hohem Maße problembehaftet zu sein. Deshalb ist zu fragen, wie aussagekräftig eine aus vielen lokalen Studien ermittelte globale Oberflächentemperatur sein kann.164 Welche Einflussfaktoren (Temperatur, Niederschlag, Nährstoffeintrag etc.) beeinflussen das Wachstum der Baumringe, über welche Größen sagen die Baumringdicken etwas aus? Welche Faktoren beeinflussen die Ablagerung von Sedimenten in Gewässern? Die heute messbaren Aspekte (Baumringdicke, Warvendicke etc.) sind Bestandteile komplexer, miteinander interagierender Systeme. Je nach mikroklimatischen Bedingungen können extremer werdende Außenbedingungen zu extremeren Ausschlägen der Einzelwerte führen, deren Durchschnitt sich am Ende so ausgleicht, dass die für eine Einzelregion berechneten Datenreihen kaum aussagekräftig sind. Was kann also eine multiproxy composite reconstruction aussagen, die 18 oder mehr

|| 160 Enzi/Sghedoni/Betolin: Temperature Reconstruction (2013), 109. 161 Serre-Bachet, Middle Ages temperature reconstructions (1994), 222. 162 Luening/Vahrenholt, Sun’s Role in Climate (2016), 286. 163 Cook/Palmer/D’Arrigo, Evidence for a ,Medieval Warm Period’ (2002), 12–3. 164 Oder wie Mauelshagen/Pfister, Klima, 2010, 257 es zusammengefasst haben: „Schwankungen der Durchschnittstemperaturen und -niederschläge über Zeiträume von mehreren Jahrzehnten und Jahrhunderten sind in dieser Hinsicht nämlich häufig nicht zielführend. Die Makro-Klimageschichte der raum-zeitlich gemittelten Werte vermag nur einen interpretativen Rahmen zu bieten, um die Bedeutung einzelner Klimaanomalien richtig einzuschätzen.“

Forschungsüberblick | 23

verschiedene Datenreihen aus acht deutlich voneinander getrennten Regionen zusammenfasst?165 Ein weiterer bisher nur vereinzelt betrachteter Aspekt ist das räumliche Ausmaß der so definierten Klimaperioden. Ellenblum wies zu Recht auf ein gleichzeitiges Nebeneinander verschiedener Extreme in unterschiedlichen Räumen hin und fragte nach den regionalen Auswirkungen global definierter Perioden.166 Er hat eine zeitlich auf das 10. und 11. Jahrhundert im Nahen Osten ausgelegte Regionalstudie erstellt, diese wurde von Raphael um die anschließende Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts für die gleiche Region erweitert.167 Beide kommen zu dem Schluss, dass sich die Übergangsbereiche von einer Klimazone zur anderen, beispielsweise halbtrocken zu trocken, also von semi-arid zu arid, verschieben können und dass sich damit der Einfluss einer Klimaveränderung überwiegend an den Grenzen der Klimazonen bemerkbar machten. Während also die Übergangsbereiche stark von Veränderungen betroffen sein können, lassen sich in den Kernbereichen einer Klimazone nur geringe Auswirkungen beobachten.

Abb. 2: Rekonstruktion jährlicher Temperaturen der Nordhalbkugel der vergangenen 2000 Jahre168

|| 165 Vgl. Mann/Jones, Global surface temperatures (2003), 1. 166 Ellenblum, Collapse of the Eastern Mediterranean (2012), 251–256. 167 Raphael, Climate and Political Climate (2013). 168 IPCC Assessment Report 5 (2013), Chapter 5, Fig. 5.7.

24 | Einleitung

Das Grundproblem scheint dabei in der Verallgemeinerung von Einzelergebnissen und in der methodisch fragwürdigen Zusammenziehung von getrennt zu betrachtenden Daten zu liegen. Ein Beispiel, das verdeutlichen kann, wie es methodisch besser geht, ist der „North American Drought Atlas“169. Bei diesem Projekt sind die Daten nicht miteinander verrechnet; vielmehr wurde über einen definierten Raum, in dem Fall Nordamerika, ein Gitter (2,5 x 2,5 Grad) mit 286 Gitterpunkten aufgrund von 835 einzelnen Baumringchronologien gelegt. Wird ein Jahr angewählt, werden alle Werte der Einzelchronologien in ihrer topografischen Lage angezeigt, wodurch ein deutlich korrekteres und aussagekräftigeres Bild gezeigt werden kann. Es wäre für künftige Forschungen vermutlich zielführender, statt immer mehr Datenreihen mathematisch miteinander zu verrechnen, ein vergleichbares Modell für Europa und Asien zu schaffen, in dem die Einzeldaten in ihrer topografischen Verhältnis zueinander gezeigt werden. Dazu ist es wichtig, die von unterschiedlichen Methoden erarbeiteten Datenreihen nicht einfach zu vermischen und Unebenheiten auszubügeln. Stattdessen ist zunächst eine stärkere Trennung der Forschungsdaten notwendig, um so Zirkelschlüsse zu vermeiden. Damit wäre auch eher auszuschließen, aus unterschiedlichen Daten so allgemeine Periodisierungen wie die „Mittelalterliche Warmzeit“ zu konstruieren.

Abb. 3: North American Drought Atlas, Gitternetz und die Rekonstruktion der Jahre 764170

Dies führt zu der Frage, wann und von wem das Konzept der „Mittelalterlichen Warmzeit“ überhaupt eingeführt wurde. Bereits Hubert Horace Lamb und Emmanuel Le Roy || 169 Vgl. Cook/Krusic, North Amercian Drought Atlas online: http://iridl.ldeo.columbia.edu/ SOURCES/.LDEO/.TRL/.NADA2004/.pdsi-atlas.html (30.11.2016). 170 Vgl. http://iridl.ldeo.columbia.edu/SOURCES/.LDEO/.TRL/.NADA2004/.pdsi-atlas.html (30.11.2016).

Forschungsüberblick | 25

Ladurie haben die Hauptargumente der seit dem 19. Jahrhundert dauernden Diskussionen zusammengefasst: die Verschiebung der Weinbaugrenze nach Norden und die Besiedlung Grönlands aufgrund der dort vermuteten größeren Eisfreiheit. Beide Faktoren wurden als Indikatoren des Klimas interpretiert, beide sind aber auch vom Einfluss des Menschen abhängig. In Grönland wurde die Aufgabe der Siedlungen im 15. Jahrhundert als Hinweis auf die Abkühlung einer vorher wärmeren Region interpretiert. Dadurch sei eine weitere Anwesenheit von Menschen unmöglich geworden, diese hätten sich in wärmere Regionen zurückziehen müssen. Dem steht aber gegenüber, dass in Grönland auch nach dem 15. Jahrhundert Inuit gewohnt haben.171 Einige Forscher sehen sogar im Vordringen der Inuit einen Grund für die Aufgabe der Siedlungen europäischer Prägung.172 Zur Verschiebung der Anbaugrenze von Wein ist auf einen religiösen Umstand hinzuweisen. Die Weinbaugrenze ist nicht nur von den klimatischen Bedingungen abhängig, denn die Pflanzen gedeihen auch höher im Norden und entwickeln Trauben. Aufgrund der geringeren Sonneneinstrahlung kann der Wein aber keine wohlschmeckenden Eigenschaften entwickeln, kurz, er bleibt sauer. Saurer Wein kann aber, und das ist für das Mittelalter mehrfach nachgewiesen, mit Honig oder Gewürzen trinkbar gemacht werden. Aber warum sollten die Zeitgenossen überhaupt Wein anbauen, der nur sauer schmeckt? Sie können doch die anderen im Europa nördlich der Alpen üblichen Getränke (Met, Honigwein, Bier) konsumieren. Wein ist aber integraler Bestandteil des christlichen, sakralen Zeremoniells. Zur korrekten Feier der heiligen Messe ist Wein notwendig. Der Anbau von Wein wird also institutionell vorgegeben.173 Da die in der Abendmahlsfeier notwendige Menge an Wein vergleichsweise gering ist, können auch die Ansprüche an die Qualität des Weines gering sein. Vor diesem Hintergrund ist die Weinanbaugrenze als Anzeiger veränderter klimatischer Bedingungen nicht ohne Schwierigkeiten. Die Toleranzschwelle hinsichtlich des Geschmacks, die Qualität und die sakrale Notwendigkeit des Weines sind dabei zu beachten. Auch der Mensch selbst als prägender Faktor der Landschaft scheint bisher zu wenig in der Diskussion über die Entwicklung der mikroklimatischen Verhältnisse beachtet worden zu sein. Die menschlichen Arbeitsstrukturen prägen in hohem Maße die Landschaft. Durch Holzeinschlag verschwanden viele Wälder, durch Viehwirtschaft wurden die großen Flächen niedrig gehalten und durch Kulturation die Anbaugrenzen von für die Klimazone untypischen Pflanzen verschoben.

|| 171 Vgl. dazu den Überblick bei Herrmann, Umweltgeschichte (2016), 67–70. 172 Stehr/Storch, Eduard Brückner (2008), 100: Eine Invasion, „welcher sie [die Europäer] vom Mutterland im Stich gelassen, nicht widerstehen konnten.“ 173 Beispiele dafür, wie fehlender Wein durch handgepressten Traubensaft ersetzt wird, bietet die Legende des heiligen Wigbert im 8. Jahrhundert; vgl. Wunder, Wigberttradition (1969), 169–171.

26 | Einleitung

Die von Pfister und Mauelshagen kritisierte, aber bisher weithin akzeptierte Denkweise der „Linearität“, „nach der Kausalbeziehungen nur in einer Richtung von A nach B, vom Klima zur Gesellschaft oder zur Kultur beachtet“ werden,174 muss entsprechend auch in ihrer umgekehrten Richtung betrachtet werden. Welche Auswirkungen haben gesellschaftlich, kulturell und besonders wirtschaftlich bedingte menschliche Eingriffe in die Natur und wie beeinflusste dies in der Vergangenheit die Umwelt? In welchem Maße veränderte der Mensch seine natürlichen Rahmenbedingungen und als landschaftsprägendes Element die mikroklimatischen Bedingungen? Als Beispiel dafür sei die These von William F. Ruddiman genannt, wonach die anthropogene Globalerwärmung nicht erst mit der Industriellen Revolution einsetzte, sondern bereits mit der Entwicklung intensiver Landwirtschaft im Neolithikum.175 Noch stärker betonen Peter Ward und Joe Kirschvink in ihrer aktuellen Darstellung die Bedeutung des unmittelbaren Einflusses von Lebewesen auf die Entwicklung der allgemeinen Lebensbedingungen auf dem Planeten Erde.176

1.2.3 Tendenzen und Schwerpunkte der Forschung Naturwissenschaftliche Zeitreihen kommen mit einer großen Überzeugungskraft daher, ihre Datendiagramme wirken unbestechlich, sauber, fast suggestiv. Die naturwissenschaftlichen Daten sind aber oft viel weniger exakt als dargestellt und lassen allzu oft eine präzise Fehlerdiskussion vermissen. Gerade diese mangelnde Reflexion ist eine methodische Schwäche vieler naturwissenschaftlich arbeitender Projekte. Die vereinnahmende Zuordnung historischer Ereignisse zu gemessenen Spitzenwerten von Proxyreihen ist eine übliche Arbeitspraxis einiger naturwissenschaftlicher Arbeiten. Die vermeintliche Objektivität der Messreihen steht dabei aber im Gegensatz zu den verschiedenen möglichen Verursachern, die eine zeitgenössische Beobachtung ausgelöst haben könnten. Je nach Ausgangshypothese wird ein beschriebenes Ereignis gesucht, das den gemessenen Werten entspricht. Diese Vorgehensweise führt zwangsläufig zu Zirkelschlüssen. Was tatsächlich ein Ereignis verursacht hat, ist aber oft umstritten, wie die folgenden drei Beispiele zeigen. Die historisch überlieferten Ereignisse können für das Früh- und Hochmittelalter nicht als Steinbruch der Naturwissenschaften genutzt werden, um vermeintlich sicher konstruierte Theorien zu beweisen. Dieser Fehler ist bemerkenswerterweise im 19. Jahrhundert von der politischen Geschichtswissenschaft ähnlich gemacht worden. Für ein sicheres Gerüst historisch wahrgenommener und korrekt dargestellter Ereignisse

|| 174 Mauelshagen/Pfister, Klima (2010), 253. 175 Vgl. zur älteren Literatur: Ruddiman, Anthropogenic greenhouse era (2003), 261–293. 176 Ward/Kirschvink, Geschichte des Lebens (2016).

Forschungsüberblick | 27

müssen diese mit allen historisch-kritischen Analysemethoden untersucht und gefiltert werden. Erst solche anhand historischer Quellenanalyse gewonnenen Erkenntnisse bieten eine belastbare Grundlage, um in späteren Arbeitsschritten, wenn die verschiedenen naturwissenschaftlich gemessenen Reihen untereinander synchronisiert sind und Ursachendoppelungen sicher ausgeschlossen wurden, mit naturwissenschaftlichen Daten verglichen zu werden. Sieht man sich als Stichprobe die Spitzenwerte in dendrochronologischen Proben an, dann sind aus spektralanalytischen Untersuchungen mehrere Spitzenwerte für das Verhältnis der Kohlenstoff-Isotope 12C/14C bekannt. Für diese außergewöhnlichen Spitzen werden unterschiedliche Ursachen angegeben. Dies betrifft die Werte der Jahre 774–775 und 993–994.177 Als Begründung wurde eine erhöhte Sonnenaktivität angegeben, aber auch eine gewaltige kosmische Explosion 774–775 fernab der Erde, als zwei extrem kompakte Himmelskörper miteinander verschmolzen. Diese nur höchstens zwei Sekunden andauernde Explosion setzte so viel Energie frei, dass davon in der Erdatmosphäre noch etwa die Energiemenge von 14.000 Hiroshima-Atombomben angekommen sein soll. Es sei allerdings fraglich, ob die Menschen das damals überhaupt bemerkt haben.178 Als Folge der Explosion wird auch der sprunghafte Anstieg radioaktiven Kohlenstoffs angenommen, der in spektralanalytisch ausgewerteten dendrochronologischen Zedernproben entdeckt worden war.179 In den historischen Quellen gibt es keinerlei Hinweise auf Besonderheiten im Jahr 775. Die Änderung der klimatischen Bedingungen kann die Zahl der durchschnittlichen Extremereignisse beeinflussen. Die Bedingungen änderten sich aber im Mittelalter nicht in dem Maße, dass es ausschließlich zu kalt oder zu heiß oder zu nass oder zu trocken geworden wäre. Besonders von den Zeitgenossen vermerkt werden Änderungen nur in den Übergangsphasen bei extremen Ausschlägen. Die vorliegende Zusammenstellung extremer Naturereignisse, mit einem besonderen Schwerpunkt auf den Witterungsextremen, ist in zwei große Darstellungsteile untergliedert, zum einen eine diachrone Erfassung aller Ereignisse nach ihrer Art, zum anderen eine synchrone Zusammenstellung nach chronologisch begründeten Ereignisketten. In der synchronen Zusammenstellung werden die jeweiligen Ereignisse in Gruppen zusammengefasst und nach Ursachen, Folgen und Wirkungen untersucht. „Die Angaben [der zeitgenössischen Quellen] spiegeln überwiegend den Witterungsverlauf größerer Zeitsegmente wider:“180

|| 177 Melott/Thomas, Causes (2012); Miyake/Masuda/Nakamura, Another rapid event (2013), 1–4; Büntgen u. a., Cooling and Societal Change (2016), 237. 178 Vgl. http://www.uni-jena.de/Mitteilungen/PM130121_Neuh%C3%A4user.html (17.02.2015). 179 Miyake u. a., Signature of cosmic-ray (2012), 240–242; Hambaryan/Neuhäuser: Galactic short gamma-ray (2013), 1–5. 180 Militzer, Klima – Klimageschichte – Geschichte (1996), 76.

28 | Einleitung

1.

Wetter: [882] Am Nachmittag des 21. Juli bedeckte plötzlich dunkle Finsternis das ganze Lager, unter Blitz und Donnergetöse fiel solcher Hagel, dass kein Sterblicher so etwas früher erlebt zu haben behauptete, nicht wie gewöhnlich die Hagelkörner herabfallen, mit glatter und gleichmäßiger Oberfläche, sondern von zackigem, ungleichem und unebenem Aussehen (…).181 2. Witterung: [921] Eine große Trockenheit war für fast drei aufeinanderfolgende Monate im Juli, August und September.182 3. Klima(-schwankungen): [1068] Dieses ganze Jahr war regnerisch.183 4. Proxywert (physikalisch): Schließlich befestigte [der Sturm] sechs der Hölzer in der gleichen Position, wie sie auf dem Dach angebracht worden waren, sie steckten mit sieben Achteln ihrer Länge [1,2 m] in der Erde und waren 8,2–8,5 m lang.184 5. Proxywert (biologisch): [820] Der Wein erbrachte in diesem Jahre einen höchst spärlichen Ertrag, und wurde wegen des Mangels an Wärme herb und sauer.185 Die historische Forschung hat auf die klimatologischen Übersichten teilweise mit ablehnender, aber nicht unbegründeter Kritik reagiert186 oder die Forschungen wurden kaum fächerübergreifend wahrgenommen.187 Dabei bietet – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – die Kenntnis naturwissenschaftlicher Ergebnisse und ihre Verbindung mit historischen Quellen eine ungeahnte Erweiterung der Interpretationsmöglichkeiten der Quellenangaben.

|| 181 Annales Fuldenses, ad a. 882 (Fortsetzung der Altaicher Hs.). Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 97–99; FSGA 7, 132 f.: Mira itaque res et stupenda obsidentibus et obsessis quadam die occurrit. Nam in XII. Kal. Aug. luce postmedia tenebrosa subito caligo tota castra operuit, fulgure et tonitruo, concrepente instans talis grando, ut nullus antea mortalium se tale quid videre profiteretur; non, ut solitum est lapides descendere, plana et equali superficie, sed cornuta et inequali et aspera facie omnibus cernentibus insolitum et magnum spectaculum praebuit. 182 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 921. Ed. Lauer, 6; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 5: Siccitas ingens tribus fere continua mensibus, Iulio, Augusto atque Septembri. 183 Bernold von Konstanz, Chroniken, ad a. 1068. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. NS 14, 207; FSGA 14, 62 f., 290 f.: Totus ille annus pluvialis. 184 Florentii Wigorniensis Chronicon, ad a. 1091. Ed. Thorpe, 29: Nec minus, XVI. kal. Novembris [17 Okt.], feria vi., turbo veniens ab Africo pervalidus, (…) et huc illucque diu per aera ferens, tandem sex de tignis, eo ordine quo tecto prius infixa erant, tam alte in terram defixit, ut de quibusdam eorum septima, de quibusdam vero octava pars appareret; erant enim xxvii. vel xxviii. pedum longitudinis. 185 Annales regni Francorum, ad a. 820. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 154; FSGA 5, 124 f.: Vinum etiam, cuius parvus proventus eodem anno fuit, propter caloris inopiam acerbum et insuave fiebat. 186 Haverkamp, Perspektiven deutscher Geschichte (2004), 52: „[D]ie Ausführungen von R. Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas, 2001, sind wegen der mangelnden historisch-philologischen Fundierung stellenweise fragwürdig.“ 187 Boeselager, Erwähnung von Naturkatastrophen (2005), 73–90, erwähnt die Übersichten von Glaser Klimageschichte (2001) oder Climat. Ed. Alexandre nicht.

Forschungsüberblick | 29

Zur bisherigen Methodik der Witterungsrekonstruktion lässt sich Folgendes zusammenfassen: Die Beschreibung und Messung von Elementen, die Wetter und Witterung bestimmen, hat sich über Jahrtausende entwickelt.188 Die Klimageschichte hat sich als Teilgebiet der Umweltgeschichte in den vergangenen zweihundert Jahren langsam entwickelt. Eine wichtige methodische Maßnahme war die Rekonstruktion von Witterungszeitreihen mit unterschiedlichen zeitlichen Auflösungen. Dazu wurden zunächst die im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit einsetzenden Witterungstagebücher ausgewertet. Als Beispiel dafür mag das folgende Schema von Fritz Klemm dienen, mit dem die Daten aus einem Witterungstagebuch aus dem elsässischen Kloster Thann erfasst wurden.189 Die Aufteilung der Winter erfolgt bei Klemm nur nach zweistufigen Indizes, aber die Temperatur und die Feuchtigkeit wurden getrennt erfasst, wodurch sich in der Kombination mehr Werte ergeben können. Angaben zu Erdbeben oder Plagen wurden mitaufgenommen, andere Naturereignisse, besonders solche astronomischer Art, sind in dem Tagebuch jedoch nicht erfasst worden. Tab. 2: Ordnungsschema nach Fritz Klemm

Witterungsangaben

Witterungsangaben

1. Winter: a) kalt, b) mild, c) trocken, d) nass

11. Teuerung

2. Sommer: a) kalt, b) warm, c) trocken, d) nass

12. Pest

3. Frühjahrsfröste

13. Seuchen

4. Hochwasser

14. Wanderheuschrecken

5. Dürren

15. Ungeziefer

6. Stürme

16. Ernte: a) gut, b) mittel, c) schlecht

7. Gewitter

17. Weinlese: a) gut, b) mittel, c) schlecht

8. Hagel

18. Lesebeginn

9. Erdbeben

19. Weinqualität: a) gut, b) mittel, c) schlecht

10. Hungersnöte

Insgesamt ist eine solche Ausgangslage sehr gut, da in einem Witterungstagebuch Angaben zum Wetter an einem Ort gesammelt wurden. Die Häufigkeit, mit der solche Tagebücher überliefert sind, ist allerdings nicht sehr hoch. Deshalb müssen für andere Orte und andere Zeiten derartige Angaben erst aus unterschiedlichsten Quellen

|| 188 Vgl. den guten Überblick bei Glaser, Klimageschichte (2012), 30 f. 189 Klemm, Witterungschronik (1970), 15–18.

30 | Einleitung

zusammengetragen werden. Für die Frühe Neuzeit in Europa konnten über die Methode der Indexierung von beschriebenen Witterungselementen Proxywerte geschätzt werden, deren zeitliche Auflösung bis hinunter auf die Monatsskala reicht. Pfister hatte in seiner Arbeit „Wetternachhersage“ vorgeschlagen, aus den indirekten Klimadaten, den Proxydaten, durch ein dreistufiges Verfahren Temperatur- und Niederschlagsindizes zu gewinnen. Dazu werden die Daten im ersten Schritt qualitativ geschätzt, im zweiten Schritt, also am Ende der Interpretation, steht die Zuweisung einer Indexzahl aus einer siebenstufigen Skala von -3 bis +3 und schließlich erfolgt im dritten Schritt die Umrechnung auf meteorologische Näherungswerte. Entsprechend der Anzahl der aufeinanderfolgenden, vorliegenden Quellendaten können jährliche, jahreszeitliche oder sogar monatliche Indizes berechnet werden.190 Die Pfister-Indizes sind eine Weiterentwicklung von Versuchen, die teilweise vielfältigen und unterschiedlich detaillierten Daten zu systematisieren. Das vereinfachte System der siebenteiligen Skala sieht folgendermaßen aus. Tab. 3: „Pfister-Indices“ nach Pfister und Mauelshagen191

Index

Temperatur

Niederschlag

+3

extrem warm/viel zu warm

extrem feucht/viel zu trocken

+2

sehr warm

sehr feucht

+1

Warm

feucht

Normal

normal

-1

Kalt

trocken

-2

sehr kalt

sehr trocken

-3

extrem kalt/viel zu kalt

extrem trocken/viel zu trocken

0

Die ausführlichen Beschreibungen von Witterungselementen entwickelten sich aber erst im Laufe der Frühen Neuzeit. Zu Zeiten des Früh- und Hochmittelalters sind sie vergleichsweise selten. Die erste hier gefundene Beschreibung einer Zusammenfassung der Witterung aller Jahreszeiten – allerdings von unterschiedlichen Witterungselementen – findet sich in den Augsburger Annalen zum Jahr 1095: „Der Frühling war stürmisch und trocken […] der Winter war wechselhaft, der Sommer günstig und der Herbst warm, überreich gediehen überall die Früchte.“192 Diese Beschreibung umfasst erstmals während der Untersuchungszeit von 500 bis 1100 alle vier Jahreszeiten; sie

|| 190 Vgl. https://www.euroclimhist.unibe.ch/de/historische-klimatologie/auswertung/ (21.3.2013). 191 Pfister, Wetternachhersage (1999), 45 f.; Mauelshagen, Klimageschichte der Neuzeit (2010), 55 f. 192 Annales Augustani, ad a. 1095. Ed. Pertz, MGH SS 3, 134: Ver ventuosum et siccum. (…) Hiems varia; commoda aestatis et autumni temperies; frugum ubique habundantia.

Forschungsüberblick | 31

bildet aber auch für die Zeit danach bis ins 15. Jahrhundert hinein noch eine große Ausnahme, wie die Arbeit von Chantal Camenisch zum Witterungsverlauf in den burgundischen Niederlanden im 15. Jahrhundert zeigt. Erst diese zeitliche Auflösung bietet für einen Ort eine Ausgangsdatenlage, die indexfähige Proxydaten ergeben könnte. In den zuvor verfassten Quellen werden überwiegend Extremwerte beschrieben, die weniger als zehn Prozent der extremsten Werte ausmachen und unterschiedliche Einzelelemente aufzählen. Erst mit dem Aufkommen serieller Quellen im Spätmittelalter ist die Nutzung eines Index zur Beschreibung von Ereignissen und deren Vergleich sinnvoll, und erst ab dem 15. Jahrhundert gilt alles, was Mauelshagen zum Pfisterindex zusammengefasst hat. Für die Frühe Neuzeit sind – wie Christian Pfister überzeugend nachgewiesen hat – so viele Daten dokumentiert und überliefert, dass sich fast immer saisonale, ab einer bestimmten Zeit sogar monatliche Indizes rekonstruieren lassen. Die Übergangszeit scheint demgegenüber mit dem 15. Jahrhundert erreicht zu sein, in dessen Werten sich die statistischen Lücken so stark zeigen, dass es – je früher, desto weniger – möglich ist, dichte saisonale Datenreihen aufzustellen. Tab. 4: Entwicklung der Witterungsbeschreibung

Zeit

Art der Beobachtung

Häufigkeit

antike orale Kultur

Beschreibung in Mythen, Sagen, Liedern

einmalig alle 300– Atlantissage, Sint- Indexierung nicht 1000 Jahre flut, bibl. Plagen sinnvoll

Mögliche Proxys

Indexierfähigkeit

antike Beschreibung in narra- einmalig alle 100– Beschreibung von Schriftkultur tiven Werken 300 Jahre Einzelereignissen

Indexierung nicht sinnvoll

ab 6. Jh.

Beschreibung in histo- alle 10–100 Jahre riografischen Quellen

Beschreibung von Einzelereignissen

nicht sinnvoll, 90 % nicht beschrieben

ab 12. Jh.

Beschreibung in histo- alle 1–10 Jahre riografischen Quellen

Los-Tage, Jahreszeiten ab 11. Jh.

Indexierung u. U. sinnvoll

ab 14. Jh.

Beschreibung in seriellen Quellen

Preis-, Ernte-, Weinlisten

Indexierung notwendig/sinnvoll

ab 16. Jh.

Beschreibung in Witte- monats- bis tagerungstagebüchern weise

Messung undefinierter Einheiten

Indexierung notwendig/sinnvoll

ab 18. Jh.

instrumentelle Messungen

tage- bis stunden- Messung definierweise ter Einheiten

Indexierung unnötig, u. U. sinnvoll

ab. 20. Jh.

großflächige Satellitenmessung

durchgehend

Indexierung unnötig

jahr- bis monatsweise

Direkterfassung

Mit dem Wechsel der Quellenbasis muss folglich auch ein Wechsel der verwendeten Methodik einhergehen. Auf der Grundlage historischer Quellen ist keine durchgehende, statistisch belastbare Rekonstruktion von Klimadaten möglich. In der Zeit des Früh- und Hochmittelalters lassen historische Quellen ausschließlich Aussagen über

32 | Einleitung

einzelne Wetter- und Witterungsereignisse zu, nie jedoch über Tendenzen, welche die Dauer einer Jahreszeit überschreiten würden. Für die Zeit vor dem Spätmittelalter, und das entspricht dem hier gewählten Zeitrahmen, erzeugt die Anwendung des Systems der Indexierung methodische Indexierungsfehler. Eine Anwendung der Methode der Klimaindizes für das Früh- und Hochmittelalter ist methodisch nicht zu begründen. Sie versagt, weil die Zeitgenossen nur die in ihren Augen extremsten Ereignisse dokumentiert haben. Insgesamt machen diese weniger als zehn Prozent der in der Frühneuzeit dokumentierten Daten aus. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: In der 2. Auflage seines wegweisenden Buches zur Klimageschichte Europas hat Rüdiger Glaser versucht, die Klimaindizes mit saisonaler Auflösung in die Zeit des Frühmittelalters auszudehnen. Tab. 5: Hygrische Hinweise in Mitteleuropa zwischen 700 und 1000 nach Rüdiger Glaser193 Jahr

Winter

709

-1

Frühling

722

Sommer

Herbst

Jahr

+1

Jahr

Winter

863

+1

870

Frühling

Sommer

-3

872

764

-3

874

-3

+2?

766

-1

880

-2

-2

881

-2

801

+2 +1

808/9

+2

886 +1

-2

887

-2

811

-2

893

-2

814

-1

914

-1

820

-3

921

-2

928

-1

824

-3

940

-2

838

+1

844

+2

964

845

-2

973

846

-3

975

850

+1

852 855

-3

860

-3

944?

-1 -1 -2 +2

993 994

+2

-1

988 +2

-2 +2

822

+2

Jahr

+1

763

783

Herbst

+3 -3

-3

Im Folgenden sind seine Tabellen zu den „Hygrischen Hinweise in Mitteleuropa zwischen 700 und 1000“ und den „Thermischen Hinweise in Mitteleuropa zwischen 700 und 1000“ abgebildet. Anzumerken ist, dass bei 1200 Daten (1500 mit Jahresangaben) nur in 43 Fällen thermische Angaben gemacht, also in nur 2,9 Prozent der Fälle. Erst im 15. Jahrhundert wächst in einigen Regionen Europas die Datendichte derart an,

|| 193 Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas (2012), 56.

Forschungsüberblick | 33

dass auch statistisch überzeugendere Ergebnisse möglich sind. So konnten von Chantal Camenisch für die burgundischen Niederlande von den 800 möglichen saisonalen Indizes (Temperatur- und Niederschlagswert für Frühling, Sommer, Herbst, Winter in 100 Jahren) der Jahre zwischen 1400 und 1500 aufgrund der ausgezeichneten Überlieferung 386 ermittelt werden, mithin erzielt diese Datenreihe eine Gesamtdichte von 48,3 Prozent, fast die Hälfte. Bei Glaser liegen zwischen 700 und 1000 (Tabelle 5) 300 Jahre mit je vier Jahreszeiten, also, bei einer angenommenen Vollständigkeit der Daten, 1200 hygrische Angaben. Davon sind aber nur 47 hygrische saisonale Proxydaten hier vorhanden, also 3,9 Prozent. Bei den Angaben zu Wintertemperaturen der burgundischen Niederlande wurden 82 Prozent erreicht, bei den Herbsttemperaturen 32 Prozent, die Sommerniederschläge konnten zu 61 Prozent klassifiziert werden, die Frühlingsniederschläge zu 32 Prozent; alle anderen Werte ordnen sich dazwischen ein.194 Tab. 6: Thermische Hinweise in Mitteleuropa zwischen 700 und 1000 nach Rüdiger Glaser195 Jahr

Winter Frühling Sommer Herbst Jahr Unspez.

Jahr Winter Frühling Sommer Herbst Jahr Unspez.

711

+1

872

737

-2

874 +2

741

-1

876

784

+2

886

+1

+2

891

-1

-2

793/4 809

-1 +2

820

+3

-2 -2 +2

896

+2

921

-2 +1

822

+1

944?

824

-2

964

+1

968

+1

834

+1

838

+1

973

846

-3

974

849 850

+1

981

+1

852

+1 -1 -1

988 +1 -2

989

-1 -1

855

-1

991

860

+1

993

-3

-3

868

/

994 +1

-3

-2

/

+3

+1

Die bisherige Arbeitsweise der Gewinnung von belastbaren historischen Klimadaten verläuft über den Umweg, solche Daten aus quasi-objektiven („bio-physischen“) Temperaturzeigern in der naturnahen Umwelt zu gewinnen. Diese werden als „Proxydaten“ bezeichnet, sie sind Näherungswerte, erlangt über indirekte Informationen,

|| 194 Camenisch, Endlose Kälte (2015), 497–508. 195 Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas (2012), 57.

34 | Einleitung

die sich auf Klimaverhältnisse der Vergangenheit beziehen. Diese können aus natürlichen Archiven, wie Sedimenten, Pollen, Baumringen, Warven, Eis, Korallen, Muscheln, gewonnen werden oder aus historischen Quellen, aus medial übermittelten, zeitgenössischen Beobachtungen. Im Allgemeinen werden Proxydaten zu Zeitreihen aufbereitet und mit statistischen Methoden kalibriert, worunter im Allgemeinen ein In-Beziehung-Setzen mit anderen Klimaparametern verstanden wird.196 Je weiter dabei in das Mittelalter zurückgegangen wird, desto weniger Werte stehen zur Verfügung, sodass zunächst auf eine saisonale, vierteljährliche Auflösung der Daten übergegangen wird, noch früher auf eine jährliche. Vor der ersten Jahrtausendwende ist die zur Verfügung stehende Datendichte zu gering. Dadurch ist die Anwendung der Pfister-Indizes nicht mehr möglich. Deshalb wurde hier ein anderer methodischer Weg gewählt.197

1.3 Quellenlage, -arten und -problematiken „Falls man im Mittelalter eine Vorstellung vom modernen Begriff der Umwelt gehabt hätte, hätte man ihn nicht platterdings auf die Erde und die sie schützende Ozonschicht bezogen. Die ‚natura operans‘ schloss Sonne, Mond und Sterne mit ein. Deshalb notierte zum Beispiel Cosmas von Prag in seiner Chronik auch die Erscheinungen von Polarlichtern, Kometen, Meteoren und die Sonnen- und Mondfinsternis. Ohne jeden Kommentar, nüchtern wird davon berichtet.“198

Bei einer solchen Sichtweise wird die Instrumentalisierung, die diese nüchternen Schilderungen ermöglicht, allerdings deutlich unterschätzt. Die Untersuchungen dieser Arbeit beruhen zum ganz überwiegenden Teil auf annalistischen und chronikalischen Quellen. Dies hat zuerst mit deren Quellencharakter zu tun, aber auch mit ihrer Erschließung und mit ihrer Zugänglichkeit. Dass die Darstellung in den Chroniken nicht unproblematisch ist, war jederzeit klar; sie ist aber weniger problematisch als in anderen Quellengruppen wie etwa hagiografischen Quellen, Viten oder poetischen Werken. Solche problematischen Quellen wurden hier nicht systematisch gesammelt, sondern nur herangezogen, wenn sie den Befund der Annalen und Chroniken ergänzen konnten oder genau das Gegenteil besagten. Drei andere Quellengruppen bieten teilweise noch weitergehende Informationen: Briefe, Kapitularien und Urkunden, die ebenfalls eine verlässliche Quellenbasis bieten können. Da insbesondere die Beschäftigung mit den Quellengruppen der Briefe und Kapitularien jedoch stark spezialisierte Forscher benötigen und gerade die Kapitularien in einem

|| 196 Mauelshagen, Klimageschichte der Neuzeit (2010), 38. 197 Vgl. Kap. 1.4 Fragestellung, Methoden und Ziele der Untersuchung. 198 Schubert, Alltag im Mittelalter (2002), 279 f.

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aktuellen Forschungsprojekt aufgearbeitet werden,199 wurden sie hier nur in Einzelfällen herangezogen. Für eine weitere Quellengruppe, die sehr viele serielle Daten bereithält und noch auf eine fundierte geschichtswissenschaftliche Auswertung wartet, muss kurz begründet werden, warum sie hier nicht herangezogen wurde. Die Daten über den Nilwasserstand zwischen den Jahren 622 und 1470 sind in ihrer halbjährlichen Auflösung wohl einzigartig unter den mittelalterlichen seriellen Quellen. Trotzdem können sie nicht – wie dies immer wieder von naturwissenschaftlich-mathematischen Disziplinen versucht wird200 – ungefiltert und ohne Interpretation als Datengrundlage verwendet werden. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag, müssen sie mit anderen historischen Daten kalibriert werden. Der Hauptstrom des Nil erhält sein Wasser aus zwei wichtigen Zuflüssen, zum einen den Flüssen aus dem äthiopischen Hochland, zum anderen vom Äquatorialen Plateau.201 Die wichtigste und agrarstützende Eigenschaft des Nils ist seine Sommerflut, wenn gegen Mitte Juli das Wasser, hauptsächlich aus Äthiopien heranfließend, Ägypten erreicht. Mitte August steigt die Flut für drei Wochen auf ihren Höchststand und sinkt dann allmählich wieder ab, bis gegen Mai der tiefste Wasserstand erreicht wird. Die Veränderungen des Wasserstandes wurden zwischen dem 7. und dem 15. Jahrhundert im Nilometer von Roda gegenüber von Al-Fustat (Kairo) aufgezeichnet. Dabei wurden der jeweils höchste und der niedrigste Punkt der Flut dokumentiert.202 Die Daten wurden bereits im Jahr 1925 von Toussoun kompiliert und 1950 von Popper weiter kalibriert.203 Mit den im Nilometer von Roda ab 715 gesammelten Daten des Wasserstandes wurden jene ergänzt, die am Nilometer nahe Memphis südlich von Kairo gesammelt und überliefert wurden. Die Daten von 622 bis 640 werden dabei als vergleichsweise unzuverlässig angesehen.204 Trotz der beschriebenen außergewöhnlichen Quellenüberlieferung sind einige methodische Probleme noch nicht gelöst:

|| 199 Vgl. die Webseite des Projektes: http://capitularia.uni-koeln.de/ (20.9.2016). 200 Es wurden Perioden eines 256-jähringen Zyklus, eines 4,2-Jahreszyklus und eines 2,2-Jahreszyklus vorgeschlagen, aber auch 64, 19, 12 und 7-Jahreszyklen, vgl. Kondrashov/Feliks/Ghil, Oscillatory modes (2005), L10702. 201 Das äthiopische Quellgebiet umfasst den blauen Nil (Abbay) und den schwarzen Nil (Atbara) und das Gebiet um West-Eritrea. Der Zufluss des weißen Nil aus dem Äquatorialen Plateau speist sich aus den Gebieten der heutigen Staaten (West-)Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi, der Zentralafrikanischen Republik, der Republik Kongo und der Demokratischen Republik Kongo. 202 Hassan, Extreme Nile floods (2007), 101 f. 203 Toussoun, L’Histoire du Nil (1925) = Toussoun, Mémoire sur l’histoire du Nil (1925), 366–404. Popper, The Cairo Nilometer (1951). 204 Hassan, Extreme Nile floods (2007), 102 rechnete die Daten auf Meeresniveau um.

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1)

Die Höhe der Nilflut muss sich auf das Niveau des Flussbodens des Nilbettes beziehen, denn dieses wurde und wird durch den Versandungsprozess im Laufe der Zeit erhöht.205 2) Die Verbindungen zwischen dem afrikanischen Monsun und dem Wasserstand des Flusses sowie Einwirkungen von Vulkanausbrüchen sind zu beachten.206 3) Die Verdunstungsunterschiede aufgrund unterschiedlicher Sonneneinstrahlung sind bisher kaum beachtet worden. 4) Das Wasser des Nil, der Lebensader Ägyptens, wird an unzähligen Stellen zur Bewässerung abgeführt. Diese Entnahmemengen sind nicht konstant, denn im Falle eines Krieges wird deutlich weniger Wasser entnommen als in Friedensjahren, was zu einem höheren Wasserstand führt. Methodisch müssten Kriegsjahre als ein Faktor in die Betrachtung einbezogen werden. Dies soll aber anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben.

1.3.1 Annalistische und chronikalische Quellen Die folgenden Ergebnisse beruhen überwiegend auf annalistischen und chronikalischen Quellen der Zeit zwischen den Jahren 500 und 1100, die oft (aber nicht immer) zeitgenössische Beobachtungen widerspiegeln können.207 Für das vorliegende Projekt wurden knapp 160 Quellenwerke, vor allem Annalen und Chroniken, auf Naturereignisse hin analysiert. Die Tabelle 73 listet alle diese Werke alphabetisch auf, zeigt ihre Berichtsregion, die Berichtszeit und die Entstehungsphase der jeweiligen Quelle. Die einzelnen Textstellen sind aus dem Quellenregister im Anhang ersichtlich. Nur wenige ausgewählte Quellen, die nach dem Jahr 1100 aus älteren Vorlagen zusammengefügt wurden, flossen in die Betrachtung mit ein. Je nach Region unterscheiden sich die Traditionen voneinander, wie Annalen oder Chroniken geführt wurden.208 So

|| 205 Hassan, Historical Nile Floods (1981). 206 Oman/Robock u. a., High-latitude eruptions (2006), L18711. 207 Vgl. Grundmann, Geschichtsschreibung (1987), 18–23 (Weltchroniken), 24–28 (Annalen). 208 In den Nachweisen wird versucht, zunächst den mittelalterlichen Autor und sein Werk mit der Quellenstelle und/oder dem Jahr anzugeben. Dann folgt die benutzte Edition – in den meisten Fällen die der Monumenta Germaniae Historica (MGH) – und falls vorhanden der Hinweis auf eine Übersetzung. Gibt es eine Übersetzung im Rahmen der Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe (FSGA), wurde diese bevorzugt vor aktuelleren englischsprachigen Übersetzungen angegeben.

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haben die Verfasser in Italien209 und Byzanz210 ein anderes Verständnis, mit ihren Vorläufern umzugehen, als im Europa nördlich der Alpen211 oder in Irland212. Methodisch ein großes Problem ist, dass es fast immer schwierig ist, zu entscheiden, wann der Eintrag zu einem bestimmten Jahr geschrieben worden ist. Hinzu kommt, dass wir die Texte nicht wie ethnographische Berichte aus der Zeit lesen dürfen, sondern wie die Überreste der Weltsichten und Intentionen ihrer Autoren, die als solche ernst genommen und analysiert werden müssen.213 Die jüngeren, an der handschriftlichen Überlieferung ansetzenden Methoden der Analyse historiographischer Texte des Frühund Hochmittelalters, wie sie – um drei Beispiele zu nennen – Rosamond McKitterick,214 Walter Pohl215 und Helmut Reimitz216 in die Forschung eingeführt haben, konnte in dem Arbeitsschritt, den die vorliegende Darstellung geht, noch nicht in dem Maße Berücksichtigung finden, wie es notwendig wäre. Erst die in Kapitel 5 extrahierten Erkenntnisse lassen sich in den nächsten Forschungsschritten mit den Ergebnissen der genannten Autoren abgleichen. Die Quellenlage zu extremen Naturereignissen ist, anders als bei politischen oder religiösen Ereignissen, oft von nur geringem Sachverständnis der Zeitgenossen für das Naturereignis selbst gekennzeichnet; trotzdem erweisen sich zur Rekonstruktion dieser Ereignisse die Annalen und Chroniken von allen überlieferten Quellengattungen als die ertragreichsten. Dies nicht zuletzt, weil sie „sehr genau über Regenfälle und Frost, Naturkatastrophen und Trockenperioden berichten.“217 Da die natürlichen Ursachen der Naturereignisse häufig kaum oder nur wenig bekannt waren, wurden dahinter religiöse Motive der göttlichen Bestrafung oder Bußforderungen vermutet. Auch die räumliche Ausdehnung der Ereignisse wurde von den Zeitgenossen oft falsch eingeschätzt. Dies führte zur extremen Sicht der älteren Forschung, über „[n]aive, unbekannte Mönche, die aufschrieben, was ihnen in ihrem engen Lebenskreise bemerkenswert erschien“ und am „wertvollsten waren hier oft wieder die allerkürzesten und sonst sehr unbedeutenden Annalen, Werke, die oft noch wirklich auf Ostertafeln eingetragen waren, die nichts von allen großen Ereignissen der Welt wissen

|| 209 Bratu, Chroniken im mittelalterlichen Italien (2016), 707–742. 210 Mariev, Byzantinische Chronistik (2016), 837–866. Sämtliche griechischsprachigen Werke wurden in ihren übersetzten Fassungen benutzt. 211 Plassmann, Lateinische Stammes- und Volksgeschichtsschreibung (2016), 47–76. 212 Dunphy, Mittelalterliche Chronikliteratur (2016), 609–662. Sämtliche irischen und schottischen Quellenwerke wurden in ihren Übersetzungen benutzt. 213 Patzold, Konflikte (2010), 147. 214 Vgl. dazu McKitterick, Books, scribes and learning (1994); McKitterick, History and memory (2004); McKitterick, Perceptions (2006); Corradini/Gillis/McKitterick/Reenswoude (Hrsg.), Ego trouble (2010); Gantner/McKitterick/Meeder (Hrsg.), Resources of the past (2015). 215 Pohl, Werkstätte der Erinnerung (2001); Pohl, Fragmente der Erinnerung (2010), 161–166. 216 Reimitz, Geschichtsbuch aus Saint-Amand (1999). 217 Goetz, Leben im Mittelalter (2002), 26.

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(…).“218 Dagegen hat Ulrich Nonn treffend gefordert, „die überkommenen Schriftquellen erneut, unter der speziellen Fragestellung, sozusagen gegen den Strich zu lesen“ und Quellen, die bisher überwiegend auf Nachrichten zur politischen (Ereignis-)Geschichte untersucht wurden, auf Nachrichten zu alltäglichen Mitteilungen über Naturereignisse abzuklopfen;219 so verlangte es auch Theo Kölzer.220 Der Versuch, Annalen und Chroniken als „Steinbruch“ zu nutzen, um dem Ereignisverlauf im Sinne von Leopold von Ranke und Johann Gustav Droysen nahezukommen, hat sich als Chimäre erwiesen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Problemfelder analysiert, die einen realitätsrekonstruierenden Ansatz oft unmöglich machen. Annalen und Chroniken spiegeln eben nicht nur – von gelegentlichen Abschreibfehlern verzerrt – katalogartig die Ereignisse wider; denn schon die Reihenfolge innerhalb der Einträge, die relative Positionierung in Bezug auf andere Ereignisse entspringt einem intentionalen, oft kompositorischen Gedanken des Autors. So sind Annalen und Chroniken auch Wahrnehmungs-, Instrumentalisierungs-, Überlieferungs-, Rezeptions- und Wissensdiffusionskataloge.221 Einige Punkte sind bei Ostertafel, Annalen und Chroniken nicht zu unterschätzen. Zunächst die besondere Gesetzmäßigkeit: „Der Geschichtsschreiber schrieb nicht nieder, wie es geschehen war, sondern wie er meinte (oder wollte), dass es geschehen ist.“222 Wird dann dieser Gedanke konsequent weiterentwickelt, so unterliegt jede mittelalterliche historiografische Quelle ihren „eigenen Gesetzen, die es herauszufinden und zu berücksichtigen gilt“.223 Diese Gesetze umfassen den Wortgebrauch, darauf hatte die ältere Forschung immer wieder großen Wert gelegt, aber auch den Motivgebrauch und den intentionalen Gebrauch von Typen und Allegorien. Die vorliegende Arbeit kann und soll diese schreibertypischen Gesetzmäßigkeiten nicht erarbeiten, denn das hätte eine Beschränkung auf deutlich weniger Quellen erfordert. Die Arbeit versteht sich andersherum als Vorarbeit für spätere Untersuchungen schreibertypischer Gesetzmäßigkeiten, mit der das Umfeld des Wortgebrauchs bezüglich der Naturereignisse näher beleuchtet wird. Durch die Zusammenführung der unterschiedlichsten Überlieferungsstränge wird es am Ende eher möglich, die von den Quellenverfassern wahrgenommenen von deren intentional dargestellten Ereignissen zu trennen. Die häufig von der älteren Forschung vermuteten „Abschreibfehler“, die vergleichsweise oft vorgekommen sein sollen, treten bei den tagesgenauen Datierungsangaben überraschend selten auf. Schmale wies dazu auf folgende Beobachtungen hin: „Originalität war kein vorrangiges Prinzip. Nicht die eigene, andere überholende || 218 Curschmann, Hungersnöte (1900), 3. 219 Nonn, Quellen zur Alltagsgeschichte (2007), 7 f. 220 Kölzer, Unwetter und die Folgen (2008), 599. 221 Vgl. dazu grundlegend: Baumgartner, Narrative Struktur (1975), 48–67. 222 Goetz, Investiturstreit (2006), 47. 223 Struve, Lampert von Hersfeld (1969), 10.

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und sich von diesen absetzende Leistung stand im Vordergrund historiografischer Arbeit, sondern die sachliche Mitteilung, bei der vertrauensvoll die Ergebnisse der Vorgänger übernommen wurden.“224 So konnte anhand der Nachberechnung von Sonnenfinsternissen für 48 tagesgenaue Daten zwischen 733 und 1544 in europäischen Quellen nachgewiesen werden, dass davon 42 absolut exakt in den historiografischen Quellen dokumentiert waren. Von den in jener Studie analysierten verbleibenden sechs Beispielen waren drei nur um einen oder zwei Tage falsch angegeben, bei den drei anderen war das Jahr nicht korrekt angegeben.225 Dieser Befund wird unten weiter zu präzisieren sein.226 Dabei wird auch der Frage nachgegangen, warum bei den Annalisten Differenzen zu den wahrgenommenen Daten zu finden sind. Waren es Abschreibfehler, Ungenauigkeiten, intentionale Veränderung im Sinne einer gewollten Darstellung? Oder spiegeln die vermuteten Abschreibfehler vielleicht anachronistische Eingriffe eines modernen Editors wider? Dafür zwei Beispiele: 1) Ein Gewitter, das an einem Tag in einem Ort beobachtet wurde, kann über Nacht an einen anderen Ort ziehen und am nächsten Tag dort beobachtet werden. Beide Dokumentationen liegen räumlich nicht weit auseinander und hätten an nur leicht unterschiedlichen Daten stattgefunden. Moderne Editoren würden in diesem Fall vielleicht einen Abschreibfehler vermuten227 und die Datumsangabe korrigieren. Im nächsten Schritt führt dies dazu, dass dem einen oder anderen Werk aufgrund sonst höherer Verlässlichkeit der Vorzug gegeben würde und das Datum im Anmerkungsapparat der Edition der anderen Annalen entsprechend angepasst würde. Wie im Folgenden gezeigt wird, gehen die Unterschiede tagesgenauer Angaben nur in seltenen Fällen auf Abschreibfehler zurück und spiegeln viel häufiger die Wahrnehmung oder die Intentionen des Autors wider. 2) Es kann sich aber auch um ein Chronologieproblem handeln und zwar um Schwierigkeiten der Zeitgenossen, den Mond als genauen Taktgeber zu nutzen. Aktuelle Forschungsarbeiten zum 15. Jahrhundert haben vorbildlich sämtliche Datumsangaben in julianischen und gregorianischen Kalenderdaten angegeben,228 darauf wurde hier bewusst verzichtet, weil diese Rückschreibung nicht unproblematisch ist. Die 1582 geschaltete Differenz entspricht einer damals gemessenen Abweichung. Je weiter wir uns von der gregorianischen Kalenderreform in Richtung Frühmittelalter bewegen, desto größer wird die Abweichung zu dem, was an Differenz im 16. Jahrhundert geschaltet wurde.229

|| 224 Schmale, Funktion und Formen (1985), 94. 225 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 48. 226 Siehe dazu Kap. 2.1.7 Sonnenfinsternisse. 227 Siehe für die Details eines solchen Gewitters am 10./11. Februar des Jahres 1016 das Kap. 3.1.1 Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner. 228 Camenisch, Endlose Kälte (2015). 229 Vgl. aktuell Nothaft, Scandalous Error (2018).

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Darauf sind diese Quellen, zu hinterfragen, aber auch deren Vorlagen – Selbstzeugnis, Augenzeugenbericht, Aussage von Zeitgenossen, andere Quellen –, auf denen die Annalenschreibung beruht. Haas hat dazu zwar zwei aufschlussreiche Beispiele angegeben, die in Ansätzen die Kommunikationswege aufzeigen, die einer Aufnahme in die Überlieferung zugrunde liegen. Seine Beispiele sind trotzdem nicht unproblematisch: „So vermerkt für das Jahr 902 der ‚Annalista Saxo‘, der Rhein und viele Flüsse in Sachsen hätten in ein und derselben Nacht (27. September) ‚nach dem Zeugnis von Schiffern und Müllern nicht ihren natürlichen Lauf gehabt‘ (ut testantur navigantes et molendini, naturalem cursum in ipsa nocte […] non habuerunt).230“ Die Aussagen von unmittelbar mit den Fließgewässern befassten Berufsgruppen, in dem Fall Müller und Schiffer, sind hier über mindestens eine weitere Station (Fuldaer Annalenkompilation) in die Sammlung des Annalista Saxo aufgenommen worden. Zwischen seiner Verschriftlichung in der Zeit von etwa 1140 bis um 1160 und dem Ereignis sind mindestens 150 Jahre vergangen. Erst die Angabe von möglichst verlässlichen und belastbaren Zeugen verleiht bestimmten, von den Zeitgenossen als „unglaublich“ einzuschätzenden Ereignissen in den Annalen ihre Glaubwürdigkeit. Dies ist immer mitzudenken, wenn es um die Angaben von Zeugen in den Annalen geht. Als ein weiteres Motiv hat Haas die wirtschaftlichen Interessen der Schreiber als Klosterangehörige herausgestellt: „Das Interesse der Annalenschreiber richtete sich jedoch, bei allem auch zu unterstellenden Mitleid mit den Betroffenen, auf die Konsequenzen für die Einnahmen der Klöster, in denen sie entweder selbst tätig waren oder von denen sie Kenntnisse hatten. Deshalb ist aus buchhalterischbetriebswirtschaftlichen Gründen eine recht genaue Kenntnis der Witterung anzunehmen, wenngleich nicht alles schriftlich fixiert worden ist. (…) Neben solch pragmatischen Interessen am Wetter spielte jedoch auch dessen Zeichenhaftigkeit für die theologisch vorgebildeten Verfasser und Leser der Annalen eine wichtige Rolle.“231

Bereits in dem schon oben aufgeführten Zitat von Curschmann glaubte dieser, dass die Eintragungen zu den Ereignissen und zu den Folgen nur von „naive[n] unbekannte[n] Mönche[n]“ am Rande der Annalen eingetragen worden – während die „gefeiertesten Namen der mittelalterlichen Geschichtsschreibung (…) doch fast ganz fehlen (…) Widukind, Wipo, Thietmar, Adam von Bremen, Otto von Freising (…) deren ganzes Interesse auf die Ereignisse des Staatslebens ausgerichtet ist“.232 Die Deutungen, dass die Intentionen der Annalisten, Chronisten und Schreiber sich so einfach

|| 230 Haas benutzte die Edition Annalista Saxo. Ed. Pertz, MGH SS 6, 590. Die Neuedition (Reichschronik des Annalista Saxo, Ed. Naß, MGH SS 37, 123) erweist die Stelle aber als Abschrift aus den Pöhlder Annalen zum Jahr 903 (Annales Palidenses. Ed. Pertz, MGH SS 16, 60), diese sind um 1164–1340 entstanden. Das Original wiederum soll auf eine verlorene Fuldaer Annalenkompilation zurückgehen, vgl. Reichschronik des Annalista Saxo, Ed. Naß, MGH SS 37, 123 Anm. 4. 231 Haas, Stürme auf See und Dürren an Land (2008), 256. 232 Curschmann, Hungersnöte (1900), 3.

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gestaltet hätten, gehen aber am Inhalt der Werke der genannten Autoren vorbei. Gerade im Früh- und Hochmittelalter ist für jeden Verfasser jedweder Annalen oder Chroniken einzeln zu prüfen, wie es um seine Darstellungsabsichten gerade auch in Bezug auf Naturereignisse steht. Es sei vorweggenommen, dass die Gefahr der Instrumentalisierung von Naturereignissen groß ist, bis hin zur absichtlichen Verfälschung der Chronologie. Im Vordergrund steht dabei das Publikum, die Zielgruppe, für die die Annalen oder Chroniken verfasst wurden. Die Motivation, Naturereignisse zu instrumentalisieren, kann in wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und besonders theologischen Gründen zu finden sein. Naturereignisse machen auf den Leser den Eindruck, nüchtern und objektiv zu sein, weshalb auch Autoren wie Widukind oder Thietmar sie gern einsetzten, um ihren Darstellungen mehr Wirkung zu verleihen. Eine weitere große Rolle spielt die Vorund Ausbildung sowie die Erfahrung der Verfasser. Beispielsweise setzt der Chronist Michael der Syrer die Gesamtheit der bei ihm dargestellten Ereignisse als Begründungsfolie für konkrete kirchenpolitische Ereignisse ein.233 Es konnte aber auch der Fall sein, dass ein Ereignis sich nicht verschweigen ließ wie der Winter 763/764. So datiert der erste naturgeschichtliche Eintrag in den ansonsten viele Naturereignisse verschweigenden Annales regni Francorum (741–829) in das Jahr 764 und lautet: Et facta est hiems valida.234 Die Problematik der Abhängigkeiten in Abschriften untereinander, die sich bei der Gattung der Annalen stellt, und der Umgang mit diesem Problem in dieser Arbeit bedürfen einer ausführlichen Erklärung. Die Nutzung von Nachrichten in Abschriften geht nicht immer auf einen einfachen mechanischen Kopiervorgang zurück, sonst wären alle Einträge übernommen worden. Die Schreiber der Annalen und Chroniken haben aus zumeist älteren Vorlagen nur das abgeschrieben und kompiliert, was sie für wichtig hielten. Diese Einzelnachrichten können dann aber einfach buchstabengetreu übernommen worden sein. Die Angaben spiegeln also oft nicht eigene Beobachtung oder Wahrnehmung, sondern ältere Stufen. Dieses Problem ist lange bekannt, und in zahlreichen Unternehmungen wurden Annalen und Chroniken bezüglich ihrer Verwandtschaften und Abhängigkeiten analysiert. In diesem Kapitel wird aufgrund der bisherigen Ausführungen und Datenzusammenstellungen versucht, Antworten auf folgende Fragen zu finden: Welche Naturerscheinungen und -anomalien erwähnen die mittelalterlichen Autoren und wie stellen sie diese dar? Welche Deutungen schlagen sie vor? Wie häufig überliefern Autoren Naturereignisse in ihren Werken und zu welchem Zweck? Lässt sich ein individuelles Profil des Autors in seinem Verhältnis zu Naturereignissen beschreiben? Es geht hier auch um die Frage, als wie verlässlich oder glaubwürdig die Überlieferung einzuschätzen ist. Um die Autoren näher zu charakterisieren, die zum Standardkanon des

|| 233 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 153 f. 234 Annales regni Francorum, ad a. 763. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 22; FSGA 5, 20 f.

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Früh- und Hochmittelalters gezählt werden können, werden im Einzelnen kurz die folgenden Autoren und Werke charakterisiert: Gregor von Tours, Fredegar, Einhard, Nithard, Astronomus, die Annales regni Francorum, die Annales Bertiniani, der Fuldaer Annalist, die Xantener Annalen, Johannes Skylitzes, Johannes Zonaras, Widukind von Corvey, Thietmar von Merseburg, Flodoard von Reims sowie die Chronik Bertholds von Reichenau. Hinzu kommen eine Reihe weiterer Annalen und Chroniken. Die Betrachtung kann dabei nicht auf sämtliche benutzte Quellen gleichermaßen eingehen; es wurde aber versucht, für jene Quellen, die den überwiegenden Teil der Überlieferung zu Naturereignissen ausmachen, die Autorenprofile zu ermitteln. Die Autoren und Werke sind im Folgenden topografisch und chronologisch sortiert. Das heißt, zunächst werden sie einem Großraum – Mittelmeerraum, nördliches Kontinentaleuropa westlich des Rheins, nördliches Kontinentaleuropa östlich des Rheins oder Nordeuropa – zugeordnet und dann chronologisch nach ihrer Entstehungszeit abgehandelt. Die Auflistung folgt dabei überwiegend pragmatischen Überlegungen. Bei den einzelnen, katalogartigen Einträgen werden zunächst kurz allgemeine Informationen, überwiegend aufgrund des Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi (Rep. Font.) oder der Encyclopedia of the Medieval Chronicle, zu den Quellen geliefert. Darauf folgt das jeweilige Profil der genannten Naturereignisse, die sich an den Großkapiteln dieser Arbeit orientieren. Anhand dieser Auflistung wird schnell klar, ob ein Autor bestimmte Vorlieben für ausgewählte Ereignistypen hatte oder ob er die Naturereignisse lieber verschwieg. Im Mittelmeerraum wurde der von einem anonymen Verwaltungsbeamten in Rom verfasste Liber Pontificalis235 zwar um 530 begonnen, dann aber bis zum 7. Jahrhundert niedergelegt und erneut aufgegriffen. Der Berichtsraum umfasst überwiegend Nachrichten, die Italien betreffen. Regelmäßig wurden die Aufzeichnungen auf dem neuesten Stand gehalten, weshalb der liber als wertvoll erachtet wurde und während der Karolingerzeit weite Verbreitung fand. Andere Autoren wie Beda oder Martin von Troppau nahmen Teile in ihre Werke auf.236 Insgesamt werden 25 Naturereignisse und ihre Folgen dokumentiert. Die Annales Barenses bilden zusammen mit Lupus Apulus Protospatarius und dem verlorenen anonymen Barensis Chronicon eine Textgruppe;237 ihre Berichtszeit beginnt um 605/860 und endet im Jahr 1102.238 Sie berichten überwiegend über Ereignisse in Süditalien und enthalten insgesamt sechs astronomische/tektonische Extremereignisse. Der spätantike oströmische Chronist Marcellinus Comes (gest. um 534) schrieb seine Chronik239 in Konstantinopel in der || 235 Liber pontificalis Teil 1 und 2. Ed. Duchesne; Liber pontificalis Teil 3. Ed. Duchesne/Vogel. Book of pontiffs. Ed. Davis. Lives of the eighth-century popes. Ed.Davis, Lives of the ninth-century popes. Ed. Davis. 236 Bratu, Chroniken (2016), 714. 237 Kümper, Annales Barenses (2010), 55. 238 Annales Barenses. Ed. Pertz, MGH SS 5, 51–63. 239 Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke.

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Zeit von etwa 520/523 bis 534. Eine Fortsetzung entstand vor 548. In dieser Quelle werden überwiegend Ereignisse aus dem byzantinischen Raum für die Berichtszeit von 379 bis 534 überliefert. Darin enthalten sind vier astronomische/tektonische Extremereignisse (512, 518, 526), ein klimageografisches Extremereigniss (536) sowie zwei Folgen (524, 543). Die Chronik von Zuqnin entstand um 775/76 im Kloster Zuqnin bei Diyarbakır in der heutigen Osttürkei. Die hier interessierende Berichtszeit umfasst die Jahre 488 bis 775.240 Die Chronik enthält keine astronomischen/tektonischen Extremereignisse, überliefert aber als klimageografische Extremereignisse einen harten Winter 528/529 und eine Überschwemmung 549/550, während an Auswirkungen und Folgen zwei Hungersnöte in den Jahren 546–554 (eine acht Jahre dauernde Hungerperiode) und 750/751 genannt werden. In seiner byzantinischen Geschichte, die Johannes Skylitzes in den 1070er-Jahren verfasste, berichtet er über die Ereignisse der Jahre 811 bis 959 im byzantinischen Reich.241 Die Berichte sind bemerkenswert, da einige der Nachrichten als Gerüchte auch bei Widukind von Corvey Aufnahme fanden. Insgesamt 16 Naturereignisse und unmittelbare Folgen hat Johannes überliefert. Die Darstellung seiner byzantinischen Geschichte verfasste Johannes Zonaras wohl in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts.242 Sein Werk umfasst die Ereignisse der Jahre von 969 bis 1118; insgesamt sind elf Nachrichten zu Naturereignissen und ihren Folgen enthalten. Einer der wichtigsten Vertreter der Historiografie für Kontinentaleuropa nördlich der Alpen, westlich des Rheins ist sicherlich Gregor von Tours (538/539–593),243 der in seinen Historiarum libri decem die Geschichte der gallischen Provinzen schildert und in den Kontext einer umfassenden Weltgeschichte einordnet,244 hat ein ausgeprägtes Interesse an Naturereignissen. Seine ausführlichen Beschreibungen sind meist am Ende des jeweiligen Jahreseintrages. Die zehn Bücher enthalten 16 astronomische und sieben tektonische Extremereignisse. Des Weiteren werden 27 klimageografische Extremereignisse genannt, 18 Mal erwähnt Gregor Auswirkungen und Folgen von Naturereignissen: Insgesamt sind 68 Naturereignisse in Gregors Schriften enthalten. Allein für das Jahr 577 dokumentierte Gregor sieben verschiedene Ereignisse und wies

|| 240 The Chronicle of Zuqnin Parts III and IV A.D. 488–775. Ed. Harrak. 241 Byzanz – wieder ein Weltreich: das Zeitalter der makedonischen Dynastie. Nach dem Geschichtswerk des Johannes Skylitzes, Teil: 1. Ende des Bilderstreites und makedonische Renaissance: (Anfang 9. bis Mitte 10. Jahrhundert). Ed. Thurn. 242 Militärs und Höflinge im Ringen um das Kaisertum: byzantinische Geschichte von 969 bis 1118. Nach der Chronik des Johannes Zonaras. Ed. Trapp. 243 Anton, Gregor von Tours (1998), 612–615. Gregor von Tours, Libri historiarum X. Ed. Krusch/Levison, MGH rer. Merov. 1. 244 Plassmann, Stammes- und Volksgeschichtsschreibung (2016), 54–58.

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auf weitere hin. Gregors Werke wurden in Bezug auf solche naturbezogene Nachrichten teilweise schon ausgewertet.245 Seine stark chronologische Herangehensweise ergänzte er durch sein Werk De cursu stellarum ratio246, in dem er sich weniger chronologisch als vielmehr inhaltlich-thematisch mit diesen Phänomenen auseinandersetzt. Zur Beobachtung und Instrumentalisierung von Naturereignissen in diesem Werk hat Christian Rohr bereits Grundlegendes festgehalten.247 Gregor überliefert auch als einer der wenigen Autoren Tierplagen, während spätere Autoren, die sich normalerweise ein Beispiel an der Darstellungsart Gregors nehmen, zu solchen Ereignissen schweigen. Es ist darauf hinzuweisen, dass Gregor den Tod etwa der Hälfte der fränkischen Könige mit dem Erscheinen von Kometen oder anderen Anomalien der Natur in Zusammenhang bringt.248 Eine Origo gentis der Franken findet sich in der sogenannten Fredegar-Chronik, die um 642 redigiert wurde (mit Nachträgen bis 660) und die zusammen mit ihrer Fortsetzung eine Weltchronik bis 768 bietet.249 Das Werk enthält Prodigien bis 599/600 und der Continuator bietet solche wieder ab dem Jahr 740. Dazwischen sind keine Nachrichten zu Vorzeichen überliefert, auch nicht bei den relativ häufig beschriebenen Herrscherwechseln. Das im Kloster Saint-Maixent-l’École verfasste Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis enthält Einträge aus der Zeit zwischen 750 und 1140, die überwiegend das Westfrankenreich betreffen.250 Die Chronik bietet Nachrichten aus einem topografisch isolierten Kloster. Drei Mal konnten die Angaben zu Mondfinsternissen (1062, 1071, 1082) nicht durch Berechnung verifiziert werden, sodass bei Nachrichten, die allein in dieser Quelle überliefert wurden, Vorsicht geboten scheint. Das Chronicon enthält 22 astronomische oder tektonische Extremereignisse. Weiterhin bietet es Nachrichten über sechs klimageografische Ereignisse, acht Mal werden Auswirkungen und Folgen von Naturereignissen geschildert. Gerade die doppelt und im Wortlaut identischen Angaben zu Anthropophagie-Fällen in den Jahren 844 und 873 und die nicht verifizierbaren Mondfinsternisse mahnen auch bei den übrigen Einträgen zu Skepsis. Die Annales regni Francorum bilden für die Zeit zwischen 741 und 829 die wichtigste Quelle zur Geschichte des Karolingerreiches. Sie entstanden im Umkreis der

|| 245 Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit (1982), 193: Feuerwunder, 194: Wetterwunder, 368: Heuschrecken. 246 Loose, Astronomische Zeitbestimmung (1989). 247 Rohr, Signa apparuerunt (2003), 65–78. 248 Nie, Gregory of Tours‘ smile (1994), 79. Die Quellenstellen in seinen zehn Büchern sind: Gregor von Tours, Libri historiarum. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1,1, 2, 20; 4, 9; 4, 51; 5, 18; 6, 33 f., 7, 11. 249 Plassmann, Stammes- und Volksgeschichtsschreibung (2016), 54–58. Chronicarum quae dicuntur Fredegarii Scholastici Libri IV cum Continuationes. Ed. Krusch, MGH rer. Merov. 2, 1–193. 250 Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis, Ed. Marchegay/Mabille, 349–433.

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Hofkapelle Karls des Großen in verschiedenen Stufen zwischen 787 und 829 und enthalten überwiegend Nachrichten zum Frankenreich.251 In den Annalen sind fünf astronomische und drei tektonische Extremereignisse überliefert. Darüber hinaus werden 16 klimageografische Extremereignisse genannt und fünf Auswirkungen von Naturereignissen. Auffällig ist das Fehlen sämtlicher Sonnenfinsternisse, obwohl drei Mondfinsternisse erwähnt werden. Die Annales regni Francorum erwähnen auch nicht explizit Hungersnöte. Das könnte damit zusammenhängen, dass es sich dabei keineswegs um unwichtige Nachrichten handelt, sondern, wie noch zu zeigen sein wird, um herrschaftsbedrohende Krisen.252 Schwierigkeiten bereitet die Historia Francorum eines gewissen Petrus Bibliothecarius, da die Nachrichten dieser von Pertz im ersten MGH-Scriptores-Band gedruckten Quelle sehr viele Angaben enthalten, die falschen Inkarnationsjahren zugeordnet wurden. Durch die folgende Aufstellung konnten aber einige Finsternisdaten als korrekt bestätigt werden. Nithard hat seine vier Bücher der Geschichte (historiarum libri quattuor) wohl im Jahr 841 auf Bitten Karls des Kahlen begonnen und bis 843 beendet. Sein erstes Buch hängt von der Vita Hludowici Pii imperatoris des Astronomus ab, von Einhards Vita Karoli Magni und von den Annales regni Francorum wie den Annales Bertiniani. In den anderen drei Büchern berichtet er über Ereignisse, von denen er selbst Zeuge war.253 Obwohl seine Bücher nur über einen Zeitraum von drei Jahren reichen, enthalten sie zwei astronomische Extremereignisse, weiterhin vier klimageografische Extremereignisse. Insgesamt listet er acht naturbezogene Ereignisse in drei Jahren auf und beendet sein Werk mit dem Satz, dass „nun noch durch die Ungunst der Witterung die Hoffnung auf alles Gute vernichtet wird“.254 Flodoard von Reims255 schrieb seine Annalen wohl zeitnah zwischen 919 und 966 an der Kathedrale in Reims nieder und berichtet über die entsprechenden Jahre vor allem bezüglich des Westfrankenreiches.256 Er ist der einzige Chronist in der hier behandelten Zeit, der auch Nachrichten über die Verluste bei der Weinlese dokumentiert hat. Insgesamt haben er und sein gleichnamiger Fortsetzer 38 Naturereignisse und ihre Folgen überliefert. Zwölf davon sind astronomische beziehungsweise tektonische Extremereignisse, zehn klimageografische Extremereignisse und 16 Mal geht es um Auswirkungen und Folgen von Naturereignissen. Die Annales Bertiniani257 tragen ihren Namen zwar nach einer Handschrift aus dem Kloster Saint-Bertin in Saint-Omer, werden aber von der Forschung als offiziöse || 251 Rep. Font. 2, 281; Kaschke, Annales regni Francorum (2010), 81. 252 Vgl. Kap. 5.1.3 Topos: Vorzeichen von Herrscherwechsel. 253 Rep. Font. 8, 254. 254 Nithard, Historiarum libri, 4, 7. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ. 44, 40; FSGA 5, 460 f. 255 Flodoard von Reims, Annales. Ed. Lauer, 6; Annals. Ed. Fanning/Bachrach. 256 Rep. Font. 3, 363. 257 Annales de Saint-Bertin. Ed. Grat/Vielliard/Clémencet.

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westfränkische Reichsannalen angesehen. Der erste der drei Teile ist eine anonyme Bearbeitung von 820 bis zum Jahr 835. Der zweite Teil umfasst die Berichtszeit von 835 bis 861 und ist von Bischof Prudentius Galindus von Troyes verfasst. Der dritte Teil mit den Jahren 862 bis 882 stammt von Erzbischof Hinkmar von Reims. Die Nachrichten erfassen überwiegend das Gebiet Nordostfrankreichs.258 Während der anonyme erste Verfasser und Erzbischof Hinkmar kaum ein Interesse an Naturereignissen haben, ist Prudentius sehr eifrig bei der Dokumentation solcher Phänomene. Insgesamt sind in den Annalen 25 Naturereignisse und Folgen überliefert. Sechs astronomische beziehungsweise tektonische Extremereignisse verzeichnete Prudentius, 16 klimageografische Extremereignisse kommen vor sowie drei Berichte über Auswirkungen und Folgen von Naturextremen. Bemerkenswerterweise überliefert er keine Hungersnöte. Die in der Abtei Sankt Peter in Gent verfassten Annales Blandinienses betreffen überwiegend Lothringen in den Jahren von Christi Geburt bis 1292, wobei der erste Teil bis 1060 von einer Hand verfasst wurde.259 Diese Annalen verzeichnen sechs astronomische Extremereignisse und sieben klimageografische Nachrichten, insgesamt sind in dieser Quelle also nur 13 Naturereignisse überliefert. Die Annales Laubacenses,260 verfasst zwischen 796 und 885 im Kloster Lobbes in Cambrai, berichten über die Ereignisse im Frankenreich und in Niederlothringen zwischen 687 und 912.261 An astronomischen Extremereignissen enthalten sie nur die Sichtung eines Kometen im Jahr 891, an klimageografischen einen harten Winter im Jahr 764, in Bezug auf Auswirkungen von Naturereignissen berichten sie lediglich über Kreuze auf der Kleidung im Jahr 787. Die im Kloster Saint-Vaast in Arras in Cambrai entstanden Annales Vedastini umfassen zwar lediglich die Zeit von 874 bis 900.262 Die Einzeleinträge sind allerdings sehr ausführlich und eine wichtige Basis für die Geschichte Nordfrankreichs dieser Epoche.263 Obwohl die Annalen also nur 26 Beobachtungsjahre umfassen, überliefern sie vier extreme Naturereignisse. Die Annales Stabulenses, die in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts im Kloster Stablo in Liège aus den verlorenen älteren Lütticher Annalen kompiliert wurden, umfassen eine Berichtszeit bis zum Jahr 1087.264 Auffällig ist die Angabe von immerhin acht

|| 258 Rep. Font. 2, 255; Rech, Annales Bertiniani (2010), 56. 259 Levelt, Annales Blandinienses (2010), 56 f.; Rep. Font. 2, 256; Annales Blandinienses. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 20–34. 260 Annales Laubacenses. Ed. Pertz, MGH SS 1, 7–15, 52–55. 261 Rep. Font. 2, 295. 262 Annales Vedastini. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 40–82. 263 Rep. Font. 2, 343. Gerzaguet, Chronicon Vedastinum (2010), 442 f. 264 Rep. Font. 2, 338.

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Sonnenfinsternissen, eines Erdbebens und dreier klimageografischer Extremereignisse, sodass sich von den insgesamt zwölf überlieferten Naturereignissen zwei Drittel auf Sonnenfinsternisse beziehen. Die Annales Parchenses, die ab 1148 in der Prämonstratenserabtei Parc in Leuven angelegt und bis 1316 fortgeführt wurden, betreffen überwiegend das Rheinland, Flandern und Nordeuropa.265 Der Autor, der im hier relevanten Zeitraum tätig ist, interessiert sich besonders für Kometen als Vorzeichen. So bringt er das Erscheinen des Kometen 1P/Halley im Jahr 1066 mit der Eroberung Englands durch Wilhelm von der Normandie in Verbindung. Von den insgesamt acht genannten Naturereignissen und ihren Folgen werden hier also drei Mal Kometen als Vorzeichen instrumentalisiert. Die Annales Floreffienses266 wurden im Prämonstratenserkloster Floreffe in Namur bis 1139 aus den Annales Leodienses und den Annales Fossenses (1123–1389)267 kompiliert, dann bis 1482 selbstständig fortgesetzt.268 Sie enthalten sieben Nachrichten zu Naturextremen, ganz überwiegend zu astronomischen und tektonischen Extremereignisse. Die Annales Leodienses aus Liège, die über die Jahre 58–1054/1086 berichten,269 enthalten nur sechs Nachrichten zu Naturereignissen und ihren Folgen. Die Annales Formoselenses270 enthalten 18 Nachrichten zu Naturereignissen und ihren Folgen. Die Annales Laubienses wurden im Kloster Lobbes bei Cambrai um das Jahr 1000 unter Benutzung der verlorenen Annales Leodienses begonnen und überliefern Einträge zu den Jahren 418 bis 1054.271 Insgesamt 16 Naturereignisse und ihre Folgen sind in den Annalen enthalten. Die Annales Besuenses272, entstanden im Kloster Blaise bei Dijon, berichten über die Zeit bis zum Jahr 1174 und enthalten sieben astronomische Extremereignisse. Bemerkenswerterweise werden ausschließlich astronomische Ereignisse erwähnt und weder klimageografische Extremereignisse noch irgendeine Art von Auswirkungen oder Folgen von Naturextremen. Östlich des Rheins berichten die Annales Weingartenses über die Zeit von 708 bis 936. Sie gehen in ihrer Entstehung auf den Bischofssitz Konstanz in der Zeit um 918

|| 265 Vanderputten, Annales Parchenses (2010), 76 f. Rep. Font. 2, 311; Annales Parchenses. Ed. Pertz, MGH SS 16, 599. 266 Annales Floreffienses. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 618–631. 267 Rep. Font. 2, 281. 268 Rep. Font. 2, 279. 269 Rep. Font. 2, 297. 270 Pokorny, Annales Formoselenses (2014), 465−487; Annales Formoselenses. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 36; Annales Formoselenses. Ed. Grierson (1937), 116–131. 271 Rep. Font. 2, 296. 272 Annales Besuenses. Ed. Pertz, MGH SS 2, 247–250.

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bis 936 zurück.273 Die Annalen enthalten zwei tektonische Extremereignisse, an Auswirkungen werden nur eine Hungersnot sowie das Sterben bei Mensch und Vieh im Jahr 868 genannt. Die Annales Augienses274 entstanden im Kloster Reichenau,275 sie berichten über das Frankenreich allgemein sowie über Alemannien und Rheinfranken im Speziellen in der Berichtszeit zwischen 709 und 939/954. Die kurzen Annalen enthalten lediglich ein astronomisches Extremereignis sowie drei klimageografische Extremereignisse. Ein Mal wird das Auftreten von Kreuzen auf der Kleidung erwähnt. Entstehungsumstände und -orte der Annales Fuldenses,276 die auch als Annales regni Francorum orientalis bezeichnet werden, sind bislang nicht eindeutig geklärt. Der erste Teil vor dem Jahr 829 ist eine Bearbeitung der Annales regni Francorum, danach sind die Annalen wohl bis 882 in Mainz oder Fulda weitergeführt worden. Eine Mainzer Fortsetzung für die Jahre von 882 bis 887 ist wahrscheinlich. Eine bayerische Fortsetzung für die Jahre 882 bis 897 stammt aus dem Umfeld König Arnulfs, während die letzten Berichte bis zum Jahr 901 ebenfalls in Bayern, vielleicht im Kloster Niederaltaich, verfasst wurden.277 Der Berichtsraum der Annalen erstreckt sich überwiegend auf das Rheinland und die ostfränkischen Reichsteile in den Jahren zwischen 714 und 902. Die Verfasser der Annalen hatten großes Interesse an Naturereignissen im weiteren Sinne und überlieferten insgesamt 82 entsprechende Nachrichten, darunter finden sich 18 astronomische und 14 tektonische Extremereignisse. 22 Mal wird von Auswirkungen und Folgen berichtet. Auffälligkeiten stellen die beiden Verwechslungen von Eklipsen in den Einträgen zu den Jahren 817 und 832 sowie die dichte Überlieferung zu Naturphänomenen in den 870er- bis 890er-Jahren dar. Der oder die Annalist/en dieser Jahrzehnte griffen häufig auf die Offenbarung des Johannes zurück und versuchten die Ereignisse der Zeit in dessen Abfolge erscheinen zu lassen.278 Die Annales Xantenses bieten für die Jahre von 790 bis 873 ausführliche Einträge, die im 12. Jahrhundert von einem Mönch aus dem Kloster Egmond bei Utrecht mit Nachrichten zu den Jahren von 640 bis 789 ergänzt wurden.279 Nach Heinz Löwe ist der ältere Teil etwa bis um 860 am Niederrhein verfasst worden,280 der folgende Teil

|| 273 Rep. Font. 2, 384: „Annalen für die Jahre 708-936, bis 918 aus den Annales Alamannici genommen. Benannt sind sie nach der Provenienz der Handschrift aus Kloster Weingarten (O.S.B., BadenWürttemberg, dioec. Konstanz), entstanden sind sie aber vermutlich am Bischofssitz Konstanz selbst.“ Vgl. Zingg (2019). 274 Rep. Font. 2, 249: „bis zum Jahr 858 aus den Annales Alamannici entnommen, mit zwei kurzen Mainzer Zusätzen für die Jahre 953 und 954.“ Vgl. Zingg (2019). 275 Annales Augienses. Ed. Pertz, MGH SS 1, 67–69. 276 Annales Fuldenses. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7; FSGA 7. 277 Rep. Font. 2, 282. Dunphy, Annales Fuldenses (2010), 65 f. 278 Vgl. Kap. 5.1.6 Die Folie der Topoi des Fuldaer Annalisten. 279 Annales Xantenses. Ed. von Simon, MGH SS rer. Germ. 12; FSGA 6. 280 Löwe, Studien zu den Annales Xantenses (1950), 59–99.

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dann wahrscheinlich in Köln.281 Die Annalen überliefern meist Nachrichten zum Frankenreich und zu Niederlothringen. Darunter sind zwölf astronomische Extremereignisse und ein tektonisches. Weiterhin werden 20 klimageografische Extremereignisse genannt sowie sieben Nachrichten zu Auswirkungen und Folgen. Die Annales S. Albani Moguntini, früher als Annales Wirziburgenses bezeichnet, enthalten Nachrichten für die Jahre von 684 bis 1102 und wurden im Kloster Sankt Alban in Mainz verfasst.282 Die Berichte betreffen überwiegend das Frankenreich mit Schwerpunkt in der Region Rheinfranken. Acht astronomische Ereignisse und ein tektonisches Extremereignis werden dabei angeführt, weiterhin finden sich vier klimageografische Extremereignisse sowie acht Auswirkungen und Folgen. Die Annales Pragenses, die aus der Chronik des Cosmas von Prag, den Annales Corbeienses und den Annales Hildesheimenses kompiliert wurden,283 berichten überwiegend über Ereignisse in Böhmen in den Jahren von 994 bis 1220. Darunter sind nur zwei astronomische Extremereignisse. Die wohl zwischen 1119 und 1125 verfasste Weltchronik des Cosmas von Prag stellt besonders für das 10. und 11. Jahrhundert eine wichtige Quelle dar.284 Der Schwerpunkt des Berichtsraumes liegt im Gebiet Böhmens. Zwar nennt Cosmas viele Naturereignisse, allerdings erst für die Zeit nach 1100, die hier aus dem Untersuchungsrahmen fällt. Vor diesem Zeitpunkt werden nur drei Naturextreme angeführt: eine effusive Aktivität des Ätna im Jahr 1021, das Auftreten von Heuschrecken in Italien 889/890 und die Nachricht, nach der eine Hungersnot ein Drittel der Menschen im Jahr 1043 tötete, wohl in Anlehnung an das Erscheinen der sechsten Posaune in der Offenbarung des Johannes.285 Seine Sachsengeschichte schrieb Widukind von Korvei in mehreren Fassungen zwischen 967–973. Die mittlere widmete er Mathilde, der Äbtissin von Quedlinburg. Die Darstellung bezieht sich überwiegend auf das Ostfrankenreich und bietet die Geschichte der Sachsen von den mythischen Anfängen bis zum Tod Kaiser Ottos I.286 Insgesamt hat Widukind zwölf Naturereignisse oder Folgen davon in seine Darstellung eingebaut. Ähnlich wie Einhard setzt Widukind Naturereignisse dort ein, wo er es gerade für angebracht hält, und instrumentalisiert diese stark. Die Annales Quedlinburgenses enthalten in ihren frühen Teilen einige Nachrichten aus den Annales Hersfeldenses. Sie wurden im Kanonissenstift Quedlinburg gefertigt und enden im Jahr 1025, wobei sie für die Jahre 984 bis 1025 eigenständige

|| 281 Rep. Font. 2, 351. Spieralska, Annales qui dicuntur Xantenses (2010), 95. 282 Rep. Font. 2, 306. 283 Rep. Font. 2, 318. 284 Rep. Font. 3, 656; Plassmann, Stammes- und Volksgeschichtsschreibung (2016), 70–73. 285 Siehe dazu Kap. 5.1.6 Die Folie der Topoi des Fuldaer Annalisten. 286 Rep. Font. 11, 454. Plassmann, Stammes- und Volksgeschichtsschreibung (2016), 67–70.

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Nachrichten überliefern.287 Hartmut Hoffmann hat zu den naturgeschichtlichen Nachrichten der Quedlinburger Annalen einige Anmerkungen erarbeitet.288 Während der/die Annalist/in bei der Darstellung politischer Wirren oder kriegerischer Handlungen zurückhaltend war, liegen die Höhepunkte der Darstellung auf Zusammenkünften der kaiserlichen Familie, Kirchweihen, Festtagen, Todesfällen und eben auf „überwältigende[n] Naturereignissen und ‚Wundern‘“.289 So seien Dauerregen und Überschwemmungen „liebevoll ausgemalt“ worden.290 „Alles in allem haben wir es hier mit einer Geschichtsschreibung zu tun, die die harte Wirklichkeit oft durch eine blumige Schilderung der Ereignisse ersetzt oder sie pathetisch aufbauscht und dadurch eine Schauerwirkung erzielt, die gleichfalls die einfache Wahrheit nicht erfasst. Mit Widukind und Thietmar hat diese Art von Historiografie wenig gemein.“291 Jedes ungewöhnliche Naturereignis sei der/dem Geschichtsschreiber/in lieber gewesen als das Blutvergießen.292 Die Berichte, von denen sich 39 auf Naturereignisse beziehen, betreffen überwiegend das Ostfrankenreich mit einem Schwerpunkt in der Region um die Königslandschaft am Harz. Unter den 39 Nachrichten sind zwölf astronomische und vier tektonische Extremereignisse zu finden sowie 19 klimageografischen Extremereignisse. Nur vier Mal werden Auswirkungen und Folgen der Naturereignisse benannt. In seiner Geschichte der Sachsen, die Thietmar von Merseburg zwischen 1012 und 1018 schrieb, berichtet er vor allem über das 10. Jahrhundert im Ostfrankenreich bis zu seinem eigenen Todesjahr 1018. Besonders für die Zeiten Ottos III. und Heinrichs II. ist das Werk von großer Bedeutung.293 Insgesamt nennt er 25 Naturereignisse und ihre Folgen. In der Tendenz nennt Thietmar zwar oft die Prodigien, die einem Herrscherende vorausgehen, allerdings folgt dies oft nicht den Gegebenheiten, sondern seiner Intention. Seine Weltchronik schrieb Lampert von Hersfeld zwischen 1077 und 1079, indem er in den frühen Teilen andere Annalen kompilierte.294 Gerade seine Schilderung des Winters von 1076/1077 ist für die Analyse seines allgemeinen Umgangs mit Naturereignissen aufschlussreich. Lampert führt vergleichsweise wenige solche Ereignisse an, er nennt nur vier astronomische Extremereignisse und ein Erdbeben, weiterhin acht klimageografische Extremereignissen und fünf Mal Auswirkungen und Folgen. Mit diesen 18 Nennungen erschöpft sich seine Beschreibung natürlicher Phänomene.

|| 287 Rep. Font. 2, 320; vgl. auch Tomaszek, Annales Quedlinburgenses (2010), 80 f. 288 Hoffmann, Zu den Annales Quedlinburgenses (2015), 139–178. 289 Hoffmann, Zu den Annales Quedlinburgenses (2015), 149 f. 290 Hoffmann, Zu den Annales Quedlinburgenses (2015), 150. 291 Hoffmann, Zu den Annales Quedlinburgenses (2015), 150 292 Hoffmann, Zu den Annales Quedlinburgenses (2015), 155. 293 Rep. Font. 11, 163. Schulmeyer-Ahl, Anfang vom Ende (2009). 294 Rep. Font. 7, 111.

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Ein besonderes Interesse abseits der ausführlichen Instrumentalisierung des Winters von 1076/1077 lässt sich daraus nicht ableiten. Die zwischen 1054 und 1088 entstandene Chronik des Berthold von Reichenau berichtet vor allem über Alemannien in der Zeit von 1054 bis 1079. Sie gilt als Fortsetzung der Weltchronik Hermanns des Lahmen und des Chronicon Suevicum universale und ist in zwei Fassungen überliefert.295 In der ersten Fassung verzeichnet der Chronist Eintragungen von 1054 bis 1066 und vermeldet dabei sieben Mal fast jährlich Naturereignisse, vier zu Beginn des Jahres. Demgegenüber sind in der zweiten Fassung die Naturereignisse eher am Ende dokumentiert, so 1068 oder 1070. Nur zwei astronomische beziehungsweise tektonische Extremereignisse werden genannt, eine Kometensichtung 1066 und ein Erdbeben im Jahre 1062, elf klimageografische Extremereignisse und zwölf Mal Auswirkungen und Folgen. Warum sollten Annalen, die in Lund, im Kloster Kolbaz oder in Island entstanden sind und erst im 12. oder 13. Jahrhundert verfasst wurden, in die Betrachtung von Ereignissen des 6. bis 11. Jahrhunderts einfließen? Zwei Gründe sind dafür ausschlaggebend: Zum einen beruhen diese Annalen auf älteren Vorlagen, die oft nicht mehr oder nur noch teilweise vorhanden sind. Zum anderen enthalten diese Quellen trotz ihrer späten Entstehung oft Nachrichten zu früh- und hochmittelalterlichen Ereignissen, die ohne genaue Prüfung nicht ignoriert werden können. Dafür sei ein Beispiel angeführt: Die isländischen Annalen, deren älteste Schicht um 1280 redigiert wurde,296 teilen zum Jahr 1047 mit, dass der Frost so stark war, dass sich zwischen Norwegen und Dänemark Wölfe über das Eis ausbreiteten.297 Die hier erwähnte ungewöhnliche Kälte wird durch Parallelüberlieferung bestätigt. Die um 1267 in Lund verfassten Annales Lundenses enthalten bis 1100 zwar keine eigenständigen Einträge, geben aber Auszüge aus älteren Vorlagen wie Isidors Chronica maiora, Bedas Kirchengeschichte, einigen angelsächsischen und anglonormannischen Annalen oder dem Chronicon Lethrense wieder.298 Die bis ins Jahr 1265 reichende Quelle enthält zehn astronomische oder tektonische Extremereignisse, weiterhin sind drei klimageografische Extremereignisse verzeichnet, hinzu kommen die Nennungen von sechs Auswirkungen und Folgen von Naturereignissen. Die Annales Colbazenses gehen in den älteren, in Lund kompilierten Teilen bis 1150299 auf angelsächsische Vorlagen zurück.300 Die bis zum Jahr 1586 reichende historiografische Quelle berichtet vor allem über Pommern. In ihrem älteren Teil sind sieben naturbedingte Ereignisse und ihre Folgen dokumentiert. || 295 Hartmann, Berthold of Reichenau (2010), 74 f.; Rep. Font. 2, 522 f. 296 Scheel, Skandinavien und Byzanz (2015), 1095. 297 Annales Islandorum Regii, ad a. 1047, in: Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 34: (…), quod hoc anno tanta ingruerent frigora, ut inter Norvegiam et Daniam lupi per glaciem discurrerent. 298 Mortensen, Annales Lundenses (2010), 72; Annales Lundenses. Ed. Kroman, 21–70. 299 Annales Colbazenses. Ed. Kroman, 1–11. 300 Rep. Font. 2, 263.

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Die irischen Annalen, also die Annals of the Four Masters, die Annalen von Ulster, von Tigernach und von Loch Cé sowie die Annalen von Inisfallen, wurden in den letzten Jahren miteinander verglichen und weitgehend synchronisiert, sodass hier auf diese Grundlagen zurückgegriffen werden kann.301 In der vorliegenden Arbeit werden diese dann weiter mit den Annales Cambrię Version A und B sowie der Chronicle of Aethelward, den verschiedenen Fassungen der Anglo-Saxon Chronicles, dem Chronicum Scotorum und der Chronik des Simeon von Durham zur insularen Gruppe zusammengefasst. Ganz ähnlich verhält es sich mit den vier verschiedenen Überlieferungen der Chronik des Theophilus von Edessa, die untereinander synchronisiert worden sind.302 Die Kenntnisse über die Abhängigkeiten anderer Gruppen sind vergleichsweise kleinräumig, beispielsweise gibt es für die frühe karolingische Zeit drei Gruppierungen: Zunächst bilden die Annales Sankt Amandi, die Annales Tiliani und die Annales Laubacenses eine zusammengehörige Gruppe. Auch die Annales Mosellani und die Annales Laureshamenses gehören zu einer Gruppe, eine weitere Gruppe wird von den Annales Guelferbytani, den Annales Alamannici und den Annales Nazarini gebildet.303 Alle genannten Annalen werden in der vorliegenden Arbeit zu einer Großgruppe zusammengefasst und als Rhein-Mosel-Gruppe ausgewertet. Daneben gibt es eine Gruppe sächsischer Annalen, eine bayerische Gruppe, eine lothringische Gruppe, eine westfränkisch-rheinnahe Gruppe, eine Loire-Gruppe und eine südwestfränkische, eine norditalienische und eine mittel- und süditalienische Gruppe. Die byzantinischen Quellen werden unterteilt in die Konstantinopel- und die SyrienGruppe. Als Besonderheit kommen noch die skandinavischen und isländischen Annalen hinzu, die oft auf teilweise verlorene ältere Vorlagen zurückgehen und deshalb auch Beachtung finden müssten. Dabei ist immer zu beachten, dass Werke zwar im gleichen Raum, aber zu ganz unterschiedlichen Zeiten geschrieben worden sein und trotz ihrer räumlichen Nähe nichts miteinander zu tun haben können. Demgegenüber ist aber auch die umgekehrte Möglichkeit zu beachten, denn in einem Exkurs kann nachgewiesen werden, wie eine Nachricht zum Jahr 934 aus Byzanz, die von Johannes Skylitzes überliefert wurde, von Widukind von Korvei als Einschub zu 934 eingebaut wurde und zehn Jahre später in Flodoards Annalen auftaucht.304 Diese Quellen gehören eigentlich drei getrennten Gruppen an, die aber untereinander Nachrichten in einer Richtung ausgetauscht haben. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass jeder Autor seine persönliche Art hat, mit den wahrgenommenen Ereignissen seiner Zeit umzugehen. Dies betrifft die tatsächlich beobachteten und wahrgenommenen Ereignisse, die Art und Weise,

|| 301 Chronicle of Ireland. Ed. Charles-Edwards. 302 Theophilus of Edessa’s Chronicle. Ed. Hoyland. 303 Wattenbach/Levison, Geschichtsquellen (1953), 183. 304 Siehe dazu Kap. 2.3.3 Vulkanausbrüche auf Island.

Quellenlage, -arten und -problematiken | 53

diese Ereignisse chronologisch (korrekt) wiederzugeben und die Eigenheiten, die Ereignisse für eigene Erzählabsichten zu instrumentalisieren. Die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten liegen dabei einerseits darin, beobachtete Ereignisse einfach wegzulassen, wie es der Autor der Annales regni Francorum häufig macht; andererseits können Ereignisse auch umdatiert werden, damit der mögliche Vorzeichencharakter des jeweiligen Ereignisses genutzt werden kann, wie dies sehr oft beim Tod von Herrschern gemacht wurde. Zum dritten können einzelne Ereignisse auch frei erfunden werden, etwa wenn es in der Erwartung der nahenden Apokalypse durch das in der Offenbarung des Johannes formulierte Schema so vorgegeben ist, das etwa der Autor der Annales Fuldenses in den 870er-Jahren für sich adaptierte. In diesen Fällen wurde nach dem zeitgenössischen Verständnis nichts erfunden, sondern das nicht selbst Erlebte/Beobachtete, aber Unvermeidliche ergänzt. Ähnlich verhielt es sich, wenn es die politischen Intentionen des Autors erforderten, wie in der Darstellung des Winters 1076/1077 bei Lampert von Hersfeld. Insgesamt zeigt sich, dass die Wahrnehmung von Naturereignissen oft sehr genau war – außer ein Autor interessierte sich überhaupt nicht für solche Ereignistypen, was hier aber nur für die Fortsetzer der Chronik Fredegars in den Jahren 600 bis 740 und die Fortsetzung der Annales Bertiniani durch Erzbischof Hinkmar von Reims in den Jahren 862 bis 882305 nachgewiesen werden kann.

1.3.2 Heiligenviten, Herrscherviten, Dichtung Wie oben angedeutet, sind die mit Heiligenviten, Herrscherviten oder poetischen Werken einhergehenden methodischen Probleme sehr groß. Einige Beispiele, auf die im Detail hier nicht näher eingegangen werden soll, verdeutlichen, wie diese Quellengattungen bei der Anwendung entsprechender quellenkritischer Methoden durchaus Potenzial für weitere Erkenntnisse bieten können. Dies muss aber künftigen Studien überlassen bleiben. Heiligenviten enthalten immer wieder Schilderungen der Macht, welche die Heiligen über Wind, Wasser und Wetter ausübten.306 Bekannt ist die Vita des heiligen Columba von Hy († 598), in der Naturereignisse einige Male dazu genutzt wurden, um die Kraft der Gebete des Heiligen zu verdeutlichen. Bereits vor seiner Geburt soll sich

|| 305 Vgl. Rep. Font. 2, 255. 306 Vgl. die zahlreichen Beispiele bei Franz, Kirchliche Benediktionen, Bd. 2 (1909), 16 f.

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ein Sonnenwunder ereignet haben.307 Der Heilige habe weiterhin durch sein Gebet einen Sturm auf dem Meere gestillt und erquickenden Regen über das dürre Land gezogen.308 Die Parallelen zu den biblischen Wundern Jesu sind sehr deutlich.309 Genau gegensätzlich wurde die Gebetskraft des heiligen Columba von Luxeuil und Bobbio († um 615) instrumentalisiert, der als Apostel der Alemannen in Deutschland populär war und den Mönchen von Fontaine befohlen haben soll, trotz eines bevorstehenden starken Regens zu ernten. Sein Gebet habe dann bewirkt, dass das abzuerntende Feld trocken blieb. Der Schutz vor der Natur, in diesem Fall vor zu viel Regen, ist ein beliebter Topos. So sollen auch die heilige Brigida oder der Bischof Sbinus von Piacenza Schnitter vor dem Regen geschützt haben.310. Letzterer ließ durch seinen Diakon ein schriftliches Mandat in den über die Ufer getretenen Po werfen, damit der Fluss in seine Ufer zurücktrete, was auch sofort geschehen sei.311 Auch ein bei Bobbio über seine Ufer getretener Waldbach gehorchte dem Abt Atala.312 Die Darstellungen beschränken sich nicht auf eine Kontrolle eines Zuviel der Natur durch die/den Heilige/n, sondern zeigen auch das Gegenteil, eine Abwendung von Dürre. So habe auf das Gebet des heiligen Heribert von Köln der langersehnte Regen eingesetzt.313 Sehr viele ähnliche Schilderungen enthält die Vita des heiligen Severin von Eugippius.314 In den hagiografischen Quellen findet sich eine große Vielfalt von Nachrichten mit Bezügen zu Naturereignissen. Bei allen diesen Quellen gilt, dass die Autoren mit ihrer Darstellung bestimmte Leserinteressen bedienen wollten und dafür bestimmte Topoi erfüllen mussten. Den Auftraggebern solcher Heiligenviten lag denn auch weniger an der chronologisch korrekten Darstellung des Lebens des Heiligen als an der Vermarktungsfähigkeit der Vita. Erzeugt werden sollte eine hohe Verbreitung und damit möglichst ein Pilgerstrom zu den erhaltenen sterblichen Überresten des Heiligen. Und die Beherrschung der Naturgewalten durch das fromme Gebet war ein probates Mittel, dieses Interesse überregional zu steigern. Hinter dem beschriebenen Ereignis kann mitunter tatsächlich ein beobachtetes Naturereignis stehen, durch seine Verwendung in einem religiösen Topos ist jedoch ein höherer Forschungsaufwand notwendig, um hinter die Darstellung zu blicken

|| 307 Vita Columbani, 1, 2. Ed. Krusch, MGH SS rer. Germ. 37, 152–155: De ortu et ostensione solis genetrici per visum ostenso. 308 Vita auct. Adamnano lib. 2, Nr. 48, 79, 80; Adomnan’s Life of Columba. Ed. Anderson; vgl. Franz, Kirchliche Benediktionen, Bd. 2 (1909), 16. 309 Zum Sturm am See: Mk 4,35–41. 310 Vgl. Franz, Kirchliche Benediktionen, Bd. 2 (1909), 16. 311 Vgl. Franz, Kirchliche Benediktionen, Bd. 2 (1909), 16. 312 Vita Columbani, 2, 2. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 4, 115; vgl. Franz, Kirchliche Benediktionen, Bd. 2 (1909), 16. 313 Vgl. Franz, Kirchliche Benediktionen, Bd. 2 (1909), 16. 314 Eugipius, Leben des heiligen Severin. Ed. Noll; Eugippius, Vita Severini. Ed. Mommsen, MGH SS rer. Germ. 26.

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und das tatsächliche Ereignis herauszufiltern. Eine solche Detailanalyse muss allerdings künftigen Forschungen vorbehalten bleiben. Ähnliches gilt für die Viten von Herrschern. Die vermeintliche Gunst der Natur konnte deren Herrschaftszeit in der Rückschau als von Gott gesegnetes Zeitalter erscheinen lassen. Der Herrscher konnte in einem solchen Fall einen gewissen Grad an Sakralität erreichen. Eine unbedingte Herrschersakralität315 ist jedoch nicht unumstritten und soll hier nur beispielhaft genannt werden. Es könnte sich in künftigen Studien daher lohnen, die Herrschaftszeiten in Bezug auf die Naturgunst/-ungunst zu untersuchen, um daraus die Bedingungen einer als Herrschersakralität verstandenen Verehrung zu ermitteln. Trotz dieser Einschränkungen fanden zwei Herrscherviten in der folgenden Darstellung weitere Verwendung, zum einen Einhards Vita Caroli Magni316 und die Vita Hludowici317 des Astronomus. Wann genau Einhard seine Vita Karoli Magni geschrieben hat, ist umstritten und schwankt zwischen der Zeit bald nach Karls Tod 814 und den 830er-Jahren. Die Berichtszeit betrifft zwar die Jahre 768 bis 814,318 trotzdem hat Einhard versucht, wie Sueton das Ende des Herrschers mit Prodigien zu verknüpfen und so finden sich vier astronomische Beobachtungen in seinem Kapitel 32, eine Sichtung eines Kometen im Jahr 813, eines Sonnenflecken 813 und zwei Sonnenfinsternisse vor dem Tod des Herrschers 814, die aber bereits früher stattgefunden haben. Der Astronomus genannte anonyme Autor der Vita Hludowici imperatoris hielt sich nach eigenen Angaben seit 814 am Kaiserhofe auf. In seine Biografie Ludwigs des Frommen hat er einige Nachrichten über Naturereignisse insbesondere über astronomische Beobachtungen eingefügt, die ihm seinen Beinamen eingebracht haben. Er verfasste sein Werk in den Jahren 840 bis 845 und berichtet Ereignisse von 778 bis 840.319 Insgesamt nennt er zehn astronomische oder tektonische Extremereignisse, sechs klimageografische Ereignisse und eine Epidemie bei Menschen im Jahr 837.

1.3.3 Urkunden, Kapitularien, Briefe Während in Kapitularien und Briefen selbstverständlich auch auf Naturereignisse eingegangen wird, stellt sich dies bei Urkunden anders dar. Zugespitzt lässt sich festhalten, dass Naturereignisse überwiegend in Fälschungen von Herrscherurkunden genannt werden. Nur in sechs Urkunden im Untersuchungszeitraum wird überhaupt auf ein Naturereignis eingegangen: In einem gefälschten Diplom Chlodwigs I. der

|| 315 Erkens, Herrschersakralität im Mittelalter (2006). 316 Einhard, Vita Caroli Magni. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25. 317 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 279–558. 318 Rep. Font. 4, 295. 319 Heyse, Astronomus (1980), 1153; Rep. Font. 11, 388.

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Jahre 507–511, das zudem nur als neuzeitliches Regest überliefert ist, wird auf starken Regen und Überschwemmungen Bezug genommen.320 Das einzige Witterungsereignis, das sich in der genannten Zeit auf Unwetter oder Überschwemmungen bezieht, wird im Chronicum Scottorum zum Jahr 507 genannt, als ein König durch einen Blitz getroffen wird.321 Die Interpolation scheint deshalb eher späteren Vorbildern zu entstammen, ohne dass diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt benannt werden könnten. In einer modernen Fälschung eines Diploms von Chlothar I. von 560/561 geht es um einen Stern, der im Orbit des Mondes zu sehen gewesen sein soll.322 Hier könnten die Ausführungen Gregors von Tours und Fredegars zu einem solchen astronomischen Ereignis im Jahr 555 als Vorbild gedient haben. Die Erscheinung erklärt sich als optisches Atmosphärenphänomen.323 In einer weiteren unechten Urkunde, für die kein Datum angegeben wurde, soll Karl der Große die Übertragung des durch eine Überschwemmung zerstörten Klosters in Exalada nach Cuxa durch den Abt Protasius genehmigt haben und so den schon von seinem Vater Pippin bestätigten Besitz abermals bestätigt haben.324 In einer angeblich am 30. Juni 783 in Orléans ausgestellten Urkunde soll Karl der Große der Kirche Sankt Euverte außerhalb der Stadt Orléans auf den Bericht eines Wunders hin die Villen Sennely und Beaudreville geschenkt haben.325

|| 320 [507–511] Chlodwig I. gründet das Kloster Junant, Vorläufer des späteren Klosters Figeac. MGH D Mer. 2, Dep. 5 [zweifelhaft], 499: Unde (…) supradictus pontifex (scil. Stephanus) et rex serenissimus Pipinus (…) eidem ęcclesie (scil. locus qui Fiacus nominatur) diversos honores, villas, possessiones, castella ac plurima loca contulerunt, videlicet monasterium de Junante olim a potentissimo Francorum rege Clodoveo constructum ac post multorum curricula annorum nimiis pluviarum ac fluviorum inundationibus funditus eversum (…). 321 Chronicum Scotorum, ad a. 507. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 37: Death of Lughaidh, son of Laeghaire, King of Temhair, in Achadh farcha. He was struck on the head with lightning from heaven, for denying Patrick. 322 560/61: Chlothar I. schenkt genannte Besitzungen an Ste-Marie (Ste-Radegonde) vor Poitiers. MGH D Mer. 2, App.+II. [moderne Fälschung], 704 f.: Insuper quia apparuit mihi stella ita rigido cursu delata per Firmamentum, quod visa est intrare orbem Lunae: eapropter de consilio Mauri dedicari feci Coenobium sancti Vincentij per Germanum Episcopum, quod et dotaui abunde. 323 Vgl. Kap. 2.1.10 Optische Atmosphärenphänome. 324 MGH D Kar. 1, Nr. 306 (unecht), 460 f.: Notum sit omnibus vobis, quod quidam archidiachonus cognomento Protasius ex parrochiis vestris ad nos venit cum aliquibus monachis denuntians nobis causam nimis lamentabilem, cuiusdam scilicet destructionem cenobii per periclitationem atque inundationem diluvii, quod erat situm in adiacentia Ceredanię vel in convalle Confluentis iuxta fluvium * Tete * in honore sancti apostoli Andreę, in loco qui antiquitus vocitatur Exalata, quod et piissimus pater meus Pipinus roboraverat per suum pręceptum regale. 325 MGH D Kar. 1, Nr. 239 (unecht), 331 f.: Adiecit denique miraculum non silendum non multum temporis ante factum, cui etiam plures religiosi qui ibi aderant perhibebant testimonium, quod tempore Vandalicae persecutionis, cum latuisset venerabile corpus beati Euvertii intra civitatem in ecclesia sancti Stephani prothomartyris cessanteque postmodum persecutione referretur a fidelibus personis ad

Quellenlage, -arten und -problematiken | 57

In einem unechten Diplom von 805 sollen Papst Leo und Karl der Große gemeinsam dem Kloster S. Anastasio delle Tre Fontane die Stadt Ansidonia mit anderem Besitz geschenkt und Vorrechte verliehen haben.326 Im Urkundentext wird ein Erdbeben genannt, das aber nur über diese Überlieferung bekannt ist. Am 9. März 873 soll Ludwig der Deutsche in Frankfurt dem Kloster Prüm den Besitz der von Ludwig dem Frommen ausgestatteten und geschenkten Kirche in Neckarau bestätigt haben.327 Die Dispositio bezieht sich auf ein Hochwasser des Rheins. Dies könnte sich auf die in den Annales Xantenses zum Sommer 872 genannten Unglücke wie Hagel, furchtbare Gewitter und Überschwemmungen beziehen.328 Allen diesen Urkunden ist gemein, dass sie sich auf ein Naturereignis – drei Mal Regen und Überschwemmung (507–511, 783, 873), ein Erdbeben (805) sowie ein Himmelsereignis (560/61) – beziehen und Fälschungen darstellen. Für die Rekonstruktion der Ereignisse konnten diese nicht genutzt werden, sie machen aber deutlich, dass Naturereignisse auch im Kontext von Urkunden instrumentalisiert wurden. Die erste bisher bekannt gewordene Nennung eines Naturereignisses in einer echten Herrscherurkunde bezieht sich auf einen Brand der Kirche des heiligen Petrus in Utrecht am 23. Mai 1076, der in einem Diplom König Heinrichs IV. erwähnt wird.329 Als zweites Beispiel für die Erwähnung eines Naturereignisses in einem echten Diplom mag die Überschwemmung des kleinen Flusses Tet in den Pyrenäen im Jahr 878 dienen, bei der das Kloster Saint-André d'Eixalada derart überflutet wurde, dass die Mönche wegziehen mussten und in der Folge das Kloster Saint-Michel de Cuxa

|| praefatam ecclesiam sanctae dei genitricis cum multo triumpho comitante copiosa multitudine innumerae plebis, repente pluviali tempestate exorta, cum prius dies esset serena, pro inundantia pluviali nullus iter agere valebat exceptis illis, qui sancti corporis preciosas comitabantur reliquias. 326 MGH D Kar. 1, Nr. 274 (unecht) 405–408: Consecrationes altarium, crisma, ordinationes de clericis vestris petatis ab episcopo diocesano, si gratis et absque ulla solutione dare voluerit; si non, potestatem habeant ire ad quemcumque voluerint episcopum, tamen catholicum, pro eo quia dominus noster Iesus Christus per angelum suum in visione nobis videre fecit, ut caput praedicti martyris ad eius pugnam, quam nos ad praefatam civitatem habebamus, cum dei laudibus adveniret, nostris vero inimicis dicebat, ut nos vincebamus; et nos ita talia fecimus et nunc auxiliante deo et ipso praefato martyre adveniente eius capite terrae motus venit super nostris inimicis et tremor apprehendit eos et parietes irruerunt, inimici vero nostri in nostris manibus devenerunt et omnes interfecti fuerunt. 327 MGH D LD 145, 202: Notum sit omnibus sanctę dei ecclesiae fidelibus nostrisque presentibus scilicet et futuris, qualiter domnus avus noster concessit quandam decimam ad monasterium Altrepiae de fisco qui vocatur Neckrauua. Postea vero servi in eodem fisco consistentes reclamaverunt se ad domnum genitorem nostrum et dixerunt ei, quod non potuissent propter inundationem Hreni fluminis ecclesiam quęrere ad divinum officium audiendum. 328 RI I Nr. 1490g; Annales Fuldenses, ad a. 872. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7; Annales Xantenses, ad a. 872. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12. 329 MGH D H IV, Teil 1, Nr. 284, 368: Inter quos caeli ianitorem, integrę fidei confessorem, regni vel imperii defensorem, apostolorum principem beatum Petrum apostolum in reparanda Traiectensi aecclesia sua placando honorare necessarium duximus, quam incendio consumptam nostris peccatis imputando ingemuimus.

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(Sant Miguel de Cuixà) gründeten. In einigen katalanischen Privaturkunden wird auf diese Situation, besonders den Verlust der Dokumente der Mönche, Bezug genommen, während die Chroniken das Ereignis nicht überliefern.330 Die Nennung von Naturereignissen in mittelalterlichen Urkunden, wie sie hier überwiegend an Herrscherurkunden kurz exemplarisch vorgeführt wurde, bedarf detaillierter Studien, die auch die Papsturkunden und die Privaturkunden betrachten. Neben Urkunden eignen sich auch Briefe in hervorragender Weise, um Witterungsereignisse zu belegen, da der Adressat des Schreibers sich meist gut belegen lässt und die Naturereignisse oft nur einen nebenbei genannten Sachverhalt darstellen. In einigen Fällen, wie dem Brief von Cathwulf an Karls den Großen im Jahr 775, werden jedoch explizite Bezüge zur Natur hergestellt, in diesem Fall wird als eine von acht Herrschaftsgrundlagen die aeris et tempestatum tranquillitas benannt.331

1.4 Fragestellung, Methoden und Ziele der Untersuchung 1.4.1 Fragestellung Das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit orientiert sich allgemein an einer Fragestellung, die auf die Wahrnehmung, Darstellung, Deutung und Instrumentalisierung der von den Zeitgenossen als extrem empfundenen Naturerscheinungen abzielt. Dabei geht es in drei Schritten um 1) die Rekonstruktion vergangener Verhältnisse von Naturextremen (Witterung, Niederschlag etc.), 2) die historische Folgenforschung von Naturextremen (Mangel, Plagen, Erkrankungen etc.) und 3) die Ermittlung der Wissensgeschichte über die Naturextreme (Vulkanismus, Meteorologie etc.). Die folgenden Fragen sollen dabei als Leitfragen für die einzeln betrachteten Elemente der Naturerscheinungen, unterschieden nicht nur in Temperatur und Niederschlag, sondern in viele weitere Elemente, dienen:332 –





Welche Naturerscheinungen und -katastrophen erwähnen die zeitgenössischen Chronisten und Annalisten? Wie stellen sie diese dar? Und welche Deutungen schlagen sie vor? Welche Funktionen haben die Berichte innerhalb der Texte und in welche größeren Kontexte wurden sie vom Autor gestellt? Wie viele wurden nicht allegorisch gebraucht? Lassen sich daraus Informationen über die politische Stellung des Autors und sein Weltbild ableiten?

|| 330 D’Abadal i de Vinyals (Hrsg.), Visigots als Catalans, Bd. 1 (1969), 398–400. Dankenswerter Hinweis auf das Ereignis und die Urkunden von Cornel-Peter Rodenbusch im November 2016. 331 Brief Cathwulfs an Karl, Nr. 7. MGH Epp. 4, 503: et tunc erit aeris et tempestatum tranquillitas. 332 Vgl. auch Rohr, Naturerscheinungen (2003), 68 f.

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– –





Wie häufig überliefern Autoren Naturereignisse in ihren Werken und zu welchem Zweck? Wie lässt sich das individuelle Profil des Verfassers in seinem Verhältnis zu Naturereignissen beschreiben? Welche Rolle gibt der Autor dem Wirken Gottes in den geschilderten Naturereignissen? Wie und wodurch verbindet er die Ereignisse mit biblischen Vorbildern? Wie ist die Überlieferung einzuschätzen? War der Autor Augenzeuge des beschriebenen Ereignisses? Hatte er direkte/indirekte Gewährsleute? Stützte er sich auf Gerüchte? Wie weit war er räumlich von der Naturerscheinung entfernt? Und in welchem zeitlichen Abstand erfolgte seine Wahrnehmung und Darstellung des Ereignisses? Wie viele Nachrichten in den Annalen und Chroniken lassen sich als exakt nachweisen und wie groß ist ihr Anteil an allen überlieferten derartigen Mitteilungen?

Die vorliegende Untersuchung nähert sich damit der chronologischen Rekonstruktion der Darstellungen von Naturereignissen. Dabei stehen zehn verschiedene astronomische Arten von Extremereignissen sowie je ein tektonisches, ein geomorphologisches und ein vulkanisches Ereignis im Zentrum, weiterhin drei hydrologische, vier thermische und zwei farbauffällige Witterungsereignisse. Hinzu kommen die unmittelbaren Auswirkungen in Form von mehreren Tierplagen, den verschiedenen Abstufungen von Lebensmittelknappheit bis hin zu Hungerkatastrophen, tatsächliche und vermeintliche epidemische Erkrankungen bei Menschen und Tieren sowie weitere unterschiedliche Auswirkungen. Zum einen ist immer zu fragen: Wie oft wurde das Ereignis in andere Sammlungen chronikalischer Nachrichten übernommen? Als wie abweichend wurde das Ereignis im Vergleich zum zeitgenössischen Erwartungshorizont eingeschätzt? Durfte das Ereignis in einer Chronik erwähnt werden? Wurde das Ereignis zwar erwähnt, aber an einer anderen, für den Autor passenderen Stelle? Bisher kaum beachtet wurde, dass bei allen diesen untersuchten Phänomenen auch auf den räumlichen Radius zu achten ist, in dem sie auftraten. Dieser ist unterschiedlich groß und kann zu ganz unterschiedlich großen Kreisen von potenziellen Beobachtern führen. Mit dem Radius verändert sich auch die Zahl der möglichen Beobachter eines Ereignisses. Zuordnungen sind nicht immer so eindeutig vorzunehmen wie bei Kometen, Meteorströmen oder Supernovae, die global von jedem Punkt der Nordhalbkugel aus beobachtet werden können.

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Tab. 7: Vergleich der Ausdehnung der Beobachtungsräume

Beobachtungsraum

Ereignis

Häufigkeit Radius

weltweit dokumentiert (Asien, Europa, Amerika etc.)

Kometen Meteorströme Supernovae Mondfinsternis

76 27 2 68

> 5000 km

überwiegend großräumig (Mittelmeerraum, Kontinentaleuropa, Skandinavien etc.)

Extremwinter Polarlichter Sturmflut und Tsunami

94 59 23

> 500 km

sowohl groß- als auch kleinräumig (Burgund, Ostfrankenreich, Irland etc.)

Epidemien Hungersnöte Gewitter Trockenheit Stürme Wein Gute Jahre

91 88 67 64 52 22 20

> 250 km

überwiegend kleinräumig (Schwaben, Rheinland, Loiretal etc.)

Erdbeben Überschwemmung Sonnenfinsternis Optische Phänomene Blutregen Tierseuchen

116 72 52 29 16 55

> 50 km

kleinste regionale Ebene (Gau, Tal, Flusslauf etc.)

Meteoriten Heuschrecken Hagel Tornados Massenbewegungen

25 22 19 10 7

< 50 km

Betrachtet man beispielsweise bei Wanderheuschrecken das Tagesereignis, so betrifft dies nur die kleinste regionale Ebene mit einer Ausdehnung von wenigen Kilometern. Werden dagegen die Wanderheuschrecken über eine Zeit von mehr als zwei Monaten betrachtet, ist die Ausdehnung linear sehr lang, bedeckt jedoch keine große Fläche. Diese Einschränkungen sind bei der vorgeschlagenen Tabelle zu beachten. Bisher hat die Ausdehnung eines Ereignisses und damit die Möglichkeit für den Einzelnen beziehungsweise für eine größere Gruppe, es zu beobachten, eine zu geringe Rolle bei der Interpretation von in historischen Quellen erwähnten Naturereignissen gespielt. Alle im Folgenden aufgelisteten Darstellungen von extremen Naturereignissen sind jedoch nicht etwa Tatsachenberichte, sondern zeitgenössische Beschreibungen mit einer eigenen jeweils zu untersuchenden Funktion.

Fragestellung, Methoden und Ziele der Untersuchung | 61

1.4.2 Methodik: Ein Messnetz der Quellen Aus dem Früh- und Hochmittelalter sind für Mitteleuropa und die angrenzenden Nachbarregionen nur wenige Quellen überliefert. Die meisten dieser Quellen stehen seit über 150 Jahren im Fokus der Geschichtswissenschaft und liegen in mehr oder weniger aktuellen Editionen vor. Nachdem die nationalen Editionsprojekte wie die Monumenta Germaniae Historica, Rollseries etc. seit langem den ganz überwiegenden Teil der überlieferten Annalen und Chroniken zugänglich gemacht haben, kommt es nur noch vereinzelt zu Neufunden.333 Mit anderen Worten: Die Quellenbasis ist sehr beschränkt. Für das vorliegende Projekt wurden knapp 160 Quellenwerke, vor allem Annalen und Chroniken, auf Naturereignisse hin durchgearbeitet und analysiert (vgl. Tab. 73). Diese chronikalischen Quellen decken die Untersuchungszeit von 500 bis 1100 zu unterschiedlichen Teilen ab. Die Annalen und Chroniken bilden ein Messnetz, das unterschiedlich dicht über die Fläche Europas ausgebreitet ist (s. Abb. 3). Bei dem Messnetz sind zwei Einschränkungen zu beachten. Einerseits hängen die Quellenwerke oft voneinander ab. Dieser Problematik wurde durch die Gruppierung in Quellengruppen begegnet. Dafür bilden die irischen Annalen eine eigene Quellengruppe, die Quellen der Loireklöster, die Quellen der Klöster des Rheinlandes, die Quellen der sächsischen Klöster, die Quellen der italienischen Klöster usw. Durch die parallele Betrachtung solcher möglichst unabhängiger Großgruppen werden die Fehler zumindest verkleinert. Die andere Einschränkung liegt im Beobachtungsmaßstab (vgl. Tab. 7), denn jedes Ereignis hat in seiner Auswirkung einen anderen Radius, in dem es wahrgenommen werden kann. Eine totale Sonnenfinsternis ist nur in einem sehr schmalen, aber sehr langen Streifen sichtbar. So können zwar sehr weit entfernte Regionen über Orte verfügen, in denen die Solareklipse beobachtet wurde, aber sehr nah zueinander liegende Klöster müssen nicht im Gebiet des Kernschattens gelegen haben, überliefern also einmal die Finsternis und das andere Mal nicht. Demgegenüber kann eine Mondfinsternis in einem fast global zu nennenden Gebiet beobachtet werden. Deshalb sind Beschreibungen von Mondfinsternissen in deutlich mehr Quellen zu erwarten als jene von Sonnenfinsternissen.

|| 333 In den Quellenangaben der Naturereignisse stehen Autor und Werk im Vordergrund, während benutzte Edition (in weiten Teilen die MGH-Editionen) dem Nachweis der hier zitierten Version dienen. Sollten Übersetzungen vorliegen, wurden diese meist mit angegeben. Dabei hatte die FSGA Vorrang vor aktuelleren englischsprachigen Übersetzungen, die nur dann angegeben wurden, wenn keine deutsche Übersetzung vorliegt.

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Abb. 4: Verwendete Annalen und Chroniken Nord- und Mitteleuropas (vgl. Tab. 73)

Abb. 5: Verwendete Annalen und Chroniken des Mittelmeerraumes (vgl. Tab. 73)

Fragestellung, Methoden und Ziele der Untersuchung | 63

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Zu den einzelnen Ereignissen – insgesamt 1176 – wurden die jeweiligen Quellenstellen aus den unterschiedlichen Einzelquellen zusammengestellt (vgl. Tab. 73). Auf eine Karte übertragen, lässt sich dadurch die räumliche Verbreitung der Information über ein bestimmtes Ereignis ablesen, denn oft wurden Nachrichten von einer Quelle in eine andere übernommen. Aber je nach konkreter Tages- oder Ortsangabe lässt sich für einige Ereignisse auch erkennen, wie sie sich räumlich entwickelt haben. Am genauesten gelingt dies aufgrund der Tagesdatierungen bei der Ausbreitung des Heuschreckenzuges 873. Um dies zu erreichen, werden zunächst getrennt nach den jeweiligen Naturphänomenen die einzelnen Ereignisse zusammengestellt und chronologisch präsentiert. Die Naturphänomene und ihre Auswirkungen wurden dabei dermaßen sortiert, dass zunächst die am weitesten von den Zeitgenossen entfernten Ereignisse untersucht wurden. Im ersten Großkapitel zu den astronomischen, tektonischen, geomorphologischen und vulkanischen Extremereignissen wird ein Längsschnitt durch die beobachteten Ereignisse von Außen (Weltraum) nach Innen (Erdinneres) gezogen. Die Anordnung der Ereignistypen erfolgt pragmatisch nach der Entfernung zum Beobachter auf der Erde beziehungsweise zum Erdmittelpunkt. Zunächst werden die weit entfernten astronomischen Ereignistypen betrachtet, also Supernovae, Kometen, Meteorströme, Meteoriten und Sonnenflecken. Am Übergang vom Weltraum zur Erdatmosphäre, die in enger Beziehung zur Strahlungsenergie der Sonnen steht, wurden Polarlichter, Sonnenfinsternisse, Mondfinsternisse sowie Transits der inneren Planeten Merkur und Venus beobachtet, die nacheinander betrachtet werden. Weitere die Atmosphäre betreffende Halo-Phänomene sind optischer Natur und wurden in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst. Nachdem so nacheinander die Phänomene von weit im Weltraum entfernt zu beobachtenden Ereignissen bis auf die Erdoberfläche untersucht wurden, folgen die Ereignisse auf der Erdoberfläche wie Erdbeben, Hangrutschungen und allgemein gravitativ verursachte Massenbewegungen. Die Erdoberfläche als Kontaktzone zum Erdinneren wird dann anhand der beobachteten vulkanischen Aktivitäten untersucht, die durch den massenhaften Ausstoß von Aerosolen zu einer Beeinflussung der planetarischen Zirkulation führen kann. Damit endet das erste Großkapitel und es folgt die Untersuchung von Einzelelementen der planetarischen Zirkulation. Diese sorgt für einen Ausgleich des von der Sonne in der Äquatorregion eingestrahlten Energieüberschusses zu den deutlich energieärmeren Erdpolen. Vereinfacht gesagt, sind die über Europa zu beobachtenden Witterungstypen Bestandteile der planetarischen Zirkulation, sie bilden je nach Winkel der Erdachse unterschiedliche Extreme in Form der Jahreszeiten aus. Im zweiten Großkapitel geht es deshalb zuerst um die meteorologischen Extreme in Form von Unwettern mit seinen Elementen Hagel, Blitz und Donner, aber auch um Ausgleichsbewegungen in der Atmosphäre in Form von Winden, Stürmen und Orkanen. Im zweiten Abschnitt werden dann die hydrologischen Extreme betrachtet, die einerseits durch Starkniederschläge ausgelöst werden können, andererseits aufgrund von Gezeiten oder sogar Tsunamis.

Fragestellung, Methoden und Ziele der Untersuchung | 65

Im dritten Abschnitt geht es um die thermischen Extreme von Kälte und Hitze, im vierten um Blutregen, also den Transport von Saharasand aufgrund spezieller Druckgebilde von Nordafrika nach Europa. Damit endet die Untersuchung der Beobachtung atmosphärischer Extreme und es geht weiter mit einem Großkapitel über die tatsächlich möglichen Auswirkungen und Folgen vor allem der extremen Witterungsereignisse. Die extremen Bedingungen können zu einer so starken Vermehrung von Einzelarten führen, dass diese zur Plage werden, wie bei den Heuschreckenplagen oder dem Schlauchpilz des Mutterkorns. Hinzu kommt die Verringerung der Ernte durch extreme Wuchsbedingungen, die in der Knappheit von Lebensmitteln und in Hungersnöten münden können. Besonders wetteranfällig ist der Anbau von Wein, der aber im Früh- und Hochmittelalter nur selten dokumentiert wurde. In einem weiteren Abschnitt geht es um die seltenen Jahre, in denen die Wuchsbedingungen optimal ausgefallen sind und die von den Zeitgenossen als ertragreiche Jahre dokumentiert wurden. Eine vermutliche Folge von Witterungsphänomenen stellen die Jahre dar, in denen „Kreuze auf der Kleidung“ vermeldet wurden. Auch wenn das dahinterstehende Phänomen bisher noch nicht gelöst wurde, sind die Belege alle in einem Abschnitt zusammengefasst. Nach den tatsächlich möglichen Auswirkungen müssen auch die von den Zeitgenossen vermuteten Auswirkungen betrachtet werden, da diese einen starken Einfluss auf die Quellen genommen haben. Deshalb werden in einem eigenen Großkapitel die Praxis der Darstellung, der Instrumentalisierung und der Bewältigung untersucht. Dabei geht es im ersten Abschnitt um die verwendeten Topoi und die Deutung von vor allem astronomischen Ereignissen als Vorzeichen von Herrscherwechseln und von weiteren Extremereignissen. Ein Abschnitt ist dem Umgang mit Hunger gewidmet, ein weiterer dem Topos der Anthropophagie. Speziell beim Fuldaer Annalisten konnte ein hinter seiner Darstellung liegender Bezug auf die Offenbarung des Johannes gefiltert werden. Dies wird durch eine Betrachtung der Eigenheiten ausgewählter Autoren abgeschlossen. Mit ausführlichen Zusammenfassungen der Ergebnisse endet der Untersuchungsgang. Das Betrachtungsschema der einzelnen Ereignistypen beruht auf folgendem Muster: 1) allgemeine Einführung und Analyse des Ursprungs des Phänomens und seiner Begrifflichkeiten, 2) bisheriger Forschungsstand und bisheriger Stand des zeitgenössischen Wissens über das Phänomen, 3) chronologischer Ablauf der Einzelereignisse und ihrer Verbreitung von 500 bis 1100, 4) die unmittelbar damit verbundenen Folgen, Reaktionen und Bewältigungsstrategien und abschließend 5) eine die Einzelereignisse übergreifende Zusammenfassung des Phänomens. In der weiteren Bearbeitung wurden die regestenhaften Beschreibungen der einzelnen Phänomene chronologisch in Tabellen im Anhang der Arbeit zusammengefasst.

66 | Einleitung

Diese Einzeltabellen sind dann wieder in der synchronoptischen Übersicht am Ende des Anhangs aufgelistet worden. Diese Übersicht stellt dabei nicht die tatsächlich wahrgenommenen Ereignisse zusammen, sondern die von den Zeitgenossen so dargestellten. Dabei spielt in vielen Fällen eine Instrumentalisierung der dargestellten Ereignisse aus unterschiedlichen Gründen eine Rolle. Für eine Analyse dieser Instrumentalisierungen der Natur müssen die natürlichen Rahmenbedingungen möglichst genau bekannt sein. Die Untersuchung der Instrumentalisierungen der wahrgenommenen Ereignisse durch die Autoren kann nur ein erster Ansatz sein, denn die Menge der behandelten Ereignisse ist für ein Einzelprojekt zu groß; ohne diese Menge lassen sich aber bestimmte Darstellungsmuster nicht erkennen. Während die Profile der einzelnen Annalen und Chroniken in ihrem Umgang mit den Naturereignissen schematisch zusammengestellt werden, gelingt es allerdings Deutungsfolien einzelner Autoren stichprobenartig aufzudecken. An diesem Punkt muss die Arbeit aber künftigen, tiefergehenden Studien das Feld überlassen.

1.4.3 Die Bibel als Lehrwerk der Extremereignisse? Die Erzählungen im Alten und Neuen Testament prägten wohl, wie kaum ein anderes Werk, die Vorstellungen der mittelalterlichen christlichen Chronisten, von denen viele als Mönche oder Nonnen in Klöstern während der Gebetszeiten bis zu sieben Mal täglich Teile der Bibel rezitierten. Die in den biblischen Texten vermittelten Ansichten zur Astronomie, zur Meteorologie und zur Naturkunde sind also sicherlich prägend für deren Vorstellungen von der Natur. Die Bibel bestimmte die Ansichten der Kirchenväter334 ebenso wie die Darstellungen der Chronisten. Ein Beispiel, wie die Bibel als Lehrbuch zur Erklärung des Wetters herangezogen wurde, findet sich bei Beda Venerabilis. Die dabei beschriebenen Vorstellungen sind oft kein zeitgenössisches Allgemeingut, sondern dienen der Belehrung der Zeitgenossen. Durchdacht und biblisch fundiert begründet Beda Venerabilis das Geschehen: „(…) wenn er [Owine] zufällig beim Lesen war oder etwas anderes machte und sich plötzlich ein stärkerer Wind erhob, sogleich das Erbarmen des Herrn anrief und bat, es möge dem Menschengeschlecht wohl gesonnen sein. Wenn aber ein heftigerer Wind auftrat, fiel er, nachdem er das Buch geschlossen hatte, schon auf das Gesicht nieder und gab sich inständiger dem Gebet hin. Und wenn ein stärkerer Sturm oder Regen tobte oder auch Blitz und Donner Erde und Luft erschreckten, dann ging er zur Kirche und widmete sich festen Willens nachdrücklich Gebeten und Psalmen, bis wieder heiteres Wetter kam. Und als er von den Seinen gefragt wurde, warum er das tue, antwortete er: Habt ihr nicht gelesen, ‚der Herr rief vom Himmel mit Donnerstimme, und der Höchste ließ seine Stimme erschallen.335 Er schickte seine Pfeile und zerstreute sie, und er

|| 334 Hoffmann, Anschauungen der Kirchenväter (1907). 335 Ps 17,14.

Fragestellung, Methoden und Ziele der Untersuchung | 67

schickte viele Blitze und verwirrte sie.‘336 Der Herr bewegt nämlich die Lüfte, erregt die Winde, schleudert die Blitze, ruft mit Donnerstimme vom Himmel, damit er die Erdenbewohner dazu bringt, ihn zu fürchten, damit er ihre Herzen zur Erinnerung an das zukünftige Urteil zurückruft, damit er ihren Stolz zerstört und ihre Verwegenheit verwirrt, nachdem er in das Bewusstsein die Furcht vor der Zeit zurückgebracht hat, in der er ‚im Brand von Himmel und Erde’337‚ in den Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit wiederkommen wird‘338, ‚um die Lebenden und Toten zu richten‘.339 Deshalb, sagte er, gehört sich für uns, eine himmlische Ermahnung mit gebührender Furcht und Liebe zu beantworten, damit wir, sooft er durch Luftbewegung die Hand hebt, als drohe er zu schlagen, und dennoch nicht zuschlägt, gleich sein Erbarmen erflehen und, nachdem wir die Winkel unseres Herzens durchsucht und den Schutt der Laster ausgeräumt haben, darauf bedacht sind, so zu handeln, dass wie niemals verdienen, geschlagen zu werden.“340

Wie stark Bedas Schilderung bei der Ausformung einer gottbasierten Witterungslehre wirkte, die jegliche Naturereignisse zur unmittelbaren Antwort des christlichen Gottes auf das zeitgenössische menschliche Verhalten machte, ist situationsabhängig. Das Alte und Neue Testament bieten in großer Zahl wetterbezogene und astronomische Vorzeichen. Die Formulierungen solcher Prodigien341 wurden teilweise wörtlich von den Annalisten übernommen, teilweise paraphrasiert, um ihre zeitgenössischen Ereignisse zu beschreiben. Dabei bildet die Vorbildung der Autoren die wesentliche Grundlage. So führen astronomische Kenntnisse etwa zur Verwendung von eclipsis solis facta est,342 während bei fehlenden Kenntnissen Umschreibungen wie sol obscuratus est343 gebraucht werden.

|| 336 Ps 17,15. 337 2. Petr. 3,12. 338 Ps 17,15. 339 2. Tim 4,1. 340 Beda, Historia, 4, 3. Ed. Spitzbart Bd. 2, 328–331: (…) si forte legente eo uel aliud quid agente, repente flatus uenti maior adsurgeret, continuo misericordiam Domini inuocaret, et eam generi humano propitiari rogaret. Si autem uiolentior aura insisteret, iam clauso codice procideret in faciem, atque obnixius orationi incumberet. At si procella fortior aut nimbus perurgeret, uel etiam corusci ac tonitrua terras et aera terrerent, tunc ueniens ad ecclesiam sollicitus orationibus ac psalmis, donec serenitas aeris rediret, fixa mente uacaret. Cumque interrogaretur a suis, quare hoc faceret, respondebat: ,Non legistis, quia “intonuit de caelo Dominus, et Altissimus dedit uocem suam; misit sagittas suas, et dissipauit eos, fulgora multiplicauit, et conturbauit eos?” Mouet enim aera Dominus, uentos excitat, iaculatur fulgora, de caelo intonat, ut terrigenas ad timendum se suscitet, ut corda eorum in memoriam futuri iudicii reuocet, ut superbiam eorum dissipet, et conturbet audaciam, reducto ad mentem tremendo illo tempore, quando ipse caelis ac terris ardentibus uenturus est in nubibus, in potestate magna et maiestate, ad iudicandos uiuos et mortuos. Propter quod,’ inquit, ,oportet nos admonitioni eius caelesti, debito cum timore et amore respondere; ut, quoties aere commoto manum quasi ad feriendum minitans exerit, nec adhuc tamen percutit, mox inploremus eius misericordiam, et discussis penetralibus cordis nostri, atque expurgatis uitiorum ruderibus, solliciti, ne umquam percuti mereamur, agamus.’ 341 Daxelmüller, Vorzeichen (1997), 1869 f. 342 Annales Hersfeldenses, ad a. 733, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 420: Eclipsis solis facta est. Vgl. Schove, Chronology (1984), 150 f. 343 Annales Cambriae, ad a. 652, The B text, Ed.Gough-Copper 25: Sol obscuratus est.

68 | Einleitung

Bei der Benutzung biblischer Vorstellungen als Vorlagen für die Anordnung der selbsterlebten oder zeitgenössisch bezeugten Wirklichkeit spalten sich die Darstellungen in zwei große Gruppen: 1) Naturereignisse, bei denen ein Bezug zu den Plagen des Alten Testamentes hergestellt wird, und 2) Naturereignisse, bei denen besonders die Beschreibungen im Neuen Testament, wie die Offenbarung des Johannes, zitiert wurden. Draelants hat in ihrer Untersuchung optischer Atmosphärenphänomene (Supernovae, Nordlichter etc.) die Bedeutung der vergleichenden Gegenüberstellungen zwischen biblischen Vorbildern und mittelalterlichen Quellenstellen als Hilfsmittel betont.344 Die Plagen, mit denen nach dem Alten Testament Gott in Ägypten den Pharao und dessen Volk schlug, bilden eine Deutungsfolie für die mittelalterlichen Zeitgenossen, um die Naturereignisse ihrer eigenen Epoche einordnen zu können.345 Vor allem die im 2. Buch Moses, dem Buch Exodus, zusammengefassten Plagen scheinen in den zeitgenössischen Quellen eine besondere Rolle gespielt zu haben. Zu diesen zehn Plagen traten weitere Stellen im Alten Testament, in denen unmittelbar naturbezogene Ereignisse erwähnt werden. So im Buch Joel (2,10): „Vor ihm zittert das ganze Land und bebt der Himmel; Sonne und Mond werden finster, und die Sterne verhalten ihren Schein“346 oder Joel (3, 3 f.): „Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf; die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des Herrn kommt.“347 Auch im 17. Psalm werden einige Naturereignisse genannt und beschrieben, deren Formulierungen sich die mittelalterlichen Annalisten zu eigen gemacht haben. Im Neuen Testament bietet sich vor allem die in der Offenbarung des Johannes enthaltene Apokalypse mit ihren Posaunen und Plagen als Deutungsfolie an; sie kann als Lehrbuch astronomischer Ereignisse für die mittelalterlichen Zeitgenossen gelten. Die sieben Posaunen und sieben Plagen wurden so auch unmittelbar als Quellenbegriffe verwandt. Da eine vollständige vergleichende Aufstellung eigene Vorarbeiten benötigen würde, stellt die folgende Tabelle stichprobenartig einige ausgewählte Beispiele vor, ohne Vollständigkeit anzustreben:

|| 344 Vgl. Draelants, Éclipses (1995), 55 f. und 60 f. 345 Chronicon Laureshamenses, ad a. 1056, Ed. Pertz, MGH SS 21, 413: Qui licet ex palustri exhalatione quatuor Egipti plagas: ranas, scinifes, muscas et nebulas, crebro patiantur, pluribus tamen contra hec divinae gratiae remediis muniuntur, procurante eis patre Udalrico butirum de armento et lac de ovibus cum adipe pinguium, medullam quoque tritici et sanguinem uvae meracissimum; ubi etiam, si eis in mentem veniunt, cucumeres, pepones, porri, caepe et allia abunde suppetunt, et pro ollis carnium gratuita copia piscium. 346 Joel 2,10: A facie eius contremuit terra, moti sunt caeli, sol et luna obtenebrati sunt, et stellae retraxerunt splendorem suum. 347 Joel 3,3 f.: Et dabo prodigia in caelo et in terra, sanguinem et ignem et columnas fumi; sol convertetur in tenebras, et luna in sanguinem, antequam veniat dies Domini magnus et horribilis.

Fragestellung, Methoden und Ziele der Untersuchung | 69

Tab. 8: Vergleich biblischer Formulierungen mit Quellen des Früh- und Hochmittelalters

Biblische Terminologie

Formulierung in mittelalterlichen Quellen

Ps 17,8: Commota est et contremuit terra; fundamenta montium concussa sunt et commota sunt, quoniam iratus est.348

Annalista Saxo, Reichschronik, ad a. 1117. Ed. Naß, MGH SS 37, 558: Quapropter inter ipsa dominice nativitatis festa III non. Ianuarii hora vespertina super tantis divini iudicii con temptibus conmota/est et contremuit terra ab ira nimirum furoris Domini adeo (…); Arnulfi Gesta 18. Ed. Bethmann/Wattenbach, MGH SS 8, 11: et omnis terra contremuit

Ps 17,12: Et posuit tenebras latibulum suum, in circuitu eius tabernaculum eius, tenebrosa aqua, nubes aeris.349

Annales Xantenses, ad a. 869. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 26: tenebrosis aquis in nubibus aeris.

Ps 17,14: Et intonuit de caelo Dominus, et Altissimus dedit vocem suam.350

Beda, Historia, 4, 3. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 328–331: intonuit de caelo Dominus, et Altissimus dedit uocem suam.

Ps 17,15: Et misit sagittas suas et dissipavit eos, fulgura iecit et conturbavit eos.351

Beda, Historia, 4, 3. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 328–331: misit sagittas suas, et dissipauit eos, fulgora multiplicauit, et conturbauit eos

Lk 21,11: terraemotus magni erunt per loca Agnelli Liber Pontificalis Ravennatis 68. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Lang. 1, 325: Omnia haec pro spexiet pestilentiae et fames terroresque de mus et terraemota per loca et signa in sole et luna. caelo et signa magna erunt. Lk 21,25: Et erunt signa in sole et luna et stellis.

Fredegar, Chronicon, Cont. 24. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 179): in sole et luna et stellis nova signa apparuerunt; Annales Mettenses priores, ad a. 741. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 10, 31: Eodem anno in sole et luna et stellis signa apparuerunt, et sacratissimus ordo paschalis turbatus est.

Mk 13,8: Et erunt terraemotus per loca et fames initium dolorum haec.

Annales Sangallenses maiores, ad a. 902. Ed. Zingg, 162 f.: terraemotus per loca.

Mt 28,2: Et ecce terraemotus factus est magnus

Annales Elnonenses, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 5, 12: terraemotus magnus factus est.

Mt 24,7: Et erunt pestilentiae et fames et Annales Augustani, ad a. 1093. Ed. Pertz, MGH SS 3, terraemotus per loca haec autem omnia ini- 134: Ubique mortalitas, pestilentiae et fames per loca tia sunt dolorum. in Saxonia; Ekkehard, Chronicon, ad a. 1099. Ed. Waitz, MGH SS 6, 212: et terraemotus magni erat per

|| 348 Ps 17,8: Da wankte und schwankte die Erde, da bebten die Fundamente der Berge, sie zitterten vor seinem Zorn. 349 Ps 17,12: Er hüllte sich ein in Finsternis, in Regendunkel und schwarzes Gewölk. 350 Ps 17,14: Dann ließ er im Himmel den Donner grollen, laut dröhnte die Stimme des höchsten Gottes. 351 Ps 17,15: Er schoss seine Pfeile und verjagte meine Feinde; er schleuderte Blitze und stürzte sie in Schrecken.

70 | Einleitung

Biblische Terminologie

Formulierung in mittelalterlichen Quellen loca, et pestilentiae et fames terroresque de caelo et signa magna.

Mt 24,29: Statim autem post tribulationem dierum illorum, sol obscurabitur, et luna non dabit lumen suum, et stellae cadent de caelo, et virtutes caelorum commovebuntur.352

Beda, Chronica 70, ad a. 604, Ed Mommsen, MGH Auct. Ant. 13, 324: sed etiam domini sermo qui dicit: statim autem post tribulationem dierum illorum sol obscurabitur et luna non dabit lumen suum et stellae cadent de caelo. neque enim sol obscurari, luna suo lumine privari, stellae poterunt cadere de caelo, si caelum ipsum, locus videlicet eorum, igni voratum transibit.

Offb 8,10 f.: et cecidit de caelo stella magna ardens tamquam facula Et nomen stellae dicitur Absinthius. Et facta est tertia pars aquarum in absinthium, et multi hominum mortui sunt de aquis, quia amarae factae sunt.

Agnelli Liber Pontificalis Ravennatis 42. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Lang. 1, 307): Apparuit post haec stella in caelo ardens per dies 30; Annales Mosomagenses, ad a. 1006 und 1066. Ed. Pertz, MGH SS 3, 161: Hoc anno visa est in celo stella ardens tanquam facula, que dicitur cometa.

Offb 12,3: et visum est aliud signum in caelo et ecce draco magnus.

Annales S. Albani Moguntini, ad a. 952. Ed. Pertz, MGH SS 2, 241: Ignitus lapis, quasi massa candentis ferri, ab occidente volitas venit, et draco visus est.

Aber auch andere Stellen wie bei Lukas (21,25): „Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen; und auf Erden wird den Leuten bange sein, und sie werden zagen, und das Meer und die Wassermengen werden brausen, und Menschen werden verschmachten vor Furcht und vor Warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden; denn auch der Himmel Kräfte werden sich bewegen“353 wurden unmittelbar genutzt und teilweise wörtlich zitiert. Bei Beda Venerabilis findet sich der Eintrag eines heidnischen Vergleichs, nach dem das „Leben wie Wetter“ sei: ‚„Mir erscheint, König, das gegenwärtige Leben der Menschen auf der Erde im Vergleich zu der Zeit, die für uns ungewiss ist, wie wenn Du mit Deinen Ealdormen und Thanen im Winter beim Mahle sitzt, am lodernden Feuer in der Mitte, in der erwärmten Halle, während draußen die Winterstürme mit Regen und Schnee wüten, und einer der Sperlinge hereinkommt und die Halle sehr schnell durchfliegt; wenn er durch die eine Tür hereinkommt, fliegt er bald durch die andere hinaus. Zwar wird er während der sehr kurzen Zeit, in der er drinnen ist, vom Wintersturm nicht berührt, aber er entkommt dennoch Deinen Augen, da er nach dem raschen Ende der sehr kurzen Zeit schönen Wetters sogleich vom Winter in den Winter zurückkehrt. So erscheint dies Le-

|| 352 Mt 24,29: Bald aber nach der Trübsal derselben Zeit werden Sonne und Mond den Schein verlieren, und Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden sich bewegen. 353 Lk 21,25 f.: Et erunt signa in sole et luna et stellis, et super terram pressura gentium prae confusione sonitus maris et fluctuum, arescentibus hominibus prae timore et exspectatione eorum, quae supervenient orbi, nam virtutes caelorum movebuntur.

Fragestellung, Methoden und Ziele der Untersuchung | 71

ben der Menschen als sehr kurze Zeit; was aber folgt und was vorausgeht, das wissen wir überhaupt nicht. Wenn aber diese neue Lehre etwa Gewisseres bringt, scheint sie zu Recht befolgenswert zu sein.‘ Ähnliches führten auch die anderen Ealdormen und Ratgeber des Königs aus, durch göttliche Fügung angeregt.“354

Trotzdem kann die Bibel nicht in allen Fällen als Beobachtungsvorlage gedient haben, denn bereits Cassiodor schrieb, dass „man sich nicht beunruhigen sollte, denn bei Gottes eigenem Befehl sei es verboten, nach Zeichen auszuschauen.“355 Dabei bezog er sich auf die von Jesus zurückgewiesene Forderung nach einem Zeichen: „Und die Pharisäer und Sadduzäer traten herzu, versuchten ihn und baten, dass er ihnen ein Zeichen aus dem Himmel zeigen möchte. Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Am Abend sagt ihr: Es wird schön; denn der Himmel ist rot; und am Morgen: Heute kommt ein Ungewitter; denn der Himmel ist rot und trübe. Ihr Heuchler, das Aussehen des Himmels versteht ihr zu beurteilen, die Zeichen der Zeit aber nicht! Das böse und ehebrecherische Geschlecht fordert ein Zeichen; aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden als nur das Zeichen des Propheten Jona. Und er verließ sie und ging davon.“356

Diese Stelle ist von mittelalterlichen Zeitgenossen verwendet worden, um Zeichen, die ihrer Erwartungshaltung nicht entsprachen, nicht deuten zu müssen. Mit diesen Möglichkeiten haben die Zeitgenossen vermieden, politisch oder persönlich unangenehme Vorzeichen darstellen zu müssen. Instrumentalisierung muss sich immer in alle Richtungen absichern können. Der biblische Text bietet allein durch seinen Umfang alle Möglichkeiten, der Intention eines mittelalterlichen Autors gerecht zu werden.

|| 354 Beda, Historia, 2, 13. Ed. Spitzbart, 182 f.: Cuius suasioni uerbisque prudentibus alius optimatum regis tribuens assensum, continuo subdidit: ,Talis’, inquiens, ,mihi uidetur, rex, uita hominum praesens in terris, ad conparationem eius, quod nobis incertum est, temporis, quale cum te residente ad caenam cum ducibus ac ministris tuis tempore brumali, accenso quidem foco in medio, et calido effecto caenaculo, furentibus autem foris per omnia turbinibus hiemalium pluuiarum uel niuium, adueniens unus passerum domum citissime peruolauerit; qui cum per unum ostium ingrediens, mox per aliud exierit. Ipso quidem tempore, quo intus est, hiemis tempestate non tangitur, sed tamen paruissimo spatio serenitatis ad momentum excurso, mox de hieme in hiemem regrediens, tuis oculis elabitur. Ita haec uita hominum ad modicum apparet; quid autem sequatur, quidue praecesserit, prorsus ignoramus. Unde si haec noua doctrina certius aliquid attulit, merito esse sequenda uidetur.’ His similia et ceteri maiores natu ac regis consiliarii diuinitus admoniti prosequebantur. 355 Cassiodorus, Variae 12.25.7. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 12, 381 f.: Sed si hoc divinae providentiae tradatur, satagere non debemus, quando ipsius imperio prodigia quaerere prohibemur. 356 Mt 16,1–4: et accesserunt ad eum Pharisaei et Sadducaei temptantes et rogaverunt eum ut signum de caelo ostenderet eis at ille respondens ait eis facto vespere dicitis serenum erit rubicundum est enim caelum et mane hodie tempestas rutilat enim triste caelum faciem ergo caeli diiudicare nostis signa autem temporum non potestis generatio mala et adultera signum quaerit et signum non dabitur ei nisi signum Ionae et relictis illis abiit.

2 Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse „Der Ort des Wunderbaren schlechthin war natürlich der Himmel mit seinen Wolkengebilden, Sonnen- und Mondfinsternissen, Nordlichtern usw. Hier war nichts unmöglich (…)“,1 resümierte die ältere Forschung. Diese Einschätzung beruht auf zeitgenössischen Quellen, die nahelegen, dass für den mittelalterlichen Zeitgenossen der Himmel unfasslich, schwer zu verstehen und von „vielen Zeichen und Vorzeichen“2 geprägt war, deren Ursachen, da sie unbekannt waren, teilweise im magisch-mythischen Bereich gesucht wurden und die mit dem irdischen Leben zwangsweise korreliert werden mussten. Bei Aussagen über die zeitgenössische Wahrnehmung von Himmelsphänomenen ist aber genau zu beachten, aus welcher Epoche die Quellen stammen und auf welchem Stand sich dementsprechend gerade der Umgang, der Wissensstand und die Instrumentalisierung dieser Ereignisse durch die Zeitgenossen befindet, sonst kann es zu methodisch schwierigen, oft anachronistischen Vermischungen von Vorstellungen kommen.3 Waren die Zusammenhänge im Weltall (vgl. Abb. 6) während des Mittelalters weitgehend unerklärlich, sind sie mittlerweile wesentlich genauer bekannt und ihre Konstellationen himmelsmechanisch berechenbar. Deshalb eignen sich gerade die astronomischen Mitteilungen in den chronikalischen Quellen dazu, deren Genauigkeit unabhängig zu überprüfen. Bisher ist die Mediävistik bei allen Nachrichten über politische oder religiöse Ereignisse weitgehend auf eine Kohärenz der historiographischen Quellen untereinander angewiesen. Zwar wird versucht, mit urkundlicher Überlieferung und pragmatischem Schriftgut diese Nachrichten auf eine verlässlichere Basis zu stellen, aber Urkunden können – je nach Jahrhundert – häufiger gefälscht sein und aussagekräftiges und belastbares Verwaltungsschriftgut, besonders jenes serieller Art, ist zwischen den Jahren 500 und 1100 ausgesprochen selten überliefert.

|| 1 Fichtenau, Lebensordnungen (1984), 417. 2 Fredegar, Chronik, 3, 88. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 117: Multa signa et prodigia eo anno in caelo sunt visa. Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 21. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 289; FSGA 3, 38 f.: Haec in hoc anno iteratis signa apparuerunt. 3 Fichtenau, Lebensordnungen (1984), 417: „Gott gibt dem Mönch, der den Himmel betrachtet, durch Auf- und Absteigen eines Sterns ein Zeichen, dass seine Reise gut ausgehen wird; höllische Phänomene werden durch die Kraft des Exorzismus vertrieben. Das ist christlich, und doch steht im Hintergrund ein vorchristliches Wesen. Schon im alten Orient suchte man am Himmel nach Vorzeichen für irdische Ereignisse. Die Feuerkugeln wurden durch Kulthandlungen ‚zurückgeschlagen‘ (repellebantur), sie waren also keine Gegenstände, sondern Wesen dämonischer Art.“

https://doi.org/10.1515/9783110572490-002

74 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Bei den annalistischen und chronikalischen Quellen ist zudem immer wieder neu nach der avisierten Leserschaft zu fragen. Schreiben hier Mönche für andere Mönche? Liegt die Verfasserintention im erbaulichen Zweck der Erzählung? Falls ja, konnte dann überhaupt eine Jahr-für-Jahr-Dokumentation im Vordergrund stehen? Bleibt nicht vielmehr immer ein Beigeschmack von Unterrichtung der Mitbrüder? Können (angebliche) Augenzeugenberichte tatsächlich als „authentischer“ ergo vertrauenswürdiger betrachtet werden als reine Abschriften? Ziel der Geschichtsschreibung war immer schon Sinnbild, nicht Abbild von Geschichte.

Abb. 6: Schematische Übersicht der in den Quellen genannten astronomischen Beobachtungen

Da das Verständnis von historischer Wahrheit einem historischen Wandel unterworfen ist, muss dieser Bezug möglichst unabhängig auf seine modernen Ansprüchen genügende Belastbarkeit geprüft werden.4 Dafür eignen sich gerade die astronomischen Naturereignisse, die sich heute mathematisch korrekt berechnen oder deren Überreste sich, wie bei Supernovae, messen lassen, besonders die zyklisch auftretenden und dadurch berechenbaren Ereignisse wie Mond- und Sonnenfinsternisse sowie Beobachtungen von Kometen oder Meteorströmen. Die unabhängigen Ergebnisse dieses Abgleichs mit Berechnungen bieten eine bisher einmalige Gelegenheit, die historiographischen Quellen nicht nur relativ zueinander, sondern tatsächlich absolut chronologisch zu überprüfen. So wird es in diesem Kapitel darum gehen, Kometen, Meteorströme, Supernovae, Meteoriteneinschläge, Polarlichter, Eklipsen von Sonne und Mond sowie optische Atmosphärenphänomene systematisch zu untersuchen, um die historiographischen Nachrichten entsprechend abzugleichen. || 4 Vgl. Hinz, Rezension (2015).

Supernovae | 75

An den Anfang gestellt werden die konkreten Fallbeispiele von Naturereignissen mit berechenbaren und messbaren Ereignissen. Eine eigene Untersuchung, für die ein Exkurs an dieser Stelle zu wenig wäre, ist zur „Astronomiekonferenz“ des Jahres 809 erforderlich, als sich die Fachleute ihrer Zeit auf Veranlassung Karls des Großen, der sehr an astronomischen Dingen interessiert war, mit Problemen der Astronomie und der Zeitrechnung auseinandersetzten.5 Während die überlieferten Ergebnisse der Konferenz6 einer künftigen Untersuchung vorbehalten bleiben sollen, geht es im Folgenden um die einzelnen Erscheinungen, die von den zeitgenössischen Beobachtern als Abweichung des normalen Geschehens am (Nacht-)Himmel beobachtet werden konnten und darum, wie sie diese dokumentierten.

Abb. 7: Schematische Übersicht verschiedener Ereignistypen an der Erdoberfläche

Als himmlische Vorzeichen interpretiert mussten die Ereignisse mit dem irdischen Leben korreliert werden, was zu einer vielfachen Dokumentation solcher Ereignisse führte. Politische, wirtschaftliche oder religiöse Darstellungen lassen sich oft nur untereinander überprüfen. Da sich die Beobachtungen zu ausgewählten Kometensichtungen sowie Sonnen- und Mondfinsternissen heute aufgrund der bekannten Himmelsmechanik unabhängig berechnen lassen, bietet sich für die moderne Mediävistik

|| 5 Siehe dazu die Einleitung von: Astronomus, Vita Hludowici imperatoris. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 56; vgl. auch Euw, Astronomie und Zeitrechnung (2010), 21–66. 6 Vgl. MGH Epp. 4, 565–567.

76 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

mit Hilfe der astronomischen Ereignisse die besondere Chance, Annalen und Chroniken hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit zu verifizieren, ja in gewisser Weise zu kalibrieren. Das bedeutet nicht, dass diese Quellen nicht trotzdem im Einzelfall genau geprüft werden müssten, aber es bietet sich so eine zusätzliche Möglichkeit, die Zuverlässigkeit der Angaben in diesen Quellen zu überprüfen. Beobachtungen von Supernovae, Kometen,7 Meteoriten und Meteorströmen wurden von den Zeitgenossen als neue Sterne wahrgenommen.8 Deren unmittelbarer Einfluss auf Politik und Religion ist als sehr gering einzustufen, wäre ihnen nicht von den Erwartungen der Zeitgenossen ein großer Einfluss zugewiesen worden. Da diese vier Phänomene optisch sehr ähnlich sind, waren sie für die Beobachter im Früh- und Hochmittelalter kaum zu unterscheiden. Dennoch ermöglichen es die bildhaft überlieferten Beschreibungen solcher Leuchterscheinungen oft, deren natürlichen Ursachen zu ermitteln.

2.1 Supernovae Eine Möglichkeit die im Frühmittelalter als „neue Sterne“ (stellae novae) bezeichneten Beobachtungen zu erklären, bilden die sogenannten Supernovae.9 Dabei wird in einer nur wenige Sekunden dauernden großen Explosion ein Stern großer Masse zerstört. Die im Zuge dieser Explosion freiwerdende Strahlung umfasst auch sichtbares Licht und kann deshalb oft mit freiem Auge beobachtet werden. Zwischen der Explosion und der Beobachtung vergehen aufgrund der sehr großen Entfernungen oft lange Zeiträume, was dem mittelalterlichen Beobachter aber nicht bewusst sein konnte. Da diese Leuchterscheinungen sehr eindrucksvoll sind, gehen die ersten registrierten Beobachtungen einer Supernova bereits in das Jahr 185 n. Chr. zurück.10 Galaktische Supernovae sind extrem seltene Ereignisse und ihr Zeugnis ist sehr wichtig für die Astrophysik. Das plötzliche, offensichtliche und helle Erscheinen eines neuen Sterns am Nachthimmel war für die Zeitgenossen nicht leicht zu erklären, denn die astronomische Ursache einer solchen ungewöhnlich hellen Lichterscheinung war nicht bekannt. Die Echtheit der Beobachtung einer Supernova im Mittelalter, wie in früheren Zeiten überhaupt, gilt heute erst dann als gesichert, wenn an der entsprechenden Himmelsposition der messbare Überrest einer Explosion festgestellt werden kann.11 Für zwei Jahre im Untersuchungszeitraum – 1006 und 1054 – wird das Erscheinen je einer Supernova vermutet. Dabei wurde anhand der Angaben in den

|| 7 Weissman, Comet (2013), 105–109. 8 Dall’Olmo, Latin Terminology (1980), 10–27. 9 Dorman, Supernova (2013), 986 f. 10 Ranzini, Astronomie (2003), 166 f. 11 Locher, Supernova (1997), 327: „Der Begriff Nova geht auf Plinius d. Ä., nat. hist II, XXIV. 95 zurück.“

Supernovae | 77

Quellen versucht, zu unterscheiden, ob es sich bei der beschriebenen Leuchterscheinung eines „neuen Sterns“ um einen Kometen, Planeten oder um eine Supernova handelt. In seiner umfassenden Darstellung historischer astronomischer Phänomene ging Newton ergänzend auch auf die Supernovae von 1006 und 1054 ein.12 Zuletzt haben die Astrophysiker Stephenson und Green ausführlicher zu diesen zwei Supernovae Stellung genommen.13 Weitere mittelalterliche Quellen untersuchten Polcaro/ Martocchia14 sowie Isabelle Draelants.15 Supernovae, Novae und Kometen gehörten im Mittelalter zu den unvorhersehbaren kosmischen Erscheinungen und wurden bemerkenswert häufig in irischen Quellen dokumentiert.16 Die Bezeichnung „Gaststern“ wurde in chinesischen, astronomischen Einträgen genutzt, um die Erscheinung von Novae, Kometen oder Meteoren zu kennzeichnen.17 Historische Gaststerne wurden für die Jahre 1006, 1054, 1181, 1572,18 1604 und 1680 beobachtet und beschrieben.19 Aufgrund zeitgenössischer Beobachtungen in Mitteleuropa, die sich mit arabischen, japanischen und chinesischen Quellen korrelieren lassen, ist es mittlerweile möglich, diese weit entfernten astronomischen Ereignisse den ehemals zugehörigen Himmelskörpern zuzuordnen. Darüber hinaus können mit den Mitteln heutiger Technik moderne Fotos der expandierenden Reste dieser Explosionen aufgenommen werden. Solche Abbildungen der neuen Sterne sind aber nichts Neues: Bereits auf byzantinischen Münzprägungen des 11. und 12. Jahrhunderts fallen Darstellungen von Einzelsternen auf. Besonders auffällig ist eine Darstellung auf Münzen, die den Herrscher Manuel I. zeigen, der 1180 starb. Für diesen erfolgte noch im Jahre 1181 unter Alexeius II. eine Münzprägung mit Sternbild,20 sodass zwei Münzserien, eine mit und eine ohne Gaststern, vorliegen. Eine ähnlich hervorgehobene Sterndarstellung wie auf den Elektron-Aspron-Trachy von 1181 ist auch auf einem Aureus histamenon nomisma des Kaisers Konstantin IX. (1042–

|| 12 Newton, Medieval Chronicles (1972), 102–114. Clark/Stephenson, Historical Supernovae (1977). 13 Stephenson/Green, Historical Supernovae (2002); Stephenson/Green, Supernova of AD 1054 (2003), 46–52. 14 Polcaro/Martocchia, Supernovae (2006); 264–268. Ghignoli/Martocchia/Polcaro, Eleventh Century Supernovae (2008), 110–113. Polcaro/Martocchia, Supernovae (2009), 13–21. 15 Vgl. Draelants, Éclipses (1995), 55. 16 McCarthy/Breen, Evaluation (1997), 117–138. 17 McCarthy/Breen, Re-evaluation (1995), 363. 18 Weichenhan, Supernova des Jahres 1572 (2004). 19 Clark/Stephenson, Historical Supernovae (1982), 355–370; Stephenson/Green, Historical Supernovae (2002). 20 Von Kaiser Alexeius II. (1180–1183) waren bisher keine eigenen Münzprägungen bekannt, denn als dieser seinem Vater Kaiser Manuel I. (1143–1180) nachfolgte, war er gerade zwölf Jahre alt. Die Regentschaft übte die Mutter Alexeius’ II., Kaiserin Maria von Antiochia, etwas glücklos aus, denn 1183 machte sich der Vetter des verstorbenen Manuel I., Andronicus I., zum Nachfolger; vgl. Wriechen, Einfluß der Supernovae (1987), 206.

78 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

1055) bekannt. Beide werden von Sear, und ihm folgend Wriechen, als Referenz der Supernova, die im Himmel im Jahr 1054 aufgetaucht sei, interpretiert.21 Aufgrund ihrer Bedeutung für die chinesische Astrologie sind Kometen im chinesischen Kaiserreich früh (ab 611) und vergleichsweise ausführlich dokumentiert worden.22 Auch Supernovae wurden als sogenannte „Gaststerne“ dokumentiert. Auffälliger Weise sind für die Zeit zwischen 568 und 829 überhaupt keine Gaststerne in chinesischen Quellen dokumentiert worden. Mittlerweile existieren einige Kataloge, die Beobachtungen aus China in westlichen Sprachen bereithalten.23 In europäischen Quellen fällt hingegen auf, dass kaum Supernovae dokumentiert wurden. Waren die Supernovae überhaupt über Europa zu sehen? Und wenn ja, wie lauten dann die Bezeichnungen in den mitteleuropäischen Quellen? Zur Beantwortung dieser Fragen werden die zeitgenössischen Beobachtungen der Supernovae im Folgenden dargestellt und mit den bisher erarbeiteten Forschungsergebnissen und Quellen aus dem arabischen, armenischen, chinesischen sowie japanischen Sprachraum verglichen. Da sich die Quellen- und Überlieferungslage jeweils sehr unterschiedlich darstellt, werden beide Ereignisse im Folgenden getrennt betrachtet. Im Jahr 1006 erschien Anfang Mai plötzlich eine eindrucksvolle Leuchterscheinung am Nordhimmel, die als „neuer Stern“ oder „Komet“ bezeichnet wurde, und dessen Leuchten drei Monate lang andauerte.24 Da es sich um eine quasi stationäre Leuchterscheinung handelte, ist nicht von einem Kometen, wie es einige zeitgenössische Autoren vermutet haben, auszugehen als vielmehr von einer Supernova. Aufgrund der Position und der fortgeschrittenen Kenntnis der interstellaren Gegebenheiten wurde nach längerer Suche durch Minkowski,25 Goldstein26 oder Gardner/Milne27 eine Supernova identifiziert.28

|| 21 Wriechen, Einfluß der Supernovae (1987), 206; Sear, Byzantine Coins (1974), 310, Nr. 1813, 345, Nr. 1959. 22 Schafer, Pacing the Void (1977), 113. 23 Stephenson/Green, Catalogue of ‘Guest Stars’ (2009), 42–44. 24 Stephenson/Green, SN of AD 1006 (2002): „This object was by far the most brilliant SN on record, and as many as thirty separate accounts of the star are assembled in this chapter. These originate from China, Japan, the Arab world, and Europe. The star, which appeared near the boundary between the southern constellations of Lupus and Centaurus, was monitored for around three years by Chinese astronomers, who noted its regular heliacal setting in Aug/Sep and rising in Nov/Dec. The records do not enable a light curve to be delineated. However, combining Chinese, Egyptian, and Swiss positional descriptions, the location of the star can be deduced with an accuracy of 1 or 2 deg. At this high galactic latitude (around +15 deg), there is only a single candidate SNR of acceptable age: G327.6+14.6. This is of shell-type.“ 25 Minkowski, Suspected Supernova of A.D. 1006 (1965), 754. 26 Vgl. Goldstein, Evidence for a Supernova (1965), 105–114; Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 748–753. 27 Gardner/Milne, Supernova of A.D. 1006 (1965), 754. 28 Right ascension 14h59m6, Declination –41°41’ (epoch 1950.0).

Supernovae | 79

Die Nachforschung umfasste dabei sowohl die Identifizierung historischen Materials als auch die astronomische Suche29 und spätere Ergänzungen.30 Heute wird allgemein davon ausgegangen, dass es sich bei der beobachteten Leuchterscheinung des Jahres 1006 um die Supernova NGC 5882 handelt. Am 1. Mai 1006 wurde in verschiedenen Regionen Chinas31 und Japans eine helle Leuchterscheinung am Himmel beobachtet, deren Position im Sternbild Skorpion angegeben wurde und die für drei Monate32 deutlich sichtbar war, bevor sie urplötzlich wieder verschwand. Die Supernova erreichte eine Helligkeit von -7,5 mag33 im Sternbild Lupus und wurde in chinesischen, japanischen und arabischen34 Quellen beschrieben.35 Auch in mitteleuropäischen Quellen wurde sie erwähnt,36 obwohl sie auf –38 Grad der südlichen Deklination liegt und während der höchsten Sichtbarkeit nur fünf Grad über der Horizontlinie zu sehen war.37 Die umfangreichste Beschreibung dieses astronomischen Ereignisses inklusive einer ganzen Reihe weiterer genauer astronomischer Beobachtungen bietet der arabische Chronist ʿAlī Ibn Ridwān (988–1061): „Nun werde ich für Euch ein Ereignis/Spektakel [aṯār] beschreiben, das ich zu Beginn meiner Ausbildung gesehen habe. Dieses Ereignis erschien im Tierkreiszeichen Skorpion gegenüber der Sonne, zu der Zeit, als die Sonne 15 Grad im Stier war und das Spektakel 15 Grad im Skorpion. Es war ein großes naizak [Komet]38, rund in der Form, und seine Größe zweieinhalb oder drei Mal die Größe des Planeten Venus. Sein Licht erleuchtete den Horizont und funkelte sehr. Das Ausmaß der Helligkeit war etwas mehr als ein Viertel der Helligkeit des Mondes. Es fuhr fort, zu erscheinen und bewegte sich in diesem Tierkreiszeichen mit der Bewegung des Äquators [der täglichen Rotation] bis die Sonne im Sternbild Jungfrau ankam, ein Sechstel dazu, es endete auf einmal urplötzlich.“39

|| 29 DeVorkin, A.D. 1006 Puzzle (1985), 71–85. 30 Rius, Sobre la supernova (2000), 225 f. 31 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 748: „On the first day of the fifth month, in the third year of the Ching-Tê reign period [30 May 1006] the Director of the Astronomical Bureau said that at the first watch of the night, on the second day of the fourth month [1. May 1006] a large star, yellow in color, appeared in the east of K’u Lou, in the west of Ch’i Kuan. Its brightness had gradually increased. It was found in the third degree east of the Ti – thus it belongs to the [geographical] division of Chêng and the station of Shou-hsing. The star later increased in brightness. According to the star manuals there are four types of ‘auspicious stars’, one of which is called Chou-po, a yellow and brilliant [object] foreboding great prosperity for the State over which it appears.“ 32 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 46, geben aufgrund chinesischer Quellen drei Jahre an. 33 Schaefer, Peak Brightnesses (1996), 445–448. 34 Porter, Nova of A.D. 1006 (1974), 99–104. 35 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 748–753. 36 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 46. 37 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 48. 38 Zur Bedeutung vgl. DeVorkin, A.D. 1006 Puzzle (1985), 75. 39 Goldstein, Evidence for a Supernova (1965), 105 f.

80 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Die beschriebene quasi stationäre Position unterschied die Supernova auch für den zeitgenössischen Beobachter von einem Kometen, denn dessen Position bewegt sich von Nacht zu Nacht scheinbar über den Himmel. Die astronomische Forschung hat bisher fünf europäische Berichte mit der Beobachtung der Supernova von 1006 in Verbindung gebracht: die St. Galler Annalen, die Beneventaner Annalen sowie Alpert von Metz De diversitate temporum40 und die Aufzeichnungen der Klöster Lobbes und Mousson.41 Es lassen sich jedoch noch weitere chronikalische Einträge gut der Leuchterscheinung zuordnen. Das Erscheinen der als „heller Stern“ oder „Komet“ bezeichneten Supernova wurde dabei mit mehreren Unglücksereignissen in Verbindung gebracht. Johannes Diakonos schrieb in seiner venezianischen Chronik, dass zu jener Zeit der Komet im südlichen Teil des Himmels erschien, welcher den Menschen immer ein Unheil ankündigt. In seiner Beschreibung einer Epidemie in ganz Italien nennt Johannis Diaconus auch einen Kometen.42 Dieser Eintrag enthält zwar keine genauen Datierungsangaben, wurde aber vom Bearbeiter der MGH-Edition mit Verweis auf die Annales Sangallenes (ad a. 1006)43 und die Annales Leodinienses (ad a. 1006)44 mit einer Jahresdatierung 1006 versehen. Einzig die Annales Sangallenes sprechen tatsächlich von einem neuen Stern (nova stella) und unterscheiden damit die Beobachtung des Naturereignisses von einem Kometen. Aufgrund chinesischer Quellen wurde die ungefähre Positionsangabe der Supernova auf der gedachten Himmelssphäre berechnet. Demnach liegt die Rektaszension, also der Stundenwinkel bei 15h und die Deklination, also die geografische Breite, nördlich beziehungsweise südlich des Erdäquators bei -38° (ehemals irrig -50°).45 Danach wäre die Supernova in Mitteleuropa etwa fünf Grad über der südlichen Horizontlinie sichtbar gewesen.46

|| 40 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 48. 41 Locher, Supernova (1997), 327. 42 Johannis Diaconus, Chronicon Venetum. Ed. Pertz, MGH SS 7, 36: Eodem itaque tempore stella cometis, cuius indicium humanum semper pronunciat flagicium, in meridiano climate apparens, quam maxima per omnes Italiae seu Veneciae fines pestilentia subsecuta est. In qua utriusque sexus humanae conditionis nonnulli inopinata morte ceciderunt. 43 Annales Sangallenses maiores, ad a. 1006. Ed. Zingg, 186–189: Nova stella apparuit insolitae magnitudinis, aspectu fulgurans, et oculos verberans , non sine terrore. Quae mirum in modum aliquando contractior, aliquando diffusior, et iam extinguebatur interdum. Visa est autem per tres menses in intimis finibus austri, ultra omnia signa quae videntur in coelo. 44 Annales Leodinenses, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: Heinricus rex obsidet Valentianas. Fames valida, apparente longo tempore comete; Annales Laubienses, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: Fames maxima fuit, apparente longo tempore comete. 45 Newton, Medieval Chronicles (1972), 108. 46 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 48.

Supernovae | 81

Die Quedlinburger Annalen enthalten zum Jahr 1008 den folgenden Eintrag: „Ein Stern war sichtbar in der Mitte des Tages am Montag feria secunda der Osterwoche.“47 Dieser Eintrag ist von Newton und Giese als Sichtung der Supernova des Jahres 1006 gedeutet worden. Von Winkelmann wurde in der Übersetzung der Quedlinburger Jahrbücher eine ältere irrige Datierung angegeben: „Am 8. April dem Montag der Osterwoche wurde ein Stern mitten am Tage gesehen“48, die auch Newton übernommen hat.49 Diese fehlerhafte Datierung liegt in der ersten Edition der Quedlinburger Annalen begründet.50 In ihrer Neuedition hat Giese Montag, den 29. März des Jahres 1008 vorgeschlagen. Da die Jahresangabe das Ereignis aber um zwei Jahre zu spät datiert, die Tagesdatierung sich jedoch relativ auf den Osterzyklus bezieht, könnte für das Jahr 1006 auch Montag der 22. April vorgeschlagen werden. Der Quedlinburger Eintrag birgt jedoch darüber hinaus noch die Schwierigkeit, dass der „neue Stern“ nur sehr knapp, etwa ein Grad,51 über dem südlichen Horizont zu sehen gewesen wäre.52 Da Quedlinburg (51° 48′ N) aber auf einem ähnlichen Breitengrad wie Köln (50° 56′ N) oder Reims (49° 16′ N) liegt und von dort ebenfalls Berichte über Sichtungen vorliegen, könnte die Supernova sichtbar gewesen sein. Eine Gruppe von Annalen vermeldet zudem eine Hungersnot und die Sichtbarkeit eines vermeintlichen Kometen. Es handelt sich um die Annalen des Stiftes Parc in Brabant (50° 51′ N),53 des Klosters Marchiennes in Nordfrankreich (50° 25′ N)54 und des Klosters Floreffe (50° 26′ N).55 Den ausführlichsten Bericht bieten die St. Galler Annalen: „Ein neuer Stern von ungewöhnlicher Größe erschien, brillant in der Erscheinung und blendend für die Augen, nicht ohne Schrecken. In einer wunderbaren Art und Weise, manchmal wurde er dunkler, manchmal heller und manchmal verschwand er. Er war sichtbar für drei Monate an den tiefsten Grenzen des Südens, mehr als alle Zeichen, die am Himmel zu sehen sind.“56

|| 47 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1008. Ed Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 525: Stella paschalis hebdomadae feria secunda, media die visa est. 48 Winkelmann, Jahrbücher von Quedlinburg (1862), 28. 49 Newton, Medieval Chronicles (1972), 106 f.; Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ, 72, 525 Anm. 1247. 50 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1008. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 525; Newton, Medieval Chronicles [1972], 107: Stella paschalis hebdomadae feria secunda media die visa est 6. Idus Aprilis. 51 90 Grad–38 Grad (Position der Supernova)–51 Grad (Lage Quedlinburgs) = 1 Grad über dem Horizont. 52 Newton, Medieval Chronicles (1972), 129. 53 Annales Parchenses, ad a. 1006. Ed Pertz, MGH SS 16, 601: Fames valida, apparente longo tempore comete. Vgl. Rep. Font. 2, 311. 54 Annales Marchianenses, ad a. 1006. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 613: Fames valida, apparente longo tempore comete. 55 Annales Floreffiensis, ad a. 1006. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 622: Fames valida apparente longo tempore comete. 56 Annales Sangallenses maiores, ad a. 1006. Ed. Zingg, 186–189; Newton, Medieval Chronicles [1972], 106 f.: Nova stella apparuit insolitae magnitudinis, aspectu fulgurans, et oculos verberans, non sine terrore.

82 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Die angegebene Dauer von drei Monaten wird auch von anderen Quellen bestätigt. In sein Chronicon Venetum trug Johannes Diaconus ein, dass in dieser Zeit der „Stern Komet“, der den Menschen die Plagen voraussagt, in der südlichen Region erschien. Daraufhin sei über ganz Italien und die Grenzen Venedigs die schlimmste Pestilentia gefolgt, in der Menschen beiderlei Geschlechtes unerwartet gestorben seien.57 Da die Pest mit dem Erreger Yersinia pestis erst 1347–1350 wieder auftrat, muss es sich um eine andere epidemische Krankheit gehandelt haben. Weiter südlich, in Benevent, war die Supernova noch deutlicher zu sehen. Der Eintrag in den Beneventer Annalen lautet entsprechend: „Im 25. Jahr des Herrn Pandolf und im 19. Jahr seines Sohnes, des Herrn Landolf, erstrahlte ein heller Stern, und eine große Trockenheit war für drei Monate.“58 Der genannte Zeitraum wird hier zwar auf die Trockenheit bezogen, stimmt aber auffallend mit der in den St. Galler Annalen genannten Sichtbarkeit der Supernova überein. Dass die Sichtbarkeit der Supernova nach Süden zunimmt, wird durch die europäischen Quellen bestätigt. Je weiter im Norden der Beobachter stand, umso undeutlicher, durch das Flimmern verzerrt, sah er das Ereignis über die Horizontlinie. Wie erwähnt, war die Supernova in Quedlinburg (51° 48′ N) nur knapp ein Grad über der Horizontlinie sichtbar, aber immerhin so stark, dass ein Eintrag in die Annalen gemacht wurde. In Köln (50° 56′ N) und den flandrischen Klöstern (Lobbes: 50° 21′ N), aber auch in Metz (49° 7′ N) und Reims (49° 16′ N) lag sie bei etwa zwei bis drei Grad, in St. Gallen (47° 25′ N) bei fünf Grad, in Venedig (45° 26′ N) bei sieben Grad und in Benevent (41° 7′ N) bei elf Grad. In Syrien (Damaskus: 33° 30′ N) und im Irak (Bagdad: 33° 20′ N) dürften sie bereits 19 Grad und in Ägypten (Kairo: 30° 3′ N) mehr als 22 Grad über der Horizontlinie sichtbar gewesen sein. Die außergewöhnliche Helligkeit und überdurchschnittliche Größe der Supernova beeindruckte die Zeitgenossen und fand ihren Weg in die chronikalischen Aufzeichnungen, dabei schwankte die Bezeichnung, jeweils nach Kenntnisstand des Autors, zwischen „schrecklicher Komet“ (cometes horribili specie), „hellster Stern“ (clarissima stella) und „neuer Stern“ (nova stella). Besonders der letzte Begriff trifft zwar auf das Ereignis eines explodierenden Sterns am wenigsten zu, beschreibt aber die Beobachtung des plötzlich ankommenden Lichtes in den Augen der zeitgenössischen Beobachter am besten. Tabelle 9 erfasst die chronikalischen Einträge zur Supernova 1006: 9 europäische, 1 arabische, 6 chinesische und 6 japanische.

|| Quae mirum in modum aliquando contractior, aliquando diffusior, et iam extinguebatur interdum. Visa est autem per tres menses in intimis finibus austri, ultra omnia signa quae videntur in coelo. 57 Johannis Diaconus, Chronicon Venetum, ad a. 1006. Ed Pertz, MGH SS 7, 36: Eodem itaque tempore stella cometis, cuius indicium humanum semper pronunciat flagicium, in meridiano climate apparens, quam maxima per omnes Italiae seu Veneciae fines pestilentia subsecuta est, in qua utriusque sexus humanae conditionis nonnulli inopinata morte ceciderunt. 58 Annales Beneventani, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 3, 177: Anno 25. domni Pandolfi et 19. anno domni Landolfi filii eius, clarissima stella effulsit, et siccitas magna per tres menses fuit.

Supernovae | 83

Tab. 9: Weltweite Sichtungen der Supernova von 1006

Nr. Datierung

Region

Breite

Hz.

assoziiert als

Quelle

1

22.04.1006 Ostfranken 51° 48′ N



stella

Ann. Quedlinburgenses

2

1006

Lothringen

50° 51′ N



comete

Ann. Parchenses

3

1006

Lothringen

50° 26′ N



comete

Ann. Floreffiensis

4

1006

Lothringen

50° 25′ N



comete

Ann. Marchianenses

5

1006

Flandern

50° 21′ N

2-3° comete

Ann. Laubienses

6

1006

Flandern

49° 7′ N

2-3° comete

Ann. Leodineses

7

1006

Metz

49 °7′ N

2-3° comete

De diversitate temporum

8

1006

St. Gallen

47° 25′ N



nova stella

Ann. Sangallenses mai.

9

1006

Venedig

45° 26′ N



stella cometis

Benevent

41° 7′ N

11° clarissima stella

Ann. Beneventani

10 1006 11

1006

Chronicon Venetum

Syrien

33° 30′ N

19°

arab. Quellen

12 1006

Irak

33° 20′ N

19°

arab. Quellen

13 1006

Fusṭāṭ/Kairo 30° 3′ N

22°

ʿAlī ibn Ridwān

14 28.04.1006 Japan

35° 41′ N

17°

Ichidai yoki59

15 05.1006

35° 41′ N

17°

Hyakureisho60

16 01.05.1006 Kaifeng

34° 47′ N

18° großer gelber Stern

Ch’ing Li Kuo Chao Hui Yao61

17 01.05.1006 Japan

35° 41′ N

17 °

Sadaie Fujiwara62

18 06.05.1006 China

34° 47′ N

18 ° glückverheiß. Stern

Chronik Chen-tsung63

19 16.05.1016 China

34° 47′ N

18 ° glückverheiß. Stern

Chronik Chen-tsung64

20 30.05.1006 China

34° 47′ N

18 ° glückverheiß. Stern

Chronik Chen-tsung65

21 21.07.1006 Japan

35° 41′ N

17 °

Fujiwarano Yukinari66

22 21.09.1006 Japan

35° 41′ N

17 °

Hojoji sesseiki67

23 26.11.1006 China

34° 47′ N

18 ° glückverheiß. Stern

Chronik Chen-tsung68

24 1006

35° 41′ N

17 °

Azumi Kagami (ca. 1266)69

Japan

Japan

|| 59 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 752. 60 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 752. 61 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 748. 62 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 751. 63 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 750. 64 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 749. 65 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 749. 66 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 751: 971–1027. 67 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 752. 68 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 749. 69 Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 751.

84 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Diesen Nennungen von Beobachtungen einer Supernova im Jahr 1006 stehen als Vergleich jene der Supernova des Jahres 1054 gegenüber. Die Identifizierung der Supernova von 1054 (SN 1054), die als astronomische Geburtshelferin des Krebsnebels (M1, NGC 1952) galt,70 ist nicht ohne Probleme. Der expandierende Überrest dieser Supernova, die im April 1054 im östlichen Teil des Sternbilds Stier zu sehen gewesen sein soll, könnte eine Helligkeit von −6 mag erreicht haben. Im Bereich der optischen Wellenlängen wurde sie erstmals von John Bevis im Jahr 1731 beschrieben. Es handelt sich mit Abstand um die hellsten beobachteten Reste einer Supernova. Das unbekannte Objekt erhielt 1844 von Lord Rosse den Namen „Krebsnebel“ und bereits 1921 identifizierte Knut Lundmark den Krebsnebel als Überreste einer Supernova, deren Licht 1054 die Erde erreicht haben sollte.71 1928 stellte Edwin Hubble fest, dass die Rate der Expansion des Krebsnebels (M 1) auf einen Beginn seiner Ausdehnung vor ungefähr 900 Jahren schließen lässt und sich mit chinesischen Beobachtungen des Auftretens eines „Gaststerns“ im Gebiet des Krebsnebels in Verbindung bringen lassen könnte. Zehn Jahre später wurden japanische Quellenstellen zu diesem Ereignis identifiziert und 1942 stellte der niederländische Orientalist Jan Duyvendak (1889–1954) auf Anregung des niederländischen Astronomen Jan Oort (1900–1992) diese chinesischen und japanischen Quellen zusammen.72 Im gleichen Jahr publizierten Nicholas Mayall und Jan Oort ihre Argumentation, um die Nennungen des Gaststerns mit dem Krebsnebel zu identifizieren.73 Seither war diese Identifizierung innerhalb der Wissenschaft akzeptiert.74 In einer Fußnote hatte aber bereits Oort darauf hingewiesen, dass die Angaben in den chinesischen Quellen den Gast-Stern südöstlich des Sterns ζ-Tauri75 beobachtet haben wollten, der Krebsnebel als mögliche Reste der Supernova 1054 sich aber ein Grad nordwestlich dieses Sterns befindet. Dies führte Anfang der 1970er-Jahre zu fundamentalen Zweifeln an der Identifizierung.76 Die Glaubwürdigkeit der Identifizierung wurde dann 1981 von Williams grundsätzlich in Frage gestellt, als er die beobachtete Richtung und Entfernung des Krebsnebels vom Stern ζ-Tauri und das Datum der Supernova mit der Expansionsrate des Nebels verglich.77 Er bekräftigte 1995 seine Zweifel.78

|| 70 Collins/Claspy/Martin, Reinterpretation (1999), 872: „We begin with the assumption, that the supernova did indeed occur in A.D. 1054, resulting in today’s well-studied Crab Nebula.“ 71 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 46. 72 Duyvendak, Jan: Further data (1942), 91–94, Nr. 318. 73 Mayall/Oort, Further data (1942), 95–104, Nr. 318. 74 McCarthy/Breen, Re-evaluation (1995), 363 f. 75 ζ-Tauri (Zeta Tauri) ist ein Stern im Sternbild Stier mit einer mittleren scheinbaren Helligkeit von 3,0 mag, der rund 400 Lichtjahre entfernt ist. 76 Peng-Yoke/Paar/Parsons, Chinese Guest Star (1972), 1–13. 77 Williams, Supernova of 1054 (1981), 329–349. 78 Williams, Europeans (1995), 28.

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Er schlug vor, „that European records of the event are more to be relied upon than the Chinese records.“79 Jedoch setzte sich die Erkenntnis durch, dass trotz wiederholter Suche keine europäischen zeitgenössischen Sichtungen des Ereignisses gefunden werden konnten, obwohl die Position der SN 1054 am Nordhimmel mit 22 Grad 1 Minute über der Horizontlinie sehr exponiert war.80 Dies verwundert um so mehr, vergleicht man die häufigen Beschreibungen der Supernova von 1006 über Europa. Es ist sogar vorgeschlagen worden, dass der Himmel über Europa in den beiden Jahren von einer vulkanischen Eruption verdunkelt gewesen sein müsste.81 1978 publizierten Brecher, Lieber und Lieber erstmals Exzerpte aus einem arabischen Medizinbuch, in das eine Nachricht von Ibn Buṭlān kopiert war. Letzterer, ein christlicher Arzt aus Bagdad, berichtete von einem spektakulären Stern, der im Sternbild Zwilling im Jahr 446 AH (12. April 1054 bis 1. April 1055) erschienen sei.82 Europäische Sichtungsnennungen in zeitgenössischen Quellen fehlen, aber es wurden einige spätmittelalterliche Erwähnungen gefunden und vorgeschlagen, diese mit der Supernova in Verbindung zu bringen.83 Die Diskussion ist in drei Positionen gespalten, zum einen wird die Identifizierung von SN 1054 als solche bezweifelt,84 demgegenüber versuchten McCarthy und Breen, die bisherige Deutung zu retten und um wenige und sehr späte europäische Belege zu ergänzen.85 Dagegen stehen wiederum Stephenson und Green, welche die bisherige Deutung ohne europäische Sichtungen anhand chinesischer, japanischer und arabischer Quellen bevorzugen.86 Eine historische Lichtkurve aufgrund der Zusammenstellung aller bisher vorgeschlagener historischer Nennungen – ohne kritische Neuinterpretation – haben zuletzt Polcaro und Martocchia vorgelegt.87 Bisher wurden etwa 15 Quellenstellen vorgeschlagen, die mit der Supernova des Jahres 1054 in Verbindung zu bringen wären.88 || 79 McCarthy/Breen, Re-evaluation (1995), 364. 80 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 46–52: „The remnant of this SN – known as the Crab Nebula (G184.6-5.8) – has attracted more attention among radio and X-ray astronomers than any other SNR. Not only is the remnant, which contains a pulsar, fairly bright at optical wavelengths, it is a powerful emitter of both radio waves and X-rays. The SN, which occurred in Taurus, was extensively recorded in both China and Japan. It was also briefly mentioned in a Constantinople source. Following a brief period of daylight visibility, the star was only lost to view after twenty-one months. Both Chinese and Japanese records assert that the SN was within about 1 deg of zeta Tau. The only nearby SNR is the Crab Nebula itself. Although several records state that the SN was a little to the SE of zeta Tau, the Crab Nebula lies to the NW of this star. However, these records share a common source and the directional problems are not insurmountable.“ 81 McCarthy/Breen, Re-evaluation (1995), 364. 82 Brecher/Lieber/Lieber, Near-Eastern Sighting (1978), 728–730. 83 Guidoboni/Marmo/Polcaro, Supernova (1992), 24–35. 84 Guidoboni/Marmo/Polcaro, Do we need to redate (1994), 623–637. 85 McCarthy/Breen, Re-evaluation (1995), 363–379. 86 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 46–52. 87 Martocchia/Polcaro, GRB 080319b (2010), 242–245; Polcaro/Martocchia, Supernovae (2005). 88 Im Lexikon des Mittelalters werden „acht chinesische und eine arabische Quelle“ genannt. Vgl. Locher, Supernova (1997), 327.

86 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Fünf chinesische Quellen (Wenxian Tongkao, Xu Zizhi Tongjian Changbian, Song Huiyao, zwei Nennungen bei Song Shi, Qidan Guozhi), drei japanische (Meigetsuki, Ichidai Yoki, Dainihonshi), eine arabische, eine armenische und fünf europäische Nachrichten. Diese Quellen werden im Folgenden einzeln vorgestellt. In den Aufzeichnungen der Song-Dynastie wurde erwähnt, dass der Gaststern am 17. April 1056 nicht mehr sichtbar war. Je zwei Beobachtungen aus der Song-Dynastie (4. Juli und 27. August 1054, jeweils Stern leuchtend wie die Venus) und aus Japan (im späten Mai als „sehr heller Stern“ und im Juni 1054 als „neuer Stern wie Jupiter“) sind überliefert. In arabischsprachigen Quellen werden, wie bereits erwähnt, die Beobachtungen von Ibn Butlan, eines christlichen Arztes, der sich in al-Fusṭāṭ/Kairo aufhielt, als Sichtung der Supernova interpretiert: Er berichtet zum 11. April 1054 von einem Stern.89 In seinem um 1242 verfassten Werk „ʿUyūn al-anbāʾ“ kompilierte Ibn Abī Uṣaibiʿa (1194–1270) den Bericht von Ibn Buṭlān wie folgt: „Ich, Ibn Abī Uṣaibiʿa, habe das Folgende vom Eintrag seiner eigenen [Ibn Buṭlāns] Hand kopiert. Er sagt: ‚Eine der bekannten Epidemien unserer Zeit ist jene, die geschah, als der spektakuläre [aẓharī] Stern [kawkab] im Sternbild Zwillinge erschien im Jahr 446 AH [12. April 1054–1. April 1055]. Im Herbst dieses Jahres wurden 14.000 Menschen (…) in Konstantinopel beerdigt (…) Als dieser spektakuläre Stern im Sternzeichen Zwilling erschien, verursachte es den Ausbruch einer Epidemie in al-Fusṭāṭ [Alt-Kairo]. Der Nil stand niedrig, zur Zeit seines Erscheinens im Jahr 445 AH [23. April 1053–11. April 1054].“90 Ein Eintrag, der schon länger mit der Supernova des Jahres 1054 in Verbindung gebracht wird,91 ist in der armenischen Chronik von Hetum Patmich (1235–1314) enthalten, einem Chronisten des späten 13. Jahrhunderts, der auch westeuropäische Chroniken kompilierte. Seine Chronik reicht vom Jahre 1 bis 1294. Der Eintrag lautet: „1048 AD. Es war das 5. Jahr, der 2 Monat und der 6. Tag von Papst Leo in Rom. Robert Guiskard erreichte Rom und belagerte die Tiburtinische Stadt. Dort gab es Hunger in der ganzen Welt. In diesem Jahr erschien ein heller Stern im Zirkel des Mondes als Neumond war, am 14. Mai, in der ersten Hälfte der Nacht.“92 2012 hat Gurzadyan bei einer Neuübersetzung herausgestellt, dass Hetums Chronik und die Cronaca Rampona eine gemeinsame Quelle haben müssen, da einige beschriebene Details (Tiburtina, Mond) aus Westeuropa stammen könnten. Um diese Quelle zu identifizieren, muss jedoch zunächst der Eintrag in der Cronaca Rampona betrachtet werden.93 Es handelt sich um ein vergleichsweise spätes Zeugnis in einer Chronik des 15. Jahrhunderts: stella clarissima in circuitu prime lune ingressa est, 13 Kalendas in nocte initio.94 Die entscheidenden Teile der Nachricht sind wörtlich (stella clarissima in circuitu || 89 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 47. 90 Brecher/Lieber/Lieber, Near-Eastern Sighting (1978), 728–730. 91 Astapovich, Earliest observations (1974), 6–8. 92 Gurzadyan, Supernova of 1054 (2012), 338. 93 Damian-Grint, Cronaca Rampona (2013). 94 Albano Sorbelli, Corpus Chronicorum Bononiesium. Ed. Muratori, 464 f.

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prime lune ingressa est XIII. Kall … in noctis initio) in der „Chronik der Kaiser und Päpste“ des Albertus de Bezanis,95 die dieser zwischen 1363 und 1400 verfasste, zum Jahr 1083 eingetragen.96 Albertus Vorbild war wiederum die „Chronik der Päpste und Kaiser“,97 die Martin von Troppau zwischen 1268 und 1277 verfasst hatte. Darin findet sich wörtlich die identische Nachricht, die hier zum Jahr 1057 eingetragen ist.98 Der bis auf das Datum wortgleiche Eintrag ist auch in der Baseler „Chronik der Päpste und Kaiser“ enthalten, die im 13. Jahrhundert aufgrund der Chronica pontificum et imperatorum Tiburtina und der Chronik Martins von Troppau verfasst wurde,99 hier zum Jahr 1086 gestellt. Dies scheint das ursprüngliche Jahr gewesen zu sein, denn die Einträge aller genannten Chroniken dürften auf die Annales Cavenses zurückgehen, wo zum Jahr 1086 eingetragen wurde: „Am 17. Februar zu Beginn der Nacht erschien ein sehr heller Stern im Kreis des Neumonds.“100 Stephenson und Green konnten 2003 durch Berechnung nachweisen, dass am 17. Februar 1086 die Venus etwa eine halbe Stunde vom Mond bedeckt gewesen ist.101 Die bisher herangezogene Nachricht in der Chronaca Rampona bezieht sich also ursprünglich auf eine Mondbedeckung der Venus im Jahr 1086. Ähnlich stellen es auch die Annalen des Bischofs Romuald von Salerno (1115–1181) zum Jahr 1086102 oder die Annales Ceccanenses103 dar. Umberto

|| 95 Rep. Font. 2, 529. 96 Albertus de Bezanis, Cronica, ad a. 1083. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 3, 15: Anno Domini M° LXXXIII. fames et mortalitas fuit fere in universa terra, et inperator ob*sedit civitatem Tiburtinam die III° mensis Iunii. Eodem vero anno comitissa Mathildis Nonantulam obsedit. Huius tempore stella clarissima in circuitu prime lune ingressa est XIII. Kall (…) in noctis initio (…) Victori pape. 97 Rep. Font. 7, 489; Weber, Chronicon (2013). 98 Martin von Troppau, Chronicon. Ed. Weiland, MGH SS 22, 467: Henricus III. imperavit annis 49 [1057]. Hic primum venit Romam mense Maii die vicesima quinta. [Tunc temporis Rotbertus Viscardus intravit Romam.] Tunc fames et mortalitas fuit fere in universa terra. Et obsedit civitatem Tyburtinam diebus tribus mense Iunii. Tempore huius stella clarissima in circuitu prime lune ingressa est 13. Kal. in noctis inicio. 99 Chronicon pontificum et imperatorum Basileensia, ad a. 1086. Ed. Holder-Egger, MGH SS 31, 290: Henricus imperavit annis X. Hoc anno stella clarissima in circulum prime lune ingressa est III. Kal. Mar. Tempore huius gens Christianorum de toto mundo processit ad sepulcrum Domini duce Boemundo. Qui Ierusalem abstulerunt viriliter Sarracenis. Victor papa sedit an. I. Sol obscuratus est. 100 Annales Cavenses, ad a. 1086. Ed. Pertz, MGH SS 3, 190: Fames et mortalitas maxima fuit. (…) 1086 13. Kal. Martii incipiente nocte stella clarissima in circulum lunae primae ingressa est. 101 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 49 f.: „There is thus excellent accord between observation and computation, and hence confirmation of the accuracy of our interpretation.“ 102 Romoald, Annales, ad a. 1086. Ed. Arndt, MGH SS 19, 411: Eodem anno stella clarissima 13. Kal. Marcii ingressa est in circuitu prime lune. 103 Annales Ceccanenses, ad a. 1085, 1086. Ed. Bethmann, MGH SS 19, 281: 1085. ind. 8. fames et mortalitas maxima fuit. Gregorius papa apud Salernum moritur. Robertus dux moritur. Iordanus fit princeps. Henricus imperavit annis 16. 1086. ind. 9. 13. Kalendas Martii prima hora noctis stella clarissima in circulum lunae prima ingressa est.

88 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Dall’Olmo hat 1980 einen Eintrag in der Chronik des Jacobus Malvecius, eines Chronisten des 14. Jahrhunderts in Brescia, mit der Supernova in Verbindung gebracht,104 allerdings scheint dieser Eintrag ebenfalls auf die Annales Cavenses zurückzugehen.105 Diese Sichtung lässt sich aber deutlich besser mit einer optischen Erscheinung in der Atmosphäre erklären.106 Ebenso geht wohl auch die in Irland zum 24. April 1054 als „glühende Säule“ überlieferte Beobachtung auf eine solche optische Atmosphärenbesonderheit zurück.107 „Als der gesegnete Papst Leo IX. [1049–1054] kurz nach dem Beginn des Baus des besagten Tempels des hl. Petrus im folgenden Jahr am 14. April, am zweiten Tag der Woche, gegen Mittag glücklich in den Himmel verschied, und in dieser Stunde, als seine Seele den Körper verließ, in Rom, wo sein Körper lag, aber auch überall auf der Erde, erschien ein Kreis von ungewöhnlicher Helligkeit im Himmel, für die Zeit von einer halben Stunde. Damit wollte der Herr vielleicht zeigen, dass jener es offenbar wert sei, die Krone der Liebe im Himmel zu empfangen.“108 Dies wurde als Explosionsblitz der Supernova gedeutet, könnte aber auch nur eine Halo-Erscheinung oder eine Venusbedeckung durch den Neumond gewesen sein. Papst Leo IX. starb am 19. April 1054, einem Dienstag. Die von den naturwissenschaftlichen Disziplinen vorgelegten Quellen aus Europa, die als Belege zur Supernova 1054 verstanden wurden, erweisen sich bei genauerer Hinsicht entweder als unzuverlässig oder als falsch datiert.109 In der bisherigen Diskussion ist das Fehlen europäischer Sichtungen mit schlechtem Wetter oder einer Zensur durch die katholische Kirche aufgrund des großen abendländischen Schismas von 1054 gedeutet worden. So hätten der neue Stern

|| 104 Jacobus Malvecius, Chronicon Brixianum. Ed. Muratori, 777–1004: Et diebus illis stella fulgoris immensi intra circulum lunae apparuit circa dies primos post ipsius separationne a sole. 105 Annales Cavenses, ad a. 1086. Ed. Pertz, MGH SS 3, 190: 1085 Fames et mortalitas maxima fuit. (…) 1086 13. Kal. Martii incipiente nocte stella clarissima in circulum lunae primae ingressa est. 106 Vgl. Kap. 2.10 Optische Atmosphärenphänomene. 107 Annals of Tigernach, ad a. 1054. Ed. Stokes, Bd. 1, 395: A steeple of fire was seen at Ros Ela on the Sunday of the feast of St George for the space of five hours of the day, and innumerable black birds passing into and out of it, and one great bird in the midst thereon, and when the little birds would enter the steeple they would come under his plumage. They came forth and lifted the hound that lay amid the town up on high into the air, and they cast him down again, and he straightway died. And three mantles and two shirts they lifted up on high and down again they flungs. Now the wood whereon the birds perched fell beneath them and the oak whereon the great bird sat was a tremble with its roots in the earth. 108 Tractatus des ecclesia S. Petri Aldenburgensi, 3. Ed. Holder-Egger, MGH SS 15.2, 868; Martocchia/Polcaro, GRB 080319b (2010), 242 f.: Qui beatissimus pontifex Leo post initium constructionis prefati templi sancti Petri sequenti anno 18. Kalendas Maii 2, feria 2, circa meridiem feliciter migravit a seculo Et in ipsa hora transitus sui a corpore non solum Romae, ubi corpus eius iacuit, verum etiam in toto orbe terrarum circulus eximiae claritatis hominibus apparuit in caelo per spatium fere mediae horae, Domino fortasse demonstrante, quod ipse coronam inter diligentes se percipere dignus esset in caelo. 109 Collins/Claspy/Martin, Reinterpretation (1999), 879: „(…), while none found so far refer to events in the morning sky of mid-June and beyond. This curious absence still leaves us with a bit of a mystery.“

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und der Tod von Papst Leo IX. als böse Omen nicht genannt werden dürfen.110 Unabhängig voneinander haben dies 1979 Zalcman111 und Thomas112 vorgeschlagen. Der Eintrag mit falscher Jahresangabe (1058) in der Cronaca Rampona lässt sich – und das gilt genauso für den fast gleichlautenden, aber falsch datierten (1048) Eintrag in der armenischen Chronik – über mehrere mit falschen Jahresangaben operierende Chroniken auf die Annales Cavenses zurückführen, die wiederum von den Annalen des Bischofs Romuald von Salerno bestätigt werden. Das beschriebene Ereignis ist demnach als Mondbedeckung der Venus im Jahr 1086 zu identifizieren, die etwa eine halbe Stunde lang dauerte, was auch mit astrophysischen Berechnungen nachgewiesen werden konnte. Damit henadelt es sich nicht um Belege für eine Supernova 1054. Doch auch die astrophysikalischen Beobachtungen führen zu Schwierigkeiten. Mit Hilfe moderner Beobachtungen ist die Entfernung des Krebsnebels mit rund 6.300 Lichtjahren ermittelt worden. Als jedoch die Expansion des Sternnebels zurückgerechnet wurde, erhielt man eine Jahresangabe für dessen Entstehung, die auf mehrere Jahrzehnte nach 1054 verweist. Um diesen Umstand zu erklären, wurde zunächst nicht etwa die Datierung in Frage gezogen, sondern gedeutet, dass sich der Nebel beschleunigt ausgedehnt hätte.113 Die Rückberechungen dauern derzeit an, und je nach mathematischem Verfahren werden unterschiedliche Datierungsvorschläge gemacht. Zuerst hatte Duncan das Jahr 1172 vorgeschlagen,114 Trimble berechnete dann das Jahr 1140.115 1977 wurde das Jahr 1102 +/-7 Jahre errechnet116 sowie zu Beginn der 1990er-Jahre wurde das Jahr 1233 für die Entstehung angegeben und 1257 für dessen „outer edge“.117 Am Ende der 1990er wurde die Zeit neuerdings eingegrenzt, und zwar zwischen „AD 980 and AD 1223, with a mean at around AD 1110.“118 Trotz all dieser unterschiedlichen Datierungsansätze wurde daran festgehalten, das Ankommen der optischen Strahlung der Supernova, die den Krebsnebel verursacht hatte, sei weiterhin in das Jahr 1054 zu datieren. Da die Auflösung und Identifizierung späterer Quellenstellen der Supernova über den Arbeitszeitraum hinausreicht, wird diese Aufgabe künftiger Forschung überlassen bleiben. So sei hier mit der begründeten Annahme geendet, dass die Supernova, deren Expansion die Grundlage für den Krebsnebel bildet, sich kaum auf das Jahr 1054 zurückführen lässt.119

|| 110 Collins/Claspy/Martin, Reinterpretation (1999), 879 111 Zalcman, Great Schism (1979), 55–59. 112 Thomas, Letters (1979), 10. 113 Trimble, Motions and Structure (1968), vi. 114 Duncan, Changes (1921), 179–181. 115 Trimble, Motions (1968), 535–547; dies., Distance (1973), 579–585. 116 Wyckoff/Murray, Proper motion (1977), 717–729. 117 Bietenholz u. a., Expansion (1991), L61. 118 Fesen/Staker, Structure and motion (1993), 71. 119 Der japanische Chronist Azumi Kagami beschrieb es so: „On a Kanenoe-uma day, the twentyfifth day in the sixth month of the fifth year of the Jisho reign-period (7. August 1181) at 19.00-21.00

90 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Während die Supernova von 1006 in neun europäischen, einer arabischen und je sechs chinesischen und japanischen Quellen genannt wurde und dies, obwohl sie in Mitteleuropa nur knapp über der Horizontlinie zu sehen war, verhält es sich mit den Quellen zur sogenannten Supernova von 1054 anders. Die vorgeschlagene Identifizierung der Supernova, deren Explosion den Krebsnebel gebildet haben soll, mit einem in chinesischen Quellen zum Jahr 1054 genannten Gaststern ist nicht durch belastbare Quellen abgesichert. Die vorgeschlagenen Einträge in der spätmittelalterlichen Cronaca Rampona und einer armenischen Chronik lassen sich über mehrere Stationen auf einen Eintrag in den Annales Cavenses zurückführen, der eine Mondbedeckung der Venus am 17. Februar 1086 beschreibt, die sich zudem astrophysikalisch berechnen lässt. Die raren weiteren Einträge in flandrischen oder irischen Annalen können eher als Halo-Erscheinungen gedeutet werden. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der messbaren Ausbreitungsgeschwindigkeit der Beginn der Expansion des Krebsnebels mittlerweile auf einen Zeitpunkt zwischen 1110 und 1257, also mehrere Jahrzehnte nach 1054, berechnet und datiert wird. Die plötzlich auftretende und helle SN 1006 ließ sich als eine sehr eindrucksvolle astronomische Lichterscheinungen leicht mit der Apokalypse assoziieren, koinzidierte sie doch mit einer der akutesten Hungersnöte zu Beginn des 11. Jahrhunderts.120 Demgegenüber lässt sich die seit knapp 90 Jahren vermutete SN 1054 nicht im 11. Jahrhundert belegen und gehört vermutlich ins 12. oder gar erst ins 13. Jahrhundert. Die sehr eindrucksvollen Leuchterscheinungen der unbeweglichen Supernovae wurden von den Zeitgenossen aufgrund ihrer plötzlichen großen Helligkeit als neue Sterne interpretiert. Die Echtheit einer in der Vergangenheit sichtbaren Supernova gilt heute erst als gesichert, wenn an der Himmelsposition der messbare Überrest einer entsprechenden Explosion festgestellt werden kann. Für die Untersuchungszeit sind zwei Supernovae in den Jahren 1006 und 1054 vermutet worden, von denen sich aber lediglich die SN 1006 nachweisen lässt, die als eine eindrucksvolle Lichterscheinungen von den Zeitgenossen mit der Apokalypse assoziiert wurde, da sie mit einer akuten Hungersnot zu Beginn des 11. Jahrhunderts koinzidierte. Demgegenüber ließ sich die Supernova von 1054 nicht im 11. Jahrhundert belegen und ist später zu datieren.

|| hours a ‘guest star’ appeared in the NE direction. (Like) Saturn its color was blue-red, and it also had pointed rays. No other such apparition was seen since the appearance (of the guest star) in the third year of the Kanko reign-period (1006).“ Vgl. Goldstein/Peng-Yoke, 1006 Supernova (1965), 751. 120 Vgl. Kap. 4.3.5 Hungersnöte im 11. Jahrhundert.

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2.2 Kometen Ein Komet, von χομήτης (= der langes Haar Tragende), ist ein kleiner Himmelskörper, der sich auf einer elliptischen Bahn um die Sonne bewegt und bei seiner Annäherung an das Zentralgestirn beginnt, die in ihm enthaltenen flüchtigen Substanzen freizusetzen, wodurch er zu leuchten beginnt.121 Je nach Bahnlänge können Kometen in wiederkehrenden Phasen beobachtet werden. Einer der bekanntesten Kometen ist der nach Edmond Halley (1656–1742) benannte Himmelskörper, der bereits seit 240 v. Chr. wiederholt dokumentiert wurde und für den die Daten seines Erscheinens aufgrund seiner Bahndaten kalkuliert122 werden konnten. Bereits Lucius Aennaeus Seneca zählte Kometen zu den Himmelskörpern.123 Einen umfassenden Katalog der antiken Kometensichtungen von 500 v. Chr. bis 400 n. Chr. hat John T. Ramsey,124 einen Katalog für Antike und Mittelalter Ichiro Hasegawa vorgelegt und aktualisiert.125 In seinen vier Bänden, von denen der erste den Untersuchungszeitrahmen dieser Arbeit tangiert,126 vergleicht Gary W. Kronk zum einen die Bezüge zwischen der Erwähnung zeitgenössischer Sichtungen und den Nennungen späterer Autoren, zum anderen die Verhältnisse zwischen den Nennungen in asiatischen und europäischen Quellen. Weiterhin gehen Isabelle Draelants127 und Tofigh Heidarzadeh128 ausführlich auf die Kometen im Früh- und Hochmittelalter ein. Auch für die Quellen aus dem arabischsprachigen Raum sind einige Kataloge über Meteorschauer, sogenannte „Gaststerne“ und „Sungrazer“ vorgelegt worden. Insgesamt sind an Aufstellungen zu nennen: neben Dall’Olmo zu den europäischen Quellen129 oder Rodgers zu byzantinischen130 vor allem der Katalog von Rada und Stephenson131 sowie dessen Berichtigungen durch Kidger132 und Hasegawa133, eine neuerliche Zusammenstellung von Cook134 sowie die Ergänzungen und Korrekturen von Basurah135. Eine Zusammenstellung der sicher identifizierten Kometen bietet Seargent,136 einen allgemeinen

|| 121 Gürtler/Dorschner, Sonnensystem (1993), 32, 207–209. 122 Kiang, Past orbit (1972), 27–66; korrigiert von Broughton, Visibility (1979), 24–36. 123 Gürtler/Dorschner, Sonnensystem (1993), 32. 124 Ramsey, Catalogue (2007), 175–198. 125 Hasegawa, Orbits (1979), 257–270; ders., Approximate Orbits (2002), 1091–1099. 126 Kronk, Cometography (2000). 127 Vgl. Draelants, Éclipses (1995), 54–56. 128 Heidarzadeh, History (2008). 129 Dall'Olmo, Meteors (1978), 123–134. 130 Rodgers, Byzantine Records (1952), 177–180. 131 Rada/Stephenson, Catalogue (1992), 5–16; Stephenson, Historical Eclipses (1997). 132 Kidger, Some Comments (1993), 331–334. 133 Hasegawa, Further Comments (1996), 78: „Leonid meteors in 935 (…) and Perseids in 1066 (…).“ 134 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 131–160. 135 Basurah, New additional material (2013). 136 Seargent, Greatest Comets (2009).

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Überblick über die kosmischen Erscheinungen Newton137 und einen solchen bezüglich der karolingischen Epoche Dutton.138 Zu den Wirkungen des Wiedererscheinens des Kometen Halley im Jahr 374 auf Augustinus gibt es eine kurze Detailstudie, auf die hier nicht weiter eingegangen wird, da sie außerhalb der Untersuchungszeit liegt.139 Eine toposhafte Darstellung von Kometen und hellen Sternen ist nicht ausgeschlossen, und wird auch im Kontext meist schnell klar, wie in einem Brief Alcuins an der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert140 oder in der Vita Droctovei.141 Die Beobachtungen von Veränderungen am Himmel werden aber häufig so dargestellt, als wären sie Vorboten von anderen Ereignissen wie Herrscherwechsel, Hungersnöten oder Epidemien gewesen, selbst wenn dafür die Chronologie verfälscht werden musste.142 Bemerkenswerterweise haben die beiden zentralen Religionen des Mittelalters – Christentum und Islam – gerade das Erscheinen von sich bewegenden „Sternen“ als festen Bestandteil in ihren jeweiligen Gründungsmythen verankert. Der sprichwörtliche Stern von Bethlehem, der sich über den Himmel bewegt und so den weisen Sterndeutern die Richtung weist, markiert den himmlischen Anfang der Menschwerdung Jesu und damit des christlichen Glaubens.143 Und auch bei der Offenbarung Allahs an Mohammed, der damit zum Propheten wird, ist eine Passage mit Bezug zu Meteorströmen und Kometen bezeugt. Vorbild für diese Offenbarung Mohammeds gegen 610 könnte das Wiedererscheinen des Kometen Halley im Jahr 607 gewesen sein.144 Für antike Autoren wie Anaxagoras (499–428 v. Chr.) waren Kometen Planetenkonjunktionen, für Aristoteles (384–322 v. Chr.) Ausdünstungen heißer, trockener Dämpfe der von der Sonne erhitzten Erde.145 Und Vergil (70–19 v. Chr.) bedauerte,

|| 137 Newton, Medieval Chronicles (1972). 138 Dutton, Carolingian Kings (2004), 93–128. 139 Ferrari, Halley’s comet (1977), 139–150. 140 Alcuini Epistolae, 287, ad a. 793–804. MGH Epp. 4, 446: Sine reprehensione estote omnibus, et luceat lux vestra in medio nationis perbarbarae, quasi clarissima stella in occidua caeli parte. 141 Vita Droctovei abbatis Parisiensis, 5. Ed. Dümmler, MGH SS rer. Merov. 3, 538 f.: Inter agmina christicolarum, quorum dogmate edocta et pio exemplo illustrata fulget, ut sole luna, sancta mater ecclesia, conspicuus nitet beatissimus Droctoveus velut clarissima stella, cuius iubare obumbrantur cetera astra. 142 Vgl. Kap. 5.1. Topoi, Prodigien und Wunderberichte. 143 Mt 2,1 und 9–11: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten. (…) Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. 144 Vgl. Cook, Survey of Muslim Material, (1999), 134. 145 Vgl. Gundel, Kometen (1921), 1143–1194; Samsó Kometen (1991), 1276 f.

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dass „niemals so oft grauenvolle Kometen brannten“ wie zu seiner Zeit, die er als Vorboten des Bürgerkriegs, der auf Caesars Tod folgte, ansah.146 Der Komet (sidus Iulium), der auf den Tod Cäsars folgte, wurde auch von Sueton als Vorbote von Schrecken gedeutet.147 Mit dem Tod des Herrschers und dem Wechsel der Herrschaft wurden viele der darauf folgenden Kaisertode in Verbindung gebracht. Kometen erschienen, nach Cassius Dio (~163–229) beim Tod von Augustus, nach Suetons (70–122) Herrscherbiografien148 beim Tod von Claudius,149 oder nach Tacitus (~58–~120) Annalen150 beim Tod Neros. Beim Tod Vespasians, der von Cassius Dio151 und Sueton152 mit Kometen in Verbindung gebracht wurde, erlaubte sich letzterer Witze über den behaarten Stern und die Glatze von Vespasian, weshalb der Komet wohl nicht als Vorbote für Vespasian zu gelten habe, sondern für den König der Parther, die ihr Haar lang trügen.153 Kometen galten als Symbole guter wie schlechter Vorbedeutung. Nach Lucanus (39–65) werden durch die Kometen die Königreiche auf der Erde verändert.154 Wie zu erwarten, findet sich auch in den Etymologiae155 und der Naturgeschichte des Isidor von Sevilla (560–636)156 ein Eintrag zu Kometen, in dem die antiken Vorstellungen aufgegriffen werden, nach denen das Erscheinen eines Kometen einen Regierungswechsel, Seuchen oder Kriege ankündigen konnte.157 Dies wurde inhaltlich

|| 146 Verg. Georg. 1, 488: Fulgura nec diri totiens arsere cometae; vgl. Dutton, Carolingian Kings (2004), 105. 147 Suet., Caes. 88. 148 Suet., Claud. 46. 149 Cass. Dio 56, 29. 150 Tac., ann. 14, 22, 1: Inter quae et sidus cometes effulsit, de quo uulgi opinio est, tamquam mutationem regnis portendat. 151 Cass. Dio 66, 17, 2. 152 Suet., Vesp. 23. 153 Vgl. Steiner, Remarks (2011), 45 Anm. 45. 154 Lucan. 1, 529: Sideris et terris mutantem regna cometen. 155 Isidor von Sevilla, Etymologiarum libri, 3, 71, 16–17. Ed. Lindsay, Bd. 1; Isidoro, Etimologie, Ed. Leonardi: Cometes stella est dicta eo quod comas luminis ex se fundat. Quod genus sideris quando apparuerit, aut pestilentiam, aut famem, aut bella significat. Cometae autem Latine crinitae appellantur, quia in modum crinium flammas spargunt; quas Stoici dicunt esse ultra triginta, quarum nomina et effectus quidam Astrologi scripserunt. 156 Vgl. Kindermann, Isidor von Sevilla (2005), 273–290. 157 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 26, 13. Ed. Fontaine, 272–275: Cometes stella est que uelut comas luminis es se fundit. Haec cum nascitur, aut regni mutationem fertur ostendere, aut bella, pestilentias surgere. De qua Prudentius ait: Tristis cometa intercidit. Et Lucanus: Et terris mutantem regna cometem. Et Vergilius: nec diri totiens arsere cometae. Genethliatici autem omnes stellas erraticas quibusdam temporibus cometas fieri dicunt et, prout cuique sunt motus, ita secunda uel aduersa portendere; vgl. auch Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 519.

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auch von Beda Venerabilis übernommen,158 dessen Eintrag fast wörtlich auf der Naturalis historia des älteren Plinius aufbaut.159 In der Antike und im Frühmittelalter überwog also die negative Konnotation des Erscheinens eines Kometen. Auch Gregor von Tours widmete sich ausführlich der Definition der Kometen und schrieb: „Dieser Stern wird von mehreren Gelehrten Komet genannt. Nicht immer, aber meistens erscheint er entweder beim Tod eines Königs oder wenn ein Gebiet von einer Katastrophe heimgesucht wird. Man erkennt und deutet ihn folgendermaßen: Wenn sein Kopf mit einem leuchtenden Diadem als Schweif erscheint, kündigt er den Tod eines Königs an; wenn er aber gleichsam ein Schwert trägt, rot leuchtet oder einen dunklen Schweif wirft, zeigt er großen Schaden für die Heimat. So nämlich erschien er auch vor der Pest im Arvernerland und schwebte ein ganzen Jahr lang über der Region (…). Und auch bevor König Sigibert starb, zeigte er sich vielen mit seinem Schweif.“160

Die zitierte Pest beschrieb Gregor ausführlich an anderer Stelle.161 Rohr wies darauf hin, dass Gregor den Kometen beim Tod Sigiberts vermutlich nicht selbst gesehen hat.162 Gregor hat seiner Beschreibung anscheinend eine eigenhändige Zeichnung mitgegeben, die den Charakter der Kometen als leuchtender Punkt mit einem gerichteten Schweif gut erkennen lässt. Ein Jahrhundert später lieferte Beda Venerabilis (673/674–735)163 eine ganz ähnliche Definition, die stärker die Deutung von Aristoteles zu berücksichtigen scheint, denn auch hier wird die Hitze thematisiert: „Kometen sind entflammte haarige Sterne, die wiederholt erscheinen, um einen Umsturz der Königsherrschaft oder Seuchen, Kriege, Stürme oder sogar Hitze vorherzusagen“.164 || 158 Beda Venerabilis, De Natura rerum, 24. Ed. Jones, 216: De cometis: Cometae sunt stellae flammis crinitae, repente nascentes, regni mutationem, aut pestilentium, aut bella, aut ventos aestusque potendentes. Quarum aliae moventur errantium modo, aliae immobiles haerunt. Omnes ferme sub ipso septentrione, aliqua eius parte non certa sed maxime in candida quae lactei circuli nomen accepit. Brevissimum quo cernerentur spatium septem dierumadnotatum est, longissimum LXXX. Sparguntur aliquando et errantibus stellis ceterisque crines. Sed cometes numquam in occasura parte coeli est. 159 Vgl. Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 519 Anm. 13. 160 Gregor von Tours, De cursu stellarum ratio, 34. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 1.2, 419 f.; Rohr, Naturerscheinungen (2003), 76 f.: Haec stella comitis vocatur a plerisque peritis. Non omni tempore, sed maxime aut in obitu regis aut in excidio a apparet regionis. Qualiter ergo intellegatur, haec est ratio. Cum capud crinitum deadimate apparuerit fulgorans, regalem adnuntiat letum; si autem gladium ferens, rutilans, cum negrore sparserit comas, patriae monstrat excidium. Sic enim et ante pestilentia Arvernae regionis apparuit, pendens per annum integrum super regionem illam. Quod enim has proferat tristitias, Prudentius cum de nativitatis dominicae stella prudenter dissereret, haec in hymno sanctae Epyphaniae ait: Tristis comita intercedat, / Et sicut astrum sibi / Offeruerit vapore, iam Dei / Sublucendis tractu cadat. // Nam et priusquam Sigibertus rex obierit, crinita multis apparuit. 161 Gregor von Tours, Historia Francorum, 4, 31. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 1.2, 153; vgl. Kap. 4.4. Epidemische Erkrankungen beim Menschen. 162 Rohr, Naturerscheinungen (2003), 77 Anm 51. 163 Bacht, Beda Venerabilis (1980), 1774 f. 164 Beda Venerabilis, De Natura rerum, 24. Ed. Jones, 216: Cometae sunt stellae flammis crinitae, repente nascentes, regni mutationem, aut pestilentiam, aut bella, vel ventos, aestusve portendentes.

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Auch Hrabanus Maurus (780–856) hat in seinem Werk De computo eine kurze Beschreibung eines Kometen überliefert.165 Hrabanus könnte als Vorlage die beschriebene Stelle der Deutung aus Bedas De natura rerum (24, 2) genutzt haben. Zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert hat eine deutliche Erweiterung des Deutungsspektrums der Kometenerscheinung stattgefunden,166 denn das Auftreten eines Kometen wurde nun auch mit guten Zeichen in Verbindung gebracht, wie es beim Stern von Bethlehem zwar in der Bibel seinen Ausdruck fand, aber bis dahin nicht so gedeutet wurde. Ein erster Schritt auf dem Weg hin zu einer Umdeutung könnte auf die Darlegungen des Johannes von Damaskus († 750) zurückgehen: „Es erscheinen aber oft auch Kometen, gewisse Zeichen, die den Tod von Königen ankündigen. Diese gehören nicht zu den von Anfang geschaffenen Gestirnen [Urgestirnen], sondern sie entstehen durch den göttlichen Befehl genau zur festgesetzten Zeit und lösen sich wieder auf. Es befand sich ja auch der Stern, der zur Zeit der unseretwegen im Fleische erfolgten, menschenfreundlichen und heilbringenden Geburt des Herrn von den Magiern gesehen ward, nicht unter den am Anfang geschaffenen Gestirnen. Das erhellt daraus, dass er seinen Lauf bald von Aufgang nach Untergang, bald von Norden nach Süden nahm, dass er bald sich verbarg, bald sich zeigte. Denn das liegt nicht in der Ordnung oder Natur der Gestirne.“167

Johannes von Damaskus wies zwar darauf hin, dass auch die Geburt Jesu mit dem Erscheinen eines Kometen verbunden ist, die negative Deutung der Kometen überwand er aber noch nicht vollkommen. Eine weitere wichtige Station auf dem Weg von der antiken Negativdeutung hin zu einer positiveren ist in der Deutung des Kometen Halley im Jahr 837 zu finden. Zunächst stellte Abt Lupus von Ferrières in einem Brief fest, dass nicht alle Kometen zu Desastern führen, da schon in der Antike die Erhabenheit von Mithridates durch eine beeindruckende Kometensichtung angekündigt wurde.168 Einhard, ein Freund des Lupus, stellte dann fest, dass in der Bibel das Erscheinen des Sterns von Betlehem die Geburt Christi angekündigt habe und damit ein Komet etwas Gutes vorhergesagt habe.169 Obwohl Einhard für die Kometenerscheinung des Jahres 837 noch eine negative Deutung bevorzugte, scheint damit die Bedeutungserweiterung von Kometensichtungen begonnen zu haben. Kometen konnten künftig nicht nur als Boten für ein Ende des schlechten Herrschers, sondern auch als Vorboten für den Beginn eines guten neuen Herrschers gedeutet werden. Als im ausgehenden 10. Jahrhundert die Autoren der Quedlinburger Annalen und Thietmar

|| 165 Hrabanus Maurus, Liber de computo, 52. Ed. Stevens, 262 f.: Cometae quoque sunt stellae flammis crinitae repente nascentes, regni mutationem aut pestilentiam aut bella uel uentos aestusque portendentes. Vgl. Dutton, Carolingian Kings (2004), 105. 166 Rodulfus Glaber, Historiarum libri, 1, 5, 26. Ed. Prou, 24 f.; Ed. France/Bulst/Reynolds, 44 f. 167 Johannes von Damaskus, Expositio fidei, 2, 7. Ed. Steinhofer, 56–64. 168 Iust. 37, 2. 169 Mt 2,2.

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von Merseburg (Chron. 4, 8) die Herausgabe Ottos III. in Rohr an seine Mutter Theophanu nach dem gescheiterten Usurpationsversuch Heinrichs des Zänkers schilderten, nutzten sie die Koinzidenz einer Kometensichtung und deuteten sie positiv: „Da leuchtete am hellen Tage strahlend der Stern des von Gott vorherbestimmten Herrschers, und alle sahen ihn.“ Im 11. Jahrhundert dachte Rudolf Glaber über Kometen nach: „Ob ein Komet ein neuer Stern ist oder ein bestehender, dem Gott mehr Licht zuteilt, weiß nur er selbst in seiner Weisheit. Überaus wahrscheinlich ist es jedoch, dass bald nach dem Erscheinen eines solchen Zeichens ‚etwas Wunderbares und Schreckliches‘ geschieht.“170 Dieser zweite Abschnitt der Deutung zeigt klar die Bedeutungserweiterung, welche zuvor stattgefunden hatte. Insgesamt ist dieser Umdeutungsprozess spätestens mit dem erneuten Erscheinen des Kometen Halley im Jahr 1301 abgeschlossen, denn um 1304 stellte Giotto di Bondone in seiner „Anbetung der Weisen“ den Kometen einzig als Verkünder eines guten Neubeginns dar. Neben seiner besonderen Form ist die schnelle relative Bewegung eines Kometen über das Firmament des Himmels hervorzuheben. Dies stellt auch eine deutliche Abgrenzungsmöglichkeit der Beschreibung zu den stationären Erscheinungen der plötzlich auftretenden und wieder verschwindenden Supernovae dar. Solche Unterscheidungen werden insbesondere, bei der Beschreibung des Auftretens des Kometen Halley im Jahre 837, wichtig, als kurz nach dem Verschwinden des Kometen das Licht einer Supernova am Himmel aufleuchtete. Diese beiden astronomischen Ereignisse wurden vom Zeitgenossen „Astronomus“ zu einer Beschreibung verdichtet, die aber so genau ist, das wir in der Lage sind, beide Ereignisse wieder voneinander zu trennen.171 In arabischen Handschriften des 11. Jahrhunderts haben sich schematische Zeichnungen von Kometen erhalten. Die Beschreibung scheint sich dabei stark am Modell von Aristoteles mit Bezug zu den heißen Dämpfen zu orientieren, denn es wird ein Bezug zu Feuer hergestellt. Der Autor des „Buches der Kuriositäten“ definiert Kometen folgendermaßen: „Wenn der Komet bekannt als ‚Die Lampe‘ im Osten erscheint, ist dies ein Zeichen für eine große Hungersnot in der Gegend, Feuer, Bürgerkrieg, Blutvergießen und ein Übermaß an Blitzen. Er ist auch Vorbote von Feuern unbekannter Ursache, die Wälder und bewohnte Regionen zerstören, Häuser von Königen in Flammen setzten – besonders die sie für sich selbst errichtet haben –, die Ernte verderben, Quellen und Flüsse austrocknen und die Hitze bis an den Horizont tragen. Und es gibt besonders viele Sternschnuppen. Wenn dieser Komet im Westen erscheint und im Süden, ist dies ein Zeichen für einen Bürgerkrieg, der mitten in dem Gebiet ausbricht, in dem

|| 170 Rodulfus Glaber, Historiarum libri 3, 3, § 9. Ed. Prou, 60; Fichtenau, Lebensordnungen (1984), 418. 171 Ashley, What did Louis the Pious (2013), 27–49.

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der Komet erscheint, und der Grausamkeit, Kriege und verdorbene Ernten im Westen mit sich bringt.“172

Ähnlich wie die europäischen Chronisten unterschied der anonyme Autor verschiedene Deutungen der auftretenden Kometen. Dies könnte der Erfahrung entspringen, dass mit dem Auftreten eines Kometen in der Vergangenheit nicht zwangsläufig ein Herrscherwechsel einhergegangen oder ein anderes schlimmes Ereignis aufgetreten ist, auch wenn die Zeitgenossen dies explizit erwartet hatten. Die Kometen wurden demnach als neu auftauchende, sich bewegende und wieder verschwindende Sterne wahrgenommen und seit der Antike als Vorboten mit dem Herrscherwechsel oder Katastrophen in Verbindung gebracht. Zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert hat aber eine deutliche Erweiterung der Deutung von Kometenerscheinungen stattgefunden, indem diese von den Zeitgenossen auch mit einer guten Vorbedeutung in Verbindung gebracht werden konnten. Ab dem 8. Jahrhundert wurde im Zusammenhang mit Kometensichtungen der Stern von Bethlehem zitiert, aber noch nicht positiv besetzt gedeutet. Während für Einhard im Jahr 837 noch die negative Konnotation überwog, stand bei Rudolf Glaber im 11. Jahrhundert bereits die positive Bedeutung im Vordergrund. Spätestens mit dem Erscheinen des Kometen Halley im Jahr 1301 scheint dieser Umdeutungsprozess abgeschlossen gewesen zu sein. Die weitere chronologische Ausdifferenzierung gerade auch im Verlauf der Reformation bedarf einer künftigen Untersuchung.

2.2.1 Der Komet 1P/Halley Bei der weiteren Betrachtung der beobachteten Kometen muss zunächst der berühmteste kurz herausgestellt werden, der nach Edmond Halley (1656–1742) benannte Komet „1P/Halley“.173 Da dieser sehr lichtstark ist und im Mittel alle 75,32 Jahre wiederkehrt, konnte er in der hier untersuchten Zeitspanne zwischen 500 und 1100 acht Mal von der Erde aus mit bloßen Augen beobachtet werden: so im Herbst 530, im Frühjahr 607, im Herbst 684, im Frühjahr 760, im Frühjahr 837, im Sommer 912, im Herbst 989 und im Frühjahr 1066.174 An diesen Daten war eine Sichtbarkeit von jeweils zwischen 29 und 77 Tagen gegeben. Die folgende Aufstellung der Kometensichtungen zeigt diese acht Mal in chronologischer Reihenfolge geordnet.175 Mittlerweile gibt es von astronomischer Seite

|| 172 Zitat aus dem anonymen Kitāb Ġarāʾib al-funūn wa-mulaḥ al-ʿuyūn (Buch der Kuriositäten), zusammengestellt um 1020–1050, Oxford, Bodleian Library, MS Arab. 90, fol. 14 a (12.–13. Jh.). Zit. nach Edson/Savage-Smith/von den Brincken, Mittelalterlicher Kosmos (2011), 38. 173 Vgl. Gürtler/Dorschner, Sonnensystem (1993), 215–219. 174 Broughton, Visibility of Halley’s comet (1979), 25; Kiang, Past orbit of Halley’s comet (1972), 34. 175 Hunger/Stephenson, Halley's comet (1985).

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auch genaue Modelle, um die präzisen Daten zu berechnen, an denen der Komet 1P/Halley zu sehen war.176 Neben dem Kometen 1P/Halley gibt es natürlich eine ganze Reihe andere Kometen, die beobachtet wurden. Diese anderen Kometensichtungen sind hier im Folgenden zweiten Teil ebenfalls chronologisch geordnet betrachtet. In diese Betrachtung sind auch die sogenannten Sungrazer (Sonnenstreifer) eingeordnet, also Kometen, die während ihres Perihels der Sonne sehr nahe kommen.177 Dies sah für Zeitgenossen besonders dramatisch aus, wenn es denn mit bloßem Auge überhaupt zu sehen war. Zunächst also zu den Sichtungen des halley‘schen Kometen während der Untersuchungszeit: Die Sichtung des Kometen 1P/Halley ab dem 24. September im Jahre 530178 scheint ausschließlich in chinesischen Quellen belegt zu sein.179 Für das Jahr 607 ist das Erscheinen des Kometen Halley mit der größten Annäherung an die Erde am 14. März berechnet worden.180 Als der Komet sich näherte, erreichte er eine sehr große Annäherung an die Erde mit 0,09 AE (~13,5 Mio. km),181 hätte also eigentlich sehr gut zu sehen gewesen sein müssen. Deshalb überrascht es, dass kaum Quellen dieses Erscheinen des Kometen erwähnten. Die irischen Chroniken, die das Geschehen am Himmel sonst sehr genau beschreiben, haben zum Jahr 607 überhaupt keinen Eintrag.182 Auch die Überlieferung bei Paulus Diaconus ist merkwürdig, so beschreibt er zum Jahr 606, dass sich im April und Mai ein sogenannter Komet am Himmel zeigte und erneut einer im November und Dezember gesichtet wurde,183 zum Jahr 607 wird aber nichts Derartiges berichtet. Deshalb ist zu vermuten, dass in den zum Jahr 606 genannten Kometen eine Beschreibung des Kometen Halley enthalten ist. Auch bei der oben bereits kurz genannten Beschreibung der Offenbarung Allahs an Mohammed im Jahr 610 im Koran, seinem Initiationsvorgang zum Propheten, ist eine Passage mit Meteorströmen und Kometen enthalten, für die das Erscheinen des Kometen Halley im Jahr 607 das Vorbild gewesen sein könnte.184 Die nächste Sichtung des Kometen 1P/Halley am 28. September des Jahres 684185 ist zwar in der im Jahr 1493 erschienenen Nürnberger Chronik im Druck abgebildet; eine detaillierte Untersuchung der Grafik und der Skizzen hat aber ergeben, dass das

|| 176 Yeomans/Kiang, Long-term motion (1981), 633–646. 177 England, Early Sungrazer Comets (2002), 13–28. 178 Broughton, Visibility of Halley’s comet (1979), 25; Kiang, Past orbit of Halley’s comet (1972), 34. 179 Yeomans/Kiang, Long-term motion (1981), 633–646. 180 Kiang, Past orbit of Halley’s comet (1972), 34. 181 Vgl. Yeomans/Kiang, Long-term motion (1981), 642. 182 Chronicle of Ireland. Ed. Charles-Edwards, 125. 183 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 32–33. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 127: Tunc etiam mense Aprili et Maio apparuit in caelo stella quam cometem dicunt. (…) Rursum mense Novembrio et Decembrio stella cometis apparuit; vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 238–241. 184 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 134. 185 Kiang, Past orbit of Halley’s comet (1972), 34.

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Druckbild mehrfach verwendet wurde und eher schematisch ist, also nichts mit dem tatsächlichen Anblick von 684 zu tun hat.186 Das ist bei einem zeitlichen Abstand zwischen Ereignis und Abbildung von mehr als 800 Jahren auch nicht weiter verwunderlich. Als der Komet Halley im Jahr 684 erschien, war er anscheinend nicht allein. Beim Vergleich von syrischen und italienischen Quellen fällt auf, dass zunächst ein großer Komet von Weihnachten bis Epiphanie zu sehen war, der dann wieder verschwand. Ab Februar ist jedoch erneut ein Komet aufgetreten, für den berichtet wird, er sei wie der Mond hinter einer Wolke verschleiert gewesen. Die Quelle aus Syrien und dem Nordirak berichtet: „Zu dieser Zeit erschien ein großer Komet und blieb für elf Tage. (…) Danach erschien wieder ein großer Komet an jedem Abend für 41 Tage, dann erscheinen andere nebenan für sieben Tage beginnend im Monat September.“187 Der folgende Eintrag bei Paulus Diaconus, relativ datiert in die Zeit zwischen 680 und 685, wird wohl in das Jahr 684 zu datieren sein: „Damals erschien des Nachts zwischen Weihnachten und Epiphanie ein Stern neben den Plejaden, der trotz klaren Himmels völlig verschleiert war wie der Mond, wenn er hinter einer Wolke steht. Im Februar ging dann mitten am Tag im Westen ein Stern auf, der mit der Helligkeit in östliche Richtung zog. Anschließend wurde im März der Vesuv für eine Reihe von Tagen aktiv, und alles Grün in seiner Umgebung wurde vom Staub und der Asche, die er auswarf, ausgelöscht.“188 Dieser Eintrag ähnelt sehr stark einem in die Zeit 684/685 datierten Eintrag im Liber Pontificalis: „Zu seiner Zeit erschien ein Stern in der klaren Nacht am Himmel ungefähr zur Zeit der Vigilien, für einige Tage zwischen Weihnachten [25.12.] und Epiphanie [6.1.]. Alles war überschattet, wie der Mond unter einer Wolke. Wieder im Februar, nach dem Valentinstag [14.2.], erschien der Stern zur Tageszeit am Mittag im Westen und versank dann im östlichen Teil. Danach im März brach der Berg Vesuv in Kampanien für einige Tage aus und alle Orte ringsumher wurden von seinem Staub und seiner Asche ausgelöscht.“189 Cook vermutet, dass der

|| 186 Olson/Pascachoff, Is comet P/Halley (1989), 171–174. 187 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 3a. 188 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 6, 9. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 168: Hac tempestate noctu stella iuxta Vergilias caelo sereno inter Domini Natalem et Theophaniam apparuit omnimodo obumbrata, veluti cum luna sub nube est constituta. Post haec mense Februario die media stella ab occasu exiit, quae cum magno fulgore in partes orientis declinavit. Dehinc mense Martio Bebius eructuavit per dies aliquot et omnia virentia circumquaque prae pulvere et cinere illius exterminata sunt; vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 310 f. 189 Liber Pontificalis, 83: Benedict (684–685), 4 (Ed. Duchesne, Bd. 1, 363 f.; Book of pontiffs. Ed. Davis, 82): Huius temporibus apparuit stella noctu, iuxta vigilias, per dies, caelum serenum, inter Domini et Theophania, omni obumbrata, veluti luna sub nube. Itemque mense ferbuario, post natale sancti Valentini, in die, ab occasu exiit stella meridie et in partes Orientes declinavit. Post haec mons Bevius qui est in Campania mense martio eructuavit per dies et omnia loca circumquaque prae pulvere cinii ipsius exterminatae sunt.

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zweite hier genannte Komet der Halley’sche Komet sei, während die Identität des ersten ungeklärt ist.190 Das Hauptproblem ist, dass die chinesischen und japanischen Quellen als Datierung für das Perihelion (größte Annäherung) des Kometen Halley den 2. Oktober 684 angeben und dass von den syrischen und italienischen Angaben keine zu diesem Datum passt. In einer armenischen Quelle des 8. Jahrhunderts wird nur das Auftauchen eines Kometen ohne weitere zeitliche Angaben erwähnt.191 Auch der Eintrag zum Jahr 688 in der Chronik von Aethelward, dass drei Jahre zuvor ein Komet zu sehen gewesen sei,192 bestätigt zwar das Ereignis als solches, gibt aber keine detaillierten Informationen darüber, wie viele Kometen in dem Jahr zu sehen waren. Cook hält es für möglich, dass eine Textstelle bezüglich ʿAbdallāh Ibn ʿAbbās (619–687/88), eines Cousins von Mohammed, auf die Sichtung des Kometen Halley anspielt: „Ich [Ibn Abī Mulaika] kam eines Tages am frühen Morgen zu Ibn ʿAbbās als dieser sagte: ‚Bei Allah, ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.’ Ich fragte: ‚Warum nicht?’ Er antwortete: ‚Sie sagen, dass der Stern mit dem Schweif erschienen ist und ich war erschrocken darüber, dass der Antichrist [!] gekommen sein könnte. So, bei Allah, konnte ich die ganze Nacht nicht schlafen.‘“ Hier wird das Erscheinen eines Kometen als Zeichen für das Ende verstanden. Da zu dieser Stelle aber keine Datierung vorliegt, konnte außer dem Kometen Halley von 684 auch ein anderer gemeint gewesen sein.193 Die größte Annäherung des Kometen Halley wurde dann wieder für den 16. Mai 760 berechnet.194 Das Auftreten des Kometen ist nach bisherigem Forschungsstand nur in chinesischen Quellen dokumentiert worden, mit etwa 50 Sichtungstagen. Aber auch nach der Überlieferung von Theophanes dem Bekenner, „zeigte sich in demselben Jahre ein heller Komet im Osten zehn Tage und im Westen 21 Tage lang.“195 Die in weiteren europäischen Quellen fehlende Überlieferung dieser Wiederkehr des Kometen Halley ist bemerkenswert, wiederum besonders in den irischen, sonst an himmlischen Ereignissen sehr interessierten Chroniken. Als der Komet Halley im Jahr 837 erneut erschien, erreichte er am 22. Februar seine größte jemals beobachtete Erdnähe.196 Der Abstand zur Erde betrug im Moment

|| 190 Vgl. Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 3a. 191 Gurzadyan, Halley 684 (1988), 127. Der armenische Autor des 8. Jahrhunderts Ghevond Yeretz schrieb in seiner „Geschichte“: „In the first year of his reign (Armenian governor Ashot Bagratuni’s (685–689)-V.G.) a hairy star of a surprising sight appeared, having a pillar-like shining and was called a comet. It became a sign of starvation, massacre and great earthquake.“ 192 Chronicle of Aethelward, ad a. 688. Ed. Campbell, 20: Postque decursum triennii apparuit stella cometa. 193 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 3b. 194 Broughton, Visibility of Halley’s comet (1979), 25; Kiang, Past orbit of Halley’s comet (1972), 34. 195 Theophanes der Bekenner, Weltchronik, ad a. 760, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 76. 196 Broughton, Visibility of Halley’s comet (1979), 25; Kiang, Past orbit of Halley’s comet (1972), 34.

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der größten Annäherung am 10. April 837 nur 5,13 Mio. Kilometer197. Der Schweif des Kometen bildete einen Fächer von 75 Grad und spaltete sich dadurch in zwei Teile. Da seine Helligkeit nur noch von der Venus übertroffen wurde, sind die Beobachtungen dieses Ereignisses an vielen Orten der Welt überliefert worden: im chinesischen Kaiserreich der T’ang-Dynastie, in Heian-Japan, im Kalifat der Abbassiden und im karolingischen Reich. Wahrscheinlich nur zu wenigen anderen Ereignissen der mittelalterlichen Geschichte lässt sich eine derartig simultane Dokumentation eines globalen Ereignisses beobachten. Die abbassidische Überlieferung zum 837 lautet: „Während des Jahres erschien ein Stern zur Linken des Ostens [qibla] und stand dort sichtbar für vierzig Nächte. Er hatte etwas wie einen Schweif und stieg erst in Richtung Westen. Dann wurde er Richtung Osten gesehen und war sehr lang. Die Menschen waren deswegen verängstigt und es wurde als sehr wichtiges Zeichen betrachtet.“198 Eine andere arabische Überlieferung zum 19. März 837 lautet: „Am Samstag, den 6. Tag des Monats Rabīʿ II fiel ein Stern. Nie zuvor wurde ein größerer/hellerer Stern gesehen als dieser, sodass der allgemeine Alarm in Raqqa, dem Dorf von Ǧazīra und Sābāṭ, ausgerufen wurde.“199 Cook lässt offen, ob es sich um eine zu früh datierte Nennung des Kometen Halley von 837 handeln könnte und schlägt vor, dass das Erscheinungsbild eher einem Meteor ähnelt,200 zusammen mit den Überlieferungen anderer Weltgegenden liegt aber die Deutung als Sichtung Halleys im Jahr 837 näher. Die karolingische Überlieferung fällt für dieses Himmelereignis durch die Ausführlichkeit der Beobachtung auf. Der anonyme „Astronomus„ schildert das Ereignis in Form eines Dialoges auf dem Balkon in der Pfalz in Aachen, von dem aus Kaiser Ludwig der Fromme die Gestirne beobachtet habe. Die Ereignisse um den Kometen schildert er dabei folgendermaßen: „Zur Zeit des Osterfestes [1. April 837] erschien ein unheilvolles und betrübliches Wunderzeichen [am Himmel], nämlich ein Komet im Sternbild der Jungfrau, in jenem Teil des Sternzeichens, wo man unterhalb ihres Gewandes den Schwanz der Schlange mit dem Raben verbindet. Das Gestirn bewegte sich nicht wie die sieben Planeten nach Osten, sondern durchschritt in fünfundzwanzig Tagen – was erstaunlich zu berichten ist – jenes Sternzeichen [der Jungfrau], die Zeichen des Löwen, des Krebses und der Zwillinge und legte schließlich den feurigen Leib mit dem langen Schweif, den es nach allen Seiten hin ausgebreitet hatte, am Kopf des Stieres unter den Füßen des Fuhrmanns nieder. Als der Kaiser, der sich viel mit solchen Dingen beschäftigte, als erster sah, dass das Gestirn dort Halt machte, rief er vor dem Schlafengehen jemanden herbei – nämlich mich, der ich dies geschrieben habe, und von dem man annahm, dass er sich auf diese Wissenschaft verstehe – und erkundigte sich bei mir, was ich davon hielte. Ich bat ihn um Zeit,

|| 197 Größte jemals beobachtete Erdnähe, 0,0342 AE am 10. April, Schweif: 75 Grad, gespalten in zwei Teile. Der Abstand Sonne-Erde (AE) beträgt rund 149 Mio. Kilometer. Zum Vergleich: Während der letzten Annäherung im Jahr 1986 näherte sich der Komet nur bis auf 38 Mio. Kilometer an. 198 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 137 f. Nr. 16. 199 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 137 f. Nr. 16. 200 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 138 Nr. 17.

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um die Gestalt des Gestirns zu betrachten und so die Wahrheit zu erforschen, am anderen Morgen würde ich ihm dann berichten, was ich herausgefunden hätte; doch der Kaiser merkte, dass ich nur Zeit gewinnen wollte – was tatsächlich zutraf –, um nicht etwas Trauriges antworten zu müssen, und er sagte: ‚Stell dich auf den Balkon, der an dieses Haus angebaut ist, und melde uns dann, was du beobachtet hast! Denn ich bin sicher, dass ich diesen Stern am vergangenen Abend nicht gesehen habe und auch du ihn mir nicht gezeigt hast; aber ich weiß, daß es sich um den Kometen handelt, von dem wir schon an den vorangegangenen Tagen gesprochen haben. Sag mir also, was er nach deiner Meinung ankündigt!‘ Ich sagte ein paar Worte und schwieg dann, worauf er fortfuhr: ‚Eines verschweigst du mir noch: Es heißt, dass ein solches Vorzeichen eine Veränderung des Reiches und den Tod des Fürsten bedeutet‘. Da ich hierauf das Zeugnis des Propheten anführte, der spricht: Fürchtet euch nicht vor den Zeichen des Himmels, vor denen die Heiden erschrecken,201 entgegnete er in einzigartiger Hochherzigkeit und Weisheit: ‚Wir sollen keinen anderen fürchten als den, der uns und dieses Gestirn geschaffen hat. Aber wir können seine Güte nicht genug bewundern und loben, da er geruht, uns Sünder und reulose Menschen durch solche Zeichen an unsere Säumigkeit zu erinnern. Weil dieses Vorzeichen mich und alle zusammen trifft, so lasst uns daher alle nach bestem Wissen und Können nach dem Besseren streben, damit wir nicht etwa wegen unserer Unbußfertigkeit der Barmherzigkeit, die er uns anbietet, für unwürdig befunden werden‘. Nach diesen Worten trank er etwas Wein und forderte alle auf, dasselbe zu tun; dann ließ er jeden nach Hause gehen. Er selber verbrachte die Nacht, wie uns dann erzählt worden ist, fast immer wach, mit Lobgesängen und Gebeten zu Gott, bis der Morgen anbrach. Im Morgengrauen rief er die Hofbeamten zusammen und befahl, den Armen und den Dienern Gottes, Mönchen wie Kanonikern, reichlich Almosen zu spenden; auch ließ er jeden, der das konnte, Messe lesen. Dies tat er weniger, weil er sich gefürchtet hätte, als aus Sorge um die ihm anvertraute Kirche. Als alles ausgeführt war, wie er es angeordnet hatte, begab er sich zur Jagd in die Ardennen. Diese fiel damals, wie man berichtet hat, ungewöhnlich reich aus, und überhaupt ging ihm alles, was er zu dieser Zeit unternahm, rasch und mit gutem Erfolg von der Hand.“202

|| 201 Jer 10,2: Haec dicit Dominus: Iuxta vias gentium nolite discere et a signis caeli nolite metuere, quae timent gentes. 202 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 58 (ad a. 837). Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 518–525: At vero mediante festivitate paschali dirum semper ac triste portentum, id est cometę sidus, in signo Uirginis apparuit in ea parte eiusdem signi, qua penulam eius subtus caudam vero Serpentis similiter Coruumque constringunt. Quod cum non more errantium VII siderum orientem versus peteret, per XXV dies – quod mirum est dictu – idem sydus et Leonis ac Cancri necnon et Geminorum transiens signa, in capite Tauri tandem sub Aurigę pedes igneum globum iubarumque prolixitatem deposuit, quas usquequaque porrexerat. Quod cum imperator talium studiosissimus primus, ut ea constitit, conspexisset, antequam quieti membra committeret, accitum quendam – idem me, qui hęc scripsi et qui huius rei scientiam habere credebar – percunctari studuit, quid super hoc mihi videretur. Cui cum tempus peterem, quo fatiem sideris considerarem ac per hoc rei veritatem investigarem et cognitam in crastinum nuntiarem, imperator ratus – quod erat verum – tempus me redimere velle, ne cogerer triste aliquid respondere, „Perge“, inquit, „in meniana huic domui contigua et nobis que perspexeris nuntia! Novi enim a me hanc stellam nequa quam praeterita vespera visam vel a te monstratam, sed scio hoc signum cometarum esse, de quo iam praeteritis locuti sumus diebus. Quid autem portendere tibi videatur, edicito!“ Cum que aliqua dicerem et tacuissem, „Unum est“, inquit, „quod adhuc silentio premis: mutationem enim regni mortemque principis hoc monstrari portento dicitur“. Cumque ego testimonium prophetę in medium protulissem, quo dicitur: A signis caeli ne timueritis, que pavent gentes, ille sola usus magnani mitate et prudentia: „Non alium“, inquit, „timere debemus praeter illum, qui nostri et

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Bisher ist die Forschung davon ausgegangen, dass es sich bei der Beschreibung des „Astronomus“ einzig um den Kometen Halley handelt. Der Vergleich mit den asiatischen Quellen ergibt aber die Darstellung von zwei unterschiedlichen astronomischen Ereignissen. Zunächst wurde ein Komet zwischen dem Osterfest am 1. April 837 und den darauffolgenden 25 Tagen, also bis zum 26. April 837, gesehen. Nach den Quellen der chinesischen T’ang-Dynastie wurde er am 28. April zum letzten Mal beobachtet.203 In der aktuellsten Untersuchung zum Thema hat Ashley das Osterfest, welches am 1. April 837 stattfand,204 auf den 11. April 837 datiert, dadurch kommt seine europäische Chronologie etwas durcheinander.205 Die bis zu dieser Zeit dominierende Negativdeutung des Erscheinens von Kometen hat Kaiser Ludwig dem Frommen Angst bereitet. Er ließ, als er des Kometen Halley 837 ansichtig wurde, seinen astronomisch gebildeten Gelehrten „Astronomus“ befragen. Dieser beschrieb sein Unbehagen, die Frage nach der Bedeutung des Kometen und seines Stillstandes beantworten zu müssen. Die gleiche Frage scheint der Kaiser aber auch Einhard gestellt zu haben, denn dieser nahm in einem Brief dazu Stellung. Seine Antwort zeigt, dass auch er sich unbehaglich gefühlt haben muss, dem Kaiser ein nahes Ende oder andere Katastrophen zu verkünden. In seinem Brief an Kaiser Ludwig, der nach Juni 837 verfasst wurde, also etwa zwei Monate nach dem Verschwinden der beiden als Kometen gedeuteten Himmelsereignisse, bezog sich Einhard206 auf die Frage der Weisen aus dem Morgenlande: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen,

|| huius creator est syderis. Sed eius clementiam non satis mirari et laudare possumus, qui nostram inhertiam, cum simus peccatores et inpenitentes, talibus ammonere dignatur inditiis. Quia ergo et me et omnes communiter hoc tangit os tentum, omnes pro posse et sapere ad meliora festinemus, ne forte misericordiam illo praerogante et nostra inpenitudine inpediente, nos illa inveniamur indigni“. His dictis, et ipse paulisper mero indulsit et omnibus id facere iussit et unumquemque ad sua se colligere iussit, noctemque illam, ut relatum nobis est, pene pervigilem ac a Dei laudibus et obsecrationibus honeratam luci supervenienti praesentavit. In cuius crepusculo ministros aulicos vocavit, et elemosinas quam largissimę pauperibus ac servis Dei, tam monachis quamque canonicis, porrigi iussit, missarumque sollemnia per quos cumque potuit celebrari fecit, non tantum sibi metuens, quantum ecclesię sibi credite prospitiens. Quibus rite dispositis, uti ordinaverat, venatum in Arduennam perrexit; quod, ut dicebant, ultra solitum ei prosperrime cessit, omniaque quę illo tempore illi placuerunt, prospero eventu cucurrerunt. 203 Ashley, What did Louis the Pious (2013), 35. 204 Grotefend, Taschenbuch (1991), 164. 205 Ashley, What did Louis the Pious (2013), 35. 206 Einhard, Epistulae, Nr. 40. MGH Epp. 5.1, 129 f.: Novo et insolito siderum ortu infausta quaedam vel tristia potius quam laeta vel prospera miseris Ventura significari mortalibus pene omnis veterum aestimavit auctoritas. Sola sacri evangelii scriptura salutarem novae stellae apparitionem fuisse testatur, quam Chaldeorum vidisse sapientes et recentem aeterni regis ortum de illius clarissimo fulgore conicientes munera tantae maiestati convenientia venerabiliter optulisse narrantur. Sed eius stellae, quae nuper apparuit, horrida et parum laeta facies ab omnibus, qui eam se vidisse testati sunt, fuisse ac minaciter flagrasse nuntiatur. Quae, ut reor, congrua meritis nostris presagia fecit et cladem, qua digni sumus, venturam indicavit. Quid

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ihn anzubeten.“207 Dies wäre damit der in Westeuropa erstmals zu beobachtende Versuch, das Erscheinen eines Kometen positiv zu deuten. Auch wenn Einhard die Parallele noch zurückweist, scheint er den Vergleich zur Beruhigung des Kaisers zunächst aufgezeigt zu haben.208 Die Dauer des Erscheinens des Kometen im Zeichen der Waage am 11. April 837 wurde vom Verfasser der Annales Fuldenses mit drei Nächten angegeben.209 Ohne Datumsangabe erwähnen die Annales Xantenses: „Gewaltige Wirbelwinde brachen häufig los, und ein Komet wurde gesehen mit einem großen Schweif im Osten vor den Blicken der Menschen wie von drei Ellen Länge.“210 Den Abt Lupus Servatus (805–861) des Benediktinerklosters Ferrières-en-Gâtinais,211 erreichte am 29. April 837 ein Brief, in dem ihn der befreundete Mönch Altwin fragte, was es mit dem Kometen auf sich habe, den er gesehen hat. Lupus antwortete darauf zunächst mit der (falschen) Feststellung nach der Kometen in der Bibel nicht genannt würden,212 und er auf heidnische Autoren zugreifen müsse: So habe Flavius Josephus mitgeteilt, der Zerstörung Jerusalems sei das Erscheinen eines schwertförmigen Sterns vorausgegangen.213 Lupus von Ferrières wies auch darauf hin, dass

|| enim interest, utrum homine vel angelo vel stella nuntiante inminens ira generi predicetur humano? Hoc tantum est necessarium, ut intellegatur super vacuam non fuisse sideris visi apparitionem, sed admonuisse mortales, ut penitendo et Domini misericordiam invocando futurum certent declinare periculum. Sic in predicatione Ionae subversior civitatis, quae per illum fuerat prenuntiata, hominibus ad poenitentiae remedia conversis divina miseratione dilata est, fecitque Deus erga populum illum, quod se facturum per Hieremiam prophetam promisit, cum eum in domum figuli descendere ibique iuxta operantem artificem sua verba iussit audire. Quod etiam et erga nos eum facere velle confidimus, si similiter ut illi ex toto corde poenitentiam agere non neglegemus. Et utinam clades illa, quam nuper classis Nordmannica partibus regni huius intulisse dicitur, illam horrendi sideris apparitionem expiare potuisset. Sed vereor, ne graviori vindicta plectendum sit, quod tam ferali ostento significatum est, licet satis gravem et asperam ultionem in semetipsis ac suis omnibus experti fuissent hi, quibus illa ex oceano veniens valida tempestas tam vehementer incubuit. Bene valeat dominus meus piissimus imperator [et vivat laete ubique]. 207 Mt 2,2: Dicentes: Ubi est, qui natus est, rex Iudaeorum? Vidimus enim stellam eius in oriente et venimus adorare eum. 208 Ashley, What did Louis the Pious (2013), 37 Anm. 30: „It would have been verging on blasphemy for the comet to be compared to the most famous star that came to halt, the Star of Bethlehem. In 837 only Einhard, Epistolae, no. 40, mentioned it and then only to reject all parallels.“ 209 Annales Fuldenses, ad a. 837. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 28; FSGA 7, 22 f.: Stella cometes in signo Librae aparui III. Id. April. Et per tres noctes visa est. 210 Annales Xantenses, ad a. 837. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 10; FSGA 6, 342 f.: Ingens turbo ventorum frequenter erumpebat, et stella cometes visa est nimium es se mittens fervorem in oriente coram humanis obtutibus quasi per tres cubitos (…). Vgl. RI I Nr. 965: „Ob der in V. Hlud. c. 58 erwähnte komet, den der kaiser sich vom Astronomus deuten liess, der mitte der osterzeit (ostern apr. 1) erschien und 25 tage sichtbar blieb, identisch ist mit ienem kometen, von dem die Ann. Fuld. 837 berichten (sichtbar apr. 11-13), bleibt bei dem abweichen der darauf bezüglichen angaben fraglich.“ 211 Merkt, Servatus Lupus (1995), 1468–1470. 212 Vgl. Dutton, Carolingian Kings (2004), 105. 213 Ios. bell. Iud. 7, 12.

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nicht alle Kometen ein Desaster mit sich brächten, seit die Erhabenheit von Mithridates ebenfalls durch eine beeindruckende Kometensichtung im Jahr 372 v. Chr. angekündigt worden sei.214 Demgegenüber komme ihm der Komet von 837 so schwach und unscheinbar vor, dass es nur eine vorübergehende Störung des Himmels sein könne.215 Auch wenn Einhard für den Kometen 837 noch eine negative Deutung bevorzugte, scheint mit Halley 837 der Bedeutungswandel einer Kometensichtung zu beginnen. Der Komet kündigte künftig nicht mehr das Ende des schlechten Herrschers (oder den Beginn einer Reihe von Katastrophen) an, sondern er konnte auch als Vorbote für den Beginn eines guten neuen Herrschers gedeutet werden. Der langfristige Übergang von der antiken negativen Deutung hin zu einer positiven hatte damit wohl im 9. Jahrhundert seine wichtigste Station. Außergewöhnlich häufig wird das Wiedererscheinen des Kometen 1P/Halley am 9. Juli 912 überliefert.216 Nicht weniger als elf Annalisten und Chronisten führten die Nachricht an, der Komet sei erschienen. Die Beobachtung findet sich im Rheinland (St. Gallen, Reichenau, Schwaben, Köln),217 aber auch in Sachsen (Quedlinburg, Corvey),218 in den lotharingischen und westfränkischen Gebieten (Gent, Dijon etc.)219 sowie in Irland.220 Außer den Annalen von Ulster, die ein dunkles und regnerisches Jahr ergänzen, gab kein europäischer Schreiber weitere Details zum genauen Datum, zur Dauer oder zur Position des Kometen am Himmelsgewölbe an. Ganz anders dagegen

|| 214 Iust. 37, 2. 215 Servati Lupi Epistulae, Nr. 20. Ed. Perels, MGH Epp. 6, 28: Nec diri inquit toties arsere cometae. Iosephus quoque prodit, priusquam everteretur Ierusalem, fuisse stellam in morem gladii per totum annum super eandem urbem. Sed, ut in spem aliquam adducamur clementiora experiendi, refert Pompeius Trogus Mitridatis regis futuram excellentiam cometa praemonstratam his verbis: Nam et eo quo genitus est anno, et eo quo regnare primum coepit, stella cometes per utrumque tempus LXX diebus ita luxit, ut caelum omne flagrare videretur. Quartam caeli partem occupaverat, et fulgoris sui radiis nitorem solis vicerat; et cum oriretur occumberetque, IIII horarum spatium consummebat. Vidi ego prae terea hoc Aprili, post mediam ferme noctem, stellam quandam subobscuram, quae sub Leone posita, radium ad spicam Virginis usque porrexit. Quam rem aliquot dies scrupulose observans, stellam eandem contemplatus sum, sed radium deinceps non vidi: deinde ipsa quoque stella sublata est. 216 Kiang, Past orbit of Halley’s comet (1972), 34; Newton, Medieval Chronicles (1972), 678; Schove/Fletscher, Chronology (1987), 297; Draelants, Éclipses (1995), 121. 217 Annales Sangallenses maiores, ad a. 911. Ed. Zingg, 164 f.: Stella cometis apparuit; Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 912. Ed. Pertz, MGH SS 5, 112 ; FSGA 11, 630 f.: Cometae hoc anno visae; Chronicon Suevicum universale, ad a. 910–920. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 66: Cometae videntur; Annales Colonienses, ad a. 912. Ed. Pertz, MGH SS 1, 98: Cometae visae sunt. 218 Annales Quedlinburgenses, ad a. 912. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ, 72, 453: (…) et cometae apparuerunt. Annales Corbeienses, ad a. 912. Ed. Pertz, MGH SS 3, 4: Cometa apparuit. 219 Annales Elmarenses, ad a. 912. Ed. Grierson, 84: Stella cometes apparuit. Annales Blandinienses, ad a. 912. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 24: Stella cometes apparuit; Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 912. Ed. Pertz, MGH SS 5, 40: Cometae visae sunt; Annales Besuenses, ad a. 912. Ed. Pertz, MGH SS 2, 249: Comete vise sunt. 220 Annals of Ulster, ad a. 912. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 360: A dark and rainy year. A comet appeared.

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der Eintrag zum Jahr 912 in einer arabischen Quelle: „Drei Sterne mit Schweif erschienen: einer von diesen erschien in der Nacht des 26. des Monats Ramaḍān [17. Mai 912] im Sternbild Löwe. Der zweite von ihnen erschien am Dienstag, dem 11. des Monats Ḏū l-qaʿda [30. Juni] im Osten und der dritte erschien in den Nacht von Mittwoch am 21. Tag des Monats Ḏū l-qaʿda [10. Juli] im Sternbild Skorpion. Er blieb für eine Zahl von Tagen und verschwand dann langsam.“221 Zum Jahr 912/13 überliefert Johannes Skylitzes, „zu seiner Regierungszeit [Alexandros Porphyrogennētos]222 zeigte sich von Westen her ein Komet, den die Spezialisten „Xiphias“ [Schwertfisch] heißen; sie sagten, er künde ein großes Blutvergießen in der Kaiserstadt an.“223 Das erneute Erscheinen des Kometen 1P/Halley ist von 12. August bis 11. September 989 berechnet worden.224 Einige Quellen geben den 10. August als Datum an225 und interpretierten die Kometen als Vorboten für anschließende Epidemien unter Mensch und Vieh, besonders Rindern.226 Andere Quellen sprechen von mehreren Kometen, die Mitte August erschienen seien.227 Leon Diakonos berichtet zum Jahr 989 von Beobachtungen mehrerer Kometen, Polarlichtern und weiteren Ereignissen: „Doch weiteres Unheil wurde durch die Erscheinung eines [zweiten] glänzenden Gestirns [13. April 989] sowie durch die feurigen Säulen angezeigt, welche tief in der Nacht am nördlichen Himmel zu sehen waren und durch ihren Anblick die Menschen in Furcht und Schrecken versetzten. Denn sie verkündeten die Einnahme von Cherson durch die Tauroskythen228 und die Eroberung Berrhois durch die Myser [im Jahre 991]. Noch dazu beschrieb der Stern, der am westlichen Himmel erschien, sobald der Abendstern untergegangen war, keine regelmäßige Bahn um einen steten Mittelpunkt, sondern änderte, helles Licht ausstrahlend, häufig seinen Standort. Er konnte bald mehr im Norden, bald mehr im Süden beobachtet werden, und wechselte manchmal sogar während eines einzigen Aufgangs deutlich sichtbar und schnell seine Stellung am Himmel, sodass alle, welche dies sahen, staunten und bestürzt waren und ahnten, dass die ungewöhnlichen Bewegungen des Kometen nichts Gutes bedeuteten. Und ihre Vermutungen bewahrheiteten sich auch. Denn als der Abend kam, an dem man des großen Märtyrers

|| 221 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 139 Nr. 26. 222 Alexandros (870–913), ab 912 byzantinischer Kaiser. Vgl. Tinnefeld, Alexander (1996), 478. 223 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Alexandros 3, in: Byzanz. Ed. Thurn, 232. 224 Broughton, Visibility of Halley’s comet (1979), 25; Kiang, Past orbit of Halley’s comet (1972), 34. 225 Annales Sangallenses maiores, ad a. 989. Ed. Zingg, 182 f.: Stella cometes apparuit clara natali sancti Laurentii. 226 Annales Quedlinburgenses, ad a. 989. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 477: Cometae apparuerunt, quas pestilentia subsequuta est grandis hominum et iumentorum, et maxima bovum; Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 10. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 143; FSGA 9, 124 f.: Cometa apparens damna in pestilenciis subsequutura indixit. 227 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 989. Ed. Pertz, MGH SS 5, 41: In mense Aug. hora vespertina cometae visae sunt in occidente. Mit falscher Jahresangabe, aber ansonsten wortgleich: Annales Besuenses, ad a. 995. Ed. Pertz, MGH SS 2, 249: (…) in mense Augusto hora vespertina cometae vise sunt in occidente. 228 Die Eroberung Chersons durch die Russen im Jahre 989 durch Wladimir den Heiligen, den Sohn Svjatoslavs, war der Auftakt zur Christianisierung der Rusʼ.

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Demetrios [26.10.989] feierlich zu gedenken pflegt, brachte ein furchtbares Erdbeben (…). Diesem Unglück folgten nicht minder schreckliche Heimsuchungen: Hungersnot und Pest, Dürre und Überschwemmungen sowie ungeheure Stürme (…). Auch die Missernten, die damals eintraten und alles übrige Leid, das nach dem Erscheinen des Kometen über uns hereingebrochen ist – all das ist von diesem Vorzeichen angezeigt worden und dann in Erfüllung gegangen.“229

Insgesamt ist auffällig, wie wenige Quellenstellen es zu dem Erscheinen des Kometen Halley im Jahr 989 gibt.

Abb. 8: Darstellung des Komet 1P/Halley 1066 auf dem Teppich von Bayeux

Die erste mittelalterliche Darstellung des Kometen Halley auf dem Teppich von Bayeux230 zeigt das Wiedererscheinen des Kometen 1P/Halley im Jahre 1066.231 Die Szene, in welcher der Komet dargestellt ist, trägt die Inschrift Isti mirant stella(m).232 Das Erscheinen des Kometen ist auf den 2. April und das Perihelion auf den 7. Juni 1066 berechnet worden.233 Insgesamt wurde das Erscheinen des Kometen Halley zum Jahr 1066 sehr oft dokumentiert.234 Dies liegt nicht zuletzt am Ausgang der Schlacht von Hastings, in der Wilhelm II., Herzog der Normandie, England eroberte. Die Koinzidenz des Erscheinens eines Kometen und des Ausgangs der Schlacht war für die

|| 229 Leo Diakonos, Historia, 175 f., in: Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 158–160. 230 Vgl. Wilson, Teppich von Bayeux (2003); Musset, Comète de Halley (1991), 7–12. 231 Vgl. auch Draelants, Éclipses (1995), 127 f. 232 Die von Romedio Schmitz-Esser gemachten Ausführungen bezüglich stella/stellam müssen dahingehend korrigiert werden, dass auf dem Teppich der Kürzungsstrich angebracht ist, zwar nicht innerhalb der Rahmenlinie, aber genau darüber und in der gleichen Farbe wie die Buchstaben; vgl. Schmitz-Esser, „Isti mirant stella(m)“ (2007), 137 Anm. 2. 233 Broughton, Visibility of Halley’s comet (1979), 25 (2. März, Perihelion 23. März); Kiang, Past orbit of Halley’s comet (1972), 34 (2. April bis 7. Juni); Yeomans/Kiang, Long-term motion (1981), 643. 234 Musset, Comète de Halley (1991), 7–12.

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Zeitgenossen allzu offensichtlich, um nur als zufälliges paralleles Auftreten zweier Ereignisse gedeutet und nicht instrumentalisiert zu werden. Allen voran nennen die englischen,235 irischen und schottischen Annalen die beiden Ereignisse, nicht immer jedoch mit der korrekten Jahresdatierung: „Ein wunderbarer Stern erschien in diesem Jahr und seine Größe und Helligkeit war so, dass die Menschen sagten, es wäre ein Mond.“236 Aber auch einige westfränkische Annalen geben um zwei Jahre zu früh datierte Eintragungen wieder.237 In den irischen Annalen sind auch Einträge zum korrekten Jahr zu finden: „Ein seltsamer und riesiger haariger Stern wurde am Dienstag nach dem kleinen Ostern, dem 24. April, gesehen. Seine Größe und Helligkeit war so, dass die Menschen sagten, es sei ein Mond. Und er blieb so über vier Tage.“238 Insgesamt bemerkenswert ist die starke Rezeption byzantinischer Ereignisse in angelsächsischen Klöstern. In den sehr genau datierenden arabischen Quellen gibt es einen Eintrag zum 24. Juli 1066 (AH 458)239: In der Nacht von Sonntag, der viertletzten Nacht des Monats Šaʿbān, schossen zwei Sterne über den Himmel. Einer von ihnen hatte ein ähnliches Licht wie der Mond. Ihnen folgten eine Stunde später kleine Sternschnuppen in Richtung Westen.240 Möglicherweise handelt es sich um einen Meteorstrom der Perseiden.241 Johannes Zonaras überliefert einen ausführlichen Eintrag zum Jahr 1066: „Das nun geschah im sechsten Jahr der Herrschaft dieses Kaisers [Kōnstantinos Doukas]242. (…) Im Monat Mai der vierten Indiktion war ein Komet zu sehen, der der untergehenden Sonne folgte [sich also in Richtung Westen bewegte]. Zunächst war seine Größe wie die des Vollmondes, darauf ließ er gleichsam Haare sprießen und wurde kleiner, und so sehr sich der Schweif vermehrte, verringerte sich seine Größe. Er richtete seine

|| 235 Annales Rotomagenses, ad a. 1065. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 46: Hic apparuit cometa. 236 Chronicum Scotorum, ad a. 1063. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 287: A wonderful star appeared in this year, and its magnitude and brightness were such that the people said it was a moon; Annals of Clonmacnoise, ad a. 1065. Ed. Murphy, 179: There appeared a comet for the space of three nights, which did shine as clear as the moone at the full. 237 Annales S. Petri Catalaunenses, ad a. 1064. Ed. Pertz, MGH SS 16, 488: Stella cometes visa est, quando Willelmus Normannorum comes Angliam cepit; Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 1064. Ed. Pertz, MGH SS 5, 42: Stella cometes apparuit. 238 Annalen von Tigernach, ad a. 1066. Ed. Stokes, Bd. 2, 406: A hairy star, strange, enormous, was seen in the air on Tuesday after Little Easter, at the 8th of the kalends of May with the 26th of the moon thereon. Such were its size and brightness that men said it was a moon. And to the end of four days it remained thus. 239 AH 458 dauerte vom 2./3. Dezember 1065 bis zum 21./22. November 1066, damit ist die Jahresangabe bei Rada/Stephenson (Catalogue of Meteor Showers, 1992, 14 Nr. 21) um ein Jahr zu früh datiert. 240 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1992), 14 Nr. 21. 241 Vgl. Hasegawa, Further comments (1996), 77. 242 Konstantin X. Dukas (1006–1067), ab 1059 byzantinischer Kaiser; vgl. Schreiner, Konstantin X. Dukas (1991).

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Strahlen nach Osten und war vierzig Tage lang zu sehen.“243 Ausführlich ging auch Romoald in seiner Chronik auf den Kometen ein: „Im Monat April erschien der Komet im östlichen Teil und sein Schweif zeigte für einige Tage nach Süden“. Soweit weicht seine Darstellung nicht von anderen ab, dann aber erwähnt er einen zweiten Kometen im westlichen Teil des Himmels, der ebenfalls für einige Tage mit dem Schweif nach Süden gezeigt haben soll. Diese zwei Kometensichtungen verbindet er aber nicht etwa mit der Schlacht bei Hastings, sondern mit dem Tod eines Herrschers, in diesem Fall dem Tod des byzantinischen Kaisers Kōnstantinos Doukas.244 Bei der Verbindung der Kometensichtungen mit dem Tod eines in der Wertung des zeitgenössischen Verfassers bedeutenden Herrschers musste Romoald einen Unterschied von über einem Jahr hinnehmen, denn Kōnstantinos Doukas starb erst am 23. Mai 1067.245 Überwiegend Quellen aus westfränkischen (Reims,246 Verdun,247 Anjou,248 SaintMaixent249), burgundischen (Saint-Pierre-de-Bèze250) und lotharingischen (Floreffe,251 Parc,252 Lobbes,253 Lüttich,254 Saint-Omer,255 Gent256) Orten überliefern Beobachtungen des Kometen zum Jahr 1066.

|| 243 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 678–680, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 129 f. 244 Romoald, Annales, ad a. 1066. Ed. Arndt, MGH SS 19, 406: Anno Domini 1066. indictione 4. mense Aprilis stella cometis apparuit a parte orientis, cuius fumus per aliquot dies tendebat ad meridiem. Ipso quoque mense hec eadem stella apparuit a parte occidentis, cuius fumus ad meridiem similiter per aliquot dies tendebat. Quo anno apud Constantinopolim Constantinus Dioclicii imperator, anno eius imperii sexto, defunctus est, cui Romano Diogenes in imperium successit. 245 Schreiner, Konstantin X. Dukas (1998), 1378. 246 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 1066. Ed. Waitz, MGH SS 13, 83: Sexagenus erat sectus millesimus annus, cum pereunt Angli, stella monstrante cometa. 247 Annales S. Pauli Virdunensis, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 16, 500: (…) cometes visi est. 248 Chronicon S. Sergii Andegavensis, ad a. 1066. Ed. Marchegay/Mabille, 137: MLXVI. Anno incarnationis Domini MLXVI apparuit stella, (…). 249 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1066. Ed. Verdon, 136 f.: Anno MLXVI stella cometes apparuit. 250 Annales Besuenses, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 2, 249: Stella cometes apparuit. 251 Annales Floreffienses, ad a. 1066. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 623: Cometes apparuit. Guillelmus dux Normannorum regnum Anglorum invadit. 252 Annales Parchenses, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 16, 603: Cometes apparuit, et Willelmus comes Normannorum ingressus est Anglorum terram. 253 Annales Laubienses continuatio, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 4, 20: Hoc anno cometa apparuit. 254 Annalium Leodiensium continuatio, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 4, 28: Cometes apparuit. 255 Lambertus Audomariensis, Chronica, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 5, 65: Stella cometes apparuit. 256 Annales Elmarenses, ad a. 1066. Ed. Grierson, 93: Hoc anno apparuit cometa ad occidentalem plagam; Annales Blandinienses, ad a. 1066. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 26: Hoc anno apparuit cometa ad occidentalem plagam; verkürzt: Annales Formoselenses, ad a. 1066. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 36: Hoc anno cometa apud occidentem; Simon Gandensis, Gesta. Ed. Holder-Egger, MGH SS 13, 640: Willelmus comes Normanniae ex signo celitus dato, cometa enim claritatis admirandae et visionis horrendae apparuit, cum copioso navium apparatu (…) Angliam petit.

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Auch Quellen aus dem Rheinland (Köln, Aachen,257 Brauweiler,258 Weissenburg259), Sachsen (Hersfeld260) und Bayern (Würzburg261) nennen den Kometen. Besonders ausführlich ist der Eintrag in den Annalen des Klosters Niederaltaich: „Ungefähr drei Tage vor Ostern [am 13. April 1066] erschien über ganz Italien ein Stern mit großer Leuchtkraft, dessen Strahl in der Art eines Schaftes nach Osten zeigte. Aber in den Tagen nach Ostern war dies nicht nur in Italien zu sehen, sondern der Komet erschien im ganzen Königreich und war für 14 Tage für die Zuschauer ein großes Wunder. Zu der Zeit wurde der König so krank, dass einige Mediziner an ihm verzweifelten und einige hatten schon die Hoffnung auf den Fürsten gesetzt und gehofft, dieser würde den Thron besteigen.“262

Fast ebenso ausführlich, aber inhaltlich völlig anders ist der Eintrag in den Augsburger Annalen: „Nach einem milden Winter erschien für einige Nächte ein behaarter Stern, darauf verloren die Engländer. Danach verschwand er wieder, sodass man ihn nicht mehr sehen konnte.“263 Aber auch die Streitigkeiten, die acht Jahre später unter Rudolf [von Rheinfelden]264 und Hermann [von Salm]265 zwischen den Deutschen losbrachen, wurden nach Ansicht des Chronisten, durch die Form der Strahlen des Kometen, die nach Osten zeigten, angekündigt. Neben seiner Funktion als Vorbote der angelsächsischen Niederlage bei Hastings wird hier der Komet also auch als Ankün-

|| 257 Annales Aquenses, ad a. 1065. Ed. Waitz, MGH SS 24, 36: Cometa visa est versus Angliam, quam postea vastavit Willemus bastart. 258 Annales Brunwilarenses, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 16, 725: Cometes apparuit. 259 Annales Weissenburgenses, ad a. 1066. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ 38, 53: Cometa apparuit. 260 Lamberti parvi. Annales, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 16, 646: Cometes apparuit que bellum Anglie portendebat. 261 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 2, 245: Cometa videtur; et Anglia a Normannis subicitur. 262 Annales Altahenses maiores, ad a. 1066. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 71 f.: Tribus proximis diebus ante pascha per totam Italiam stella quaedam mirae magnitudinis apparebat, quae radium unum in modum hastae versus orientem mittebat. Post pasca autem in diebus rogationum non per Italiam solum, sed iam per totum regnum stella cometa apparuit et per quatuordecim dies magno miraculo intuentibus fuit. Quibus diebus rex iam adeo coepit infirmari, ut penitus de eo desperassent medici et quidam principium spe et cupiditate iam occupassent solium regni. (…) Quidam etiam interpretabantur, idcirco stellam crinitam tam terribilem pridem exarsisse, quod tot millia hominum eodem anno periere. 263 Annales Augustani, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 3, 128: Hiemps lenissima. In Geminis invisa stella visa est comata, aliquot noctibus mira velocitate retrograda, Anglorum occisionis, et calamitatis quae post 8 annos per Rudolfum et Herimannum exorta est inter Teutonicos, praenuntia. Quae in primis in hanc formam radios clare in orientem mittens, tandem ita obscurata est, ut videri non posset. 264 Rudolf von Rheinfelden (um 1025–1080) wurde am 15. März 1077 in Forchheim zum Gegenkönig gewählt, vgl. Struve, Rudolf von Rheinfelden (1995), 1070 f. 265 Hermann von Salm (um 1035–1088) wurde am 6. August 1081 in Ochsenfurt als Nachfolger Rudolfs von Rheinfelden zum Gegenkönig gewählt, vgl. Schieffer, Hermann von Salm (1969), 628–630.

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digung der deutschen Gegenkönige in Anspruch genommen. Ebenso soll das Erscheinen des Kometen im Jahre 1066 auch auf den Tod des Herzogs Gottfried von Oberund Niederlothringen am 24. Dezember 1069 in Verdun hingewiesen haben.266 Die Erstsichtung des Kometen wird in jenen Annalen, die mehr Details anführen, unterschiedlich angegeben: Einige nennen den 16. April (16. Kal. Maii), in diesem Jahr der Ostertermin,267 andere den 25. April (7. Kal. Maii), wieder andere den 26. April (6. Kal. Maii).268 Während die Dauer der Sichtbarkeit also mit 14 Tagen vom 13. bis 27. April angegeben wurde, sind auch deutlich davon abweichende Werte überliefert. Nach Sigebert von Gembloux erschien der Komet wohl in der Osterwoche vom 16. bis 23. April,269 nach Simeon von Durham war er sieben Tage, vom 24. April bis 1. Mai270 sichtbar, nach anderen Annalen für neun Tage vom 26. April bis 5. Mai.271 In der Chronik Bertholds von Reichenau wird eine Sichtbarkeit von 30 Tagen vermerkt, ab dem achten Tag nach Ostern, also ab 23. April 1066.272 Damit wären die oben genannten Werte wohl keine Erstsichtungen, sondern würden sowohl Anfangs- wie auch Endtage der Sichtbarkeit angeben. Die aus italienischen Klöstern (Bari, Cava de’ Tirreni) überlieferten Annalen geben erst das Jahr 1067 an273 und auch einige in der Provinz Anjou

|| 266 Chronik von Montecassino, 3, 23. Ed. Hoffmann, MGH SS 34, 390: Per eos dies stella, quam cometem vocant, ingentem retro se facem gerens spatio viginti et amplius dierum apparuit; que eiusdem, ut putatur, ducis – non enim multopost defecit mortis prenuntia fuit. Eodem quoque tempore cum Marsorum comites ferali inter se discordia dissiderent, ab altero eorum contra alterum princeps, quem diximus, est evocatus; vgl. RI III, 2, 3 Nr. 537. 267 Annales Beneventani, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 3, 179: Sexto decimo Kalendas Maii apparuit stella cometis. 268 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 16, 732: Guillelmus dux Normannie Anglorum regnum invasit, quo anno visa est cometa 6. Kal. Maii. 269 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1066. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 361: Cometes apparuit tota paschali ebdomada. 270 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 1066. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 179: Anno MLVVI. (…) Eodem anno, viii. kal. Maii, stella cometis non solum in Anglia sed etiam ut fertur per totum mundum visa, per vii. Dies splendore nimio fulgebat. 271 Annales S. Germani minores, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 4, 4: Hoc anno 7. Kal. Mai cometes apparuit diebus quinque flagrans a parte occidentis, Hoc quoque anno Normannorum comes invasit Anglorum regnum. Cometa visus est 6. Kal. Maii per novem dies, a vespere usque ad gallicinium. 272 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1066. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 394; FSGA 14, 286–289): Cometae sunt visae in octavis paschae, VIIII. Kal. Maii, et per XXX dies apparuere; Berthold von Reichenau, Chronik (Zweite Fassung), ad a. 1066. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 202; FSGA 14, 58 f.: Cometae sunt visae in octavis paschae, id est VIIII. Kal. Maii, et per dies XXX duraverunt. 273 Annales Barenses, ad a. 1067. Ed. Pertz, MGH SS 5 (Lupus Protospatarius), 59: Et hoc anno apparuit stella cometis. Annales Cavenses, ad a. 1067. Ed. Pertz, MGH SS 3, 189: Stella cometes apparuit.

112 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

überlieferte Annalen datieren die Erscheinung des Kometen erst in das Jahr 1067 und bringen sie mit allerlei Schäden in Verbindung.274 Es ergeben sich folgende Sichtungsdaten des halley’schen Kometen im Jahr 1066. Tab. 10: Sichtungen des Kometen 1P/Halley im Jahr 1066

Beginn

Ende

April 13. April

[27. April]

Dauer

Region, Ort

Quelle

einige Tage

England

Romoald

14 Tage

16. April 16. April

Bayern, Niederaltaich

Ann. Altahenses

Italien, Benevent

Ann. Beneventani Siegbert von Gembloux

[23. April]

7 Tage

Rheinland, Gembloux

23. April

[23. Mai]

30 Tage

Rheinland, Bodensee

Berthold von Reichenau

24. April

[28. April]

4 Tage

Irland

Ann. von Tigernach

24. April

[1. Mai]

7 Tage

England

Simeon von Durham

Rheinland, Reims, Köln

Ann. Remenses et Coloniense

25. April 26. April

[5. Mai]

9 Tage

Westfranken, Paris

Ann. sancti Germani

Mai

[Juni]

40 Tage

Byzanz

Johannes Zonaras

Vier Aspekte fallen bei der Überlieferung des Erscheinens des Kometen im Jahr 1066 auf: 1) die weit verbreitete Nennung des Ereignisses ohne weitere Angaben in mindestens zwölf Quellen, 2) die Nennung mit Angabe weiteren Informationen in sechs Fällen, 3) die sehr unterschiedlichen Angaben bezüglich Beginn, Dauer der Sichtung, Position am Nachthimmel und Ausrichtung der Strahlen in zehn weiteren Quellen und 4) die unterschiedliche Instrumentalisierung als Vorbote der Schlacht bei Hastings im gleichen Jahr, des Todes des byzantinischen Kaisers im Jahr 1067 und der Gegenkönige in Deutschland ab 1077 in weiteren fünf Quellen. Während vom Erscheinen Halleys im Jahr 530 nur chinesische Quellen berichten, wurde das Auftreten des Kometen im Jahr 607 als Vorzeichen mit der Offenbarung

|| 274 Chronique de Saint-Maxent, ad a. 1067. Ed. Verdon, 138 f.: Anno MLXVII stella cometa apparuit; Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 1067. Ed. Marchegay/Mabille, 11: MLXVII Apparuit cometa terribilis, multarum calamitatum in sequentibus annis subsecutarum; Chronicon S. Sergii Andegavensis, ad a. 1067. Ed. Marchegay/Mabille, 137: MLXVII. Apparuit cometa terribilis multarum calamitatum in sequentibus annis subsecutarum, ut post patuit, portentrix; Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 1067. Ed. Marchegay/Mabille, 168: MLXLVII. In hoc anno apparuit cometa terribilis, multarum calamitatum in sequentibus annis subsecutarum, ut post patuit, portentrix.

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des islamischen Propheten Mohammed 610 in Verbindung gebracht. Das Erscheinen des Halley’schen Kometen im Jahr 684 diente zahlreichen europäischen Quellen als Vorzeichen für einen Ausbruch des Vulkans Vesuv in dieser Zeit. Auffälligerweise wird von der Wiederkehr des Kometen Halley im Jahr 760 außer in chinesischen Quellen nur bei Theophanes dem Bekenner berichtet. Deutlich stärker ausgeprägt ist die Überlieferung zum Jahr 837 bei der größten jemals beobachteten Erdnähe des Kometen. Da Kaiser Ludwig der Fromme über das Erscheinen des Kometen reflektierte und die zeitgenössischen Gelehrten befragen ließ, sind die Quellen hierzu vergleichsweise ausführlich. Auch das Erscheinen des Kometen im Jahr 912 ist mehr als acht Mal dokumentiert worden. Deshalb fällt ein starker Unterschied zum Jahr 989 auf, in dem das Erscheinen des Kometen nur vier Mal kurz erwähnt wurde. Von allen Sichtungen Halleys während der Untersuchungszeit ist das Jahr 1066 mit großem Abstand jenes mit den meisten Beschreibungen (mehr als 28) und den meisten damit einhergehenden Instrumentalisierungen. Je nach Herkunft des Autors diente der Komet als Vorzeichen für die Schlacht bei Hastings, für den Tod des byzantinischen Kaisers, aber auch als früher Verkünder der Konflikte zwischen den deutschen (Gegen-)königen. Die folgende Tabelle zeigt die Hauptzeit und die Beobachtungsgebiete sowie die mit dem Erscheinen des Kometen assozierten Folgen. Tab. 11: Sichtungen des Kometen 1P/Halley von 500 bis 1100 Nr.

Datierung

KH-1 27.09.530

Region, Ort

Komet beobachtet

China

Halley 1P/530 Q1

KH-2 04.–05.606 Italien

[Halley 1P/607 H1]?

Quellen nur chinesische Quellen Paulus Diaconus

11.–12.606 Italien

[Halley 1P/607 H1]?

Paulus Diaconus

15.03.607

Halley 1P/607 H1

[kaum Quellen]

[Halley 1P/607 H1]?

Koran

610

Mekka

KH-3 09.–10.684

China, Japan, Irak, SyHalley 1P/684 R1 rien, Italien

[zahlreiche > 3]

KH-4 16.05.760

China, Konstantinopel Halley 1P/760 K1

chin. Quellen, Theophanes Bekenner

China, Japan, Italien, Francia

[zahlreiche > 4]

KH-5

28.02.– 10.04.837

KH-6 18.07.912 KH-7 05.09.989

Halley 1P/837 F1

Irland, Francia, Italien, Halley 1P/912 J1 Ostfranken, Irak Mitteleuropa Halley 1P/989 N1

KH-8 20.03.1066 Mitteleuropa

Halley: 1P/1066 G1

assoziierte Folgen

Offenbarung Mohammeds Vesuvausbruch

Reflexionen Ludwigs d. Frommen

[zahlreiche > 8] [zahlreiche > 4] [zahlreiche > 29]

Hastings, byz. Ks., Gegenkg.

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Zusammenfassend ist festzuhalten: Der bekannte Komet 1P/Halley, der in Abständen von 75,32 Jahren wiederkehrt, wurde während der Untersuchungszeit in den Jahren 530, 607, 684, 760, 837, 912, 989 und 1066 beobachtet.

2.2.2 Kometensichtungen im 6. und 7. Jahrhundert Neben dem Kometen 1P/Halley gibt es in großer Zahl weitere Objekte, die sich als Kometen auf ekliptischen Bahnen in wiederkehrenden Abständen der Sonne nähern und von der Erdoberfläche aus beobachtet werden können. Der Orbit solcher Objekte ist oft nicht bekannt, sodass nur selten namentlich bekannte Kometen identifiziert werden können. Agnelli fügte in seinem Liber Pontificalis der Ravennater Kirche zum Jahr 565 [553] den Eintrag ein: „Und darauf erschien ein Komet vom Monat August bis Anfang Oktober.“275 Berechnet wurde er für den 27. September 530. Für den 3. Oktober 560 ist wohl ein Komet in China gesichtet worden. Draelants nennt eine Notiz bei Sigebert von Gembloux für die Zeit 541/569.276 England nennt hierzu zwar ergänzend eine Notiz von Gregor von Tours, die aber nicht bei Gregor enthalten ist.277 Stattdessen wird bei Gregor von Tours ein Komet in einem Eintrag für die Zeit zwischen 563 und 571 erwähnt: „Ferner wurde auch ein Stern, den man Komet nennt, in dieser Gegend das ganze Jahr hindurch gesehen, mit einem Schweif, gleich wie ein Schwert, und man sah den Himmel brennen, und viele andere Zeichen erscheinen.“278 Die Datierung ist vergleichsweise unsicher, aber bemerkenswert ist eine Überlieferung zum 4. März des Jahres 571 in der arabischen Überlieferung für Mekka: „Als der Prophet Mohammed geboren wurde, 50 Tage vor dem Beginn des Jahres des Elefanten, am Montag, dem 2. Tag des Monats Rabīʿ I (…) fielen die Planeten und die

|| 275 Agnelli Liber Pontificalis Ecclesiae Ravennatis, 90. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Lang. 1, 336: Et post haec apparuit stella comis mense Augusto usque in Kalendas Octubris. 276 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 541/569. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 317: In diversis Galliarum locis diversa signa visa sunt. Cometes apparuit; die paschae caelum ardere visum est; verus sanguis ex nube defluxit in vestimentis hominum; domus cuiusdam ab intus snguine respersa apparuit et secutae variae clades et malae valetudines cum pustulis et vesicis populos afflixerunt; vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 292. 277 England, Early sungrazer comets (2002), 17 Nr. 19. In der Edition Gregor von Tours, Libri historiarum 10, 4, 20. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 152 Anm. c; FSGA 2, 222 f.) wird zwar in einer Anmerkung comete genannt, der Satz enthält aber comite: Cumque se cerneret evadere non posse, Brittanias petiit, ibique cum Chonoobro Brittanorum comite ipse vel uxor eius ac filiae latuerunt. „Und da er sah, dass er seinem Vater nicht entgehen könne, floh er nach der Bretagne und verbarg dort sich und seine Gemahlin und seine Töchter bei den Grafen der Bretonen.“ 278 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 31. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 164 f.; FSGA 2, 238 f.: Nam et stilla, quam quidam comiten [!] vocant, radium tamquam gladium habens, super regionem illam per annum integrum apparuit. Et caelum ardere visum est, et multa alia signa apparuerunt.

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Teufel wurden von ihnen getroffen. Als die Quraiš [der Stamm, dem Mohammed angehörte] dies sahen, merkten sie nicht, dass es ein Fallen der Planeten war und dachten stattdessen, dass es der letzte Tag wäre.“279 Zum Jahr 580 überliefert Gregor von Tours einen langen Eintrag mit mehreren Naturereignissen, unter anderem einer Kometenerscheinung: „Einige behaupteten, sie hätten den Himmel in Flammen gesehen. Die Loire war höher als im vorigen Jahre, nachdem sich das Wasser des Cher in sie ergossen hatte. Ein Südorkan stürmte mit solcher Gewalt einher, dass er Wälder niederstreckte, Häuser zu Boden warf, Zäune ausriss und selbst Menschen so herumschleuderte, dass sie umkamen. Er wütete in einer Breite von etwa sieben Morgen, wie weit in der Länge war nicht zu berechnen. Auch krähten die Hähne oft bei Einbruch der Nacht. Der Mond verfinsterte sich am 5. April 581280 und es erschien ein Komet. Darauf folgte eine schwere Seuche unter dem Volk.“281

Hermann von Reichenau nahm in seine Chronik ebenfalls die Nachricht auf, nach der man den Kometen zu Ostern [21. April 580] sehen konnte. Er verband ihn mit Schreckensnachrichten, nach denen in Paris Blut aus den Wolken geflossen sei, worauf eine Pest und ein ungeheures Sterben gefolgt seien.282 Zum folgenden Jahr 582 schrieb Gregor: „Ein Stern erschien, den ich schon früher [4, 31] Komet genannt habe; rings um ihn war alles ganz dunkel; gleich wie aus einem Loch leuchtete er funkelnd und Strahlen schießend durch die Finsternis. Und es ging von ihm ein Schweif von auffallender Größe aus, der von fern wie die starke Rauchwolke einer Feuersbrunst aussah. Man sah den Stern im Westen um die erste Stunde der Nacht.“283 Nach chinesischen Quellen wurde ein Komet am 15. Januar 582 in Chien

|| 279 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1992), 11 Nr. 1. 280 Saroszyklus 70: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0501-0600/LE0581-04-05P.gif (22.6.2016). 281 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 41. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 248; FSGA 2, 356 f.: Adserebant enim quidam et caelum ardentem se vidisse. Leger fluvius maior ab anno superioare fuit, postquam ei Cares torrens adiunxit. Ventus auster nimium violente cucurrit, ita ut silvas prosterneret, domus erueret, saepes efferret ipsosque hominis ad internitionem usque volutaret. Erat enim spatium eius in latitudine quasi iugera septem, longitudo autem non potuit aestimare. Nam et galli plauso cantu in initio noctis saepe dederunt. Luna cumtenebricata est, et comitis stilla apparuit. Gravis autem lues in populo subsecuta est. 282 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 580. Ed. Pertz, MGH SS 5, 89: Cometa die paschae visa. Suessionis caelum ardere visum est. Parisius sanguis de nubibus fluxit. Pestilentia et mortalitas ingens facta. 283 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 14. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 284; FSGA 3, 32 f.: Stilla, quem comitem superius nominavi, apparuit, ita ut in circuitu eius magna nigrido esset; et illa, tamquam se in foramen aliquod posita, ita inter tenebras relucebat, scintillans spargensque comas. Prodebat autem ex ea radius mirae magnitudinis, qui tamquam fumus magnus incendii apparebat a longe. Visa est autem a partem occidentis in ora noctis prima.

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Shu284 im Osten Chinas gesehen und am 20. Januar im Südwesten. Es ist vorgeschlagen worden, diesen als Sungrazer der Kreutz-Gruppe zu deuten.285 Mit dem Eintrag zum Jahr 582, anlässlich dessen sich abermals manche Wunderzeichen gezeigt hätten und man einen feurigen Glanz (ignis discorrere) über dem Himmel dahinlaufen gesehen habe, könnte Gregor von Tours Meteoroiden beschrieben haben, die Teile der Atmosphäre ionisiert haben.286 Paulus Diaconus überlieferte zum Jahr 595 folgenden Eintrag: „Während dieser Ereignisse zeigte sich im Januar ein Komet am Morgen- und Abendhimmel den ganzen Monat über. Im gleichen Monat auch verstarb Johannes, der Erzbischof von Ravenna.“287 Ganz in der antiken Tradition verband er das Erscheinen eines Kometen mit einem Herrscherwechsel, in diesem Fall mit dem Tod des Erzbischofs Johannes II. von Ravenna (4. Dez. 578–11. Jan. 595). Diesen Kometen erwähnte auch Fredegar für den Januar 595: „Im dritten Jahr der Herrschaft Childeberts in Burgund [seit 592]288 erschienen viele Zeichen am Himmel, und ein Komet war zu sehen.“289 Zum Jahr 601 vermerkt die älteste überlieferte venezianische Chronik einen Komet im November und Dezember,290 über den aber sonst nichts bekannt ist. In einzelnen Nachrichten aus dem irischen Raum wurde für die Jahre 612, 614 oder 617291 ein Stern zur dritten,292 zur siebenten Stunde293 oder zur achten Stunde294 des Tages überliefert. England vermutet aufgrund einer berechneten totalen Sonnenfinsternis am 2. August 612,295 dass zu dieser Zeit ein Sungrazer-Komet südlich der Sonne gut sichtbar gewesen sein könnte und sich die Nachrichten deshalb auf das

|| 284 Provinz in Ostchina: Jiangsu mit der Hauptstadt Nanjing. 285 England, Early sungrazer comets (2002), 17 Nr. 20. 286 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 21. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 289; FSGA 3, 38 f.: Haec in hoc anno iteratis signa apparuerunt (…); per caelum ignis discorrere visus est. 287 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 10. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 120: Inter haec sequenti mense Ianuario paruit stella cometis mane et vespere per totum mensem. Eo quoque mense defunctus est Iohannes archiepiscopus Ravennae; vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 228 f. 288 Childebert II. (570–596), Kg. in Austrasien ab 575, Kg. in Burgund ab 592. 289 Fredegar, Chronik, 4, 15. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 127: Anno III, Childeberto in Burgundia regnante, multa signa in caelo ostinsa sunt; apparuit stilla comitis. 290 Iohannis Diaconus, Chronicon Venetum, ad a. 601. Ed. Pertz, MGH SS 7, 8: Rursum mense Novembris et Decembris stella cometis apparuit. 291 Annals of Clonmacnoise, ad a. 617. Ed. Murphy, 99: A star was seen the seventh houre of the Day this year. 292 Vgl. Chronicle of Ireland. Ed. Charles-Edwards, 128 Anm. 3, nach den „Fragmentary Annals of Ireland, ed. J. Radner (Dublin 1978)“. 293 Annals of Tigernach, ad a. 612. Ed. Stokes, Bd. 1, 171: A star was seen at the seventh hour of day. 294 Chronicle of Ireland, ad a. 614. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 128: A star was seen at the eighth hour of day. 295 England, Early sungrazer comets (2002), 17.

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Jahr 612 bezögen.296 In den Quellen wird allerdings in dieser Zeit keine Eklipse genannt.297 Im Jahr 633 erschien über Konstantinopel ein blutrotes Zeichen am Himmel und fast die gesamte Nacht lang waren ein blutroter Speer und ein sehr klares Licht zu sehen.298 Ähnliches findet sich auch bei Sigebert von Gembloux zum Jahr 632.299 Singulär überliefert ist die Nachricht der Annales Cambriae, die einen aufsteigenden Stern (ortus stellę) für das Jahr 648, ohne weitere Angaben anführt.300 In der Vita des Bischof Eligius von Noyon (588–660)301 findet sich bei der Beschreibung von dessen Tod am 1. Dezember 660 ein Eintrag über das Erscheinen eines Kometen, als ein sehr strahlender Meteor (pharos magnus) nach Sonnenuntergang im wolkigen Himmel zu sehen war. Er wurde als ein Omen angesehen, weil er unmittelbar nach dem Tod des Bischofs erschien.302 Während der Komet des Jahres 660 also in hagiographischen Quellen Erwähnung fand, wurde er in chronikalischen Quellen nicht aufgeführt.303 Paulus Diaconus überliefert für die Zeit um das Jahr 670: „Im folgenden August zeigte sich im Osten ein Komet von ungewöhnlicher Helligkeit, der in die Richtung, aus der er gekommen war, auch wieder entschwand. Schlagartig folgte eine Pestepidemie gleichfalls im Osten, die unter dem römischen Volk wütete.“304 Das Erscheinen des Kometen und die folgende Epidemie sind bei Paulus Diaconus fest miteinander verbunden. Zum Jahr 676 trat erneut ein Komet in das Sichtfeld der frühmittelalterlichen Zeitgenossen.305 Für den Kometen X/676 P1 ist zwar bisher kein Orbit berechnet worden, aber er muss ein sehr spektakuläres Objekt am Nachhimmel gewesen sein, als er dort

|| 296 England, Early sungrazer comets (2002), 17 Nr. 21. 297 Vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 114 f. 298 Tholomeus von Lucca, Historia ecclesiastica nova, ad a. 633. Ed. Clavuot, MGH SS 39, 231: Tunc etiam temporis signum sanguineum in celo apparuisse visum est et quasi haste sanguinee et lux clarissima per totam quasi videbatur noctem; vgl. Dall’Olmo, Additional list (1979), 1527. 299 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 632. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 323: Terremotus factus est, et per triginta dies apparuit in caelo signum in modum gladii, portendens imminentem Saracenorum potentatum; vgl. Draelants, Éclipses (1995), 113. 300 Annales Cambriae, ad a. 648/[207]. Ed. Gough-Copper (Version A), 10: Ortus stellę. 301 Berghaus/Schäferdiek/Vierck, Eligius von Noyon (1989). 302 Vita Eligii episcopi Noviomagensis, 36. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 4, 720: Et, his dictis, inter verba orationis flagitatum a superis emisit spiritum. Statim vero cum esset hora prima noctis, visus est subito velut pharos magnus ingenti claritate resplendens ex eadem domo coruscando conscendere atque inter mirantium obtutus sphera ignea, crucis in se similitudinem praeferens velocique cursu densitatem nubium praeteriens, caeli altitudinem penetrare. 303 Vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 127. 304 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 5, 31. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 154: Insequenti post tempore mense Augusto a parte orientis stella cometis apparuit nimis fulgentibus radiis, quae post semet ipsam reversa disparuit. Nec mora: gravis pestilentia ab eadem parte orientis secuta Romanum populum devastavit; vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 286 f. 305 Schove/Fletscher, Chronology (1987), 323.

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etwa drei Monate lang zu sehen war. Beschreibungen dieses Kometen stammen aus Irland, England, Schottland, Italien, Syrien, aber auch aus China, Japan und Korea.306 Wann der Komet genau auftrat, dafür geben die Quellen sehr verschiedene Zeiten an: In Japan wird sein Erscheinen zwischen dem 16. Juli und dem 14. August sowie zwischen dem 13. September und 10. Oktober genannt. In China werden die 58 Tage zwischen 3. September und 1. November angegeben, dazu erfährt man hier, dass der Komet im Sternbild Zwilling zu sehen war. Das gleiche Sternbild wird auch in koreanischen Quellen genannt, die als Zeit seines Auftretens die Monate August und September angeben. In England erwähnen Beda Venerabilis und ein Verfasser der angelsächsischen Chroniken den Beginn der Sichtungen im Monat August, die über eine Dauer von drei Monaten andauerten: „Im Jahr 678, welches das achte Jahr der Herrschaft des Königs Ecgfrith ist, erschien im Monat August der Stern, der Komet genannt wird, blieb drei Monate, ging zur Morgenstunde auf und zeigte so etwas wie die hohe Säule einer strahlenden Flamme.“307 Der Komet erschien und der Bischof wurde abgesetzt. In Irland wird in den Abschriften der irischen Chronik für das Jahr 677 ein gleichlautender Eintrag erwähnt: „Ein heller Komet wurde in den Monaten September und Oktober gesehen.“308 Die Annales Cambrię berichten in beiden Versionen für 676 von einem Kometen, dessen Licht in der ganze Welt zu sehen gewesen sei,309 die schottische Chronik und eine irische Quelle stellen ihn zum Jahr 673.310 Syrische Quellen nennen das Jahr 677: „Ein ehrfurchtgebietender Komet erschien jeden Morgen vom 28. August bis zum 26. Oktober, insgesamt an 60 Tagen“311, und Sigebert von Gembloux überliefert das Erscheinen eines Kometen für August bis Oktober ebenfalls des Jahres 677.312

|| 306 Seargent, Greatest Comets (2009), 83 f. 307 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 4, 12. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 354 f.: Anno dominicae incarnationis DCLXXVIII, qui est annus imperii regis Ecgfridi VIII., apparuit mense Augusto stella, quae dicitur cometa; et tribus mensibus permanens, matutinis horis oriebatur, excelsam radiantis flammae quasi columnam praeferens; Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 678. Ed. Swanton (Peterborough MS), 38: Here the star comet appeared in August, and every morning for 3 months shone like a sunbeam. And Bishop Wilfrid das driven out of his bishopric by King Ecgfrith 308 Chronicle of Ireland, ad a. 676. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 161: A bright comet was seen in the months of September and October. 309 Annales Cambriae, ad a. 676/678. Ed. Gough-Copper (Version B), 30: Stella mire magnitudinis uisa est per totum mundum lucens; ebd. ad a. 676/678/[234] (Version A), 12: Stella mire magnitudinis uisa est per totum mundum lucens. 310 Annals of Clonmacnoise, ad a. 673. Ed. Murphy, 109: There was a comet and a star of great brightness seen in ye months of September and October; Chronicum Scotorum, ad a. 673. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 105: A bright and luminous comet was seen in the months of September and of October. 311 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 2. 312 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 677. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 326: Ab Augusto per tres menses stella radiis caelos penetrans, a parte orientis a galli cantu usque in mane apparebat, et maxima mortalitas a parte oreintis subsecuta est.

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Ein fast gleichlautender Eintrag, allerdings mit einer um zehn Jahre früheren Datierung ist bei Theophilus von Edessa zum Jahr 665/666 zu finden, wonach jeden Morgen zwischen dem 28. August und dem 26. Oktober über insgesamt 60 Tage ein Komet erschien. Die Ratten seien in Syrien und Phönizien sehr zahlreich geworden und hätten die Ernte zerstört, was eine große Lebensmittelknappheit auslöste. Im darauffolgenden Jahr seien Heuschrecken aufgetreten.313 Dieser Eintrag scheint sich aufgrund der tagesgenauen Datumsgleichheit wohl auf das Erscheinen des Kometen X/676 P1 zu beziehen. Weiterhin sind aus Italien vier Nachrichten überliefert, die auf denselben Kometen Bezug nehmen: Zu einer nur ungefähr in das Jahrzehnt von 670 bis 680 datierten Nachricht aus Cremona, bei der ein Stern im Osten gesehen wurde,314 fehlen andere Interpretationsvorschläge. Die Nachricht gleicht aber einer ähnlich lautenden, gleichwohl ausführlicheren aus Neapel, die genau den Monat August des Jahres 676 anführt. Als Folge des Kometen wurde dort ein großes Sterben in den östlichen Gebieten – über denen der Komet erstmals gesehen wurde – angegeben.315 Fast gleichlautend ist die Beschreibung des Paulus Diaconus: „In der dem Monat August [676] nachfolgenden Zeit erschien im östlichen Teil der Stern Komet mit sehr leuchtenden Strahlen, nach dem Eintreten in seine Spur verschwand er. Unmittelbar darauf folgte eine schwere Pest aus diesem Teil des Ostens, die das römische Volk verheerte.“316 Dieser Eintrag findet sich ganz ähnlich im Liber Pontificalis, allerdings mit einer nicht so genauen Datierung: „Im August 676–678, als er gewählt wurde, erschien dort von Osten ein Stern vom Hahnenschrei bis zum Morgen für drei Monate, und seine Strahlen durchbohrten den Himmel, bei seinem Anblick in den Provinzen wurden alle gerührt und die Leute staunten. Nach dem Eintreten in seine Spur verschwand er, und es folgte ein sehr großes Sterben von Osten.“317 Für den Kometen || 313 Theophilus of Edessaʼs Chronicle, ad a. 665–666. Ed. Hoyland, 161 [MSyr]: An awesome comet appeared every morning from 28 August to 26 October, sixty days in all. The rats became numerous in Syria and Phoenicia and destroyed the crops, causing a great food shortage. The following year there were locusts. 314 Sicard von Cremona, Chronica, ad a. [670–680]. Ed. Holder-Egger, MGH SS 31, 148: Ea quoque tempestate stella in meridie visa est cum magno fulgore cadere in orientem. 315 Gesta episcoporum Neapolitanorum, 31. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 419: Hic dum adhuc esset electus, a parte orientis Augusto mense stella apparuit a gallocantu usque mane per menses tres. Cuius radia caelos penetrabat. In cuius visione surgentis omnes provinciae et gentes mirabantur. Qui post semet ipsa reversa disparuit. Ea recedente, maxima mors a parte orientis subsecuta est. 316 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 5, 31. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 154: Insequenti post tempore mense Augusto a parte orientis stella cometis apparuit nimis fulgentibus radiis, quae post semet ipsam reversa disparuit. Nec mora, gravis pestilentia ab eadem parte orientis secuta, Romanum populum devastavit: (…); vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 286 f. 317 Liber Pontificalis, 80: Donus (676–678), 3. Ed. Duchesne, Bd. 1, 348; Book of pontiffs. Ed. Davis, 75: Hic dum esset electus, per augusto mense, apparuit stella a parte Orientis a gallo canto usque mane per menses tres, cuius radia caelos penetrabat; in cuius visione surgentes omnes provinciae et gentes mirabantur. Qui post semetipsa reversa disparuit; pro quo capitulo et maxima mors a parte Orientis subsecuta est.

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X/676 P1 lässt sich daher festhalten, dass er ungefähr drei Monate am Himmel zu sehen war, wahrscheinlich im Sternbild Zwilling und dass er mindestens den gesamten September und Oktober zu sehen war, bevor er Anfang November verschwand. Sein Auftreten wird in den meisten Quellen bereits im August gemeldet. Chinesische Quellen melden zuvor, 675/676, noch einen zweiten Kometen, der vielleicht der KreutzSungrazer-Gruppe zugeordnet werden kann. Die Datierungen schwanken aber zwischen 4. November 675 und 3./4. Januar 676. Er erschien östlich des Sternbildes der Jungfrau, in der Nähe von dessen hellstem Stern Spica.318 Als der oben bereits beschriebene Komet Halley im Jahr 684 wieder erschien, war er offenbar nicht allein. Beim Vergleich der syrischen Quellen mit den italienischen fällt auf, dass zunächst ein großer Komet von Weihnachten bis Epiphanie zu sehen war, der dann wieder verschwand. Ab Februar sei erneut ein Komet aufgetreten, für den berichtet wird, er sei wie der Mond hinter einer Wolke verschleiert gewesen. Eine Quelle aus Syrien und dem Nordirak berichtet: „Zu dieser Zeit erschien ein großer Komet und blieb für elf Tage (…). Danach erschien wieder ein großer Komet an jedem Abend für 41 Tage, dann erschienen andere nebenan für sieben Tage beginnend im Monat September.“319 Auf italienischer Seite ist der Eintrag in die Chronik des Paulus Diaconus zu nennen. Dieser ist zwar nur relativ in die Zeit zwischen 680 und 685 datiert, wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Jahr 684 zu stellen sein.320 Diese Stelle ähnelt sehr stark einem in die Zeit 684/685 datierten Eintrag im Liber Pontificalis: „Zu seiner Zeit erschien ein Stern in der klaren Nacht am Himmel, ungefähr zur Zeit der Vigilien, für einige Tage zwischen Weihnachten [25.12.] und Epiphanie [6.1.]. Alles war überschattet, wie der Mond unter einer Wolke. Wieder im Februar, nach dem Valentinstag [14.2.], erschien der Stern zur Tageszeit am Mittag im Westen und versank dann im östlichen Teil. Danach, im März, brach der Berg Vesuv in Kampanien für einige Tage aus und alle Orte ringsumher wurden von seinem Staub und seiner

|| 318 England, Early sungrazer comets (2002), 17 Nr. 22. 319 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 3a; vgl. Kap. 2.2.1 Der Komet 1P/Halley. 320 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 6, 9. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 168: Hac tempestate noctu stella iuxta Vergilias caelo sereno inter Domini Natalem et Theophaniam apparuit omnimodo obumbrata, veluti cum luna sub nube est constituta. Post haec mense Februario die media stella ab occasu exiit, quae cum magno fulgore in partes orientis declinavit. Dehinc mense Martio Bebius eructuavit per dies aliquot et omnia virentia circumquaque prae pulvere et cinere illius exterminata sunt; vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 310 f.

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Asche ausgelöscht.“321 Cook vermutet, dass der zweite genannte Komet der Halley’sche Komet sei, während die Identität des ersten ungeklärt sei.322 Das Hauptproblem ist, dass die chinesischen und japanischen Quellen als Datierung für das Perihelion des ersten Kometen den 2. Oktober 684 angeben, wozu allerdings keine der syrischen und italienischen Angaben passt. Eine armenische Quelle des 8. Jahrhunderts kennt wiederum nur das Auftauchen des Kometen und macht keine weiteren zeitlichen Angaben.323 Auch der Eintrag zum Jahr 688 im Chronicle von Aethelward, der eine Sichtung zum Jahr 685 vermerkt,324 bestätigt zwar das Ereignis als solches, gibt aber keine detaillierten Informationen. Cook hält es für möglich, dass die oben bereits erwähnte Textstelle bezüglich ʿAbdallāh Ibn ʿAbbās (619–687/88), eines Cousins von Mohammed, auf die Sichtung des Kometen Halley anspielt. Darin wird das Erscheinen eines Kometen als Zeichen für das Ende der Welt verstanden. Da zu dieser Stelle aber keine Datierung vorliegt, kann aber außer dem Kometen Halley/684 auch ein anderer Komet gemeint gewesen sein.325

2.2.3 Kometensichtungen im 8. und 9. Jahrhundert Wiederum in syrischen Quellen, aber diesmal zum Jahr 711 wurde überliefert: „Im Jahr 1023 [711], nach der Rechnung der Griechen, am 8. August, wurde ein Zeichen im Himmel gesehen, in der Form einer langen Lanze, breit an der oberen Spitze. Es war im nördlichen Teil des Himmels, gerichtet und geneigt zum südlichen Teil und es erschien am Abend, etwa zur zweiten Stunde der Nacht.“ Nach Cook könnte dieser Komet identisch mit einem für Juli/August 712 in chinesischen Quellen genannten sein, der auch vom späteren Chronisten Bar-Hebraeus genannt wird: „Ein Zeichen wie ein Speer erschien am Himmel und er reichte vom Süden bis zum Norden und blieb dort für dreißig Tage.“326

|| 321 Liber Pontificalis, 83: Benedict (684–685), 4. Ed. Duchesne, Bd. 1, 363 f.; Book of pontiffs. Ed. Davis, 82: Huius temporibus apparuit stella noctu, iuxta vigilias, per dies, caelum serenum, inter Domini et Theophania, omni obumbrata, veluti luna sub nube. Itemque mense februario, post natale sancti Valentini, in die, ab occasu exiit stella meridie et in partes Orientes declinavit. Post haec mons Bevius qui est in Campania mense martio eructuavit per dies et omnia loca circumquaque prae pulvere cinii ipsius exterminatae sunt. 322 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 3a. 323 Gurzadyan, Halley 684 (1988). 324 Chronicle of Aethelward, ad a. 688. Ed. Campbell, 20: Postque decursum triennii apparuit stella cometa. 325 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 3b. 326 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 f. Nr. 5a, 5b.

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Für das Jahr 728 berichten die Annalen von Weissenburg und, wohl diesen folgend, Lampert von Hersfeld, dass „ein Stern der Komet erschienen“ sei.327 Nach den Hersfelder Annalen und der Chronik des Aethelward erschienen die Kometen erst im folgenden Jahr 729.328 Aethelward bringt den Kometen mit dem Tod des Bischofs Ecgberht von Lindisfarne (639–729) in Verbindung.329 Auch der Autor des Liber Pontificalis hielt zum Jahr 729 eine Beschreibung des erschienenen Sterns für notwendig: „Dann erschien der Stern, der Antifer genannt wird, mit seinen Strahlen im westlichen Himmel für mehr als zehn Tage. Seine Strahlen zeigten nordwärts und streuten zum Zentrum des Himmels.“330 Nach der Überlieferung bei Beda Venerabilis traten in dieser Zeit zwei Kometen gleichzeitig auf: „Im Jahr 729 erschienen zwei Kometen um die Sonne herum, die denen, die sie sahen, großen Schrecken einjagten. Einer kam morgens vor Sonnenaufgang, der andere folgte am Abend nach Sonnenuntergang, gleichsam dem Osten und dem Westen schreckliches Unheil voraussagend; sicher kam einer vor Tagesanbruch, der andere vor Anbruch der Nacht, um zu zeigen, dass den Sterblichen zu beiden Zeiten Schlimmes bevorstünde. Sie hatten gegen Norden einen feurigen Schweif, der so aussah, als wolle er einen Brand entfachen, und sie erschienen im Monat Januar und blieben fast zwei Wochen. Zu dieser Zeit verheerte das ganze schreckliche Unheil der Sarazenen Gallien durch ein schreckliches Blutbad, und sie erlitten kurz darauf in diesem Land die ihrem Unglauben gebührende Strafe.“331

Mit dieser „gebührenden Strafe“ ist wohl der Sieg Karl Martells bei Tours und Poitiers im Jahr 732 gemeint. Davis hat mit der Anzahl und Deutung von zwei Kometen zwar

|| 327 Annales Weissenburgenses, ad a. 728. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 12: Cometae stelle apparuerunt; Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 728. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 12: Cometae stellae apparuerunt. 328 Annales Hersfeldenses, ad a. 729, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 420: Cometae apparuerunt. 329 Chronicle of Aethelward, ad a. 729. Ed. Campbell, 21: Impletoque cursu anni unius apparuit stella cometa, et sanctus obiit Ecgbyrhtus episcopus. 330 Liber Pontificalis, 91: Gregor II. (715–731), 21. Ed. Duchesne, Bd. 1, 407; Eighth-century popes. Ed. Davis, 14: Eo autem tempore, indictione XII, mense ianuario, per X et eo amplius dies, stella quae Antifer vocitatur cum radiis in caelo apparuit in occidua, cuius radia pertem Aquilonis respiciebant et usque ad medium caelum se extendebant. 331 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 5, 23. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 532 f.: Anno dominicae incarnationis DCCXXVIIII apparuerunt cometae duae circa solem, multum intuentibus terrorem incutientes. Vna quippe solem praecedabat mane orientem, altera uespere sequebatur occidentem, quasi Orienti simul Occidenti dirae cladis prae sagae; uel certe una diei, altera noctis praecurrebat exortum, ut utroque tempore mala mortalibus inminere signarent. Portabant autem facem ignis contra aquilonem, quasi ad accendendum adclinem, apparebantque mense Ianuario et duabus ferme septimanis permanebant. Quo tempore grauissima Sarracenorum lues Gallias misera caede uastabat, et ipsi non multo post in eadem prouincia dignas suae perfidiae poenas luebant.

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Schwierigkeiten,332 aber warum bleibt unklar, denn bei dem Eintrag in Bedas Historia kann es sich um ein durchaus reales Phänomen handeln. Dass Beda nicht einfach zwei chronologisch aufeinanderfolgende Ereignisse zu einem Eintrag verdichtet hat, zeigt sein folgender Eintrag: „Im Jahr 729 erschienen Kometen. Der heilige Ecgberht verschied. Osric starb.“333 Nach Theophanes dem Bekenner erschien im Jahr 744 „ein großer Komet über Syrien.“334 In den Überlieferungen der Chronik des Theophilus von Edessa wurde das Erscheinen eines großen Kometen über Syrien erst für das Jahr 745 genannt.335 Die beiden Jahresangaben könnten auf das Jahr 744/45 hinweisen, denn nach der Überlieferung bei Michael dem Syrer war zu Anfang Januar 745 ein Meteorstrom zu sehen. In den Nächten erschien etwas wie eine große Säule aus Feuer und in der Nähe der Milchstraße soll für vier Tage ein Stern groß wie der Mond zu sehen gewesen sein. Als allgemeine Deutung dieser Zeichen wurde von den Zeitgenossen angenommen, sie kündigten Schlachten, Blutvergießen, Seuchen und Verfolgungen an.336 Für das Jahr 744/45 scheinen demnach drei getrennte Ereignisse dokumentiert worden zu sein: Am 1. Januar „wurden feurige Blitze in der Luft gesehen, wie die Älteren sie noch nie zuvor gesehen hatten; und sie wurden fast die ganze Nacht am 1. Januar gesehen“,337 es handelt sich also um einen Meteorstrom.338 Als zweites wurde ein Komet („japanese Winter comet“)339 beobachtet und zuletzt ein sehr großes Lichtaufflammen in der Nähe der Milchstraße für vier Tage, das vielleicht auf eine Supernova hinweisen könnte. Dies ist allerdings bisher nicht von der astronomisch-astrophysikalischen Forschung nachgewiesen. Als weitere Himmelserscheinung wird für 749–756 in einer

|| 332 Eighth-century popes. Ed. Davis, 14 Anm. 65: „Bede HE 5, 23 has two comets, either the LP’s interpolator copied Bede (unlikely: ‘Antifer’ is not in bede), or the phenomenon of January 729 was real.“ 333 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 5, 24. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 542 f.: Anno DCCXXVIIII cometae apparuerunt. Sanctus Ecgbert transiit. Osric mortuus est. 334 Theophanes der Bekenner, Weltchronik, ad a. 744, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 62. 335 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 745. Ed. Hoyland, 254 [Theophanes]: A great comet appeared in Syria; [Agapius]: A comet appeared. 336 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 745. Ed. Hoyland, 254 [MSyr]: At the beginning of January the like of stars were seen darting to and from everywhere in the whole atmosphere, frequently and violently, as though doing battle. Also, in the middle of the sky, during the night, the likeness of a great column of fire could be seen. From the day that those shooting stars began, one could see near the Milky Way a star looked as big as the moon. It remained for four days. Everyone said about these signs that they indicated battles, shedding of blood, plagues and chastisements. 337 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 745. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 38: Visi sunt in aere ictus ignei quales nunquam ante mortales illius aevi viderunt; et ipsi paene per totam noctem visi sunt, Kal. scilicet Januarii. 338 Simeon von Durham, Historia Regum. Ed. Arnold, Rolls series 75.2, 387: Ictus ignei. 339 Schove/Fletscher, Chronology (1987), 294.

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anonymen Chronik Salernos ein feuriger Ball dokumentiert,340 für den weitere Informationen fehlen. Zum Jahr 762 verbindet Theophanes der Bekenner eine Kometensichtung mit dem Tod einer hohen Persönlichkeit: „In diesem Jahr erschien ein Komet im Osten, und der Sohn der Phatima wurde getötet.“341 England rechnet diesen Kometen aufgrund seines Erscheinens in der zweiten Jahreshälfte zu den Sungrazern.342 Die Zeugnisse für die Jahre 762/63 bzw. 764/765 könnten auf das verstärkte Auftreten von Virginiden (25.01.–15.04., Maximum am 24.03.) oder Lyriden (16.04.–25.04., Maximum am 22.04.) hinweisen, so die für den Zeitraum 763–765 bei Symeon genannten fallenden Feuer343 oder das von Theophanes erwähnte Fallen der Sterne im März 763. Für den in Asien beobachteten Kometen C/770 K1 fehlt in Europa jegliche Überlieferung.344 Bei den zum Jahr 776 überlieferten Beobachtungen von zwei entflammten Schilden345 ist unklar, ob es sich um Spuren von Meteoren oder die Sichtung einer Aurora handelt.346 Die in den fränkischen Reichsannalen als „Heiden“ (pagani) bezeichneten Gegner Karls des Großen fliehen aufgrund dieses Zeichens. Noch weniger ist mangels Parallelüberlieferung über das Zeichen im Himmel (signum de coelo a Deo in terra) bekannt, das in den Paduaner Annalen zum Jahr 786 überliefert ist.347 Papst Leo III. berichtet in einem Brief vom 11. November 813, dass im Juni desselben Jahres ein brennendes Zeichen wie eine Fackel von vielen am Himmel gesehen wurde.348 Dabei könnte es sich um einen sehr hellen Kometen gehandelt haben. Die ausführlichste Beschreibung des spektakulären Auftretens dieses Kometen lieferte Einhard: „Während seines letzten Feldzuges in Sachsen gegen den Dänenkönig Gottfried hatte Karl eines Tages gerade vor Sonnenaufgang das Lager verlassen und den Marsch angetreten, als er plötzlich einen mächtigen Feuerstrahl mit hellem Schein von rechts nach links über den klaren Himmel blitzen sah.“349 Dies wird auch durch

|| 340 Chronicon Salernitanum, 3. Ed. Pertz, MGH SS 3, 472: Globus igneus. 341 Theophanes der Bekenner, Weltchronik, ad a. 762, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 78. 342 England, Early sungrazer comets (2002), 17 f. Nr. 23. 343 Simeon von Durham, Historia Regum. Ed. Arnold, 43: Ingei ictus. 344 Seargent, Greatest comets (2009), 84 f. 345 Annales regni Francorum, ad a. 776. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 45 f.; FSGA 5, 34 f.: (…) et dicunt vidisse instar duorum scutorum colore rubeo flammantes; Annales Laurissenses, ad a. 776. Ed. Pertz, MGH SS 1, 156: (…) et dicunt vidisse instar duorum scutorum colore rubeo flammantes. 346 Dall’Olmo, Meteors (1978), 126. 347 Annales Petaviani, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 17: Et illo anno fuit missum signum de coelo a Deo in terra, terrorque magnus. 348 Papst Leo III., Epistolae, 10, 7. Ed. Dümmler, MGH Epp. 5, 98: Et hoc factum est in mense Iunio, quando illud signum igneum tamquam lampadam in caelo multi viderunt; vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 126. 349 Einhard, Vita Karoli Magni, 32. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, 36: Ipse quoque, cum ultimam in Saxoniam expeditionem contra Godofridum regem Danorum ageret, quadam die, cum ante

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den Eintrag bei Theophanes dem Bekenner zum Jahr 813 bestätigt, in dem es heißt: „Am 4. desselben Monats wurde ein Komet in Gestalt zweier leuchtender Monde gesehen, die vereint waren und sich dann wieder in verschiedenartige Gestalten teilten, sodass sie die Form eines kopflosen Mannes annahmen.“350 Nach England handelt es sich um einen zweigeteilten Kometen, der den Sungrazern zugeordnet werden könnte, obwohl er selbst eher an ein Atmosphärenphänomen denkt.351 Die Beobachtung eines Sungrazers, der zum Jahr 815 in koreanischen und chinesischen Quellen überliefert wurde, ist in Europa ohne Gegenstück geblieben.352 Nach dem „Astronomus“ genannten Autor verfinsterte sich der Mond am 5. Februar 817 gegen 19 Uhr und ein wunderbarer Komet erschien im Zeichen des Schützen. Papst Stefan IV. starb im dritten Monat, nachdem er aus der Francia nach Rom zurückgekehrt war,353 und Paschalis I. bestieg als sein Nachfolger den päpstlichen Stuhl.354 Ganz in antiker Tradition bringt der „Astronomus“ das Erscheinen des wunderbaren (portentuosum) Kometen mit einem Herrscherwechsel, in dem Fall mit dem Tod des Papstes in Verbindung. Die Verfasser der Annales Fuldenses und der Annales Sithienses überlieferten fast wortgleich für den 5. Februar 817 eine Sonnenfinsternis (eclipsis solis) und verbanden diese Aussage damit, dass in dieser Nacht ein Komet zu sehen gewesen sei.355 Der Verfasser der Fuldaer Annalen machte dabei aber einen Fehler, der ihm durchaus hätte auffallen können, nämlich, dass in der Nacht die Sonne nicht scheint. Er hatte zwar korrekt eine Eklipse angegeben, aber eine des Mondes.356 Dies ist einer der seltenen überlieferten Fälle der Verwechslung einer Sonnenmit einer Mondfinsternis. Für die Zeitgenossen war das 9. Jahrhundert jedenfalls eine Zeit, die an Möglichkeit reich war, Kometen zu beobachten. Nachdem sich 837 der Halley‘sche Komet spektakulär der Erde angenähert hatte, sind schon für 838 die nächsten eindrucksvollen Kometensichtungen überliefert. Mindestens ein Komet, der unter dem Namen X/838 V1 firmiert,357 ist beobachtet worden, vermutlich aber noch weitere. Für das

|| exortum solis castris egressus iter agere coepisset, vidit repente delapsam caelitus cum igenti lumine facem a dextra in sinistram per serenum aera transcurrere. 350 Theophanes der Bekenner, ad a. 813, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 170. 351 England, Early sungrazer comets (2002), 18 Nr. 24. 352 England, Early sungrazer comets (2002), 18 Nr. 25, datiert das Ereignis auf den 8. Juni 816. 353 Papst Stefan IV. verstarb am 24. Januar 817, vgl. Schwaiger, Stephan IV. (1997). 354 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 27. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 369–372): Eo anno luna Nonis Februar defecit hora noctis secunda; cometarum sydus portentuosum in signo apparuit Agitatoris. Stephanus papa tertio mense postquam a Frantia Romam rediit, ultimum diem clausit, et Paschalis pro eo cathedram Romain pontificatus subiit. 355 Annales Fuldenses, ad a. 817. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 20: Eclipsis solis facta est Nonis Febr.; eadem nocte stella cometes gladio similis visa est; Annales Sithienses, ad a. 817. Ed. Waitz, MGH SS 13, 37: Eglypsis lunae facta Non. Febr. Eadem nocte stella cometes gladio similis visa. 356 Saroszyklus 85: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0817-02-05T.gif (2.4.2016). 357 Seargent, Greatest comets (2009), 85 f.

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Jahr 838 gibt es zwei Quellen, die das Erscheinen eines Kometen ab dem 11. April für drei Nächte – also bis 14. April – im Sternbild Waage überliefern.358 Eine andere Nachricht für dasselbe Jahr gibt der Autor der Vita Hludowici an, nämlich, dass im Winter 838/839 „und zwar am 1. Januar kurz nach Sonnenuntergang ein furchtbarer Komet im Sternbild Skorpion erschien. Diesem drohenden Zeichen sei bald darauf der Tod Pippins gefolgt.“359 Da Pippin aber schon am 13. Dezember 838 gestorben war,360 hat der Autor hier nachträglich den Kometen zum Vorboten erhoben. Ob die Nachricht in den Annales Fuldenses, dass „in demselben Jahr am 19. Dezember [5. Nacht vor dem Geburtstag des Herrn] ein großer Donnerschlag gehört und Blitze gesehen wurden, und auf viele Arten täglich Jammer und Elend der Menschen wuchs“361 zum selben Kometen gehört, ist unklar, der zweite Teil könnte aber eine Instrumentalisierung durch den Verfasser der Annalen stützen. Ein im Sternbild Widder erschienener Komet gehört mit Sicherheit zum Jahr 839, auch wenn er von einem anderen Annalisten zum Jahr 838 genannt wurde.362 Dieser Komet ist derart ausführlich in chinesischen und japanischen Quellen überliefert worden, dass Hasegawa den Pfad des Kometen am Himmel rekonstruieren konnte.363 Die Überlieferung bietet Daten zwischen dem 7. Februar und dem 15. März 839. Die Position des Kometen war etwa zwischen dem 12. März und dem 15. März, am ehesten am 13. und 14. März, in der Höhe des Sternzeichens Widder (Aries), sodass die vom Fuldaer Annalisten angegebene Sichtung in diese Zeit zu datieren sein wird. Die Rotfärbung bei klarem Himmel könnte auf Nordlichter hindeuten und die Beschreibung der kleinen Feuer auf den Meteorsturm, der in einer in Cordoba überlieferten Nachricht aus dem April oder Mai 839364 sehr bildhaft beschrieben wurde:365 „Es gab eine ‚Steinigung’ der Sterne im Monat Ǧumādā II [April-Mai] und die Sterne ordneten sich

|| 358 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 838. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: (…) cometes in signo Librae 3. Idus April. per tres noctes apparuit; Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 838. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 339: Cometes in signo Librae apparet. 359 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 59. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 528 f.: Qua hieme, id est Kalendis Ianuarii, saevus cometae ignis in signo apparuit Scorpinionis, non multo post solis occubitum. Cuius minacem vultum non multo post excessus est Pippini subsecutus. 360 Schieffer, Pippin I. (2001). 361 Annales Xantenses, ad a. 838. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 10; FSGA 6, 342 f.: Eodem anno V. nocte ante natale Domini fragor tonitrui magni auditus est et fulguris visus, et multis modis miseria et calamitas hominum cotidie augebatur. 362 Annales Yburgenses, ad a. 838. Ed. Pertz, MGH SS 16, 436: Eodem anno stella cometes apparuit in signo arietis, et prodigia alia in coelo visa sunt. 363 Hasegawa, Approximate Orbits (2002), 1091–1093 mit Abb. 2: Calculated path of Comet 839 February 7 and March 12. 364 Hasegawa, Further Comments (1986), 75 weist ausdrücklich und zu Recht darauf hin, dass dieser Eintrag nicht ins Jahr 838, sondern ins Jahr 839 gehört. 365 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1992), 11 Nr. 5.

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selbst von Süden nach Norden und von Osten nach Westen in Spanien.“366 Auch eine Beschreibung aus Ravenna ist überliefert: „Zu dieser Zeit im Jahr 839 regnete es hier über Ravenna Blut und im gleichen Monat Mai, in der Vigilie der Nacht, erschien am Himmel ein wunderbares Zeichen, als Sterne von Osten nach Westen auseinanderliefen [discurrentium] und sich rupften [velocissimum].“367 Dies deutet auf eine Beschreibung von Sternschnuppenbeobachtungen aus einem Radianten deutet. Weiterhin gab es am 5. Mai 839 eine Sonnenfinsternis über der ganzen Welt und es erschien im Himmel ein Stern in der Art einer Fackel, die Kraft der Sonne überstrahlend, und einige kleinere Sterne gingen neben jenem von Osten nach Westen bis die Kraft der Sonne wieder erstrahlte. Diese Beobachtung könnte auf Meteorströme hindeuten und auch ein Bericht in den Fuldaer Annalen zum gleichen Jahr scheint dies zu bestätigen: „In diesem Jahr erschien auch ein Komet im Zeichen des Widders und noch andere Wunderzeichen waren am Himmel zu sehen: der klare nächtliche Himmel wurde rot und mehrere Nächte hindurch schien es, als ob zahlreiche kleine Feuer wie Sterne in der Luft hin- und herliefen.“368 Schon für das nächste Jahr liegen wieder Nachrichten über Beobachtungen von Himmelskörpern vor. In syrischen Quellen wird für den April 840 überliefert: „Und im Jahr elfhunderteinundvierzig [840] am sechsten Tag vor dem Ende des Monats Nisan [April] erschien ein rotes Zeichen im nördlichen Himmel.“369 Cook hält es möglich, dass dies ein Zeugnis für einen Kometen ist, der am 20. März 840 für 20 Tage erschien.370 Eine mitteleuropäische Chronik überliefert zum Jahr 840 das Erscheinen eines Kometen im Sternzeichen Widder und macht aus diesem Zeichen einen Vorboten für den Tod Ludwigs des Frommen,371 der am 20. Juni 840 starb.372

|| 366 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 138 Nr. 18. 367 Agnelli Liber Pontificalis Ecclesiae Ravennatis, 172. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Lang. 1, 389: Igitur tempore illo, die 7. mense Madii dedicatio basilicae sancti Michaelis, hic Ravennae pluit sanguinem. Indictione 2, 8. eiusdem mensis, in vigilia noctis apparuit in caelum signum mirabile discurrentium inter se stellas ab oriente in occidentem velocissimum cum luna 20. Item die quinta mensis Madii, indictione 3. factus est meridie sol tenebrosus nimis per universum mundum usque ad horam nonam. Et apparuit in caelum stellam ardens tanquam facula, superans virtutem solis, et aliqua modica sub ipsius quasi passos duos ibant ab orientem in occidentem, et post virtutem radiat solis, iterum candor earum in ipsis erat stellis. Mortuusque est Lodovicus imperator, ut aiunt quidam, ipsa die. 368 Annales Fuldenses, ad a. 839. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 30; FSGA 7, 24 f.: Eodem quoque anno stella cometes in signo Arietis apparuit et prodigia alia in caelo visa sunt. Nam et caelum noctu serenum rubuit et per aliquot noctes igniculi plurimi instar sellarum per aerem discurrere videbantur. 369 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 138 Nr. 19. 370 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 138 Nr. 19. 371 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. [840]. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: Cometes apparuit in signo Arietis; coelum noctu in serenitate erubuit, igniculi similes stellis per coelum discurrebant. imperator moritur 12 . Kalend. Iulii in quadam insula Rheni fluvii; in templo sancti Arinulphi sepelitur. 372 Schieffer, Ludwig der Fromme (1987), 311–318.

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England nennt noch eine Kometensichtung im Osten am 3. Dezember 840, die möglicherweise der Kreutz-Sungrazergruppe angehören könnte.373 Nach den Annales Fuldenses erschien im Winter 841/842 ein Komet am 25. Dezember unter dem Zeichen des Wassermanns,374 dies übernahm auch Sigebert von Gembloux.375 Nach Nithard erschien dieser Komet im Dezember 841 im Sternbild Fische und verschwand zum 13./14. Februar 842 wieder. Er war vom Zentrum des Sternbilds Fische zwischen den Sternzeichen Leier und Andromeda aufgestiegen und im Großen Bären verschwunden, als ob er sich mit diesem vereint hätte.376 Als Zeitpunkt des ersten Auftretens jenes Kometen gab Nithard den Monat Dezember 841 an, der Verfasser der Annales Fuldenses den 25. Dezember 841, jener des Chronicon Fontanellense den 7. Januar 842.377 Das Datum des Verschwindens des Kometen wurde von Nithard mit dem Tag der Eide von Straßburg am 14. Februar 842 in Verbindung gebracht. Dagegen nennt das Chronicon Fontanellense den 13. Februar und die Annales Xantenses weisen auf dessen Erscheinen in der Fastenzeit vom 15. Februar bis 1. April 842.378 Neben dem Kometen wird im Chronicon Fontanellense auch noch das Auftreten von Schlachtenreihen (acies), also Polarlichtern am Himmel, im Monat März 842 erwähnt. Florus von Lyon379 nutzt diese Himmelserscheinungen, um sie als Vorboten für die Schlacht von Fontenoy zu instrumentalisieren.380

|| 373 England, Early sungrazer comets (2002), 18 Nr. 27. 374 Annales Fuldenses, ad a. 841. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 33; FSGA 7, 28 f.: Cometa stella VIII. Kalendas Ian. sub signo aquarii apparuit. 375 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 842. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 339: Cometes in signo Aquarii apparuit. 376 Nithard, Historiarum libri, 3, 5. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ 44, 37: Stella cometis mense Decembrio et Ianuario nec non et Februario usque praelatum conventum apparuit, per Pisces centrum ascendit et inter signum, quod a quibusdam Lyra, a quibusdam vero Andromeda vocatur, et Arcturum obscuriorem hoc concilio expleto defecit. 377 Chronicon Fontanellense, ad a. 842. Ed. Pertz, MGH SS 2, 301 f.: (…) apparuit in coelo stella cometa a plaga occidentali, a septimo Idus Ianuarii usque die Idus Februarii dies 37. Kalendis Martii apparuerunt acies in coelo prima hora noctis, feria 4. Tertio Idus Martii feria secunda iterum apparuerunt acies in coelo hora noctis secunda horribiles a parte orientis in modum albi coloris, nigri, et rubei, sive viridis. Erant autem aliae maiores, aliae minores, ac sine intermissione aut occidebant, aut oriebantur. Inter orientem vero et occidentem claritas erat summa. Sed hae acies maxime totam plagam aquilonarum repleverunt. Inter occidentem vero et aquilonem apparuit in modum viae latissimae claritas quaedam usque prope medium coeli centrum ad meridiem quasi tendens. Perduravit autem usque mediam noctem. Et cum esset luna vigesima, tam mira claritas erat, ut intuentibus miraculo esset. Tertio Kalend. Aprilis ipso die coenae Domini antequam aurora finem daret, luna defectionem passa est, a summo incipiens. 378 Annales Xantenses, ad a. 842. Ed.von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 12: Quadragesimali tempore stella in occidente maiorem consueto radium ab oriente habens. 379 Florus von Lyon, Carmina, Nr. 28. Ed. Dümmler, MGH Poetae 2, 562: Saepe malum hoc nobis caelestia signa canebant, cum totiens ignitae acies seu luce pavendae, per medias noctis dirum fulsere tenebras, partibus et variis micuerunt igne sinistro. 380 Newton, Medieval Chronicles (1972), 672, 675, 677.

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Der Eintrag im Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis zum Jahr 844, dass „für 20 Tage über der Francia der Stern erschien, der Komet genannt wird; und eine schreckliche Hungersnot die Francia, Burgund und Aquitanien heimsuchte, sodass einige die Kadaver der Toten aßen und andere sich gegenseitig verspeisten“381, ist insofern problematisch, als es in der gleichen Chronik einen fast wortgleichen Eintrag für das Jahr 873 gibt und in einer anderen Quelle zum Jahr 868.382 Für die in japanischen Quellen zum 14. März 852 und in chinesischen zwischen 25. März und 22. April 852 erwähnten Beobachtungen eines Kometen im Sternbild Orion, möglicherweise nahe des Schultersterns des Orions, Beteigeuze,383 fehlen jegliche europäischen Parallelen. Völlig singulär steht auch die Nachricht der Annales Floriacenses, nach der im Jahr 864 ein Komet Anfang Mai für 20 Tage erschienen sei.384 Immerhin drei europäische Annalisten überlieferten zum Jahr 867 einen Eintrag, nach dem ein Komet erschienen sei, in einem Fall ergänzt um Sturm, Hunger und Seuche.385 Auch Johannes Skylitzes und ein japanischer Historiograph überlieferten einen Kometen für dieses Jahr.386 Die Annales Fuldenses beschreiben für das Jahr 868, dass in diesem Jahr einige Nächte hindurch ein Komet zu sehen war.387 In der Bodenseeregion wird für 868 ein Komet zusammen mit Hunger und großer Sterblichkeit bei Menschen und Tieren

|| 381 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 844. Ed. Verdon, 72–75: Eo anno apparuit in Francia stella quae dicitur cometes diebus viginti; et fames tritici horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam, ita ut non essent qui sepelirent cadavera morientium, sed se invicem homines manducarent. 382 Vgl. dazu Kap. 5.1.5 Topos: Anthropophagie. 383 England, Early sungrazer comets (2002), 18 Nr. 28. 384 Annales Floriacenses, ad a. 864. Ed. Pertz, MGH SS 2, 254: Cometes apparuit circa Kalendas Maias per viginti dies; vgl. Newton, Medieval Chronicles (1972), 675; Schove/Fletscher, Chronology (1987), 295. 385 Annales Altahenses Breves, ad a. 867. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, VIII: Ventus, sequenti cometa, fames, pestilentia; Annales Blandinienses, ad a. 867. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 24: Stella apparuit; Annales Elmarenses, ad a. 867. Ed. Grierson, 82: Stella cometes apparuit. 386 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Michael 18, in: Byzanz. Ed. Thurn, 147. Zur Kometensichtung in Japan am 22. Dezember 867; vgl. England, Early sungrazer comets (2002), 18 Nr. 29. 387 Annales Fuldenses, ad a. 868. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 67; FSGA 7, 72 f.: Eodem anno stella cometes per aliquot noctes apparuit (…).

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überliefert.388Auch die Annalen von Würzburg überliefern zum selben Jahr einen deutlich389 oder überdeutlich390 zu sehenden Kometen. Nach den Annalen aus Sens erschienen Kometen etwa am 29. Januar 868 für ungefähr 25 Tage im Sternbild Kleiner Bär. Darauf rückten sie vor bis zum Sternbild Dreieck (triangulum): „Und es folgte in dem Jahr eine Hungersnot und großes Sterben fast im ganzen Reich der Franken, aber am meisten in Aquitanien und Burgund, sodass, weil so viele starben, sie nicht begraben werden konnten. Denn in der Stadt Sens starben an einem Tag 56 Menschen.“391 Auch nach der Chronik von Samur sowie der Chronik Rainalds sollen die großen Kometen für 25 Tage sichtbar gewesen sein.392 Auch zum folgenden Jahr 869 berichten die Annales Xantenses vom Erscheinen eines Kometen, und zwar im Nordwesten in der heiligen Nacht nach Septuagesima (15. Februar), dem sogleich ein ungeheurer Sturm und unermessliche Überschwemmung gefolgt seien, die viele unversehens umkommen ließen.393 Für den 17. August 873 ist überliefert, dass über Frankreich ein Komet für 25 Tage erschien und eine schreckliche Hungersnot die Francia, Burgund und Aquitanien heimsuchte, sodass einige die Kadaver der Toten gegessen und andere sich gegenseitig verspeist haben sollen.394 Der erste Teil des Eintrags ist gleichlautend mit dem Eintrag in der Chronik von Sens zum Jahr 868, der zweite Teil ist gleichlautend mit dem

|| 388 Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis prima, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 1, 51: Stella cometis. Fames acerrima, et mortalitas hominum et animantium; Annales Weingartenses, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 1, 66: Stella cometis. Fames accerima, et mortalitas hominum et animalium; Annales Sangallenses maiores, ad a. 868. Ed. Zingg, 158 f.: Stella cometis. Fames validissima, et mortalitas hominum et animatium; Annales Formoselenses, ad a. 868. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 35: Stella cometis. Fames acerrima et mortalitas hominum. 389 Annales St. Albani Moguntini, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 2, 241: Visa est cometa manifeste. 390 Annales Augienses, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 1, 68: Visa est cometa manifestissime; Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 868. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 341: Cometes manifestissime apparet. 391 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 1, 103: Anno 2 incarnationis dominicae 868. indictione prima cometes apparuit circa 4. Kal. Febr. dies circiter 25. primo sub temone minoris Arcturi. Deinde progressa est pene usque ad triangulum. Extitit eo anno fames et mortalitas inaudita per totum fere inperium Francorum, sed maxime per Aquitaniam et Burgundiam, ita ut prae multitudine morientium non essent, qui sepelirent. Nam Senonis civitate inventi sunt uno die 56 homines mortui. 392 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis, ad a. 868. Ed. Marchegay/Mabille, 184: Cometes magna visa fuit diebus viginti; et fames horribilis fuit eodem anno; Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 868. Ed. Marchegay/Mabille, 6: DCCCLVIIIo. anno ab Incarnatione Domini, in Francia cometes apparuit diebus XXV, et fames exstitit horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam, ita ut non essent qui sepelirent cadavera morientium sed se invicem homines manducarent. 393 Annales Xantenses, ad a. 869. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 25; FSGA 6, 362 f.: (…) et XV. Kal. Martii, id est nocte sancta septuagesimae, stella cometes visa est ab aquilone et occidente, cui statim nimia tempestas ventorum et inmensa inundatio aquarum est subsecuta, in qua multi inprovidi interierunt. 394 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 873. Ed. Marchegay/Mabille, 159 f.: In Francia vero cometes apparuit diebus XXV, et fames exstitit horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam: ita utnon essent qui sepelirent cadavera morientium, sed et invicem homines manducarent.

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Eintrag im Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis zum Jahr 844. Hier bestehen also klare Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Quellen. Einige Jahre darauf soll ein Komet im Monat Juli sichtbar gewesen sein und im gleichen Jahr habe am 28. Oktober eine Sonnenfinsternis stattgefunden. Als Jahresdatierung wurden 874,395 aber auch 875396 oder 876 angegeben.397 Berechnet werden kann eine Sonnenfinsternis für den 29. Oktober 878, also zwei Jahre nach der spätesten Datierung, deren Kernschatten gegen 14:00 Uhr (TD) den Maximalwert aufwies und der über Irland, Schottland, England sowie die norddeutsche Tiefebene in Richtung Osteuropa verlief.398 Sie wurde von mehreren anderen Quellen überliefert, wie in einem späteren Kapitel im Detail gezeigt wird.399 Das Erscheinen dieses Kometen könnte, wenn es sich nicht um eine unzulässige Zusammenlegung von Ereignisschilderungen handelt, im Juli 878 sichtbar gewesen sein. Im Monat Mai 875 soll wiederum ein Komet für 15 Tage400 sichtbar gewesen sein, die nach den St. Galler Annalen allerdings in den Herbst des Jahres datieren.401 Der Autor des Eintrags zum Jahr 875 in den Fuldaer Annalen verkomplizierte diese chronologisch vertrackte Lage weiter: „Ein Komet wurde den 6. Juni [875] im Norden in der ersten Stunde der Nacht sichtbar, ungewöhnlich funkelnd mit gesträubtem Schweif, der ein erstaunenswertes, vielmehr beklagenswertes Ereignis, das schnell

|| 395 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensi, ad a. 874. Ed. Marchegay/Mabille, 184: Cometa visa est mense julio, et eclipsis solis fuit Vo kalendas novembris. 396 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 875. Ed. Marchegay/Mabille, 7: Cometes visa mense julio, et eclipsis solis fuit vo kalendas novembris. Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 875. Ed. Marchegay/Mabille, 160: Fames valida per universum Karoli regnum incubuit. Cometa visa est mense julio, et eclipsis fuit solis Vo kalendas novembris. Folcwini Gesta Abbatum S. Bertini Sithiensium, ad a. 874. Ed. Holder-Egger, MGH SS 13, 621: In ipso anno [874] facta est fames magna et mortalitas hominum per pestilentiam permaximam. (…) Annoque insecuto ignis globus maximus in aurora diei de aethere est lapsus itemque stella cometes apparuit 6. idus Iunii. 397 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 876. Ed. Verdon, 66 f.: Cometa visa est mense julio, et eclipsis solis fuit mirabilis V° kal. Novembris. 398 Saroszyklus 115, vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/878-10-29.gif (4.4.2016). 399 Vgl. Kap. 2.7 Sonnenfinsternisse. Vgl. auch Draelants, Éclipses (1995), 118 f. 400 Heirici monachi S. Germani Autissiodorensis Annales breves, ad a. 875. Ed. Waitz, MGH SS 13, 80: Mense Maio cometa apparuit per dies 15. 401 Annales Sangallenses maiores, ad a. 875. Ed. von Arx, MGH SS 1, 80: Stella cometis tempore autumni visa est.

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erfolgte, durch sein Erscheinen vorauszeigte, obwohl man jetzt noch als Folge unserer Sünden fürchten muss, dass er auf Schlimmeres deute.“402 Der italienische Historiograph Andreas von Bergamo gab den ganzen Monat Juni 875 als Zeitrahmen an, in dem ein Komet zu sehen gewesen sei.403 In Folcwins Gesta gehen einem am 7. Juni 874 auftretenden Kometen eine große Trockenheit von Anfang Juni bis Mitte August sowie unzählige Heuschrecken und später im Jahr noch Normannen voraus sowie ein großes Sterben bei den Menschen und eine große Epidemie.404 Ungewöhnlich rötlich gefärbt soll der Komet gewesen sein, den Sigebert von Gembloux zum Jahr 876 erwähnt405 Im Jahr 881 soll vom Monat Juli an ein Stern im Osten in der Art einer Fackel den Himmel durchzogen haben, der fast die ganze Welt erleuchtete, berichtet der venezianische Chronist Johannes Diaconus. Nachdem dieser Durchzug im Himmel von den Menschen beobachtet worden sei, hätten die zeitgenössischen Beobachter einen lauten Knall gehört.406 Da dass Auftreten dieses Kometen geradezu mustergültig den Tod Kaiser Ludwigs des Jüngeren angekündigt zu haben schien, überliefern die Fuldaer Annalen zum Jahr 882: „Ein Komet erschien den 18. Januar nachts in der ersten Stunde, der seinen Schweif übermäßig ausdehnte und das Unglück, welches schnell folgte, durch sein Erscheinen voraussagte. Ludwig endete, da die Krankheit zunahm, sein Leben den 20. Januar. Seine Leiche wurde überführt und in Lorsch, im Kloster

|| 402 Annales Fuldenses, ad a. 875. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 83; FSGA 7, 96 f.: Stella cometes VIII. Id. Iunii in aquilonali parte prima hora noctis apparuit plus solito scintillans comasque spargens, rem stupendam, immo lugendam, quae cito secuta est, sua apparitione praemonstrans, quamvis adhuc peccatis nostris exigentibus graviora significare timeatur. 403 Andreas von Bergamo, Historia, 18. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 229: Igitur post ann., hoc est in indict. octava, stella commetis in caelo comparuit, similitudo radientibus longinque caude per totum mense Iun., mane et vespere. 404 Folcwini Gesta Abbatum S. Bertini Sithiensium, 74. Ed. Holder-Egger, MGH SS 13, 621: Anno quoque insecuto siccitas magna in mense accidit Iunio et usque in medio Augusto; et post venit locustarum innumera multitudo, virides herbas annonasque consumentes. Nordmanni quoque eodem anno Andegavis perveniunt multosque puniunt; sed a Francis obsessi, datis obsidibus, se quoque dedere. 77. De fame et pestilentia hominum. In ipso anno [incarnationis Domini 874] facta est fames magna et mortalitas hominum per pestilentiam permaximam. Vinum autem extitit habundanter; annoque insecuto ignis globus maximus in aurora diei de aethere est lapsus, itemque stella cometes apparuit 6. Idus Iunii. 405 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 876. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 342: Cometes solito rutilantior apparuit. 406 Johannis Diaconos, Chronicon Venetum, ad a. 881. Ed. Pertz, MGH SS 7, 21: Circa haec tempora mense Iulio stella de oriente in modum facule visa est pertransisse, que totum pene mundum illuminavit. Post cuius transitum visum est hominibus in coelum audisse in modum sonitum portarum cum aperiuntur et clauduntur, et propterea dicebant quod celum apertum esset et clausum; vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 127.

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des hl. Nazarius, neben dem Grab seines Vaters beigesetzt.“407 In idealer Weise konnte der Annalist hier das Erscheinen eines Kometen mit dem Tod eines Herrschers verbinden. Die Koinzidenz entsprach genau seinen vom Studium antiker Literatur geprägten Erwartungen. In der Chronica Sancti Benedicti geht der Erwähnung einer Kometensichtung im Sternbild Kleine Bärin (ursa minor) im Jahr 890 eine Nennung von Heuschrecken voraus, die weite Teile Italiens heimgesucht haben sollen.408 Schon für das darauffolgende Jahr ist wieder eine Kometensichtung belegt, und zwar erschien dieser Komet X/891 J1 nach chinesischen Quellen am 12. Mai 891 im Sternbild der Großen Bärin und durchlief bis zum 5. Juli eine Region im Umkreis verschiedener Sternbilder (Haar der Berenike, Löwe, Jungfrau) mit einer Länge von 100 Grad. Dies ist eine sehr ausführliche und detailreiche Beschreibung, allerdings reicht sie modernen Astronomen trotzdem nicht ganz aus, um den Orbit des Kometen zu kalkulieren. Der Anblick scheint jedenfalls für die Zeitgenossen sehr eindrucksvoll gewesen zu sein. Für den 13. Mai 891 gibt es auch eine arabische Beschreibung: „Ein stark glänzender Stern erschien am 28. des Monats Muḥarram [13. Mai] und dann bekamen seine Strahlen das Aussehen von Haaren.“.409 Die Winchester-Edition des Anglo-Saxon Chronicle (von 1154) erwähnt, dass „[im Jahr 891] nach Ostern [4. April], während der Bitttage oder früher, ein Stern erschien, der in Latein cometa genannt wird. Einige sagen in Englisch, dass sei ein ‚haariger Stern‘ [haired star], weil lange Strahlen von ihm ausgehen, manchmal nach einer Seite, manchmal nach allen Seiten.“ 410 Textzeugen aus Sankt Gallen ebenso wie die Annales Laubacenses blieben hingegen denkbar knapp: „Stern Komet. Sonnenfinsternis.“411 Die Sonnenfinsternis fand am 8. August statt Auch die Annales Alamannici nennen sowohl den Kometen als auch eine Sonnenfinsternis im Jahr 891, datieren diese Ereignisse aber ungenau.412

|| 407 Annales Fuldenses, ad a. 882. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 97; FSGA 7, 114–117: Stella cometes XV. Kal. Febr. Prima hora noctis apparuit comas suas supra modum spargens et rem infaustam, quae cito secuta est. Sua apparitione praemonstrans. Nam Hludowicus invalescente morbo XIII. Kal. Eiusdem mensis diem ultimum clausit; cuius corpus translatum et in monasterio sancti Nazarii, quod dicitur Lauresham, iuxta patris sui tumulum sepultum est. 408 Chronica S. Benedicti, ad a. 890. Ed. Pertz, MGH SS 3, 202: Prius tamen quam ista contingerent, temporibus Gaideris et Radelchis seu Aionis principum, ingens locustarum multitudo invasit Calabriam Apuliamque et Samnium et quasdam partes Italiae. Dehinc postquam iam dictus Ursus puer principari coeperat, stella cometes terribiliter longis effulsit crinibus per dies aliquot. 409 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 138 Nr. 22. 410 Seargent, Greatest comets (2009), 86; Draelants, Éclipses (1995), 120. 411 Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis tertia, ad a. 891. Ed. Pertz, MGH SS 1, 52: Stella cometis. Eclypsis solis; Annales Laubacenses, ad a. 891. Ed. Pertz, MGH SS 1, 52: Stella cometis; Folcwini Gesta Abbatum S. Bertini Sithiensium, ad a. 891. Ed. Holder-Egger, MGH SS 13, 623: (…) et stella cometes apparuit. 412 Annales Alamannici, ad a. 891. Untersuchungen. Ed. Lendi, 182: Stella cometis, eclypsis solis.

134 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Da die Finsternis zum 8. August 891 gegen 10:58 Uhr (TD) mit einer Zugbahn des Kernschattens über der Bretagne, Norditalien, Griechenland Richtung Syrien berechnet werden konnte,413 könnte jedoch auch in den Annales Alamannici die Sichtung des Kometen korrekt angegeben worden sein. Für die beiden folgenden Nennungen von Kometen wird jeweils das Jahr 892 angegeben. „Der furchtbare Stern ‚Komet‘ leuchtete mit langen Haare einige Tage“414, berichtet eine süditalienische Quelle. Eine andere, sonst reichlich unzuverlässige Chronik vermerkt sachlich: „Im Jahr 892 war ein Komet sichtbar.“415 Auch chinesische Quellen nennen für den 28. Dezember 892 einen „Stern mit Schweif“, der im Südwesten im Sternbild Schütze bis 31. Dezember zu sehen gewesen sei.416 Damit können diese Sichtungen jedenfalls zum Jahr 892 eingeordnet werden und gehören nicht zum Kometen des Jahres 893. Der „Comet 893“ erschien nach chinesischen Quellen (Hsin T’and shu) am 6. Mai im Sternbild Großer Bär und war etwa 100 Grad lang. Seine Länge soll sich bis auf 200 Grad ausgedehnt haben, bevor er nach 37 Tagen wieder verschwand. Seargent stellt in Bezug auf die Nennungen der beiden Kometen für die Jahre 891 und 893 einige gut nachvollziehbare Überlegungen an, und tendiert zu der Annahme, es handele sich um ein und denselben Kometen, zumal die Kometen auch in etwa dem gleichen Bereich des Himmels mit etwa der gleichen Länge und etwa zur gleichen Zeit aufgetreten sein sollen. Da beide Nennungen der selben chinesischen Chronik entstammen und nicht deckungsgleich sind, sondern leicht unterschiedlich, vermutet Seargent aufgrund der sehr ähnlichen Bahnverhältnisse, dass es sich vielleicht um einen auseinandergebrochenen Kometenkern handeln könnte, dessen beiden Teile sich auf sehr ähnlichen Bahnen bewegen – ein genuines Kometenpaar mit einem zeitlichen Abstand von zwei Jahren.417 Diesen Gedanken hat Hasegawa bei seiner Kalkulation des Pfads des Kometen weder aufgegriffen und weiter verfolgt. Der Komet wurde zwischen dem 6. Mai und dem 11. Juni in der Nähe des Sternbildes Löwe beobachtet.418 Da sein Schweif ungewöhnlich lang war, verwundert es, dass dieses Ereignis in den europäischen Quellen nicht überliefert ist.

|| 413 Saroszyklus 98: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/891-08-08.gif (4.4.2016). 414 Catalogus regum Langobardorum et ducum Beneventanorum, Continuatio. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 495: Dehinc postquam iam dictus Ursus puer principari ceperat, stella cometes terribiliter longis effulsit crinibus per dies aliquot. 415 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 892. Ed. Verdon, 76 f.: Anno DCCCXCII visa est cometa. 416 England, Early sungrazer comets (2002), 18 Nr. 30. 417 Seargent, Greatest comets (2009), 83 f. 418 Hasegawa, Approximate Orbits (2002), 1092–1095 mit Abb. 3: „Calculated path of Comet 893 May 6 and June 11“.

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2.2.4 Kometensichtungen im 10. Jahrhundert Im Jahr 905 erschien der Komet C/905 K1.419 Eine an den Kometen bei der Geburt Jesu erinnernde Geschichte wird dazu von Johannes Skylitzes zum Jahr 904/905 überliefert, nämlich dass „Zoe, die vierte Gemahlin, dem Kaiser ein Söhnchen [Konstantin VII. Porphyrogennētos, 905–959] gebar, bei dessen Geburt ein Komet am Himmel erschien; seine Strahlen gingen nach Osten, und er war vierzig Tage zu sehen. Der Patriarch Nikolaus taufte das Kind in der Hagia Sophia.“420 Für diesen Kometen wurden an unterschiedlichen Orten Beobachtungen dokumentiert. Die Chronik des Regino von Prüm weiß um das Auftreten des Kometen am 15. Mai und bringt es mit einem Herrscherwechsel421 im August in Zusammenhang.422 Auch die Annales Floriacenses geben den 15. Mai an, überliefern aber deutlich mehr Details zum Auftreten des Kometen: Er sei 23 Tage sichtbar gewesen, im Norden erschienen und sein Schaft sei zwischen den Sternbildern Löwe und Zwilling zu sehen gewesen.423 Ein fast wortgleicher Eintrag, allerdings zum Jahr 909, findet sich in den Annales Sanctae Columbae Senonensis, nachdem in der Zeit vom 15. Mai bis 7. Juni 909 ein Komet erschienen sei, auf den eine Hungersnot im folgenden Jahr in ganz Gallien gefolgt sei.424 Doch zurück zum Jahr 905: Zu Pfingsten, also am 19. Mai 905, soll gemäß den Annales Corbeienses ein Komet erschienen sein.425 Eine Bekräftigung dieses Datums geben arabische Überlieferungen: „Ein Stern mit einem Schweif stieg während der Zeit des Abendgebetes am 10. des Monats Raǧab [19. Mai] in den fernen Teil des Sternbilds Fische.“426 Eine andere arabische Überlieferung aus Nordafrika überliefert nur

|| 419 Seargent, Greatest comets (2009), 87 f. 420 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Leon 26, in: Byzanz. Ed. Thurn, 221. Leonis Diaconi Caloensis Historiae 1, 1, zitiert nach Rodgers, Byzantine Records, 178: „Therefore at the time of the birth of Emperor Constantinus [VII] Porphyrogenitus, son of Leo [VI Philosophus], for whom a hairy star [comet] was seen at his birth and death, predicting his baptism and departure from life, no proof was required to demonstrate the [comets’] influence, as this admitted by everyone.“ 421 Kaiser Ludwig III. (881/882–928), ab 887 König von Niederburgund, ab 900 König von Italien, wurde 905 bei Verona von Berengar I. (850–924) gefangengenommen und geblendet, worauf Berengar König in Italien wurde; vgl. Zielinski, Ludwig der Blinde (1987). 422 Regino von Prüm, Chronicon, ad a. 905. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 150: Eodem anno in mense Maio cometes stella apparuit et in mense Augusto haec mutatio regni facta est. 423 Annales Floriacenses, ad a. 905. Ed. Pertz, MGH SS 2, 254: (…) hoc anno mediante Maio, 5. feria apparuit stella circa ipsum septentrionem a parte circii emittens radium magnum versus euro-austrum quasi longissimam hastam inter Leonem er Geminos trans zodiacum, et visa est ita fere 23 diebus. 424 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 909. Ed. Pertz, MGH SS 1, 104: Hoc anno medio Maio 5. feria apparuit stella circa ipsum septentrionem a parte circii, emittens radium magnum versus euroaustrum quasi longissimam hastam inter Leonem et Geminos trans zodiacum, et visa est ita fere 23. diebus; et sequenti anno fames maxima fuit in tota Gallia. 425 Annales Corbeienses, ad a. 905. Ed. Pertz, MGH SS 3, 4: In pentecosten cometae apparuit. 426 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 139 Nr. 24a.

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den Monat: „Es erschien im Mai ein Stern mit Locken von Haaren im Sternbild Steinbock in Richtung Norden nahe banāt naʿš [entweder Großer oder Kleiner Bär]“.427 Nach der angelsächsischen Chronik (Abingdon- und Worchester-Manuskript) erschien am 20. Oktober 905 [903] ein Komet.428 Die von dem Mönch Heinrich zum Jahr 907 eingeordnete Angabe, in Mitteleuropa sei in den Ostertagen ein Komet erschienen und später im Jahr, im August, sei Kaiser Ludwig gestorben,429 zeigt dessen Neigung, das Erscheinen eines Kometen mit dem Tod eines Herrschers zu verbinden. Da aber Ludwig das Kind im September 911 starb, ist entweder das Jahr des Erscheinens oder die gesamte Komposition dieser Quellenstelle zu korrigieren.430 Wahrscheinlich sind die Nachrichten nur ungünstig zusammengezogen worden, denn in arabischen Quellen wurde ebenfalls eine Nachricht über das Erscheinen eines Kometen im Jahr 906/07 überliefert: „Während dieses Jahres stieg ein Stern mit einem Schweif im Osten auf.“431 Damit hätte der Chronist den Herrschertod wohl bewusst vorverlegt, um eine Verbindung mit dem Kometen herstellen zu können. Singulär steht wiederum die Nachricht der Würzburger Annalen, nach der im Jahr 914 Kometen gesehen wurden.432 Auffällig ist, dass die Parallelüberlieferung fehlt, denn der Komet sollte keine besonderen Ereignisse ankünden. Erneut sind es arabische Quellen, die zum 27. Juni 915 Juni erwähnen, dass im Irak: „Während der Nacht von al-Aḍḥā [27. Juni] drei große Sterne fielen, zwei zu Beginn der Nacht und einer am Ende, zusätzlich zu einer Zahl von kleinen Sternen“.433 Zum 30. März 916 ist folgende Nachricht zu stellen: „Während der Nacht des Freitags am 21. Tag des Monats Ramaḍān fiel ein sehr großer Stern und sein Licht leuchtete ein Weile fort, wie bei einem großen Feuerbrand.“434 Irische Annalen melden nach der Nachricht über einen extremen Kälteeinbruch im Jahr 917, dass erschreckende Kometen am Himmel zu glühen schienen und viel Feuer mit Donner im Westen von Irland aufzog und dann ostwärts auf das Meer hinausgezogen sei.435

|| 427 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 139 Nr. 24b. 428 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 905. Ed. Swanton (Worchester MS), 93: Here a comet appeared on 20 October 905; ebd., ad a. 905 (Abingdon MS), 93: Here a comet appeared. 429 Heirici monachi S. Germani Autissiodorensis Annales breves. Ed. Waitz, MGH SS 13, 80: Mense Maio cometa apparuit per dies 15. eodem anno Hludowicus imperator obit mense Augusto. 430 Schmid, Ludwig das Kind (1991). 431 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 139 Nr. 25. 432 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 914. Ed. Pertz, MGH SS 2, 241: Cometae viderentur. 433 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 139 Nr. 28. 434 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 139 Nr. 29. 435 Annals of Ulster, ad a. 917. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 365: Snow and extreme cold and unnatural ice this year, so that the chief lakes and rivers of Ireland were passable, and causing death to cattle, birds and salmon. Horrible portents also: the heavens seemed to glow with comets; and a mass of fire appeared with thunder in the west beyond Ireland, and it went eastwards over the sea.

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Für die folgenden Jahre bis 929 liegen keine Nachrichten über Kometensichtungen vor. Erst in diesem Jahr 929 „gab es einen anderen fallenden Stern im späten Dezember des Jahres,“436 von dem aber nur arabische Quellen berichten. Die nächsten zehn Jahre schweigen die Quellen. 939 wurde über Italien an acht aufeinanderfolgenden Tagen ein Komet beobachtet, der von Liudprand von Cremona als Vorbote einer Hungersnot dargestellt wurde.437 Vermutlich waren es Meteore, die bei einer Sichtung am 18. Oktober 939 sichtbar wurden, als „in der Atmosphäre ein kräftiges Rot im Norden und Westen erschien und einige große Säulen im Himmel erschienen, welche sehr zahlreich waren.“438 England vermutet als Ursache ein Mitglied der Kreutzer-Sungrazer-Gruppe.439 In der schwäbischen Universalchronik wird für die Dekade von 940 bis 950 überliefert, dass der Winter streng war und deshalb viele Tiere starben. Darauf seien für 14 Nächte Kometen erschienen und wiederum Tiere gestorben. Da darauf folgend am 16. April ein Erdbeben erwähnt wird, müssen die Kometen vor diesem Tagesdatum erschienen sein, bei unklarem Jahr.440 Auch eine Hungersnot, welche die ganze Welt betroffen haben soll, wird – allerdings nach späteren Quellen – mit dem Erscheinen eines Kometen in Verbindung gebracht.441 Die Annales Parchenses verbinden das Erscheinen dieser Kometen im Jahr 941 ebenfalls mit nachfolgendem Hunger,442 genauso wie die Annales Floreffienses, die zunächst die Einsetzung des Papst Marinus‘ II. erwähnen, der vom 30. Oktober 942 bis Mai 946 Papst war, und darauf das Erscheinen der Kometen.443 Zwei andere Annalenwerke (Annales Laubienses und Leodienses) verbinden ebenfalls Komet und Hungersnot.444 Weitere Annalen erwähnen hingegen

|| 436 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 140 Nr. 36. 437 Liudprand von Cremona, Antapodosis, 5, 2. Ed. Chiesa, 124; FSGA 8, 450 f.: Sed et in Italia octo continuis noctibus mirae magnitudinis cometa apparuit, nimiae proceritatis igneos ex sese radios fundens, subsecuturam non multo post famem portedens, quae magnitudine sui misere vastabat Italiam. 438 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 140 Nr. 37. 439 England, Early sungrazer comets (2002), 18 Nr. 31. 440 Chronicon Suevicum universale, ad a. 940. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 67: Hiemps valida et mortalitas animalium facta (…). Cometae 14 noctes apparent, et mortalitas animalium facta. (…) Terrae motus factus est 16. Kal. Mai. 441 Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 105. 442 Annales Parchenses, ad a. 941. Ed Pertz, MGH SS 16, 599: Cometes apparuit et fames subsecuta est. 443 Annales Floreffienses, ad a. 941. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 622: Marianus papa. Cometes apparuit et fames subsecuta. 444 Annales Laubienses, ad a. 941. Ed. Pertz, MGH SS 4, 16: Cometes apparuit et fames subsecuta. Annales Leodienses. Ed. Pertz, MGH SS 4, 16 wortgleich.

138 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

nur die Kometen.445 Widukind von Korvei nennt die Kometen für die Zeit vom 18. Oktober bis 1. November 941.446 Ausführlicher bezüglich der Lokalisierung des Erscheinens der Kometen im September und Oktober 941 sind Quellen aus dem Irak: „Während des Monats Muḥarram [Sept.-Okt.] erschien ein Stern mit einem Schweif vom Anfang des Sternzeichens Schütze bis zum Ende des Skorpions, zwischen Westen und Norden. Sein Kopf zeigte Richtung Westen und sein Schweif nach Osten und er war sehr groß und mit einem verbreiterten Schweif. Er erschien für 13 Tage im Schützen und Steinbock und dann verschwand er.“447 In arabischsprachigen Quellen, die Spanien betreffen, heißt es für den 23. Oktober 941: „Der gehörnte Stern [al-kawkab az-zubānī] stieg über den westlichen Horizont von Cordoba vor dem Sternzeichen Skorpion, von ihm weg geneigt. Er erreichte fast die obere Himmelsspähre [falaka alʿulīya], nach dem was die Augen sahen. Die erste Nacht, in der sein Schein gesehen wurde, war die Nacht am Samstag des 27. Tages des Monats Muḥarram.“448 Dies entspricht dem 23. Oktober und ist ein Samstag.449 „Er stieg sehr erhaben und groß in den Himmel, bis er verschwand.“450 Für das gesamte Jahr von September 941 bis September 942 soll nach anderen Quellen ein Komet sichtbar gewesen sein: „Währenddessen fiel ein gigantischer Stern nach Mitternacht welcher die ganze Welt erleuchtete. Sein Licht verschärfte sich bis zu dem Punkt, dass die Menschen verängstigt wurden und seine Farbe neigte zum Blauen [zarqāʾ].“451 Im Oktober 942 wurde ein Komet im östlichen Teil des Himmels gesehen. Darauf sei es zu einer ungeheuren Viehseuche gekommen. Die Dauer, für die der Komet beobachtet werden konnte, schwankt, sie beträgt bei Hermann von Reichenau 14 Nächte,452 in drei westfränkischen Chroniken 21 Tage,453 im Chronicon Sancti-Maxentii || 445 Annales Corbeienses, ad a. 941. Ed. Pertz, MGH SS 3, 4: Cometae apparuit; Annales Pragenses, ad a. 941. Ed. Pertz, MGH SS 3, 119: Comete apparuit. 446 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 32. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 93; FSGA 8, 116 f.: Eo anno et portenta quaedam apparuere, scilicet cometae. Nam a quinta decima Kalendas Novembris usque in ipsas Kalendas visae sunt. 447 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 140 Nr. 39a. 448 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 140 f. Nr. 39b. 449 Kronk, Cometography (2000), 154. 450 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 140 f. Nr. 39b. 451 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 140 Nr. 38. 452 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 942. Ed. Pertz, MGH 5, 114; FSGA 11, 638 f.: Cometa per noctes 14 visa et imensa animalium pestilentia facta. 453 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis, ad a. 942. Ed. Marchegay/Mabille, 186: Cometes apparuit mense octobri per viginti unum dies, quem pestis boum subsecuta est. Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 942. Ed. Marchegay/Mabille, 162: Hoc anno apparuit cometes in occidentali parte coeli, mense octobri, per XXI dies, sub obscuro capite longam facem velut fumum post se trahens, paulatim ad meridianam partem tendens contra subsolanum. Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 942. Ed. Marchegay/Mabille, 8 f.: Hoc anno apparuit cometes in occidentali parte coeli, mense octobri, per XXI dies, sub obscure capite longam facem velut fumum post se trahens, pauatim at meridianam partem tendens contra subsolanum.

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Pictavensis 22 Tage,454 bei Adalbert, dem Fortsetzer Reginos, 24 Nächte.455 Aber es gibt auch Überlieferungen eines vergleichbaren Ereignisses im folgenden Jahr: Auf das Erscheinen eines Kometen folgte eine große Hungersnot.456 Chinesische Astronomen entdeckten am 5. November 943 einen Kometen im Osten, dessen Schweif 15 Grad nach Westen zeigte.457 Ebenso auf einen Kometen zurückgehen dürfte die Beobachtung Flodoards von Reims zum Jahr 945: „Herr Teotolo, der ehrwürdige Bischof von Tours, starb. Er hatte am Frieden zwischen dem König und den principes gearbeitet. Besetzt mit dieser Angelegenheit kehrte er von Laon zurück und wurde von einer körperlichen Krankheit niedergeworfen. Nachdem er seinen letzten Atemzug getan hatte, erschien ein Zeichen aus Licht, das über den Himmel hetzte, es schien über eine Elle lang zu sein. Dieses Licht war so hell, dass es den Schatten der Nacht verteilte und jene, die den Körper trugen, ihrer Aufgabe nachkommen konnten.“458

Allerdings ist die Nachricht für 945 singulär und besonders Flodoards darstellerische Inanspruchnahme des Kometen als himmlischen Begleiter eines toten Bischofs macht es wahrscheinlich, dass der Autor hier die konkrete Beobachtung eines Kometen instrumentalisiert und umdatiert haben könnte. Im Jahr 947 wurde ein Komet in arabischen Quellen für den 20. Februar 947 im Westen genannt,459 und eine weitere Kometensichtung für zehn Tage vom August– September 947 im Irak: „Während des Monats Ṣafar [August–September] erschien ein Stern mit einem Schweif, dessen Länge ungefähr vier Grad war, im Osten. Er blieb für ungefähr zehn Tage und verblasste dann.“460 Dieser Komet wurde ab 29. August 947

|| 454 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 942. Ed. Verdon, 90 f.: Apparuit cometa in orientali parte coeli, mense octobri, per viginti duos dies, sub obscuro capite longam facem velut funem trahens post se, paulatim ad meridianam partem tendens contra sub-solanum. 455 Adalbert, Continuatio Regionis, ad a. 942. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 162; FSGA 8, 202 f.: Sidus simile cometae per XIIII noctes visum et immensa mortalitas bovum secuta est. 456 Annales S. Bonifacii, ad a. 943. Ed. Pertz, MGH SS 3, 118: Stella cometes apparuit, et fames subsecuta est; Annales Lobienses, ad a. 943. Ed. Waitz, MGH SS 13, 234: Stella cometes apparuit, et fames subsecuta est. Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 944. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 348: In Italia cometa mirae magnitudinis apparuit, portendens famem, quae secuta est. Dieser Eintrag ist fast wortgleich mit jenem des Jahres 954. 457 England, Early sungrazer comets (2002), 18 Nr. 31. 458 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 945. Annales. Ed. Lauer, 97; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 42: Domnus Theotilo venerandus urbis Turonicae praesul obiit, qui dum de pace inter regem et principes componenda certaret, hisque studiis occupatus a Lauduno rediret, aegritudine corporis in ipso deprimitur itinere. Cumque ultimum iam exhalaret spiritum, apparuit signum quoddam luminis per aera discurrens, cubitum longitudinis habere visum; cuius lumine ad depellendas noctis tenebras sufficienter perfuncti sunt, qui funus eius deducebant; talique potiti solamine per miliafere, ceu fertur, ducenta, Turonicam usque corpus eius perferunt urbem. 459 England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 33. 460 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 141 Nr. 40a.

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auch in Ägypten dokumentiert: „Es erschien ein Stern mit Schweif im Himmel, dessen Länge ungefähr vier Grad war in der Nacht des 7. des Monats Ṣafar [29. August] im Jahr 336 [AH] und er verschwand nach zehn Tagen.“461 In Europa scheinen zum Jahr 947 keine Nachrichten zu Kometen überliefert zu sein. Bisher ging man davon aus, dass auch eine für den 2. März 948 in Japan überlieferte Kometensichtung mit dem Schweif nach Südwesten462 in Europa ohne Beobachtung geblieben wäre. Aber die Annales Blandinienses überliefern, dass im Jahr 951 am 19. Juli zur dritten Stunde die Sonne verschwand und bis zum September im Osten ein Stern, also vermutlich ein Komet oder eine Supernova, erschien.463 Auf den ersten Blick scheint es drei Jahre Unterschied zu geben, aber im Fall der genannten Sonnenfinsternis scheint eine Verwechselung vorzuliegen, da die vom Tagesdatum einzige passende für den 9. Juli 948 gegen 9:45 Uhr (TD) berechnet wurde.464 Monat und Uhrzeit der Finsternis würden aber in diesem Fall richtig angegeben worden sein. Da damit das Jahr in Bezug auf die Sonnenfinsternis zu korrigieren wäre, könnte die Nachricht auch bezüglich des beobachteten Kometen zu korrigieren sein. Damit wäre der in Japan beobachtete Komet vielleicht auch in Europa, wenn auch vermutlich nur ein Mal, überliefert worden. Mit fast den selben Worten wie für den Eintrag zum Jahr 943, aber ausdrücklich zum Jahr 954, wird von dem als Vorlage der isländischen Annalen benutzen Grundlagentext zum Jahr 954 und von Sigebert von Gembloux zum Jahr 956 in Italien das Erscheinen eines Kometen und eine anschließende Hungerkatastrophe dargestellt.465 Die nächsten bekannten Kometensichtungen werden hingegen nur in japanischen Quellen erwähnt: Am 6. März 957 sei ein sehr heller Komet erschienen, der 15 bis 30 Grad lang und ein Viertelgrad breit war466 und am 16. März 961 ein Komet im Südwesten, „resembling a wild fire.“467 Die Quellen nennen hiernach für längere Zeit keine Kometensichtungen. Als im Jahr 975468 ein Komet entbrannte (exarsit),469 und König Edgar am 8. Juli 975 plötzlich starb, hätte diese Koinzidenz die Erwartungshaltung der Zeitgenossen

|| 461 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 141 Nr. 40b. 462 England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 34. 463 Annales Blandinienses, ad a. 951. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 25: Sol defecit hora 3. 14. Kal. Aug. et apparuit stella ab oriente ardens usque ad mensem Septembris. 464 Saroszyklus 90: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/948-07-09.gif (4.4.2016). 465 Ex Annalibus Islandicis, ad a. 954. Ed. Waitz, MGH SS 29, 256: In Italiam cometa mire magnitudinis apparuit, prefigurans famam, que secuta est; Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 956. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 349: In Italia lapis mirae magnitudinis tonitru ac tempestate turbulenta de caelo iactus, ingens miraculum videntibus prebuit. Templa plerisque in locis valida tempestate concussa sunt. Utriusque ordinis sacerdotes ictu fulminis interierunt, et plura horrenda dictu portenta monstrata sunt. 466 England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 35. 467 England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 36. 468 Vgl. RI II, 2 Nr. 700a. 469 Annales Augustani, ad a. 975. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Et cometa exarsit.

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an Kometen als Vorboten von Herrscherwechseln bestätigen können, wäre der Komet vor dem Tod des Königs gesichtet worden. Dadurch, dass er aber erst später erschien, mussten die Annalisten ihn als Vorboten einer Hungersnot darstellen,470 was sie durch sein Auftreten zur Erntezeit andeuten.471 Dennoch konnten einige Annalisten der Versuchung nicht widerstehen, trotz aller chronologischen Schwierigkeiten das Erscheinen des Kometen als Vorboten des Todes von König Edgar zu benutzen,472 so etwa die Annales Wintonienses: „Hier erschien der Stern Komet und König Edgar starb.“473 Die Annales Corbeienses überliefern zum Jahr 975 zunächst eine bildhafte Beschreibung eines Meteoriteneinschlags,474 auf den später das Erscheinen eines Kometen gefolgt sei, der an vielen Nächten im Osten und Norden bei dem Sternzeichen Zwillinge gesehen wurde.475 Den ausführlichsten Bericht zur Sichtung des Kometen im Jahr 975 hat Leon Diakonos überliefert. Für ihn ist natürlich ein Bezug zum englischen König Edgar irrelevant, stattdessen instrumentalisierte er das Erscheinen des Kometen, um seiner Kritik an Kaiser Johannes Tzimiskes und dessen Beratern eine himmlische Komponente hinzuzufügen: „Während dieser Ereignisse – es war Anfang August – zeigte sich am Himmel ein Komet, ein von Gott gesandtes, ganz ungewöhnliches Zeichen, dessen Ursprung der Mensch mit seinem Verstande nicht erklären kann. Schon seit einigen Generationen hatte man etwas Derartiges nicht beobachtet, noch war es je zuvor so lange sichtbar gewesen. Der Stern ging im Nordosten auf, stieg in ungeheure Höhen empor – er hatte die Form einer Zypresse – und wandte sich dann in sanften Krümmungen gegen Süden. Brennend wie ein gewaltiges Feuer, sandte er weithin leuchtende, hellglänzende Strahlen aus – ein furcht- und schreckenserregender Anblick für die Menschen. Nachdem er, wie ich schon sagte, zu Beginn des Monats August erschienen war, ging er durch volle achtzig Tage jeweils um Mitternacht auf und konnte bis zum Morgenlicht gesehen werden. Als der Kaiser dieses seltsame Wunder wahrgenommen hatte, befragte er Leute, die sich der Beobachtung von Himmelserscheinungen zu widmen pflegen, was es damit für eine Bewandtnis habe. Sie aber deuteten das Aufgehen des Kometen nicht so, wie ihre Kunst es ihnen nahegelegt hätte, sondern den Wünschen des Kaisers entsprechend, und verhießen ihm Sieg

|| 470 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 975. Ed. Swanton (Worchester MS), 121: And here Edward, Edgar’s son, succeeded to the kingdom; and then immediately in harvest time in that same year, the star comet appeared, and than the following year came a great famine and very manifold disturbance throughout the English race. 471 Annales Sangallenses maiores, ad a. 975. Ed. Zingg, 178 f.: Stella cometis tempore autumni visa est. 472 Annales Cicestrenses, ad a. 975. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 83: Hic cometes apparruit et obiit rex Edgar. 473 Annales Wintonienses, ad a. 975 [Nero A VIII]. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 69: Hic cometes stella apparuit et rex Eadgarus obiit. 474 Vgl. Kap. 2.4 Meteoriten. 475 Annales Corbeienses, ad a. 975. Ed. Pertz, MGH SS 3, 5: Ignis visus est ferri in aere, grossitudinem habens ex anteriori parte quasi unius trabis; in quibusdam locis in terram, in quibusdam in silvam, in quibusdam vero in aquam visus est cecidisse. Et cometa apparuit multis noctibus ab oriente et aquilone iuxta signum Gemini.

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über seine Feinde und langes Leben. Diese Deutungen gaben der Logothetes und Magistros Symeones und Stephanos, der Bischof von Nikomedien, Männer, die sich unter den damaligen Gelehrten der größten Berühmtheit erfreuten. Doch nicht das, was die beiden dem Kaiser zu Gefallen verkündeten, zeigte die Erscheinung des Kometen wirklich an, sondern gefährliche Aufstände, Einfälle fremder Völkerschaften, Bürgerkriege, Flucht aus den Städten und ganzen Landstrichen, Hunger und Pest, schreckliche Erdbeben, ja beinahe den Untergang des Rhomäerreiches, wie wir es selbst aus dem weiteren Verlauf der Dinge ersehen werden. Denn nach dem Hingang des Kaisers Johannes (…).“476

Johannes I. Tzimiskes starb am 10. Januar 976 in Konstantinopel, nach der Rückkehr von einem Feldzug gegen die Araber und wahrscheinlich an Typhus.477 Der Autor nannte den Beginn und die Dauer der Sichtung und versuchte diese mit anderen Ereignissen seiner Zeit in Beziehung zu bringen. Mit der nächsten berichteten Kometensichtung kehren wir zurück nach Mitteleuropa: Nachdem der dreijährige Otto III. von seinem Onkel Heinrich dem Zänker 984 entführt worden und der Usurpationsversuch des Letzteren gescheitert war, wurde der junge Herrscher in Rohr seiner Mutter Theophanu zurückgegeben. Bei Thietmar von Merseburg findet sich dazu in Anlehnung an die Annales Quedlinburgenses478 der Satz: „Da leuchtete strahlend der Stern des von Gott vorbestimmten Herrschers am hellen Tage und alle sahen ihn.“479 Zum einen ist bemerkenswert, dass der Komet tagsüber zu sehen gewesen sein soll, zum anderen wurden die Ereignisse hier mit dem Stern von Bethlehem parallelisiert. Damit wird die negative Konnotation von Kometen als Vorzeichen für das Ableben von Herrschern nun durch eine positive Deutung im Sinne eines Neubeginns von Herrschaft ersetzt.480 Für die Zeit der 990er-Jahre sind immer wieder einzelne Nachrichten von Kometensichtungen überliefert, die aber fast nie durch Parallelüberlieferung verifiziert werden können. So beschrieb Romoald in seinen Annalen einen Stern im Jahr 990, ohne ihn Komet zu nennen. Dieser sei glänzend im Norden erschienen, dann gegen Süden gezogen und dort verschwunden. Nach ein paar Tagen sei der gleiche Stern wieder erschienen und diesmal von Westen nach Osten gezogen. Romoald nutzt die

|| 476 Leo Diakonos, Historia, 168 f., in: Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 152 f. 477 Vgl. Blum, Johannes Tzimiskes (1992). 478 Annales Quedlinburgenses, ad a. 984. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 472: Habitoque inibi consilio maximo mirandum memorandumque posteris signum, stella videlicet perlucida in ipso partium conflictu medio coeli axe. Newton, Medieval Chronicles (1972), 106, denkt an eine Supernova; Althoff, Vormundschaft (1991), 281 Anm. 14, deutet die Schilderung als Parallelisierung mit dem Zug der drei Weisen nach Bethlehem; Giese (Annales Quedlinburgenses, MGH SS rer. Germ. 72, S. 472 Anm. 859), zweifelt daran, „da der Stern erst erscheint, als alle bereits in Rohr versammelt sind, und unbeweglich bleibt“; vgl. Holtzmann (Thietmar von Merseburg, Chronik, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 196). 479 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 8. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 140; FSGA 9, 122 f.: Stella a Deo predestinati rectoris media die cernentibus universis clara refulsit. 480 Mt 2,1–9.

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Erscheinung auch als Vorboten für Erdbeben in Benevent und Capua.481 Nach der Chronik von Samur erschien im Jahr 992 ein Komet für 18 Tage und eine große Trockenheit sei gefolgt.482 Die Angelsächsischen Chroniken erwähnen für das Jahr 995 einen Kometen und verbinden ihn mit dem Tod des Erzbischofs Sigerich von Canterbury,483 der aber schon am 28. Oktober 994 verstarb. Auch hier musste der scheinbare Vorbote umdatiert werden. Im Monat Februar des Jahres 998 erschien – nach den Annales Sangallenses – ein Komet, der mehrere Tage im Osten sichtbar war.484 Die Annales Floreffienses überliefern zwar andere Naturereignisse wie Erdbeben, Donner oder Mondfinsternis, listen die Sichtung eines Kometen aber nicht auf.485

2.2.5 Kometensichtungen im 11. Jahrhundert Für das Jahr 1000 überliefern die Annales Parchenses ein Erdbeben, das Erscheinen eines Kometen und andere Zeichen.486 Die erwartete Apokalypse blieb zwar aus, aber jedes noch so kleine Zeichen, das als Vorbote einer solchen hätte dienen können, wurde notiert.487

|| 481 Romoald, Annales, ad a. 990. Ed. Arndt, MGH SS 19, 401: Anno Domini 990. Stella a parte septemtrionis apparuit habens splendorem qui tenebat contra meridiem quasi unum passum. Et post paucos dies iterum apparuit eadem stella a parte occidentis et splendor eius ad orientem tendebat. Et non post multos fuit terre motus magnus qui plures evertit domos in Benevento et in Capua multosque homines occidit et in civitate Apriano plures ecclesias subvertit Civitas quoque Frequentus pene media cecidit, civitatem vero Consanam prope mediam cum episcopo subvertit, multos que homines oppressit. Ronsem totam cum eius hominibus submersit. 482 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis, ad a. 992. Ed. Marchegay/Mabille, 187: DCCCCXCII. Cometa visa est per dies octoginta et siccitas magna fuit. Vgl. Kronk, Cometography (2000), 520. 483 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 995. Ed. Swanton (Canterbury MS), 128: Here the star comet, that is the ‘haired’, appeared; ebd., ad a. 995 (Peterborough MS), 129: Here in this year the star comet appeared; and Archbishop Sigeric passed away. 484 Annales Sangallenses maiores, ad a. 998. Ed. Zingg, 184 f.: Mense Februario stella cometes visa est, et non longe a sole recedens, pauculis diebus circa ortum diei apparuit. Vgl. auch RI II, 3 Nr. 1299a. 485 Annales Floreffienses, ad a. 998. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 622: Hoc anno terrae motus factus est magnus qualem nunquam antea vidimus vel audivimus, 4. Kal. Aprilis in sancto paresceue … Et eodem anno cum esset luna in defectu, paruit in Lomensi pago itinerantibus quasi plena per tres horas noctis; quae subito cum magno splendore visa est cadere in terram; et sic defecit. Die Tagesangabe der Annales Floreffienses stimmt nicht; da Karfreitag im Jahr 998 auf den 15. April fiel. 486 Annales Parchenses, ad a. 941. Ed Pertz, MGH SS 16, 601: Terrae motus factus est permaximus. Cometa apparuit, et multa alia prodigia eodem anno visa sunt. 487 Vgl. Kap. 5.1.1 Topoi: Endzeiterwartungen.

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Im Februar 1003 waren Kometen im Osten zu sehen;488 ebenfalls im Osten, aber zum Jahr 1004, nennen die Annales Besuenses eine Kometensichtung.489 Nach überlieferten chinesischen Beobachtungen war ein Komet zwischen dem 1. und 14. Oktober 1005 zu sehen. Der Pfad dieses Kometen ist von Hasegawa in der Nähe der Sternbilder Drache und Kassiopeia berechnet worden.490 Auch über Europa wurden Beobachtungen eines solchen Kometen im Jahr 1005 überliefert.491 In zwei Fällen klösterlicher Überlieferung aus Flandern wird ein „Komet für eine lange Zeit“ genannt, beide Male wurde eine Hungersnot (allerdings davor) angegeben.492 Im Gebiet zwischen Reims und Köln dokumentierte ein Annalist zum Jahr 1005, ein Komet in Form schrecklicher Flammen, die hin und her geschleudert wurden, sei zu sehen gewesen.493 Gleichlautend ist der Eintrag bei Sigebert von Gembloux, ebenfalls zum Jahr 1005.494 Der Eintrag könnte aus dem 6. Kapitel Alperts von Metz495 Werk De Diversitate Temporum übernommen worden sein, das mit „Vom Erscheinen des Kometen, der Hungersnot und dem Sterben“ überschrieben ist.496 Im Jahr 1010 erschienen nach den Annales Quedlinburgenses über Mitteleuropa Kometen.497 Die irischen Annalen nennen zwei Kometen, die im Herbst 1011 für zwei Wochen am Himmel zu sehen gewesen seien498 und im Februar 1015 erschien laut den

|| 488 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 1003. Ed. Pertz, MGH SS 5, 41: In mense Februario cometae vise sunt mane in parte orientis. 489 Annales Besuenses, ad a. 1004. Ed. Pertz, MGH SS 2, 249: Cometae vise sunt mane in parte orientis; vgl. Kronk, Cometography (2000), 520. 490 Hasegawa, Approximate Orbits (2002), 1094 f. mit Abb. 4: „Calculated path of Comet 1005 during October 1 and October 14.“ 491 Newton, Medieval Chronicles (1972), 673, wollte diese Einträge dem Jahr 1006 zuweisen; vgl. auch Draelants, Éclipses (1995), 124 Anm. 267. 492 Annales Laubienses, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: Fames maxima fuit, apparente longo tempore comete. Annales Leodienses, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: Fames valida, apparente longo tempore comete. 493 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1005. Ed. Pertz, MGH SS 16, 731: Cometes horribili specie flammas huc illucque iactans visus est. 494 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1005. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 354: Cometes horribili specie flammas huc illucque iactans, in australi parte visus est. 495 Bautz, Alpert von Metz (1975). 496 Alpert von Metz, De Diversitate Temporum, 1, 6. Ed. Pertz, MGH SS 4, 704: 6. De viso comete, et fame, et mortalitate. Post hinc triennium quam rex in solium regni sublimatus est, commetes horribili specie flammas hac illacque iactans, in australi parte coeli visus est. Sequenti anno fames et mortalitas gravissima per totum orbem factae sunt, ita ut in multis locis prae multitudine mortuorum et taedio sepelientium vivi adhuc spiritum trahentes, vi qua poterant renitentes, cum mortuis obruerentur. 497 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1010. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 530: Sed et enim cometae visae sunt. Kronk, Cometography (2000), 521 zweifelt an dieser Kometensichtung. 498 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1011. Ed. Murphy, 169: There appeared this yeare in the Authumne two shining Comets in the firmament, which continued for the space of two weekes.

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Annales Barenses ein Komet.499 Diesen vereinzelten Nachrichten steht dann erst wieder im Jahr 1017 ein mehrfach genannter Komet gegenüber, der vier Monate lang sichtbar gewesen sei.500 Auf eine Sonnen- und Mondfinsternis folgend, sei im Jahr 1017 ein Komet zu beobachten gewesen; der gleiche Autor beschrieb für das Jahr 1019 Kometen im nördlichen Teil des Himmels mit langem Schweif und gelblichem Schein.501 Auch hier fehlt wieder eine Parallelüberlieferung. Gemäß irischen Annalen soll im Herbst 1018 zur Erntezeit ein Komet für vierzehn Tage502 und auch über Benevent ein haariger Stern erschienen sein.503 Für die folgenden Jahre fehlen Nachrichten über Kometensichtungen. Erst vom 20. September bis 2. Oktober 1034 finden sich weitere Nennungen, allerdings nur in chinesischen und in japanischen Quellen (dort zum 28. September).504 Für das Jahr 1041 überliefern koreanische Astronomen, im September sei ein heller Komet im Osten für 20 Tage beobachtet worden. Dieser ist auch in armenischen und byzantinischen Quellen überliefert.505 Anscheinend wurde ein zweiter Komet mit einer Schweiflänge von 45 Grad zwischen 28. Oktober und 26. November 1041 ebenfalls in Korea für zehn Tage gesichtet.506 Erneut in Korea wurde zum Jahr 1056 ein Komet im Sternbild Rabe überliefert,507 während in Europa erst die Chronik Bernolds von St. Blasien zum 1. Juni 1062 von einer Kometensichtung berichtet.508

|| 499 Annales Barenses, ad a. 1015. Ed. Pertz, MGH SS 5, 57: apparuit stella cometae mense Februarii. 500 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1017. Ed. Pertz, MGH SS 16, 731: Cometes solito mirabilior per quatuor menses apparuit. Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1017. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 355: Cometes solito mirabilior in modum trabis maximae per 4 menses apparuit. 501 Alpert von Metz, De Diversitate Temporum. Ed. Pertz, MGH SS 4, 718: 19. De eclipsi lunae et solis, et viso comete. [1017] Anno uno antequam concilium Noviomago indictum esset, luna post mediam noctem hiberno tempore defecit, et rege sequenti anno [1018] in eodem loco consistente, in paschali ebdomada solis eclipsis facta est. [1019] Tercio quoque anno cometes in aquilonari parte coeli longissimis crinibus et pallida specie visus est. Sequuntur hoc signum multa bella, et in plurimis nationibus maximus sanguis hominum per praelia fusus est. 502 Annals of Ulster, ad a. 1018. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 455: A comet appeared this year or the space of a fortnight in the autumn season. Annals of Loch Cé, ad a. 1018. Ed. Hennessy, 19: The hairy star was seen in this year, during the space of a fortnight, in harvest time. 503 Annales Beneventani, ad a. 1018. Ed. Pertz, MGH SS 3, 178: Apparuit stella crinita. 504 England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 37. 505 England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 38; Rodgers, Byzantine Records (1952), 180. 506 England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 39. 507 England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 40. 508 Bernold von Konstanz, Chroniken, ad a. 1062. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 396; FSGA 14, 288 f.: Item cometa visa est.

146 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Am Palmsonntag (9. April) 1077 soll nach einem Eintrag bei Sigebert von Gembloux ein Komet erschienen sein.509 Ebenfalls singulär und in Europa ohne Parallelen ist die chinesische Beobachtung eines Kometen am 6. Januar 1080 mit dem Schweif nahe des Schwanzes des Sternbildes Skorpion.510 Zu Beginn des Monats August des Jahres 1092, zur Stunde der Vesper, soll ein heller Stern in Form eines großen Balkens zu sehen gewesen sein, der von Osten nach Westen durch das Sternbild Adler eilte.511 In Jahr 1097512 erschien im Monat Oktober,513 genauer in der ganzen ersten Woche des Oktober,514 ein Komet im Westen; einige andere Quellen überliefern das Erscheinen des Kometen für sieben Nächte vom 6. bis 13. Oktober.515 Den detailliertesten Bericht zu diesem Kometen bietet die Chronica Sancti Albini Andegavensis: „Am 5. Oktober erschien ein Stern im nördlichen Teil in der Art eines langen Schaftes, der gegen Süden gerichtet war. Er erschien nach dem Sonnenuntergang bis zur zweiten Nachtwache, also gegen Mitternacht, für ungefähr acht Tage.“516 Der in den Annales Barenses zum Jahr 1098 gelistete Eintrag eines Kometen im Oktober könnte sich, da er völlig singulär ist, ebenso gut auf das Jahr 1097 beziehen.517 Damit ist die chronologische Auflistung der Überlieferung der Kometen hier abgeschlossen.

|| 509 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1077. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 363: Dominica palmarum circa horam sextam sereno celo stella apparuit. Vgl. auch England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 41. Nach Draelants, Éclipses (1995), 128 Anm. 288, eine „source inconnue“. 510 England, Early sungrazer comets (2002), 19 Nr. 42. 511 Annales S. Iacobi Leodiensis, ad a. 1092. Ed. Pertz, MGH SS 16, 639: Kalendes Augusti vespertina hora diei, stella clara et velut trabes magna, ab oriente in occidentem visa est transcurrisse per aquilonem; Lamberti parvi Annales, ad a. 1092. Ed. Pertz, MGH SS 16, 647: Kal. Augusti vespertina hora diei stella clara et velut trabes magna ab oriente in occidentem visa est transcurrisse per aquilonem; vgl. Draelants, Éclipses (1995), 128. 512 Annales Floreffienses, ad a. 1097. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 623: Cometes apparuit. Annales Parchenses, ad a. 1097. Ed Pertz, MGH SS 16, 604: Cometes apparuit; vgl. Draelants, Éclipses (1995), 129. 513 Annalium Leodiensium continuatio, ad a. 1097. Ed. Pertz, MGH SS 4, 29: Cometes apparuit in occidente mense Octobris. Annales Formoselenses, ad a. 1097. Ed. Bethmann. MGH SS 5, 36: Cometa in occidente apparuit. 514 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1097. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 367: Cometes in occidente apparuit tota prima ebdomada Octobris. 515 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1097. Ed. Verdon, 158 f.: Eodem anno apparuit stella cometa, pridie nonas octobris, per septem noctes. 516 Chronicae S. Albini Andegavensis in unum congestae, ad a. 1097. Ed. Marchegay/Mabille, 28: MXCVII. IIIo nonas octobris, apparuit stella a parte Aquiloni non multum grandis nec satis clara, cujus fumans radius, in modum hastae longus, versus meridiem respiciebat. Apparuit autem, sub occasu solis usque ad secundam vigiliam noctis, octo ferme diebus. 517 Annales Barenses, ad a. 1098. Ed. Pertz, MGH SS 5, 63: de mense Octobris apparuit stella cometis.

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2.2.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse Zwar wurde mittlerweile ein Komet, nämlich P/Swift-Tuttel, für die folgenden Jahre mit den jeweiligen Abständen zur Erde berechnet: 13.05.569: 1,293 AE; 01.09.698: 0,658 AE; 09.06.826: 0,815 AE; 10.06.950: 0,824 AE; 09.09.1079: 0,734 AE.518 Aber im Vergleich mit der Überlieferung in der Tabelle 74 fällt auf, dass keine dieser Wiederkünfte in Europa dokumentiert wurde oder werden konnte. In historischen Quellen sind die Kometensichtungen folgender Jahre genannt. Die zeitliche Verteilung dieser 73 Beobachtungen sieht folgendermaßen aus: Tab. 12: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Kometennennungen von 500 bis 1100 Gesamt 73 100 %

6. Jh. 5 7%

7. Jh. 9 12 %

8. Jh. 6 8%

9. Jh. 19 26 %

10. Jh. 17 23 %

11. Jh. 16 22 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtungen liegen im 9. und 10. Jahrhundert mit jeweils ungefähr einem Viertel, die wenigsten Beobachtungen sind aus dem 6. und 8. Jahrhundert überliefert. Außer der achtmaligen Wiederkehr des Kometen Halley in der Untersuchungszeit sind 75 weitere Kometensichtungen belegt.519 Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass die Wiederkehr des Kometen P/SwiftTuttel zwar für die Jahre 569, 698, 826, 950, 1079 berechnet werden konnte, er aber in der gesamten Untersuchungszeit in den erhaltenen Quellen nicht dokumentiert wurde. Aus den zahlreichen überlieferten Kometensichtungen seien im Folgenden zwei Gruppen hervorgehoben, zum einen solche Kometen, die überdurchschnittlich häufige und topographisch weit gestreute Beachtung der Zeitgenossen erfahren haben und zum anderen solche, die von den Zeitgenossen als Vorzeichen instrumentalisiert wurden. Während viele Kometenbeobachtungen oft nur von ein oder zwei Zeitzeugen überliefert wurden, ist der Komet X/676 P1 in mehr als zehn Quellen und einem sehr großen Gebiet (Irland, England, Schottland, Italien, Syrien, China, Japan, Korea) dokumentiert worden. Ähnliches gilt für den Kometen X/838 V1, der sich in zahlreichen Quellen von Ostfranken über Italien bis nach China und Japan nachweisen lässt. Auch Beschreibungen des Kometen X/891 J1 sind in mehr als fünf europäischen Quellen (Britannien, Rheinland) aber auch chinesischen und irakischen Schriften dokumentiert. Für den im Jahr 867/868 in mehr als zehn europäischen und japanischen

|| 518 Yau/Yeomans/Weissman, Past and future motion (1994), 305–316. 519 Zwar hat Wilhelm Gundel, Kometen (1921), 1191–1193 noch elf weitere Kometen im 6. Jahrhundert aufgeführt, doch sind diese in dieser Arbeit nicht als Kometen interpretiert worden, weil sie aufgrund der jeweils verwendeten Terminologie treffender in andere Kategorien von Naturereignissen einsortiert werden konnten.

148 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Quellen genannten Kometen konnte bisher im Gegensatz zu den drei zuvor Genannten die Umlaufbahn bisher noch nicht berechnet werden. Die Zeitgenossen interpretierten ihn als Vorboten für Sturm, Hunger und Seuchen. Das Erscheinen von insgesamt neun Kometen wurde mit dem Tod von Herrschern oder geistlichen Würdenträgern unmittelbar verbunden. So sei der Tod des Erzbischofs Johannes II. von Ravenna im Jahr 595 durch einen Kometen angekündigt worden, ebenso der Tod von Bischof Eligius von Noyon im Jahr 660, der Tod von Papst Stefan IV. 817, der Tod Bischof Teotolos von Tours 945 und der Tod Erzbischof Sigerichs von Canterbury im Jahr 995, auch wenn Letzterer bereits 994 verstarb. In Bezug auf weltliche Herrscher hat Einhard zwar ein kometenähnliches himmlisches Ereignis im Vorfeld des Ablebens Karls des Großen geschildert, es handelt sich dabei aber wohl um einen Meteoriten. Unmittelbar durch das Auftreten von Kometen sei, nach der Historia Francorum des Petrus, aber der Tod von Kaiser Ludwig dem Frommen im Jahr 840 angekündigt worden. Dies wirkt beinahe ironisch, da sich Ludwig bereits bei der Wiederkehr des Kometen Halley im Jahr 837 ausgiebig Gedanken über sein dadurch vermeintlich angekündigtes Ableben gemacht hatte. Sein Biograf verlegte sich deshalb sogar darauf, den Tod Ludwigs eben gerade nicht durch den zeitgleichen Kometen, sondern durch eine zeitnahe Sonnenfinsternis anzeigen zu lassen. Das nächste Mal wurde ein Komet als Vorzeichen des Herrschertodes im Jahr 882 beim Tod König Ludwigs des Jüngeren gedeutet. Auch einen Kometen im Jahr 907 deutete man als dasjenige Vorzeichen, das den Tod König Ludwigs des Kindes im Jahr 911 angekündigt habe, weiterhin sei das Ableben König Edgars im Jahr 975 von einem Kometen angekündigt worden. Auch eine ganze Reihe von Hungersnöten, Epidemien, Heuschreckenplagen und Erdbeben sollen durch Kometenerscheinungen ausgelöst worden sein, insgesamt 14, so in den Jahren 670, 676, 844, 868, 873, 890, 909, 939, 942, 956, 975, 990, 1000, 1005. Diesen negativen Konnotationen stehen aber auch einige positive gegenüber, denn es werde ja nicht allein der Herrschertod, sondern der Herrscherwechsel angekündigt, nicht allein die Bestrafung, sondern eher das bestrafte Ende einer sündigen Zeit. So konnte das Erscheinen des Kometen eben auch etwas Neues ankündigen, wie ein Komet im Jahr 729 den Sieg Karl Martells in der Schlacht bei Portiers im Jahr 732 oder ein Komet im Jahr 941 den Beginn des Pontifikates von Papst Marinus II. (942–946) im darauffolgenden Jahr. Eine der wichtigsten Stationen im Wandel der Deutung der Kometen stellt das Erscheinen des Kometen C/905 K1 im Jahr 905 dar, als Johannes Skylitzes eine an die Geburt Jesu erinnernde Geschichte formulierte. Nach seiner Darstellung sei bei der Geburt Konstantins VII. Porphyrogennētos (905–959) ein Komet am Himmel erschienen, dessen Strahlen nach Osten zeigten und der 40 Tage lang zu sehen gewesen sei. Dies ist eine weitere Station auf dem Weg der Umdeutung von Kometensichtungen von der Ankündigung eines negativen Herrschaftsendes zu einem positiven Herrschaftsneubeginn. Die Bedeutungserweiterung scheint Ende des 10. Jahrhunderts ihre nächste Stufe erfahren zu haben, denn die Rückgabe des drei-

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jährigen Otto III. an seine Mutter Theophanu nach dem gescheiterten Usurpationsversuch Heinrichs des Zänkers 984 verbanden Thietmar von Merseburg und der/die Verfasser/in der Annales Quedlinburgenses mit dem Satz: „Da leuchtete strahlend der Stern des von Gott vorbestimmten Herrschers am hellen Tage und alle sahen ihn.“520 Der am hellen Tage sichtbare Komet wird hier mit dem Stern von Bethlehem parallelisiert. Nach dem Scheitern Heinrichs verkündete der Komet also auch in diesem Fall den Beginn einer neuen Herrschaft. Insgesamt scheint dieser Umdeutungsprozess mit dem Erscheinen des Kometen Halley im Jahr 1301 abgeschlossen gewesen zu sein, der einzig als Verkünder eines guten Neubeginns gedeutet wurde. Das Erscheinen eines Kometen ist ein einzelnes Ereignis, seine materiellen Spuren im Weltall führen aber zu einer weiteren Art von Ereignis, den sogenannten Meteorströmen.

2.3 Meteorströme „Meteoroiden“ sind kleine Himmelsobjekte, die sich auf einer Umlaufbahn um die Sonne bewegen und eine Größe von mehreren Metern erreichen können, in jedem Fall aber kleiner als Asteroiden sind. Kreuzen solche Meteoroiden die Erdbahn und treten dabei in die Erdatmosphäre ein, so erzeugen sie aufgrund der Ionisation von Luftteilchen eine Leuchterscheinung, die als „Meteor“ bezeichnet wird. Schlägt ein nicht vollständig verglühter Meteorit auf der Erdoberfläche ein, wird er als „Meteorit“ bezeichnet.521 Meteorströme entstehen, wenn Meteore auf ihrer Bahnbewegung um die Sonne Material verlieren. Gerät der Planet Erde in diese Materialspuren der Kometen, werden die verlorenen Kometentrümmer in der Atmosphäre ionisiert und können dabei als Leuchterscheinungen wahrgenommen werden. Da die Bahnen der Bruchstücke weitgehend parallel sind, scheinen sie für den auf der Erdoberfläche befindlichen Beobachter aus einem einzigen Punkt zu kommen. Diese scheinbaren Punkte werden als Radianten bezeichnet und in den historischen Quellen oft in Bezug auf das nächstgelegene Sternzeichen angegeben. Da die Erde auf ihrer elliptischen Bahn um die Sonne in wiederkehrenden Abständen solche Trümmerbahnen kreuzt, gibt es mehr als 18 regelmäßig zu beobachtende Meteorströme. Die Zahl der in einer Nacht zu beobachtenden Meteorströme, populär sogenannter Sternschnuppen, ist dabei unterschiedlich, kann aber sehr hoch sein und führt dann auch zu entsprechend bildhaften Beschreibungen der zeitgenössischen Beobachter.

|| 520 Annales Quedlinburgenses, ad a. 984. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 472; Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 8. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 140; FSGA 9, 122 f. 521 Vgl. das Kapitel 2.4 Meteoriten.

150 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Tab. 13: Wichtigste Meteorströme im Jahresverlauf522

Zeitrahmen

Maximum

Name

01.01.–05.01. 03.01. Quadrantiden

Lage des Radianten

Ursache

Bärenhüter (bootes)

Asteroid 2003 EH1

13.03.–05.04. 25.03. Hydraiden

Wasserschlange (hydra)

ekliptikal

25.01.–15.04. 24.03. Virginiden

Jungfrau (virgo)

ekliptikal

16.04.–25.04. 22.04. Lyriden

Leier (lyra)

Komet C/1861 G1 Thatcher

19.04.–28.05. 05.05. Mai-Aquariiden

Wassermann (aquarius)

Komet 1P/Halley

15.04.–15.07. 19.05. Sagittariden

Schütze (sagittarius)

ekliptikal

22.05.–02.07. 07.06. Arietiden

Widder (aries)

Asteroid 1566 Icarus (?)

12.07.–25.08. 03.08. Juli-Aquariiden

Wassermann (aquarius)

ekliptikal

17.07.–24.08. 12.08. Perseiden

Perseus (Perseus)

Komet 109P/Swift-Tuttle

25.07.–08.09. 16.08. Cygniden

Schwan (cygnus)

planetarisch

16.08.–08.10. 12.09. Pisciden

Fische (pisces)

ekliptikal

08.10.–10.10. 08.10. Draconiden

Drache (draco)

Komet 21P/Giacobini-Zinner

11.10.–30.10. 19.10. Orioniden

Orion (Orion)

Komet 1P/Halley

24.09.–10.12. 13.11. Tauriden

Stier (taurus)

Komet 2P/Encke

14.11.–21.11. 17.11. Leoniden

Löwe (leo)

Komet 55P/Tempel-Tuttle

07.12.–17.12. 14.12. Geminiden

Zwillinge (gemini)

Asteroid 3200 Phaethon

17.12.–24.12. 22.12. Ursiden

Kleine Bärin (ursa minor) Komet 8P/Tuttle

05.12.–07.01. 29.12. Velaiden

Segel (vela)

planetarisch

Da im Mittelalter die Ursache dieser Erscheinung völlig unbekannt war, vermuteten die Zeitgenossen oft das nahende Ende der Welt. Meteorströme,523 die in den Quellen vorkommen, sind in der oben stehenden Tabelle 13 chronologisch aufgelistet. Die bei Bühler noch zu den Meteorströmen gezählten Cepheiden wurden hier weggelassen, denn sie sind eine Gruppe pulsationsveränderlicher Sterne, deren Aktivität jeweils am 18. August besonders gut zu beobachten ist. In chronologischer Reihenfolge wurden die folgenden Aktivitäten in den Quellen dokumentiert. Für die Jahre 599 und 600 ähneln sich die Einträge bei Paulus Diaconus und bei Fredegar wieder sehr stark. Fredegar berichtet, dass im fünften Regierungsjahr König Theuderichs (II. 596–613) wieder dieselben Zeichen erschienen, die schon || 522 Verändert nach Bühler, Meteorite (1988), 40 Tab. 2.1; Steel, Meteoroid Streams (1993), 121 f.; Gürtler/Dorschner, Sonnensystem (1993), 219. 523 Vgl. Steel, Meteoroid Streams (1993), 111–126.

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im Jahr zuvor zu sehen gewesen seien, nämlich feurige Kugeln, die schnell über den Himmel zogen und im Westen etwas, das wie eine große Menge von glühenden Lanzen aussah.524 Bei Paulus Diaconus heißt es dazu: „Damals wurde auch eine blutrote Himmelserscheinung gesichtet, Lanzen wie in Blut getaucht und überaus helles Licht während der ganzen Nacht.“525 Als mögliche Ursache dieser Erscheinungen liegen Meteoroiden, die bei ihrem Eintritt in der Atmosphäre ionisiert wurden, nahe. Für den 16. Juli 706 wurde in syrischen Quellen überliefert: „Es gab ein seltsames Phänomen. Fallende Sterne schossen oder flogen durch die Luft, oder, wie einige sie nennen, Sternschnuppen waren über dem ganzen Bogen des Himmels sichtbar. Die ganze Nacht flogen sie dicht und schnell von Süden nach Norden. Etwas nicht Gehörtes seit der Schöpfung.“526 Aufgrund des angegeben Datums des Maximums der Beobachtung kann für diesen Meteorstrom eine Identifizierung mit den südlichen DeltaAquariden vorgeschlagen werden, bei denen der Radiant, aus dem die Sternschnuppen scheinbar kommen, nahe dem Hauptstern des Sternbildes Wassermann liegt. Vermutlich ein Meteorstrom wurde im Jahr 742 beobachtet, zu dem es ohne weitere Angaben bei Bartholomaeus von Cotton heißt, dass sich die Sterne bewegten.527 Die Jahresangaben könnten auf das Jahr 744/45 hinweisen, denn nach der Überlieferung bei Michael dem Syrer war zu Anfang des Monats Januar ein Meteorstrom zu sehen. In den Nächten erschien etwas wie eine große Säule aus Feuer und in der Nähe der Milchstraße soll für vier Tage ein Stern groß wie der Mond zu sehen gewesen sein. Als allgemeine Deutung dieser Zeichen wurde von den Zeitgenossen angenommen, sie kündigten Schlachten, Blutvergießen, Seuchen und Verfolgungen an.528 Für das Jahr 744/45 scheinen drei getrennte Ereignisse dokumentiert worden zu sein, von denen hier nur der Meteorstrom interessiert, als am 1. Januar „feurige Blitze in der

|| 524 Fredegar, Chronik, 4, 19. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 128: Anno V. regni Teuderici iterum signa, que anno superiore visa fuerant, globale ignae per caelum currentes et ad instar multitudinem astrarum igneum ad occidentem apparuerunt. 525 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 15. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 121: Tunc etiam signum sanguineum in caelum apparuisse visum est et quasi hastae sanguineae et lux clarissima per totam noctem; vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 310 f. 526 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 4. 527 Bartholomaeus de Cotton, Historia Anglicana, ad a. 743. Ed. Luard, 9: Stellae (…) discurrebant; Matthaeus Parisiensis, Chronica maiora, ad a. 743. Ed. Luard, 338: Ictus ignei. 528 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 745. Ed. Hoyland, 254 [MSyr]: At the beginning of January the like of stars were seen darting to and from everywhere in the whole atmosphere, frequently and violently, as though doing battle. Also, in the middle of the sky, during the night, the likeness of a great column of fire could be seen. From the day that those shooting stars began, one could see near the Milky Way a star looked as big as the moon. It remained for four days. Everyone said about these signs that they indicated battles, shedding of blood, plagues and chastisements.

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Luft gesehen wurden, wie die Älteren sie noch nie zuvor gesehen hatten und sie fast die ganze Nacht am 1. Januar gesehen“529 wurden. In einer byzantinischen Klein-Chronik heißt es zum Jahr 749–750, „dass bei der Geburt Leons [749/50–780], des Sohnes des Konstantinos Kopronymos [718–775], die Sterne des Himmels alle in Bewegung zu geraten und die ganze Nacht hindurch herabzustürzen schienen. Die Sterne, die in den Bereich der Erde geraten waren, verschwanden sogleich. Viele sagen, dass sich im ganzen Erdkreis dieses außergewöhnliche Schauspiel gezeigt habe.“530 Die Beschreibung lässt sich mit den Beobachtungen eines starken Meteorstromes deuten. Da kein genaues Datum oder Sternbild des Radianten angegeben wurde, lässt sich aber nicht genauer eingrenzen, um welchen Meteorstrom es sich hier gehandelt haben könnte. Auch bei den im Jahr 762/763 über Bagdad gemachten Beobachtungen, nach denen sich Sterne vom Anfang der Nacht bis zum nächsten Morgen verstreuten und dadurch die Menschen verängstigten,531 könnte es sich um Meteorströme handeln. Zum Jahr 764/765 wird erneut eine fast gleichlautende Nachricht für Bagdad überliefert: „In diesem Jahr zerstreuten sich Planeten vom Anfang der Nacht bis zum nächsten Morgen. Die Menschen waren verängstigt, was dies bedeuten könnte.“532 Das Ereignis scheint in das Jahr 764 zu datieren, denn Theophanes der Bekenner überliefert: „Im selben Jahre, im Monat März sah man häufig Sterne vom Himmel fallen, sodass alle Beobachter meinten, es stehe das Ende der Zeiten bevor.“533 Die Datierung in den Monat März könnte auf die Virginiden hinweisen. Als Simeon von Durham zum Jahr 765 berichtete, dass feurige Blitze in der Luft gesehen wurden, bezog er sich im Fortgang seines Eintrages auf jene, die einst am 1. Januar [des Jahres 745] erscheinen waren, „wie wir oben berichtet haben“.534 Zum Jahr 839 überliefern die Annales Fuldenses und diesen folgend Sigebert von Gembloux, dass „in diesem Jahr auch ein Komet im Zeichen des Widders erschienen sei und noch andere Wunderzeichen am Himmel zu sehen waren: der klare nächtliche Himmel wurde rot und mehrere Nächte hindurch schien es, als ob zahlreiche kleine Feuer wie Sterne in der Luft hin und herliefen.“535

|| 529 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 745. Ed. Arnold, Rolls Series 75/2, 38, Ed. Whitelock, 240: Visi sunt in aere ictus ignei quales nunquam ante mortales illius aevi viderunt; et ipsi paene per totam noctem visi sunt, Kal. scilicet Januarii. 530 Schreiner, Byzantinische Kleinchroniken, Bd. 3 (1979), 15. 531 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1992), 11 Nr. 3. 532 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1992), 11 Nr. 4. 533 Theophanes der Bekenner, Weltchronik, ad a. 764, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 81. 534 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 765. Ed. Arnold, 43, Ed. Whitelock, 242: Ignei ictus in aere visi sunt, qua les quondam apparuerunt tempore nocturno kal. Januar. ut superius praenotavimus. 535 Annales Fuldenses, ad a. 839. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 30; FSGA 7, 24 f.: Eodem quoque anno stella cometes in signo Arietis apparuit et prodigia alia in caelo visa sunt. Nam et caelum noctu serenum rubuit et per aliquot notes igniculi plurimi instar stellarum per aerem discurrere videbantur;

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Im August des Jahres 855 sah man laut Überlieferung der Annales Bertiniani zwei Sterne, einen größeren und einen kleineren, von Westen nach Osten sich bewegen; und zwar zehn Mal in solchem Wechsel, dass der größere blieb und der kleinere etliche Male ganz verschwand.536 Dabei könnte es sich der Beschreibung nach am ehesten um Kometensichtungen handeln, allerdings geben die Annales Bertiniani sonst nie Kometen an. Dem Autor scheinen diese keine Dokumentation wert gewesen zu sein. Die Stelle ist die einzige in den Annales Bertiniani, in der überhaupt die Begriffe stella oder comet genannt werden. Auch bei der Überlieferung von Eklipsen (832 lunae, 840 solis) ist dieser Annalist sehr sparsam. Bei den für den 16./17. Oktober 855 in Bagdad überlieferten Beobachtungen, nach denen Planeten fielen und sich dann zerstreuten, könnte es sich, wie vorgeschlagen wurde, um die Leoniden handeln.537 An anderer Stelle heißt es: „In diesem Jahr [855/56] schwebten die Sterne im Himmel [über Bagdad] und fielen dann nach Osten und Westen wie Heuschrecken von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen. Es war nie etwas Ähnliches passiert, außer als der Prophet Mohammed seine Offenbarung erhalten hatte.“538 Dieser Meteorstrom wurde auch in Europa in den Annales Fuldenes dokumentiert, wo es heißt: „Am 17. Oktober 855 schwirrten die ganze Nacht über kleine Feuerchen wie Pfeile gen Westen dichtgedrängt durch die Luft hin.“539 Ein anderer Chronist verband die Nachricht mit dem Tod von Kaiser Lothar I.,540 der am 29. September 855 starb.541 Zum 26. Oktober 901 überliefern ägyptische Quellen: „In Ägypten, am Morgen des Mittwoch am 26. Oktober [9. Tag des Monats Ḏū l-qaʿda], während der späteren Nachthälfte bis zum Morgen, wurden die Sterne durcheinandergebracht – diese Sterne die Sternschnuppen genannt werden. Der Himmel war mit Sternschnuppen gefüllt, die

|| Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 839. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 339: Cometes in signo Arietis apparet, et per aliquot dies plurimi instar stellarum igniculi per caelum discurrere videntur. 536 Annales Bertiniani, ad a. 855. Ed. Grat u. a., 71; FSGA 6, 88 f.: Eodem mense [August] duae stellae maioris et minoris quantitatis visae sunt a parte occidentis orientem versus incendere, et hoc per decem vices adeo alternatim, ut, maiore permanente, minor aliquoties nullatenus appareret. 537 Basurah, New additional material (2000), 3. Von Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993), 13 Nr. 18 irrtümlich auf 952/53 datiert. Ebd., 11 Nr. 6a. Nach Hasegawa, Further comments (1996), 76 ein möglicher Meteorstrom der Leoniden. 538 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993), 11 Nr. 7. Cook, Survey of Muslim Material (1999), 138 Nr. 21. 539 Annales Fuldenses, ad a. 855. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 46; FSGA 7, 48 f.: Mense vero Octobrio XVI. Kal. Novembr. Per totam noctem igniculi instar spiculorum occidentem versus per aerem densissime ferebantur. 540 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 855. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: 16. Kalendas Novembris igniculi instar spiculorum occidentem versus per aerem vagabuntur, quare Hlutharius imperator omnia reliquens, monachus efficitur in Priumiensi monasterio, et 3. Kalendas Octobris moritur. 541 Goetz, Lothar I. (1991), 1223 f.

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nach Osten und Westen fielen, nach Süden und Norden. Niemand konnte in den Himmel schauen, wegen der großen Zahl von Sternschnuppen.“542 Die Ursache dieses Meteorstromes könnten die Orioniden (11.10.–30.10., Maximum am 19.10.) gewesen sein. Für die zum 12. und 13. Oktober 902 überlieferten Sichtungen von Sternschnuppen im südlichen Europa und im nördlichen Afrika543 wurde vorgeschlagen, dass es sich dabei um den Meteorstrom der Leoniden handelte.544 Diese fallen aber überwiegend zwischen den 14. und den 20. November, mit einem Maximum am 17. November. Besser in den zeitlichen Rahmen passt diese Beobachtung zu den Orioniden. In einer anderen Quelle heißt es: „Auch fielen die Planeten am 8. des Monats Ramaḍān über den ganzen Himmel von Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang.“545 Die gleiche Nachricht wurde auch für den 14. Oktober 902 in Cordoba überliefert: „In diesem Jahr fielen Sterne herunter, am 8. des Monats Ḏū l-qaʿda, sodass es das ‚Jahr der Sterne‘ genannt wurde.“546 Ebenfalls den 14. Oktober 902 nennen Quellen in Bagdad und den 23. Oktober solche in Sizilien.547 Zum Jahr 902/03 heißt es weiter in Ägypten: „Zu Beginn des Jahres 290 AH versprengten die Sterne über die ganze Atmosphäre von Ägypten. Die Menschen waren ängstlich und das Phänomen wurde stärker. Nicht lange danach in diesem Jahr litten die Menschen unter Durst wegen der Trockenheit.“548 Der Orionidenschauer wurde aber auch in Mitteleuropa beobachtet und selbständig überliefert, so in den Annalen Romoalds, wo es heißt, in den Nächten dieses Jahres waren Funken sichtbar, die in der Art der Sterne herunterfielen.549 Im Jahr darauf, 903, wurde im August beobachtet, wie Sterne während der Nacht vom Himmel fielen.550 Laut arabischsprachiger Quellen kam es 912/13 (AH 300) in Andalusien zu der Beobachtung, dass Sterne vom Sonnenuntergang bis zum Ende der Nacht fielen.551 Auch in Bagdad wird für den 3. Februar 913 erwähnt, dass „die Sterne während der

|| 542 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 138 f. Nr. 23. 543 Moore/Mason/Rees, Patrick Moore's Data Book (2011), 277. 544 Nach Hasegawa, Further comments (1996), 76, ein möglicher Meteorstrom der Leoniden. 545 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993), 12 Nr. 8 und 9. 546 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993), 12 Nr. 10. 547 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993), 12 Nr. 11. 548 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993), 12 Nr. 12. 549 Romoald, Annales, ad a. 902. Ed. Arndt, MGH SS 19, 398: Eodem anno in nocte visi sunt igniculi in modum stellarum per aera discurrentes, qua nocte rex Africe residens super Cosenciam Calabrie civitatem Die iudicio mortuus est. 550 Annales S. Quintini Veromandensis, ad a. 903. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 507: Hoc anno mense Augusto stellae de caelo per noctem visae sunt decidisse. 551 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1992), 12 Nr. 14.

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Nacht des Mittwochs in der letzten Woche des Monats Ǧumādā II fielen. Alle die seltsamen fallenden Sterne zeigten Richtung Ḫurāsān [nach Osten].“552 In europäischen Quellen wurde dieser Meteorstrom nicht genannt. Ein für den 13. Oktober 934 (AH 322) in Andalusien überliefertes Ereignis, nach dem zu Beginn des Monats Ḏū l-qaʿda, Gruppen von Sternen in der Mitte des Himmels von Osten nach Westen und vom Westen nach Osten fielen und die Beobachter faszinierten,553 wurde wieder als mögliches Erscheinen der Leoniden gedeutet. Erneut besteht das chronologische Problem, dass die Zeitangabe eigentlich ein Erscheinen der Orioniden nahelegen würde.554 Das Ereignis wurde aber auch über Europa gesehen: Flodoard von Reims beschrieb zum Jahr 934, dass über Reims, kurz vor Sonnenaufgang am 14. Oktober, eine feurige Linie am Himmel gesehen wurde, die in verschiedene Richtungen lief, wie Feuerschlangen, und eiserne Speere wurden auch im Himmel gesehen. Eine Epidemie folgte kurz darauf, unter der die Menschen mit verschiedenen Beschwerden litten.555 Dasselbe Ereignis wird auch in den Annales Casinates genannt.556 Ein am 13. Mai 935 (AH 323) über Bagdad beobachtetes Ereignis, nachdem in der Donnerstagnacht des 6. des Monats Ǧumādā II die Sterne in solcher Weise fielen, wie es nie zuvor gesehen worden ist,557 könnte auf die Leoniden hinweisen. Die für den 13. Oktober des Jahres 935 für Bagdad überlieferte Nachricht: „Die Sterne fielen in der Nacht von Mittwoch dem 12. des Monats Ḏū l-qaʿda“ geben das identische Tagesdatum wie die Einträge zum Jahr 934 an. Die Anmerkung von Rada/Stephenson „Das Sternfallen war nie zuvor in der islamischen Welt gesehen worden,“ ist zu relativieren, denn eine Quelle stellt sehr wohl ausdrücklich einen Bezug zur Zeit Mohammeds im 6. Jahrhundert her. Obwohl Hasegawa in diesem Fall erneut die Leoniden als beobachtetes Ereignis vorschlägt,558 bleiben als chronologisch

|| 552 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1992), 12 Nr. 13. Cook, Survey of Muslim Material (1999), 139 Nr. 27. 553 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993), 13 Nr. 15. Nach Hasegawa, Further comments (1996), 76, ein möglicher Meteorstrom der Leoniden. 554 Vgl. Bühler, Meteorite (1988), 40 Tab. 2.1. 555 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 934. Ed. Lauer, 59; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 24 f.: Igneae Remis in caelo acies visae sunt discurrere, et quasi serpens igneus, et quaedam iacula ferri pridie Idus Octobris mane ante lucis exortum. Mox subsecuta est pestis, diversis afficiens humana Corpora morbis. Diaconus quidam Virdunensis nomine Adelmarus langore depressus, spiritum visus est amisisse; sed antequam feretro imponeretur, reversus, ita surrexit validus, ut sibi nihil videretur aegritudinis fuisse perpessus. 556 Annales Casinates, ad a. 934. Ed. Pertz, MGH SS 3, 172: (…) et in ipso anno apparuerunt signa in coelo de stellis, quod videbatur hominibus aliae cadere, aliae fulgere sicut faculae, 14. die intrante mense Octuber, luna 2. 557 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993) 13 Nr. 16. 558 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993) 13 Nr. 17a, 17b, 17c, 17d. Nach Hasegawa, Further comments (1996), 76 ein möglicher Meteorstrom der Leoniden.

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korrekte Ursache nur die Orioniden, zumal in den Quellen keine Himmelsposition genannt wurde. Auch die für den 13. Oktober 935 (AH 323) für Cordoba überlieferte Nachricht: „Am Ende dieses Jahres, am 12. des Monats Ḏū l-qaʿda, war ein häufiges Fallen von Sternen in der Atmosphäre. Die meisten von ihnen zeigten von der Mitte des Himmels in den westlichen Horizont. Unter diesen, erschien ein großer Stern von Osten wie eine Säule. Er konkurrierte mit dem Mond und teilte diesen fast, wie es von den Augen der Beobachter gesehen wurde,“559 ist auf den selben Tag wie das Ereignis von 934 datiert. Es scheint in diesen drei Fällen schwer, auf das korrekte Jahresdatum zu schließen, erst die parallele Überlieferung in den westeuropäischen Quellen macht eine Datierung in das Jahr 934 wahrscheinlicher. Am 24. Januar 1002 wurde zwischen 16 und 17 Uhr über Cambrai ein Meteorfall beobachtet und es sind dazu weitere Schadensberichte überliefert.560 Es folgen schließlich einige Kometensichtungen in anderen Regionen der Erde, zu denen keine entsprechenden Parallelbeobachtungen in Europa vorliegen: Im Oktober/November 1026 wurde in Bagdad beobachtet, dass „während des Monats Raǧab in diesem Jahr [AH 417] eine große Zahl von Sternschnuppen gesehen wurde. Sie machten laute Geräusche und helles Licht.“561 Nach Basurah war das Ereignis kein „meteor shower but a meteorid“.562 Für den 13. Dezember 1059 ist aus Bagdad überliefert, dass an einem Sonnabend, in der Mitte des Monats Ḏū l-ḥiǧǧa (AH 451), eine große Zahl von Sternschnuppen in der Atmosphäre fast eine Stunde vor Sonnenuntergang erschienen. Das massenhafte Fallen war von lautem Donner begleitet.563 Alle diese Ereignisse scheinen in Europa nicht beobachtet oder nicht dokumentiert worden zu sein. Die nächste überlieferte Beobachtung bezieht sich auf den Meteorstrom der AprilLyriden, der in jedem Frühling auftritt, und scheinbar aus einem Punkt wie Regen auf

|| 559 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993) 13 Nr. 17e. 560 Gesta episcoporum Cameracensium, 1, 114. Ed. Bethmann, MGH SS 7, 451: Namquam die XIX. kal. ianuarii, circa horam VIIII. quasi quaedam facula ardens fisso celo cum longo tractu instar fulguris terris delabitur, tanto sane splendore, ut non modo qui foras in agris, verum etiam in tectis, irrupto per quaeque patentia lumine, oculi ferirentur. Ipsa vero celi fissura dum elementis in se invicem propinquantibus sensim evanesceret, interim, mirabile dictu, quasi in similitudine serpentis, crescente quidem capite cum ceruleis pedibus visa est figurari. Et hoc non sine grandi admiratione multis spectantibus paulo post disparuit. Ipso etiam anno cometae apparuerunt; vgl. auch RI II 3 Nr. 1434. 561 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993) 14 Nr. 19, mit dem falschen Datum 1026 August/September. 562 Basurah, New additional material (2000), 3. 563 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1993) 14 Nr. 20 mit dem falschen Datum 1060 Januar 22. Vgl. Basurah, New additional material (2000), 3.

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die Erde fällt. Der Radiant der Lyriden befindet in der Nähe des Sternbildes Leier, woher dieser Meteorstrom seinen Namen hat. Der verursachende Mutterkörper ist der Komet C/1861 G1 (Thatcher), der 415 Jahre für einen Sonnenumlauf benötigt.564 Zum Jahr 1093 überliefern die Annales Beneventani, dass im Monat April eine Art Meteorstrom im Westen im Himmel zu sehen war.565 Ähnliches, allerdings für den August, überliefert Sigebert von Gembloux.566 Die Chronik Bernolds von St. Blasien erwähnt zum Jahr 1093: „In Alemannien sah man an vielen Orten am 13. Januar am frühen Morgen viele Feuer wie Speere durch die Luft fliegen, und niemand zweifelte daran, diese Feuer bedeuteten, dass durch jenes Land nicht lange danach viele Brände wüten würden. Herzog Welf und Graf Udalrich von Bregenz und sehr viele andere griffen sich nämlich an, um sich gegenseitig auf jede Weise mit Brandstiftungen zu verwüsten.“567 Für die Nacht vom 6. April 1095 wurden in verschiedenen Regionen Europas – in England,568 im Bistum Angers,569 im Bistum Toulouse570 – Meteorströme dokumentiert, der Beschreibung nach fielen sie wie Speere oder wie Regen571 vom Himmel. Es ist vorgeschlagen worden, dieses Ereignis mit dem im Frühling auftretenden Meteorstrom der Lyriden zu erklären. Dieser hat seine aktivste Zeit zwischen dem 16. und dem 25. April mit einem Maximum am 22. April. Nach chinesischen Quellen waren die || 564 Vgl. http://ssd.jpl.nasa.gov/sbdb.cgi?sstr=Thatcher;orb=1 (30.6.2106); Arter/Williams, Mean orbit of the April Lyrids (1997), 721–728. 565 Annales Beneventani, ad a. 1093. Ed. Pertz, MGH SS 3, 182: Mense Aprilis visae sunt a multis quasi in unum stellae in occidente cadere in coelo. 566 Vgl. Draelants, Éclipses (1995), 128; Sigebert von Gembloux, Chronica. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 366: Iaculum ignitium a meridie ad aquilonem per caelum ferri visum est Kalendis Augusti, prima hora noctis; Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1093. Ed. Pertz, MGH SS 16, 732: Iaculum ignitum a meridie ad aquilonem per celum discurrere visum est. 567 Bernold von Konstanz, Chroniken, ad a. 1093. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 500; FSGA 14, 392 f.: In Alemannia per diversa loca multi ignes per aerem simul ferri videbantur in octava epiphaniae in summo mane, qui utique ignes multa incendia non multo post per illam terram late crassatura significare non dubitabantur. Nam dux Welfo et comes Odalricus de Brigantio et alii quam plures omnimodis se invicem incendiis devastare aggressi sunt. 568 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 1095. Ed. Swanton, 230: And then after Easter on the eve of the Feast of St Ambrose, that is 4 April, well-nigh all over this land and well-nigh all the night, manifold stars were seen to fall from heaven, not by ones or twos, but so thickly that nobody could reckon it; vgl. Mardon/Mardon, 1095 A.D. Meteor (1991). 569 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1095. Ed. Verdon, 152 f.: Anno MXCV obiit Giraudus, abba bone memorie Silve Majoris, .viii. idus aprilis (…) Eadem nocte, qua defunctus est, vise sunt stelle cadere de celo in modum facis. 570 Chronicae S. Albini Andegavensis in unum congestae, ad a. 1095. Ed. Marchegay/Mabille, 27: MXCV. Indictione III, pridie nonas aprilis, luna XXV, feria IV post octavam Paschae, nocte visae sunt stellae in modum pluviae de coelo in terram ruisse. Sol quoque octave abhinc die toto caeruleus extans, sed e luna sequenti nocte similiter lucens, cuncto orbi prodigio fuerunt. 571 Chronicon S. Sergii Andegavensis, ad a. 1095. Ed. Marchegay/Mabille, 140: In hoc eodem anno stellae spissim quasi pluvia de coelo pluere visae sunt.

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Lyriden im Jahr 1095 am 21. April am aktivsten.572 Die Beobachtung des Stroms wurde auch für Aachen überliefert, für den 4. April 1095.573 Romoald scheint dieses Ereignis um ein Jahr abweichend datiert zu haben, um es als Vorboten für den Ersten Kreuzzug nach Jerusalem instrumentalisieren zu können. Ihm zufolge hielt zunächst Papst Urban II. im April 1094 eine Synode in Piacenza ab. Tatsächlich fand diese vom 1. bis 5. März 1095 statt. Romoald beschreibt dann weiter, dass am 2. April 1094 ein schreckliches Zeichen in den Sternen zu sehen war, so dass von der Zeit um Mitternacht bis zum Morgen unzählige Sterne vermischt aus allen Teilen des Himmels herabstürzten und auf die Erde herunterfielen. Im darauffolgenden Jahr habe Papst Urban II. dann die Synode von Clermont veranstaltet (tatsächlich vom 18. bis 28. November 1095), auf der unzählige Christen der Predigt des Papstes folgten und aus Europa zum Heiligen Grab in Jerusalem aufbrachen.574 Das Jahr 1096 bot den Zeitgenossen sodann mit der Nachricht von der Eroberung Jerusalems, ein Ereignis, für das die zeitgenössische Erwartung bestand, dass es durch himmlische Vorboten angekündigt werden würde. Auf der Suche nach einem solchen Zeichen kam die Koinzidenz des gerade genannten Meteorstromes über Reims am 4. April 1095 gerade recht, um als Ankündiger instrumentalisiert werden zu können,575 so zu finden auch in den Annales Ceccanenses576 und in den Annales Barenses.577 Das Jahr 1096 soll insgesamt reich an Himmelserscheinungen gewesen sein.578

|| 572 Mardon/Mardon: 1095 A.D. Meteor (1991), 369. 573 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 1095. Ed. Marchegay/Mabille, 170: MXCV. Hoc anno, IIo nonas aprilis, intempesta nocte ceciderunt ignitae stellae longo tractu per universum orbem. 574 Romoald, Annales, ad a. 1094. Ed. Arndt, MGH SS 19, 412: Anno dominice incarnationis 1094. indictione 2. mense Aprilis Urbanus papa Placencie sinodum celebravit, et 4. Nonas eiusdem mensis fuit terribile signum in stellis, ita quod a medie noctis tempore usque mane vise sunt innumere stelle mixtim ex omni parte celi decurrisse et in terram decidisse. Sequenti vero anno indictione 4. Urbanus papa apud Clarum-montem Arvornie sinodum fecit, et tunc multitudo christianorum innumera ex ortatione Urbani pape commota est ex omni Europa proficiscencium ad sanctum sepulchrum Domini in Ierusalem. 575 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 1096. Ed. Waitz, MGH SS 13, 83: Pridie Nonas Aprilis visae sunt pene omnes stellae currere quasi pulvis cum fertur a vento; et hoc factum est a galli cantu usque ad auroram, et Ierusalem chrisiani adeunt cum armis ex omnibus terries. 576 Annales Ceccanenses, ad a. 1095. Ed. Bethmann, MGH SS 19, 281: 1095. ind. 3. stellae de coelo visae sunt cadere; pridie Nonas Aprilis feria quarta motio magna in Hierusalem christianorum. 577 Annales Barenses, ad a. 1095. Ed. Pertz, MGH SS 5 (Lupus Protospatarius), 62: (…) de mense Aprilis in nocte quinta feria subito visi sunt igniculi cadere de coelo quasi stellae per totam Apuliam, qui repleverunt universam superficiem terrae. 578 Annales Rosenveldenses, ad a. 1096. Ed. Pertz, MGH SS 16, 101: Hoc anno aliquid antea nec visum nec auditum seculis imminere, signis e celo presagabatur frequentibus, de quibus unum ponatur, ut de reliquis fides cercior habeatur. Die quadam advesperascente, sicut hii qui se videre testati sunt, nulla in aere nubecula parente, diversis in locis globi, ut videbatur, ignei emicuerunt rursumque alia in celi parte se condiderunt. Quod non ignem set angelicas fuisse potestates, animadversum est, vagacione sua eam, que postea totum pene mundum corripuit occidentem, significantes mocionem et de locis suis populi premonstrantes profeccionem. Ut ergo hec manifesta fierent, que signa portenderant, quidam cui Petrus

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Ein Meteorsschauer am Himmel war anscheinend auch im Jahr 1100 zu sehen, was aber nur von einem Chronisten angemerkt wurde.579 Die zeitliche Verteilung der 28 genannten Beobachtungen von Meteorströmen sieht folgendermaßen aus: Tab. 14: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Meteorströme von 500 bis 1100 Gesamt 28 100 %

6. Jh. 1 4%

7. Jh. 0 0%

8. Jh. 7 25 %

9. Jh. 2 7%

10. Jh. 9 32 %

11. Jh. 9 32 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung lassen sich demnach im 8., 10. und 11. Jahrhundert mit jeweils über einem Viertel, im 11. sogar einem Drittel festmachen, die wenigsten Beobachtungen sind für das 6. und 7. Jahrhundert überliefert. Meteorströme entstehen, wenn der Planet Erde in die Materialspuren von Kometen gerät und dessen verlorene Trümmer in der Erdatmosphäre ionisiert werden. Die parallelen Bahnen solcher Bruchstücke führen dazu, dass für den irdischen Beobachter die Meteorströme aus einem Punkt zu kommen scheinen. Die Intensität der Beobachtung ist dabei auch davon abhängig, wie lange der letzte Durchzug des verursachenden Kometen her ist. Während der von 500 bis 1100 reichenden Untersuchungszeit sind 27 Beobachtungen zeitgenössischer Sichtungen von Meteorströmen dokumentiert worden, davon zehn in arabischsprachigen Quellen. Bei den Zeitgenossen lösten die Meteorströme mehrfach Ängste aus (762, 902), die sich soweit steigern konnten, dass einige glaubten, das Ende der Welt sei gekommen (764). Deshalb wurden die Meteorströme auch als Vorzeichen für Blutvergießen (744/745, 912/913) und Brände (1093) interpretiert und sogar als Vorboten für den Tod von Kaiser Lothar I. im Jahr 855. Allerdings gab es auch positive Konnotationen, wie 749/750, als Meteorströme die Geburt des byzantinischen Kaisers Leo IV. (749/50– 780) angekündigt haben sollen. Auch wurde im Jahr 855 auf die Vorzeichen referenziert, die schon bei der Offenbarung des islamischen Propheten Mohammed zu beobachten gewesen seien. Die Meteorströme des Jahre 1095 wurden hingegen in der Rückschau als Vorzeichen des Kreuzzuges gedeutet.

|| nomen erat, in finibus emersit Hyspanie, qui ut ferebatur primum reculsus, inde claustris exiens, predicacione sua totam commavit Provinciam, et non solum viros plebeios, verum etiam reges duces ceterasque mundi potestates. 579 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1100. Ed. Verdon, 174 f.: Anno millesimo centesimo (…). Sexto decimo, vise sunt stelle cadere de celo.

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2.4 Meteoriten In der Offenbarung des Johannes wird der Einschlag eines Meteors beschrieben: „Und es fiel vom Himmel ein großer Stern, brennend wie eine Fackel. Er fiel auf den dritten Teil der Flüsse und auf die Wasserquellen. Und der Name des Sterns heißt ‚Der Wermut‘. Und der dritte Teil des Wassers wurde zu Wermut, und viele Menschen starben an den Wassern, weil sie bitter geworden waren.“580 Die Formulierung celo stella ardens tanquam facula wurde mehrfach wörtlich von mittelalterlichen Annalisten aufgegriffen.581 Als Meteore werden derzeit vor allem die „Sternschnuppen“ genannten Leuchterscheinungen bezeichnet. Diese werden von kleinen, in die Erdatmosphäre eindringenden Meteoroiden erzeugt, die beim Verglühen die Luftteilchen ionisieren. Fallen solche Körper aufgrund ihrer Größe bis zur Erdoberfläche herab, nennt man sie Meteoriten.582 „Während Sternschnuppen harmlos erschienen, waren Meteoriten ‚so hart und abscheulich‘, dass man glaubte, sie stammten von Orten der Unterwelt [de infernalibus locis] her.“583 Diese atmosphärischen Erscheinungen wurden bereits von Aristoteles in seinem Werk „Meteorologie“584 beschrieben. Meteoriten verbanden für die Zeitgenossen Himmel und Erde. Von den mehr als 10.000 bisher gefundenen Meteoriten, davon etwa 8000 erst nach 1978 auf dem antarktischen Inlandeis, wurde nur bei rund 900 Meteoriten der Niedergang beobachtet.585 Solche Einschläge von Meteoriten sind auch in der Untersuchungszeit zwischen 500 und 1100 mehrfach von Zeitgenossen beobachtet und beschrieben worden.586 Der älteste schriftlich bezeugte Fall eines Meteoriten in Deutschland, der heute noch vorhanden ist, ereignete sich 1492 über Ensisheim.587 Da ihr tatsächlicher Herkunftsraum nicht bekannt war, wurden Meteoriten im Rahmen meteorologischer und astronomischer Betrachtungen beschrieben und gedeutet. So beinhaltete die Disziplin „Meteorologie“ bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts eben die Sichtung von Meteoren und erst seit dieser Zeit auch von Witterungserscheinungen.588

|| 580 Offb 8,10: Et cecidit de caelo stella magna ardens tamquam facula et cecidit super tertiam partem fluminum et super fontes aquarum. Et nomen stellae dicitur Absinthius. Et facta est tertia pars aquarum in absinthium, et multi hominum mortui sunt de aquis, quia amarae factae sunt. 581 Agnelli Liber Pontificalis Ecclesiae Ravennatis, 42. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Lang. 1, 307: Apparuit post haec stella in caelo ardens per dies 30; Annales Mosomagenses, ad a. 1006 und 1066. Ed. Pertz, MGH SS 3, 161: Hoc anno visa est in celo stella ardens tanquam facula, que dicitur cometa. 582 Vgl. Bühler, Meteorite (1988); Melosh, Meteorite (2013), 672 f. 583 Fichtenau, Lebensordnungen (1984), 417. Nach Benedikt von Monte Soratte, Chronicon. Ed. Zucchetti, 162 f. 584 Aristot. meteor., vgl. Strohm, Aristoteles (1979). 585 Vgl. Gürtler/Dorschner, Sonnensystem (1993), 193. 586 Sturlese, Meteor, Meteorit, (1993), 577 f. 587 Vgl. Gürtler/Dorschner, Sonnensystem (1993), 38. 588 Behringer, Tambora (2015), 272.

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Systematisch wurden die Nennungen der niedergegangenen Meteoriten von Chladni,589 Newton590 sowie von Dall’Olmo591 zusammengetragen. Leider werden in allen drei Werken zeitgenössische Beobachtungen teilweise neben spätere, unsicher überlieferte Nachrichten gestellt. Daneben stellt das Natural History Museum in London seit Jahren in einer online einzusehenden Datenbank die Nennungen von Meteoritensichtungen zusammen.592 Im Folgenden werden weitere, in diesen bisherigen Sammlungen nicht genannte Sichtungen vorgestellt; dabei konnten mehrfach auch unterschiedliche Beobachtungen zu einem Ereignis zusammengefasst werden. Im Allgemeinen sammelt die Erde innerhalb eines Tages etwa 100 Tonnen nichtirdischen Materials an. Das meiste davon tritt als kleine Staubpartikel in die Erdatmosphäre ein und verbrennt in Form von Lichtstreifen als Meteor oder „Sternschnuppen“ (shooting stars). Größere Fragmente gehen mit mehr Licht einher und zerbrechen beim Eintritt in die Erdatmosphäre, diese landen typischerweise als Meteoriten.593 Die Zahl der Meteore, die groß genug sind, um durch die Erdatmosphäre hindurch bis auf die Erdoberfläche zu gelangen ist im Vergleich zu solchen, die in der Atmosphäre verglühen, klein. Deshalb werden Meteoriteneinschläge auch nur selten beobachtet. Bereits kurz vor dem Beginn des Untersuchungszeitrahmens dieser Arbeit heißt es im Chronicon des Marcellinus zum Jahr 452 (1. Sept. 451–31. Aug. 452): „Zu dieser Zeit fielen drei große Felsen vom Himmel über Thrakien“594. Dall’Olmo wies darauf hin, dass Newton als Datierung 452 oder 454 angab.595 Wo sich die Krater dieser Einschläge befinden könnten, ist unklar. Meteoriteneinschläge im 4. oder 5. Jahrhundert wurden auch als Verursacher der Sirente-Krater in den Abruzzen angegeben. Daneben haben Geologen aber auch völlig andere Geneseprozesse vorgeschlagen. Da es nicht gesichert ist, dass die Sirente-Krater von Meteoriten verursacht wurden, sollen sie hier außer Betracht gelassen werden.596 Die Religion, welche die stärksten Bezüge zu Meteoriten hat, ist der Islam. Im Koran finden sich mehrere Stellen, die auf Ereignisse von herabfallenden Meteoriten Bezug nehmen könnten: Zur Schlacht von Badr 624 (2 AH) heißt es in Sure 8, 16: „in dem Gefecht bei Beder habt ihr nicht die Feinde getötet, sondern Gott hat sie getötet, der Steine auf sie fallen ließ, den Gläubigen zu Gefallen.“597 Weiterhin heißt es in Sure

|| 589 Vgl. Chladni, Ueber Feuer-Meteore (1819), 188 f. 590 Newton, Medieval Chronicles (1972), 687–689. 591 Dall'Olmo, Meteors (1978), 123–134. 592 Vgl. http://www.nhm.ac.uk/our-science/data/metcat/search/indexmany.dsml (26.4.2013). 593 Vgl. Bühler, Meteorite (1988), 38 f. 594 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 453. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 86; Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 20: Hoc tempore tres magni lapides e caelo in Thracia ceciderunt. 595 Vgl. auch Chronicle. Ed. Croke, 91; Dall’Olmo, Meteors (1978), 125. 596 Santilli, Catastrophe remembered (2003), 313–320. 597 Koran, Sure 8, 16.

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105, 3, allerdings ohne nähere Datierungsangabe: „Hast du nicht gesehen, wie dein Herr [seinerzeit] mit den Leuten des Elefanten verfahren ist? Hat er nicht ihre List misslingen lassen und Scharen von Vögeln über sie gesandt, die sie mit brennenden Steinen [siǧǧīl] bewarfen, und [hat er] sie [dadurch nicht saft- und kraftlos] werden lassen wie abgefressene Saat?“598 Für die Kaaba in Mekka, das Zentralheiligtum des Islam, dem jeder gläubige Muslim durch eine Hadsch einmal im Leben mit der physischen Umrundung körperlich einen Besuch abstatten soll, wurde im 19. Jahrhundert angenommen, dass sie im Kern ein vom Himmel gefallener Meteorit sei. Nach modernen Forschungen könnte es sich jedoch um einen Pseudometeoriten599 handeln.600 Ende des 6. Jahrhunderts gingen Meteoriten über dem Gebiet des Frankenreiches nieder. Im Jahr 575 gab es eine Himmelserscheinung beim Tode des merowingischen Königs Sigibert: „In diesem Jahre sah man einen hellen Schein über den Himmel laufen, wie wir es einst vor dem Tode Chlothars sahen.“601 Dabei könnte es sich um einen Meteoriten handeln. Im Jahr 580 konnte man nach Gregor von Tours Folgendes beobachten: „Im Gebiet von Tours, in der Frühe, noch ehe das Tageslicht anbrach, einen feurigen Schein, der über den Himmel lief und nach der östlichen Seite hin verschwand. Auch hörte man ein Krachen wie von einem fallenden Baum durch das ganze Land; es konnte aber nicht von einem Baum herrühren, weil es fünfzig oder mehr Meilen weit gehört wurde. (…) Auch äscherte eine Feuersbrunst, die durch göttliche Schickung entstand, Ortschaften in dem Gebiete von Bordeaux ein: Häuser und Scheunen mit der Ernte wurden nämlich plötzlich von Flammen ergriffen und brannten völlig ab, ohne dass das Feuer von irgendwoher übergriff, vielleicht durch himmlische Fügung. Auch die Stadt Orléans wurde von einer Feuersbrunst verheert, so sehr, dass selbst den Reicheren durchaus nichts übrig blieb; und wenn einer etwas den Flammen entriss, so lauerten die Diebe auf und raubten es.“602

|| 598 Koran, Sure 105, 3. 599 Bei einem Pseudometeoriten handelt es sich um Gestein, von dem zunächst geglaubt wurde, dass es ein Meteorit sei, welches aber tatsächlich irdischen Ursprungs ist. 600 Grady, Catalogue of meteorites (2000), 263. 601 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 51. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 187; FSGA 2, 270 f.: In eo anno fulgor per caelum discurrisse visus est, sicut quondam ante mortem Chlothari factum vidimus. 602 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 33. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1, 237 f.; FSGA 2, 340–343: In Toronico vero eo anno mane, priusquam dies inlucescerit, fulgor per caelum cucurrisse visus est et ad orientis plagam caecidisse. Sed et sonitus tamquam diruentes arbores per totam terram illam auditus est; quod ideo non est de arbore aestimandum, quia in quinquaginta aut amplius milia est auditum. (…) Nam et vicus Burdegalensis incendium divinitus ortum exussit, ita ut subito conpraehensi igni tam domus quam areae cum annoniss incendio cremarentur, nullum paenitus incitamentum habens ignis alieni, forsitan iussione divina. Nam et Aurilianensis civitas grave incendio conflagravit, in tantum ut ditioribus nihil paenitus remaneret; et si aliquis ab igne quicquam eripuit, ab insistentibus furibus est dereptum.

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Das ganze Ereignis wurde auch andernorts für den September 580 als ein „bewegtes Licht“ rezipiert oder beschrieben.603 Zwei Jahre später, 582/583, konnte laut Gregor von Tours wieder eine Beobachtung gemacht werden, die als Meteoriteneinschlag gedeutet werden kann: „Im achten Jahre König Childeberts604 senkte sich zu Tours am 31. Januar, einem Sonntage, als gerade zur Frühmette geläutet war und das Volk aufstand und zur Kirche kam, bei bewölktem Himmel unter Regen eine große Feuerkugel vom Himmel und durchlief einen großen Raum in der Luft; sie verbreitete ein solches Licht, dass man alles wie am Mittag erkennen konnte. Dann trat sie hinter eine Wolke, und es entstand tiefes Dunkel. Die Gewässer schwollen ungewöhnlich an; so traten Seine und Marne bei Paris dergestalt über die Ufer, dass zwischen der Stadt und der Kirche des heiligen Laurentius mancher Schiffbruch litt.“605

Die Beschreibung zeigt klar den Zeitpunkt, den 31. Januar 583 vor der Frühmesse, also in den Morgenstunden um oder kurz nach Sonnenaufgang. Die Feuerkugel durchlief einen großen Raum, also eine weite Strecke und verschwand dann in einer Wolke aus dem Sichtfeld. Ob sich aus der dritten von Gregor gegebenen Information, einem Anschwellen der beiden Gewässer Seine und Marne, an deren Zusammenfluss sich Paris befindet, ableiten lässt, dass der Meteorit in den Englischen Kanal stürzte und eine Flutwelle auslöste, die sich flussaufwärts bis Paris bewegt hätte, wäre weiter zu untersuchen.606 Nach den ähnlich lautenden Einträgen in der Chronik Fredegars607 und wiederum bei Gregor von Tours zum Jahr 585/586 erschien in diesem Jahr ein Zeichen am Himmel: ein feuriger Ball, der unter großem Getöse funkensprühend zur Erde fiel.608 Beide verraten aber nicht, wo dieser vermutliche Meteorit niedergegangen sein könnte.609

|| 603 Aimoini monachi Floriacensis historia Francorum, ad a. 580. Ed. Migne, 717: Fulgur (…) cucurrisse; vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 125. 604 Childebert II., König von Austrasien ab 575. 605 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 25. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 292; FSGA 3, 44 f.: Anno octavo Childeberti regis pridiae Kal. Februarius, cum die dominico apud urbem Toronicam ad matutinus signum conmutum fuisset et populus surgens ad eclesiam conveniret, caelo nubilo, cum pluvia globus magnus ignis de caelo dilapsus, in spatio multo cucurrit in aera, qui tantam lucem dedit, ut tamquam media diae omnia cernerentur, Quo iterum in nube suscepto, nox successit. Aquae vero extra solitu invaluerunt; nam tantum inundatione Sygona Matronaque circa Parisius intulerunt, ut inter civitatem et basilicam sancti Laurenti naufragia saepe contingerent. 606 Dall’Olmo, Meteors (1978), 125. 607 Fredegar, Chronik, 4, 5. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 125: Eo anno signum apparuit in caelum, globus igneos decedens in terram cum scintellis et rugeto. 608 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 8 und 8, 42. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 376, 408; FSGA 3, 198 f., 220 f.: Tunc apparuerunt signa, id est radii a parte aquilonis, sicut saepius apparere solent. Fulgor per caelum cucurrisse visus est, floresque in arboribus ostensi sunt. Erat enim mensis quintus. Fulgor per caelum in modum serpentes curcurrisse visus est. 609 Vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 125.

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In arabischen Quellen heißt es zum 29. Dezember 609 in Mekka: „In diesem Jahr ereignete sich auch eine Planeten-Konjunktion im Wassermann. (…) Am Tag der Offenbarung des Propheten wurden die Teufel von Meteoren vom Himmel niedergeschlagen.“610 Der für das Jahr 648 genannte „glühende Stein“ über Konstantinopel kann durch parallele zeitgenössische Nachrichten nicht bestätigt werden,611 aber nach den Xantener Annalen fiel im Jahr 654 Feuer vom Himmel, was vielleicht eher eine bildhafte Umschreibung für Blitze ist und nicht für einen Meteor. Darauf sei eine schwere Pest über die Menschen gekommen.612 Als nächstes erfahren wir aus irischen Annalen zum Jahr 734, dass zur Erntezeit ein Drache gesehen wurden, der riesig und hässlich gewesen sei und nach ihm ein großer Donner vom Himmel gehört wurde.613 Die bildhafte Beschreibung und besonders jene des großen Donners könnten auf einen Meteoriten hindeuten. Im Jahr 752 erschien in einer Nacht ein großes Zeichen im Himmel, nämlich eine Kugel aus Feuer vom südlichen Teil her, wo die Grenze Galliens zu den Langobarden liegt, so berichtet Sigebert von Gembloux.614 Die Überlieferungslage für die folgenden 100 Jahre scheint sehr schlecht zu sein, denn keine Quelle erwähnt in dieser Zeit Beobachtungen von Meteoriten. Nach einer syrischen Quelle tobte vom 16. August 847 bis zum 4. August 848 ein Sturm über Bagdad, der den gesamten Horizont zwischen Nachmittag und Sonnenuntergang schwarz erscheinen ließ, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang seien Sterne heruntergefallen.615 Ob es sich dabei um Meteoriten handelte, bleibt unklar. Ausführlicher ist der Eintrag in den Annales Xantenses zum Jahr 868: „Zur selben Zeit [in den Tagen der Septemberfasten, ab 7. September] sah man in Sachsen Feuer mit der Schnelligkeit eines Pfeils in der Luft daherfliegen, von der Dicke einer Heustange, wie die Eisenmasse eines Schmelzofen Funken aussprühend, und plötzlich wurde es vor den Augen sehr vieler gleichsam in Teerqualm verwandelt.“616 Insbesondere die

|| 610 Rada/Stephenson, Catalogue of Meteor Showers (1992), 11 Nr. 2. 611 Chladni, Ueber Feuer (1819), 190. 612 Annales Xantenses, ad a. 654. Ed. Pertz, MGH SS 2, 219: Ignis de celo cecidit, et pestilentia gravis super homines venit; vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 126. 613 Annals of Clonmacnoise, ad a. 734. Ed. Murphy, 116: There was a Dragon both hughe and ugly to behould this harvest seen, and a great Thunder heard after him in the firmament. 614 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 752. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 332: Cui in veniendo in una noctium apparuit magnum signum in caelo, globus scilicet igneus á parte australi, declinans à Galliae finibus in partes Langobardorum. 615 Basurah, New additional material (2000), 5 Nr. 1: During the interval time between 16 August 847 to 4 August 848 [year 233 AH], a storm developed in Bagdad, the entire horizont became black, from afternoon till sunset. Stars hammered down from sunset till dawn. 616 Annales Xantenses, ad a. 868. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 25; FSGA 6, 360 f.: Eodem tempore in Saxonia ignis in aerę sagittae celeritate ferri visus est, grossitudine ligni foenarii et sicut

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genaue Beschreibung der Qualmreste ist bemerkenswert. Auch bei der Nachricht des Mönches Heinrich, nach der „sehr großen Steine“ im Jahr 874 vom Himmel fielen,617 die zwar nicht mit Feuer in Verbindung gebracht wurden, wird es sich wohl um Meteoriten handeln. Im Jahr 918/919 brach über dem Irak ein großer Meteorit beim Eintritt in die Erdatmosphäre in drei Teile: „Ein riesiger Stern fiel und sein Licht war sehr kräftig und er war groß und brach in drei Teile. An diesem Punkt war ein Geräusch wie lauter Donner zu hören, wenn er fiel, aber es waren keine Wolken am Himmel.“618 Im Jahr 921 waren hingegen Zeichen am Himmel über Italien sichtbar. Bei einer nicht genannten Stadt nahe Rom konnte man sehen, wie viele Steine vom Himmel fielen. Inner- und außerhalb der Stadt, die Narnia (heute Narni) genannt wird, gingen Meteoriten nieder. Der größte war noch in der Zeit des Chronisten zu sehen, er ragte mit einer Elle aus dem Wasser des Flusses Nera.619 Die Verbindung, die ein Meteorit zwischen Himmel und Erde herstellt, findet oft ihren Ausdruck in der Darstellung der Zeitgenossen. Als im Jahr 951/952 ein Meteorit auf die Stadt Kairouan (al-Qairawān) in Tunesien fiel, war seine Größe ungefähr die gleiche, wie die eines Stößel-Steins (pestle-stone, fihr).620 Der Meteorit wurde als Bestandteil in die dortige große Moschee eingebaut und Kairouan zählte deshalb lange als drittheiligster Ort im Islam, noch vor Jerusalem. Eine Reise nach Kairouan wurde als gleichwertig mit einem Hadsch nach Mekka und Medina gewertet. Auffällig ist die zeitliche Koinzidenz einer zweiten Beobachtung eines Meteoriteneinschlags im Jahr

|| massa ferri in conflatorio scintillas emittens, et subito coram oculis plurimorum velut in fumum picis redactus est. 617 Heirici monachi S. Germani Autissiodorensis Annales breves, ad a. 874. Ed. Waitz, MGH SS 13, 80: Lapides pergrandes de caelo corruunt. Vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 127 (mit falscher Bandangabe). 618 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 139 Nr. 30. 619 Benedicti Chronicon, 31. Ed. Pertz, MGH SS 3, 715: Anno ab incarnatione domini nostri Iesu Christi nungentesimo vicesimo prima, indictione prima, indictio nona, temporibus domni Iohannis decimi pape, in anno pontificatus illius septem, vise sunt signa. Nam iuxta hurbe Roma lapides plurimi de celo cádere visi sunt. In civitate que vocatur Narnia, tam diri âc tetri, ut nichil aliud credatur, quam de infernalibus locis deducti ęssent. Nam ita ex illis lapidibus unus omnium maximus est, ut decidens in flumen Narnus, ad mensura unius cubitis super aquas fluminis usque hodie videretur. Nam et ignite facule ę celo plurime omnibus in hanc civitate Romani populi vise sunt, ita ut pene terra contingerent. Alie cadentes iuxta domum Theophilacti. Alie iuxta ecclesia sanctorum apostolorum Iacobi et Philippi, que nos vocitamus Sancti Apostoli. Alia húc illúcque discurrentes. Similiter eodem tempore celum ardere visum est, iuxta Portum huius hurbis, miliario a ab urbe Roma decem et octo. In qua videlicet flamma tres simul columne vise sunt, in modum columpnarum que nunc in edificiis locantur. In quibus tribus columpnis tres columpne apparuerunt sedere, unaquaque super columpna; quibus una ex illis elevatis alis extinguere cupiebat flamme, nec poterat. Deinde secunda, et tertias, et necquicquam valuit; nec multô post supervenientes una ex aliis partibus expansis alis, et tam diu contra flamma alas exagitant, quousque totam illa flamma extincxit; vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 127. 620 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 141 Nr. 41.

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952. Auch in Italien wurde am 7. August 952 ein Einschlag beobachtet.621 In der bei Widukind von Korvei überlieferten Nachricht heißt es: „Dort [in Italien] lieferte ein Hagelstein von ungeheurer Größe, der unter Donner und stürmischem Unwetter von Himmel fiel, zahlreichen Augenzeugen ein gewaltiges Schauspiel.“622 Das gleiche Ereignis beschrieben noch vier weitere Chroniken: „Unter anderen Wunderzeichen kam ein feuriger Stein wie ein Klumpen glühenden Eisens von Westen her durch die Luft und erscheint wie eine wandelnde Schlange.“623 Der Verfasser der Würzburger Annalen machte daraus einen Drachen (draco).624 Da die angegebene Fallrichtung von Westen mit jener des oben beschriebenen, über Kairouan in Tunesien niedergegangenen Meteoriten gleich ist, könnte dies bedeuten, dass der ursprüngliche Meteorit noch viel weiter im Westen über dem Atlantik zerbrochen wäre. Unter Umständen könnte es sich um auseinandergebrochene Teile des gleichen Ausgangsmaterials handeln, das beim Kontakt mit den obersten Schichten der Erdatmosphäre zerbrach. Hier könnten zwei in unterschiedlichen Kulturkreisen gemachte Beobachtungen ein und dasselbe Ereignis dokumentieren. Bei seinem Eintritt in die Erdatmosphäre zerbrach der Komet in mindestens zwei Teile, deren Bahnen sich immer stärker voneinander entfernten und deren weitere Flugbahn Richtung Erdoberfläche jeweils getrennt beobachtet und dokumentiert wurden. Das Zeichen eines großen kopflosen Drachens, das für den Juni 956 vom Autor der Annales Floriacenses beschrieben wurde, könnte ebenfalls auf einen niedergehenden Meteoriten hinweisen.625 Im Herbst 975 wurde ein Meteor mit einem strahlenförmigen Kopf gesehen, wie er auf die Erde fiel. Im Anschluss nannte der gleiche Chronist noch einen weiteren Kometen.626 || 621 Vgl. dazu bereits Chladni, Ueber Feuer-Meteore (1819) 193. Irrtümlich wurde das Niedergehen dieses Meteoriten wiederholt nach Augsburg verlegt, er ging aber über Italien nieder. Vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 128. Annales Augustani, ad a. 975. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Et cometa exarsit. 622 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 3, 11. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 110; FSGA 8, 136 f.: Ibi mirae magnitudinis lapis grandinis tonitru ac tempestate turbulenta de caelo iactus ingens miraculum multis viscentibus prebuit; Annales Coloniensis maximi, ad a. 952. Ed. Pertz, MGH SS 17, 739: Ibi mire magnitudinis lapis tonitru et tempestate iactus de celo, multis visentibus ingens miraculum prebuit. 623 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 951. Ed. Pertz, MGH SS 5, 114; FSGA 11, 638 f.: Magnaque totius regni turbatio diversarum studiis pertium facta est; Chronicon Suevicum universale, ad a. 950–960. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 67: Ignitus lapis, quasi massa cadentis ferri ab occidente volitans, venit, et draci visus est. 624 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 952. Ed. Pertz, MGH SS 2, 241: Ignitus lapis, quasi massa candentis ferri, ab occidente volitas venit, et draco visus est. 625 Annales Floriacenses, ad a. 956. Ed. Pertz, MGH SS 2, 255: Eodem quoque anno mense Iunio signum mirabile in caelo apparuit, draco magnus scilicet, et sine capite ; vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 128. 626 Annales Corbeienses, ad a. 975. Ed. Pertz, MGH SS 3, 5: Ignis visus est ferri in aere, grossitudinem habens ex anteriori parte quasi unius trabis; in quibusdam locis in terram, in quibusdam in silvam, in

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Am 15. Juli 998 bebte zunächst die Erde von der Elbe bis zu den Mündungen des Rheins.627 Daraufhin fielen zwei feurige Steine mit lautem Geräusch vom Himmel, einer in die Stadt Magdeburg und einer jenseits der Elbe.628 Der Niedergang der Meteoriten wurde vergleichsweise genau geschildert, weshalb es sich hier um einen dokumentierten Augenzeugenbericht handeln könnte. Ein detonierender Meteor ist immer die Voraussetzung für einen Meteoritenfall. Die Detonation eines Meteors zeugt davon, dass dieser eine Höhe von unter 35 Kilometer erreicht hat. Die dabei entstehenden Geräusche äußern sich in einem lauten Knall oder in tiefem Donnergrollen und können auch zu seismischen Schwingungen im Erdboden führen. Die lauten Begleitgeräusche lenkten die Aufmerksamkeit der Beobachter auf das Ereignis, sodass diese das Auseinanderbrechen sehen und die weitere Flugbahn der Meteoritenteile beschreiben konnten. Am 14. Dezember des Jahres 1001 kam es gegen 15 Uhr (circa horam VIIII) in Cambrai zu einem Meteoriteneinschlag. Dieser wurde vom Chronisten bewusst abgegrenzt gegen die im gleichen Jahr beobachteten Kometen.629 Diese Himmelserscheinungen wurden später als Vorzeichen für das frühe Ende von Kaiser Otto III. gedeutet.630 Für die Region Syrien wird zum 25. Juli 1025 berichtet, dass „ein großer Stern in Aleppo in der Nacht des Donnerstags am 24. Tag des Monats Rabīʿ II [25. Juni] im Jahr 416 AH vom Himmel fiel und es ein donnerndes Geräusch in seiner Spur, wie der Klang von lautem Donner, gab.“631 Die Beschreibung könnte auf den Einschlag eines Meteoriten hindeuten. Eine feurige Lufterscheinung, die an einen Meteoriteneinschlag denken lässt, wurde zum 6. April 1039 überliefert.632

|| quibusdam vero in aquam visus est cecidisse. Et cometa apparuit multis noctibus ab oriente et aquilone iuxta signum Gemini; vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 128. 627 Vgl. RI II, 3 Nr. 1284a. 628 Annales Quedlinburgenses, ad a. 998. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 499: Mense Julio terrae motus factus est horribilis per totam Saxoniam, duoque lapides igniti ex tonitru ceciderunt, unus in ipsa civitate Magdeburgensi, alter ultra Albiam fluvium; vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 128; Chladni, Ueber Feuer-Meteore, 193. 629 Gesta episcoporum Cameracensium, 1, 114. Ed. Bethmann, MGH SS 7, 451: Namquam die XIX. kal. ianuarii, circa horam VIIII. Quasi quaedam facula ardens fisso celo cum longo tractu instar ua equ terris delabitur, tanto sane splendore, ut non modo qui foras in agris, verum etiam in tectis, irrupto per quaeque patentia lumine, oculi ferirentur. Ipsa vero celi fissura dum elementis in se invicem propinquantibus sensim evanesceret, interim, mirabile dictu, quasi in similitudine serpentis, crescente quidem capite cum ceruleis pedibus visa est figurari. Et hoc non sine grandi admiratione multis spectantibus paulo post disparuit. Ipso etiam anno cometae apparuerunt. 630 Vgl. RI II, 3 Nr. 1434a. 631 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 142 Nr. 55. 632 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1039. Ed. Pertz, MGH SS 16, 732: 8. Idus Aprilis visa est in celo ignae trabes mire magnitudinis, que currens super solem iam ad occassum vergentem, visa est in terram cadere, et fuit eclypsis solis 2. Idus Maii; Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1039. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 358: In mense Aprili, 8. Idus, visa est in celo inter australem et orientalem plagam

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Am 13. Juni 1055 und im Jahr 1056 wurde nach den Annales Beneventani ein lautes Donnern vom Himmel gehört;633 Beschreibungen der Beobachtung des Einschlags eines Meteoriten fehlen jedoch. Zusammenfassen lassen sich die Beschreibungen von Kometen folglich so: Bei drei Meteoriten in der Untersuchungszeit wurden Beobachtungen mitgeteilt, die darauf hinweisen könnten, dass die Objekte während der Flugphase auseinandergebrochen sein könnten. Danach zerbrach der Meteorit, der 918/919 über dem Irak beobachtet wurde, in drei Teile. Jener, der am 7. August 952 über Italien gesichtet wurde, könnte eine der auseinandergebrochenen Hälften jenes Meteoriten sein, dessen zweite Hälfte über Kairouan in Tunesien beobachtet wurde. Vergleichsweise genau ist zum Dritten das Auseinanderbrechen eines Meteoriten in zwei Teile im Jahr 998 über Magdeburg beobachtet und beschrieben worden. Etwa die Hälfte der 25 hier beschriebenen Meteoriten war bisher in der Meteoriten-Datenbank des Natural History Museum in London erfasst. Besonders vom 6. bis 8. Jahrhundert gibt es aber einige relativ genaue Beobachtungen, die auf weitere, bisher nicht beachtete Meteoriteneinschläge hinweisen. Die zeitliche Verteilung dieser 25 Beobachtungen sieht folgendermaßen aus: Tab. 15: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Meteoriten von 500 bis 1100 Gesamt 26 100 %

6. Jh. 4 15 %

7. Jh. 2 8%

8. Jh. 1 4%

9. Jh. 5 19 %

10. Jh. 8 31 %

11. Jh. 6 23 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung liegen im 10. Jahrhundert mit ungefähr einem Drittel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 8. Jahrhundert überliefert, was aber mit der spärlichen Quellenüberlieferung dieser Epoche zusammenhängt. Als Meteore werden die „Sternschnuppen“ genannten Leuchterscheinungen bezeichnet, die von kleinen, in die Erdatmosphäre eindringenden Meteoroiden erzeugt werden. Fallen solche Körper aufgrund ihrer Größe bis zur Erdoberfläche herab, nennt man sie Meteorite. Als Herkunftsorte der Meteoriten wurde, da sie so „hart und abscheulich“ waren, Orte der Unterwelt angenommen. So verbinden Meteorite für die Zeitgenossen Himmel/Hölle mit der Erde. Während der Untersuchungszeit wurden 25 Beobachtungen von Einschläge von Meteoriten dokumentiert, davon neun in arabischen Quellen. Gerade für die muslimische Religion spielen die Meteorite eine zentrale Rolle.

|| ignea trabes mirae magnitudinis, quae currens super solem iam ad occasum vergentem, visa est in terram cadere; cuius vestigia diu videri potuerunt. 633 Annales Beneventani, ad a. 1055. Ed. Pertz, MGH SS 3, 179: Tertia decima die stante mense Iunio factus est magnus sonus in coelo hora tertia; ebd., ad a. 1056: (…) et 10. anno imperii domni Heinrici tertii, sonum magnum factum est in coelo.

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2.5 Sonnenflecken Während Meteoriten den Himmel mit der Erde scheinbar unmittelbar verbinden und für die Zeitgenossen sehr konkrete Zeugnisse dieser vermeintlichen Verbindung darstellten, ist das Zentralgestirn der Sonne für die Zeitgenossen nicht anders als durch Beobachtung zu erreichen gewesen. Die Sonne und die von ihr ausgehenden Strahlungen sind die wichtigste Energiequelle für das Leben auf der Erde. Viele thermische und optische Ereignisse, die durch Änderungen der Sonnenstrahlung ausgelöst werden, können von der Erde aus beobachtet werden. Die direkte Beobachtung der Sonne ist aufgrund der großen Helligkeit schwierig, wurde aber mit geeigneten Hilfsmitteln bereits seit der Antike erfolgreich durchgeführt. Schon in vorchristlicher Zeit ist aufgefallen, dass die Oberfläche der Sonne in unregelmäßigen Abständen dunkle Flecken, sogenannte sunspots634 aufweist. Die moderne Rekonstruktion der Aktivitäten der Sonnenflecken ist, bis auf die Beschreibung von Einzelfällen, kaum in die Zeit vor das 14. Jahrhundert vorgedrungen. Die Aktivitäten der Flecken auf der Sonnenoberfläche gehören zu den klassischen Forschungsthemen der historischen Klimatologie, denn das Auftreten der Flecken geht mit einer erhöhten Energiemenge einher, welche die Erde erreicht.635 Bereits Galileo Galilei (1564–1642) hat die Sonnenflecken beobachtet, später haben die Forscher Edward Walter Maunder (1851–1928) und Johan A. Eddy (1931–2009)636 anhand der über die Jahrhunderte gemachten Beobachtungen die verschiedenen regelmäßigen Zyklen erkannt und die Entwicklung der vergangenen 500 Jahre wiedergegeben.637 Der elfjährige Sonnenfleckenzyklus (Schwabe-Zyklus) weist aber viele Schwankungsmöglichkeiten auf und kann nicht einfach additiv zurückgerechnet werden.638 Hargreaves stellte heraus, dass es sich auch um einen 22-Jahreszyklus handeln könnte.639 Neben dem elfjährigen Zyklus sind auch langperiodische Variationen der Sonnenfleckenzahlen mit Periodenlängen von 40, 50, 80, 90 (Gleisberg-Zyklus) und 180 Jahre (José-Zyklus) berechnet worden.640 Die Sonnenflecken als auffälligste Erscheinung der Sonnenaktivität, treten mit wechselnder Häufigkeit einzeln oder in Gruppen auf. Wolf führte 1848 als Maß der Häufigkeit die Sonnenfleckenrelativzahl R ein, deren Bedeutung vor allem in der statistischen Aussagekraft und der einfachen Bestimmungsmöglichkeit liegt. Die Jahresmittel zeigen ausgeprägte Minima und Maxima mit einer mittleren Periode von 11,2 Jahren, wobei die Extremwerte von 7 bis 17 Jahren reichen. Die Ursachen des Ausset-

|| 634 Boteler, Sunspots (2013), 986. 635 Schove/Van Nostrand, Sunspot Cycles (1983). 636 Eddy, Maunder Minimum (1976), 1189–1202, Nr. 4245. 637 Schröder, Sunspot cycles (1995). 638 Kubin, Model study (2011), 16–18. 639 Hargreaves, Solar-Terrestrial Environment (1992), 141. 640 Hupfer/Kuttler, Witterung und Klima (2006), 243.

170 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

zens der Sonnenfleckentätigkeit über längere Zeiträume sind noch unklar, bekanntestes Beispiel eines „ausgedehnten Minimums“ ist die Zeit von 1665 bis 1715, die unter dem Namen „Maunder-Minimum“ bekannt ist.641 Als eine der bekanntesten Folgen dieser Verringerung wird die sogenannte „Kleine Eiszeit“ angesehen. Die Stärke, mit der die Sonnenstrahlung in der Vergangenheit die Erdatmosphäre erreichte, kann aus dem C 14-Gehalt in den Jahresringen von Bäumen rekonstruiert werden. Die Menge des in den Baumringen eingelagerten Isotops C14 wird beeinflusst durch den Sonnenwind. Die auf die Erdatmosphäre treffende Höhenstrahlung führt zur Produktion des kosmogenen Isotops C 14 in der Stratosphäre. Die Höhenstrahlung aus dem Weltall, die für die Produktion verantwortlich ist, wird durch das Magnetfeld der Erde abgeschirmt. Eine schwache Sonnenaktivität führt zu einer schwächeren Abschirmung der Höhenstrahlung und geht mit einer erhöhten Produktion von C 14-Isotopen einher, was zu einer erhöhten Einlagerung von C 14 in den Baumringen führt.642 In einem Katalog mit 235 Eintragungen, den Wittmann und Xu vorlegten, sind 39 Einträge während der Untersuchungszeit enthalten, der ganz überwiegende Teil (36) bezieht sich auf Daten aus chinesischen Quellen. In anderen Vergleichen zwischen europäischen und asiatischen Sichtungen von Sonnenflecken dominieren die Daten der Neuzeit, vor allem des 19. Jahrhunderts.643 Die Erforschung der Naturgeschichte des ersten Jahrtausends der christlichen Zeitrechnung wurde, abgesehen von Spezialuntersuchungen, bisher weitgehend vernachlässigt, was auch daran deutlich wird, dass die Sonnenfleckenminima, die vermutlich mit Kaltzeiten einhergehen, vor dem Jahr 1000 bisher keine Namen erhalten haben. Für die Zeit nach dem Jahr 1000 sind folgende Phasen vorgeschlagen worden: Auf das Oort-Minimum (1010–1080) folgte das Wolf-Minimum (1280–1350),644 das Spörer-Minimum (1420–1570), das MaunderMinimum (1645–1715)645 und das Dalton-Minimum (1790–1820). Zwar sind direkte Beobachtungen von Sonnenflecken bereits aus der chinesischen Han-Dynastie (206 v.– 220 n. Chr.) bekannt, aber in den mittelalterlichen europäischen Quellen ließ sich bisher kaum belastbares Material finden. Am Beginn dieser Untersuchung steht die Annahme, dass einige historiographische Nachrichten auf die Beobachtung von Sonnenflecken hinweisen könnten. Dafür wurden alle Nennungen der Wendung signum in sole untersucht. Dabei handelt es sich um eine relativ allgemeine Formulierung, sie kann sich aber ebenso auf Sonnenfinsternisse beziehen und ist deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen. Nach einer Überprüfung blieben aus der Liste von Wittmann und || 641 Gürtler/Dorschner, Sonnensystem (1993), 65–67. 642 Sirocko/David, Wärmeoptimum (2011), 244 f.; Kromer/Friedrich, Jahrringchronologien und Radiokohlenstoff (2007), 50–55. 643 Willis/Davda/Stephenson, Comparison (1996), 189–229. 644 Sirocko/David, Wärmeoptimum (2011), 244: „Nach 1250 verringerte sich die Sonnenstärke, und ab 1310 wurde ein ausgeprägtes Minimum der Sonnenaktivität erreicht, genannt ‚Wolf-Minimum’“. 645 Shindell, Maunder Minimum (2009), 550.

Sonnenflecken | 171

Xu abseits der chinesischen Beobachtungen nur zwei Nachrichten übrig, eine angeblich aus dem Kloster Lorsch stammende zum Jahr 807646 und eine von Ibn Ǧaʿfar b. alMuktafī (902–908) zum Jahr 840.647 Im Jahr 807 fand eine Sonnenfinsternis am 11. Februar 807 statt, deren Kernschatten über dem Meer zwischen Island und Schottland auf die Erdoberfläche fiel.648 Auch für das Jahr 840 wurde eine Sonnenfinsternis am 5. Mai 840 gegen 12:57 Uhr (TD) berechnet,649 wobei die Zugbahn des Kernschattens über Südfrankreich, Norditalien und dem Schwarzen Meer lag. Zum Jahr 937 wird ein Zeichen in der Sonne (signum in sole) genannt, darauf eine Sonnenfinsternis (deinde eclipsis solis facta) und ein flammenfarbener Himmel, gefolgt vom Tod Kaiser Ottos I.,650 der aber bekanntermaßen am 7. Mai 973 in Memleben starb. Dabei scheint es sich um eine Verwechslung des Annalisten zu handeln. Die Umstände der Verwechslung bleiben aber unklar, da am 7. März 973 gegen 16:35 Uhr (TD) eine partiale Sonnenfinsternis stattfand, deren Ende über Westeuropa beobachtet werden konnte.651 Zum Jahr 972 überliefern zudem die Würzburger Annalen, dass „ein Zeichen farbigen Feuers im Himmel erschien“652, aber insgesamt scheinen diese Nennungen nicht auf Beobachtungen von Sonnenflecken hinzuweisen. Die Nennung einer Beobachtung eines Sonnenfleckens im Jahr 939 ist in arabischen Quellen überliefert.653 In europäischen Quellen wird zum selben Jahr, 939, ein Zeichen auf der Sonne und ein gleichartiges auf dem Mond überliefert.654 Eine Sonnenfinsternis wurde wieder für den 19. Juli 939 gegen 9:28 Uhr (TD) berechnet, mit einer Zugbahn des Kernschattens über Spanien, Italien in Richtung Schwarzes Meer,655 eine Mondfinsternis für den 29. Dezember 939.656 In diesem Jahr kann also die quellenmäßige Formulierung mit Sonnen- und Mondfinsternissen erklärt werden. In den 960er-Jahren werden mehrfach Zeichen in der Sonne erwähnt,657 so im Jahr 961, als ein Zeichen in der Sonne über Kloster Reichenau erschien.658 Diese Nachricht

|| 646 Die Annales Laureshamenses. Ed. Pertz, MGH SS 1, 22–39 enden aber bereits mit einem Eintrag zum Jahr 803, vgl. Rep. Font. 2, 296. 647 Wittmann/Xu, Catalogue of sunspot observations (1987), 83–94. 648 Saroszyklus 82: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/807-02-11.gif (25.3.2016). 649 Saroszyklus 90: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/840-05-05.gif (4.4.2016). 650 Ex summa Honorii, ad a. 937 [!]. Ed. Wilmans, MGH SS 10, 130: Signum in sole, deinde eclipsis solis facta est. Signum quoddam ignei coloris in caelo apparuit, et Otto moritur. 651 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/973-03-07.gif (19.7.2016). 652 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 972. Ed. Pertz, MGH SS 2, 242: Signum quoddam ignei coloris in caelo apparuit. 653 Vaquero/Gallego, Evidence for a sunspot (2002), 209–211. 654 Annales S. Nazarii, ad a. 939. Ed. Bethmann, MGH SS 17, 33: Signum in sole in similitudinem dimidium lune. 655 Saroszyklus 109: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/939-07-19.gif (4.4.2016). 656 Saroszyklus 88: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0939-12-29T.gif (19.7.2016). 657 Chronicon Suevicum universale, ad a. 960. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 68: Signum in sole apparuit. 658 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 961. Ed. Pertz, MGH SS 5, 115; FSGA 11, 644 f.: Signum in sole apparuit.

172 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

wurde für 961 auch im steirischen Kloster Admont notiert659 und fand Eingang in die Chronik des Bernold.660 Auch für dieses Jahr konnte eine Sonnenfinsternis berechnet werden, die am 17. Mai 961 gegen 8:49 Uhr (TD) mit einer Zugbahn des Kernschattens von Spanien in Richtung Ostsee zu beobachten war. Für das Jahr 962 sind Nachrichten aus Köln661 und für 963 aus Würzburg überliefert.662 Berechnet wurde für den 1. Oktober 962 eine partielle Sonnenfinsternis über Mittel- und Osteuropa663 und für das Jahr 963 eine über Europa sichtbare Sonnenfinsternis für den 20. September gegen 15:16 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des Kernschattens über den Atlantik in Richtung Westafrika.664 Für das Jahr 1096 ist mit der Formulierung signum in sole wieder ein Zeichen in der Sonne überliefert.665 Diesmal kann es keine Sonnenfinsternis gewesen sein kann, denn für 1096 kann keine über Europa beobachtbare Sonnenfinsternis berechnet werden. Dies wäre von allen Beispielen, die auf europäischen Quellen basieren, der einzige Fall, in dem nicht die Beobachtung einer partiellen Sonnenfinsternis, sondern eines Sonnenfleckens vorliegen könnte. Die folgende Tabelle führt alle Nennungen von signum in sole und entsprechende Erklärungsvorschläge zusammen. Tab. 16: Überlieferung von Zeichen in der Sonne von 500 bis 1100

Datum

Region

Deutungsmöglichkeit

807

Lorsch

Sonnenfinsternis 10.02.807

840

Bagdad

Sonnenfinsternis 05.05.840

939

Lorsch

Sonnenfinsternis 19.07.939

960er

Schwaben

961

Bodenseeregion

Sonnenfinsternis 17.05.961

[zahlreich >3]

962

Rheinland, Köln

Sonnenfinsternis 01.10.962

Chronica regia Coloniensis

963

Bayern, Würzburg

Sonnenfinsternis 20.09.963

Annales St. Albani Moguntini

um 970

Sachsen?

Tod Ottos I.

Honorii summa

1096

Rheinland, Köln

Sonnenfleck

Chron. regia Coloniensis, Chron. Univ.

Quelle

arabische Quelle Ann. Sancti Nazarii Chronicon Suevicum universale

|| 659 Annales Admuntenses, ad a. 961. Ed. Wattenbach, MGH SS 9, 574: Signum in sole apparuit. 660 Bernold von St. Blasien, Chronik, ad a. 961. Ed. Pertz, MGH SS 5, 422: Signum in sole apparuit. 661 Chronica regia Coloniensis, ad a. 962. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 18, 28: Signum in sole. 662 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 963. Ed. Pertz, MGH SS 2, 242: Signum in sole. 663 Saroszyklus 88: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/962-10-01.gif (19.7.2016). 664 Saroszyklus 98: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/963-09-20.gif (4.4.2016). 665 Chronica regia Coloniensis, ad a. 1096. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 18, 39: Signum in sole; Ekkehard, Chronicon universale, ad a. 1096. Ed. Waitz, MGH SS 6, 214: Preterea signum in sole quod prescriptum est visum, multaque quae tam in aere quam in terris portenta apparuerunt, ad huiusmodi exercicia non paucos antea torpidos excitaverunt.

Polarlichter | 173

In europäischen Quellen konnte für jede Nennung der Wendung (signum in sole) die Beobachtung einer Sonnenfinsternis wahrscheinlich gemacht werden. Einzig zum Jahr 1096 wären mangels Sonnenfinsternis andere Deutungen möglich. Damit scheint für die Zeit von 500 bis 1100 keine (in)direkte Beobachtung der Sonne über Europa stattgefunden zu haben, die ihren Ausdruck in der schriftlichen Überlieferung gefunden hätte und eine Nachricht über Sonnenflecken mitgeteilt hätte. Die Astronomen in China und jene in Bagdad scheinen hier deutlich weitergehende technische Möglichkeiten zur Beobachtung gefunden und genutzt zu haben. Der Übergang, der auch in Europa die Beobachtung und Dokumentation von Sonnenflecken erkennbar werden lässt, scheint an der Grenze vom 11. zum 12. Jahrhundert zu liegen, denn die erste bekannte Zeichnung eines Sonnenfleckens stammt von John von Worcester aus dem Jahr 1128.666 Abgesehen davon ist die allgemeine Rekonstruktion der Aktivitäten der Sonnenflecken bisher nicht hinter das 14. Jahrhundert zurückgegangen. Die von der Sonne ausgehende Strahlung ist die wichtigste Energiequelle für das Leben auf der Erde. Diese Strahlung ist nicht konstant, sondern variiert. Sichtbares Zeichen dieser Variationen, die sogar von der Erde aus beobachtet werden können, sind die sogenannten Sonnenflecken, die in einem Zyklus von 11 bzw. 22 Jahren in ihrer Häufigkeit zu- und abnehmen. Obwohl Sonnenflecken bereits in der Antike beobachtet wurden, konnte für die Untersuchungszeit von 500 bis 1100 keine europäische Quellenstelle gefunden werden, die sicher auf eine unmittelbare Beobachtung von Sonnenflecken hinweisen könnte. Es gibt zwar zehn Nennungen von Zeichen auf der Sonne (signum in sole), davon zwei in arabischen Quellen, aber für neun davon konnte eine zeitnahe Sonnenfinsternis nachgewiesen werden. Lediglich bei dem in der Chronica regia Coloniensis und dem Chronicon Universale Ekkehards von Aura zum Jahr 1096 genannten Zeichen könnte es sich – mangels anderer Deutungsansätze – tatsächlich um die Beobachtung eines Sonnenfleckens handeln. Der bisherige Forschungsstand, wonach die erste bekannte Zeichnung eines Sonnenflecks von Johannes von Worcester aus dem Jahr 1128 stammt, kann nach diesem Befund als bestätigt gelten.

2.6 Polarlichter Da der Nachweis von Nennungen von mit bloßen Augen beobachtbaren Flecken auf der Sonnenoberfläche im Früh- und Hochmittelalter wohl aufgrund der fehlenden technischen Hilfsmittel nicht gelang, wird die Häufung von Lichterscheinungen in der Atmosphäre, sogenannten Polarlichtern (aurora borealis), relevant. Denn eine indirekte Beobachtung der Aktivitäten auf der Sonnenoberfläche ist durch diese Polarlichter möglich. In einem umfangreichen Katalog hat Hermann Fritz bereits 1873 viele

|| 666 Van Helden, Galileo (1996), 358–396.

174 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Beobachtungen von Polarlichtern zusammengestellt, im Einzelnen 18 Belege für die Zeit von 503 v. Chr. bis 1 v. Chr., elf Belege für die Jahre 1 bis 500 n. Chr., 95 Belege für den hier interessierenden Zeitraum 500 bis 1000 und noch einmal 115 Belege für die Zeit von 1000 bis 1500.667 In jüngster Zeit haben Schlegel und Schlegel eine aktuelle Studie zu den Polarlichtern vorgelegt.668 Da die verursachende Atmosphärenphysik der Polarlichter völlig unbekannt war, werden die Beobachtungen in den Quellen oft als „feurige Schlachtenreihen im Himmel“ (igneae acies in caelo) wiedergegeben. In der Antike wurden diese Erscheinungen als „brennender Himmel“ beschrieben.669 Nach Marcellinus Comes schien im Jahr 512670 häufig der Himmel in der Nordregion zu glühen.671 Auf dasselbe Ereignis könnten sich die Berichte von Agnellus beziehen: „Und zu dieser Zeit wurden Teile des nördlichen Himmels brennend gesehen.“672 Nach einer anderen Edition dieser Quelle wurde das Ereignis wortgleich zum Jahr 525 überliefert.673 Zu Beginn des 6. Jahrhunderts ist es also mindestens einmal zur Beobachtung von Polarlichtern gekommen. Gregor von Tours nennt in der Zeit von 563 bis 571 eine Nachricht über ein Polarlicht: „und man sah den Himmel brennen, und viele andere Zeichen erscheinen.“674 Die Datierung lässt sich wohl mit der bei Paulus Diaconus erwähnten Polarlichtbeschreibung zum Jahr 567 korrelieren: „Auf der Stelle erschienen des Nachts in Italien schreckliche Vorzeichen; es zeigten sich nämlich feurige Fronten am Himmel, die mit ihrem Leuchten natürlich das Blut ankündigten, das später vergossen wurde.“675 Dasselbe Ereignis wird auch von späteren Autoren (Hermann von Reichenau, Matteo Palmieri) beschrieben. Bei Ersterem waren „viele Zeichen und Heerscharen im Himmel

|| 667 Fritz, Verzeichnis beobachteter Polarlichter (1873); Schlegel/Schlegel: Polarlichter (2011), 42. 668 Schlegel/Schlegel: Polarlichter (2011). 669 Händel, Prodigium (1959), 2289 mit Verweis auf „Liv. III, 5, 14“. 670 1. September 511 bis 31. August 512. 671 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 512. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 97; Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 35: Saepe caelum a septentrionali plaga ardere visum est; vgl. auch Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 115. 672 Excerpta ex Agnelli Libro Pontificali ecclesiae Ravennatis (~516). Ed. Holder-Egger, MGH Auct Ant. 9, 331: (…) et ipsius temporibus a parte aquilonis ab omnibus visum est caelum ardere 673 Agnelli Liber Pontificalis Ecclesiae Ravennatis, ad a. 525. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Lang. 1, 304: Et ipsius temporibus a parte aquilonis ab omnibus visum est caelum ardere. 674 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 31. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 165; FSGA 2, 236 f.: Et caelum ardere visum est, et multa alia signa apparuerunt. 675 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 2, 5. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 75; Ed. Schwarz, 162 f.: Continuo aput Italiam terribilia noctu signa visa sunt, hoc est igneae acies in caelo apparuerunt, eum scilicet qui postea effusus est sanguinem coruscantes; vgl. Schlegel/Schlegel, Polarlichter (2011), 43.

Polarlichter | 175

sichtbar“676, bei Letzterem wurden im Jahr 569 (wohl 567): „Feurige Reihen im Himmel über Italien gesehen, aus denen Blut kam.“677 Im September des Jahres 575, dem 5. Jahr des Königs Childebertus (…) wurde berichtet, der Himmel würde brennen.678 Dies beschreiben auch die Chroniken Gregors von Tours („einige behaupteten, sie hätten den Himmel in Flammen gesehen“)679 und Bernolds im Jahr 580.680 Gregor von Tours beschreibt auch für Ostern (29. März) 582 eine Polarlichtsichtung: „Am heiligen Ostertage aber sah man zu Soissons hell den Himmel leuchten, sodass es schien, als seien es zwei Feuer, und das eine war größer, das andere kleiner. Nach dem Verlauf von zwei Stunden verbanden sie sich alsdann, bildeten eine große Leuchtsäule und verschwanden.“681 Eine andere Meldung des Bischofs von Tours zum Jahr 583/84 beschreibt weit nach Süden ausgreifende Polarlichter: „In diese Tagen wurden nach Norden um Mitternacht viele Strahlen sichtbar, die in höchstem Glanz leuchteten, sich näherten und dann wiederum trennten, bis sie verschwanden. Auch glänzte der ganze Himmel dabei gegen Norden so hell, dass man glauben konnte, die Morgenröte breche an.“682 Wieder für zwei Jahre darauf, zum Jahr 585 beschrieb Gregor: „Damals erschienen wunderbare Zeichen, nämlich Feuerstrahlen am nördlichen Himmel, wie sie sich öfters zu zeigen pflegen. Auch sah man einen Blitzstrahl über den Himmel laufen und an den Bäumen bemerkte man Blüten. Das war aber im Monat Juli.“683 Und für den Oktober des gleichen Jahres 585 hält er fest:

|| 676 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 567. Ed. Pertz, MGH SS 5, 88: Multa prodigia, et praecipue igneae acies in caelo visae, sanguisque coruscans Italiam terrent. 677 Matteo Palmieri, Liber de temporibus. Ed. Scaramella, 58: Igneae acies in caelo per Italiam visae sunt sanguinem emanantes; vgl. Dall’Olmo, Additional list (1978), 1527. 678 Aimoini monachi Floriacensis historia Francorum. Ed. Migne, 717: Anno V Childeberti regis (…) september dicitur (…) coelum quoque ardere visum est; vgl. Dall’Olmo, Additional list (1978), 1527. 679 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 41. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 248; FSGA 3, 356 f.: Adserebant enim quidam et caelum ardentem se vidisse. 680 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 580. Ed. Pertz, MGH SS 5, 413: Cometa die paschae visa. Suessionis celum ardere visum est. Pestilentia ingens fit. 681 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 14. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 284; FSGA 3, 32 f.: In die autem sanctum paschae apud Sessionas civitatem caelum ardere visum est, ita ut duo apparerent incendia; et unum erat maior, aliud vero minor. Post duarum vero hora rum spatio coniuncta sunt simul, factamque pharum magnam, evanuerunt. 682 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 33. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 304; FSGA 3, 58 f.: His diebus apparuerunt a parte aquilonis nocte media radii multi fulgore nimio relucentis, qui ad se venientes iterum separabantur, usquequod evanuerunt. Sed et caelum ab ipsa septemtrionali plaga ita resplenduit, ut potaretur aurora producere. 683 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 8. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 376, FSGA 3, 170 f.: Tunc apparuerunt signa, id est radii a parte aquilonis, sicut saepius apparere solent. Fulgor per caelum cucurrisse visus est, floresque in arboribus ostensi sunt. Erat enim mensis quintus.

176 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

„Während wir uns dort aufhielten, sahen wir in zwei Nächten Zeichen am Himmel, nämlich Strahlen auf der Nordseite, die so hell glänzten, wie wir sie früher niemals bemerkt zu haben meinten; und von zwei Seiten, von Ost und West, wurden blutige Wolken sichtbar. Auch in der dritten Nacht, ungefähr um die zweite Stunde [nach Sonnenuntergang], erschienen diese Strahlen. Und während wir sie noch voll Bestürzung betrachteten, erhoben sich von allen vier Weltgegenden gleiche Strahlen; und wir sahen den ganzen Himmel von ihnen bedeckt. In der Mitte des Himmels war eine glänzende Wolke, in der sammelten sich die Strahlen wie bei einem Zelt, dessen Streifen unten breiter anfangen, nach oben schmaler werden und in einer Spitze zusammenlaufen. In der Mitte der Strahlen aber waren noch andere Wolken, die gewaltig blitzten und leuchteten. Dieses Zeichen versetzte uns in große Furcht. Denn wir erwarteten, dass irgendeine Plage vom Himmel über uns gesandt werden würde.“684

Haas deutet dies als „eine aurora borealis vom C-(Corona-)Typus, die sich in moderner Terminologie durch ein scheinbares Zusammenlaufen der Strahlen im magnetischen Zenit auszeichnet.“685 Gregor selbst versuchte die Polarlichter als Abbilder großer Brände zu erklären, deren Flammenmeer sich im Himmel widerspiegeln würden686 [Auf das vorherige Kapitel 8, 17 bezogen]: „Zwei Inseln im Meere wurden in diesem Jahre durch Feuer vom Himmel zerstört; sieben Tage wurden sie, mit den Menschen und Tieren auf ihnen, vom Brande heimgesucht. Die zum Meere flohen und sich in das Wasser stürzten, kamen gleich in den Wellen um, wo sie hineinsprangen; wer nicht sogleich den Atem aushauchte, erlag in den Flammen schlimmerer Qual. Nachdem alles zu Asche gebrannt war, überflutete das Meer das Ganze. Viele meinten, jene Erscheinung, die wir, wie erzählt, im Oktober sahen – wo es war, als ob der Himmel brenne –, hätten vom Widerscheine dieses Brandes hergerührt.“687

|| 684 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 17. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 384; FSGA 3, 184 f.: Dum autem in loco illo commoraremur, vidimus per duas noctes signa in caelo, id est radius a parte aquilonis tam clare splendidus, ut prius sic apparuisse non fuerent visi; et ab utraque quidem parte, id est ab euro et zephero, nubes sanguineae. Tertia vero nocte quasi hora secunda apparuerunt hii radii. Et ecce! dum eos miraremur attoniti, surrexerunt a quatuor plagis mundi alii horum similes; vidimusque totum caelum ab his operire. Et erat nubes in medio caeli splendida, ad quam se hi radii collegebant in modum tenturii, quod ab imo ex amplioribus incoeptum fasceis, angustatis in altum, in uno cuculli capite saepe collegitur. Erantque in medio radiorum et aliae nubes, ceu coruscum valide fulgorantes. Quod signum magnum nobis ingessit metum. Operiebamur enim, super nos aliquam plagam de caelo transmitti. 685 Haas, Stürme auf See (2008), 267. 686 Goffart, Narrators of barbarian history (1988), 188. 687 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 24. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 389; FSGA 3, 192 f.: Duae hoc anno insolae in mare divinitus incendio concrematae sunt, quae per dies septim cum hominibus pecoribusque consumptae subvertebantur. Nam qui in mari confugerant et se in profunde praecipitabant, in ipsa qua mergebantur aqua consumebantur graviorique supplicio, qui non confestim emittebant spiritum, urebantur. Redactis quoque omnibus in favilla, cuncta maris operuit. Ferebant etiam multi, signa, quae superius nos vidisse octavo mense narravimus, quasi ardere caelum, ex huius incendii splendore fuisse.

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Den hier beschriebenen außerordentlichen Brand deutet Haas als Vulkanausbruch.688 Für das Jahr 587 beschrieb Gregor von Tours, dass damals viele Wunderzeichen geschahen und am nördlichen Himmel Lichtstrahlen erschienen seien.689 Nach demselben Autor habe im Jahr 590 über dem Land zur Nachtzeit ein so heller Schein geleuchtet, dass man hätte glauben mögen, es sei Mittag; auch sah man bei nächtlicher Weile öfters feurige Kugeln über den Himmel hinziehen und die Welt erleuchten.690 Es dauert bis in die Mitte des 7. Jahrhunderts, ehe wir erneut eine Nachricht über Polarlichter finden. Beda beschriebt in seiner Kirchengeschichte ein ungenau datiertes Ereignis nach dem Jahr 642, bei dem es sich um ein Polarlicht handeln könnte: „Es gibt ein bekanntes Kloster im Land Lindsey namens Bardney (…). So geschah es, dass die hergebrachten Reliquien [des hl. Oswald] in jener Nacht draußen blieben, nachdem über dem Wagen, in dem sie sich befanden, wenigstens ein größeres Zelt errichtet worden war. Eine wunderbare Himmelerscheinung zeigte aber, wie ehrerbietig sie von allen Gläubigen aufgenommen werden sollten. Die ganze Nacht hindurch stand eine Lichtsäule, die sich vom Wagen bis zum Himmel erstreckte und von fast allen Orten des Landes Lindsey aus zu sehen war. So begannen bei Tagesanbruch die Brüder des Klosters, die es am Tage vorher abgelehnt hatten, selbst eifrig darum zu bitten, dass die heiligen von Gott geliebten Reliquien bei ihnen verwahrt würden.“691

Die schottischen Annalen beschreiben zum Jahr 660692 für den 1. Mai gegen 15 Uhr eine Sonnenfinsternis, deren Datierung sich gut für den 1. Mai 664 berechnen lässt.693 Im selben Sommer schien dann nach irischen Annalen der Himmel „mit extremer

|| 688 Haas, Stürme auf See (2008), 267. 689 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 5. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 426; FSGA 3, 232 f.: Prodigia quoque multa dehinc apparuerunt. (…) Radii a parte aquilonis apparuerunt. 690 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 514; FSGA 3, 380 f.: In hoc autem anno tanta terras nocturno tempore splendor inluxit, ut mediam putares diem; sed et globi similiter ignei per noctis tempore saepius per caelum cucurrisse mundumque inluminasse visi sunt. 691 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 3, 11. Ed. Spitzbart, Bd. 1, 236 f.: Est monasterium nobile in prouincia Lindissi, nomine Beardaneu (…). Unde factum est, ut ipsa nocte reliquiae adlatae foris permanerent, tentorio tantum maiore supra carrum, in quo inerant, extenso. Sed miraculi caelestis ostensio, quam reuerenter eae suscipiendae a cunctis fidelibus essent, patefecit. Nam tota ea nocte columna lucis a carro illo ad caelum usque porrecta, omnibus pene eiusdem Lindissae prouinciae locis conspicua stabat. Unde mane facto fratres monasterii illius, qui pridie abnuerant, diligenter ipsi petere coeperunt, ut apud se eaedem sanctae ac Deo dilectae reliquiae conderentur. 692 Chronicum Scotorum, ad a. 660. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 99: (…) and in the same summer the sky was seen to burn. 693 Die Sonnenfinsternis Nr. 06352 vom 1. Mai 664 mit maximaler Verfinsterung um 16:59 Uhr (TD). Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEsearch/SEsearchmap.php?Ecl=06640501 (17.2.2015).

178 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Hitze zu brennen“.694 Diese Nachricht könnte sich auf Polarlichter beziehen, die im Sommer 664 besonders aktiv gewesen wären. Cook vermutete, dass es sich bei dem für das Jahr 677 über Byzanz beschriebenen Zeichen im Himmel,695 um eine Aurora handelt,696 dabei kann es sich aber eher um einen Bravaisbogen, also ein optisches Atmosphärenphänomen gehandelt haben.697 Die Chronik der Schotten nennt eine helle Nacht im Herbst des Jahres 710.698 Die Annalen von Clonmacnoise überliefern zum Jahr 711 ein Scheinen und eine extrem klare Nacht zu Erntezeit.699 Zum Jahr 713, heißt es in den Annales Cambriae: „Die Nacht war hell so wie am Tag. Pippin, der König der Franken starb.“700 Da die Quellen den Tod eines bekannten Herrschers mitüberliefert haben, kann die helle Nacht vermeintlich einem unverkennbaren Datum zugeordnet werden, denn der Hausmeier, Pippin der Mittlere, verstarb am 16. Dezember 714 in Jupille an der Maas bei Lüttich.701 Das Ereignis kann aber auch instrumentalisiert und zum Tod des Herrchers umdatiert worden sein. Damit handelt es sich bei diesem Ereignis um eine ungewöhnlich helle Nacht im Herbst vor dem 16. Dezember 714. Nach den Vorlagen der Annalen von Lund gab es im Jahr 715 in der Nacht zwei Stunden Licht wie am Tag,702 was ebenfalls auf Nordlichter hinweisen könnte. Die Chronik des Theophilus von Edessa gibt für den Oktober des Jahres 733 ein feuriges Zeichen an, das im Himmel erschien, oder nach anderer Überlieferung, ein feuriges Schwert.703 Die gleiche Beobachtung wird von Theophanes dem Bekenner zum Jahr 734 überliefert: „Am Himmel erschien ein Zeichen, das feurig aufleuchtete.“704 Auch zum Jahr 742 gibt Theophanes der Bekenner einen ähnlichen Bericht:

|| 694 Chronicle of Ireland, ad a. 664. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 154: Darkness on the Kalends 1st of May at the ninth hour, and in the same summer the sky seemed to be on fire; Annals of Clonmacnoise, ad a. 664. Ed. Murphy, 106: There was a great darkness in the 9th hour of the day in the month of May in the calends and the firmament seemed to burn the same summer with extreme heat. 695 Theophilus of Edessa’s, Chronicle, ad a. 676–677. Ed. Hoyland, 169 [Theophanes]: A plague occurred in Egypt. A sign appeared in the sky on a Saturday. There was a great plague of locusts in Syria and Mesopotamia. 696 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 2. 697 Vgl. Kap. 2.10 Optische Atmosphärenphänomene. 698 Chronicum Scotorum, ad a. 710. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 119: A bright night in autumn. 699 Annals of Clonmacnoise, ad a. 711. Ed. Murphy, 112: There was a shining and extreame cleare night in harvest. 700 Annales Cambriae, ad a. 713. Ed. Gough-Copper (Version A), 13: Nox lucida fuit sicut dies. Pipínus maior rex francorum obíít in christo; ebd., ad a. 714 (Version B), 31: Nox lucida sicut dies. Pipinus rex Francorum obiit. 701 Nonn, Pippin II. (d. Mittlere) (1993), 2167 f. 702 Annales Lundenses, ad a. 715. Ed. Kroman, 35: Hoc anno nox habuit lucem diei duabus horis. 703 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 733. Ed. Hoyland, 231 [Theophanes]: (…) A fiery sign that gave forth light appeared in the sky; ebd., ad a. 733 [Agapius]: There appeared in the sky something like a sword of fire in October. 704 Theophanes der Bekenner, Weltchronik, ad a. 734, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 47.

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„Im Juni erschien auf dem nördlichen Himmel ein Zeichen.“705 Alle drei stehen aber ohne weitere Quellen vereinzelt da. Erst für das Jahr darauf, 743, gibt es neben Theophanes‘ Beschreibung: „In diesem Jahre erschien am nördlichen Himmel ein Zeichen und in manchen Gegenden fiel Staubregen“706 auch eine Parallelüberlieferung der Beobachtung von Polarlichtern, die am 1. Januar 743 über England beobachtet wurden: „Feurige Reihen wurden gesehen in der Luft an den Kalenden des Januar, wie sie nie zuvor von Sterblichen gesehen wurden.“ 707 Dall’Olmo vermutete darin eine Meteoritensichtung, die seiner Meinung nach für das Jahr 745 auch in anderen Quellen genannt werde. Zwar gibt es andere Quellen zu einem Ereignis im genannten Jahr, jedoch sprechen diese eher für Kometensichtungen über England: „Es wurden in der Luft feurige Blitze gesehen, wie die Älteren sie noch nie zuvor gesehen hatten; und sie wurden fast die ganze Nacht am 1. Januar gesehen.“708 Dass es sich im Nahen Osten wohl eher um Polarlichter gehandelt haben könnte, zeigt die Chronik des Theophilus von Edessa, nach dem im Monat Juni 744 ein Zeichen im nördlichen Himmel erschien.709 Nach einer anderen Überlieferung dieser Chronik war das Zeichen wie eine Säule aus Feuer, die flackerte und dann konstant erschien. Diese sei aber nur ein Vorspiel gewesen, denn ein anderes Zeichen erschien im September, das sich wie eine Flamme von Feuer von Osten nach Westen ausdehnte.710 Auch das Datum, an dem das Zeichen in der Form von drei Säulen und einer feurigen Flamme am Himmel erschien, ist überliefert; es soll der 17. Juni 744 gewesen sein.711 Für den Herbst des Jahres 762 vermerkten die irischen Chroniken eine helle Nacht.712 Zehn bis zwölf Jahre später, im Jahr 772/773, sei wiederum das Zeichen des

|| 705 Theophanes der Bekenner, Weltchronik, ad a. 742, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 56. 706 Theophanes der Bekenner, Weltchronik, ad a. 743, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 58. 707 Matthaeus Parisiensis, Chronica maiora. Ed. Luard, Rolls series 57/1, 338: Visi sunt in aere ictus ignei quales numquam mortales illium aevi viderunt kalendis ianuarii; vgl. Dall’Olmo, Additional list (1978), 1527. 708 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 745. Ed. Arnold, 38, Ed. Whitelock, 240: Visi sunt in aere ictus ignei quales nunquam ante mortales illius aevi viderunt; et ipsi paene per totam noctem visi sunt, Kal. scilicet Januarii. 709 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 744–745. Ed. Hoyland, 242 [Theophanes]: In the month of June a sign appeared in the sky to the north. 710 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 744–745. Ed. Hoyland, 242 [Agapius]: There appears in the sky in June a great sign like columns of fire that flickered and then remained constant. This was the prelude; another appeared in September, like a flame of fire stretching from east to west; ebd., ad a. 744–745 [MSyr]: In the month of June a sign appeared in the sky, in the form of three columns and resembling a flame of fire. In the month of September the same sign could be seen. 711 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 744–745. Ed. Hoyland, 242 [Chron. 1234]: On the 17th of the month of June a sign appeared in the sky, in the form of three columns and resembling a flame of fire. 712 Chronicle of Ireland, ad a. 762. Ed. Charles-Edwards (AU, AT), 231: A bright night in autumn; Annals of Tigernach ad a. 762. Stokes, Annals Bd. 1, 261: A bright night in the autumn.

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Kreuzes des Herrn nach Sonnenuntergang im Himmel erschienen.713 Vermutlich auf dieselbe Himmelsbeobachtung geht die Überlieferung in den angelsächsischen Chroniken zum Jahr 774 zurück: „In diesem Jahr erschien ein rotes Kreuz nach Sonnenuntergang am Himmel; (…) und wundersame Schlangen wurden in Angelsachsen gesehen.“714 Kurz vor Weihnachten 786 scheinen Polarlichter sehr aktiv beobachtbar gewesen zu sein: „Und sechs Tage vor der Geburt Christi gab es Donnerschläge und Blitze (…) während der Nacht erschien ein Himmelsbogen in den Wolken“715 In den Lorcher Annalen heißt es: „In diesem Jahr erschienen im Monat Dezember furchtbare Schlachtenreihen im Himmel, wie sie noch nie in unserer Zeit erschienen sind.“716 Der Annalist nennt weitere Zeichen und stellt alles mit dem Tod des Erzbischofs Lullus, des ersten regulären Erzbischofs von Mainz, in eine Reihe. Auch zum Jahr 793 werden Beobachtungen von Simeon von Durham überliefert, die für Polarlichter sprechen: „Im vierten Jahr von König Ethelred erschreckten furchtbare Wunder die elende Nation der Engländer. Schreckliche Blitze und Drachen und feurige Blitze wurden in der Luft gesehen, die funkeln und hin und her fliegen. Diese Zeichen zeigten eine große Hungersnot an und ein tränenreiches und unbeschreibliches Töten von vielen Männern folgte.“717 Die Annalen des Klosters Vormezeele bei Ypern berichten, dass, als Karl der Große das Königreich in seinem Testament unter seine Söhne Ludwig, Pippin und Karl teilte, eine totale Mondfinsternis stattfand, am 2. September 806 gegen 23:26 Uhr (TD),718 als die Sonne im 14. Teil der Jungfrau [stand] und der Mond im 16. Teil des Wassermanns. Berechnet wurde eine totale Mondfinsternis für den 26. Februar 807

|| 713 Chronicle of Aethelward, ad a. 772/773. Ed. Campbell, 25: In coelo apparuit signum domminicae cruces post solis occasum. 714 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 774. Ed. Swanton, 51: and snakes were seen extraordinarily in the land of of the South Saxons; vgl. Schlegel/Schlegel, Polarlichter (2011), 43. 715 Annales Laureshamenses, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 33: Et sex dies ante natale Domini tonitrua et fulgura immensa apparuerunt, ita ut ecclesias concussit in Widli, et pene per totam Franciam auditum fuit, et multi homines interfecti fuerunt, etiam aves coeli ab ipso tonitruo occisi sunt. Et arcus coeli in nubibus apparuit per noctem. Et postea vero mortalitas magna fuit, et Lullus archiepiscopus migravit de hac luce; vgl. Schlegel/Schlegel, Polarlichter (2011), 43. 716 Annales Laureshamenses, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 33: Eo anno mense December apparuerunt acies terribili in coelo tales, quales numquam antea apparuerunt nostris temporibus; nec non et signa crucis apparuerunt in vestimentis hominum, et nonnulli sanguinem dixerunt se videre pluere: unde pavor ingens et metus in populo irruit, ac mortalitas magna postea secuta est. Et Lullus archiepiscopus obiit. 717 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 793. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 54; Ed. Whitelock, 247: Anno DCCXCIII., qui est annus Ethelredi regis quartus, dira prodigia miseram Anglorum terruere gentem. Siquidem fulmina abominanda, et dracones per aera, igneique ictus saepe vibrare et volitare videbantur; quae scilicet signa famem magnam, et multorum hominum stragem pessimam atque inedicibilem, quae subsecuta est, demonstravere. 718 Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0806-09-01T.gif (9.3.2015).

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gegen 3:43 Uhr (TD).719 Und in dieser Nacht erschienen ungewöhnliche Schlachtenreihen im Himmel und die Sonne verweilte im 11. Teil des [Sternbilds] Jungfrau. Wiederum am 21. August fand eine partielle Mondfinsternis gegen 23:40 Uhr (TD) statt.720 Die Sonne war im 5. Teil des [Sternbildes] Jungfrau und der Mond im 5. Teil der Fische.721 Die Nennung der Polarlichter scheint sich auf Ende Februar 807 zu beziehen. Am 29. Oktober 817 soll im Irak ein Polarlicht gesehen worden sein.722 Als im Jahr 827 Polarlichter beobachtet wurden, deutet dies „Astronomus“ als Vorzeichen einer Niederlage, da schreckliche Schlachtenbilder am nächtlichen Himmel erschienen, von menschlichem Blut gerötet und erhellt von blassem Feuerschein.723 Ebenso schildern es auch andere zeitgenössische Autoren: „Als Vorzeichen dieser Niederlage nahm man die Schlachtreihen, die vielfach am Himmel gesehen wurden, und jene schrecklichen mit nächtlichem Leuchten verbundenen Bewegungen in der Luft.“724 Am 5. Dezember 827 erschien vor Sonnenuntergang ein großes Licht im Osten.725 Einen fast gleichlautenden Bericht über das große Licht, allerdings zum 3. Dezember 829, überliefern die Annalen des Klosters Weissenburg.726 Die Beschreibung deutet auf die Beobachtung eines Polarlichtes am 3. Dezember 827. Im Monat Februar des Jahres 836 waren nach den Xantener Annalen bei Beginn der Nacht wunderbare Lichter von Osten nach Westen sichtbar,727 ebenso im Jahr 838, als man Feuer in Form eines Drachen in der Luft sah.728 Die Beobachtung himmlischer

|| 719 Saroszyklus 94: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0807-02-26T.gif (9.3.2015). 720 Saroszyklus 99: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0807-08-21P.gif (9.3.2015). 721 Annales Formoselenses, ad a. 806. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 35: Karolus divisit regnum cum testamento inter filios Lodowicum et Pipinum et Karolum. Eclipsis lune 4. Non. Sept., sol 14. parte Virginis, et luna in 16. parte Aquarii. Et in eodem mense 4. Kal. Mart, eclipsis lune. Et in eadem nocte apparuerunt acies in celo mire magnitudinis, morante sole in 11. parte Virginis. Iterum 11. Kal. Septbr. eclipsis lune facta est hora noctis 3. sole posito in 5. parte Virginis et luna in 5. parte Piscium. 722 Vaquero/Vázqez, Sun recorded (2009), 304: „definite sighting of aurora“. 723 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 41. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 441: Precesserunt sane hanc cladem terribiles ille nocturno sub tempore acies humano runtilantes sanguine ignisque pallore flagrantes. [Tac. hist. 5, 13: Evenerant prodigia (…), visa per caelum concurrere acies, runtilantia arma.] 724 Annales regni Francorum, ad a. 827. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 173; FSGA 5, 148 f.: Huius cladis praesagia credita sunt visae multoties in caelo acies et ille terribilis nocturnae coruscationis in aere discursus; Annales Fuldenses, ad a. 827. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 25: Huius cladis praesagia credita sunt visae multoties in caelo acies et ille terribilis nocturnae corcuscationis in aere discursus. 725 Annales Lausannenses, ad a. 827. Ed. Waitz, MGH SS 24, 779: Eodem anno nonis decembris primo diluculo lux magna apparuit ab oriente; vgl. Dall’Olmo, Additional list (1978), 1528. 726 Annales Weissenburgenses, ad a. 829. Ed. Pertz, MGH SS 1, 111: Eodem anno 3. Non. Dec. Primo diluculo apparuit lux magna ab oriente. 727 Annales Xantenses, ad a. 836. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 10; FSGA 6, 342 f.: Mense Februario incipiente nocte mirandae acies apparuerunt ab oriente in occidentem. 728 Annales Xantenses, ad a. 838. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 10; FSGA 6, 342 f.: (…) et ignis forma draconis in aere visus est.

182 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Zeichen für das Jahr 838 könnte auch bei den Annales Yburgenses, in der Formulierung prodigia alia im letzten Nebensatz nach der Nennung weiterer Unglücke (Sturm, Schäden, Komet), enthalten sein.729 Am 25. März im Jahr 839 erschienen, wiederum nach den Xantener Annalen, gegen Abend wunderbare Schlachtenreihen (admirandae acies) am Himmel, welche wie ein Rundbau den ganzen Umkreis des Himmels umzogen.730 Als der Xantener Annalist im Jahr 840 zwei Nächte hindurch solche Schlachtenreihen (acies) beobachtete, betonte er, dass diese ähnlich wie im vorigen Jahr seien.731 Spätere Annalisten geben als Datierung den 6. Mai 840 an: In der folgenden Nacht, ungefähr zur Matutin, erschien ein Licht wie am Tag.732 Und aus der Beschreibung des Fuldaer Annalisten wird vollends die Beobachtung eines Polarlichtes deutlich: „In dieser Zeit zeigte sich mehrere Nächte hindurch eine ungemeine Röte der Luft, dergestalt, dass ein brennender Balken von Südost her, ein anderer von Nordwest aufsteigend, in einen Kegel zusammenliefen und gleichsam wie zusammenrinnend einen blutigen Schein am Himmel bildeten.“733 Am Übergang zum Jahr 841 wird eine Lichterscheinung im Norden angegeben.734 In den Fragmenten der Chronik der Abtei Saint-Wandrille, der früheren Abtei Fontenelle, findet sich zu 842 und 843 eine ganze Reihe von Einträgen mit astronomischem Bezug: Im Jahr 842 wurde zwischen der ersten und der neunten Stunde ein Dröhnen gehört und von Mitternacht bis zum Morgen eine Aurora gesichtet.735 Der gesamte Eintrag, der im Fragmentum Chronici Fontanellensis beschrieben wurde, besagt „im Jahr 842, in der 5. Indiktion, erschien im Himmel der Komet im Westen vom 7. Januar bis 13. Februar für 37 Tage. Am 1. März erschienen Schlachtreihen am Himmel in der ersten Stunde der

|| 729 Annales Yburgenses, ad a. 838. Ed. Pertz, MGH SS 16, 436: Ventus ingens innumera subvertit aedificia, et multa dampna facta sunt in 6. Non Novembris. Eodem anno stella cometes apparuit in signo arietis, et prodigia alia in coelo visa sunt. 730 Annales Xantenses, ad a. 839. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 10; FSGA 6, 342 f.: Eodem anno VIII. Kal. Aprilis admirandae acies apparuerunt vesperascente die in caelo, in modum domus rotundae totum caeli ambitum circumducentes. 731 Annales Xantenses, ad a. 840. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 11; FSGA 6, 344 f.: Acies consimiles apparuerunt per duas simul noctes sicut hae quae in priore anno fuerunt. 732 Andreas von Bergamo, Historia. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 236: Ipsa vero noctis sequenti prope matutino facta est lux quasi in die; vgl. Dall’Olmo, Additional list (1978), 1528 733 Annales Fuldenses, ad a. 840. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 30; FASG 7, 26 f.: Hisdem temporibus per aliquot noctes rubor aeris nimius apparuit, ita ut unus trames ardens ab euro, alter a circio exorientes in conum coirent et quasi coagulati sanguinis speciem in summitate caeli monstrarent. 734 Annales Lugdunenses, ad a. 841. Ed. Pertz, MGH SS 1, 110: Cuius etiam anni principio nocturnis horis lux ingens a parte aquilonis emissa et longe lateque diffusa, ferali portento noctem paene in diem vertiosse visa est. 735 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 842. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Dabat autem mugitum aut hora diei prima aut nona, aut noctis mediae aut initio aurorae.

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Nacht (…), am 11. März (…) erschienen wiederum die schrecklichen Schlachtenreihen im Himmel zur 2. Stunde und zwar im östlichen Teil in der Art weißlich gefärbt, dunkel und rötlich und grünlich. Es gab außerdem andere große und kleine Reihen. (…) Zwischen dem Osten aber und dem Westen war die Helligkeit am größten. Einige der größten Reihen der ganzen Plage erfüllten den Norden. Zwischen dem Westen und dem Norden erschien in der Art eines breiten Weges eine Helligkeit, welche bis fast zur Mitte des Himmelszentrums im Süden reichte. Sie dauerte bis zur Mitte der Nacht.“736

Der gleiche Chronist beschrieb für den 6. September 843 ein großes Beben der Erde vor Sonnenaufgang. Ganz ähnlich sei dies in der Mitte der Nacht am 7. September und zur ersten Stunde des Tages und genauso zur zweiten Stunde geschehen.737 Nach den Annales Lausannenses erschien am 20. November 845 ein Licht in der Nacht,738 welches die Annales Weissenburgenses erst für eine Nacht des Jahres 846 überliefern.739 Der Verfasser des Fragmentum Chronici Fontanellensis scheint von den Nordlichtern sehr fasziniert gewesen zu sein, denn er berichtet weiterhin, dass im Jahr 848 die Schlachtenreihen am 27. November in der Mitte der Nacht sichtbar gewesen seien. Auch am 27. Dezember 848 sei zwischen dem Norden und dem Osten ein Polarlicht erschienen.740 Im Jahr 861 erschienen die feurigen Reihen am Himmel etwa zum Hahnenschrei;741 dies wird auch in einem Lied Fredigards für den 11. Dezember 861 erwähnt.742

|| 736 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 842. Ed. Pertz, MGH SS 2, 301: Anno dominicae incarnationis 842, indictione 5. apparuit in coelo stella cometa a plaga occidentali, a septimo Idus Ianuarii usque die Idus Februarii dies 37. Kalendis Martii apparuerunt acies in coelo prima hora noctis, feria 4. Tertio Idus Martii feria secunda iterum apparuerunt acies in coelo hora noctis secunda horribiles a parte orientis in modum albi coloris, nigri, et rubei, sive viridis. Erant autem aliae maiores, aliae minores, ac sine intermissione aut occidebant, aut oriebantur. Inter orientem vero et occidentem claritas erat summa. Sed hae acies maxime totam plagam aquilonarum repleverunt. Inter occidentem vero et aquilonem apparuit in modum viae latissimae claritas quaedam usque prope medium coeli centrum ad meridiem quasi tendens. Perduravit autem usque mediam noctem. 737 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 843. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Anno 843 iterum terrae motus magnus, aurora surgente, 8. Idus Septembris. Item media nocte similiter. 7. Idus Septembris hora diei prima similiter. Ipso die hora secunda similiter. 738 Annales Lausannenses, ad a. 845. Ed. Waitz, MGH SS 24, 779: Eodem anno 12. Kal. decembris lux nocte apparuit; vgl. Dall’Olmo, Additional list (1978), 1528. 739 Annales Weissenburgenses, ad a. 846. Ed. Pertz, MGH SS 1, 111: Lux magna in nocte apparuit. 740 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 848. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Eodem anno acies visae in caelo, 5. Kalend. Decembris media nocte. Ipso anno 6. Kalend. Ianuar. iterum acies terribiles visae sunt igneae inter aquilonem et orientem, et in media plaga orientali visuntur, aurora surgente. 741 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 861. Ed. Marchegay/Mabille, 159: Igneae acies apparuerunt in coelo, circa gallicinium; Annales Sanctae Columbae Senonensis, ad a. 861. Ed. Pertz, MGH SS 1, 103: 6. Idus Marcii ignee acies apparuerunt in circa galicinium; Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 861. Ed. Marchegay/Mabille, 6: Ignae acies apparuerunt in coelo, circa gallicinium. 742 Carmina Fredigardi, 73. Ed. Traube, MGH Poetae 3, 321: De aciebus caeli. / Musa, retro aeclipsin Phoebae sensim perarasti: / Sanguineas acies nunc caeli tange parumper, / Tertio Idus pavitans vidi

184 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Eine ausführliche Beschreibung von Polarlichtbeobachtungen bieten sodann die Fuldaer Annalen zum Jahr 870. Der Bericht scheint der eines Augenzeugen zu sein, denn wörtlich heißt es: „In Mainz schimmerte die ganze Luft mehrere Nächte hindurch in einer Röte wie in Blut getaucht; auch andere Wunderzeichen sah man am Himmel. Denn eine Wolke stieg vom Norden her in einer Nacht auf, eine andere kam ihr von Südost entgegen, indem beide feurige Strahlenbüschel wechselweise ohne Unterlass aussandten, endlich stießen sie in der obersten Höhe des Himmels zusammen, wo sie wie Heere sich im Kampfe verschmolzen und nicht geringe Furcht zugleich und Verwunderung bei den Zuschauenden erregten, doch alle baten, die Zeichen möchten sich zum Guten wenden.“743 Die Schlennstädter Handschrift führt an, dass die Wolke verschiedene Farben gehabt hätte und in drei aufeinanderfolgenden Nächten zu sehen gewesen sei.744 Am 11. Oktober 879 soll es in Marokko zur Sichtung eines Polarlichtes gekommen sein745 und in Irland sowie Schottland schien es elf Jahre später am 1. Januar 890, als sei der Himmel in Flammen.746 Als weitere Einzelnachricht ist zu nennen, dass vom 7. Mai bis 4. Juni 897 in Ägypten Beobachtungen atmosphärischer Phänomene gemacht wurden.747 Ob so weit südlich allerdings noch Polarlichter beobachtet werden können, sollte zumindest hinterfragt werden. Für fast zwanzig Jahre fehlen dann weitere Nachrichten zu Polarlichtern. Erst am 1. Februar 919 erschienen gemäß den Annalen des Klosters

|| quas nocte Decembris / Terribiles, magno nimium sonituque crepantes. / Quae medio caeli centro statuere duellum / Igniferis graviter bellantum more sagittis / Quattuor ex plagis mundi pariter glomeratae; / Quas etiam timuit visus spectare diuque, / Ne noster totus subito combustus adesset. / Et resera nobis, quae talia signa requirunt, / Qualia nemo, reor, mortalis crevit in orbe. Vgl. Dall’Olmo, Additional list (1978), 1528: About ranks of the sky/ O Muse, thou little by little did write the eclipse of the moon / now, please touch (write) the bloody ranks of the sky / that I, frightend, saw at night on the third idus of December. / They greatly sizzeled with an extraordinary sound. / They foght a duel just in the center of the sky, / and according to the severe custom of duellists with inflamed arrows / they came together from the four regions of the world. 743 Annales Fuldenses, ad a. 870. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 71; FSGA 7, 78 f.: Apud Mogontiacum per aliquot noctes aer totus rubore quasi sanguine perfusus enituit; alia etiam prodigia visa sunt in caelo. Nam nubes quaedam ab aquilone quadam nocte ascendit, altera ab oriente et meridie contra venit, spicula ignea invicem sine intermissione mittentes; tandemque in summitate caeli coeuntes et se quasi exercitus in proelio confundentes non modicum timorem simul et admirationem cernentibus ingerebant; omnes tamen rogabant in bonum monstra converti. 744 Annales Fuldenses, ad a. 870. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 71; FSGA 7, 78 f.: (…) nam nubes varii coloris per tres continuas noctes ab aquilone ascendebant, aliae ab oriente et meridie econtra veniebant. 745 Vaquero/Vázqez, Sun recorded (2009), 304: „definite sighting of aurora“. 746 Chronicle of Ireland, ad a. 890. Ed. Charles-Edwards, 336: The sky appeared to be on fire on the night of the Kalends 1st of January. Chronicum Scotorum, ad a. 890. Ed. Hennessy, 173: The Heavens appeared to be in fire at night on the calends of January. 747 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 304: „atmospheric phenomena.“

Polarlichter | 185

Senon fast die ganze Nacht hindurch weiße Flammen und andersfarbige Schlachtenreihen am Himmel.748 Eine der ausführlichsten Beschreibungen von Polarlichtern des 10. Jahrhunderts verdanken wir Ibn Faḍlān. Er führt in seinem Bericht für das Jahr 921 eine ausführliche Beschreibung eines Nordlichtes an: „In der ersten Nacht, die wir in seinem Lande zubrachten, habe ich ungefähr eine Stunde vor dem Sonnenuntergang den Horizont gesehen, wie er stark gerötet war und ich hörte in der Luft ein lautes Getöse und starkes Röcheln. Ich erhob meinen Kopf; da [schwebte] rotes Gewölk, wie Feuer in meiner Nähe, und jenes Röcheln und die Töne [kamen] aus ihm; wobei man darin [in diesem Gewölk] menschen- und pferdeähnliche [Gestalten] sah und man [in den Händen] der [fernen] undeutlichen Gestalten, die eine Ähnlichkeit mit Menschen hatten, [Bogen] und Schwerter [bemerkt], die ich deutlich erkennen oder mir vorstellen konnte. Und da schwebte ein anderes, ähnliches Korps [der Wolken], in dem ich wieder Männer, Pferde und Waffen sah. Da begann jenes Korps [der Wolken] dieses anzugreifen, wie eine Reitertruppe die andere angreift. Wir erschraken darüber [über dieser Erscheinung] und begannen Gott demütig anzuflehen, während sie [die Bulgaren] über uns lachten und sich über unser Tun verwunderten. Er [Ibn Faḍlān] sagt: ‚Wir beobachten immer wieder, wie ein Teil [der Wolken] den anderen angriff, wie sie sich beide ein anderes Mal miteinander vermischten, darauf sich wieder trennten. Dieser Zustand dauerte noch eine Stunde in der Nacht an, dann verschwanden beide [Gruppen der Wolken]. Da fragten wir den König danach. Er meinte, seine Vorfahren pflegten zusagen, dass dies [Erscheinung] zu den Gläubigen und Ungläubigen der Geister [ğinn] gehören und sie sich jeden Abend bekämpfen, und dass sie diesen [Kampf] niemals auslassen, solange sie nur jede Nacht da sind.‘“749

Besonders spannend an seinem Bericht ist die Parallelüberlieferung, denn die anscheinend sehr stark ausgeprägten Nordlichter wurden von Zeitgenossen an sehr weit entfernten Orten beobachtet: So waren im selben Jahr über Basel pfeilschießende Feuer im Himmel sichtbar.750 In den folgenden Jahren werden als Polarlichter zu deutende Sichtungen von „Schlachtenreihen“ vergleichsweise regelmäßig in den Quellen genannt: Im Jahr 926 erschienen, nach den angelsächsischen Chroniken, feurige Strahlen im nördlichen Teil des Himmels in England.751 Im Jahr darauf, 927, wurden an einem Sonntagmorgen im März feurige Linien am Himmel über Reims gesehen. Auf dieses Zeichen folgte sofort eine Seuche mit Fieber und Husten, die viele in der Germania und Gallia das

|| 748 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 919. Ed. Pertz, MGH SS 1, 104: Hoc anno Kalendis Febrarii per totam fere noctem ignae candidae diversorumque colorum acies visae sunt in coelo, quod mirum fuit visu, alternis se quodam modo ictibus insequentes. 749 Ibn Faḍlān, Reisebericht §49. Ed. Togan, (205b), 51 f. 750 Chronica pontificum et imperatorum Basileensia, ad a. 921. Ed. Holder-Egger, MGH SS 31, 288: Et in hac tempestate sagitte ignee vise sunt in celo. 751 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 926. Ed. Swanton (Worchester MS), 107: Here fiery rays appeared in the northern part of the sky.

186 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Leben kostete.752 Wieder über Reims wurde im Jahr 930 unter und um die Kirche SteMarie ein großes Licht im nördlichen und östlichen Teil des Himmels kurz vor Sonnenaufgang gesichtet.753 Am 9. November 931 soll es im Irak zu atmosphärischen Phänomenen gekommen sein; ob es sich dabei um Polarlichter oder andere optische Phänomene handelte, bleibt unklar.754 Flodoard beschrieb zum Jahr 934, dass, kurz vor Sonnenaufgang am 14. Oktober über Reims eine feurige Linie am Himmel gesehen wurde, die in verschiedene Richtungen lief, wie Feuerschlangen, auch eiserne Speere wurden am Himmel gesehen. Kurz darauf folgte eine Epidemie, unter der die Menschen litten.755 Dasselbe Ereignis wird auch in den Annales Casinates genannt.756 Bei Richer von Reims ist überliefert, dass in einer Nacht im Frühjahr 937 der nördliche Teil des Himmels auf wunderbare Weise mit hellen Flammen brennend gesehen wurde.757 Ganz ähnlich beschreibt es auch Flodoard und ergänzt dann noch, dass aus dieser Richtung dann die Ungarn angegriffen hätten.758 Nach den Annalen des Klosters Senon erschienen am 24. Februar 937 etwa vom ersten Hahnenschrei bis zum Tagesanbruch blutrote Schlachtenreihen über dem ganzen Himmel.759 Zwei Jahre darauf, am 17. Oktober 939, soll es in Syrien zur Beobachtung eines Polarlichtes gekommen sein.760 Wieder in den Annalen

|| 752 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 927. Ed. Lauer, 37; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 16: Acies igneae Remis in caelo mense Martio mane quadam die dominica visae; cui signo pestis e vestigio successit, quasi febris et tussis, quae mixta quoque mortalitate in cunctas Germaniae Galliaeque gentes irrepsit. 753 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 930. Ed. Lauer, 46; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 19: Remis infra et circa aecclesiam sanctae Mariae lumen magnum ab aquilonari et orientali Parte paulo ante initium diei apparuit. 754 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 304: „atmospheric phenomena“. 755 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 934. Ed. Lauer, 59; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 24 f.: Igneae Remis in caelo acies visae sunt discurrere, et quasi serpens igneus, et quaedam iacula ferri pridie Idus Octobris mane ante lucis exortum. Mox subsecuta est pestis, diversis afficiens humana Corpora morbis. Diaconus quidam Virdunensis nomine Adelmarus langore depressus, spiritum visus est amisisse; sed antequam feretro imponeretur, reversus, ita surrexit validus, ut sibi nihil videretur aegritudinis fuisse perpessus. 756 Annales Casinates, ad a. 934. Ed. Pertz, MGH SS 3, 172: (…) et in ipso anno apparuerunt signa in coelo de stellis, quod videbatur hominibus aliae cadere, aliae fulgere sicut faculae, 14. die intrante mense Octuber, luna 2. 757 Richer von Saint-Remi, Historiae, 2, 5. Ed. Hoffmann, MGH SS 38, 103: Et nocte diei succedente, caeli pars prodigiose flammis erumpentibus in septentrione ardere visa est. 758 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 937. Ed. Lauer, 65; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 29: Caeli pars ardere visa, (…). 759 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 937. Ed. Pertz, MGH SS 1, 105: 6. Kal. Marc. Circa gallicinium usque illuscescente die sanguineae acies per totam coeli faciem apparuerunt. 760 Vaquero/Vázqez, Sun recorded (2009), 304: „definite sighting of aurora“.

Polarlichter | 187

Flodoards von Reims wird zum Jahr 940 eine Linie mit vielen Farben im Himmel vermerkt, die an einem Sonntag im Dezember erschienen sei.761 Am 6. Mai 941 soll es in Spanien zur Beobachtung von Polarlichtern gekommen sein.762 Für das Jahr 945 gibt es wieder zwei parallel überlieferte Berichte: „In diesem Jahr 945 fiel in vielen Dörfern des Reiches Feuer vom Himmel und es geschahen viele andere Wunder.“763 Die Trierer Annalen sind noch genauer und datieren auf den 15. September 945 gegen 19 Uhr: „Es erschien ein Zeichen im nördlichen Teil des Himmels, von welchem gesagt wurde, es sei das Zeichen des Antichristen.“764 Die Erwähnung eines kopflosen Drachen in den Annales Floriacenses zum Jahr 956 könnte auf ein Polarlicht hindeuten: „In diesem Jahr am 2. September 956 verfärbte sich der Mond blutrot. In diesem Jahr erschien im Monat Juni ein merkwürdiges Zeichen im Himmel, so wie ein großer Drache, aber ohne Kopf. Darauf folgte der Tod von Hugo, dem großen Fürsten der Franken, Burgunder, Brittonen und Normannen.“765 Der Annalist stellt die ihm unerklärliche Erscheinung in den Kontext einer Mondfinsternis und verbindet sie mit dem Tod Hugos des Großen. Am 2. September 956 fand allerdings keine Mondfinsternis statt, die im Westfrankenreich hätte beobachtet werden können,766 sondern ein Jahr zuvor, am 4. September 955, gab es eine Mondfinsternis, die vom Autor hätte gesehen werden können.767 Dafür, dass es sich bei der vom Annalisten erwähnten Mondfinsternis um diese handeln müsste, spricht auch das Todesdatum Hugos des Großen, der am 16. Juni 956 starb. Damit läge die beobachtete Erscheinung des kopflosen Drachen zwischen diesen beiden Daten. Ob es sich bei der von Flodoard von Reims zum Jahr 957 gestellten Beschreibung, in einer Nacht im Januar sei kurz nach Mitternacht die Kirche der Heiligen Gottesmutter in Reims von strahlendem Leuchten mit großer Helligkeit erfasst worden, worüber der anwesende Erzbischof Artoldus wie der Kustos Withardus erstaunt gewesen

|| 761 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 940. Ed. Lauer, 79; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 34: Hoc anno acies diversorum colorum in caelo visae sunt mense Decembrio nocte dominica. 762 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 304: „definite sighting of aurora“. 763 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 945. Ed. Marchegay/Mabille, 9: Hoc anno, in multis hujus regni villis, coelestis ignis decidit aliaque multa prodigia facta sunt. 764 Annales S. Maximini Treverensis, ad a. 945. Ed. Pertz, MGH SS 4, 7: Hoc igitur anno 17. Kalendas Octobris, hora prima noctis, apparuit signum in caelo in septentrionali parte, quod signum quidam Antichrist esse dicebant. 765 Annales Floriacenses, ad a. 956. Ed. Pertz, MGH SS 2, 255: Hoc anno 4. Nonas Septembris luna versa est in sanguinem. Eodem quoque anno mense Iunio signum mirabile in caelo apparuit, draco magnus scilicet, et sine capite. Secuta est statim mors Hugonis magni principis Francorum, Burgundionum, Brittonum, atque Nortmannorum. 766 Vgl. Mondfinsternisse: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEcat5/LE0901-1000.html (16.3.2016). 767 Totale Mondfinsternis des Saroszyklus 101 gegen 23.44 Uhr (TD): http://eclipse.gsfc.nasa.gov/ 5MCLEmap/0901-1000/LE0955-09-04T.gif (16.3.2016).

188 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

seien,768 um ein Polarlicht handelt, kann nicht ausgeschlossen werden, denn es bietet sich kaum eine besser nachvollziehbare Erklärung an. Allerdings benutzt Flodoard in diesem Fall nicht den Begriff „Schlachtenreihen“ (acies), den er sonst bei Polarlichtern verwendet. Die Admonter Annalen erwähnen Zeichen in den Farben des Feuers, die im Jahr 970 im Himmel erschienen seien.769 Einen ähnlichen Eintrag enthalten auch die schwäbischen Annalen, dieser könnte somit ebenfalls zu 970 gehören.770 Wiederum ähnlich, aber zum Jahr 971, wird ein „am Himmel erschienendes feuerfarbenes Zeichen“ über der Reichenau,771 Köln772 und Böhmen beobachtet.773 Zum Jahr 972 vermerken die Würzburger Annalen: „Ein Zeichen farbigen Feuers erschien am Himmel.“774 Am 23. August 977 soll es in Ägypten zur Beobachtung von Polarlichtern gekommen sein,775 was aber – wie schon oben erwähnt – aufgrund der Lage weit im Süden weiterer Überprüfung bedarf. In England wurde 979 eine jeweils nach Mitternacht auftretende, blutrote Wolke gesehen. Sie war aus verschiedenen Strahlen geformt und wenn es Tag wurde, verschwand sie wieder.776 Am 29. September 979 sollen auch in Marokko Polarlichter beobachtet worden sein.777 Für den 28. Oktober 979 werden in verschiedenen westlichen Chroniken feurige Schlachtenreihen genannt.778

|| 768 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 957. Ed. Lauer, 143 f.; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 62: Anno 957 quadam nocte in mense Ianuario illustrata est aecclesia Remensis sanctae Dei genitricis repente paulo post mediam noctem a magno splendore, praesente domno Artoldo archiepiscopo, ammirante quoque pariter Withardo custode. 769 Annales Admuntenses, ad a. 970. Ed. Wattenbach, MGH SS 9, 574: Signum quoddam ignei coloris apparuit. 770 Chronicon Suevicum universale, ad a. 970–980. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 68: Signum quoddam ignei coloris in celo apparuit. 771 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 971. Ed. Pertz, MGH SS 5, 116, FSGA 11, 647 f.: Signum quoddam ignei coloris in caelo apparuit. 772 Annales Coloniensis maximi, ad a. 971. Ed. Pertz, MGH SS 17, 740: (…) signum quoddam in celo ignei coloris apparuit. 773 Annales Gradicenses, ad a. 971. Ed. Wattenbach, 645: Signum quoddam ignei coloris in celo apparet. 774 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 972. Ed. Pertz, MGH SS 2, 242: Signum quoddam ignei coloris in caelo apparuit. 775 Vaquero/Vázqez, Sun recorded (2009), 304: „definite sighting of aurora“. 776 Anglo-saxon Chronicles, ad a. 979. Ed. Swanton (Abingdon MS), 122: The same year a bloddy cloud was seen, many times in the likness of fire; and it appeared most of all midnight; and it was formed thus of various beams; then when it became day it glided away. 777 Vaquero/Vázqez, Sun recorded (2009), 304: „definite sighting of aurora“. 778 Annales Floreffienses, ad a. 979. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 622: Igneae acies visae sunt in per totam noctem 5. Kalendas Novembris; Annales Remenses et Colonienses, ad a. 979. Ed. Pertz, MGH SS 16, 731: Ignee acies vise sunt in per totam noctem 5. Kal. Novembris; Sigebert von Gembloux, Chronica,

Polarlichter | 189

Leon Diakonos berichtet zum Jahr 989 von mehreren Kometen (u. a. 1P/Halley 989), daneben von Polarlichtbeobachtungen, Erdbeben und weiteren Ereignissen: „Doch weiteres Unheil wurde durch die Erscheinung eines [zweiten] glänzenden Gestirns [13. April 989] sowie durch die feurigen Säulen [nach anderen Quellen am 7. April 989 sichtbar] angezeigt, welche tief in der Nacht am nördlichen Himmel zu sehen waren und durch ihren Anblick die Menschen in Furcht und Schrecken versetzten. Denn sie verkündeten die Einnahme von Cherson durch die Tauroskythen und die Eroberung Berrhois durch die Myser [991]. Noch dazu beschrieb der Stern, der am westlichen Himmel erschien, sobald der Abendstern untergegangen war, keine regelmäßige Bahn um einen steten Mittelpunkt, sondern änderte, helles Licht ausstrahlend, häufig seinen Standort; er konnte bald mehr im Norden, bald mehr im Süden beobachtet werden, und wechselte manchmal sogar während eines einzigen Aufgangs deutlich sichtbar und schnell seine Stellung am Himmel, sodass alle, welche dies sahen, staunten und bestürzt waren und ahnten, dass die ungewöhnlichen Bewegungen des Kometen nichts Gutes bedeuteten. Und ihre Vermutungen bewahrheiteten sich auch. Denn als der Abend kam, an dem man des großen Märtyrers Demetrios feierlich zu gedenken pflegt [Vorabend des 26. Oktober 975], brachte ein furchtbares Erdbeben, wie es die Menschen unserer Zeit bisher noch nicht erlebt hatten, die Bollwerke von Byzanz zum Einsturz, zerstörte die Mehrzahl der Häuser, deren Trümmer die Bewohner [176] unter sich begruben, und machte auch die Ortschaften in der Umgebung von Byzanz dem Erdboden gleich, wobei ein großer Teil der Landbevölkerung den Tod fand. Doch damit nicht genug, auch die Kuppel und die westliche Apsis der großen Kirche stürzten ein; sie wurden jedoch später von Kaiser Basileios innerhalb von sechs Jahren wieder aufgebaut. Diesem Unglück folgten nicht minder schreckliche Heimsuchungen: Hungersnot und Pest, Dürre und Überschwemmungen sowie ungeheure Stürme, wobei durch den gewaltigen Anprall der Wellen auch eine Säule im Hafen des Eutropios umgestürzt wurde, sodass der Mönch, der auf ihr lebte, in den Fluten des Meeres elend umkam. Auch die Missernten, die damals eintraten und alles übrige Leid, das nach dem Erscheinen des Kometen über uns hereingebrochen ist – all das ist von diesem Vorzeichen angezeigt worden und dann in Erfüllung gegangen. Doch davon wird das Geschichtswerk zu gegebenem Zeitpunkt im Einzelnen berichten.“779

Vom 19. März 991 bis 7. März 992 wird sodann für Ägypten ein – allerdings zweifelhaftes – Polarlicht vermutet.780 Allerdings ist zum Jahr 992 aus irischen Quellen überliefert, dass „die Farbe des Feuers im Himmel bis zum Morgen war“ 781, was auf ein Nordlicht hinweisen könnte. Die Annales Quedlinburgenses berichten zum 26. Dezember 993, dass in der Nacht des Tages des heiligen Protomärtyrers Stephan ein vorher ungehörtes Wunder um den ersten Hahnenschrei gesehen wurde, als plötzlich ein so starkes Licht im Norden glänzte, dass viele meinten, der Tag breche an. Es stand aber eine volle Stunde, dann

|| ad a. 979. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 352: Igneae acies visae sunt in caelo per totam noctem 5. Kalendas Novembris. 779 Leo Diaconos, Historia, 175 f., in: Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 158–160). 780 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 304: „suspected aurora“. 781 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 992. Ed. O’Donovan, 731: The colour of fire was in the heavens till morning.

190 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

wurde der Himmel ein wenig Rot und nahm wieder die gewöhnliche Farbe an.782 Anscheinend dieselbe Nachricht vermerkt Thietmar von Merseburg, der zum Jahr 992/993 überliefert, beim ersten Hahnenschrei sei ein taghelles Licht aus Norden aufgeleuchtet; es währte, indem sich zugleich der ganze Himmel rötete, eine volle Stunde und verschwand dann.783 Schlegel/Schlegel vermuten für folgenden Eintrag zum 29. September 1014 des Annalista Saxo, es könnte sich um die Beschreibung eines Polarlichtes handeln: „Unheilvolle und staunenswerte Dinge erschienen in den III. Kalenden des Oktober in Teilen von Walcheren und Flanderns: schreckliche Wolken sind erschienen, die während dreier Nächte auf seltsame Weise Drohungen überbrachten.“784 Für fast dreißig Jahre sind dann keine ähnlichen Sichtungen überliefert. Erst am 27. Mai 1042 zur Vesper erschien nach den Annales Elmarenses ein Zeichen wie eine Schlange im Himmel.785 Vom 25. April bis 24. Mai 1050 soll in Ägypten ein (wiederum zweifelhaftes) Polarlicht beobachtet worden sein.786 Allerdings überliefern auch die Annales Altahenses zum Jahr 1050 eine Beobachtung, die auf ein Polarlicht hinweisen könnte.787 Zehn Jahre später sind abermals, diesmal zum 9. November bis 7. Dezember 1060, aus Ägypten Beobachtungen von Polarlichtern bekannt.788 Das von Schlegel unter den Polarlichtern aufgeführte Ereignis vom 26./27. Januar 1074789 ist wohl eher die Beschreibung eines Bravaisbogens.790

|| 782 Annales Quedlinburgenses, ad a. 993. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 483: In nocte natalis sancti Stephani protomartyris, id est VII. Calend. Ianuarii, inauditum seculis miraculum vidimus, videlicet circa primum gallicinium tantam lucem subito ex aquilone effulsisse, ut plurimi dicerent diem oiri. Stetit autem unam plenam horam, postea rubente aliquantulum coelo in solitum conversum est colorem. 783 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 19. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 154 f.; FSGA 9, 134 f.: In sequenti anna in galli cantu primo lux ut dies ex aquilone effulsit et unam sic manens horam, undique celo interim rubente, evanuit. 784 Annalista Saxo, ad a. 1014. Ed. Naß, MGH SS 37, 666: Res miseranda nimiumque stupenda contigit III. Kal. Octobris in partibus occidentalium regionum Walacheri et Flanderi. Horrende nubes apparuerunt, que per tres noctes miro modo immobiles minas intuentibus dederunt. Vgl. Schlegel/Schlegel, Polarlichter (2011), 43. 785 Annales Elmarenses, ad a. 1042. Ed. Grierson, 91: Signum in celo instar serpentis apparuit VI kal. Iunii ad vesperam. 786 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 304: „definite sighting of aurora“. 787 Annales Altahenses maiores, ad a. 1050. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 46: Caeleste etiam signum ibi non defuit, scilicet proeliantibus illis turtur mirae pulchritudinis muros circumvolitavit. Ignem vero ad incendendum qualibet parte orientis et occidentis, miridiei vel aquilonis admovebant: hunc ventus occurens deflectebat. Ex quo posteaquam hostes cognoverunt reatum suum, discesserunt confusi. 788 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 304: „definite sighting of aurora“. 789 Vgl. a. Schlegel/Schlegel, Polarlichter (2011), 43. 790 Vgl. Kap. 2.10 Optische Atmosphärenphänomene.

Polarlichter | 191

Nach den Annales Brunwilarenses „waren in diesem Jahr 1087 am 23. September [kein Sonntag!] schreckliche Flammen am Himmel zu sehen.“ Im Weiteren beschreibt der Verfasser einen finsteren Winter und eine Überschwemmung der ganzen Germania Mitte Januar.791 Zum Oktober des Jahres 1098 gibt es mehrere überlieferte Beobachtungen, die als Polarlichter gedeutet werden können. Den Beginn machen die Annales Augustani aus Augsburg, die bereits zum 21. September rotgefärbte Wolken im nördlichen Teil des Himmels beschreiben.792 Nach dem Chronicon Sancti Maxentii Pictavensis erschien der Himmel am 26. September 1098 rot.793 Auch andere westfränkische Chroniken nennen eine Röte zum 26. September, einem Sonntag. Neun Tage nach dem Zeichen sei es zu einem Erdbeben gekommen.794 Nach den Annalen von St. Blasien war der Himmel am 27. September 1098 fast die ganze Nacht hindurch von Osten über Norden nach Westen rötlich gefärbt. Darüber hinaus werden noch eine Mond- und eine Sonnenfinsternis sowie eine Hungersnot und eine Trockenheit genannt.795 Ähnliches berichtet die Chronik Bernolds von St. Blasien: „In diesem Jahr zeigte sich am 27. September ein wunderbares Zeichen am Himmel, sodass in jener Nacht fast durchweg ein großer Teil des Himmels blutrot erschien; jene Röte blieb auch nicht nur an einer Stelle, sondern durchzog alle Himmelsgegenden außer dem Süden, und viele Strahlen, wie die der Sonne, schienen aus dieser Röte hervorzukommen.“796 Die Annales Nivernenses

|| 791 Annales Brunwilarenses, ad a. 1087. Ed. Pertz, MGH SS 16, 725: Hoc anno, 9. Kal. Octobris, nocte quae dominica habebatur, terribilibus flammis celum flagravit. (…) Hoc anno hiemps tenebrosa fuit, et circa medium Ianuarii maxima omnium Germaniae fluminum inundatio fuit. 792 Annales Augustani, ad a. 1098. Ed. Pertz, MGH SS 3, 135: In nocte quadam sanguinei coloris nubes in parte aquilonari apparuerunt. 11. Kalendas Octobris. Eclypsis solis in 8. Kalendas Ianuarii post meridiem circa Iunam 28am, vel potius 29am; quia luna mensium citius solito, non secundum argumenti rationem, in hoc anno est succensa. 793 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1098. Ed. Verdon, 164 f.: Celum apparuit rubicundum, .vi. kalendas octobris. 794 Chronicon S. Sergii Andegavensis, ad a. 1098. Ed. Marchegay/Mabille, 141: Apparuit rubor mirabilis in coelo, prima noctis vigilia, candidis intextus lineis, perdurans usque ad aurorae principium, VIo kalendas octobris, die dominico. Post hoc signum die nono, factus est terrae motus eadem hora, IVo nonas octobris, feria secunda; Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 1098. Ed. Marchegay/Mabille, 11: Apparuit rubos mirabilis in coelo, prima noctis vigilia, candidis intextus lineis, perdurans usque ad aurorae principium, VIo kalendas octobris, die dominico. Post hoc signum die nono factus est terrae motus eadem hora, IVo nonas octobris, feria secunda. 795 Annales S. Blasii, ad a. 1098. Ed. Pertz, MGH SS 17, 277: Hoc anno 5. Kalendas Octobris tota pene nocte rubrum visum est celum ab oriente per septentrionem usque in occidentem. 3. autem Id. Dec. facta est eclipsis lunae, cum esset 13a, 8o quoque Kal. Ianuar. eclipsis facta es solis. Sequenti anno capta est Ierosolima. Fuit vero fames valida per tres continuos annos, cepta ab eo quo hec facta sunt anno, set in medio maxima, quia erat hiemps durissima, et semina et arbores defecerunt. 796 Bernold von Konstanz, Chroniken, ad a. 1098. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 536; FSGA 14, 428 f.: Hoc anno factum est mirabile signum in celo 5. Kal. Octobris, ut tota pene illa nocte

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vermerken: „In diesem Jahr erschien ein großes Licht während der ganzen Nacht im Himmel, am 27. September 1098.“797 Dies, ergänzt um eine Tierseuche, überliefert auch Sigebert von Gembloux in ähnlicher Weise.798 Die Chronicae Sancti Albini Andegavensis enthalten ebenfalls eine ähnlich lautende Nachricht, allerdings stellen sie dies dann zum folgenden Jahr 1099 und ergänzen diesmal ein Erdbeben.799 Die zeitliche Verteilung der beschriebenen 59 Beobachtungen von Polarlichtern sieht folgendermaßen aus: Tab. 17: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Polarlichter von 500 bis 1100 Gesamt 59 100 %

6. Jh. 9 15 %

7. Jh. 2 3,5 %

8. Jh. 9 15 %

9. Jh. 15 25,5 %

10. Jh. 18 30 %

11. Jh. 6 10 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Sichtungen liegen im 9. und 10. Jahrhundert mit jeweils über einem Viertel; die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. Jahrhundert überliefert. Eine zweite Beobachtung hängt unmittelbar mit der Aktivität der Sonne zusammen. Die Polarlichter, die entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen des Sonnenwinds in der Magnetosphäre auf Sauerstoff- und Stickstoffatome in den oberen Schichten der Erdatmosphäre treffen und diese ionisieren, senden dabei Licht aus. Von den 59 Beobachtungen zwischen 500 und 1100 entfallen acht auf arabische Quellen. Fast ein Drittel findet sich für das 10. Jahrhundert und ein weiteres Fünftel für das 9. Jahrhundert, insgesamt also mehr als die Hälfte der Beobachtungen in der Untersuchungszeit. Die von anderen Autoren für Ägypten (991–993, 1050, 1060), Irak (817, 931), Syrien (939), Spanien (941) und Marokko (879) vorgeschlagenen PolarlichtSichtungen scheinen aufgrund der südlichen Lage dieser Beobachtungsgebiete zweifelhaft. Allerdings ist einerseits zum Jahr 1050 Parallelüberlieferung in europäischen Quellen auszumachen, andererseits verdeutlichen moderne Beobachtungen von Polarlichtern im Jahr 2003 in Griechenland und auf den Kanarischen Inseln, dass die arabischen Beschreibungen durchaus Himmelphänomene wiedergeben könnten.

|| magna pars celi sanguinea appareret; nec rubor ille in uno tantum loco permansit, set omnes partes celi praeter meridiem pervagavit, multique quasi solis radii de eodem rubore videbantur procedere. 797 Annales Nivernenses, ad a. 1098. Ed. Waitz, MGH SS 13, 91: Hoc anno apparuit lux magna per totam noctem in aere feria 2, 5. Kal. Oct. 798 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1098. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 367: Multis in locis 5. Kal. Octobris caelum quasi ardere visum est nocturno tempore, et secuta est gravis animalium pestilentia, et segetes nimio imbre et aurugine corruptae sunt. 799 Chronicae S. Albini Andegavensis in unum congestae, ad a. 1099. Ed. Marchegay/Mabille, 29: Sequenti anno (…) Vo kal. octobris, visus est aer rubei coloris adeo ut plus sanguinem quam ignem imitaretur; visus est autem ab exordio noctis pene usque ad lucem, ab oriente in occidentem, versus septentrionem. In finem vero noctis, clarissima lux visa est post ruborem. Nona vero nocte posthaec, prima vigilia noctis, factus est fragor ingens cum grandi terrae motu.

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Herauszustellen ist der Bericht von Ibn Faḍlān, der 921/922 von Bagdad aus weit nach Norden zog und hierin die ihm neuartige Beobachtung ausführlich beschrieb. Besonders stark für Polarlichter haben sich desweiteren Gregor von Tours (582, 584, 585, 587, 590), der Verfasser der Annales Xantenses (836, 838, 839, 840) und Flodoard von Reims (927, 930, 940) interessiert. In den Quellen wurden die eindrucksvollen, in ihrer Genese im Untersuchungszeitraum völlig unerklärlichen Leuchterscheinungen oft als „feurige Schlachtenreihen im Himmel“ (igneae acies in caelo) beschrieben.

2.7 Sonnenfinsternisse Das Buch Exodus enthält die Beschreibung einer Sonnenfinsternis: „Und Mose reckte seine Hand gen Himmel; da ward eine schreckliche Finsternis in ganz Ägyptenland drei Tage, dass niemand den andern sah noch aufstand von dem Ort, da er war, in drei Tagen. Aber bei allen Kindern Israels war es Licht in ihren Wohnungen.“800 Die Sonne verfinstert sich, wenn der Mond zwischen Sonne und Erde tritt und dadurch ein Teil der Sonnenstrahlen nicht die Erde erreichen kann. In jenem Bereich, in dem der Mondschatten auf die Erde fällt, ist im Kernschatten eine totale und im Halbschatten eine partielle Sonnenfinsternis zu beobachten. Mit der Bewegung des Mondes um die Erde bewegt sich auch die Zone des Schattens ständig weiter. Deshalb dauert eine Sonnenfinsternis an einem Ort gewöhnlich nur wenige Minuten. Da die Umlaufbahn des Mondes um fünf Grad gegen die der Erde geneigt ist, kommt es nicht bei jedem Neumond zu einer Sonnenfinsternis; zudem sind die Umlaufbahnen von Erde und Mond nicht kreisförmig, sondern elliptisch. Die scheinbar gleiche Größe von Sonne und Mond ändert sich also teilweise. Tritt die Finsternis auf, wenn also die Erde der Sonne relativ näher und der Mond relativ weiter von der Erde entfernt ist, dann ist die Mondscheibe nicht groß genug, um die Sonne ganz zu bedecken und es kommt zu einer ringförmigen Sonnenfinsternis. Im umgekehrten Fall, wenn die Erde von der Sonne relativ weit und der Mond der Erde relativ nahe ist, verdunkelt der Mond die Sonne und es kommt zu einer totalen Sonnenfinsternis.801 Diese Konstellation betrifft Mitteleuropa aber nur alle 300 Jahre. Die Datierung von Finsternissen802 der Sonne und des Mondes803 wurde bisher von historischer Seite deskriptiv durch die Sammlung der beschreibenden Quellen

|| 800 2. Mose 10,22: Extenditque Moyses manum in caelum, et factae sunt tenebrae horribiles in universa terra Aegypti tribus diebus. Nemo vidit fratrem suum nec movit se de loco, in quo erat. Ubicumque autem habitabant filii Israel, lux erat. 801 Ranzini, Astronomie (2003), 94 f. 802 North, Finsternis (1989), 483–485. 803 Boll, Finsternisse (Sonnen- und Mondfinsternisse) (1909), 2329–2364.

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betrieben; zu nennen sind dabei vor allem Schove/Fletscher804 oder Draelants,805 aber auch McCarty/Breen.806 Die Finsternisse lassen sich mittlerweile durch die Kenntnis der Himmelsmechanik807 sehr genau berechnen und wurden von Schroeter808 oder Oppolzer in Tafeln zusammentragen.809 Für die Einsichtnahme in solche Berechnungen stehen verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung. Als derzeit benutzerfreundlichste und hilfreichste kann eine frei zugängliche Datenbank der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA gelten,810 die jeweils einen umfassenden Katalog (1999 v. Chr. bis 3000 n. Chr.) für die Mondfinsternisse811 und für die Sonnenfinsternisse812 umfasst. Die Finsternisse von Sonne und Mond eignen sich dabei wie kaum ein anderes natürliches Ereignis zur Verifizierung von Annalen813 und Untersuchung des Bildungshorizonts des Verfassers, denn die Ursachen der Finsternisse sind seit der Antike hinreichend untersucht, erkannt und beschrieben worden. Im arabischen Bereich wurde der Dämmerung wie den Finsternissen schon früh Interesse entgegengebracht, da durch die Morgen- und Abenddämmerung zwei von fünf Gebetszeiten der Moslems bestimmt werden.814 Die spätantiken und mittelalterlichen christlichen Zeitgenossen hingegen hielten Finsternisse oft eher für eine eclypsis prodigialis als eine eclypsis naturalis,815 sodass der gelehrten Beschreibung eine ganz zentrale Rolle zukommt.816 Im Bereich der Sonnenfinsternisse können nach Schove vier Typen von falschen Eklipsen unterschieden werden: 1) assimilierte Eklipsen, 2) literarische Eklipsen, 3) magische Eklipsen und 4) berechnete Eklipsen. Nach Schove treten „assimilierte Eklipsen“ auf, wenn Historiographen das Auftreten eines Ereignisses mit einem anderen verbinden. Er geht davon aus, dass Geschichtsschreiber im Falle der Beobachtung einer Eklipse, auf die ein wichtiges politisches Ereignis in einem Abstand von weniger oder bis zu einem Jahr folgt, diese

|| 804 Schove/Fletscher, Chronology (1987). 805 Vgl. Draelants, Éclipses (1995), 49–53. 806 McCarthy/Breen, Evaluation (1997), 117–138. 807 Littmann/Willkox/Espenak, Totality (1999). 808 Schroeter, Spezieller Kanon (1923). 809 Oppolzer, Canon der Finsternisse (1887). Der Kanon enthält die Berechnung von etwa 8 000 Sonnen- und über 5 000 Mondfinsternissen zwischen 1208 v. Chr. und 2163 n. Chr. 810 NASA Eclipse Web Site, vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/eclipse.html (20.9.2012). 811 Five Millennium Catalog of Lunar Eclipses, vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEcat5/LEcatalog.html (20.9.2012). 812 Five Millennium Catalog of Solar Eclipses, vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEcat5/SEcatalog.html (20.10.2012). 813 So bereits McCormick, Annales du haut moyen âge (1975), 33. 814 Wiedemann, Erscheinungen bei der Dämmerung (1923), 44. Said/Stephenson, Accuracy of eclipse observations (1991), 297–310; Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 190. 815 Demandt, Verformungstendenzen (1970). 816 Dall'Olmo, Eclypsis (1978), 154–172. Dall'Olmo, Eclypsis naturalis (1979), 155–166.

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beiden Ereignisse verbinden. Als Beispiel führt Schove die große Schlacht an, die am 29. Juli 1030 in Norwegen stattfand und in deren Verlauf König Olaf getötet wurde. Einen Monat später, am 31. August 1030, wurde in derselben Region eine Sonnenfinsternis beobachtet. In seinem Eintrag verband der Verfasser der Quelle nun beide Ereignisse zu einem einzigen: „Als die Schlacht begann, färbte sich der Himmel und die Sonne rot und bevor sie endete wurde es dunkel wie in der Nacht (…)“ Der Verfasser instrumentalisierte in diesem Fall eine zeitlich naheliegende, tatsächliche Finsternis, die er nur um- bzw. zurückdatieren musste, zur dramatischen Ausgestaltung seiner Schlachtenschilderung. Dies kommt vergleichsweise häufig beim Tod von Herrschern vor, der gern mit himmelsbezogenen Naturereignissen in Verbindung gebracht wird. Diese Art von Eklipsen treten mit Abstand am häufigsten auf.817 Bei „literarischen Eklipsen“ wurden so Schove Finsternisse eingefügt, die in der betreffenden Zeit gar nicht stattgefunden haben. Der Autor musste in dem Fall nicht mehr umdatieren, sondern konnte anscheinend davon ausgehen, dass er seinen Text gefahrlos instrumentalisieren darf. Die „magischen Eklipsen“ erfüllen nach Schove eine zentrale Funktion als Begleiter von Schlachtenschilderungen, dem Tod hochgestellter Persönlichkeiten oder dem Beginn großer Unternehmungen. Die „berechneten Eklipsen“ kommen wiederum vor allem in der chinesischen Chronistik vor, dabei wird ein berechnetes, aber möglicherweise gar nicht zeitgenössisch beobachtetes Ereignis in die Chronik eingefügt. Als ein europäisches Beispiel hierfür gibt Schove die Finsternis vom 5. Juli 810 an. Dieses Model Schoves lässt sich auf den Umgang zeitgenössischer Autoren mit vielen Naturereignissen übertragen. Es ist Isidor von Sevilla, der das antike Wissen zusammengefasst hat: „Eine Sonnenfinsternis findet statt, sooft der Mond dieselbe Linie, auf der die Sonne wandert, durchkreuzt und die Sonne verbirgt, indem er sich ihr entgegenstellt. Denn die Sonne, so scheint es, verschwindet, während ihr der Lauf des Mondes entgegengesetzt ist.“818 Deutlich ausführlicher hingegen beschrieb Isidor von Sevilla die Sonnenfinsternis in seiner Naturgeschichte.819

|| 817 Schove/Fletscher, Chronology (1987), iii f. 818 Isidor von Sevilla, Etymologiarum libri 3, 58. Ed. Lindsay, Bd. 1; Isidor, Enzyklopädie. Ed. Möller, 147: Eclipsis solis est, quotiens luna trigesima ad eandem lineam, qua sol vehitur, pervenit, eique se obiiciens solem obscurat. Nam deficere nobis sol videtur, dum illi orbis lunae opponitur. 819 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 20. Ed. Fontaine, 246–251: 1. Solem sapientes dicunt altius currere, lunam autem proximam esse terrae. Haec ergo, dum deorsum ad idem signum vel lineam qua sol vehitur, convenerit, obiicit se soli, et tenebras totius orbis efficit. Quod tantum intermenstruo contingit. Nam tunc luna in eadem parte signi est qua sol vehitur, ideoque fit illi proxima, et oppositione sui obscurari ab oculis nostris lumen eius videtur: veluti si aliquis oculis manum expansam opponat, quanto magis id fecerit, eo minus illa videri poterit; quanto autem procul discesserit, eo magis illi omnia potuerunt apparere. 2. Simili itaque ratione cum ad solis locum vel lineam luna pervenerit, tunc proxima ei esse videtur, et radios eius ita coram oculis nostris obscurare, ut lumen non possint eiicere. Cum autem luna ab eo loco discesserit, tunc sol lumen eiicit, et ad oculos nostros transmittit. Quapropter ita soli obiicitur luna, sicut lunae opponitur terra; quae utraque lumina cum ad terras non perveniunt, defecisse

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Sonnenfinsternisse eigneten sich in besonderer Weise, um seine spezifischen Erscheinungen zu beobachten. Auch während des Mittelalters entwickelten sich die Erkenntnisse über die Sonne weiter, so soll das sogenannte Schattenband der Sonne in der Völuspa, einem Teil der Edda, erstmals beschrieben worden sein.820 Während der totalen Sonnenfinsternis am 22. Dezember 968 über Konstantinopel wurde erstmals die Corona der Sonne beschrieben.821 Ein Bericht Thietmars von Merseburg spiegelt einerseits die Angst vor der Sonnenfinsternis 989 wider, gibt aber anderseits eine natürliche Erklärung dafür. Er nutzt dafür die Ausführungen von Ambrosius Theodosius Macrobius (um 400)822 zu einem Kommentar zu Ciceros Somnium Scipionis, wo es heißt: 823 „Eine dritte [Ebene], die durch die Mitte führt, wird die ekliptische genannt, wenn beide Bahnen, die der Sonne und des Mondes, einander treffen auf der gleichen Ebene zur gleichen Zeit, ist eine Finsternis unvermeidlich. Eine Sonnenfinsternis passiert, wenn der Mond direkt vor die Sonne kommt und eine Mondfinsternis passiert, wenn der Mond genau gegenüber der Sonne ist. Die Sonne kann nur am 30. Tag des Mondes verfinstert werden und der Mond kann nie verfinstert werden, außer am 15. Tag seines Zyklus.“824 Beispiele dafür, dass Sonnenfinsternisse auch im europäischen Mittelalter exakt berechnet werden konnten, gibt es im Chronicon Hermanns von Reichenau825, der für die Jahre 664, 968 und 1039 präzise Berechnungen anstellte. Ausführlich hat Arno Borst den Gang der Entwicklung dargelegt.826

|| dicuntur. Alii autem dicunt defectum solis fieri, si foramen aeris, quo sol radios fundit, aliquo spiritu contrahatur sive obturetur. Hoc physici et sapientes mundi dicunt. 3. Caeterum doctores nostri mystice huius eclipsis mysterium in Christo dixerunt esse completum tunc cum, interrupto aeterni foederis cursu insolito, turbata ordinem suum elementa perdiderunt, cum sacrilegae factum coniurationis sol iste verus horrescens, insertis in populo iudaico errorum tenebris, paululum semetipsum per mortem abscondit, ac de cruce depositus, sese in sepulcro abditus obscuravit, donec tertia die augustior solito huic mundo, id est gentibus, claritatis suae potentiam praesentaret; ac sicut sol in virtute sua refulgens, tenebras operti saeculi illuminaret. 820 Littmann/Willcox/Espenak, Totality (2009), 304: „Discoveries about the Sun Made during Solar Eclipses“, „9th century: Shadow bands during a total eclipse are described for the first time – in the Völuspá, part of the old German Poetic Edda.“ 821 Littmann/Willcox/Espenak, Totality (2009), 304: „First clear description of the corona seen during a total eclipse – by a chronicler in Constantinopel.“ 822 Brunhölzl, Macrobius (1993), 63 f. 823 Ambrosius Theodosius Macrobius, Commentarii in Somnium Scipionis, 1.15, 11. Ed. Willis, 62 f.: (…) et tertia ducta per medium ecliptica uocatur, quia cum cursum suum in eadem linea pariter sol et luna conficiunt, alterius eorum necesse est euenire defectum: solis si ei tunc luna succedat: lunae si tunc aduersa sit soli. ideo nec sol umquam deficit nisi cum tricesimus lunae dies est et nisi quinto decimo cursus sui die nescit luna defectum. 824 Stahl, Macrobius (1952), 150 f. 825 Robinson, Chronik Hermanns von Reichenau (1980), 84–136; Draelants, Hermann Contractus, (1990), 44–47. 826 Borst, Forschungsbericht (1984), 438 Anm. 31, 440–442 Anm. 145–151.

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2.7.1 Sonnenfinsternisse im 6. und 7. Jahrhundert Innerhalb der Untersuchungszeit, also zwischen 500 und 1100, fand die chronologisch erste Sonnenfinsternis, die über Mitteleuropa für Zeitgenossen beobachtbar gewesen wäre, am 29. März 507 statt. Ihr Kernschatten fiel über Irland, England und Dänemark auf die Erdoberfläche.827 Von den Zeitgenossen wurde diese Eklipse jedoch aus unbekannten Gründen nicht erwähnt – eine Wolkenbedeckung kann ebenso wenig ausgeschlossen werden wie der Verlust der Überlieferung. An Witterungsnachrichten zu diesem Jahr ist zwar bekannt, dass in Schottland der Königssohn Lughaidh durch einen Blitzschlag in den Kopf getötet wurde, weil jener den Hauptheiligen Patrick geleugnet habe, vielleicht sogar am 17. März, dem St. Patrick’s Day, was für eine Wolkenbedeckung spräche,828 aber eine Sonnenfinsternis wurde nicht überliefert. In seinem Chronicon überliefert Marcellinus Comes für das Jahr 512829 eine Sonnenfinsternis,830 die sich auch in den Abschriften der irischen Chronik831 sowie für den 1. Juli in einer süditalienischen Ostertafel findet.832 Berechnet wurde sie für den 29. Juni 512 gegen 10:30 Uhr (TD)833 und war vor allem über der Mittelmeerregion zu sehen.834 Die für den 15. Februar 538 gegen 9:55 Uhr (TD) berechnete Sonnenfinsternis,835 deren Kernschatten den Nahen Osten durchlief,836 wird in den zeitgenössischen Quellen – Beda Venerabilis Kirchengeschichte837 und Aethelwards Chronik838 – durchgehend mit einem falschen Datum, dem 18. Februar [538] von der ersten bis zur dritten

|| 827 Saroszyklus 76: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0501-0600/507-03-29.gif (31.3.2016). 828 Chronicum Scotorum, ad a. 507. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 37: Death of Lughaidh, son of Laeghaire, King of Temhair, in Achadh farcha. He was struck on the head with lightning from heaven, for denying Patrick. 829 Von 1. September 511 bis 31. August 512. 830 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 512. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 98; Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 37): His fere temporibus solis defectus contigit. 831 Chronicle of Ireland (AU, AT, CS), ad a. 512. Ed. Charles-Edwards, 86: There was an eclipse of the sun; vgl. Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 117; Schove/Fletscher, Chronology (1987), 92 f. 832 Paschale Campanum, ad a. 512. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 9, 747 : Hoc anno in k. Iul. sol eclipsin passus est. 833 Saroszyklus 93: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0501-0600/512-06-29.gif (31.3.2016). 834 Vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 92–94. 835 Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0501-0600/538-02-15.gif (31.3.2016). 836 Vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEsearch/SEsearchmap.php?Ecl=05380215 (4.4.2016); vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 97 f. 837 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 5, 24. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 538 f.: Anno DXXXVIII eclypsis solis facta est XIIII kalendas Martias ab hora prima usque ad tertiam. 838 Chronicle of Aethelward, ad a. 538. Ed. Campbell, 12: Post quadriennium autem regni eius, obsucratus est sol a prima hora diei usque ad tertiam.

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Stunde, angegeben. Sie wird auch in anderen kontinentalen Chroniken erwähnt.839 Die in den Annalen von Lund am 16. Februar irrtümlich für das Jahr 537 angegebene Sonnenfinsternis gehört wohl in das Jahr 538.840 In Bedas Historia heißt es: „Im 540. Jahr ereignete sich am 20. Juni eine Sonnenfinsternis, und von der dritten Stunde des Tages an erschienen für fast eine halbe Stunde die Sterne.“841 Dieser Eintrag findet sich wörtlich wiederholt in den Annalen des Klosters St. Maximin in Trier,842 in der Chronik Aethelwards843 sowie in der Vorlage der Annalen von Lund.844 Die Annales Stabulenses nennen die Sonnenfinsternis ohne weitere Hinweise.845 Berechnet wurde diese für den 20. Juni 540 gegen 10:20 Uhr (TD).846 Zum Jahr 590 schrieb Gregor von Tours: „In der Mitte des Monats Oktober verfinsterte sich die Sonne, und ihr Licht nahm so ab, dass sie kaum so groß blieb wie eine Mondsichel am fünften Tage nach dem Neumond.“847 Auch in den irischen und schottischen Annalen wird diese Eklipse der Sonne zum Jahr 590 überliefert.848 Sie wurde für den 4. Oktober 590 gegen 13:02 Uhr (TD) berechnet,849 wobei der Kernschatten über Osteuropa und den östlichen Mittelmeerraum lief.850 Als nächstes hält Fredegar zum Jahr 592 fest: „Im 31. Jahre der Herrschaft Gunthramns wurde die Sonne vom Morgen bis zum Mittag so klein, dass sie kaum zu einem Drittel sichtbar war.“851 Die Sonnenfinsternis vom 23. September 591, an die der

|| 839 Annales S. Maximini Treverensis, ad a. 538. Ed. Pertz, MGH SS 4, 6: Eclypsis solis facta est 14. Kal. Mart. Ab hora prima usque ad tertiam; Annales Stabulenses, ad a. 538. Ed. Waitz, MGH SS 13, 40: eclipsis solis. 840 Annales Lundenses, ad a. 537. Ed. Kroman, 33: Eclypsis solis facta est 14. Kal. Marcii ab hora prima usque ad horam terciam. 841 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 5, 24. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 538 f.: Anno DXL eclypsis solis facta XII kalendas Iulias, et apparuerunt stellae pene hora dimidia ab hora diei tertia. 842 Annales S. Maximini Treverensis, ad a. 538. Ed. Pertz, MGH SS 4, 6: Eclypsis solis facta est 12. Kal. Iul. et apparuerunt stellae pene hora dimidia ab hora tertia. 843 Chronicle of Aethelward, ad a. 540. Ed. Campbell, 12: Iterum post biennium sol obsucratus est post tertiae calculum dimidiam horam, ita ut stellae passim in firmamento cernerentur. 844 Annales Lundenses, ad a. 540. Ed. Kroman, 33: Eclypsis solis facta est 12. Kal. Iulii, et apparuerunt stelle pene hora dimidia ab hora diei tercia. 845 Annales Stabulenses, ad a. 540. Ed. Waitz, MGH SS 13, 40: eclipsis solis. 846 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0501-0600/540-06-20.gif (31.3.2016). 847 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 515; FSGA 3, 382 f.: Sol eclypsin pertulit mense VIII. mediante, et ita lumen eius minuit, ut vix, quantum quintae lunae cornua retinent, ad lucendum haberet. 848 Annals of Tigernach, ad a. 590. Ed. Strokes, Bd. 1, 158: The failure of the sun i.e. urchra gréni .i.e, a dark morning; Chronicum Scotorum, ad a. 590. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 63: An eclipse of the sun; a dark [morning]. 849 Saroszyklus 82: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0501-0600/590-10-04.gif (31.3.2016). 850 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 185. 851 Fredegar, Chronik, 6, 13. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 127: Anno 32 regni Gunthramni ita a mane usque media diae sol minoratus est, ut tercia pras ex ipso vix adpareret.

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Editor Bruno Krusch dachte,852 wies jedoch nicht die genannte Besonderheit auf, sondern fand erst um 12:40 Uhr (TD) ihren Höhepunkt.853 Aber auch die Abschriften der irischen Chronik sprechen von einem dunklen Morgen854 und die Annalen von Inisfallen betonen ebenso die in den Morgenstunden beginnende Verdunklung der Sonne.855 Viel eher passt hierzu die für den 19. März 592 berechnete Sonnenfinsternis, deren größte Dunkelheit gegen 10:19 Uhr (TD) war und damit näher am Morgen als am Mittag, so wie dies die Quellen schildern.856 Sie war total; die Beschreibung Fredegars, der nur zwei Drittel der Sonne bedeckt sah, dürfte aber dessen Beobachtungsstandort entsprechen. Die von Charles-Edwards vermutete Doublette zum Jahr 591 ist insofern abzulehnen, dass tatsächlich zwei Sonnenfinsternisse, eine im Jahr 591 und eine 592, stattfanden. Die nächste in den Quellen zu findende Eklipse der Sonne betrifft das Jahr 644. Die verschiedenen Überlieferungen der Chronik des Theophilus von Edessa geben teilweise sehr genaue Beschreibungen einer totalen Sonnenfinsternis über dem Nahen Osten an. Auch Theophanes der Bekenner beschrieb eine Eklipse der Sonne, die am 5. November 644, einem Samstag, zur neunten Stunde stattgefunden habe.857 Agapius gab dagegen an, diese Finsternis habe am ersten Tag des November, einem Freitag, stattgefunden858 und Michael der Syrer datiert die Finsternis, um die Verwirrung komplett zu machen, in die dritte Stunde des 29. Oktober (korrekt 693).859 Berechnet wurde diese Finsternis, deren Kernschatten fast genau über Konstantinopel und über Homs verlief, für den 5. Dezember 644 gegen 12:24 Uhr (TD).860 Für das Jahr 646, also zwei Jahre später, führte eine byzantinische Chronik wiederum eine Sonnenfinsternis an, die zur Zeit des Kaisers Konstans II. (641–668), des Sohns Konstantins III. (641), gegen Mittag stattgefunden habe und die angeblich so dunkel war, dass die Sterne zu sehen gewesen seien.861 Berechnet wurde für dieses

|| 852 Vgl. Fredegar, Chronik. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 127 Anm. 9. 853 Saroszyklus 92: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0501-0600/591-09-23.gif (31.3.2016). 854 Chronicle of Ireland, ad a. 592. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 117: A dark morning. 855 Annals of Inisfallen, ad a. 594. Ed. Mac Airt, 78 f.: Defectio solis in matutina hora. Kl. Eclipse of the sun in the morning. 856 Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0501-0600/592-03-19.gif (31.3.2016). 857 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 644. Ed. Hoyland, 127 [Theophanes]: An eclipse of the sun occurred on the fifth of the month of November, a Saturday, in the ninth hour. 858 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 644. Ed. Hoyland, 127 [Agapius]: There was an eclipse of the sun on Friday, the first day of November. 859 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 644. Ed. Hoyland, 127 [Msyr]: The sun was eclipsed at the third hour on 29 October, the stars could be see. A great far took hold of those who witnessed it. 860 Saroszyklus 82: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0601-0700/644-11-05.gif (31.3.2016); vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 123 f. 861 Chronicle of 754, 24. Conquerors ans Chroniclers. Ed. Wolf, 121: [646] Constans, son of Constantine (…) During his reign as emperor, the sun darkended at midday and stars appeared in the sky; Chronicle of 754, 27. Conquerors ans Chronicles. Ed. Wolf, 121: [646] In the time of Reccesuinth, an eclipse of the

200 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Jahr eine Sonnenfinsternis am 21. April 646 gegen 9:31 Uhr (TD), deren Kernschatten vom westlichen Afrika über Ägypten und das byzantinische Reich zog.862 Die im Codex Casselanus für das Jahr 663 genannte Sonnenfinsternis ist vermutlich auf das Jahr 664 zu beziehen, da 663 keine über Europa sichtbare Sonnenfinsternis stattfand.863 In einigen irischen Annalen wurde überliefert, dass eine große Finsternis in der neunten Stunde am 1. Mai 664 geschah und das Firmament im gleichen Sommer wegen der extremen Hitze zu brennen schien.864 Andere irische Quellen gaben als Datum den 3. Mai 664 an,865 wie auch Beda, bei dem es heißt: „In diesem 664. Jahr nach der Fleischwerdung des Herrn ereignete sich am dritten Tage des Monats Mai, um die zehnte Stunde des Tages, eine Sonnenfinsternis.“866 An anderer Stelle seiner Historia berichtet er: „Im 664. Jahr ereignete sich eine Sonnenfinsternis; Eorcenberht, König der Kenter starb, und Colman kehrte mit den Iren zu den Seinen zurück, und die Pest kam, und Chad und Wilfrid werden zu Bischöfen der Northumbrier geweiht.“867 So übernahm es auch später eine Vorlage der Annalen von Lund: „Am 3. Mai war eine Sonnenfinsternis.“868 Die Annales Blandinienses führen zum Jahr 664 nur noch eine Sonnenfinsternis ohne Angabe eines Datums,869 ebenso die Chronik von Aethelward: „Nach drei Jahren war die Sonne verfinstert.“870 Mit der richtigen Uhrzeit und dem richtigen Tagesdatum, aber einem falschen Jahr, wird diese Eklipse auch in der Chronik der Schotten überliefert.871 Die Finsternis wurde für den 1. Mai 664 gegen 17:00 Uhr (TD) berechnet, wobei der Kernschatten genau über England verlief.872 Eine von

|| sun, which made the stars visible at midday, terrified everyone in Spain and foreshadowed an invasion by the Basques that resulted in no small damage to the army. 862 Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0601-0700/646-04-21.gif (31.3.2016). 863 Annales Fuldenses, ad a. 663. Ed. Pertz, MGH SS 3, 116*: eclipsis quasi 10. Haracliae. 864 Annals of Clonmacnoise, ad a. 664. Ed. Murphy, 106: There was a great darkness in the 9th hour of the day in the month of May in the calends and the firmament seemed to burn the same summer with extreme heat; Chronicle of Ireland (AU, AT, CS), ad a. 664. Ed. Charles-Edwards, 154: Darkness on the Kalends 1st of May at the ninth hour, and in the same summer the sky seemed to be on fire. 865 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 664. Ed. O’Donovan, 276: An eclipse of the sun on the third day of May. 866 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 3, 27. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 298 f.: Eodem autem anno dominicae incarnationis DCLXIIIIo, facta erat eclipsis solis die tertio mensis Maii, hora circiter Xa diei. 867 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 5, 24. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 540 f.: Anno DCLXIIII eclypsis facta; Earconberct rex Cantuariorum defunctus, et Colman cum Scottis as suos reuersus est; et pestilentia uenit; et Ceadda ac Uilfrid Nordanhymbrorum ordinantur episcopi. 868 Annales Lundenses, ad a. 664. Ed. Kroman, 34: Eclypsis solis facta est 5. Nonas Maii. 869 Annales Blandinienses, ad a. 664. Ed. Grierson, 5; Ed. Bethmann, MGH SS 5, 21: Hoc anno eclipsis solis contigit. 870 Chronicle of Aethelward, ad a. 664. Ed. Campbell, 19: Post iam annos tres sol obsucrtaus est. 871 Chronicum Scotorum, ad a. 660. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 99: Darkness on the Kalends of May, at the ninth hour. 872 Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0601-0700/664-05-01.gif (31.3.2016).

Sonnenfinsternisse | 201

Moreton publizierte Karte von Northumbrien zeigt, dass mehrere Klöster, so Whitby, Hartiepool und Gilling, im Bereich der maximalen Verdunkelung lagen. In Whitby fand damals eine allgemeine Synode statt, mit der Unstimmigkeiten bezüglich des Ritus zwischen der irischen und der angelsächsischen Kirche geklärt werden sollten. Obwohl Beda wusste, dass die anhand des Kalenders von Dionysius Exiguus auf den 3. Mai berechnete Sonnenfinsternis am 1. Mai stattfinden würde, gab er in seiner Historia ein falsches Datum an, um somit einen zeitlichen Abstand zwischen dem Naturereignis und der Synode zu schaffen.873 Für den Verlauf des Jahres 679/680 ist in der Langobardengeschichte des Paulus Diakonus Folgendes überliefert: „Damals ereignete sich im Laufe der 8. Indiktion eine Mondfinsternis. Auch trat fast zur gleichen Zeit eine Sonnenfinsternis ein, etwa um die zehnte Stunde des 3. Mai. Kurz darauf folgte eine verheerende Seuche über drei Monate hin, nämlich Juli, August und September, und die Zahl der Sterbenden war so groß, dass selbst Eltern mit ihren Kindern und Brüder mit ihren Schwestern paarweise aufgebahrt in Rom zu Grabe getragen wurden. In derselben Weise entvölkerte die Seuche auch Pavia, sodass auf dem Markt und in den Gassen der Stadt, weil alle Einwohner sich in die Berge oder andere Gegen geflüchtet hatten, Büsche und Unkraut zu wachsen begannen.“874

In den betreffenden Jahren fanden zwei totale Mondfinsternisse am 23. Dezember 679875 sowie am 17. Juni 680 statt.876 Eine Sonnenfinsternis fand im gleichen Zeitraum am 13. Juli 679 gegen 13:45 Uhr (TD) statt.877 Weiter heißt es bei Paulus Diaconus sehr ausführlich zu den Folgen: „Dann erhielt jemand in einer Offenbarung die Eingebung, dass die Seuche nicht erlöschen werde, bevor in der Kirche des hl. Petrus, die ‚Ad Vincula‘ heißt, ein Altar des hl. Märtyrers Sebastian errichtet würde. Das geschah, und nach Übertragung der Reliquien des hl. Märtyrers Sebastian aus der Stadt Rom hörte diese Seuche auf, sobald in der genannten Kirche der Altar aufgestellt war.“878

|| 873 Moreton, Doubts about the Calendar (1998), 50 f. 874 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 6, 5. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang 1, 166; Ed. Schwarz, 306 f.: His temporibus per indictionem octavam luna eclypsin passa est. Solis quoque eclypsis eodem paene tempore, hora diei quasi decima, quinto nonas Maias effecta est. Moxque subsecuta gravissima pestis est tribus mensibus, hoc est Iulio, Augusto et Septembrio; tantaque fuit multitudo morientium, ut etiam parentes cum filiis atque fratres cum sororibus bini per feretra positi apud urbem Romam ad sepulchra ducerentur. Pari etiam modo haec pestilentia Ticinum quoque depopulata est, ita ut cunctis civibus per iuga montium seu per diversa loca fugientibus in foro et per plateas civitatis herbae et frutecta nascerentur. 875 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0679-12-23T.gif (10.5.2016). 876 Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0680-06-17T.gif (10.5.2016). 877 Saroszyklus 105: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0601-0700/679-07-13.gif (10.5.2016). 878 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 6, 5. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang 1, 166; Ed. Schwarz, 308 f.: Tunc cuidam per revelationem dictum est, quod pestis ipsa prius non quiesceret, quam in basilicas beati Petri quae ad Vincula dicitur sancti Sebastiani martyris altarium poneretur.

202 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Ob die genannte Hungersnot mit jener für Thessaloniki in den Jahren 676 bis 678 genannten zu identifizieren ist,879 kann beim derzeitigen Befund kaum geklärt werden. Eine Sonnenfinsternis, bei der nur ein Teil der Sonne verdunkelt wurde, wird vom Chronicum Scotorum in das Jahr 685,880 von den Annalen von Tigernach in das Jahr 688881 und von den Annalen von Ulster in das Jahr 689 gestellt, mit zum Teil identischer Formulierung.882 In den genannten drei Jahren kreuzte der Kernschatten einer Sonnenfinsternis nur am 3. Juli 688 gegen 11:17 Uhr (TD) das nördliche Norwegen.883 Damit weisen die Annalen von Tigernach die größte Genauigkeit auf und die chronologische Sortierung von Charles-Edwards für die irischen Chroniken wäre in dem Jahr zu korrigieren. Die Überlieferungsstränge der Chronik des Theophilus von Edessa dokumentieren für den 5. Oktober 693 übereinstimmend (im Gegensatz zum Jahr 644), eine Sonnenfinsternis.884 Sie gehen mit der Berechnung dieser Eklipse für den 5. Oktober 693 gegen 9:03 Uhr (TD) konform. Die Bahn des Kernschattens verlief über Südfrankenreich, Norditalien, Griechenland, Syrien und den Iran.885 Die vom Beobachter angegebene Zeit zwischen der dritten und vierten Stunde stimmt ebenfalls mit der berechneten Zeit überein.

2.7.2 Sonnenfinsternisse im 8. Jahrhundert 40 Jahre später finden wir bei Simeon von Durham für das Jahr 733 den Eintrag: „Es war eine Sonnenfinsternis am 14. August ungefähr zur dritten Stunde des Tages [9 Uhr], sodass fast die ganze Scheibe der Sonne mit einem schwarzen schrecklichen Schild bedeckt zu sein schien.“886 Der englische Chronist scheint dies vom Fortsetzer || Factumque est, et delatis ab urbe Roma beati Sebastiani martyris reliquiis, mox in iam dicta basilica altarium constitutum est, pestis ipsa quievit. 879 Malingoudis, Hungersnot in Thessalonike (1990). 880 Chronicum Scotorum, ad a. 685. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 109: A part of the sun was darkened. 881 Annals of Tigernach, ad a. 688. Ed. Strokes, Bd. 1, 211: Part of the sun is obscured. 882 Chronicle of Ireland (AU, AT, CS), ad a. 689. Ed. Charles-Edwards, 168: Part of the sun was obscured. 883 Saroszyklus 86: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0601-0700/688-07-03.gif (31.3.2016). 884 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 693. Ed. Hoyland, 189 [Theophanes]: There occurred an eclipse of the sun on the fifth or the month October, a Sunday, in the third hour, so that some of the brighter stras became visible; ebd., ad a. 693, 189 [Agapius]: There was an eclipse of the sun; ebd., ad a. 693, 189 [MSyr]: There was an eclipse of the sun in the month of October, on a Sunday, during the third and fourth hours; it was so dark, that the stars came out. 885 Saroszyklus 103: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0601-0700/693-10-05.gif (2.4.2016). 886 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 733. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 30; Simeon von Durham. Ed. Whitelock, 239: There was an eclipse of the sun on 14 August about the third hour of the day, so that almost the whole orb of the sun seemed as if covered with a very black terrible shield. Eclipsis facta est solis xix. Kalendas Septembris Circa horam diei tertiam, ita ut pene totus orbis solis quasi nigerrimo et horrendo scuto videretur esse coopertus.

Sonnenfinsternisse | 203

Bedas übernommen zu haben, wo es heißt: „Im 733. Jahr ereignete sich am 14. August um die dritte Stunde des Tages eine Sonnenfinsternis, sodass fast die ganze Sonnenscheibe sozusagen durch einen sehr schwarzen Schild verdeckt zu sein schien.“887 Diese Beschreibung scheint dann auch den Annalen von Lund als Vorlage gedient zu haben.888 Drei weitere Annalenwerke (Lampert von Hersfelds Annalen, die von Weissenburg und die von Ottobeuren) erwähnen nur, dass eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat, geben aber keine Datierung.889 Berechnet wurde sie für den 14. August 733 gegen 10:55 Uhr (TD), die Zugbahn verlief dabei von England über Zentral- und Osteuropa.890 Während Fredegar für die Jahre 592 bis 740 überhaupt keine Nachricht zu Prodigien überliefert, auch nicht bei den häufig beschriebenen Herrscherwechseln, heißt es erst wieder im Jahr 740: „Unterdessen, es ist traurig und schmerzvoll zu berichten, erschienen Boten des Untergangs, an Sonne, Mond und Sternen zeigten sich neue Zeichen und auch das allerheiligste Osterdatum war umstritten.“891 Seine Formulierung könnte stilistische Anleihen bei Lukas (21,25) genommen haben: Et erunt signa in sole et luna et stellis. Das von Fredegar beschriebene Problem des Osterdatums könnte sich auf den 24. April beziehen, welches der zweitspätestmögliche Termin überhaupt ist.892 Die Himmelzeichen werden in der Quelle mit dem Tod Karl Martells (gestorben zwischen 15. und 22. Oktober 741) in Verbindung gebracht. Berechnet wurde eine Sonnenfinsternis für den 1. April 740 gegen 7:16 Uhr (TD) mit einer Zugbahn des Kernschattens über Ostafrika und Indien, deren Randbereiche über Mitteleuropa noch zu sehen waren.893 Zwar lagen zwischen dieser Finsternis und dem Tod Karl Martells fast 18 Monate, aber bis zu seinem Tod gab es keine weitere Sonnenfinsternis über Europa, weshalb die genannte Eklipse als Vorzeichen interpretiert wurde. Der Fortsetzer von Bedas Historia vermerkte zum Jahr 753, dass sich im fünften Jahr des Königs Eadberht, am 13. Januar, eine Sonnenfinsternis ereignete und sich

|| 887 Continuatio Bedae, ad a. 733. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 548 f.: Anno DCCXXXIII eclypsis facta est solis XVIIII kal. Sept, circa horam diei tertiam, ita ut pene totus orbis solis quasi nigerrimo et horrendo scuto uideretur esse coopertus. 888 Annales Lundenses, ad a. 733. Ed. Kroman, 35: Eclypsis solis facta est 18. Kal. Sept. circa horam terciam diei ita ut pene totus orbis obscuritate solis quasi nigerrimo et horrendo uideretur esse coopertus. 889 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 733. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 12: Eclipsis facta est solis; Annales Weissenburgenses, ad a. 733. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 13: DCCXXXIII. IIII. XXVII. Eclipsis solis facta est; Annales Ottenburani, ad a. 733. Ed. Pertz, MGH SS 5, 1: Eclipsis solis facta est. 890 Saroszyklus 105: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/733-08-14.gif (2.4.2016). 891 Fredegar, Chronik, 24. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 179: Interim, quod dici dolor et meror est, sollicitatur ruina, in sole et luna et stellis nova signa apparuerunt, seu et paschales ordo sacratissimus turbatu fuit. 892 Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Bd. 1, S. 100 f. (24. April). 893 Saroszyklus 99: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/740-04-01.gif (4.4.2016).

204 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

wenig später im selben Jahr und Monat, nämlich am 24. Januar, der Mond durch einen schrecklichen und ganz schwarzen Schild, so wie die Sonne kurz vorher, verfinsterte.894 Für dieses Jahr wurde eine totale Sonnenfinsternis zum 9. Januar895 und eine teilweise Mondfinsternis für den 24. Januar 753 berechnet.896 Eine Sonnenfinsternis über Spanien ist für das Jahr 758 überliefert.897 Diese wurde für den 12. April 758 gegen 14:46 Uhr (TD) mit einer Bahn über den Atlantik, den Ärmelkanal und die norddeutsche Tiefebene in Richtung Osteuropa berechnet.898 Drei Annalen berichten in kürzester Form von einer Sonnenfinsternis (eclipsis solis) im Jahr 760,899 aber erst Theophanes der Bekenner weiß zu diesem Ereignis Näheres zu berichten: „Auch in Afrika kam es zur Zeit der Sonnenfinsternis am Freitag, dem 15. August, um 4 Uhr nachmittags, zu Aufständen und Kämpfen.“900 Berechnet wurde diese Sonnenfinsternis für den 15. August 760 gegen 15:46 Uhr (TD), mit einem Zugweg des Kernschattens über die finnische Halbinsel und Osteuropa bis zum Nordostufer des Schwarzen Meeres.901 Für das Jahr 763 überliefern die Abschriften der irischen Chronik, dass eine dunkle Sonne zur dritten Stunde des Tages gesichtet wurde.902 Die Annales Tielenses aus den heutigen Niederlanden berichten nur von der Sichtbarkeit der Sterne, ohne die Verdunklung der Sonne zu erwähnen.903 Berechnet wurde die betreffende Sonnenfinsternis für den 16. Juni 763 gegen 4:27 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des Kernschattens vom Schwarzen Meer über Ostmitteleuropa, in Richtung Grönland und kanadischen Landschild.904 Die Zuordnung von Schove der Eklipse von 763 zum 4. Juni 764 ist damit zu korrigieren.905 Nach den Annales Flavianicenses et Lausonenses, den

|| 894 Continuatio Bedae, ad a. 753. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 550 f.: Anno DCCXLIII, anno regis Eadberti quinto, idus Ianuarius, eclipsis solis facta est, et nec mora postea, eodem anno et mense, hoc est nona kalendarum Februarium, luna eclipsim pertulit, horrendo et nigerrimo scuto, ita ut sol paulo ante, cooperta. 895 Saroszyklus 82: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/753-01-09.gif (25.3.2016). 896 Saroszyklus 94: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0753-01-24P.gif (25.3.2016). 897 Chronicle of 754, 65. Conquerors and Chroniclers. Ed. Wolf, 137: At that time, in the beginning of the era 758 (720), in the one hundredth year of the Arabs, an eclipse of the sun, lasting from the seventh to the ninth hour of the day, was observed in Spain. A number of the witnesses even saw stars appear. Many contend that the eclipse occurred at the time of al-Hurr’s successor, as-Sahm. 898 Saroszyklus 99: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/758-04-12.gif (11.4.2016). 899 Annales Stabulenses, ad a. 760. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: eclipsis solis. Annales S. Amandi brevissimi, ad a. 760. Ed. Waitz, MGH SS 13, 38: eclipsis solis. Annales S. Amandi breves, ad a. 760. Ed. Pertz, MGH SS 2, 184: eclipsis solis. 900 Theophanes der Bekenner, ad a. 760, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 76. 901 Saroszyklus 86: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/760-08-15.gif (2.4.2016). 902 Chronicle of Ireland (AU, AT), ad a. 763. Ed. Charles-Edwards, 231: A dark sun at the third hour of day. 903 Annales Tielenses, ad a. 763. Ed. Waitz, MGH SS 24, 22: Stelle subito sunt vise quasi de celo cadere. 904 Saroszyklus 78: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/763-06-16.gif (2.4.2016). 905 Schove/Fletscher, Chronology (1987), 158–160.

Sonnenfinsternisse | 205

Annales Cavenses sowie den Annalen Einhards kam es am 4. Juni 764 zu einer Sonnenfinsternis.906 In zwei weiteren Annalenwerken (aus Stablo und St. Amand) wird diese nur in minimaler Kürze (eclipsis solis) erwähnt.907 Berechnet wurde sie für den 4. Juni 764 gegen 12:12 Uhr (TD), mit einer Bahn des Kernschattens über England sowie der Nord- und Ostsee bis nach Osteuropa.908 Bei der in den Annales Bawaricii breves genannten Sonnenfinsternis des Jahres 785 muss es sich um eine irrige Jahresangabe handeln, denn für dieses Jahr konnte keine über Europa sichtbare Sonnenfinsternis berechnet werden.909 Vermutlich handelt es sich um die folgende Eklipse von 786. Die Lorscher Annalen überliefern eine Eklipse der Sonne für den 16. September 786 (zur zweiten Stunde) und stellen diese in den Kontext eines Feldzugs Karls des Großen nach Bayern im Jahr 786.910 Die Tagesangabe ist zwar korrekt, aber der Annalist hat sich wohl um ein Jahr vertan, denn berechnet wurde sie für den 16. September 787 gegen 9:18 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des Kernschattens von Spanien über Süditalien und Syrien in Richtung Irak.911 So hatte auch Theophanes der Bekenner einen der besten Plätze, um diese Finsternis zu beobachten. Sein Eintrag lautet: „Am 9. September der 11. Indiktion, an einem Sonntag, fand um 11 Uhr vormittags während des Gottesdienstes eine vollständige Sonnenfinsternis statt.“912 Ein um eine Woche abweichendes Tagesdatum geben die Annales Sithienses mit dem 17. September 787 an.913 Von den genannten Beschreibungen mit Datumsangaben ist diese die genaueste. Drei weitere Annalenwerke geben die Finsternis wieder mit minimal kurzen Einträgen (eclipsis solis facta est) an.914 Wahrscheinlich bezieht sich auch der zum Jahr 788 genannte Eintrag der Annales des Klosters Stablo auf diese Sonnenfinsternis,915 denn für das genannte Jahr sind keine über Europa sichtbaren Sonnenfinsternisse berechnet worden. || 906 Annales Flaviniacenses, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 3, 151: Sol eglypsin pertulit, 2. Feria, 2. Non. Iunii; Annales Cavenses, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 3, 187: Hoc anno facta est eclipsis solis pridie Nonas Iunias, die Lunis, hora sexta, luna vicesima nona; Annales regni Francorum, ad a. 764. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer Germ. 6, 23: Eclipsis solis facta est II. Non. Iun. Hora sexta. 907 Annales Stabulenses, ad a. 764. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: eclipsis solis; Annales S. Amandi breves, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 2, 184: eclipsis solis; Annales S. Amandi brevissimi, ad a. 764. Ed. Waitz, MGH SS 13, 38: eclipsis solis. 908 Saroszyklus 88: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/764-06-04.gif (2.4.2016). 909 Annales Bawarici breves, ad a. 785. Ed. Pertz, MGH SS 20, 8: Eclipsis solis bis. 910 Annales Laureshamenses, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 33: Eclipsis solis facta est hora secunda 16. Kal. Octobris die dominica. Et in eodem anno domnus rex Carlus venit per Alamanniam usque ad terminos Paioariorum cum exercitu. 911 Saroszyklus 105: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/787-09-16.gif (2.4.2016). 912 Theophanes der Bekenner, ad a. 787, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 119. 913 Annales Sithienses, ad a. 787. Ed. Waitz, MGH SS 13, 36: Eclypsis solis facta est 15. Kalendas Octobris. 914 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 787. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 18: Et eclipsis facta est solis; Annales Weissenburgenses, ad a. 787. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 19: Et eclipsis facta est solis; Annales Ottenburani, ad a. 787. Ed. Pertz, MGH SS 5, 2: Eclipsis solis facta est. 915 Annales Stabulenses, ad a. 788. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: eclipsis solis.

206 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

2.7.3 Sonnenfinsternisse im 9. Jahrhundert Zu den solaren und lunaren Eklipsen des beginnenden 9. Jahrhunderts wurde eine eigene Studie vorgelegt,916 zu der hier aber in einigen Fällen neue Details hinzugefügt werden können. Zum Jahr 807 führen die Annales Sithienses an, dass sich der Mond und die Sonne gleichermaßen verdunkelt hätten.917 Die Annales Elmarenses ergänzen genaue Daten: eine Sonnenfinsternis am 10. Februar 807 und eine Mondfinsternis am 25. April des Jahres.918 Berechnet wurde die Sonnenfinsternis tatsächlich für den 11. Februar 807, als der Kernschatten über dem Meer zwischen Island und Schottland auf die Erdoberfläche fiel.919 Eine totale Mondfinsternis ist dagegen für den 26. Februar 807 berechnet worden.920 Der Verfasser der Annales Elmarenses hat also nur für die Mondfinsternis ein um zwei Monate abweichendes Datum angegeben. Die Annales Stabulenses und die Annales S. Amandi erwähnen die Sonnenfinsternis hingegen nur kurz ohne genaue Datumsangabe und ohne auf die Mondfinsternis einzugehen.921 Nach verschiedenen westfränkischen Chroniken soll am 16. Juli 809, etwa zur fünften Stunde des Tages, eine Sonnenfinsternis stattgefunden haben.922 Berechnet wurde eine Eklipse für den 16. Juli 809 gegen 11:19 Uhr; die Bahn des Kernschattens verlief über der Nordsee, Norwegen und Schweden.923 Die Quellen sind in diesem Fall also sehr genau.924 Das Jahr 810 war in Fragen der astronomischen Ereignisse für die zeitgenössischen Beobachter insofern von großer Besonderheit, als es zwei Sonnenfinsternisse und zwei Mondfinsternisse gab.925 Während die Annales S. Amandi und die Annales

|| 916 McCluskey, Changing contexts (2003). 917 Auctarium Sithiense, ad a. 807. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 442: Hoc anno luna ter obscurata est, et sol semel. 918 Annales Elmarenses, ad a. 807. Ed. Grierson, 80: Eclipsis solis IV id. Februarii, et eclipsis lune IV kal. Martii, et iterum eclipsis lune XI kal. Septembris. 919 Saroszyklus 82: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/807-02-11.gif (25.3.2016). 920 Saroszyklus 94: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0807-02-26T.gif (25.3.2016). 921 Annales Stabulenses, ad a. 807. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: eclipsis solis. Annales S. Amandi breves, ad a. 807. Ed. Pertz, MGH SS 2, 184: eclipsis solis; vgl. McCluskey, Changing contexts (2003), 208. 922 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 809. Ed. Marchegay/Mabille, 156: Hoc anno, XVIIo kalendas augusti, IIa feria, incipiente hora diei Va, eclipsis solis apparuit, luna XXIXa; Chronica Rainaldi archidiaconi Sancti Mauricii, ad a. 809. Ed. Marchegay/Mabille, 4: DCCCIX. Hoc anno, XVIIo kalendas augusti, incipiente hora diei quinta, eclipsis solis apparuit; Annales Wintonienses. Ed. Liebermann, ad a. 809, 64: Hoc anno 17 kal. Augusti, 2 feria, incipiente hora diei 5, eclipsis solis apparuit, luna 29. 923 Saroszyklus 107: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/809-07-16.gif (2.4.2016). 924 Vgl. McCluskey, Changing contexts (2003), 208; Schove, Chronology (1984), 176. 925 Schove/Fletscher, Chronology (1987), 176–178; McCluskey, Changing contexts (2003), 208.

Sonnenfinsternisse | 207

Stabulenses nur kurz erwähnen, im Jahr 810 habe eine Sonnenfinsternis (eclipsis solis) stattgefunden,926 wissen es die Annales Sithienses, die Annales Xantenses und die Annalen von Einsiedeln deutlich genauer zu berichten: Für das Jahr 810 geben diese Annalisten gleichermaßen an, dass Sonne und Mond verschwanden, die Sonne am 10. Juli und am 12. Dezember 810, der Mond am 21. Juni und 13. Dezember 810.927 Berechnet wurden die totalen Sonnenfinsternisse für den 5. Juli 810928 und den 30. November 810.929 Die totalen Mondfinsternisse fielen laut Berechnung auf den 20. Juni 810930 und den 14. Dezember 810.931 Bemerkenswerterweise gaben die Annalisten also einmal einen Tag zu viel und einmal einen Tag zu wenig an. Die zweifache Sonnenund Mondfinsternis im Jahr 810 beunruhigte auch Karl den Großen, und er ersuchte über Abt Waldo von St-Denis den ebendort lebenden irischen Gelehrten Dungal um Auskunft über deren Bedeutung.932 Für das Jahr 812 erwähnen zwei westfränkische Annalen eine Eklipse mit kurzen Formulierungen.933 Etwas ausführlicher, aber immer noch ungenau, ist der Fuldaer Annalist.934 Nur die Annales Elmarenses teilen als Tagesdatum den 15. Mai mit.935 Am ausführlichsten und korrektesten weiß wieder einmal Theophanes der Bekenner Bescheid, dessen Eintrag lautet: „Am Freitag, dem 14. Mai, war eine große Sonnenfinsternis, dreieinhalb Stunden lang, von zwei Uhr nachmittags bis etwa fünf Uhr.“936 Berechnet wurde die Sonnenfinsternis für den 14. Mai 812 gegen 12:55 Uhr (TD). Die Bahn des Kernschattens verlief genau über die türkische Halbinsel und Syrien.937

|| 926 Annales S. Amandi breves, ad a. 810. Ed. Pertz, MGH SS 2, 184: eclipsis solis. Annales Stabulenses, ad a. 810. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: eclipsis solis. 927 Annales Heremi 2, ad a. 810. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 247: Hoc anno sol et luna bis defecerunt, sol VII. id. iun. et II. kal. dec., luna XI. kal. Iul. et XIX. kal. ian.; Annales Sithienses, ad a. 810. Ed. Waitz, MGH SS 13, 37: Sol et luna bis defecerunt, sol 6. Id. Iul. et 2. Id. Decembr., luna 11. Kal. Iul. et 18. Kal. Ianuar.; Annales Xantenses, ad a. 810. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 4: Sol et luna bis defecerunt, sol VI. idus Iunii et luna XI. Kal. Iulii. 928 Saroszyklus 117: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/810-11-30.gif (6.4.2016). McCluskey, Changing contexts (2003), 208 hält dies für eine „fictious eclipse“. 929 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/810-11-30.gif (6.4.2016). 930 Saroszyklus 91: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0810-06-20T.gif (25.3.2016). 931 Saroszyklus 96: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0810-12-14T.gif (25.3.2016). 932 Dungals Antwort von 811 ist in Form einer Briefabhandlung (MGH Epp. 4, 570–578) über die astronomischen Grundlagen der Himmelserscheinungen überliefert; vgl. Leonardi, Dungal (1986), 1456–1458. 933 Annales Stabulenses, ad a. 812. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: eclipsis solis. Annales S. Amandi breves, ad a. 812. Ed. Pertz, MGH SS 2, 184: eclipsis solis. 934 Annales Fuldenses, ad a. 812. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 19: Hoc anno post meridiem solis eclipsis fuit. 935 Annales Elmarenses, ad a. 812. Ed. Grierson, 81: Eclipsis solis idus Maiy. 936 Theophanes der Bekenner, ad a. 812, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 165. 937 Saroszyklus 99: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/812-05-14.gif (2.4.2016).

208 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Obwohl der Kernschatten der nächsten Sonnenfinsternis für den 4. Mai 813 gegen 5:02 Uhr (TD) von Norden kommend über Osteuropa verlief und nicht über Konstantinopel,938 hielt Theophanes der Bekenner fest: „Am 4. Mai war eine Sonnenfinsternis, um die Zeit des Sonnenaufganges, als die Sonne der astronomischen Berechnung nach im 12. Grade des Stieres stand, und große Furcht befiel die Menge.“939 Der Fuldaer Annalist überliefert sodann für den 5. Februar 817 eine Finsternis der Sonne (eclipsis solis) und verband diese Aussage damit, dass in dieser Nacht ein Komet zu sehen gewesen sei.940 Dies ist einer der seltenen Fälle einer Verwechselung, denn er hat zwar korrekt eine Eklipse angegeben, aber eine des Mondes.941 Der „Astronomus“ genannte Autor suggeriert zum Jahr 818 eine Verbindung zwischen dem Tod der Königin Irmingard (gestorben am 3. Oktober 818) und einer Sonnenfinsternis: „Darauf verließ der Kaiser das Gebiet der Bretagne und kehrte nach Angers zurück, wo Königin Hirmengardis schon längere Zeit krank darniederlag, sie lebte noch zwei Tage nach der Rückkehr des Kaisers und starb dann am 3. Oktober. Im gleichen Jahr trat am 8. Juli eine Sonnenfinsternis ein.“942 Das Tagesdatum der Eklipse wird auch von anderen Annalen überliefert.943 Berechnet wurde diese Sonnenfinsternis für den 7. Juli 818 gegen 7:54 Uhr (TD). Da die Zugbahn des Kernschattens auf der Höhe von Island in Richtung Spitzbergen verlief,944 war in Mitteleuropa nur der Randbereich zu beobachten. Für das folgende Jahr 819 ist eine große Finsternis (eclypsis maxima) überliefert.945 Berechnet wurde eine Eklipse der Sonne für den 26. Juni 819 gegen 8:47 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des Kernschattens von Westafrika zur saudi-arabischen Halbinsel.946

|| 938 Saroszyklus 109: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/813-05-04.gif (2.4.2016). 939 Theophanes der Bekenner, ad a. 813, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 172. 940 Annales Fuldenses, ad a. 817. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 20: Eclipsis solis facta est Nonis Febr.; eadem nocte stella cometes gladio similis visa est; Annales Sithienses, ad a. 817. Ed. Waitz, MGH SS 13, 37: Eglypsis lunae facta Non. Febr. Eadem nocte stella cometes gladio similis visa. 941 Saroszyklus 85: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0817-02-05T.gif (2.4.2016). 942 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 31. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 388 f.: Quibus peractis, imperator a finibus Btittanniae pedem retulit, et Andegavorum urbem repetivit. Ubi dum Hirmengardis regina longo fatigaretur incommodo, duobus post regressionem imperatoris diebus supervixit, et tertio die obiit, quinto Nonas Octobris. Quo anno eclipsis contigit solis 8. Idus Iul. 943 Annales Fuldenses, ad a. 818. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 21: Eclypsis solis contigit VIII. Idus Iulii; Annales Sithienses, ad a. 818. Ed. Waitz, MGH SS 13, 37: Eclypsis solis facta 8. Idus Iulii. 944 Saroszyklus 88: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/818-07-07.gif (4.4.2016). 945 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 819. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: eclypsis maxima. 946 Saroszyklus 98: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/819-06-26.gif (4.4.2016).

Sonnenfinsternisse | 209

Die Annalen von Fulda überliefern zum Jahr 832 eine Sonnenfinsternis am 3. Mai und eine Mondfinsternis am 20. Mai.947 Genauer geben die Annales Bertiniani die Zeit der Mondfinsternis mit dem 18. April, nach Sonnenuntergang, an.948 Berechnet wurde diese totale Mondfinsternis auf den 18. April 832 gegen 20:51 Uhr (TD),949 also über einen Monat vor dem von den Annales Fuldenses angegebenen Datum. Eine über Europa sichtbare Sonnenfinsternis ist für das Jahr 832 hingegen nicht berechnet worden. Ähnlich wie in den Annales Fuldenses ist in der Petri Bibliothecarii Historia Francorum abbreviata von zwei Ereignissen die Rede, einer Sonnenfinsternis am 6. Mai 833 und einer Mondfinsternis am 19. April 833. „Im Jahr darauf wurde der Kaiser [Ludwig der Fromme], verlassen von den seinen, von seinen Söhnen gefangen (…).“950 Dies ist eine um ein Jahr gegenüber den Annales Bertiniani und den berechneten Angaben versetzte Datierung der Mondfinsternis, mit der der Verfasser der Historia hier die Eklipse instrumentalisierte. Für eine über Europa sichtbare Sonnenfinsternis gibt es aber weder 832 noch im Mai 833 Anhaltspunkte. Berechnet wurde hingegen eine Sonnenfinsternis, deren Schatten über Portugal und Spanien nach Nordafrika verlief, für den 17. September 833.951 Bemerkenswert ist, dass dies die einzige Stelle ist, an der der Fuldaer Annalist eine Sonnenfinsternis nennt, obwohl er Naturereignisse sonst in großer Zahl erwähnt. Genau diese Stelle ist aber entweder ein Irrtum oder aber sogar eine bewusste Instrumentalisierung. Eine Gelegenheit zur Verknüpfung, die in den Quellen ihren Niederschlag fand, bildeten eine Sonnenfinsternis952 am 5. Mai 840,953 zwischen siebter und neunter

|| 947 Annales Fuldenses, ad a. 832. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 26; FSGA 7, 20 f.: Sol defecit II. Nonas Maii et luna XIII. Kalendas Iunii. 948 Annales Bertiniani, ad a. 832. Ed. Grat u. a., 6; FSGA 6, 16 f.: Quo etiam tempore eclipsis lunae tercio decimo Kalendas Mai post solis occasum facta est. 949 Saroszyklus 93: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0832-04-18T.gif (29.3.2016). 950 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 833. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: eclypsis solis 2. Non. Maii, lunae vero 13. Kalend. Maii. Sequenti anno imperator a suis desertus, a filiis captus. 951 Saroszyklus 96: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/833-09-17.gif (14.8.2016). 952 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 185. 953 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 5, 38: Eclypsis solis accidit in diebus laetaniarum 3. Non. Mai 4. feria circa horam diei octavam et permansit fere hora dimidia adeo obscura, ut stellae in caelo clarissime apparerent; Annales Lugdunenses, ad a. 840. Ed. Pertz, MGH SS 1, 110: Eclypsis solis accidit in diebus laetaniarum 3. Nonas Maias 4. Feria circa horam diei octawam, et permansit fere hora dimedia; adeo obscura, ut stellae in caelo apparerent.

210 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Stunde,954 und der Tod Kaiser Ludwigs des Frommen nur 15 Tage später am 20. Juni 840.955 „Astronomus“ schrieb: „Der Mond, der sich vor die Sonne geschoben hatte, ließ, während er allmählich nach Osten vorrückte, ihr Licht im Westen sichelförmig wieder hervortreten, auf dieselbe Weise, wie der Mond am ersten oder zweiten Tag erscheint. So erhielt die Scheibe im Anwachsen wieder ganz ihren vollen Glanz. Diese Vorzeichen gehören zwar dem Bereich der Natur an, doch erfüllte es sich in einem beklagenswerten Ausgang: Denn es wurde damit vorausgesagt, dass jenes größte Licht unter den Sterblichen, das im Hause Gottes auf einen Leuchter gestellt ist und allen leuchtet – ich meine damit den Kaiser hochseligen Andenkens, bald den irdischen Dingen enthoben und die Welt durch sein Scheiden in einer Finsternis der Trübsal zurückgelassen werden sollte.“956

Prudentius betont in den Annales Bertiniani, dass die Sonnenfinsternis von sehr vielen beobachtet wurde.957 Berechnet wurde sie für den 5. Mai 840 gegen 12:57 Uhr (TD),958 wobei die Zugbahn des Kernschattens über Südfrankreich, Norditalien und dem Schwarzen Meer lag. Die in den Flores Historiarum des Roger von Wendover genannte Sonnenfinsternis am 1. Oktober 848 zur sechsten Stunde des Tages959 ist nicht berechnet worden und es liegt auch keine Verwechslung mit einer Mondfinsternis vor. Sollte Roger sich nicht geirrt haben, muss die Verdunkelung der Sonne anders ausgelöst worden sein.

|| 954 Annales regum Sangallenses, ad a. 840. Ed. Waitz, MGH SS 13, 718: Eclipsis solis 4. Nonas Maias 7. hora. Hludowicus imperator defunctus est 12. Kalendas Iulias; Annales Yburgenses, ad a. 840. Ed. Pertz, MGH SS 16, 436: Eclipsis solis 4. Idus Mai circa septimam et octavam horam diei facta est tam valide ut etiam stellae propter obscuritatem solis visae sint, rebusque color in terris mutaretur. 955 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 840. Ed. Verdon, 70 f.: tunc eclipsis solis fuit et domnus Ludovicus obiit .xii. kalendas Junii, anno DCCCXL; Chronicon Aquitanicum, ad a. 840. Ed. Pertz, MGH SS 2, 253: 3. Nonas Maias, 4. feria, hora 8. eclipsis solis fuit, et 12. Kalendas Iulii Hludowicus imperator obiit. 956 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 62. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 545: Quo in tempore deliquium solis contigit tertia die letaniae maioris insolitum: In tantum enim lucis recessu tenebre praevaluerunt, ut nihil a noctis veritate differre videretur. Stellarum namque ratus ordo ita cernebatur, ut nullum sidus ebitudinem lucis solaris pateretur, quin potius luna que se ei adversam praebuerat, paulatim orientem petendo corniculatim illi lumen a parte occidentali restitueret, in morem sui, quando prima vel secunda cernitur, et sic per augmenta totam venustatem tota rota reciperet. Quod prodigium licet naturae asscribatur, tamen lamentabili exitu consummatum est: Portendebatur enim per hoc, maximum illud lumen mortalium, quod in domo Dei supra candelabrum positum omnibus lucebat – piissime recordationis imperatorem dico –, maturrime rebus humanis subtrahendum, mundumque eius abscessu in tenebris tribulationum relinquendum. 957 Annales Bertiniani, ad a. 840. Ed. Grat u. a., 36; FSGA 6, 50 f.: Eclipsis solis 3. Non. Mai. Ante nonam diei horam multis in locis a plurimis visa est. 958 Saroszyklus 90: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/840-05-05.gif (4.4.2016). 959 Roger von Wendover, Flores Historiarum, ad a. 848. Ed. Hewlett, Rolls Series 84, 43, Simeon von Durham. Ed. Whitelock, Rolls Series 75.2, 256): And the same year there was an eclipse of the sun, on 1 October, at the sixth hour of the day.

Sonnenfinsternisse | 211

Auch den umgekehrten Fall gibt es; so ist eine Sonnenfinsternis für den 18. August 863 gegen 7:56 Uhr (TD) berechnet worden, deren Zugbahn des Kernschattens über Spanien, Südfrankreich, Italien und den Balkan führte.960 Obwohl der Kernschattenbereich genau über Europa verlief, ist diese Eklipse nicht in den Quellen überliefert worden. So ist zu fragen, warum sie nirgendwo genannt wurde. Von der Witterung des Jahres 863 ist nur bekannt, dass der Winter im Rheinland stürmisch, veränderlich und sehr regnerisch gewesen ist.961 Eine Verwechslung liegt im folgenden Fall vor: Das Chronicum Scotorum962 überliefert eine Mondfinsternis für den 1. Januar 865 und eine Sonnenfinsternis im selben Monat.963 Eine totale Mondfinsternis wurde aber für den 15. Januar 865 gegen 19:08 Uhr (TD) berechnet,964 eine Sonnenfinsternis für den 1. Januar 865 gegen 14:19 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des über Irland und Schottland.965 Der Chronist hat zwar den richtigen Monat angegeben, aber die Tagesdaten der Finsternisse vertauscht. Das im 13. Jahrhundert kompilierte Chronicon Sancti Florentii Salmurensis überliefert zum Jahr 874 irrtümlich eine Sonnenfinsternis,966 die mit dem Tod Karls des Kahlen in Verbindung gebracht wird.967 Dieser verstarb jedoch am 6. Oktober 877. Weder für 874 noch für 877 wurden über Europa beobachtbare Sonnenfinsternisse berechnet. Aber im Jahr 875 fand am 11. Januar gegen 11:59 Uhr (TD) eine Sonnenfinsternis statt, die auch über Europa beobachtet werden konnte,968 da die Bahn des Kernschattens über Island und die Nordsee verlief.969 Der Versuch, den Tod Karls des Kahlen mit einer Sonnenfinsternis in Übereinstimmung zu bringen, ist nicht gelungen und überrascht angesichts der sonstigen Genauigkeit, welche die Chronisten bei ihren Beobachtungen an den Tag legten. Aufgrund der angegeben achten Stunde hat der Chronist wahrscheinlich die im folgenden Jahr stattgefundene Sonnenfinsternis

|| 960 Saroszyklus 107: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/863-08-18.gif (6.4.2016); vgl. Schroeter, Spezieller Kanon (1923), 4 f., 93 f. Nr. 62. 961 Vgl. Kap. 3.1.2 Unwetter im 9. Jahrhundert. 962 Chronicum Scotorum, ad a. 865. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 159: An eclipse of the sun on the 1st of January, and an eclipse of the moon in the same month. 963 Schroeter, Spezieller Kanon (1923), 198 f. Nr. 147; Newton, Medieval Chronicles (1972), 655. 964 Saroszyklus 96: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0865-01-15T.gif (29.3.2016). 965 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/865-01-01.gif (04.4.2016). 966 Breve Chronicon Sancti Florentii Salmurensis, ad a. 874. Ed. Marchegay/Mabille, 184: DCCCLXXVII. Hoc anno Carolus Calvus rex obiit, trigesimo septimo anno, et eclipsis solis facta est mirabilis, hora octava. 967 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 879. Ed. Verdon, 76 f.: Anno DCCCLXXVIIII Karolus Calvus imperator Romanorum et rex Francorum obiit, et filius Ludovicus regnum suscepit, et eclipsis solis mirabilis facta est hora nona. 968 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 875. Ed. Verdon, 66 f.: Anno DCCCLXXV Eclipsis solis facta est mirabilis; hora nona. 969 Saroszyklus 113: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/875-01-11.gif (4.5.2016).

212 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

benutzt, wie es auch andere Chronisten taten.970 Als Vorbild für sein Vorhaben könnte die Koinzidenz der Sonnenfinsternis des Jahres 840 mit dem Tod Ludwigs des Frommen gedient haben. Ein Komet war im Monat Juli sichtbar971 und eine Sonnenfinsternis am 28. Oktober zu sehen. Als Jahr wird 874,972 aber auch 875973 oder 876 angegeben.974 Berechnet wurde eine Sonnenfinsternis für den 29. Oktober 878, also zwei Jahre nach der spätesten Datierung, die in den Quellen gegeben wird. Der Kernschatten wies gegen 14:00 Uhr (TD) den Maximalwert auf und verlief über Irland, Schottland,975 England und die norddeutsche Tiefebene in Richtung Osteuropa.976 Die Eklipse wurde auch von mehreren anderen Quellen überliefert: „Dies geschah im Oktober, und ungefähr um die Mitte dieses Monats trat eine Sonnenfinsternis ein, um die achte Stunde des Tages, in der zwölften Indiktion.“977 Teilweise wird sogar die genaue Dauer mit einem Wert von einer halben Stunde angegeben978 und betont, dass die Sterne zu sehen gewesen seien.979 Simeon von Durham nennt dann zum Jahr 879 eine Sonnenfinsternis zwischen der Gebetszeit der Non und jener der Vesper.980 Berechnet wurde diese Eklipse für den 26. März 879 gegen 16:42 Uhr (TD), also genau in dem vom Chronisten angegebenen Zeitfenster. Aufgrund der angeführten Uhrzeit auf dieselbe Sonnenfinsternis am 26. || 970 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 877. Ed. Marchegay/Mabille, 160: Et eclipsis solis facta est mirabilis, hora VIIIa. 971 Vgl. Kap. 2.2.3 Kometensichtungen im 8. und 9. Jahrhundert. 972 Breve Chronicon Sancti Florentii Salmurensis, ad a. 874. Ed. Marchegay/Mabille, 184: Cometa visa est mense julio, et eclipsis solis fuit Vo kalendas novembris. 973 Chronica Rainaldi archidiaconi Sancti Mauricii, ad a. 875. Ed. Marchegay/Mabille, 7: Cometes visa mense julio, et eclipsis solis fuit vo kalendas novembris. Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 875. Ed. Marchegay/Mabille, 160: Fames valida per universum Karoli regnum incubuit. Cometa visa est mense julio, et eclipsis fuit solis Vo kalendas novembris 974 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 876. Ed. Verdon, 66 f.: Cometa visa est mense julio, et eclipsis solis fuit mirabilis V° kal. Novembris. 975 Chronicum Scotorum, ad a. 878. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 167: An eclipse of the sun, a dark noon. 976 Saroszyklus 115: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/878-10-29.gif (4.4.2016). 977 Annales Vedastini, ad a. 878. Ed. von Simson, MGH rer. Germ. 12, 43, FSGA 6, 294 f.: Actum est hoc mense Octobrio, ipsoque mense fere mediante eclypsis solis facta est hora diei VIII. indictione XII; Annales Floriacenses, ad a. 878. Ed. Pertz, MGH SS 2, 254: (…) et eclypsis solis secuta est eodem mense 4. Kal. Novemb. luna vicesima octava, utroque sidere in quindecim diebus deficiente. 978 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 878. Ed. Pertz, MGH SS 5, 38: 4. Kal. Novembris eclypsis solis. 4. feria circa oram diei octavam, et permansit fere hora dimidia adeo obscura, ut stellae clarissimae apparerent. 979 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 878. Ed. Pertz, MGH SS 1, 418: 4. Kalendas Novembris hora nona officii eclypsis solaris maxima, ut stellae apparerent. Annales Besuenses, ad a. 878. Ed. Pertz, MGH SS 2, 248: Tercio Kal. Novembris eclipsis solis 4 feria circa horam diei octavam, et permansit fere hora dimida, adeo obscura ut stelle carissime apparerent 980 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 879. Ed. Arnold, 85: Eclipsis inter nonam et vesperam (…) facta est eodem anno.

Sonnenfinsternisse | 213

März 879, die aber um ein Jahr zu spät auf 880 datiert wurde, lässt sich der von Sigebert von Gembloux gemachte Eintrag zurückführen.981 Die Bahn des Kernschattens einer weiteren Sonnenfinsternis wurde für den 16. Juni 885 gegen 10.58 Uhr (TD) genau über Schottland berechnet982 und so verwundert es nicht, dass das Chronicum Scotorum für das Jahr 885 eine Sonnenfinsternis erwähnt, bei der die Sterne zu sehen gewesen seien.983 Johannes Skylitzes überliefert für das Jahr 888,984 dass „zu jener Zeit um die sechste Tagesstunde eine Sonnenfinsternis eintrat. Es zeigten sich sogar die Sterne, der Wind wehte stürmisch und es kam zu einem grässlichen Gewitter mit gefährlichen Blitzen. Von ihnen wurden sogar sieben Menschen auf der Treppenflucht des heiligen Konstantin auf dem Forum erschlagen.“985 Berechnet wurde diese Sonnenfinsternis allerdings für den 4. April 889 gegen 5:18 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des Kernschattens fast genau über Konstantinopel.986 Die Annales Alamannici überliefern das Erscheinen eines Kometen und einer Sonnenfinsternis im Jahr 891.987 Berechnet wurde diese Finsternis für den 8. August 891 gegen 10:58 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des Kernschattens über die Bretagne, Norditalien und Griechenland in Richtung Syrien.988

2.7.4 Sonnenfinsternisse im 10. Jahrhundert Johannes Skylitzes überliefert sodann etwas unbestimmt für die Zeit „nach 904“: „Zur gleichen Zeit trat eine gewaltige Sonnenfinsternis ein, die dem Kaiser Veranlassung bot, Pantoleon, den Metropoliten von Synada, zu Rate zu ziehen, der eine astronomische Ausbildung genossen hatte; wollte er doch in Erfahrung bringen, wohin die Finsternis ziele. Als dieser daran war, sich zum Kaiser hineinzubegeben, fing ihn Samonas ab, um ihn zu befragen, wen das Unglück beträfe. Dessen Antwort war: ‚Dich! Falls du aber über den dreizehnten Juni hinwegkommst, kann dir nichts Widriges mehr widerfahren.‘ Auch der Kaiser befragte ihn in dieser Sache, und er gab die Auskunft, das Unheil werde eine andere Person treffen. Der Kaiser

|| 981 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 880. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 342: Sol hora diei nona ita obscuratus est, ut stellae in caelo apparerent. 982 Saroszyklus 109: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/885-06-16.gif (4.4.2016). 983 Chronicum Scotorum, ad a. 885. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 169: An eclipse of the sun, and stars were seen in heavens. 984 1. September 888 bis 31. August 889. 985 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Leon 8, in: Byzanz. Ed. Thurn, 212. 986 Saroszyklus 111: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/889-04-04.gif (4.4.2016). 987 Annales Alamannici, ad a. 891. Untersuchungen. Ed. Lendi, 182: Stella cometis, eclypsis solis. 988 Saroszyklus 98: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/891-08-08.gif (4.4.2016).

214 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

mutmaßte, diese zweite Person sei sein eigener Bruder Alexandros. Welchen Ausgang die Prophezeiung aber nahm, wird der weitere Verlauf unserer Darstellung zeigen.“ 989

Der genannte Samonas wurde verraten, verhaftet und zum Mönch gemacht, alles innerhalb der prophezeiten Frist. Die am ehesten zur Angabe „nach 904“ passende nächste Sonnenfinsternis, die über Konstantinopel beobachtet werden konnte, fand am 26. April 906 gegen 10:51 Uhr (TD) statt.990 Vom 26. April bis zum 13. Juni, dem in der Quelle angekündigten Datum, sind es genau 49 Tage oder sieben Wochen. Die Sonnenfinsternis kündigt hier also in ihrer zugedachten Funktion als eclypsis prodigialis ein Unglück an. Eine nur über Spanien sichtbare Sonnenfinsternis ist für den 17. Juni 912 in Cordoba überliefert991 und auch berechnet worden.992 Verschiedene Quellen überliefern eine Sonnenfinsternis für den 19. Juli 939993 bzw. eine Woche vorher.994 In der Darstellung etwas überzogen, aber chronologisch korrekt, formuliert die Chronik der Schotten hierzu: „Die Farbe der Sonne war blutrot vom Beginn des einen Tages bis zur Mitte des folgenden.“995 In einige Annalen findet sich eine irrige Jahresangabe: So wird die Sonnenfinsternis in den Annales Casinates mit dem richtigen Tagesdatum etwa zum Jahr 938 gestellt,996 eine andere Quelle ergänzt ein Sterben unter den Menschen.997 Berechnet wurde die betreffende Finsternis für den 19. Juli 939 gegen 9:28 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des Kernschattens über Spanien und Italien in Richtung Schwarzes Meer.998 || 989 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Leon 33, in: Byzanz. Ed. Thurn, 228. 990 Saroszyklus 101: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/906-04-26.gif (4.4.2016). 991 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 185. 992 Saroszyklus 90: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/912-06-17.gif (4.4.2016). 993 Liutprand von Cremona, Antapodosis, 5, 2. Ed. Chiesa, 124; FSGA 8, 450 f.: Hoc in tempore, ut ipsi bene nostis, sol magnam et cunctis terribilem passus est eclipsing sexta feria, hora diei tertia; qua etiam die Abderahamem, rex vester, a radamiro christianissimo rege Gallitiae in bello est superatus; Annales Sangallenses maiores, ad a. 939. Ed. Zingg, 168 f.: Ecclypsis solis facte est circa horam tertiam diei 14. Kal. Aug. in 4. anno Ottonis Regis in 6. feria, luna 29. 994 Annales Corbeienses, ad a. 939. Ed. Pertz, MGH SS 3, 4: Sol visus est inminutus tertia diei hora 4. Idus Iulias; Annales Pragenses, ad a. 939. Ed. Pertz, MGH SS 3, 119: Sol visus est minutus; Annales Barenses, ad a. 939. Ed. Pertz, MGH SS 5, 54: obsucratus est sol et apparuerunt stellae mense Iulii adstante tertia die, feria 3. hora 3. luna 29. 995 Chronicum Scotorum, ad a. 939. Ed. Hennessy, 173: The sun was the colour of blood from the beginning of day to midday on the following day. 996 Annales Casinates, ad a. 938. Ed. Pertz, MGH SS 3, 172: Ind. 12, 13. die stante mense Iulio feria 6, luna 29. obscuratus est sol ab hora tertia usque pene ora 5. Aspiciebamus nos solem, non havebat ullam fortitudinem, nec ad splendorem, nec ad calorem; videbamus vero coelum, et mutatum erat color illius tamquam libidus, et alii dixerunt, ut viderent solem tamquam dimidum; Annales Beneventani, ad a. 938. Ed. Pertz, MGH SS 3, 175: Sol obscuratus est. 997 Martin von Troppau, Chronicon, ad a. 938. Ed. Weiland, MGH SS 22, 464: Istus tempore sol factus es sicut sanguis. Unde post paucos dies magna cedes hominum secuta est. 998 Saroszyklus 109: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/939-07-19.gif (4.4.2016).

Sonnenfinsternisse | 215

Die Annales Blandinienses überliefern, dass im Jahr 951, am 19. Juli zur dritten Stunde, die Sonne verschwand und bis zum September im Osten ein Stern, also ein Komet, erschien.999 Hier scheint eine Verwechselung mit einer Sonnenfinsternis vorzuliegen, die für den 9. Juli 948 gegen 9:45 Uhr (TD) berechnet werden konnte.1000 Monat und Uhrzeit würden in diesem Fall übereinstimmend richtig angegeben worden sein. Als nächstes erwähnen die Annales Floriacenses eine Sonnenfinsternis für den 22. Dezember 956.1001 Eine im Dezember über Europa sichtbare Sonnenfinsternis fand nach den Berechnungen am 13. Dezember 958 gegen 9:51 Uhr (TD) statt.1002 Mehrere Annalisten wiederum überliefern zum Jahr 961,1003 genauer zum 17. Mai,1004 eine Sonnenfinsternis. Berechnet werden konnte diese genau für den angegebenen Tag, den 17. Mai 961 gegen 8:49 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des Kernschattens von Spanien in Richtung Ostsee.1005 Im Chronicon Suevicum universale findet sich ein Hinweis auf eine Sonnenfinsternis, die an einem 20. November stattgefunden habe. Anhand der Quelle kann sie jedoch nicht näher als auf die Dekade von 960 bis 970 eingegrenzt werden.1006 Für die gesamte Zeit ist aber keine Sonnenfinsternis berechnet worden, die im November stattgefunden hätte und über Europa zu beobachten gewesen wäre. Das gilt damit auch für die vom Chronicon Salernitanum zum Jahr 960 überlieferte Nachricht, das Licht sei verschwunden.1007 Nach den Vorlagen der Annales Polonorum erschien die Sonne im Jahr 963 rötlich und blutfarben.1008 Berechnet wurde für das Jahr 963 eine über Europa sichtbare Sonnenfinsternis für den 20. September gegen 15:16 Uhr (TD), mit einer Zugbahn des Kernschattens über dem Atlantik in Richtung Westafrika.1009

|| 999 Annales Blandinienses, ad a. 951. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 25: Sol defecit hora 3. 14. Kal. Aug. et apparuit stella ab oriente ardens usque ad mensem Septembris. 1000 Saroszyklus 90: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/948-07-09.gif (4.4.2016). 1001 Annales Floriacenses, ad a. 956. Ed. Pertz, MGH SS 2, 255: Eclipsis solis factus est 11. Kal. Ianuar, et stellae apparuerunt a prima hora usque terciam. 1002 Saroszyklus 86: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/958-12-13.gif (4.4.2016). 1003 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 961. Ed. Pertz, MGH SS 5, 41: Eclipsis solis fit. 1004 Adalbert, Continuatio Reginonis, ad a. 961. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 171: Eclipsis solis 16. Kalendas Iunii. 1005 Saroszyklus 111: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/961-05-17.gif (4.4.2016). 1006 Chronicon Suevicum universale, ad a. 960–970. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 68: Eclipsis solis 11. Kal. Decembr. 1007 Chronicon Salernitanum. Ed. Pertz, MGH SS 3, ad a. 960, 553: Ab hac luce subtractus est. 1008 Annales Polonorum, ad a. 963. Ed. Arndt, MGH SS 19, 614: Lotharius imperavit doubus annis, cuius tempore sol factus fuit rubeus et sanguis. 1009 Saroszyklus 98: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/963-09-20.gif (4.4.2016).

216 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Ein Bericht über tatsächliche Beobachtungen aus dem Bereich des Kernschattens einer Sonnenfinsternis ist für die Eklipse des 22. Dezember 968 überliefert. Diese Finsternis verlief genau über der Stadt Konstantinopel und hatte dort gegen 9:58 Uhr (TD) die größte Bedeckung.1010 Diese Beobachtung genau über Konstantinopel ist insofern besonders, als hierbei zum ersten Mal eine klare Beschreibung der Korona der Sonne geliefert wird:1011 „Mitten unter diesen Ereignissen in Syrien trat um die Wintersonnenwende eine Sonnenfinsternis ein wie noch nie zuvor, abgesehen von jener, die sich während der Leiden unseres Herrn ereignete, als die Juden in ihrem verbrecherischen Wahnsinn den Schöpfer des Alls ans Kreuz schlugen. Der Ablauf dieser Finsternis war folgender: Es war der 22. Dezember, als um die vierte Tagesstunde bei ruhigem, heiterem Himmel Dunkelheit die Erde einhüllte, und alle stärker leuchtenden Sterne sichtbar wurden. Man konnte die unbeleuchtete und glanzlose Sonnenscheibe und einen schwachen, matten Schimmer wahrnehmen, der sie wie ein feiner schmaler Streifen am Rande umgab. Allmählich glitt die Sonne am Mond vorbei – den man sah, wie dieser in der Linie der Sonne gestanden und sie verdeckt hatte –, sandte wieder ihre Strahlen hervor und erhellte von neuem die Erde. Bestürzt über das ungewöhnliche und unbegreifliche Schauspiel, versuchten die Leute, wie es sich geziemt, Gott mit flehentlichen Bitten gnädig zu stimmen. Zu dieser Zeit hielt ich selbst mich in Byzanz auf, um mir die allgemeine Bildung anzueignen.“1012

Die Sonnenkorona verändert sich im Laufe des Fleckenzyklus. Während des Maximums ist ihr Umriss kreisförmig und Strahlen von bis zu zehn Sonnenradien Länge ziehen in alle Richtungen. Da beim Minimum die Korona an den Polen flach ist und nur kurze feine Polarstrahlen sichtbar sind,1013 kann für den 22. Dezember 968 von einem Maximum des Sonnenfleckenzyklus‘ ausgegangen werden. Dabei ist die Sonnenfinsternis zu betonen, welche überhaupt erst die Beobachtung ermöglicht hat. Nicht weit entfernt von Konstantinopel befand sich Liudprand von Cremona zur Zeit der Sonnenfinsternis gerade auf einer Gesandtschaftsreise und hatte vier Tage zuvor ein Erdbeben in der Nähe der Insel Korfu erlebt. Da er sich über seinen Begleiter Michael ärgerte, instrumentalisierte er die Sonnenfinsternis in seinem Text: „Vier Tage später aber am zweiundzwanzigsten Dezember, als ich zu Tische saß und Brot aß mit dem, der wider mich seine Ferse erhob,1014 verbarg die Sonne aus Abscheu vor einer so unwürdigen Tat die Strahlen ihres Lichtes und durch diese Sonnenfinsternis

|| 1010 Saroszyklus 115: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/968-12-22.gif (29.5.2014); vgl. Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 185. 1011 Littmann/Willcox/Espenak, Totality (2009), 304: „968, December 22: First clear description of the corona seen during a total eclipse – by a chronicler in Constantinople.“ 1012 Leo Diakonos, Historia, 72, in: Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 71. 1013 Gürtler/Dorschner, Sonnensystem (1993), 77. 1014 Anspielung auf Joh 13,18: „Aber es muss die Schrift erfüllt werden: ‚Der mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen.‘“

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wurde jener Michael zwar erschreckt, aber nicht gebessert.“1015 Während Liudprand die Sonnenfinsternis hier also bewusst einsetzte, schrieb Anselm, der Verfasser der Geschichte der Lütticher Bischöfe, dass „der kluge Bischof [über etwas stutzte], nicht [aber] über die Sonnenfinsternis, deren natürliche Ursache er bestens kannte, sondern über das abergläubische Verhalten seiner Zeitgenossen.“1016 Die Ursachen der Sonnenfinsternis scheinen beiden Autoren bekannt gewesen zu sein. Die berechnete Bahn des Kernschattens der Sonne lag am 22. Dezember 968 gegen 9:58 Uhr (TD) auch über Mittel- und Süditalien.1017 Mehrere Chronisten aus dortigen Klöstern haben entsprechende Einträge in ihre Werke aufgenommen: so in Benevent1018 oder im Kloster Cava de’ Tirreni, wo der Autor sehr präzise die Zeit der Sonnenfinsternis zwischen neun und zehn Uhr angab.1019 Hermann von Reichenau gab zwar das richtige Jahr an, aber eine irrige Tagesdatierung: Die Sonnenfinsternis sei am 21. November eingetreten.1020 Dies könnte er aus dem Chronicon Suevicum universale übernommen haben.1021 Dass der Annalist von Monte Cassino im folgenden Jahr 969 eingefügt hat: „In diesem Jahr ist die Sonne verdunkelt“,1022 lässt sich noch erklären, aber stärker irritiert, dass auch der Beneventer Annalist sowohl für 968 – also für die rechnerisch nachgewiesene Sonnenfinsternis – als auch für 969 jeweils den Eintrag überliefert: „In diesem Jahr [969] ist die Sonne im Monat Dezember verdunkelt.“1023 Für das Jahr 969 ist keine Sonnenfinsternis berechnet worden. Mehrere Verfasser haben durch ihre Darstellung und ihre Ausdrucksweise klargemacht, dass ihnen der Unterschied zwischen einer tatsächlichen Sonnenfinsternis und einer Verdunkelung der Sonne durch andere Ursachen bewusst war. Der Verfasser der Annalen aus dem Kloster Monte Cassino verzeichnete keine Eklipsen, sondern

|| 1015 Liudprand von Cremona, Legatio, 64. Ed. Chiesa, 217; FSGA 8, 586 f.: Post quatriduum autem, undecimo scilicet Kalendas Ianuarii, dum in mensa positus panem comederem, qui ampliabat super me calcaneum suum, verecundatus sol facinus tam indignum lucis suae radios absecondit et eclipsin passus Michaelem illum terruit, sed non immutavit. 1016 Anselmi Gesta episcoporum Leodiensium, 24. Ed. Koepke, MGH SS 7, 202: Stupet super his prudens antistes, non de eglipsi solis, cuius naturaliter factae optime noverat rationem, (…). 1017 Saroszyklus 115: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/968-12-22.gif (6.4.2016). 1018 Annales Beneventani, ad a. 968. Ed. Pertz, MGH SS 3, 176: Sol obscuratus est decima die stante mense Decembris. 1019 Annales Cavenses, ad a. 969. Ed. Pertz, MGH SS 3, 188: Hoc anno facta est eclipsing solis undecimo Kalendas Ianuarii, hora diei inter tertiam et quartam. 1020 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 968. Ed. Pertz, MGH SS 5, 116; FSGA 11, 647 f.: Eclipsis Solis 11. Kalendas Decembris facta. 1021 Chronicon Suevicum universale, ad a. 960–970. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 68: Eclipsis solis 11. Kalendas Decembris. 1022 Annales Casinates, ad a. 969. Ed. Pertz, MGH SS 3, 172: Hoc anno sol obscuratus est. 1023 Annales Beneventani, ad a. 969. Ed. Pertz, MGH SS 3, 176: Hoc anno sol obscuratus est mense Decembri.

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nur Verdunkelungen und zwar für die Jahre 938 und 969. Diese Beobachtung, kombiniert mit der irritierenden Doppelnennung des Beneventer Annalisten, lässt aber auch eine andere Deutung zu: Die Verdunkelung der Sonne könnte dabei nicht von einer Sonnenfinsternis, sondern von sogenanntem Höhenrauch herrühren. Für das Jahr 969 ist ein Ausbruch des Vulkans Baitoushan im heutigen chinesisch-koreanischen Grenzgebiet dendrochronologisch datiert worden.1024 So könnte es sich bei diesen beiden Nachrichten um Hinweise auf Partikel von Vulkanausbrüchen handeln. Thietmar von Merseburg erwähnt zum Jahr 989: „Doch jetzt muss ich vom Ende der Kaiserin sprechen und die ihm vorausgehenden Zeichen nennen. Im Jahre 989 der Fleischwerdung des Herrn trat am 21. Oktober um die fünfte Tagesstunde eine Sonnenfinsternis ein. Aber ich empfehle allen Christen, die wahre Anschauung anzunehmen: So etwas kommt nicht von Besprechen durch Hexen, vom Verschlingen oder von irgendwelchen irdischen Nachhilfen; es liegt vielmehr am Monde, wie Macrobius und andere Gelehrte bezeugen.“1025 Ernst Schubert bemerkte hierzu: „Schon Thietmar von Merseburg mahnt alle Christen, die Sonnenfinsternis am 21. Oktober 989 als natürlichen Vorgang zu werten. Sie komme durch den Mond und nicht durch irgendwelches Hexenwerk (non aliqua malarum incantatione mulierum) zustande. Das Problem der Aufklärung im Mittelalter liegt vor allem in den Schwierigkeiten, der erst im Werden begriffenen Gesellschaft die Erkenntnisfortschritte mitzuteilen. Was um die Jahrtausendwende dem Merseburger Bischof eine errechenbare Tatsache aus der an den Kathedralschulen unterrichteten Astronomie ist, lässt 300 Jahre später einen Erfurter Chronisten erstaunen. Es habe doch tatsächlich ein Astrologe im Gefolge des Brandenburger Kurfürsten eine Teilfinsternis der Sonne auf Tag und Stunde genau vorhergesagt.“1026

Nach den Hildesheimer Annalen fand ein Jahr später, am 21. Oktober 990, erneut eine Sonnenfinsternis statt, auf die dann ein großes Sterben gefolgt sei.1027 Diese Nachricht

|| 1024 Baitoushan 969 ±20; vgl. http://www.volcanolive.com/baitoushan.html (21.7.2010); Horn/Schmincke, Volatile emission (2000). 1025 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 15. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 148; FSGA 9, 130 f.: Nunc autem de fine imperatricis praedictae locuturus, quae hunc processerint signa, narrabo. Anno dominicae incarnationis DCCCCLXXXVIIII sol defecit XII. Kal. Novembris et V. diei hora. Sei cunctis persuadeo christicolis, ut veraciter credant, hoc non aliqua malarum incantacione mulierum vel esu fieri vel huic aliquo modo seculariter adiuvari posse, sed sicut Macrobius testatur caeterique sapientis fieri asserunt et id de luna. 1026 Schubert, Alltag im Mittelalter (2002), 280 Anm. 51: Chronica S. Petri Erfordensis moderna, ad a. 1290. Ed. Holder-Egger. MGH SS rer. Germ. 42, 298: Item eodem anno quinto die mensis Septembris circa horam terciam facta est eclipsis solis particularis, quam quidam astrologus cum marchione de Brandenburc Erphordiam ad regem veniens longo ante tempore predixerat, et scripserat in quadam apoteca tali mense, tali die ac tali hora esse futuram, quod et ita factum est, sicut predixerat. 1027 Annales Hildesheimenses, ad a. 990. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 25: Et eodem anno eclypsis solis fiebat; quo non modica subsequebatur mortalitas hominum atque iumentorum 12. Kalend. Novembris.

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findet sich auch in den Annales Necrologici Fuldenses1028 und den Quedlinburger Annalen.1029 Die betreffende Sonnenfinsternis wurde für den 21. Oktober 990 mit einer größten Dunkelheit gegen 11:19 Uhr (TD) berechnet,1030 die Bahn des Kernschattens verlief über Dänemark und Osteuropa in Richtung Schwarzes Meer.1031

2.7.5 Sonnenfinsternisse im 11. Jahrhundert Zwar überliefern die aus dem Kloster Mouzon stammenden Annales Mosomagenses die Nachricht, dass die Sonne am 23. August 1005 verdunkelt gewesen sei,1032 aber im Jahr 1005 fand keine über Europa sichtbare Sonnenfinsternis statt. Die Ursache für die Verdunkelung – falls sie tatsächlich zum genannten Datum stattfand – muss deshalb eine andere gewesen sein, kann aber vorerst nicht beantwortet werden. Für den 29. März 1009 ist eine teilweise Sonnenfinsternis mit der größten Bedeckung gegen 8:11 Uhr (TD) berechnet worden.1033 Vor allem im rheinischen Raum und in Lothringen scheint diese Finsternis sichtbar gewesen zu sein. Als Zeit wird in mehreren Quellen aus diesem Gebiet die zweite Stunde, also gegen acht Uhr, angegeben, als Datum korrekt der 29. März 1009.1034 Alpert von Metz führt in seinem Werk De diversitate temporum gleiche mehrere Eklipsen an, die in den Jahren 1017 bis 1019 stattgefunden hätten: zunächst eine Mondfinsternis im Jahr 1017, die für den 6. November 1017 gegen 20:48 Uhr (TD) berechnet wurde,1035 dann in der Osterwoche 1018 (Ostersonntag am 6. April 1018) eine Sonnenfinsternis, die für den 18. April 1018 gegen 16:55 Uhr (TD) berechnet wurde1036 und zum dritten das Erscheinen von Kometen.1037

|| 1028 Annales Necrologici Fuldenses, ad a. 990. Ed. Waitz, MGH SS 13, 206: Hoc anno eclipsis lunae bis, solis autem semel occidit. 1029 Annales Quedlinburgenses, ad a. 990. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 477: Eclipsis solis facta est XII. Kalend. Novemb. hora quinta diei. 1030 Saroszyklus 117: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/990-10-21.gif (6.4.2016). 1031 Vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 242; Newton, Medieval Chronicles (1972), 403. 1032 Annales Mosomagenses, ad a. 1005. Ed. Pertz, MGH SS 3, 161: Decimo Kalendas Septembris sol tenebratus est. 1033 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1009-03-29.gif (4.4.2016). 1034 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1009. Ed. Pertz, MGH SS 16, 731: Eclypsis solis facta est hora diei secunda. Annales S. Iacobi Leodiensis, ad a. 1009. Ed. Pertz, MGH SS 16, 638: Eclypsis solis facta est circa horam diei secundam. Annales Elmarenses, ad a. 1009. Ed. Grierson, 88: Contigit eclipsis solis IV kal. Aprilis, luna XXVIII. Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1009. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 354: Eclipsis solis facta est hora diei secunda. 1035 Saroszyklus 110: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1017-11-06P.gif (4.4.2016). 1036 Saroszyklus 103: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1018-04-18.gif (4.4.2016). 1037 Alpert von Metz, De diversitate temporum, ad a. 1017–1019. Ed. Pertz, MGH SS 4, 718: De eclipsi lunae et solis, et viso comete. [1017] Anno uno antequam concilium Noviomago indictum esset, luna post

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Das Chronicum Scotorum erwähnt für das Jahr 1021 zunächst eine Sonnenfinsternis gegen Mittag und später eine Mondfinsternis im selben Monat.1038 Aufgrund dieser relativen Angaben und der konkreten Konstellation lassen sich durch Berechnungen folgende Daten ermitteln: Eine über Schottland sichtbare totale Sonnenfinsternis fand am 24. Januar 1023 gegen 12:18 Uhr (TD) statt,1039 die partielle Mondfinsternis am 9. Januar 1023 gegen 20:46 Uhr (TD).1040 Dass die Chronologie des Chronicum Scotorum an dieser Stelle um zwei Jahre verschoben ist, bestätigen die Einträge in den Annalen von Ulster,1041 von Tigernach1042 und ebenso in den Annalen von Loch Cé,1043 die jeweils richtig zum Jahr 1023 das Auftreten von Sonnen- und Mondfinsternis im selben Monat überliefern. Auch in den Annales Altahenses maiores wird diese für die Zeitgenossen auffällige Konstellation genannt.1044 Die Annales Elmarenses überliefern zum 24. Januar 1022, also ebenfalls mit falscher Jahresangabe, eine Sonnenfinsternis zur fünften Stunde.1045 Der Kernschatten der berechneten Eklipse1046 lag in Irland,1047 (dem

|| mediam noctem hiberno tempore defecit, et rege sequenti anno [1018] in eodem loco consistente, in paschali ebdomada solis eclipsis facta est. [1019] Tercio quoque anno cometes in aquilonari parte coeli longissimis crinibus et pallida specie visus est. Sequuntur hoc signum multa bella, et in plurimis nationibus maximus sanguis hominum per praelia fusus est. 1038 Chronicum Scotorum, ad a. 1021. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 263: An eclipse of the sun at midday, and an eclipse of the moon in the same month. 1039 Saroszyklus 115: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1023-01-24.gif (29.3.2016). 1040 Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1023-01-09P.gif (29.3.2016). 1041 Annals of Ulster, ad a. 1023. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 461: A lunar eclipse on the fourteenth day of the January moon, that is, on Thursday the fourth of the Ides 10 of January. A solar eclipse, moreover, a fortnight afterwards on the twenty-seventh of the same moon, Thursday the ninth of the Kalends of February. 1042 Annals of Tigernach, ad a. 1023. Ed. Strokes, Bd. 2, 362: An eclipse of the sun at midday, and an eclipse of the moon in the same month. 1043 Annals of Loch Cé, ad a. 1023. Ed. Hennessy, 25: The kalends of January on the 3rd feria, the 2nd of the, moon; the age of the Lord twenty-three years and, a thousand. An eclipse on the l4th of the January, moon, the 4th of the ides of January, on Thursday. An, eclipse of the sun, also, on the 27th of the same moon, on, Thursday, at the end of a fortnight, on the ninth of the, kalends of February. 1044 Annales Altahenses maiores, ad a. 1023. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 17 f.: Ecclypsis lunae ter illo uno anno, ecclypsis solis post natale Domini hora decima diei. 1045 Annales Elmarenses, ad a. 1022. Ed. Grierson, 89: Eclypsis solis IX kal. Februarii, hora quinta. 1046 Saroszyklus 115: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1023-01-24.gif (4.4.2016). 1047 Annals of Inisfallen, ad a. 1023. Ed. Mac Airt, 190 f.: A solar eclipse this year, i.e. the spring of the black cloud; Annals of Loch Cé, ad a. 1023. Ed. Hennessy, 25: 8. The kalends of January on the 3rd feria, the 2nd of the, 9. moon; the age of the Lord twenty-three years and, 10. a thousand. An eclipse on the l4th of the January, 11. moon, the 4th of the ides of January, on Thursday. An, 12. eclipse of the sun, also, on the 27th of the same moon, on, 13. Thursday, at the end of a fortnight, on the ninth of the, 14. kalends of February; Annals of Clonmacnoise, ad a. 1023. Ed. Murphy, 173: There was an Eclipse of the Sunn aboute noon the first of the calends of February.

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nördlichen) England1048 und Schottland.1049 In den in diesen Gebieten geschriebenen Chroniken taucht die Beobachtung dementsprechend häufig auf, aber auch anderswo wurde das Phänomen wahrgenommen.1050 Die aus dem rheinisch-lothringischen Gebiet gemachte Zeitangabe, die Sonne habe sich zu Ostern – in dem Jahr am 14. April – verfinstert, lässt sich damit nicht in Vereinbarung bringen.1051 Dies deutet auf einen Topos. Es kann keine echte Sonnenfinsternis beobachtet worden sein, folglich muss es sich um eine andere Naturerscheinung gehandelt haben. Auch eine Verwechslung des Datums ist ausgeschlossen, denn im 11. Jahrhundert fiel keine Sonnenfinsternis über Europa auf Ostern. Ähnlich scheint es sich mit einer Verfinsterung der Sonne am 19. April 1029 zu verhalten: „Es fand eine Sonnenfinsternis statt, von 10 Uhr [vierte Stunde], bis fast zwölf Uhr [sechste Stunde], aber nicht in der Weise, wie es sonst üblich ist, sondern derart, dass die Sonne erst so erschien, darauf so und später so.“1052 Am 29. Juni 1033 hatte eine Sonnenfinsternis ihre maximale Bedeckung gegen 11:57 Uhr über der Schweiz.1053 Sie ist an vielen Orten beobachtet worden, zumindest sind die historiographischen Nachrichten darüber sehr zahlreich. Zunächst waren dies natürlich Orte, die im Bereich der Zone des Kernschattens lagen, so etwa Lausanne.1054 Die entsprechende Nachricht lautet: „Eine Sonnenfinsternis trat am 29. Juni gegen die siebte Stunde des Tages ein.“1055 Auch aus zentralfranzösischen Orten

|| 1048 Annales Cicestrenses, ad a. 1023. Ed. Liebermann, 90: Hic obscuratus est sol 9 kalendas Februarii; Annales Wintonienses, ad a. 1023 [1020?]. Ed. Liebermann, 71: Hic obscuratus est sol 9 kalendas Februarii. 1049 Chronicum Scotorum, ad a. 1023. Ed. Hennessy, 225: An eclipse of the sun at midday, and an eclipse of the moon in the same month. 1050 Annales Blandinienses, ad a. 1023. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 26: Hoc anno contigit eclipsis solis 9. Kalendas Februarii hora 6. 1051 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1023. Ed. Pertz, MGH SS 16, 731: Eclypsis solis in pascha facta est. Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1023. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 355: In pascha eclipsis solis facta est. 1052 Annales Lemovicenses, ad a. 1029. Ed. Pertz, MGH SS 2, 252: 13. Kal. Mai eclipsis solis facta est ab hora 4 usque pene 6. non ut mos est, sed ita sole prius apparente --- deinde ita --- postea ita ---. 1053 Saroszyklus 111: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1033-06-29.gif (24.5.2014). 1054 Annales Lausannenses, ad a. 1033. Ed. Waitz, MGH SS 24, 780: Sol obsucratus est anno Domini 1033. 1055 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1033. Ed. Pertz, MGH SS 5, 121; FSGA 11, 668 f.: Eclipsis solis 3. Kalendas Iulii circa septimam diei horam facta est.

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wie Nevers1056 oder Dijon1057 sind Berichte überliefert. Einen ausführlichen Eintrag bieten die Annalen des Klosters Blaise1058 oder jene aus süddeutschen Städten wie Augsburg.1059 Aber auch aus solchen Gegenden, in denen nur der Halbschatten sichtbar gewesen sein muss, wie Italien1060 oder Lothringen,1061 sind Nennungen erhalten. Mehrere Annalisten haben die Sonnenfinsternis um ein Jahr zu spät zu 1034 datiert, aber mit der korrekten Angabe des Tages der Heiligen Petrus und Paulus aufgelistet.1062 Am 29. Juni 1033 ist nach den Annales Elmarenses eine Sonnenfinsternis beobachtet worden1063 und Rodulfus Glaber beschreibt, 1033 sei ein Zeichen in der Sonne erschienen, „von der sechsten bis zur neunten Stunde, was schrecklich war. Darauf war die Sonne saphirrot gefärbt.“1064 Berechnet wurde die Sonnenfinsternis für den 29. Juni 1033 gegen 11:57 Uhr (TD) mit einer Zugrichtung des Kernschattens über Südfrankreich und Norditalien in Richtung Osteuropa.1065 Für den 22. Februar 1034 nennen die Annales Cavenses eine Verdunkelung der Sonne, aber in diesem Jahr

|| 1056 Annales Nivernenses, ad a. 1033. Ed. Waitz, MGH SS 13, 90: In hoc anno 3. Kal. Iul., natal. apostolorum Petri et Pauli fuit eclipsis solis, scilicet hora inter terciam et meridiem. 1057 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 1033. Ed. Pertz, MGH SS 5, 41: Hoc anno eclipsis facta est solis die festivitatis sanctorum apostolorum Petri et Pauli, feria 6 meridianis horis, et stella clara visa est. 1058 Annales Besuenses, ad a. 1033. Ed. Pertz, MGH SS 2, 249: Tercio Kalendas Iulii videlicet in die sollempnitatis apostolorum Petri et Pauli 6. feria, luna 28. facta est eclipsis seu deliquium solis ab hora 7. diei usque in horam nonam, ita ut horribilius numquam dinoscatur contigisse. Nam ipsa species solis in modum lune quarte a sui reaccensione effigiata fuisse visa est. Identidem vero safirini intuebatur coloris. Res quecumque sub celo crocicolor humanis visibus apparebat. Retro et ante solem stelle claruere. Tunc revera terror insolitus invasit humanum genus. 1059 Annales Augustani, ad a. 1033. Ed. Pertz, MGH SS 3, 125: Eclypsis solis 3. Kalendas Iulii. 1060 Cronica Apostolicorum et imperatorum Basileensia. Ed. Holder-Egger, MGH SS 31, 289: Tempore huius, primo anno sui pontificatus solis maxima pars obsucrata est in festo sancti Petri. Et luna XIII. obsucrata est per totam noctem. 1061 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1033. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 357: Eclipsis solis facta est circa meridiem 3. Kalendas Iulii. 1062 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1034. Ed. Pertz, MGH SS 2, 243: Eclipsis solis facta est 3. Kalendas Iulii hora 6; Romoald, Annales, ad a. 1034. Ed. Arndt, MGH SS 19, 403: Anno ab Domino 1034 indictione 2 fuit eclipsis solis in festivitate sancti Petri; Annales Cavenses, ad a. 1034. Ed. Pertz, MGH SS 3, 189: Solis pars maxima obscurata est in festivitate sancti Petri. 1063 Annales Elmarenses, ad a. 1033. Ed. Grierson, 90: Eclypsis solis III kal. Iulii, hora sexta. 1064 Rodulfus Glaber, Historiarum libri, 4, 9. Ed. Prou, 53: De signo quod in Sole apparuit Anno igitur eodem Dominicae passionis millesimo, die tertio Kalendarum Juliarum, sexta feria, Luna vicesima octava, facta est eclipsis seu deliquium Solis ab hora eisdem diei sexta usque in octavam, nimium terribilis. Nam Sol ipse factus est saphirini coloris, gerens in superiori parte speciem Lunae a sua reilluminatione quartae. Intuitus hominum in alterutrum velut mortuorum pallor conspiciebatur: res vero quaecumque sub aere crocei coloris esse cernebantur. 1065 Saroszyklus 111: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1033-06-29.gif (4.4.2016).

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ist keine über Europa beobachtbare Sonnenfinsternis berechnet worden.1066 Die Annalen von Benevent listen eine Verdunkelung der Sonne sowohl zum Jahr 10331067 wie auch zu 1034.1068 Dies könnte eine Bestätigung für zwei tatsächliche Verdunklungen sein, von denen aber nur jene im Jahr 1033 eine tatsächliche Sonnenfinsternis war, während für 1034 mit einer anderen Ursache gerechnet werden muss. Die von den Annales Elmarenses für den 18. April 1036 überlieferte Sonnenfinsternis1069 fand nach den Berechnungen tatsächlich erst ein Jahr später, am 18. April 1037 gegen 9.43 Uhr (TD), statt, wobei der Kernschatten zwischen Schottland und Irland über die Nordsee in Richtung Spitzbergen verlief.1070 Diese bei den Annales Elmarenses zu beobachtende Verschiebung um ein Jahr ist auch für die zum 24. August 10381071 gelistete Sonnenfinsternis zu beobachten, denn diese fand erst am 22. August 1039 statt. Die Bahn des Kernschattens verlief westlich von Irland über Südfrankreich und Sardinien. Der Höhepunkt lag um 12:38 Uhr (TD) über dem Gebiet des heutigen Tunesien.1072 Sie wird in anderen Quellen mit dem korrekten Datum überliefert.1073 Sigebert von Gembloux versuchte, dem Tod Kaiser Konrads II. am 4. Juni 1039 eine Sonnenfinsternis am 14. Mai 1039 vorausgehen zu lassen.1074 Diese Finsternis konnte jedoch nicht berechnet werden. Die Annales Nivernenses verzeichnen zum Jahr 1044 den Eintrag: „In diesem Jahr fand am 22. November, am Tag der Geburt der heiligen Cecilie, eine Sonnenfinsternis statt, etwa gegen neun Uhr.“1075 Diese Nachricht lässt sich bestätigen, denn die Son-

|| 1066 Annales Cavenses, ad a. 1034. Ed. Pertz, MGH SS 3, 189: Solis pars maxima obscurata est in festivitate sancti Petri. 1067 Annales Beneventani, ad a. 1033. Ed. Pertz, MGH SS 3, 178: Eclypsis solis mense Iunio valde tenebrosa. // 1033 mense Iunio in die sancti Petri, facta est eklipsin solis. 1068 Annales Beneventani, ad a. 1034. Ed. Pertz, MGH SS 3, 178: In die sancti Petri sol obscurata est. 1069 Annales Elmarenses, ad a. 1036. Ed. Grierson, 90: Eclipsis solis XIV kal. Maii, luna XXVIII, prima hora diei. 1070 Saroszyklus 113: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1037-04-18.gif (6.4.2016). 1071 Annales Elmarenses, ad a. 1038. Ed. Grierson, 91: Eclipsis solis XI kal. Septembris, a tertia hora usque ad sextam, luna XXVIII. 1072 Saroszyklus 100: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1039-08-22.gif (24.5.2014). 1073 Chronicon Suevicum universale, ad a. 1039. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 71: Eclipsis solis 11. Kalendas Septembris; Rodulfus Glaber, Historiarum libri. Ed. Prou, 53 f.: De signo quod in Sole apparuit. Iterum quoque post annos quatuor facta est eclipsis Solis unceimo die Kalendarum Septembrium, feria quarta, hora sexta, atque, ut semper fit, Luna vicesima octava. 1074 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1039. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 358: Pridie Idus Maii eclipsis solis fuit, et pridie Nonas Iunii imperator obiit. 1075 Annales Nivernenses, ad a. 1044. Ed. Waitz, MGH SS 13, 90: In hoc anno 10. Kalendas Decembris, natal. sanctae Ceciliae fuit ecli[p]sis solis, scilicet hora tertia.

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nenfinsternis konnte rechnerisch nachgewiesen werden und hatte ihre stärkste Bedeckung gegen 11:08 Uhr (TD) östlich von Sizilien.1076 Eine umfassende Beschreibung des Ereignisses gibt wieder Rodulfus Glaber.1077 Erst rund fünfzig Jahre später datiert die Sonnenfinsternis des 23. September 1093. Sie verlief genau über Mitteleuropa von der Nordsee bis nach Ägypten und hatte ihre vollste Bedeckung über dem Sinai gegen 11:24 Uhr (TD).1078 Diesmal völlig korrekt geben die Annales Elmarenses das Datum mit dem 23. September 1093 an.1079 Damit entsprechen die Zeitangaben gegen neun Uhr (dritte Stunde des Tages) durchaus den Angaben zum beobachteten Ereignis. Die korrekte Datumsangabe wäre 9. Kalendas Octobris und so wird es im Chronicon Sampetrinum,1080 in den Annales Romoaldi1081 sowie in der Chronik Bernolds auch erwähnt. Bei letzterer ist jedoch nicht klar, ob die beschriebene Beobachtung überhaupt als Sonnenfinsternis gewertet werden darf: „Am Vormittag des 23. September geschah an der Sonne ein Zeichen, indem nämlich in ihr ein Kreis erschien und die Sonne selbst bei heiterem Himmel sehr dunkel aussah. Aber einige glaubten, dass dies eher eine Sonnenfinsternis als ein Zeichen gewesen war, besonders da an diesem Tag der 28. Mondtag war. Der ehrwürdige Calculator Herr Hermann schreibt nämlich, dass es im Jahr des Herrn 1033 auch am 27. Mondtag

|| 1076 Saroszyklus 117: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1044-11-22.gif (24.5.2014). 1077 Rodulfus Glaber, Historiarum libri, 5, 3. Ed. Prou, 61: In praescripto quoque mense Novembrio decimo Kalendarum Decembrium hora tertia eiusdem diei facta est nostro in tempore tertia eclipsis Solis, Luna dumtaxat vicesima octava, quoniam neque Solis aliquando eclipsis nisi in vicesima octava Luna, nec Luna nisi in quartadecima Luna proveniet. Dicitur enim eclipsis defectus sive (…), non quod sibimet res, sed nobis impedita potius deficiat. Ipsis quoque diebus, referente Widone Remorum Archipraesule, didicimus quod visa sit a suis stella Phosphorus, quae et Lucifer, vespere sursum atque deorsum agitari quasi commians terrigenas idemtitabat. Huiusmodi (…) ostentis coelitus emissis terruerunt, quamplurimos suae pravitates, ut ad correctionis viam poenitendo redirent. Tunc inter ceteras rerum inopias vini tanta raritas exstitit, ut viginti quatuor solidorum foret pertium unius modii. 1078 Saroszyklus 100: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1093-09-23.gif (24.5.2014). 1079 Annales Elmarenses, ad a. 1093. Ed. Grierson, 95: IX kal. Octobris eclipsis solis, sexta feria, ab hora prima usque ad sextam. 1080 Chronicon Sampetrinum ad a. 1093. Ed. Stübel, 12: Eclipsis solis facta est IX. Kal. Octobris III hora diei et draco visus est; Annales Rosenveldenses, 36 (ad a. 1093). Ed. Pertz, MGH SS 16, 101: Eclypsis solis facta est tercia hora diei, et draco visus est. 1081 Romoald, Annales, ad a. 1093. Ed. Arndt, MGH SS 19, 412: Eodem anno 9. Kalendas Octobris fuit solis eclipsis circa horam terciam diei, feria sexta, indictione 2.

Sonnenfinsternisse | 225

zu einer Sonnenfinsternis gekommen sei.“1082 Die Würzburger Annalen1083 und die Annales Formoselenses1084 nennen gar kein Datum, die Annales Augustani geben den 24. September 1093 an,1085 die Annales Sancti Blasii den 21. September 1093.1086 Einmal (Annales Augustani) wird das Sternbild Waage genannt, zwei Mal (Würzburger Annalen, Chronicon Sampetrinum) das Sternbild Drache. Da es im folgenden Jahr eine von Mangel geprägte Hungersnot und eine hohe Sterblichkeit gegeben haben soll, wurden die zwei Nachrichten wohl als Vorboten interpretiert.1087 Gleich drei außergewöhnliche Ereignisse bot das ausgehende Jahr 1098 dem aufmerksamen Beobachter: Am 21. September ein rötliches Nordlicht, am 27. September eine Mondfinsternis und am 25. Dezember eine Sonnenfinsternis. Die Annales Augustani1088 und die Annales Sancti Blasii1089 überliefern diese drei astronomischen Beobachtungen und verbinden sie mit einer dreijährigen Hungersnot in den folgenden Jahren.1090 Die Sonnenfinsternis hatte ihre größte Bedeckung am 25. Dezember 1098 gegen 11:30 Uhr (TD) über dem Gebiet des heutigen Algerien. Der Kernschatten zog weiter über Sizilien und Süditalien, den Balkan und das Gebiet nördlich des Schwarzen Meeres.1091 Damit gaben also die beiden genannten Annalenwerke, die für das Jahr 1093 noch jeweils ein/zwei Tage Abweichung zum tatsächlichen Datum überlieferten, hier übereinstimmend das korrekte Datum wieder.

|| 1082 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1093. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 505; FSGA 14, 396–399: Signum in sole factum est VIIII. Kalendas Octobris ante meridiem, ut circulus quidam in illo appareret, et ipse in sereno celo obscurissime luceret. Sed hoc magis quidam eclipsin quam signum fuisse putaverunt, praecipue cum luna esset XXVIII ea die. Nam egregius calculator domnus Heremannus etiam XXVII luna eclipsin accidisse scribit anno Domini MXXXoIIIo. 1083 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1093. Ed. Pertz, MGH SS 2, 246: Eclipsis solis facta est 3. hora diei, et draco visus est. 1084 Annales Formoselenses, ad a. 1093. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 36: Sol eclipsim patitur. 1085 Annales Augustani, ad a. 1093. Ed. Pertz, MGH SS 3, 134: Solis eclipsis in meridie in Libra, 8. Kalendas Octobris Ubique mortalitas, pestilentiae et fames per loca in Saxonia. 1086 Annales S. Blasii, ad a. 1093. Ed. Pertz, MGH SS 17, 277: Hoc anno 11. Kalendas Octobris circa terciam horam diei facta est eclipsis solis, alteroque anno facta est mortalitas magna. 1087 Vgl. Kap. 4.3.5 Hungersnöte im 11. Jahrhundert. 1088 Annales Augustani, ad a. 1098. Ed. Pertz, MGH SS 3, 135: In nocte quadam sanguinei coloris nubes in parte aquilonari apparuerunt. 11. Kalendas Octobris. Eclypsis solis in 8. Kalendas Ianuarii post meridiem circa Iunam 28am, vel potius 29am; quia luna mensium citius solito, non secundum argumenti rationem, in hoc anno est succensa. 1089 Annales S. Blasii, ad a. 1098. Ed. Pertz, MGH SS 17, 277: Hoc anno 5. Kalendas Octobris tota pene nocte rubrum visum est celum ab oriente per septentrionem usque in occidentem. 3. autem Idus Decembris facta est eclipsis lunae, cum esset 13a, 8o quoque Kalendas Ianuarii eclipsis facta es solis. Sequenti anno capta est Ierosolima. Fuit vero fames valida per tres continuos annos, cepta ab eo quo hec facta sunt anno, set in medio maxima, quia erat hiemps durissima, et semina et arbores defecerunt. 1090 Vgl. Kap. 4.3.5 Hungersnöte im 11. Jahrhundert. 1091 Saroszyklus 117: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1098-12-25.gif (24.5.2014).

226 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

2.7.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse Für die Untersuchungszeit von 500 bis 1100 lassen sich in europäischen Quellen 52 Sonnenfinsternisse feststellen, die im Untersuchungsgebiet zwischen Island im Norden und Ägypten im Süden sowie Portugal im Westen und der Levante im Osten beobachtet worden sein könnten. Zeitlich verteilen sich diese überlieferten Beobachtungen folgendermaßen: Tab. 18: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Sonnenfinsternisse von 500 bis 1100 Gesamt 52 100 %

6. Jh. 6 11,5 %

7. Jh. 6 11,5 %

8. Jh. 7 14 %

9. Jh. 15 29 %

10. Jh. 9 17 %

11. Jh. 9 17 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtungen liegen im 9. Jahrhundert mit über einem Viertel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 6. und 7. Jahrhundert überliefert, was aber an der stärkeren Quellenarmut dieser Epochen liegt. Von den 52 in der Untersuchungszeit angegebenen Sonnenfinsternissen sind etwa 40 Prozent (23) der Beobachtungen totale und weitere 40 Prozent (23) annulare Eklipsen, während partielle Finsternisse die restlichen zehn Prozent (6) ausmachen. Nur einmal, nämlich im Jahr 817, hat ein Annalist (Fuldaer Annalen) eine Sonnenfinsternis statt einer Mondfinsternis angegeben. Derselbe Annalist machte auch einen Fehler bei der Angabe einer Sonnenfinsternis zum Jahr 832, die für dieses Jahr aber nicht rechnerisch nachgewiesen ist. Aufgrund seiner Angabe einer Mondfinsternis im selben Jahr kann von einer Verwechslung des Jahres ausgegangen werden, denn im Jahr 833 kam es zu der beschriebenen Koinzidenz einer Sonnen- und einer Mondfinsternis im selben Monat. In fast genau einem Drittel der Fälle (17) sind die Angaben exakt und teilweise sehr korrekt, bis hin zur korrekten Uhrzeit. In einem weiteren Drittel (17) wurde zumindest das Jahr korrekt angeführt. Dagegen wurden in immerhin 23 Fällen abweichende Tagesdaten angegeben:1092 Fünf Mal eine Abweichung um „+ 1 Tag“ (538, 787, 812, 818, 1093) und nur zwei Mal eine solche um „- 1 Tag“ (760, 807). Jeweils ein Mal wurden Abweichungen von „+2 Tagen“ (664), „+3 Tagen“ (538), „+4 Tagen“ (753), „+5 Tagen“ (810) und „+14 Tagen“ (810) angegeben. Auffälligerweise drei Mal findet sich eine ungewöhnliche Abweichung von „- 2 Tagen“ (1023, 1039, 7093) und zwei Mal um „- 1 Woche“ (644, 787). Die abweichende Jahresangabe beläuft sich ein Mal auf „+ 1 Jahr“ (787) dagegen fünf Mal auf „- 1 Jahr“ (664, 787, 990, 1037, 1039).

|| 1092 Die Abweichung um sechs Fälle resultiert daraus, dass in sechs Jahren von unterschiedlichen Annalen/Chroniken unterschiedliche Angaben zur gleichen Finsternis gemacht wurden. Als weiteres Problem tritt hinzu, dass in einigen Fällen zwar das Jahr angegeben wurde, aber in dem Jahr mehr als eine Finsternis beobachtet werden konnte.

Sonnenfinsternisse | 227

Von Beda Venerabilis ist bekannt, dass er die Sonnenfinsternis vom 1. Mai 664 für den 3. Mai angegeben hat, obwohl er es besser wusste. Seine Motivation lag wohl in zwei Ursachen begründet: Zum einen lag bei Dionysius Exiguus eine zu ungenaue Rechnung vor (84-Jahres-Zyklus), zum anderen wäre die Synode von Whitby dann mit einer Sonnenfinsternis zusammengefallen, was kein gutes Licht auf diese Versammlung und die damit verbundenen Anstrengungen geworfen hätte. Beispielhaft zeigt dies, dass die Annalisten bei der Dokumentation von Sonnenfinsternissen mehrere Probleme hatten: 1) die Finsternis konnte ein Unglück, wie den Tod eines Herrschers, voraussagen; 2) eine Finsternis konnte als eingreifender Hinweis Gottes interpretiert werden und so ein vom Annalisten als positiv eingestuftes Ereignis im Nachhinein in schlechtem Licht erscheinen lassen; 3) die möglichst genaue Auflistung einer Finsternis mit genauer Angabe des Zeitpunktes und der Dauer konnte die sonstige Darstellung des Annalisten als besonders nüchtern, unabhängig und objektiv erscheinen lassen, was sie aber nie war. Zu 1: Der Tod eines Herrschers, einer Herrscherin oder bedeutenden Persönlichkeit wurde seit der Antike durch ein ankündigendes himmlisches Zeichen präfiguriert. Ein solches Zeichen konnte entweder eine Kometensichtung oder eine Sonnenfinsternis sein. In der Rückschau meinte der mittelalterliche Annalist beim Schreiben dann den klaren Zusammenhang zwischen der Sonnenfinsternis und dem Herrschertod zu erkennen. So wurde mit dem Tod Karl Martells (gestorben zwischen 15. und 22. Oktober 741) als Himmelzeichen eine solare Eklipse in Verbindung gebracht, die für den 1. April 740 gegen 7:16 Uhr (TD) mit einer Zugbahn des Kernschattens über Ostafrika und Indien berechnet werden konnte und deren Randbereiche über Mitteleuropa noch zu sehen waren.1093 Zwar lagen zwischen dieser Finsternis und dem Tod Karl Martells fast 18 Monate, aber bis zu seinem Tod hat es keine weitere Sonnenfinsternis über Europa gegeben. Auch der „Astronomus“ genannte Autor suggeriert zum Jahr 818 eine Verbindung zwischen dem Tod der Königin Irmingard (gestorben am 3. Oktober 818) und einer Sonnenfinsternis am 7. Juli 817. Ein aussagekräftiges Fallbeispiel liefert das Jahr 840: Am 5. Mai fand eine eindrucksvolle Sonnenfinsternis statt und am 20. Juni verstarb Kaiser Ludwig der Fromme in Ingelheim. Für „Astronomus“ handelte es sich hierbei um eine Ereigniskoinzidenz, die genau den antiken Mustern entsprach und rückschauend nur noch niedergeschrieben werden musste. Solche am spätantiken Ideal orientierten Konstellationen fanden jedoch nicht immer statt und es blieb nicht aus, dass die Chronologie entsprechend ein wenig geändert werden musste, um mit der Idealerwartung übereinzustimmen. Der im 13. Jahrhundert tätige Kompilator des Chronicon Sancti Florentii Salmurensis versuchte, den Tod Karls des Kahlen am 6. Oktober 877 mit einer Sonnenfinsternis in Verbindung zu bringen. Da im Jahr 877 über Europa aber keine Sonnenfinsternis beobachtet werden konnte, ver-

|| 1093 Saroszyklus 99: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/740-04-01.gif (4.4.2016).

228 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

suchte er den Tod des Herrschers zeitlich nach der letzten davor überlieferten Sonnenfinsternis des 11. Januar 875 zu datieren,1094 irrte sich dabei aber um ein Jahr und kam so zu der falschen Angabe. Als weiteres Beispiel sei die Darstellung des Todes von Kaiserin Theophanu bei Thietmar von Merseburg genannt. Thietmar schrieb: „Im Jahre 989 der Fleischwerdung des Herrn trat am 21. Oktober um die 5. Tagestunde eine Sonnenfinsternis ein.“1095 Kaiserin Theophanu starb am 15. Juni 991, die Sonnenfinsternis musste diesem Datum vorausgegangen sein. Eine berechnete und auch von Zeitgenossen beobachtete Sonnenfinsternis hatte am 21. Oktober 990 stattgefunden. Thietmar versuchte, das Ende Theophanus mit der Sonnenfinsternis zu verbinden und irrte sich dabei um ein Jahr. Da eine Sonnenfinsternis aber nicht das einzige Ereignis war, das den Tod einer hohen Persönlichkeit ankündigen konnte, sei an dieser Stelle auf das Kapitel 2.2 zu den Kometen verwiesen. In seiner Chronik versucht Sigebert von Gembloux, dem Tod Kaiser Konrads II. am 4. Juni 1039 eine Sonnenfinsternis am 14. Mai 1039 vorausgehen zu lassen. Diese konnte jedoch nicht berechnet werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei mindestens fünf Persönlichkeiten (Karl Martell, Irmingard, Ludwig der Fromme, Theophanu, Konrad II.) literarisch versucht wurde, ihren Tod durch eine Sonnenfinsternis ankündigen zu lassen. Einzig bei Ludwig dem Frommen konnte eine tatsächlich nachzuweisende Eklipse der Sonne im selben Jahr festgestellt werden. Zu 2: Eine Sonnenfinsternis konnte von den Zeitgenossen als Ausdruck zeichenhaften göttlichen Eingreifens gedeutet werden. Eine Sonnenfinsternis konnte ein vom Verfasser eigentlich als positiv eingestuftes Ereignis nachträglich negativ konnotieren. Der mittelalterliche Historiograph musste also die Darstellung des Ereignisses von der Beschreibung der Sonnenfinsternis durch einen gewissen zeitlichen Abstand trennen. Dafür gab es zwei Möglichkeiten: Entweder wurde ein falsches Datum für die Sonnenfinsternis angegeben, also eines, das sich um einen oder zwei Tage, eine Woche, einen Monat, ein Jahr oder ein Jahr und einen Tag von einem Ereignis unterschied, oder es wurde gar kein genaues Tagesdatum angeführt, sondern nur Monat und Jahr oder sogar nur das Jahr. Solche Ungenauigkeiten scheinen auch gern durch die genaue Angabe der Uhrzeit und der genauen Dauer kaschiert worden zu sein. Diesbezüglich ist zu fragen, ob die Angabe der Uhrzeit immer im Verhältnis zu ungenauen Tages- oder Monatsdaten steht.

|| 1094 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 875. Ed. Verdon, 66 f.: Eclipsis solis facta est mirabilis; hora nona. 1095 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 15. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 149 f.; FSGA 9, 130 f.; FSGA 40a, 61: Nunc autem de fine imperatricis predictae locuturus, quae hunc precesserint signa, narrabo. Anno dominicae incarnationis DCCCCLXXXVIIII sol defecit XII. Kal. Novembris et V diei hora.

Mondfinsternisse | 229

Zu 3: Die möglichst hohe Genauigkeit in einigen Details, könnte von Autoren benutzt worden sein, um beabsichtigte Ungenauigkeiten zu verdecken. Es hat den Anschein, als würden einige Chronisten durch die Angabe einiger sehr genauer Details (Uhrzeit) davon ablenken, dass sie andere Werte wie das Jahr falsch angeben. Zusammenfassend ist zu unterscheiden in „beobachtete“ und „beschriebene“ Sonnenfinsternisse. Es hat sich im Zuge der Untersuchung gezeigt, dass weder die Zahl der Beschreibungen noch die Qualität der Schilderungen einzelner Autoren sichere Argumente für eine verlässliche Datierung der tatsächlich beobachteten Sonnenfinsternisse sind. Die Daten der beobachteten Sonnenfinsternisse scheinen bekannt gewesen zu sein, ihre Dokumentation innerhalb der Annalen und Chroniken folgte aber nicht grundsätzlich einer objektiven, chronologisch korrekten Darstellung, sondern war oft an der Erfüllung einer idealisierten Erwartungshaltung der Zielgruppe orientiert, nach der einem Herrscher/-innentod immer ein himmlisches Zeichen voranzugehen hatte. Die Sonne als eine der wichtigsten Grundlagen für die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion ist von den Zeitgenossen genau beobachtet worden; insbesondere die unregelmäßigen, aber sich wiederholenden Sonnenfinsternisse konnten seit der Antike relativ genau berechnet werden. Dieses Wissen ist im Früh- und Hochmittelalter auf der Ebene gelehrter Mönche durchaus rezipiert und weiterentwickelt worden. So ist anlässlich der totalen Sonnenfinsternis des 22. Dezember 968 über Konstantinopel erstmals die Korona der Sonne beschrieben worden. Da die Genese von Sonnenfinsternissen bekannt ist und in den letzten Jahren umfassende Kataloge aufgestellt wurden, konnten die in den Quellen genannten Nachrichten über Sonnenfinsternisse genau nachgeprüft werden. Doch neben den solaren Eklipsen gibt es die lunaren.

2.8 Mondfinsternisse Der Mond verfinstert sich, wenn sich die Erde zwischen Sonne und Mond befindet und dabei der Kernschatten der Erde auf den Mond fällt. Im Vergleich zum Mond ist die Erde sehr groß, womit auch ihr Schattenkegel groß genug ist, um den Mond völlig zu bedecken, was als totale Mondfinsternis bezeichnet wird. Da die Mondbahn in einem Winkel von fünf Grad zur Erdbahn geneigt ist, ereignet sich nicht bei jedem Vollmond eine Mondfinsternis. Aufgrund dieser Neigung kommt es zu partiellen Mondfinsternissen, wenn der Mond nur teilweise in den Halbschatten der Erde tritt. Tritt eine Mondfinsternis auf, ist sie an jedem Ort zu beobachten, an dem auch der Mond sichtbar ist. Da das Sonnenlicht in der Erdatmosphäre gebrochen und abgelenkt wird und dabei rotes Licht weniger stark abgelenkt wird, kann der Mond während einer

230 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

totalen Sonnenfinsternis rötlich erscheinen.1096 Von den totalen und partiellen unterscheidet die moderne Astronomie noch penumbrale Mondfinsternisse, wenn also der Mond nur vom Halbschatten gestreift wird (vgl. Abb. 9). Das Wissen über Mondfinsternisse reicht im Frühmittelalter über ein weites Spektrum.1097 Es begann bei völligem Unverständnis der physikalischen Vorgänge und entsprechend unbegründeter Angst. Häufig orientieren sich die Chronisten an den Beschreibungen antiker Autoren1098 – schon bei Tacitus (Annalen 1,28) verschreckte eine Mondfinsternis Soldaten.

totale Mondfinsternis vom 6.8.1096

partielle Mondfinsternis vom 27.10.1075

penumbrale Mondfinsternis vom 23.2.696

Abb. 9: Ansichten ausgewählter totaler, partieller und penumbraler Mondfinsternisse

Besonders im arabischen Raum wurden die bei Mondfinsternissen auftretenden Farben analysiert. Arabische Gelehrte hatten dabei im 9. und 10. Jahrhundert einen deutlichen Wissensvorsprung gegenüber den abendländischen. Der arabische Gelehrte Al-Bīrūnī,1099 der von 973 bis 1048 erst in Ḫvārazm, später in Gaznai lebte, verfasste aufgrund einer längeren Reise nach Indien ein großes astronomisches Werk, den sogenannten masudischen Kanon, in dem er auch die Farben der Mondfinsternis besprach.1100 Die Farben des sich verfinsternden Mondes sind veränderlich, was mit den meteorologischen Verhältnissen der Erdatmosphäre zusammenhängt. Während er im Grenzbereich zum Kernschatten überwiegend schwarzgräulich ist, führt die eben schon erwähnte selektive Lichtabsorption an den Randbereichen des Halbschattens zu einer kupferroten Verfärbung.1101 Al-Bīrūnī kritisiert in seinem Werk eine

|| 1096 Ranzini, Astronomie (2003), 95 f. 1097 Vgl. auch FSGA 40a, 61. 1098 Martianus Capella: Die Hochzeit der Philologia mit Merkur, 8, 870 f. Ed. Zekl, 291. 1099 Douglas, Al-Biruni (1973), 209–211. 1100 Wiedemann, Mondfinsternis (1914), 25–29. 1101 Wiedemann, Mondfinsternis (1914), 26 Anm. 1.

Mondfinsternisse | 231

zu seiner Zeit diskutierte Vorstellung arabischer Astronomen, die vom rabenschwarzen (halūka) Kernschatten bis zur weißen Farbe Abstufungen in Sechsteln definieren, die von schwarz, über grün, rot, gelb, Staubfarbe (ġubra) bis staubfarbenähnlich reichen.1102 Ein ähnliches System, bei dem den einzelnen Sechsteln jeweils Tierkreiszeichen zugeordnet sind, kennt Al-Bīrūnī von den Indern. Während sein Wissen über Indien aus einer persönlichen Reise resultierte, entnahm er die arabische Ansicht dem „Buch der astronomischen Tafeln“, das von Muḥammad b. Mūsā al-Ḫwārizmī stammt, der etwa 840 verstarb. Die bei der Mondfinsternis auftretenden Rottöne werden mit Kupferrot oder Fuchsrot (šuqura) umschrieben.1103 Aus arabischsprachigen Quellen sind zuletzt 17 Mondfinsternisse (im 9. Jahrhundert: vier; im 10. Jahrhundert: 13) gefiltert worden.1104 Während also in arabischen und indischen Gebieten sehr genaue Unterscheidungen von reflektierten Farben vorgenommen wurden, erscheint der Mond in Beschreibungen europäischer Chronisten bei der Finsternis entweder schwarz (niger) oder blutrot (sanguineus ruber). Zwischenabstufungen werden in den Quellen kaum genannt. Vom „Blutmond“ zu trennen ist die Morgenröte.1105 Bei Isidor von Sevilla wird das Wissen um die Genese von Mondfinsternissen ausführlich zusammengefasst. So heißt es in seinen Etymologiae: „Von der Mondfinsternis. Eine Mondfinsternis findet statt, sooft der Mond in den Schatten der Erde tritt. Denn man glaubt, dass er nicht sein eigenes Licht habe, sondern von der Sonne erleuchtet wird, weshalb er auch einen Verlust [defectum] erleidet, wenn zwischen ihn und die Sonne der Schatten der Erde tritt. Der Mond erlebt diesen nämlich am 15. Tag [einer Mondphase] solange, bis er das Zentrum und den Schatten der dazwischenliegenden Erde verlässt und die Sonne wieder sieht bzw. von der Sonne gesehen wird.“1106 Noch ausführlicher ist der Eintrag in seiner Naturgeschichte.1107 Moderne || 1102 Wiedemann, Mondfinsternis (1914), 28 f. 1103 Wiedemann, Mondfinsternis (1914), 30 mit Anm. 1. 1104 Stephenson/Said, Records of lunar eclipses (1997), 31 f. 1105 Bojadžiev, Nacht im Mittelalter (2003), 31–35. 1106 Isidor von Sevilla, Etymologiarum libri, 3, 59. Ed. Lindsay, Bd. 1, 1911; Enzyklopädie. Ed. Möller, 147: Eclipsis lunae est, quotiens in umbram terrae luna incurrit. Non enim suum lumen habere, sed a sole inluminari putatur, unde et defectum patitur si inter ipsam et solem umbra terrae interveniat. Patitur autem hoc quinta decima luna eo usque, quam diu centrum atque umbram obstantis terrae exeat videatque solem, vel a sole videatur. 1107 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 21. De eclipsin lunae. Ed. Fontaine, 250–253: 1. Luna non deficit, sed obumbratur, nec diminutionem sentit corporis, sed obiectu obumbrantis terrae casum patitur luminis. Hanc enim philosophi non habere lumen proprium, sed eamdem a sole illuminari defendunt; et quia ea dimensione distat a sole, ut per mediam terram si quid directum traiiciatur, contingere possit solem sub terram, lunam autem supra terram; et quia usque ad lunarem circulum umbrae terrae extenditur, ideo evenit nonnunquam ut solis radii, obiiciente se mole terrae vel umbra, ad eam non perveniant. 2. Patitur autem hoc quintadecima luna, quousque centrum atque umbram obstantis terrae exeat, videatque solem vel a sole videatur. Constat ergo lunam ex solis radiis lumen accipere, et dum obiectu terrae solem non aspexerit, tunc lumen amittere. Nam dicunt stoici omnem terram montibus claudi, quorum umbra fertur luna subito non apparere. Unde Lucanus: Iam Phoebe totum fratri cum redderet orbem,

232 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Aufstellungen enthalten sämtliche historischen Mondfinsternisse der Jahre 1500 v. Chr. bis 3000 n. Chr.1108 Die Webseite der NASA hält die berechneten Daten der Mondfinsternisse zwischen den Jahren 1999 v. Chr. bis 3000 n. Chr. bereit.1109 Dabei werden erstaunlich genaue Uhrzeiten nach dem „Terrestrial Dynamical Time“-System (im Folgenden: TD) mitangegeben,1110 die im Folgenden die Genauigkeit und Glaubwürdigkeit einiger Quellen unterstreichen. Aus dem 9. Jahrhundert ist etwa ein Beispiel für den abergläubischen Umgang mit dem Phänomen Mondfinsternis überliefert: „Gegen diejenigen, die sich mit Getöse um den schwindenden Mond bemühen. (…) Denn als ich mich vor einigen Tagen zu Hause ruhig zurückgezogen hatte und mich zu eurem Nutzen mit der Frage beschäftigte, auf welche Weise ich Euren Erfolg bei Gott vermehren könnte, entstand an diesem Tag zwischen Vesper und Eintritt der Nacht plötzlich ein derartiges Volksgeschrei, dass deren Gottlosigkeit bis zum Himmel drang. Als ich nachfragte, was dieser Lärm sollte, sagte man mir, dass euer Geschrei dem leidenden Mond zu Hilfe käme und ihn in seiner Hinfälligkeit eifrig unterstütze. Ich lachte freilich und wunderte mich über die Einbildung (…).“1111

Dass Erkenntnisse über Mondfinsternisse genutzt, weitergegeben und sogar weiterentwickelt wurden, zeigt das folgende Beispiel aus dem 11. Jahrhundert: „Die Studien Herrmanns. Er stellte zusammen und ordnete auf einleuchtende Weise die Methoden und Regeln des Computus, dazu einige Erörterungen, in welchen er alle seine Vorgänger um vieles übertraf. Vor allem entdeckte er die zuverlässigsten Regeln des natürlichen Mondlichtes; mit diesen Regeln lässt sich augenfällig erkennen, zu welcher

|| Terrarum subita percussa expalluit umbra. 3. Figuraliter autem per lunae defectum Ecclesiae persecutiones intelliguntur quando martyrum caedibus et effusione sanguinis, tanquam illo defectu et obscuratione, quasi cruentam faciem luna ostendere videtur, ut a nomine Christiano terreantur infirmi. Sed sicut ista post defectum perspicua illustratione clarescit, adeo ut nihil detrimenti sensisse videatur, ita Ecclesia, postquam per martyrum confessionem suum pro Christo sanguinem fuderit, maiore fidei claritate refulget, atque insigniori lumine decorata semetipsam latius in toto orbe diffundit. 1108 Liu/Fiala, Canon of Lunar Eclipses (1992). 1109 Vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEcat5/LEcatalog.html (25.3.2016). 1110 Vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEcat5/time.html (30.3.2016): „TD was introduced by the IAU in 1979 as the coordinate time scale for an observer on the surface of Earth. It takes into account relativistic effects and is based on International Atomic Time (TAI), which is a high-precision standard using several hundred atomic clocks worldwide. As such, TD is the atomic time equivalent to its predecessor ET and is used in the theories of motion for bodies in the solar system. To ensure continuity with ET, TD was defined to match ET for the date 1977 Jan 01. In 1991, the IAU refined the definition of TD to make it more precise. It was also renamed Terrestrial Time (TT), although on this Web site, the older name Terrestrial Dynamical Time is preferred and used.“ 1111 Hrabanus Maurus, Homiliae, 42. Ed. Migne, 78 f.; FSGA 40a, 60–63): Contra eos qui in lunae defectu clamoribus se fatigabant. (…) Nam cum ante dies aliquot quietus domi manerem, et de utilitate vestra, quomodo profectum vestrum in Domino amplificarem, mecum tractarem, subito ipsa die circa vesperam atque initium noctis tanta vociferatio populi exstitit, ut irreligiositas ejus penetraret usque ad coelum. Quod cum reliquirerem quid sibi clamor hic vellet, dixerunt mihi quod laboranti lunae vestra vociferatio subvenisset, et defectum ejus suis studiis adjuvaret. Risi quidem, et miratus sum vanitatem (…).

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Stunde des Tages oder der Nacht der Mond von der Sonne beleuchtet wird. Er erarbeitete die verlässlichsten Regeln zur Berechnung einer Mondfinsternis,“1112 schreibt Berthold von Reichenau. Noch unediert ist das wichtige Werk Hermanns, die Prognostica de defectu solis et lunae.1113 Interpretationsschwierigkeiten bringen jene Meldungen mit sich, in denen ein „roter Mond“ beschrieben wird. Dies kann zum einen auf eine Mondfinsternis zurückgehen, für die in den Quellen aber auch eclipsis lunae verwendet wird. Begriffsgeschichtlich betrachtet wird dieser Begriff teilweise schon in der Antike verwendet. Zum anderen kann es sich aber auch um Wolken von Tephra handeln, die bei einem Vulkanausbruch in die Troposphäre gelangten und hier die Sonneneinstrahlung unterbrachen. Nach diesen einleitenden Worten folgt nun die chronologische Betrachtung der Nennung von Mondfinsternissen in der Zeit von 500 bis 1100.

2.8.1 Mondfinsternisse im 6. und 7. Jahrhundert Eine Mondfinsternis wird zum Jahr 560 von Bischof Marius von Avenches überliefert,1114 diese konnte nach den modernen Berechnungen am 19. November 560 beobachtet werden.1115 Gregor von Tours überliefert zum Jahr 577: „Ferner sahen wir oft in diesem Jahre den Mond ganz ins Schwarze gekehrt, und vor dem Geburtsfeste des Herrn hörte man schwere Donnerschläge.“1116 Möglicherweise bezieht er sich hier auf die teilweise Mondfinsternis vom 11. Dezember 577.1117 Nach demselben Autor verfinsterte sich der Mond auch am 5. April 581, die Finsterniszeit für diesen Tag konnte gegen 3:39 Uhr (TD) berechnet werden.1118 Wenn Gregor dann das Erscheinen eines Kometen nennt, worauf eine schwere Seuche unter

|| 1112 Berthold von Reichenau, Chronik (Zweite Fassung). Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 167 f.; FSGA 14, 38 f.: Studium Hermanni. Compoti igitur rationem regulas et nonulla argumenta, in quo prioribus cunctis non parum precelluit, satis luculente composuit et ordinavit et preter caetera de naturali lunae incesione regulares experientissimos adinvenit, per quos evidentissime sciatur in qualibet hora diei sive noctis a sole incendatur. Ad inveiendam quoque lunae eclypsin regulas experientissimas excogitavit. 1113 Vgl. http://www.geschichtsquellen.de/repOpus_02712.html (9.11.2013); vgl. Borst, Forschungsbericht (1984), 436–440. 1114 Marii episcopi Aventicensis Chronicon, ad a. 560. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant 11, 237: Hoc anno serenitate caeli inter stellas splendidas obscurata est luna XVI. 1115 Saroszyklus 83: https://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0501-0600/LE0560-11-19T.gif (26.3.2016). 1116 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 230; FSGA 2, 330 f.: Nam et luna hoc anno sepe in nigridinem versam videmus et ante natalem Domini gravia fuere tonitrua. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–6. 1117 Saroszyklus 73: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0501-0600/LE0577-12-11P.gif (4.4.2016). 1118 Saroszyklus 70: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0501-0600/LE0581-04-05P.gif (22.6.2016).

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dem Volke gefolgt sei,1119 instrumentalisiert er die Himmelsereignisse als Vorzeichen für die Seuche. Abermals nennt Gregor für das Jahr 582 manche Wunderzeichen, unter anderem eine Mondfinsternis.1120 Hier könnte er sich auf die totale Mondfinsternis vom 18. September 582 beziehen.1121 Zum Jahr 590 überlieferte Fredegar, dass sich der Mond verfinstert habe.1122 Berechnet werden konnte eine partielle Mondfinsternis für den 18. Oktober 590.1123 Irische und schottische Quellen melden eine Mondfinsternis im Jahr 670.1124 Eine teilweise Mondfinsternis, die auch über Nordeuropa beobachtet werden konnte, wurde für den 12. Januar 670 berechnet.1125 Nach den Annalen von Tigernach bekam der Mond im Jahr 673 eine blutrote Farbe,1126 nach den Annalen von Ulster im Jahr 674.1127 Da eine penumbrale Mondfinsternis über Irland am 26. April 674 berechnet wurde1128 und sonst keine Mondfinsternis in der betreffenden Zeit berechnet werden konnte, ist wohl der späteren Datierung zu 674 der Vorzug zu geben. Im Liber pontificalis steht zum Jahr 680 der Eintrag: „In seiner Zeit, am 18. Tag des Juni, in der 8. Indiktion [680], unterzog sich der Mond einer Eklipse; auch gab es in den Monaten Juli, August und September eine große Sterblichkeit in Rom, viel ernster als es aus anderen Pontifikaten berichtet wird, sodass Eltern mit ihren Kindern sowie Brüder mit ihren Schwestern in Paaren auf Bahren zu den Gräbern gebracht wurden. Danach kam es zu Verwüstungen in den Vororten und befestigten Städten rundum.“1129 Tatsächlich konnte eine totale Mondfinsternis für die Nacht vom 17. auf den 18. Juni 680

|| 1119 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 41. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 248; FSGA 2, 356 f.: Luna cumtenebricata est, et comitis stilla apparuit. Gravis autem lues in populo subsecuta est. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–6. 1120 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 21. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 289; FSGA 3, 38 f.: Haec in hoc anno iteratis signa apparuerunt: luna eclypsim passa est. 1121 Saroszyklus 85: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0501-0600/LE0582-09-18T.gif (26.3.2016). 1122 Fredegar, Chronik, 4, 11. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 127: Eo anno luna obscurata est. 1123 Saroszyklus 94: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0501-0600/LE0590-10-18P.gif (26.3.2016). 1124 Annals of Clonmacnoise, ad a. 670. Ed. Murphy, 108: The Moone was turned into a sanguine color this year. Chronicum Scotorum, ad a. 670. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 103: The moon was turned into blood. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1125 Saroszyklus 93: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0670-01-12P.gif (26.3.2016). 1126 Annals of Tigernach, ad a. 673. Ed. Strokes, Bd. 1, 203: Luna in sang[u]enem uersa est. 1127 Chronicle of Ireland, ad a. 674. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 160: The moon became the colour of blood. 1128 Saroszyklus 100: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0674-04-26N.gif (10.5.2016). 1129 Liber Pontificalis, 81. Agatho (678–681), 16. Ed. Duchesne, Bd. 1, 350; Book of pontiffs. Ed. Davis, 76: Huius temporibus, indictione VIII, luna eclypsin pertulit mense iunio, die XVIII. Similiter et mortalitas maior atque gravissima subsecuta est mense suprascripto, iulio, augusto, septembri, in urbe Roma, qualis nec temporibus aliorum pontificum esse memoratur; ut etiam parentes cum filiis atque fratres seu sorores binati per lecta ad sepulchra deducerentur. Postmodum vero foras circumquaque suburbana et castra devastare non cessavit.

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berechnet werden.1130 Dieselbe Quelle überliefert zum Jahr 683: „Zu seiner Zeit, am 16. Tag des April, in der 11. Indiktion, unterzog sich der Mond einer Eklipse nach Gründonnerstag1131, fast die ganze Nacht arbeitete er mit blutigem Antlitz und erst nach dem Hahnenschrei begann er langsam aufzuklaren und zur Normalität zurückzukehren.“1132 Wiederum konnten die Zeitgenossen eine totale Mondfinsternis beobachten, die für die Nacht vom 16. auf den 17. April 683 gegen Mitternacht berechnet wurde.1133 Die irischen und schottischen Annalen geben übereinstimmend eine blutrote Verfärbung des Mondes am Fest des heiligen Martin, also am 11. November, an. Allerdings verbinden sie diese Nachricht mit höchst ungenauen Jahresangaben: die Annalen von Clonmacnoise stellen sie zu 687,1134 die Chronik der Schotten zu 688,1135 die Annalen von Cambriae ins Jahr 6901136, die Annalen von Tigernach zu 6911137 und die Annalen von Ulster zu 692. 1138 Hier bietet die Berechnung der Mondfinsternis des 11. November einen ganz klaren Ansatz für die jeweils notwendige Korrektur der Datumsangaben in den einzelnen Chroniken: Eine partielle Mondfinsternis fand nach den modernen Berechnungen am 11. November 691 statt.1139 Datum und Jahr sind also nur in den Annalen von Tigernach richtig überliefert. Auch wenn sie nur eine andere Quelle abgeschrieben haben, so überliefern die Annalen von Lund zum Jahr 696, dass sich in diesem Jahr der Mond blutrot färbte.1140 Eine penumbrale Mondfinsternis ist für 696 am 23. Februar berechnet worden.1141

|| 1130 Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0680-06-17T.gif (26.3.2016). 1131 Gründonnerstag im Jahr 683 war am 16. April. 1132 Liber Pontificalis, 82. Leo (682–683), 6. Ed. Duchesne, Bd. 1, 360; Book of pontiffs. Ed. Davis, 81: Huius temporibus, die mens. april. ind. XI. luna eclepse pertulit post Cena Domini; nocte pene tota in sanguineo vultu elaboravit et nisi post gallum cantum coepit paulatim delimpidare et in suo reverti. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres, ACC 17–7. 1133 Saroszyklus 81: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0683-04-17T.gif (26.3.2016). 1134 Annals of Clonmacnoise, ad a. 687. Ed. Murphy, 110: The moone was of sanguine Colour the eve of the mativity of St. Martin. 1135 Chronicum Scotorum, ad a. 688. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 111: The moon was turned into the colour of blood on the festival of Saint Martin. 1136 Annales Cambriae, ad a. 690/[718]. Ed. Gough-Copper (Version B), 31: Luna in sanguineum versa est colorem. 1137 Annals of Tigernach, ad a. 691. Ed. Stokes, Bd. 1, 212: The moon turned into a bloody colour on the birth of saint Martin. 1138 Chronicle of Ireland, ad a. 692. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 170: The moon turned to the colour of blood on the Feast of the Nativity of St Martin. Vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 136 f.; Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1139 Saroszyklus 95: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0691-11-11P.gif (25.3. 2016). 1140 Annales Lundenses, ad a. 696. Ed. Kroman, 35: Hoc anno conuersa est luna in sanguinis colorem. 1141 Saroszyklus 102: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0696-02-23N.gif (25.3.2016).

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2.8.2 Mondfinsternisse im 8. Jahrhundert Nach dem Liber pontificalis erschien im Jahr 715/16 in der 14. Indiktion ein Zeichen im Mond: er war blutrot bis Mitternacht.1142 Die berechnete totale Mondfinsternis, auf die man sich hier bezieht, endete in Rom am 13. Januar 716 kurz vor 9.30 Uhr.1143 Die Annalen von Ulster nennen als nächstes zum Jahr 718 eine vollständige Mondfinsternis.1144 Wie soeben deutlich wurde, datieren die Jahresangaben dieser Annalen allgemein ein Jahr zu hoch. Die über Europa sichtbaren Mondfinsternisse des Jahres 718 am 19. Mai (Saroszyklus 71) und 13. November (Saroszyklus 76) waren penumbral, aber am 2. Januar 717 fand eine partielle Mondfinsternis statt, die fast vollständig (mehr als 90 Prozent) war.1145 Sie werden sich damit auf dieses Ereignis beziehen. Dieselben Annalen geben für das Jahr 725 einen dunklen und blutroten Mond am 13. Dezember an.1146 Eine totale Sonnenfinsternis wurde für das Jahr 726 am 13. Dezember berechnet.1147 Diesmal wurde die Nachricht also um ein Jahr vordatiert. Wieder sind es die Annalen von Ulster, die eine Mondfinsternis am 22. Januar 734 anführen.1148 Die Annalen von Tigernach geben hingegen den 24. Januar des Jahres 733 an.1149 Berechnet werden konnte eine totale Mondfinsternis für den 24. Januar 734.1150 Beide Annalen weichen also ab, eine im Tagesdatum, die andere mit der Jahresangabe. Genaue Beschreibungen dieser Finsternis, etwa „der Mond [war] am 31. Januar um den Hahnenschrei eine ganze Stunde lang blutrot überzogen; nach einer dann folgenden Verdunkelung kehrte er zu seinem eigenen Licht zurück,“ also jeweils mit einer um eine Woche nach hinten verschobenen Datumsangabe, finden sich

|| 1142 Liber Pontificalis, 91. Gregor II. (715–731), 4. Ed. Duchesne, Bd. 1, 398; Eighth-century popes. Ed. Davis, 5: (A) Quartadecima tunc indictione signum in luna factum est, et visa est cruentata usque ad media nocte. (B) Huius temporibus signum in luna factum est per indiktionem XIIII, et visa est cruentata usque ad mediam noctem. 1143 Schove/Fletscher, Chronology (1987), 187. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7; vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0716-01-13T.gif (25.3.2016). 1144 Chronicle of Ireland, ad a. 718. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 192: An eclipse of the moon at its full. 1145 Saroszyklus 94: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0717-01-02P.gif (25.3.2016). 1146 Chronicle of Ireland (AU, AT, AClon), ad a. 725. Ed. Charles-Edwards, 198: A dark and blood-red moon on the eighteenth of the Kalends of January. Vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 149, der den 13./14. Dezember 726 vorschlägt. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres, ACC 17–7 mit dem 13. Dezember 726. 1147 Saroszyklus 85: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0726-12-13T.gif (25.3.2016). 1148 Chronicle of Ireland (AU, AT), ad a. 734. Ed. Charles-Edwards, 206 f.: A lunar eclipse on the eleventh of the Kalends of February; vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 152. 1149 Annals of Tigernach, ad a. 733. Ed. Stokes, Bd. 1, 237: An eclipse of the moon on the 9th kalend of February. 1150 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0734-01-24T.gif (13.1. 2015).

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bei Simeon von Durham,1151 beim Fortsetzer von Beda1152 und in den Annalen von Lund, die sich auch hier an der älteren Überlieferung orientieren.1153 Im Chronicle of Aethelward wird diese Mondfinsternis als Prodigium vor der Erwähnung des Ablebens von Erzbischof Tatwine von Canterbury, verstorben am 30. Juli 734, und von Beda Venerabilis, verstorben am 26. Mai 735, platziert.1154 Laut den Annalen von Clonmacnoise verfärbte sich der Mond im Jahr 749 blutrot.1155 Eine totale Mondfinsternis ist für dieses Jahr am 30. September berechnet worden.1156 Für eine Beobachtung der totalen Mondfinsternis am 31. Juli 752 gibt es zwei Überlieferungen, einmal ohne Tagesdatum, nur mit Jahresangabe, in den Annalen von Tigernach1157 zum anderen mit dem richtigen Datum bei Simeon von Durham.1158 Der Fortsetzer von Beda schrieb zum Jahr 753: „Im fünften Jahr des Königs Eadberht ereignete sich am 13. Januar eine Sonnenfinsternis, und wenig später verfinsterte sich im gleichen Jahr und Monat, nämlich am 24. Januar, der Mond und war durch einen schrecklichen und ganz schwarzen Schild, so wie die Sonne kurz vorher, bedeckt.“1159 Im Jahr 753 fand eine totale Sonnenfinsternis am 9. Januar statt,1160 eine teilweise Mondfinsternis ist für den 24. Januar 753 berechnet worden.1161 Simeon von Durham überlieferte in seiner Historia Regum zum Jahr 756: „Zudem war der 15 Tage alte Mond, das ist der Vollmond, mit einer blutroten Farbe bedeckt; bis die Finsternis sich allmählich verringerte und er zu seinem früheren Licht zurückkehrte. Höchst bemerkenswert war, dass ein heller Stern dem Mond folgte und ihn

|| 1151 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 734. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 30 f.; Simeon von Durham. Ed. Whitelock, 239): Luna sanguineo rubore est perfusa, quasi hora integra, ii. Kal. Februarii circa gallicantum. Deninc nigredine subsequente ad lucem propriam est reversa. 1152 Continuatio Bedae, ad a. 734. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 538 f.: Anno DCCXXXIIII luna sanguineo rubore perfusa, quasi hora integra II. Kal. Febr. circa galli cantum, dehinc nigredine subsequente ad lucem propriam reuersa. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1153 Annales Lundenses, ad a. 736. Ed. Kroman, 35: Luna sanguineo rubore perfusa quasi hora integra secundo Kal. Februarii circa gallicantum, deinde nigredine subsequente ad propriam lucem reuersa. 1154 Chronicle of Aethelward, ad a. 734. Ed. Campbell, 21 f.: Postquem decursum unius anni facta est luna ueluti sanguinolentis intincta guttis, et ipso praesignio Tatuuine et Beda migrauerunt. 1155 Annals of Clonmacnoise, ad a. 749. Ed. Murphy, 119: The Moone was of sanguine colour. 1156 Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0749-09-30T.gif (25.3.2016). 1157 Annals of Tigernach, ad a. 752. Ed. Stokes, Bd. 1, 254: The colour of blood upon the moon in this year. 1158 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 752. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 40; Simeon von Durham. Ed. Whitelock, 241: An eclipse of the moon occurred on 31 July. eclipsis lunae facta est pridie Kal. Augusti. 1159 Continuatio Bedae, ad a. 743. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 550 f.: Anno DCCXLIII, anno regis Eadberti quinto, idus Ianuarius, eclipsis solis facta est, et nec mora postea, eodem anno et mense, hoc est nona kalendarum Februarium, luna eclipsim pertulit, horrendo et nigerrimo scuto, ita ut sol paulo ante, cooperta; vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1160 Saroszyklus 82: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0701-0800/753-01-09.gif (25.3.2016). 1161 Saroszyklus 94: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0753-01-24P.gif (25.3.2016).

238 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

schnitt.“1162 Im genannten Jahr fanden zwei Mondfinsternisse statt, eine totale am 18. Mai 7561163 und eine beinahe totale am 11. November 756.1164 In diesem Fall kann nicht entschieden werden, welches der beiden Ereignisse von Simeon von Durham beobachtet und beschrieben wurde. In zwei irischen Annalenwerken werden für 761 oder 762 großer Schneefall und ein dunkler Mond genannt.1165 Eine genaue Zuordnung ist schwierig, denn die über Mitteleuropa 761 und 762 beobachtbaren Mondfinsternisse waren alle penumbral: Sie fanden am 23. Februar 761 gegen 22:37 Uhr (TD),1166 am 21. Juli 761 gegen 22:40 Uhr (TD) (fast nicht zu erkennen),1167 am 15. Januar 762 gegen 1:35 Uhr (TD)1168 und am 10. Juli 762 gegen 23:13 Uhr (TD) statt.1169 Besser zu beobachten waren die beiden partiellen Mondfinsternisse von 762. Eine klare Angabe machen die Annalen von Ulster zum Jahr 773, die festhalten, es sei ein dunkler Mond am 4. Dezember 773 zu sehen gewesen.1170 Eine über Europa beobachtbare, totale Mondfinsternis ist genau für diesen Tag berechnet worden.1171 Die Annales Flavianicenses et Lausonenses überliefern eine Mondfinsternis am 25. Februar 788.1172 Laut den Annalen von Ulster soll eine Rotfärbung des Mondes eher eine Woche früher, am 19. Februar 788 sichtbar gewesen sein.1173 Berechnet wurde, dass die totale Mondfinsternis am 26. Februar 788 stattgefunden hat.1174 || 1162 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 756. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 41; Simeon von Durham. Ed. Whitelock, 241: Luna autem xv. sanguineo rubore superducta viii. Kal. Decembris xv. Aetate, id est, plena luna; sicque paulatim descrescentibus tenebris ad lucem pristinam pervenit. Nam mirabiliter, ipsam lunam sequente lucida stella et pertranseunte, tanto spatio eam antecedebat illuminatam, quanto sequebatur antequam esset obscurate; vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1163 Saroszyklus 91: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0756-05-18T.gif (25.3.2016). 1164 Saroszyklus 96: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0756-11-11P.gif (25.3.2016). 1165 Chronicle of Ireland (AU), ad a. 762. Ed. Charles-Edwards, 231: A great snowfall, and a dark moon; Annals of Tigernach, ad a. 761. Ed. Stokes, Bd. 1, 260: Great snow and a dark moon. Vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 158. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–6, dort zum Jahr 763. 1166 Saroszyklus 103: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0761-02-23N.gif (30.3.2016). 1167 Saroszyklus 70: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0761-07-21N.gif (30.3.2016). 1168 Saroszyklus 75: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0762-01-15P.gif (30.3.2016). 1169 Saroszyklus 80: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0762-07-10P.gif (30.3.2016). 1170 Chronicle of Ireland, ad a. 773. Ed. Charles-Edwards (AU), 239: A dark moon on the second of the nones of December. Vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 160. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–6. 1171 Saroszyklus 86: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0773-12-04T.gif (25.3.2016). 1172 Annales Flavianicenses, ad a. 788. Ed. Pertz, MGH SS 3, 151: Luna eglypsin pertulit 2. Feria, 6. Kal. Martii. 1173 Chronicle of Ireland, ad a. 788. Ed. Charles-Edwards (AU), 253: The moon became red like blood on the twelfth of the Kalends of March. Vgl. Schove/Fletscher, Chronology (1987), 164. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1174 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0788-02-26T.gif (25.3.2016).

Mondfinsternisse | 239

Bei der in den Annales Flavianicenses et Lausonenses für das Jahr 795 genannten Mondfinsternis1175 ist nicht klar, ob es sich um die totale Mondfinsternis des 9. April 795 (gegen 5:36 Uhr, TD)1176 handelte oder um die ebenfalls totale des 3. Oktober 795 (gegen 6:49 Uhr, TD).1177 Wieder einmal korrekt datiert gibt Simeon von Durham eine genaue Beschreibung einer Mondfinsternis zum Jahr 796 an: „Im siebenten Jahr von König Ethelred starb Alrich, einst ein Ealdorman, dann ein Kleriker in der Stadt York. Und bald darauf, am 28. März, gab es eine Mondfinsternis zwischen dem Hahnenschrei und der Morgendämmerung. Im selben Jahr wurde König Ethelred nahe Cover am 18. April ermordet, im siebenten Jahr seiner Herrschaft.“1178 Die betreffende totale Mondfinsternis ist tatsächlich auch für den 28. März 796 berechnet worden.1179

2.8.3 Mondfinsternisse im 9. Jahrhundert Zu Beginn des 9. Jahrhunderts, genauer zum Jahr 803 überliefern die Annales Flavianicenses et Lausonenses eine vergleichsweise kurze Nachricht über eine Mondfinsternis.1180 Diese ist jedoch korrekt, denn zum 3. November 803 ist eine über Europa sichtbare, totale Mondfinsternis berechnet worden.1181 Die sogenannte Frankengeschichte des Petrus Bibliothecarius nennt zum Jahr 806 eine Finsternis, allerdings ohne diese näher als Sonnen- oder Mondfinsternis zu charakterisieren.1182 Während für dieses Jahr keine wirklich gut über Europa zu beobachtende Sonnenfinsternis berechnet worden ist, war die Mondfinsternis vom 1. September 806 gegen 23:26 Uhr (TD) eine außergewöhnlich totale.1183 Damit dürfte sich diese Nachricht wohl hierauf beziehen. In den Annalen des Klosters Einsiedeln

|| 1175 Annales Flavianicenses, ad a. 795. Ed. Pertz, MGH SS 3, 151: Luna bis obsucrata est hinitus aqua. 1176 Saroszyklus 83: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0795-04-09T.gif (30.3.2016). 1177 Saroszyklus 88: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0795-10-03T.gif (30.3.2016). 1178 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 796. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 57; Simeon von Durham. Ed. Whitelock, 248: Anno DCCXCVI., qui est annus vii. Ethelredi regis, Alric quondam dux, tunc clericus, in Eboraca civitate defunctus est. Et paulo post, id est, v kal. Aprilis, eclipsis lunae facta est inter gallicinium et auroram. 1179 Saroszyklus 93: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0796-03-28T.gif (25.3.2016). 1180 Annales Flavianicenses, ad a. 803. Ed. Pertz, MGH SS 3, 151: Luna eglypsin pertulit. 1181 Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0803-11-03T.gif (25.3.2016). 1182 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 806. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: Hoc anno fuit eclypsis. 1183 Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0806-09-01T.gif (6.4.2016).

240 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

wird zum 806 eine Mondfinsternis zum 2. September überliefert.1184 Ein ähnlicher, etwas kürzerer Eintrag findet sich noch in drei weiteren Annalen.1185 Nach den Annalen von Ulster und dem Chronicum Scotorum hatte der Mond im Jahr 807 eine blutrote Verfärbung.1186 Die Annales Sithienses ergänzen, dass in diesem Jahr sich Mond und Sonne gleichermaßen verdunkelten.1187 Aus den Annales Elmarenses sind genaue Daten zu erfahren: Eine Sonnenfinsternis habe am 10. Februar 807 und eine Mondfinsternis am 25. April 807 stattgefunden.1188 Berechnet wurde die Sonnenfinsternis für den 11. Februar 807, der Kernschatten fiel über dem Meer zwischen Island und Schottland auf die Erdoberfläche.1189 Eine totale Mondfinsternis konnte für den 26. Februar 807 nachgewiesen werden.1190 Der Verfasser der Annales Elmarenses hat wohl bei letzterer eine Abweichung um zwei Monate angegeben. Während die Annalen des Klosters Einsiedeln überlieferten, dass am 25. Dezember 809 eine Mondfinsternis stattgefunden habe,1191 geben die Annales Sithienses irrtümlich den 26. Dezember 810 an.1192 Berechnet wurde jedoch eine totale Mondfinsternis für den 25. Dezember 809.1193 Für das Jahr 810 gaben beide Annalisten gleichermaßen an, dass Sonne und Mond verschwanden, die Sonne am 10. Juli und am 12. Dezember 810, der Mond am 21. Juni und 13. Dezember 810.1194 Berechnet wurden die entsprechenden totalen Mondfinsternisse für den 20. Juni 8101195 und den 14. Dezember 810.1196 Interessanterweise geben die Quellen einmal einen Tag zu viel und einmal einen Tag zu wenig an. Für eine von den Annales Blandinienses genannte

|| 1184 Annales Heremi 2, ad a. 806. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 246: Eclipsis lunȩ IIII n. Sept. sole in XIII Parte piscium. 1185 Annales Blandinienses, ad a. 806. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 23: Eclipsis lunae facta est 4. Non. Sept.; Annales Sithienses, ad a. 806. Ed. Waitz, MGH SS 13, 37: Eclypsis lunae facta est 4. Non. Septembr.; Annales Elmarenses, ad a. 806. Ed. Grierson, 80: Eclipsis lune facta est IV non. Septembris. 1186 Chronicle of Ireland (AU, AClon), ad a. 807. Ed. Charles-Edwards, 268: The moon was turned to the colour of blood. Chronicum Scotorum, ad a. 807. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 127: The moon was turned into blood. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1187 Auctarium Sithiense, ad a. 807. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 442: Hoc anno luna ter obscurata est, et sol semel. 1188 Annales Elmarenses, ad a. 807. Ed. Grierson, 80: Eclipsis solis IV id. Februarii, et eclipsis lune facta est VII kal. Maiy. 1189 Saroszyklus 82: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/807-02-11.gif (25.3.2016). 1190 Saroszyklus 94: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0807-02-26T.gif (25.3. 2016). 1191 Annales Heremi 2, ad a. 809. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 247: Eclipsis lunae VII. kal. ian. 1192 Annales Sithienses, ad a. 810. Ed. Waitz, MGH SS 13, 37: Eclypsis lunae facta 7. Kal. Ian. 1193 Saroszyklus 86: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0809-12-25T.gif (25.3. 2016). 1194 Annales Heremi 2, ad a. 810. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 247: Hoc anno sol et luna bis defecerunt, sol VII. id. iun. et II. kal dec., luna XI. kal. Iul. et XIX. kal. ian.; Annales Sithienses, ad a. 810. Ed. Bethmann, MGH SS 13, 37: Sol et luna bis defecerunt, sol 6. Id. Iul. et 2. Id. Decembr., luna 11. Kal. Iul. et 18. Kal. Ianuar. 1195 Saroszyklus 91: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0810-06-20T.gif (25.3.2016). 1196 Saroszyklus 96: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0810-12-14T.gif (25.3 2016).

Mondfinsternisse | 241

Mondfinsternis, die am 25. April 810 stattgefunden haben soll,1197 lässt sich bezüglich der tatsächlichen Datierung nicht einmal annäherungsweise eine Vermutung anstellen. Ganz allgemein geben die Annales Cambrię für das Jahr 810 an, dass eine Epidemie, eine Verdunklung des Mondes, ein Brand von Swansea (Menevia) und Sterblichkeit der Schafe in Britannien stattgefunden hätten.1198 Übereinstimmend wird in mehreren Quellen zum 5. Februar 817 eine Mondfinsternis angegeben: Der später „Astronomus“ genannte Autor vermerkte: „In diesem Jahr verfinsterte sich der Mond am 5. Februar um die zweite Stunde der Nacht und ein wunderbarer Komet erschien im Zeichen des Fuhrmanns. Papst Stephan starb im dritten Monat nach seiner Rückkehr von Francien nach Rom, (…),“1199 und die Annales Sithienses überliefern: „Eine Mondfinsternis war am 5. Februar 817. In dieser Nacht war der Stern Komet einem Schwert gleich zu sehen.“1200 Die Zuverlässigkeit der Annales Sithienses ist schwer einzuschätzen. Der Fuldaer Annalist nennt hingegen für den 5. Februar 817 eine Sonnenfinsternis (eclipsis solis) und verbindet diese Aussage damit, dass in dieser Nacht ein Komet zu sehen gewesen sei.1201 Dabei hätte ihm auffallen können, dass sich eine Nacht durch das Fehlen der Sonne auszeichnet und eine Eklipse des Mondes verzeichnen müsste.1202 Der gleiche Fehler findet sich auch in der Petri Bibliothecarii Historia Francorum, dort ebenfalls irrtümlich als Sonnenfinsternis und auf den 5. Februar 818 datiert und gleichfalls verbunden mit dem Erscheinen eines Kometen.1203 Tatsächlich wurde für den 2. Februar 817 eine totale Mondfinsternis berechnet.1204 Eine totale Mondfinsternis ist für den 23. November des Jahres 820 gegen 20:01 Uhr (TD) berechnet worden. 1205 Diese ist in der Schilderung der Ereignisse der Jahre [820–823] bei Johannes Skylitzes erwähnt: „(…) eine Mondfinsternis und stockdunkle Nacht (…).“1206 Diese wird nicht näher datiert. Einige annalistische Werke aus dem

|| 1197 Annales Blandinienses, ad a. 810. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 23: Eclipsis lunae facta est 7. Kal. Mai, et Karolus novissime in Sithiu fuit. 1198 Annales Cambriae, ad a. 810/[841]. Ed. Gough-Copper, 35: Luna obscuratur. Combustio Meneviae. Mortalitas pecorum in Brittannia. 1199 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 27. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 369–372: Eo anno luna nonis februarii defecit hora noctis II.; cometarum sydus portentuosum in signo apparuit Agitatoris. Stephanus papa tertio mense, postquam a Frantia Romam rediit (…). 1200 Annales Sithienses, ad a. 817. Ed. Waitz, MGH SS 13, 37: Eglypsis lunae facta Non. Febr. Eadem nocte stella cometes gladio similis visa. 1201 Annales Fuldenses, ad a. 817. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 20: Eclipsis solis facta est Nonis Febr.; eadem nocte stella cometes gladio similis visa est. 1202 Saroszyklus 85: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0817-02-05T.gif (2.4.2016). 1203 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 818. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: Nonis Februarii eclypsis facta; nocte vero cometes apparuit. 1204 Saoszyklus 85: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0817-02-05T.gif (25.3.2016). 1205 Saroszyklus 87: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0820-11-23T.gif (13.1.2015). 1206 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Michael der Stammler 7, in: Byzanz. Ed. Thurn, 63.

242 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

heutigen Belgien erwähnen aber diese Mondfinsternis auch,1207 so die Annales Sithienses für den 24. November.1208 Erstmals nennen auch die Annales regni Francorum eine Mondfinsternis, nicht nur mit einer sehr genauen Datums- sondern sogar einer präzisen und vor allem korrekten Uhrzeitangabe: „Am 23. November verfinsterte in der zweiten Stunde der Nacht der Mond.“1209 Diese hohe Präzision der Angaben lässt sich bei den sogenannten fränkischen Reichsannalen auch für das Jahr 828 beobachten: „Der Mond verfinsterte sich am 1. Juli während er untergehen wollte, in der ersten Dämmerung, und noch einmal am 25. Dezember, das heißt an Weihnachten, um Mitternacht.“1210 Berechnet wurden die entsprechenden totalen Mondfinsternisse für den 1. Juli 828 gegen 4:06 Uhr1211 sowie für den 25. Dezember 828 gegen 3:00 Uhr.1212 Auch der sogenannte „Astronomus“ überliefert beide Mondfinsternisse in seiner Vita Hludowici: „In diesem Jahr traten zwei Mondfinsternisse ein, die eine am 1. Juli, die andere in der Weihnachtsnacht.“1213 Die Datierung dieser Mondfinsternis ins Jahr 827 in der Chronik Aethelwards weicht dagegen um ein Jahr ab.1214 Die Annales Cambrię überlieferen als nächstes eine Mondfinsternis für das Jahr 1215 831. Da in diesem Jahr eine fast totale Mondfinsternis am 30. April und eine totale am 24. Oktober stattfanden, ist die Angabe in den Annales Xantenses wichtig, dass die Finsternis im Monat Oktober eintrat.1216 Eine totale Mondfinsternis wurde für den 24. Oktober 831 gegen 23:46 Uhr (TD) berechnet.1217

|| 1207 Annales Stabulenses, ad a. 820. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: eclipsis lunae; Annales S. Amandi breves, ad a. 820. Ed. Pertz, MGH SS 2, 184: eclipsis lunae. 1208 Auctarium Sithiense, ad a. 820. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 442: Luna defecit 8. Kal. Dec. 820; Annales Sithienses, ad a. 820. Ed. Waitz, MGH SS 13, 38: Propter nimietatem pluviarum aer corruptus, et fames valida. Defuncto lunae facta 8. Kal. Decembr. 1209 Annales regni Francorum, ad a. 820. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 154; FSGA 5, 124 f.: Luna defecit VIII. Kal. Decembr. hora noctis secunda. 1210 Annales regni Francorum, ad a. 828. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 176; FSGA 5, 154 f.: Luna Kal. Iul. primo diluculo in occasu suo defecta est; similiter et in VIII. Kal. Ian., id est in natale Domini, media nocte obsucrata est. 1211 Saroszyklus 91: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0828-07-01T.gif (25.3.2016). 1212 Saroszyklus 96: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0828-07-01T.gif (25.3.2016). 1213 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 42. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 450 f.: Hoc anno bis deliquium contigit lunae, in kalendis iulii et nocte natalis Domini. 1214 Chronicle of Aethelward, ad a. 827. Ed. Campbell, 29: At the end of a period of two years, the light of the moon failed in the very night of Christ’s nativity. Biennio itaque impleto ablata est lux lunae in ipsa nocte natiuitatis Christi. 1215 Annales Cambriae, ad a. 831/[861]. Ed. Gough-Copper, 37: Eclipsis lunae. Satur wiu episcopus Menevensis obiit. 1216 Annales Xantenses, ad a. 831. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 8; FSGA 6, 340 f.: Eodem mense eclipsis lunae facta est. 1217 Saroszyklus 88: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0831-10-24T.gif (29.3.2016).

Mondfinsternisse | 243

Nach den Xantener Annalen fand im April 832 eine Mondfinsternis statt.1218 Genauer geben die Annales Bertiniani die Zeit mit dem 18. April, nach Sonnenuntergang, an.1219 Berechnet wurde diese totale Mondfinsternis auf den 18. April 832 gegen 20:51 Uhr (TD).1220 Die Xantener Annalen führen auch für den Februar 835 erneut eine Mondfinsternis an.1221 Diese ebenfalls totale Mondfinsternis wurde auf den 17. Februar 835 gegen 3:14 Uhr (TD) berechnet.1222 Für das Jahr 842 wird eine Mondfinsternis am 30. März überliefert,1223 genauere Informationen geben die Annales Fuldenses, nach denen in diesem Jahr eine Mondfinsternis am 30. März, dem fünften Tag der Woche vor Ostern, zur zehnten Stunde der Nacht, geschah.1224 Berechnet wurde die entsprechende totale Mondfinsternis für den 30. März 842 gegen 4:24 Uhr (TD), also tatsächlich zur zehnten Stunde der Nacht.1225 Nithard gab eine Mondfinsternis für den 20. März 843 an.1226 Diese wurde für die Nacht vom 19. auf den 20. März 843 gegen 20:01 (TD) berechnet.1227 Im Jahr 861 am 29. März verwandelte sich der Mond schwarz, so die Annales Bertiniani.1228 Berechnet wurde diese Finsternis für den 30. März 861 gegen 3:59 Uhr (TD).1229

|| 1218 Annales Xantenses, ad a. 832. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 8; FSGA 6, 340 f.: Mense Aprilis eclipsis lunae fuit. 1219 Annales Bertiniani, ad a. 832. Ed. Grat u. a., 6; FSGA 6, 16 f.: Quo etiam tempore eclipsis lunae tercio decimo Kalendas Mai post solis occasum facta est. 1220 Saroszyklus 93: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0832-04-18T.gif (29.3.2016). 1221 Annales Xantenses, ad a. 835. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 9; FSGA 6, 342 f.: Mense Februario eclipsis lunae fuit. 1222 Saroszyklus 85: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0835-02-17T.gif (29.3.2016). 1223 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 842. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: eclypsis lunae fuit 3. Kal. April. 1224 Annales Fuldenses, ad a. 842. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 34; FSGA 7, 30 f.: Eodem anno eclipsis lunae facta est III. Kal. April., quinta feria ante pascha, decima hora noctis. 1225 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0842-03-30T.gif (29.3.2016). 1226 Nithard, Historiarum libri, 4, 7. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ. 44, 49 f.; FSGA 5, 460 f.: Per idem tempus eclypsis lunae XIII. Kal. Aprilis contigit. 1227 Saroszyklus 94: https://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0843-03-19T.gif (13.1.2017). 1228 Annales Bertiniani, ad a. 861. Ed. Grat u. a., 84: Quarto Kalendas Aprilis luna post horam noctis octavam tota in nigridem vertitur. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–6. 1229 Saroszyklus 94: https://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0861-03-30T.gif (4.4.2016).

244 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Im Januar 865 wird eine Mondfinsternis in den Annales Fuldenses1230 wie im Chronicum Scotorum,1231 hier kombiniert mit einer Sonnenfinsternis, überliefert.1232 Eine totale Mondfinsternis wurde für den 15. Januar 865 gegen 19:08 Uhr (TD) berechnet.1233 In westfränkischen Quellen wird für den 15. Oktober 878 erneut eine Mondfinsternis genannt,1234 die zur letzten Stunde der Nacht stattgefunden habe.1235 Rechnerisch nachgewiesen wurde eine totale Mondfinsternis für den 15. Oktober 878 gegen 5:08 Uhr (TD).1236 Zwar ist für das Jahr 882 eine Nachricht über eine Mondfinsternis überliefert,1237 da aber sowohl am 7. Februar 882 gegen 3:12 Uhr (TD)1238 als auch am 3. August 882 gegen 2:47 Uhr (TD)1239 jeweils totale Mondfinsternisse stattgefunden haben, ist ohne weitere Monatsangabe nicht zu entscheiden, welche der beiden hier beobachtet und überliefert wurde. „Am 21. März [881–889] verdunkelte sich in der Nacht der Mond in der Art des Blutes.“1240 Eine totale Mondfinsternis an einem 21. März in diesem Zeitraum wurde für das Jahr 889 gegen 3:25 Uhr (TD) berechnet.1241 Für die für das Jahr 893 in mehreren Quellen aus dem alemannischen Raum genannte Mondfinsternis1242 kann nicht entschieden werden, wann sie stattfand, denn als totale Mondfinsternis kann sie am 2. Juli 893 gegen 23:37 Uhr (TD)1243 oder am 26. Dezember 893 gegen 20:14 Uhr (TD)1244 beobachtet worden sein.

|| 1230 Annales Xantenses, ad a. 865. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 22: Mense Ianuario eclipsis lunae facta est. 1231 Chronicum Scotorum, ad a. 865. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 159: An eclipse of the sun on the 1st of January, and an eclipse of the moon in the same month. 1232 Schroeter, Spezieller Kanon (1923), 198 f. Nr. 147; Newton, Medieval Chronicles (1972), 655. 1233 Saroszyklus 96: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0865-01-15T.gif (29.3.2016). 1234 Annales Floriacenses, ad a. 878. Ed. Pertz, MGH SS 2, 254: Eodem anno Iden. Octobr. Eclypsis lunae fuit cum esset quartadecima (…). 1235 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviate, ad a. 878. Ed. Pertz, MGH SS 1, 418: (…) et luna Idus Octobris ultima hora noctis. 1236 Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0878-10-15T.gif (29.3.2016). 1237 Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis tertia, ad a. 882. Ed. Pertz, MGH SS 1, 52: Eclypsis lunae; Annales Alamannici (Codex Modoetiensis), ad a. 882. Untersuchungen. Ed. Lendi, 182 eclypsis lune. 1238 Saroyzyklus 86: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0882-02-07T.gif (29.3.2016). 1239 Saroszyklus 91: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0882-08-03T.gif (29.3.2016). 1240 Guidonis Chronica, ad a. 881–888. Ed. Pertz, MGH SS 5, 64: Anno domini Beringarii et Widonis regum primo, 12. Kal. April. in nocte parasceue luna 14. obsucrata est in modum sanguinis. 1241 Saroszyklus 85: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0889-03-21T.gif (15.1.2015). 1242 Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis tertia, ad a. 893. Ed.Pertz, MGH SS 1, 53: Eclypsis lunae. Annales Alamannici, ad a. 893. Untersuchungen. Ed. Lendi, 184: eclypsis lune. 1243 Saroszyklus 92: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0893-07-02T.gif (29.3.2016). 1244 Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0893-12-26T.gif (29.3.2016).

Mondfinsternisse | 245

Für die im Jahr 894 in derselben Quellengruppe überlieferte Finsternis sieht es nur deshalb besser aus,1245 weil ausschließlich am 22. Juni eine partielle Mondfinsternis gegen 0:49 Uhr (TD) stattfand,1246 die auch über Europa beobachtet werden konnte, während andere Eklipsen des Jahres am 16. Dezember 894 nur außerhalb Europas sichtbar waren.1247

2.8.4 Mondfinsternisse im 10. Jahrhundert Für die in den Anglo-Saxon Chronicles zum Jahr 904 genannte Verdunkelung des Mondes über England1248 stehen wiederum zwei Termine zur Auswahl: Eine totale Mondfinsternis ist für den 1. Juni 904 gegen 0:11 Uhr (TD) berechnet worden,1249 eine zweite totale Mondfinsternis für 25. November 904 gegen 21:56 Uhr (TD).1250 Auch hier kann anhand der Quellenlage keine Entscheidung getroffen werden. Die Annalen von Ulster kennen für den 17. Dezember 921 eine Mondfinsternis zur ersten Stunde der Nacht.1251 Und tatsächlich ist für diesen Tag gegen 19:28 Uhr (TD) eine totale Mondfinsternis auch berechnet worden.1252 Nach Flodoard von Reims verfinsterte sich am 1. April 926 der Mond und verblich und nur ein wenig Licht blieb übrig, wie bei einem zwei Tage alten Mond. Als die Morgendämmerung anbrach, bekam der ganze Mond eine blutrote Farbe.1253 Ostersonntag des Jahres 926 war am 2. April, das bei Flodoard gegebene Datum für die Mondfinsternis ist also korrekt, 1254 denn die totale Mondfinsternis wurde auf den 1. April 926 gegen 4:07 Uhr (TD) berechnet.1255 Richer von Reims schrieb, dass „um diese Zeit [927] der Mond, am vierzehnten Tage seines Laufs, durch den Schatten der Erde verdunkelt und den Blicken der Menschen entzogen wurde. Auch zeigten sich zu

|| 1245 Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis tertia, ad a. 894. Ed. Pertz, MGH SS 1, 53: Eclypsis lunae; Annales Alamannici, ad a. 894. Untersuchungen. Ed. Lendi, 184: Eclypsis lune; Annales Heremi 2, ad a. 894. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ 78, 256: Eclipsis lunae. 1246 Saroszyklus 102: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0894-06-22P.gif (4.4.2016). 1247 Saroszyklus 107: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0894-12-16P.gif (4.4.2016). 1248 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 904. Ed. Swanton (Abingdon MS), 93: Here the moon grew dark. 1249 Saroszyklus 93: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0904-06-01T.gif (29.3.2016). 1250 Saroszyklus 98 : http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0904-11-25T.gif (29.3.2016). 1251 Annals of Ulster, ad a. 921. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 372: A lunar eclipse on the third feria, the fifteenth of the Kalends of January at the first hour of night. 1252 Saroszyklus 88: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0904-11-25T.gif (29.3.2016). 1253 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 926. Ed. Lauer, 34; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 15: Luna quartadecima sabbato sancto paschae, die Kalendarum Aprilium, passa defectum et in pallorem conversa est, quadam luminis relicta particula, velut esset secunda; sicque aurora iam incipiente, in sanguineum tota mutata est colorem. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1254 Bao-Lin/Fiala, Canon of Lunar Eclipses (1992), 122 Nr. 5886. 1255 Saroszyklus 95: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0926-04-01T.gif (29.3.2016).

246 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Reims feurige Gestalten wie von kämpfenden Heeren am Himmel. Mit solchen vorbedeutenden Zeichen stellten sich Krankheiten ein, nämlich Fieber und Husten.“1256 Die entsprechende partielle Mondfinsternis wurde für den 14. September 927 gegen 2:33 Uhr (TD) berechnet.1257 Wiederum bei Flodoard findet sich für den 4. September 936 der Eintrag, „der 14 Tage alte Mond [Vollmond] sei mit blutroter Farbe bedeckt und schien sich in der Nacht kaum zu erhellen.“1258 Berechnet wurde diese totale Mondfinsternis genau für den in der Quelle korrekt angegebenen Tag, gegen 2:16 Uhr (TD).1259 Nach den Annales Floriacenses verfärbte sich am 1. September 956 der Mond blutrot. Der Annalist hat versucht diese Eklipse mit dem Tod Hugos des Großen in Verbindung zu bringen, musste dafür aber an der chronologischen Abfolge drehen, denn Hugo war bereits am 16. Juni 956 verstorben.1260 Berechnet wurde eine totale Mondfinsternis für den 4. September des Vorjahres 955 gegen 23:44 Uhr (TD)1261 sowie eine penumbrale Mondfinsternis am 24. August 956 gegen 6:29 Uhr (TD).1262 Nach den Prümer Annalen färbte sich am 15. August 965 der Mond blutrot.1263 Laut Berechnung fand die totale Mondfinsternis am 15. August 965 gegen 2:30 Uhr (TD) statt.1264 Zwar überliefern die Annalen von Augsburg für das Jahr 976, dass der Mond sich verdunkelte,1265 aber sie machen keine weitergehenden Zeitangaben. Berechnet wurden für das Jahr totale Mondfinsternisse am 19. Januar gegen 21:36 Uhr (TD)1266 sowie am 14. Juli gegen 3:41 Uhr (TD).1267 Welche davon hier gemeint ist, bleibt unklar.

|| 1256 Richer von Saint-Remi, Historiae, 1, 52. Ed. Hoffmann, MGH SS 38, 65: Tunc etiam luna quartadecima terrae abiectu obsucrata, visibus intuentium defecit. Acies quoque igneae Remis in celo visae sunt. Quibus praesagientibus signis, febrium ac tussicularum morbus e vestigio irrepsit. Unde nonnulli loetaliter affecti, occubuere. 1257 Saroszyklus 110: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0927-09-14P.gif (29.3.2016). 1258 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 936. Ed. Lauer, 64; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 28: Luna quartadecima sanguineo colore obducta 2. Nonas Septembris noctem minime videbatur illustrare. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1259 Saroszyklus 91: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0936-09-04T.gif (29.3.2016). 1260 Annales Floriacenses, ad a. 956. Ed. Pertz, MGH SS 2, 255: Hoc anno 4. Nonas Septembris luna versa est in sanguinem. Eodem quoque anno mense Iunio signum mirabile in caelo apparuit, draco magnus scilicet, et sine capite. Secuta est statim mors Hugonis magni principis Francorum, Burgundionum, Brittonum, atque Nortmannorum; vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1261 Saroszyklus 101: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0955-09-04T.gif (4.4.2016). 1262 Saroszyklus 111: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0956-08-24N.gif (4.4.2016). 1263 Annales Prumienses brevissimi, ad a. 965. Ed. Holder-Egger, MGH SS 15/2, 1292: [XV]III. Kal. Septembr. conver[sa est] luna quasi in sanguinem, [quae] et ipsa nocte erat 14. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1264 Saroszyklus 92: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0965-08-15T.gif (4.4.2016). 1265 Annales Augustani, ad a. 976. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Luna obscurata est. 1266 Saroszyklus 88: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0976-07-14T.gif (4.4.2016). 1267 Saroszyklus 93: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0976-07-14T.gif (29.3.2016).

Mondfinsternisse | 247

Anders im Jahr 995, als die Augsburger Annalen zwar wieder ohne Zeitangabe nur die Nachricht bieten, der Mond habe sich blutrot gefärbt,1268 ist aber in diesem Jahr für den 14. Juli 995 gegen 23:25 Uhr (TD) eine über Europa sichtbare totale Mondfinsternis berechnet worden.1269 Die Regensburger Annalen überliefern zum Jahr 998, dass der Mond sich blutrot veränderte.1270 Berechnet wurde eine über Europa sichtbare, totale Mondfinsternis für den 6. November 998 gegen 20:17 Uhr (TD).1271

2.8.5 Mondfinsternisse im 11. Jahrhundert Das 11. Jahrhundert eröffnet die Angabe in den Annales Lemovicenses, dass am 7. Oktober des Jahres 1010 zur dritten Stunde eine Mondfinsternis stattfand.1272 Dies muss durch Berechnungen korrigiert werden, denn die totale Mondfinsternis fand ein Jahr und einen Tag vorher, am 6. Oktober 1009 gegen 23:17 Uhr (TD), statt.1273 In Italien soll sich im Jahr 1014 der Mond blutrot verfärbt haben.1274 Berechnet wurden drei penumbrale und eine partielle Mondfinsternisse, von denen am ehesten die partielle des 14. Juli 1014 gegen 23.46 Uhr (TD) über Europa zu sehen gewesen sein wird.1275 Als nächstes wir in der zeitgenössischen Chronik des Alpert von Metz1276 im Herbst des Jahres 1017 eine Mondfinsternis erwähnt.1277 Berechnet wurde eine entsprechende partielle über Europa sichtbare Mondfinsternis für den 6. November 1017 gegen 20:48 Uhr (TD).1278

|| 1268 Annales Augustani, ad a. 995. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Luna in sanguinem versa est. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1269 Saroszyklus 103: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0995-07-14T.gif (29.3.2016). 1270 Annales Ratisbonenses, ad a. 998. Ed. Wattenbach, MGH SS 17, 584; Annalium Ratisponensium Supplementum. Ed. Baethgen, MGH SS 30.2, 746: luna conversa est in sanguinem. Vgl. Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–7. 1271 Saroszyklus 100: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0998-11-06T.gif (4.4.2016). 1272 Annales Lemovicenses, ad a. 1010. Ed. Pertz, MGH SS 2, 252: Eclypsis lunae facta est Nonis Octobris hora 3. 1273 Saroszyklus 101: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1009-10-06T.gif (29.3.2016). 1274 Cronica Apostolicorum et imperatorum Basileensia, ad a. 1014. Ed. Holder-Egger, MGH SS 31, 289: Illo tempore luna versa est in sanguinem. 1275 Saroszyklus 113: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1014-07-14P.gif (29.3.2016). 1276 Berichtszeit 995–1025, Enstehungszeit 1021–1025, vgl. Rep. Font. 2, 201. 1277 Alpert von Metz, De diversitate temporum, 19. Ed. Pertz, MGH SS 4, 718: De eclipsi lunae et solis, et viso comete. [1017] Anno uno antequam concilium Noviomago indictum esset, luna post mediam noctem hiberno tempore defecit. 1278 Saroszyklus 110: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1017-11-06P.gif (29.3. 2016).

248 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Das Chronicum Scotorum nennt für das Jahr 1021 zunächst eine Sonnenfinsternis gegen Mittag und eine Mondfinsternis im selben Monat.1279 Aufgrund dieser relativen Angaben und der konkreten Konstellation lassen sich anhand von Berechnungen folgende Daten ermitteln: Eine über Schottland sichtbare totale Sonnenfinsternis fand am 24. Januar 1023 gegen 12:18 Uhr (TD) statt,1280 die partielle Mondfinsternis im selben Monat fiel auf den 9. Januar 1023 gegen 20:46 Uhr (TD).1281 Die Chronologie des Chronicum Scotorum ist an dieser Stelle um zwei Jahre verschoben. Dies bestätigen auch die Einträge in den Annalen von Ulster,1282 von Tigernach1283 und von Loch Cé,1284 die jeweils richtig zum Jahr 1023 das Auftreten von Sonnen- und Mondfinsternis im selben Monat überliefern. Auch in den Annales Altahenses maiores wird diese für die Zeitgenossen auffällige Konstellation genannt.1285 Die Regensburger Annalen geben diese Mondfinsternis hingegen ein Jahr früher für das Jahr 1022 an,1286 im genannten Jahr sind aber nur penumbrale Mondfinsternisse festzustellen. Wahrscheinlich ist auch hier die partielle Mondfinsternis des 9. Januar 1023 gemeint. Eine im Jahr 1027 in Italien beobachtete Mondfinsternis1287 stimmt mit einer berechneten totalen Mondfinsternis überein, die am 18. Oktober 1027 gegen 7:22 Uhr (TD) stattfand.1288 Die Annalen von Lausanne geben für das Jahr 1031 an, dass der Mond sich verdunkelte.1289 Eine über Mitteleuropa gerade noch beobachtbare totale Mondfinsternis lässt sich am 10. Februar 1031 gegen 8.08 Uhr (TD) feststellen.1290

|| 1279 Chronicum Scotorum, ad a. 1021. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 263: An eclipse of the sun at midday, and an eclipse of the moon in the same month. 1280 Saroszyklus 115: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1023-01-24.gif (29.3.2016). 1281 Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1023-01-09P.gif (29.3.2016). 1282 Annals of Ulster, ad a. 1023. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 461: A lunar eclipse on the fourteenth day of the January moon, that is, on Thursday the fourth of the Ides 10 of January. A solar eclipse, moreover, a fortnight afterwards on the twenty-seventh of the same moon, Thursday the ninth of the Kalends of February. 1283 Annals of Tigernach, ad a. 1023. Ed. Stokes, Bd. 2, 362: An eclipse of the sun at midday, and an eclipse of the moon in the same month. 1284 Annals of Loch Cé, ad a. 1023. Ed. Hennessy, 25: The kalends of January on the 3rd feria, the 2nd of the, moon; the age of the Lord twenty-three years and, a thousand. An eclipse on the l4th of the January, moon, the 4th of the ides of January, on Thursday. An, eclipse of the sun, also, on the 27th of the same moon, on, Thursday, at the end of a fortnight, on the ninth of the, kalends of February. 1285 Annales Altahenses maiores, ad a. 1023. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ 4, 17 f.: Ecclypsis lunae ter illo uno anno, ecclypsis solis post natale Domini hora decima diei. 1286 Annales Ratisbonenses, ad a. 1022. Ed. Wattenbach, MGH SS 17, 584: Eclipsis lune maxima. 1287 Cronica Apostolicorum et imperatorum Basileensia, ad a. 1027. Ed. Holder-Egger, MGH SS 31, 289: Luna obsucrata est. 1288 Saroszyklus 101: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1027-10-18T.gif (30.3.2016). 1289 Annales Lausannenses, ad a. 1031. Ed. Waitz, MGH SS 24, 780: Dum luna esset in plenitudine, ita defecit, ut obscuritate verteretur. 1290 Saroszyklus 98: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1031-02-10T.gif (30.3.2016).

Mondfinsternisse | 249

Laut den süditalienischen Annalen des Romoald und den Annalen von Cava de‘Tirreni kam es am 9. Januar 1042 zu einem Verschwinden des Mondes. Die Annalen Romoalds nennen eine Mondfinsternis,1291 während die Annales Cavenses davon sprechen, dass der Mond zur fünften Stunde der Nacht verschwunden sei, obwohl keine Wolke am Himmel war.1292 Berechnet wurde die totale Mondfinsternis für den 9. Januar 1042 gegen 4:38 Uhr (TD).1293 Im Jahr 1044 kam es wieder zu einer Mond- und einer Sonnenfinsternis im selben Monat. Die Annales Altahenses überliefern die Mondfinsternis irrtümlich für den 2. November 1044 und die Sonnenfinsternis für den 22. November 1044.1294 Ähnlich, aber mit unkorrektem Datum, berichten auch die Annales Floriacenses.1295 Berechnet wurde die partiale Mondfinsternis für den 8. November 1044 gegen 4:23 Uhr (TD)1296 und die Sonnenfinsternis für den 22. November 1044 gegen 11:08 Uhr (TD).1297 Die korrekten Daten gab Rodulf Glaber in einem umfangreichen Eintrag zu diesem Ereignis an, bei dem es sich um einen Augenzeugenbericht handeln könnte.1298 Nach den Annales Nivernenses färbte sich der Mond zu Mitternacht des 4. April 1056 blutrot.1299 Berechnet wurde diese totale Mondfinsternis für den 3. April 1056 gegen 0:06 Uhr (TD),1300 also genau zu Mitternacht.

|| 1291 Romoald, Annales, ad a. 1042. Ed. Arndt, MGH SS 19, 403: Anno Domini 1042. indictione 10. luna passa est eclipsim 5. Idus Ianuarii per quinque horas noctis. 1292 Annales Cavenses, ad a. 1042. Ed. Pertz, MGH SS 3, 189: Luna decima tertia obscurata est per quinque horas, cum nulla nubes appareret in coelo, quinto Idus Ianuarias. 1293 Saroszyklus 99: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1042-01-09T.gif (30.3.2016). 1294 Annales Altahenses maiores, ad a. 1044. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 38: Ecclypsis lunae 4. Non. Novembres, solis 10. Kal. Dec. 1295 Annales Floriacenses breves, ad a. 1044. Ed. Waitz, MGH SS 13, 88: Eclipsis lune 8 horarum inter huadas et pliadas errante in Nov. mense intrant mensis feria 5. 1296 Saroszyklus 91: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1044-11-08P.gif (30.3.2016). 1297 Saroszyklus 117: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/1001-1100/1044-11-22.gif (30.3.2016). 1298 Rodulfus Glaber, Historiarum libri, 5, 2. Ed. Prou, 60: Sequenti igitur anno, id est quadragesimo sext post millesimum, facta est per loca magna vini fertilitas et leguminum. Post haec vero sexto Idus Novembrii mensis, Luna quartadecima, nulla currente Epacta, Concurrente septimo, facta est eclipsis Lunae hominibus valde tremenda. Nam octava hore noctis inter Solem et ipsam Lunam sive patratum a Deo ostensum, seu invertente sphaera alterius sideris qualiter evenerit, manet notum scientiae Conditoris. Ipas quoque Luna primitus pene facta est tota sicut teter sanguis, paululum evadendo usque ad auroram supervenientis diei. Eodem nihilominus mense apud castrum sancti Florentini quod est super Armentionem fluvium, circa medium cuiusdam diei cecidit de coelo quod Graece dicitur selas, vel casma, seu palmetie, dum fulgor aetherei splendoris insolito ad terras emittitur, insulsum enim vulgus perhibet stellam de coelo cadere. Tunc ergo praedicto mense Novembrio perductae sunt in quibusdam locis Galliarum praeter solitum ad maturitatem segetes primae sationis Augusti mensis collectae mense Octobrio: quod non sine magna admiratione contigit fieri. 1299 Annales Nivernenses, ad a. 1056. Ed. Waitz, MGH SS 13, 90: In hoc anno 2. Non. April. vertit luna in sanguinem media nocte. 1300 Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1056-04-03T.gif (30.3.2016).

250 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Der Autor des Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis nennt zwei Mondfinsternisse mit sehr genauen Datumsangaben: „In diesem Jahr 1062 verschwand der Mond am 1. August“1301 und „in dieser Zeit fand eine Mondfinsternis in der Mitte des Oktober [1071] statt.“1302 Rechnerisch nachgewiesen werden konnte diese Eklipse aber weder als Mond- noch als Sonnenfinsternis. Die Daten sind in jeder Hinsicht nicht zutreffend. Demgegenüber ist die in den Augsburger Annalen genannte Mondfinsternis des Jahres 10741303 auch berechnet worden. Sie fand am 7. Oktober 1074 gegen 21:44 Uhr (TD) statt und war eine besonders lange totale Mondfinsternis während des gesamten Untersuchungszeitrahmens.1304 Das Chronicon Vindocinense seu de Aquaria führt an: „In diesem Jahr am 28. Oktober 1075 im 13. Mond sahen wir in der Nacht zum Sonntag den dritten Teil des Mondes von Süden her für zwei Stunden schwarz werden.“1305 Diese Sichtung entspricht der berechneten partiellen Mondfinsternis des 27. September 1075 gegen 2:26 Uhr (TD).1306 Die Beschreibung der Quelle, der Mond sei von Süden her etwa zu einem Drittel bedeckt gewesen, stimmt exakt mit der berechneten Schattenbedeckung des Mondes überein, sodass bei diesem Eintrag einzig der Monat irrig angegeben wurde. Nach den Annales Yburgenses und später wiederaufgegriffen vom Annalista Saxo fand am 10. Februar 1077 eine Mondfinsternis statt.1307 Diese partielle Mondfinsternis wurde für den 10. Februar 1077 gegen 20:03 Uhr (TD) berechnet.1308 Als Vorlage für die Annalen des Klosters Kolbacz dienten, wie oben bereits gesehen, die Annales S. Benigni Divionensis. Die Kolbaczer Annalen verzeichnen am 31. Januar 1078 eine Mondfinsternis und eine Rotfärbung des Mondes.1309 Die Annales S. Benigni Divionensis verzeichneten aber das genauere und korrektere Datum, den 30. Januar 1078, an || 1301 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1062. Ed. Verdon, 136 f.: Eodem anno luna obscurata est kalendis augusti. 1302 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1071. Ed. Verdon, 140 f.: Ferunt eo tempore eclipsin lune in mense octobri fuisse. 1303 Annales Augustani, ad a. 1074. Ed. Pertz, MGH SS 3,128: Eclypsis lunae. 1304 Saroszyklus 102: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1074-10-07T.gif (30.3.2016). 1305 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 1075. Ed. Marchegay/Mabille, 169: Hoc anno, Vo kalendas novembris, XIIIa luna, nocte dominica, antequam diesceret, vidimus tertiam lunae partem ab austro nigriorem sacco cilicino, quae nigredo paulatim in spatio duarum defecit horarum. 1306 Saroszyklus 112: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1075-09-27P.gif (30.3.2016). 1307 Annales Yburgenses, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 16, 437: Eclipsis lunae 4. Idus Februarii. Hiemps prolixa. Nam 6. Kal. Decembris omnia flumina glacie constricta sunt usque 14. Kal. Aprilis; Chronicae Sancti Albini Andegavensis in unum congestae, ad a. 1077. Ed. Marchegay/Mabille, 26: Kalendis februarii, feria IVa, luna VIa, hora IIIa, apparuit signum in sole habens similitudinem solis unius in dexteram et alterius solis in sinistram, et coronam in summo coeli; (…) In fine ipsius mensis, luna apparuit sanguinea et caerulea in prima vigilia noctis. 1308 Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1077-02-10P.gif (30.3.2016). 1309 Annales Colbazenses, ad a. 1078. Ed. Arndt, MGH SS 19, 714; Ed. Kroman, 8: 2. Kal. Februarii feria 4. eclipsis lunae rubeae luna 13.

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dem „der Mond schwarz und blutrot sichtbar war.“1310 Die entsprechende Berechnung ergibt eine totale Mondfinsternis am 30. Januar 1078 gegen 20:42 Uhr (TD).1311 Das bereits mehrfach als von zweifelhafter Glaubwürdigkeit eingestufte Chronicon SanctiMaxentii Pictavensis überliefert für den 11. November 1082 eine Mondfinsternis.1312 Es fand zwar am 8. November 1082 eine partielle Finsternis mit der größten Dunkelheit kurz nach elf Uhr statt, allerdings war diese über Mitteleuropa gar nicht sichtbar.1313 Das Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis gibt also erneut eine schwierig einzuordnende Finsternisbeobachtung an. In Romoalds Annalen wird zu 1089 eine Mondfinsternis angegeben.1314 Für dieses Jahr wurden zwei partielle Eklipsen des Mondes berechnet, eine fand am 25. Juni 1089 gegen 17:28 Uhr (TD) statt,1315 die andere am 20. Dezember 1089 gegen 7:58 Uhr (TD).1316 Romoald überliefert auch, dass am 7. August 1094, in der vierten Indiktion, der Mond zur ersten Stunde der Nacht verschwand und die Finsternis bis zur dritten Stunde derselben Nacht gedauert habe.1317 Anhand der angegebenen Uhrzeit lässt sich sagen, dass die Finsternis um zwei Jahre zu früh angesetzt wurde und wohl auf die weiter unten genannte Mondfinsternis vom 6. August 1096 (für die auch von einer anderen Quelle, wie hier, der 7. August angegeben wurde) zu beziehen ist. Die Annalen des Klosters Egmont geben für das Jahr 1096 eine Mondfinsternis an.1318 In Ermangelung weiterer Angaben ist aber nicht klar, ob sich der Annalist dabei auf die totale Mondfinsternis des 11. Februar 1096 gegen 4:37 Uhr (TD)1319 oder auf die totale Mondfinsternis des 6. August 1096 gegen 20:07 Uhr (TD) bezieht.1320 Beide waren gleichermaßen über Mitteleuropa zu beobachten, wenn die Witterung es zuließ, wie die Einträge zum 11. Februar und zum 7. August 1096 bei Sigebert von Gembloux zeigen.1321 Der Augsburger Annalist brachte denn auch die Eklipse vom August 1096 irrtümlich zum 7. August ein, versah diese aber mit der korrekten Uhrzeit (zu Beginn

|| 1310 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 1078. Ed. Pertz, MGH SS 5, 42: (…), et luna nigra et sanguinea visa est 3. Kal. Febr. 1311 Saroszyklus 99: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1078-01-30T.gif (30.3.2016). 1312 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1082. Ed. Verdon, 144 f.: iii idus novembris fuit eclipsis lune. 1313 Saroszyklus 111: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEsaros/LEsaros111.html (17.10.2013). 1314 Romoald, Annales, ad a. 1089. Ed. Arndt, MGH SS 19, 412: Anno ab incarnatione Domini 1089. indictione 12. luna in ortu suo passa est eclipsin. 1315 Saroszyklus 105: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1089-06-25T.gif (30.3.2016). 1316 Saroszyklus 110: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1089-06-25T.gif (30.3.2016). 1317 Romoald, Annales, ad a. 1094. Ed. Arndt, MGH SS 19, 412: Eodem anno 7. Idus Augusti indictione 4. luna passa est eclipsin a prima hora noctis usque in terciam horam eiusdem noctis. 1318 Annales Egmundani, ad a. 1096. Ed. Pertz, MGH SS 16, 448: eclipsis lunae facta est. 1319 Saroszyklus 99: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1096-02-11T.gif (30.3.2016). 1320 Saroszyklus 104: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/1001-1100/LE1096-08-06T.gif (30.3.2016). 1321 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1096. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 367: Eclipsis lunae facta est 3. Idus Februarii. Rursus 7. Idus Augusti eclipsis lunae facta est.

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der Nacht). Er versucht, die Finsternis als Prodigium zu deuten.1322 In den Chronicae Sancti Albini Andegavensis ist überliefert, dass „am 11. Februar 1096, als der vorgenannte Papst [Urban II.] in Angers residierte und der Mond im 13. war, eine schreckliche Finsternis von Mitternacht bis zum Morgengrauen eintrat.“1323 Das bisher nicht als besonders glaubwürdig aufgefallene Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis überliefert eine Mondfinsternis für den 11. Dezember 10981324 und tatsächlich konnte für dieses Datum eine partielle Mondfinsternis nachgewiesen werden, die gegen 6.32 Uhr (TD) stattfand.1325 Auch die Annales Sancti Blasii nennen diese Mondfinsternis mit korrektem Datum und fügen sie in eine Reihe mit verschiedenen Ereignisse ein: Nordlicht, Mondfinsternis, Sonnenfinsternis sowie Hungersnot.1326 Als letzte in den Untersuchungszeitraum fallende Nachricht überliefert Romoald in seinen Annalen, dass am 1. Dezember 1099 eine Mondfinsternis stattgefunden habe, nachdem am 29. Juli Papst Urban II. in Rom gestorben war.1327 Berechnet wurde die totale Mondfinsternis für den 30. November 1099 gegen 16:32 Uhr (TD). Sie konnte über Mitteleuropa nur ganz knapp beobachtet werden.1328

2.8.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse Von den 71 für die Zeit von 500 bis 1100 überlieferten Mondfinsternissen gehört der ganz überwiegende Teil, nämlich 69 Prozent (40) zur Art der totalen Mondfinsternisse. Etwa 27 Prozent (19) waren partielle lunare Eklipsen und nur 4 Prozent (3) werden den penumbralen Mondfinsternissen zugerechnet.

|| 1322 Annales Augustani, ad a. 1096. Ed. Pertz, MGH SS 3, 134: Eclypsis lunae 7. Idus Augusti solito fit maior in noctis initio. Quod licet si circa 14 lunam evenerit naturale habeatur, modo tamen pro prodigio aestimabatur. 1323 Chronicae Sancti Albini Andegavensis, ad a. 1096. Ed. Marchegay/Mabille, 28: IIIo idus februarii, cum praedictus papa in Andecava urbe resideret, luna cum esset XIIIa, terribilem eclypsim passa est a media nocte usque ad lucem. 1324 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1098. Ed. Verdon, 164 f.: Anno MXCVIII (…) et lune eclipsis fuit tercio idus decembris. 1325 Saroszyklus 91: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEsaros/LEsaros091.html (17.10.2013). 1326 Annales S. Blasii, ad a. 1098. Ed. Pertz, MGH SS 17, 277: Hoc anno 5. Kalendas Octobris tota pene nocte rubrum visum est celum ab oriente per septentrionem usque in occidentem. 3. autem Id. Dec. facta est eclipsis lunae, cum esset 13, 8 quoque Kal. Ianuar. eclipsis facta es solis. Sequenti anno capta est Ierosolima. Fuit vero fames valida per tres continuos annos, cepta ab eo quo hec facta sunt anno, set in medio maxima, quia erat hiemps durissima, et semina et arbores defecerunt. 1327 Romoald, Annales, ad a. 1099. Ed. Arndt, MGH SS 19, 413: Anno dominice incarnationis 1099. indictione 7. Kal. Decembris fuit eclipsis lune sero Eodem anno 4. Kal. Augusti Urbnaus papa Rome defunctus est. 1328 Saroszyklus 101: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEsaros/LEsaros101.html (17.10.2013).

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In 19 Fällen (27 Prozent) wurde die Mondfinsternis mit dem korrekten Tagesdatum und dem richtigen Jahr angeführt. In 15 Prozent (11) der Fälle liegt eine Abweichung von „+ 1 Tag“ vor (680, 806, 809, 810, 820, 832, 1009, 1056, 1075, 1096, 1099), wogegen die Abweichung von „-1 Tag“ (684, 788, 810) nur in vier Prozent (3) der Fälle erfolgte. Demgegenüber halten sich die Abweichungen um eine Woche genau die Waage, zwei Mal wird „-1 Woche“ (788, 1044) angegeben und ebenso oft „+1 Woche“ (734, 956). Auch andere Abweichungsfehler häufen sich nicht, nur zwei Mal wurde um „-1 Jahr“ (725, 734), zwei weitere Male um „+1 Monat“ oder „+2 Monate“ (807, 832) angegeben. In vier Fällen (831, 832, 835, 865) wurden nur das korrekte Jahr und der korrekte Monat, aber kein Tagesdatum angegeben. In über 40 Prozent (28) aller Fälle wurde dagegen nur das korrekte Jahr, ohne Monat oder Tag angegeben. Für diese ausschließlich die Jahreszahl nennenden Einträge konnten keine entsprechenden Mondfinsternisse berechnet werden, denn es fanden in dem betreffenden Jahr zwei oder mehr Eklipsen statt. Dies betrifft die Jahre: 716, 718, 762, 756, 795, 882, 893, 904, 976, 1089 und 1096. Daneben gibt es auch mehrfache Überlieferungen von Mondfinsternissen oder -verdunkelungen, die sich garnicht mit den berechneten lunaren Eklipsen in Übereinstimmung bringen lassen. Vor allem Angaben im Chronicon SanctiMaxentii Pictavensis (1062, 1071, 1082) und den Annales Blandinienses (810) stellten sich in dieser Hinsicht als unzuverlässig heraus. Die in den angegebenen Tagen mitgeteilten Beobachtungen können sich auch auf andere Erscheinungen beziehen, wie etwa Höhenrauch nach Vulkanausbrüchen. Eine Reihe von zeitgenössischen Beobachtern hat das Auftreten der Mondfinsternisse mit bemerkenswert hoher Genauigkeit dokumentiert, so Gregor von Tours, der Fortsetzer von Beda, der Verfasser der Annales regni Francorum und jener der Annales Bertiniani, Prudentius oder Hinkmar. Für die Untersuchungszeit von 500 bis 1100 wurden 71 Mondfinsternisse in den hier untersuchten Quellen überliefert, die in Mitteleuropa beobachtet worden sein sollen, davon konnten nur vier nicht berechnet werden. Zeitlich verteilen sich diese überlieferten Beobachtungen folgendermaßen. Tab. 19: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Mondfinsternisse von 500 bis 1100 Gesamt 69 100 %

6. Jh. 4 5%

7. Jh. 5 7%

8. Jh. 13 19 %

9. Jh. 19 28 %

10. Jh. 11 16 %

11. Jh. 17 25 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung liegen im 8. bis 11. Jahrhundert mit jeweils über einem Viertel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 6. und 7. Jahrhundert überliefert. Nur zwei Mal wurden die Mondfinsternisse mit Krankheit und Massensterben in Verbindung gebracht, mit einem großen Sterben in Rom im Jahr 680 und mit Fieber und Husten 927. Das Ableben von vier Persönlichkeiten, zwei weltlichen und zwei

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geistlichen, soll durch Mondfinsternisse angezeigt worden sein: So wurde die Mondfinsternis 734 als Prodigium für das Ableben von Erzbischof Tatwine von Canterbury († 30. Juli 734) und von Beda Venerabilis († 26. Mai 735) angegeben. Im Jahr 796 wurde König Ethelred am 18. April ermordet, auch hier wird als Koinzidenz eine totale Mondfinsternis am 28. März 796 erwähnt. Eine Mondfinsternis am 5. Februar 817 wurde mit dem Tod von Papst Stephan IV. in Verbindung gebracht, obwohl dieser bereits am 24. Januar 816 gestorben war. Die Mondfinsternis vom 1. September 956 versuchte ein Annalist mit dem Tod Hugos des Großen in Verbindung zu bringen, wofür er die chronologische Abfolge abändern musste, denn Hugo war bereits am 16. Juni 956 gestorben. Fasst man dies zusammen, wurden in der Untersuchungszeit ungefähr 26 Personen in Bezug in Bezug auf ihren Tod in eine Verbindung mit astronomischen Ereignissen gebracht, wogegen nur bei drei ein Bezug zu ihrer Geburt hergestellt wurde. Das größte Interesse an der Überlieferung von Mondfinsternissen hatten wohl die Verfasser der irischen Annalen, sie erwähnten 13 lunare Eklipsen (670, 691, 718, 726, 734, 749, 752, 762, 773, 788, 807, 865, 921). Ansonsten wurden Mondeklipsen in der Untersuchungszeit im Schnitt zwei bis vier Mal je Quelle erwähnt.

Transit der Planeten Merkur und Venus | 255

2.9 Transit der Planeten Merkur und Venus Neben den oben bereits erwähnten Sonnenflecken, deren Ursache auf der Sonnenoberfläche liegt, ist aus methodischen Gründen nun auf die Möglichkeit einzugehen, dass Flecken auf der Sonne von der Erde aus auch beobachtet werden können, wenn ein Transit der inneren Planeten Merkur und Venus vorliegt. Dabei schiebt sich ein Planet zwischen Erde und Sonne und kann von der Erde aus als kleiner dunkler Fleck wahrgenommen werden. Dass sich die beiden inneren Planeten zwischen die Sonne und einen Beobachter auf der Erde schieben, geschieht in regelmäßigen, wenn auch nicht sehr häufigen Abständen.1329 Zwischen dem Jahr 500 und dem Jahr 1100 war dies beim Planeten Venus insgesamt acht Mal der Fall: am 24. Mai 546, 22. Mai 554, 23. Nov. 667, 24. Mai 789, 22. Mai 797, 23. Nov. 910, 24. Mai 1032 und 22. Mai 1040.1330 Mit 80 Mal deutlich häufiger geschah der Transit des Planet Merkur.1331 Da sich aber der Transit der inneren Planeten innerhalb weniger Stunden vollzieht, ist eine genaue und fast durchgehende Beobachtung des Zentralgestirns Voraussetzung, um einen solchen Transit überhaupt zu entdecken. Dies ist während des Mittelalters fast nur bei ostasiatischen Himmelsbeobachtern aus China, Japan, Korea der Fall, denen es mehrfach gelungen ist, Transits von Planeten zu dokumentieren. Aber selbst bei den vorderasiatischen Beobachtern wird nur ein Beispiel im Untersuchungszeitrahmen genannt: Eine Beobachtung des arabischen Autors Averroës (Ibn Rušd) für den 15. Mai 1068 ist als mögliche Transitbeobachtung gedeutet worden.1332 Eine erfolgreiche Beobachtung durch europäische Zeitgenossen kann demgegenüber aufgrund der Schnelligkeit des Transits und der vergleichsweise geringen sichtbaren Auswirkungen fast gänzlich ausgeschlossen werden. Dem widerspricht auch nicht die Darstellung, die von einem zeitgenössischen Beobachter selbst als Transit

|| 1329 Maunder/Moore, Transit (2000). 1330 Berechnete Daten: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/transit/catalog/VenusCatalog.html (17.2.2013). 1331 Zu einem Merkurtransit kam es 80 Mal zwischen 500 und 1100: 23. Okt. 500, 26. Okt. 513, 19. Okt. 520, 29. Okt. 526, 20. April 530, 22. Okt. 533, 24. April 543, 24. Okt. 546, 27. Okt. 559, 20. Okt. 566, 21. April 576, 23. Okt. 579, 24. April 589, 25. Okt. 592, 28. Okt. 605, 21. Okt. 612, 23. April 622, 24. Okt. 625, 27. Okt. 638, 30. Okt. 651, 21. April 655, 23. Okt. 658, 23. April 668, 25. Okt. 671, 27. Okt. 684, 30. Okt. 697, 22. April 701, 24. Okt. 704, 25. April 714, 26. Okt. 717, 29. Okt. 730, 22. Okt. 737, 1. Nov. 743, 23. April 747, 25. Okt. 750, 26. April 760, 28. Okt. 763, 29. Okt. 776, 23. Okt. 783, 24. April 793, 25. Okt. 796, 27. April 806, 28. Okt. 809, 31. Okt. 822, 24. Okt. 829, 25. April 839, 26. Okt. 842, 29. Okt. 855, 31. Okt. 868, 22. April 872, 25. Okt. 875, 25. April 885, 26. Okt. 888, 30. Okt. 901, 2. Nov. 914, 24. April 918, 26. Okt. 921, 28. April 931, 29. Okt. 934, 31. Okt. 947, 24. Okt. 954, 2. Nov. 960, 25. April 964, 27. Okt. 967, 28. April 977, 29. Okt. 980, 1. Nov. 993, 26. Okt. 1000, 27. April 1010, 28. Okt. 1013, 30. April 1023, 31. Okt. 1026, 3. Nov. 1039, 27. Okt. 1046, 27. April 1056, 30. Okt. 1059, 31. Okt. 1072, 3. Nov. 1085, 25. April 1089, 27. Okt. 1092. Vgl. http://www.projectpluto.com/transits.htm (17.2.2013). 1332 Goldstein, Medieval Reports (1969), 54.

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eines inneren Planeten gedeutet worden ist: Ein umfangreicher Bericht über zwei angebliche Transitsichtungen findet sich in den Annales regni Francorum für das Jahr 807, wo es heißt: „Im vorigen Jahre war am 2. September eine Mondfinsternis, damals stand die Sonne im 16. Grad der Jungfrau, der Mond aber im 16. Grad der Fische. In diesem Jahre aber war es am 31. Januar, als der Jupiter durch den Mond hindurchzugehen schien und am 11. Februar war um Mittag eine Sonnenfinsternis, bei der beide Himmelskörper im 25. Grad des Wassermanns standen. Wiederum war am 26. Februar eine Mondfinsternis und es erschienen in derselben Nacht Schlachtreihen von wundersamer Größe, die Sonne stand im 11. Grad der Fische, der Mond im 11. Grad der Jungfrau. Am 17. März erschien der Merkur vor der Sonne wie ein kleiner schwarzer Flecken, ein wenig über ihrer Mitte und war acht Tage lang für uns sichtbar. Wann er jedoch in die Sonne einund wieder heraustrat, konnten wir aufgrund der Wolken durchaus nicht bemerken. Wiederum war am 22. August in der dritten Stunde der Nacht eine Mondfinsternis, bei der die Sonne im 5. Grad der Jungfrau und der Mond im 5. Grad der Fische stand. So wurde seit dem September des vorigen Jahres bis zum September des jetzigen der Mond dreimal und die Sonne einmal verfinstert.“1333

In diesem Fall wurde zwar der Merkur explizit als Ursache vom Autor genannt, trotzdem lässt sich ein Transit dieses Planeten ausschließen. Denn zum einen ist kein Transit für dieses Jahr berechnet worden, zum anderen dauert ein Transit maximal mehrere Stunden und keinesfalls mehrere Tage. Vaquero und Vázquez schlugen deshalb vor, die Nachricht als Beobachtung eines Sonnenflecken zu deuten, die dann die von Einhard genannten zeitgleichen, mit bloßem Augen beobachteten Sonnenflecken bestätigen würden:1334 „(…) sieben Tage lang sah man einen schwarzen Fleck auf der Sonne.“1335 Wie erwähnt sind die Transits sehr schnell vorüber – anscheinend zu schnell, um von europäischen Autoren des Früh- oder Hochmittelalters beobachtet und dokumentiert zu werden. Mehr noch, das Wissen um einen möglichen Transit war zwar in

|| 1333 Annales regni Francorum, ad a. 807. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 122 f.; FSGA 5, 84 f.: Anno superiore IIII. Non. Septembr. fuit eclypsis lunae; tunc stabat sol in XVIma parte Virginis, luna autem stetit in XVIma parte Piscium; hoc autem anno pridie Kal. Febr. fuit luna XVIIma, quando stella Iovis quasi per eam transire visa est, et III. Id. Febr. fuit eclypsis solis media die, stante utroque sidere in XXV. parte Aquarii. Iterum IIII. Kal. Mart. fuit eclypsis lunae, et apparuerunt acies eadem nocte mirae magnitudinis, et sol stetit in undecima parte Piscium, et luna in undecima parte Virginis. Nam et stella Mercurii XVI. Kal. Aprilis visa est in sole quasi parva macula, nigra tamen, paululum superius medio centro eiusdem sideris, quae a nobis octo dies conspicitur. Sed quando primum intravit vel exivit, nubibus impedientibus minime adnotare potuimus. Iterum mense Augusto, XI. Kal. Septembr., eclypsis lunae facta est hora noctis tertia, sole posito in quinta parte Virginis et luna in quinta parte Piscium. Sicque ab anni superioris Septembrio usque ad anni praesentis Septembrium ter luna obscurata est et sol semel. 1334 Vaquero/Vázquez, Sun recorded (2009), 73: „(…) but it is evidently a sunspot observation that confirms Einhards account.“ 1335 Einhard, Vita Karoli magni, 32. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, 36: (…) et in sole macula quaedam atri coloris septem dierum spatio visa.

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der Diskussion über den Aufbau des Sonnensystems bekannt, wurde aber, wie gesehen, einem Ereignis falsch zugewiesen. Dies könnte auf eine Erwartungshaltung oder auf eine Instrumentalisierung der Beobachtung hinweisen. Als Beschreibung optischer Veränderungen der Sonnenoberfläche bleiben deshalb nur die länger zu beobachtenden Sonnenflecken übrig. Zwischen 500 und 1100 schoben sich die Planeten Venus (acht Mal) und Merkur (80 Mal) zwischen Erde und Sonne. Dies wäre von der Erde aus als Planetentransit zu beobachten gewesen, allerdings weist keine europäische Quelle aus dieser Zeit eindeutig auf die Beobachtung eines Planetentransits hin.

2.10 Optische Atmosphärenphänomene Außerordentliche optische Erscheinungen, die von den Zeitgenossen beobachtet wurden und gedeutet werden mussten, gibt es aber nicht nur auf der Sonnenoberfläche, sondern auch unmittelbar in der Erdatmosphäre. Solche ungewöhnlichen optischen Phänomene können beim nicht um die Ursachen wissenden Zeitgenossen einen starken Eindruck hinterlassen. Dazu zählen Lichterscheinungen, sogenannte Halos, die durch Brechung und Spiegelung an polygonalen Eiskristallen in der Atmosphäre entstehen und deren bekanntestes Beispiel die sogenannten Nebensonnen sind. Die zeitgenössischen Beschreibungen der optischen Phänomene lassen mittlerweile fast in allen Fällen schlüssige physikalische Erklärungen zu. Beobachtungen rezenter Halo-Erscheinungen in Deutschland werden vom Arbeitskreis Meteore e.V. gesammelt und beschrieben.1336 Erklärungen der Atmosphärenphänomene lieferte zuletzt Schlegel,1337 eine praktische Anleitung zur Beobachtung Störmer1338, eine umfassende Untersuchung der physikalischen Grundlagen findet sich in der Dissertation von Tobias Haist,1339 die umfassendste Untersuchung verfassten Claudia und Wolfgang Hinz.1340 Die Zusammenhänge in der bisherigen geschichtswissenschaftlichen Diskussion sind bisher nur selten aufgegriffen worden.1341 Die Ausbildung von Halo-Erscheinungen beruht darauf, dass das in der Atmosphäre vorkommende Wasser in drei Phasen auftritt: 1) gasförmig als Wasserdampf, 2) flüssig als Wolken oder Regentropfen sowie 3) fest als Eiskristalle. Die in den höheren Atmosphärenschichten auch im Sommer geformten Eiskristalle bilden aufgrund der Wasserstoffbrücken quadratische, häufiger aber hexagonale Symmetrien aus. An diesen etwa 10 bis 200 μm kleinen hexagonalen Eiskristallen, die sich in entsprechender Höhe in der Atmosphäre bilden, wird das Sonnenlicht sowohl reflektiert wie auch

|| 1336 Vgl. Webseite des Arbeitskreises Meteore e. V.: http://www.meteoros.de/ (18.4.2016). 1337 Schlegel, Regenbogen zum Polarlicht (1999), 41–60. 1338 Störmer, Himmelphänomene fotografieren (2013), 78–84. 1339 Haist, Optische Phänomene (2009), 145–153. 1340 Hinz/Hinz, Lichtphänomene (2015). 1341 Seidenfaden, Corona, Polarlicht und Halo (2005), 175–219.

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gebrochen. Je nach Ausrichtung der Kristalle ergeben sich dabei unterschiedliche Halo-Erscheinungen. Diese werden im Folgenden jeweils beim ersten Auftreten des jeweiligen Einzelphänomens erklärt.

Abb. 10: Übersicht ausgewählter optischer Atmosphärenphänomene

Vorab sollen die drei am häufigsten vorkommenden Erscheinungen dargestellt werden: Lichtsäulen, 22°- sowie 46°-Halos. Bei der sogenannten Lichtsäule (sun pillar) richten sich die Eiskristalle mit ihren großen Reflektionsflächen parallel zur Erdoberfläche aus und das Licht der Sonne wird als vertikale Linie oberhalb oder unterhalb der vermeintlichen Sonnenscheibe sichtbar, je nach Standpunkt des Betrachters. Es kommt zur Beobachtung der Lichtsäule, die etwa um den Faktor acht seltener ist als die 22°-Halo-Erscheinungen.1342 Richten sich die Eiskristalle dagegen nicht parallel zur Erdoberfläche aus, kommt es weniger zur Reflektion des Lichtes als vielmehr zur Brechung innerhalb der Kristalle. Da es dabei in den quadratischen Kristallen zur Häufung der Ablenkung um den Wert von 46° kommt, können dadurch sogenannte 46°-Halos beobachtet werden. Diese sind allerdings um den Faktor 25 seltener als die

|| 1342 Haist, Optische Phänomene (2009), 144 f., mit Anm. 10.

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häufigen 22°-Halos.1343 Die 22°-Halo-Erscheinungen beruhen ebenfalls auf den hexagonalen Eiskristallen in der Atmosphäre, sind aber anders ausgerichtet. Dementsprechend kommt es zur Brechung des Lichts an den Kristallgrenzen und zu dessen Ablenkung. Der Winkel der Ablenkung ist nicht konstant, häuft sich aber rund um den Wert von 22°. Das bedeutet, dass ein Beobachter von Licht aus +/- 22° getroffen wird, was bei diesem zu dem Eindruck führt, dass unter diesen Winkeln weitere Sonnen vorhanden wären. Diese Phänomene sind auch mit Mondlicht möglich, entsprechend gibt es sogenannte Nebenmonde, die aufgrund der schwachen Leuchtdichte des Mondes aber nur selten beobachtet werden.1344 Allerdings könnte die wiederholt in den Quellen beschriebene scheinbare Überdeckung des Mondes durch einen Lichtpunkt – oft als Planet beschrieben (was aber aufgrund des Aufbaus des Planetensystems unmöglich ist) – auf die Beobachtung nächtlicher 22°-Halos hindeuten. Die Überlieferung einer solchen Beobachtung wäre entsprechend als Nebenmond zu interpretieren. Eine solche Deutung bietet sich für das von Fredegar1345 und Gregor von Tours erwähnte Ereignis im Jahr 555 an. Es heißt bei letzterem: „Damals sah man auch, dass ein Stern in die Scheibe des Mondes in der fünften Nacht nach Neumond von entgegengesetzter Richtung hineintrat. Ich glaube, dass diese Zeichen den Tod des Königs ankündigten.“1346 Die Deutung eines optischen Atmosphärenphänomens als Ankündigung eines Herrscherwechsels ist in dieser Epoche nicht ungewöhnlich und als Topos an spätantiken Vorbildern orientiert. Die scheinbare Sternsichtung auf dem Mond, dessen Umlaufbahn ja so nahe an der Erde liegt, das kein Himmelkörper dazwischen treten kann, lässt sich relativ einfach mit einem Nebenmond erklären. Da es die fünfte Nacht nach Neumond war, hätte genügend durch den Erdschatten abgedunkelte Mondoberfläche zur Verfügung gestanden, aber auch genügend an der Mondoberfläche reflektiertes Licht, das durch entsprechend ausgerichtete hexagonale Eiskristalle in der Atmosphäre so abgelenkt worden wäre, dass es im Abstand von 22° zur Beobachtung eines Nebenmondes über der dunklen Fläche des Mondes geführt haben könnte. Da die Physik dahinter unbekannt war, behalfen sich die Zeitgenossen mit der Beschreibung einer punktförmigen Lichterscheinung in Form einer Stern-/Planetensichtung. Gregor von Tours beschrieb auch für die Zeit um das Jahr 563 die Beobachtung optischer Erscheinungen und reflektierte dabei über das Unwissen der Zeitgenossen: „Ebenso setzten auch vor der Pest in Clermont große Wunderzeichen die Gegend in Schrecken. Denn häufig sah man um die Sonne einen drei- und vierfachen hellen Schein; die ungebildeten Leute nannten das Sonnen und sagten:

|| 1343 Haist, Optische Phänomene (2009), 151. 1344 Haist, Optische Phänomene (2009), 145–147. 1345 Fredegar, Chronik, 3, 80 (ad a. 548–555). Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 114: Eo anno stella in medio lunae fulgens visa est. 1346 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 9. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer Merov. 1.1, 141, FSGA 3, 204 f.: Tunc et in circulum lunae quintae stella ex adverso veniens introisse visa est. Credo, haec signa mortem ipsius regis adnuntiasse.

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‚Sehet, am Himmel sind drei oder vier Sonnen.‘ Einmal aber, am 1. Oktober, war die Sonne so verfinstert,1347 dass nicht einmal der vierte Teil derselben noch leuchtete; der aber sah hässlich und farblos aus, wie Sack und Asche1348“.1349 Die für den „großen Ring“ um die Sonne vorgeschlagene Deutung als 22°-Halo entspricht den oben gemachten Bemerkungen über diese Art der Halo-Phänomene.1350 Die Beobachtung seiner Zeitgenossen war jedoch ebenso korrekt wie Gregors Beschreibung, auch wenn sich niemand das Phänomen erklären konnte. Für das Jahr 577 dokumentierten Gregor von Tours und Fredegar erneut ein solches Ereignis. Gregor verschriftlichte dabei eine Sammlung von sieben verschiedenen Beobachtungen: „[1] Hiernach erschien in der Nacht des 11. November, als wir gerade die Vigilien des Heiligen Martinus feierten, ein großes Wunder; denn mitten im Monde sah man einen hellen Stern glänzen, und [2] über und unter dem Monde erschienen in der Nähe andere Sterne. [3] Auch jener Reif, der meist Regen anzeigt, wurde ringsum sichtbar. Was dies bedeuten sollte, wissen wir nicht. [4] Ferner sahen wir oft in diesem Jahre den Mond ganz ins Schwarze gekehrt, und [5] vor dem Geburtsfeste des Herrn hörte man schwere Donnerschläge. [6] Auch jener Schein um die Sonne erschien wieder, der wie erwähnt vor der Seuche in Clermont gesehen wurde und welchen die ungebildeten Leute auch Sonnen nennen; und [7] das Meer, erzählt man, wuchs über alle Maßen, und noch viele andere Zeichen geschahen.“1351

Gregor beschreibt hier – ohne es zu wissen (sed quae haec figuraverint, ignoramus) – völlig korrekt die bei einer nächtlichen 22°-Halo am Mondlicht zu erwartenden Erscheinungen: Er erwähnt nicht nur mitten auf der dunklen Mondfläche einen hellen „Stern“ (stilla), sondern über und unter dem Mond in der Nähe andere „Sterne“ (stillae). Damit beschreibt er die jeweils abgelenkten, vom Mond reflektierten und an den Eiskristallen gebrochenen Lichtstrahlen. Hier werden also noch genauer als bei

|| 1347 Die annulare Sonnenfinsternis fand am 3. Oktober 563 gegen 9:53 Uhr (TD) statt. Saroszyklus 101: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0501-0600/563-10-03.gif (1.6.2016). 1348 Sir 25,24: Nequitia mulieris immutat faciem eius et obscurat vultum eius tamquam ursus. 1349 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 31. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 164 f.; FSGA 2, 236 f.: Similiter et ante cladem Arvernam magna regionem illam prodigia terruerunt. Nam plerumque tres et quattuor splendores magni circa solem apparuerunt, quod rustici soles vocabant, dicentes: 'Ecce tres vel quattuor soles in caelum!' Quadam tamen vice in Kalendis Octobribus. Ita sol obscuratus apparuit, ut nec quarta quidem pars in eodem lucens remaneret, sed teter atque decolor apparens, quasi saccus videbatur. 1350 Bergmann/Schlosser, Gregor von Tours und der „rote Sirius“ (1987), 54. 1351 Gregor von Tours, Libri historiarum 5, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 230; FSGA 2, 330 f.: Post haec in nocte, quod erat tertio Idus Novembris, apparuit nobis beati Martini vigilias celebrantibus magnum prodigium; nam in medio lunae stilla fulgens visa est elucere, et super ac subter lunam aliae stillae propinquae apparuerunt. Sed et circolus ille, qui pluviam plerumque significat, circa eam apparuit. Sed quae haec figuraverint, ignoramus. Nam et luna hoc anno sepe in nigridinem versam videmus et ante natalem Domini gravia fuere tonitrua. Sed et splendores illi circa solem, sicut iam ante cladem Arvernam fuisse commemoravimus, quod rustici soles vocant, apparuerunt; et mare ultra modum egressum adserunt, et multa alia signa apparuerunt.

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seiner Beschreibung der Beobachtungen zum Jahr 555 auch die anderen durch die Winkelablenkung beobachtbaren Nebenmonde dokumentiert. Die Formulierung, dass ferner oft in diesem Jahre der Mond ganz ins Schwarze gekehrt war, lässt sich bestätigen, denn penumbrale Mondfinsternisse fanden am 20. Januar 5771352 und am 16. Juni 5771353 statt, eine teilweise Ekliptik am 11. Dezember 577.1354 Für den „Schein um die Sonne, der wie erwähnt vor der Seuche in Clermont“ im Jahr 563 „gesehen wurde und welchen die ungebildeten Leute ‚Sonnen‘ nennen“, ist wiederum die Beobachtung einer 22°-Halo wahrscheinlich, die tagsüber stattfand.1355 Bemerkenswert ist, dass Gregor diese Beobachtungen so genau gesammelt und dokumentiert hat. Nach den unterschiedlichen Überlieferungen des Theophilus von Edessa erschien im Jahr 677/678 „ein Bogen im Himmel, der bei den Menschen das Gefühl vom Ende der Welt auslöste.“1356 In einem anderen Überlieferungsstrang wurde Wert darauf gelegt, dass der Bogen vollständig gewesen sei1357 und dass er nachts zur dritten Nachtwache, also von Mitternacht bis drei Uhr, zu sehen war, obwohl die Sonne untergegangen war.1358 Als letztes wurde auch noch der Wochentag, nämlich die Nacht von Montag auf Dienstag, angegeben, es finden sich aber keine Angaben zu Tag oder Monat.1359 Diese Syrien betreffende Nachricht würde bei Weitem nicht ausreichen, den beschriebenen „Bogen“ als Folgen eines Vulkanausbruchs anzunehmen, wie dies teilweise vorgeschlagen worden ist. Bei dem „Bogen“, für den betont wurde, dass er vollständig gewesen sei, ist, entgegen der Vermutung von Cook, dass es sich um eine Aurora handelt,1360 die Beobachtung eines sogenannten Horizontalkreises anzunehmen. Ein Horizontalkreis kann beobachtet werden, wenn sich überall um den Beobachter passende Eiskristalle befinden. Diese Kristalle schweben senkrecht in der Atmosphäre und an ihnen finden einfache Reflektionen an den Seitenwänden der

|| 1352 Saroszyklus 101: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0501-0600/LE0577-01-20N.gif (1.6.2016). 1353 Saroszyklus 68: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0501-0600/LE0577-06-16N.gif (1.6.2016). 1354 Saroszyklus 73: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0501-0600/LE0577-12-11P.gif (26.3.2016). 1355 Abbildung eines solchen Phänomens bei Haist, Optische Phänomene (2009), 153. 1356 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 677–678. Ed. Hoyland, 165 [Theophanes]: In the month of March a bow appeared in the sky and all men shuddered and said it was the end of the world. 1357 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 677–678. Ed. Hoyland, 165 [Agapius]: A bow appeared in full in the clouds; fear and consternation overwhelmed people. Many said that the time of the (day of) Resurrection was at hand. 1358 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 677–678. Ed. Hoyland, 165 [MSyr]: At the third watch of the night, a complete bow was seen. It is something most unnatural for a bow to be seen when the sun is underneath the earth. All who saw it thought that the end of the world would come that year. 1359 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 677–678. Ed. Hoyland, 165 [Chron 1234]: On the eve of Tuesday (i.e. Monday evening), at the third watch of the night, a complete bow was seen in the sky. It is something unusual and most unnatural for a bow to be seen when the sun is underneath the earth. 1360 Cook, Survey of Muslim Material (1999), 135 Nr. 2.

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Kristalle statt. Dadurch ist ein auf der Höhe des Horizontes verlaufender, den Beobachter vollständig umrandender Lichtkreis wahrzunehmen.1361 Die Nachricht über dieses seltsame optische Ereignis bei Theophilus von Edessa wird von zeitnahen, ähnlich lautenden irischen Erwähnungen begleitet. So beschreibt der Verfasser des Chronicum Scotorum zum Jahr 670 eine dünne und zittrige Wolke in Form eines Regenbogens, die in der vierten Wache der fünften Nacht vor Ostersonntag erschien und sich von Osten nach Westen über den klaren Himmel ausdehnte.1362 Nach den Annalen von Ulster erschien allerdings im Jahr 674 „eine dünne und zittrige Wolke in der Form eines Regenbogens in der vierten Vigil der Nacht am sechsten Tag [27./28. März 674] vor Ostern [2. April 674], die sich von Osten nach Westen durch den klaren Himmel ausbreitete. Der Mond bekam eine blutrote Farbe.“1363 Die Annalen von Tigernach überliefern einen fast identischen Eintrag, stellen ihn aber zum Jahr 673.1364 Da eine penumbrale Mondfinsternis über Irland am 26. April 674 zu beobachten war1365 und sonst keine Mondfinsternis für die in Frage kommende Zeit berechnet werden konnte, ist der späteren Datierung (der Annalen von Ulster) der Vorzug zu geben. Bei dem beschriebenen zittrigen Regenbogen kann von der optischen Erscheinung eines sogenannten Bravaisbogens oder Zirkumzenitalbogens ausgegangen werden.1366 Um diese Erscheinung beobachten zu können ist es notwendig, dass die Sonne tiefer als 32° steht und die Eiskristalle senkrecht ausgerichtet sind, damit eine Ablenkung des Lichts um 90° am Prismenwinkel der Kristalle möglich ist. Dabei kommt es zur Ausbildung von regenbogenähnlichen Erscheinungen direkt über dem Beobachter.1367 Etwas über 80 Jahre später ist wieder eine optische Erscheinung, die in der Atmosphäre beobachtet wurde, überliefert: „Im sechsten Jahr der Herrschaft Konstantins, am Sonntag, dem 5. April 750, schien es allen Einwohnern von Córdoba, welche die Sonne beobachteten, dass während der ersten, zweiten und teilweise der dritten Stunde, also von sechs bis acht Uhr am Morgen, drei Sonnen in einer

|| 1361 Haist, Optische Phänomene (2009), 151. 1362 Chronicum Scotorum, ad a. 670. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 103: A thin and tremulous cloud, in the form of a rainbow, appeared at the fourth watch of the night of the fifth day before Easter Sunday, stretching from east to west, in a clear sky. 1363 Chronicle of Ireland, ad a. 674. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 160: A thin and tremulous cloud in the shape of a rainbow appeared at the fourth vigil of night on the sixth feria preceding Easter, extending from east to west through a clear sky. The moon became the colour of blood. 1364 Annals of Tigernach, ad a. 673. Ed. Stokes, Bd. 1, 203: Nub[e]s tenu[i]s et tremula ad speciem celestas arcus, quarta uigilia noctis, quinta feria ante pasca, ab oriente in occidentem per serenum caelum apparuit. Luna in sang[u]enem uersa est. 1365 Saroszyklus 100: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0674-04-26N.gif (10.5.2016). 1366 Vgl. Greenler, Rainbow, Halos and Glories (1980). 1367 Haist, Optische Phänomene (2009), 151, besonders Abb. 6.6.44 auf 152.

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wunderbaren Weise schienen und in einen Halbmond von smaragdgrünem Feuer überblendeten. Vom Moment seines Erscheinens an streckten Racheengel mit einer unerträglichen Hungersnot all jene nieder, die durch die Gnade Gottes im Land Spanien lebten.“1368

Diese Beschreibung stimmt wiederum mit den Bemerkungen über die 22°-Halos überein, wobei der beobachtete Halbmond von smaragdgrünem Feuer auf eine Lichtsäule unterhalb der Sonne hinweisen könnte, bei der die Reflektionsflächen der Eiskristalle in der Atmosphäre weitgehend parallel zur Erdoberfläche ausgerichtet sind.1369 Auffällig ist die Instrumentalisierung dieser Erscheinung im Zusammenhang mit einer Hungersnot. Diese Instrumentalisierung als Ankünder wurde später häufiger. Die Annalen von Ulster und jene von Tigernach überliefern für die Jahre 764 oder 765, dass in Irland ein „schreckliches und wundervolles“ Zeichen in der Nacht in den Sternen gesehen wurde“,1370 ohne aber eine Beschreibung dieses Zeichens zu liefern. Erst in der Chronik von Aethelward wird zum Jahr 772 eine Lichterscheinung überliefert, die im Himmel erschien, nämlich ein „Zeichen des Kreuzes des Herren nach Sonnenuntergang“.1371 Dies könnte auf die unausgewogene Doppelcharakterisierung des Zeichens in den irischen Annalen zum Jahr 764/765 als „schrecklich und wundervoll“ zugleich hinweisen, denn einerseits empfanden, ihrer christlichen Prägung entsprechend, die Zeitgenossen die optische Erscheinung des Kreuzes wohl als wundervoll, andererseits war eine solche Erscheinung ungewöhnlich und wurde wohl als Vorzeichen für möglicherweise kommendes Unheil aufgefasst. Das in den Annales Petaviani zum Jahr 786 überlieferte „von Gott geschickte Zeichen vom Himmel zur Erde und der große Schrecken“1372 wurden im Detail nicht näher beschrieben und entziehen sich damit einer möglichen Deutung. Ganz anders sieht es für das Jahr 796 aus, zu dem die Annalen von Lund überliefern, man habe drei Kreise um die Sonne gesehen.1373 Damit geht diese Beobachtung sehr wahrscheinlich auf eine 22°-Halo-Erscheinung zurück.

|| 1368 Chronicle of 754, 92. Conquerors and Chroniclers. Ed. Wolf, 156): In the sixth year of Constantine’s rule, in the era 788 (750), on Sunday, the nones of April, during the first, second, and part of the third hours, with all the citizens of Córdoba watching, three suns, shining in a wondrous manner and fading into a crescent of emerald fire, were seen. From the moment of their appearance, avenging angels laid low with an intolerable famine all those who by the grace of God lived in the land of Spain. 1369 Haist, Optische Phänomene (2009), 145. 1370 Chronicle of Ireland, ad a. 765. Ed. Charles-Edwards (AU), 233: A terrifying and amazing sign was seen in the stars at night; Annals of Tigernach, ad a. 764. Ed. Stokes, Bd. 1, 262: At night a horrible and marvellous sign was seen in the stars. 1371 Chronicle of Aethelward, ad a. 772/773. Ed. Campbell, 25: In coelo apparuit signum domminicae cruces post solis occasum. 1372 Annales Petaviani, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 17: Et illo anno fuit missum signum de coelo a Deo in terra, terrorque magnus. 1373 Annales Lundenses, ad a. 796. Ed. Waitz, MGH SS 29, 196; Ed. Kroman, 36: Hic fuerunt visi tres circuli circa solem.

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Auch die Nennung von optischen Erscheinung am Morgengrauen vom 4. auf den 5. Juni 806, „das Zeichen des Kreuzes in wunderbarer Art auf dem Mond“,1374 deutet auf Beobachtungen einer 22°-Halo hin.1375 Für dasselbe Jahr verzeichnen dieselben zeitgenössischen Beobachter eine am 30. August sichtbare Corona um die Sonne.1376 Auch in diesem Fall kann eine 22°-Halo-Erscheinung angenommen werden. In der handschriftlichen Überlieferung der Annales S. Maximini Treverensis ist zum Eintrag des Jahres 806 anscheinend eine graphische Zeichnung der Beobachtung überliefert worden, in jedem Fall wurde die Beobachtung dort ebenfalls dokumentiert.1377 Die Xantener Annalen berichten zum Jahr 868: „Überdies waren in den Tagen der September-Fasten [ab 17. Sept.] zwei große Ringe am Himmel sichtbar, ähnlich anzuschauen dem Regenbogen. Der größere von ihnen war im Norden anfangs schöner, aber hernach ermattete er, als gäbe er seine Fülle an den südlichen ab. Der kleinere nun, welcher die Sonne rings umschloss, glänzte an dem äußersten Ende des anderen in voller Pracht. Sie entstanden vor der dritten Stunde [8–9 Uhr] und hielten bis zur neunten [15–16 Uhr] an, um dann zu verschwinden.“1378 Dabei handelt sich wohl um

|| 1374 Annales Wintonienses, ad a. 806. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 64: Hoc anno, 2 non. Junii, luna 14, signum crucis mirabili modo in luna apparuit, feria quinta, prima aurora incipiente, quasi hoc modo || / =O= / || / [Zeichen des Kreuzes] Eodem anno 3 kal. Septembris, luna 12, die dominica, hora 4, corona mirabilis in circuitu solis apparuit. Et eclipsis solis facta est 4 feante ascensionem Domini hora diei nona. Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 806. Ed. Pertz, MGH SS 1103: Anno incarnationis dominicae 806. Pridie Non. Iunii, luna 14. Signum crucis mirabili modo in luna apparuit feria 5. Prima aurora incipiente, quasi hoc modo +. Eodem anno 3. Kal. Septembris luna 12. Die dominica hora quarta, corona mirabilis in circuitu solis apparuit. Annales S. Maximini Treverensis, ad a. 806. Ed. Pertz, MGH SS 4, 6: prid. Non Iun. Luna 14. signum crucis mirabili modo in luna apparuit hoc modo [Zeichen des Kreuzes] feria 5. prima aurora incipiente. Eodem anno 3. Kal. Sept. luna 12. die dominica, hora 4. corona mirabilis in circuitu solis apparuit. 1375 Chronica Rainaldi archidiaconi Sancti Mauricii, ad a. 806. Ed. Marchegay/Mabille, 4: Hoc anno, nonis junii, feria quinta, prima aurora incipiente, signum crucis mirabiliter apparuit in hunc mundum; Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 806. Ed. Marchegay/Mabille, 156: DCCCVI. Hoc anno, nonis julii, feria Va, prima aurora incipiente, luna XIVa, signum crucis mirabiliter apparuit in hunc mundum. Eodem anno, IIIo kalendas septembris, luna XIIa, die dominico, hora IIIa, corona mirabilis in circuitu solis apparuit. 1376 Chronica Rainaldi archidiaconi Sancti Mauricii, ad a. 806. Ed. Marchegay/Mabille, 4: Eodem anno IIIo, vel XIVo, kalendas septembris, luna XIIa, die dominico, hora tertia, corona mirabilis in circuitu solis apparuit. 1377 Annales S. Maximini Treverensis, ad a. 806. Ed. Pertz, MGH SS 4, 6: prid. Non. Iun. luna 14. signum crucis mirabili modo in luna apparuit hoc modo # feria 5. prima aurora incipiente. Eodem anno 3. Kal. Sept. luna 12. die dominica, hora 4. corona mirabilis in circuitu solis apparuit. 1378 Annales Xantenses, ad a. 868. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 25; FSGA 6, 360 f.: De cetero e diebus ieiuniorum Septembrium circuli duo magni apparuerunt in caelo, similes aspectui iris. Quorum maior ab aquilone primum formosior, sed postea, plenitudinem suam australi quasi tribueret, desipuit. Minor vero, solem sibi medium circumcingens, in extrema parte alterius omni decore resplenduit. Ante horam namque terciam oriundi et usque ad nonam perdurantes evanuerunt.

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Beschreibungen von Zirkumhorizontalbögen in der Art von Parrybögen als V-förmige Doppelbögen.1379 Nach den Annalen von Clonmacnoise erschien im Jahr 902 ein wunderbares Zeichen, als zwei Sonnen miteinander für einen Tag gesehen wurden,1380 nach anderen irischen Annalen geschah dies im Jahr 905.1381 Dabei handelt es sich ebenfalls um ein 22°-Halo-Phänomen, das der Doppelsonnen. „Zwei Sonnen stiegen zusammen am gleichen Tag auf“, erwähnen auch schottische Chroniken zum 6. Mai im Jahr 909,1382 irische hingegen zum 6. Mai im Jahr 9101383 oder 911.1384 Eine sehr treffende Beschreibung eines Halo-Phänomens stammt von Flodoard von Reims zum Jahr 922: „In Cambrai wurden quasi drei Sonnen gesehen, oder als ob die Sonne drei ähnlich weit voneinander entfernte Kugeln hätte. Ebenfalls erschienen zwei Strahlen auf den entgegengesetzten Seiten der Sonne, aber in großer Nähe, bis eine Wolke sie bedeckte. Weiterhin waren zwei Lichtstrahlen im Himmel, bis auch sie von der Wolke verdeckt wurden.“1385 Dies entspricht ganz den Halo-Mustern, nach denen das Licht in verschiedenen Bereichen der Atmosphäre an den Eiskristallen verstärkt gebrochen und reflektiert wird. Die Chronik der Schotten überliefert, dass in der Woche vor dem 31. Oktober (Allhallowtide) des Jahres 944 zwei feurige Säulen gesehen wurden, welche die ganze Welt erleuchtet hätten.1386 Eine weitere Beobachtung einer Halo-Erscheinung ist zum Jahr 969 in Irland überliefert: Zwei Sonnen von gleicher Größe wurden mittags am Tage gesehen,1387 was wieder auf eine 22°-Halo mit zwei Nebensonnen hinweist.

|| 1379 Vgl. Hinz/Hinz, Lichtphänomene (2015), 151–157. 1380 Annals of Clonmacnoise, ad a. 902. Ed. Murphy, 144 f.: A strange thing fell out this year, which was two suns had their courses together through out the space of one day which was in the pride [pridie, the day before] of the Nones of May. 1381 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 905. Ed. O’Donovan, 575: A wonderful sign appeard in this year, namely, two suns were seen moving together during one day. 1382 Chronicum Scotorum, ad a. 909. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 185: A wonderful sign appeared in this year, viz., two suns were seen to run together on one day, namely that preceding the nones of May. 1383 Vgl. Chronicle of Ireland. Ed. Charles-Edwards, 349, Anm. 1. 1384 Chronicle of Ireland (AU, CS, AClon), ad a. 911. Ed. Charles-Edwards, 349: Two suns ran together on the same day, i.e. on the day before the Nones of May. Fragmentary Annals of Ireland. Ed. Radner, ad a. 911, Nr 435, 177: A great wonder, i.e. two suns moved together on the same day, on the day before the nones of May. 1385 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 922. Ed. Lauer, 11; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 7: Apud Cameracum visi sunt quasi tres soles apparere, vel sol tres orbes a se invicem distantes habere, item duo in coelo spicula contra se utrimque propinquantia, donec nube sunt cooperta, item duo stipites sibimet in coelo propinquantes, quousque similiter operti sunt nube. 1386 Chronicum Scotorum, ad a. 944. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 207: Two fiery columns were seen a week before Allhallowtide, which illuminated the whole world. 1387 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 969. Ed. O’Donovan, 695: Two suns of equal size were seen at high noon-day.

266 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Thietmar von Merseburg hat es zwar seiner Formulierung nach nicht selbst gesehen und auch nicht geglaubt, aber zum Jahr 993 überliefert er trotzdem die Nachricht, dass er: „im folgenden Jahre beim ersten Hahnenschrei ein taghelles Licht aus Norden aufleuchtete; es währte indem sich zugleich der ganze Himmel rötete, eine volle Stunde und verschwand dann. Einige behaupten, im selben Jahre drei Sonnen, drei Monde und drei Sterne im Kampf miteinander gesehen zu haben. (…) Im vierten Jahre brach in den besetzten Regionen Hunger aus.“1388 In den Annalen von Quedlinburg ist für den 18. Juli 1020, ein Montag, zwischen neun und zwölf Uhr („vom Beginn der dritten Stunde des Tages bis zur sechsten Stunde“) die Nachricht überliefert, dass ein großer Kreis um die Sonne mit den Farben des Regenbogens erschien, den vier andere hellere Kreise an zwei Stellen nach Art eines Kreuzes umfassten; während jedoch drei verschwanden, hielten zwei, nämlich der mittlere und der nördliche, am längsten an.“1389 Dies entspricht genau den Mustern, die bei einer 22°-Halo-Erscheinung mit vier Nebensonnen beobachtet werden können. Die Annales Altahenses verzeichnen zum 22. Juni 1021, dass es gerade so war, als wären zwei Sonnen sichtbar,1390 was auf die übliche 22°-Halo mit zwei Nebensonnen hinweist. Die Annales Elnonenses überliefern zum Jahr 1033 eine Sonnenfinsternis und die Beschreibung einer Himmelserscheinung, die am ehesten auf einen Bravaisbogen zutrifft, dessen Licht hier nur mit zwei Farben (gelb, silber) gebrochen würde.1391 Danach sind für rund 40 Jahre keine Beobachtungen optischer Atmosphärenerscheinungen mehr überliefert. Erst für den 26./27. Januar 1074 heißt es: „In der ver-

|| 1388 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 19. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 154, FSGA 9, 134 f.: In sequenti anno in galli cantu primo lux ut dies ex aquilone effulsit et unam sic manens hora, undique celo interim rubente, evanuit. Fuere nonnulli, qui dicerent eodem anno vidisse tres soles et lunas tres ac stellas invicem pugnasse (…) Fames quoque valida nostras oppressit regiones. 1389 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1020. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 556: Deinde in XV. Calend. August., feria II., luna XXIII., incipiente hora diei III. Usque post VI., apparuit circulus magnus circa solem colorem iris habens, quem alii quatuor lucidiores circuli binis loris in modum crucis complexi sunt; attamen tribus rarescentibus duo, id est medius et aquilonaris, diutissime perstiterunt; vgl. Hoffmann, Annales Quedlinburgenses (2015), 175. 1390 Annales Altahenses maiores, ad a. 1021. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS 20, 790: Ingens terrae motus 4. Idus Mai hora 10. diei feria Sexta post ascensionem Domini et quasi duo soles visi 10. Kal. Iulii. 1391 Annales Elnonenses minores, ad a. 1033. Ed. Pertz, MGH SS 5, 19: Eclipsis solis fuit 3. Kal. Iul. Luna 27. circa octavam horam. Apparuit enim circulus eius primum virdis, postea croceus, et sic movebantur hi duo colores, sicut solet moveri aurum vel, quando purgantur immisso plumbo. Et inde vestimenta hominum et vultus videbantur quasi crocea. Cuius lumen reversum est ab occidente, sicut lumen lunae in prima et secunda et tertia et quarta; et postea insperato totum lumen rediit.

Optische Atmosphärenphänomene | 267

gangenen Nacht haben zur Zeit des Hahnenschreis viele Menschen einen himmlischen Bogen am klaren Himmel gesehen.“1392 Schmidt übersetzte dies mit „Regenbogen“,1393 bei Schlegel wird die Erscheinung unter Polarlichtern subsummiert.1394 Tatsächlich sind nachts Regenbögen aufgrund von Vollmondlicht möglich. Dem widerspricht aber zum einen die Aussage der Quelle, es sei wolkenlos gewesen (für Regen sind Wolken notwendig), zum anderen das Datum, denn am 30. Januar 1074 war Neumond. Der nächste Vollmond datiert erst auf den 14. Februar 1074. Auch Lampert von Hersfeld schreibt zum Jahr 1074: „Der König verließ nun Worms und kam mit seinem Heer am 27. Januar 1074 nach Hersfeld. An diesem Tage sah man am Himmel ein Wunderzeichen: Beim Aufgang der Sonne erschienen rechts und links zwei goldene, außerordentlich hell strahlende Säulen und blieben in dem gleichen rötlichen Glanz stehen, bis die Sonne um einige Grade höher gestiegen war. Ferner sahen viele in der Nacht vorher um die Stunde des Hahnenschreis bei völlig wolkenlosem Himmel einen Regenbogen.“1395 Bei der von Lampert von Hersfeld beschriebenen Himmelserscheinung handelt es sich um das oben genannte seltene Phänomen der Lichtsäulen, die stets die Farbe der Sonne haben und durch Brechung des Lichts an Eiskristallen hervorgerufen werden.1396 Der Regenbogen trotz eines wolkenlosen Himmels weist wieder auf den niedrigen Sonnenstand hin und darauf, dass sich unmittelbar über den zeitgenössischen Beobachtern Eiskristalle in der Atmosphäre befunden haben müssen, an deren Flächen sich das Licht brechen konnte, was wiederum zur Ausbildung eines Zirkumzenitalbogens geführt hat. Wieder ein 22°-Halo-Ereignis mit zwei Nebensonnen ist für den 1. Februar 1077 überliefert, als „ein Zeichen an der Sonne erschien, eine gleiche Sonne gab es rechts und eine andere Sonne links und darüber einen Kranz im Himmel.“1397

|| 1392 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1074. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 176; FSGA 13, 220 f.: Precedenti quoque nocte caelestem arcum circa gallorum centum serenissimo caelo plerique viderunt. 1393 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1074. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 176; FSGA 13, 221. 1394 Vgl. a. Schlegel/Schlegel, Polarlichter (2011), 43. 1395 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1074. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 176; FSGA 13, 220 f.: Rex Wormacia egressus, 6. Kalendas Februarii Herveldiam cum exercitu venit. Eo die visum est in caelo signum mirabile. Oriente sole duae simul columpnae aurei coloris, splendidissimi fulgoris dextra laevaque oriebantur, quae, usquequo sol aliquantis lineis in altum excresceret, eodem iubare rutilantes permanebant. Praecedenti quoque nocte caelestem arcum circa gallorum cantum serenissimo caelo plerique viderunt. 1396 Vgl. Meyer, Haloerscheinungen (1929); ders., Lichtsäulen (1934), 124–126. 1397 Chronicae Sancti Albini Andegavensis in unum congestae, ad a. 1077. Ed. Marchegay/Mabille, 26: Kalendis februarii, feria IVa, luna VIa, hora IIIa, apparuit signum in sole habens similitudinem solis unius in dexteram et alterius solis in sinistram, et coronam in summo coeli.

268 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Die Annales Cavenses berichten von einem besonders hellen Stern, der zum 17. Februar 1086 in den Kreis des ersten Mondes eingetreten sei.1398 Zwar haben Stephenson/Green darunter die Venus vermutet,1399 bezieht man andere Berichte mit ein, ist aber wieder von einer 22°-Halo um den Mond auszugehen, denn die Annalen Romoalds überliefern den identischen Eintrag zum Jahr 1087.1400 Das in Bezug auf Sonnen- und Mondfinsternisse unzuverlässige Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis berichtet, im Jahr 1096 sei am 7. August das Zeichen des Kreuzes im Himmel erschienen, wie viele mitgeteilt hätten.1401 Es scheint nach den bei den Eklipsen gemachten Feststellungen der Unzuverlässigkeit dieser Quelle möglich, diese Nachricht als 22°-Halo zu deuten. Andererseits ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass der Verfasser hier eine korrektere Beschreibung als sonst geboten haben sollte. Deshalb wäre diese Nachricht zumindest als fraglich einzustufen, hätten nicht auch zuverlässigere Annalisten einen entsprechenden Eintrag: Die Annales Cavenses überliefern für den 6. August 1096 ebenfalls die Beobachtung, ein heller Stern sei in die Mondscheibe gekommen.1402 Diese Himmelsbeobachtung gibt eine 22°-Halo mit Mondlicht wieder. Die Beobachtungen optischer Atmosphärenphänomene, die auf der Reflektion oder Brechung von Lichtstrahlen an im Querschnitt quadratisch oder hexagonal geformten Eiskristallen beruhten, unterteilen sich für die Untersuchungszeit in elf Beobachtungen von 22 °-Halos aufgrund von Sonnenlicht (Nebensonnen) in den Jahren 563, 750, 796, 905, 91, 922, 969, 993, 1020, 1021 und 1077, weiterhin in sechs Beobachtungen von 22°-Halos aufgrund von reflektiertem Mondlicht (Nebenmonde) in den Jahren 555, 577, 764/765, 772 und 806, sowie in drei Beobachtungen von Lichtsäulen in den Jahren 750, 944 und 1074 und zwei Bravaisbögen in den Jahren 674 und 1074. Die Beobachtung eines Horizontalkreises ist einmal für das Jahr 677/678 überliefert. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in den 600 Jahren von 500 bis 1100 nur etwa 29 optische Erscheinungen, von denen zwei fraglich sind, überliefert wurden, für die eine Deutung als Halo, Lichtsäule oder Ähnliches naheliegt. Das überrascht, wenn man sich bewusst macht, dass „ein aufmerksamer und kundiger Halo-

|| 1398 Annales Cavenses, ad a. 1086. Ed. Pertz, MGH SS 3, 190: 13. Kal. Martii incipiente nocte stella clarissima in circulum lunae primae ingressa est. 1399 Stephenson/Green, Was the supernova (2003), 49. 1400 Romoald, Annales, ad a. 1087. Ed. Arndt, MGH SS 19, 411: Eodem anno stella clarissima 13. Kal Marcii ingressa est in circuitu prime lude. 1401 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1096. Ed. Verdon, 154 f.: Ipso anno apparuit signum crucis in celo, .vii. idus augusti, quod multi docuerunt; apparuit et jussu ipsius pape multi nobiles et ignobiles, divites et pauperes, de omnibus terris, unam eandemque voluntatem habentes, perrexerunt in viam Sancti Sepulcri et ceperunt omnia relinquere. 1402 Annales Cavenses, ad a. 1096. Ed. Pertz, MGH SS 3, 190: Luna 12 obscurata est, cum coelum serenum esset, et stella clarissima venit in circulum lunae 8. Id. Augusti.

Optische Atmosphärenphänomene | 269

Beobachter (…) durchschnittlich an über 100 Tagen im Jahr in Mitteleuropa Halo-Erscheinungen beobachten [kann].“1403 Dies setzt aber das Wissen um die Genese des Phänomens voraus. Dieses Wissen war aber noch nicht verbreitet oder, wie es Gregor von Tours zum Eintrag 577 ausdrückt, „was dies bedeuten sollte, wissen wir nicht.“1404 Da man noch nicht um die Erklärung dieser Phänomene wusste, sind statt der etwa 60.000 statistisch möglichen Beobachtungen nur 29 dokumentiert worden, was 0,042 Prozent entspricht. Obwohl also optische Atmosphärenphänomene vergleichsweise häufig beobachtet werden können, hängt ihre Wahrnehmung in hohem Maße von der Erfahrung und Erwartung des Beobachtenden ab. Die mit 29 beschriebenen Ereignissen äußerst niedrige Überlieferung spiegelt wieder, dass die Halos anscheinend nur dann dokumentiert wurden, wenn sie so ausgeprägt waren, dass sich ihre schriftliche Wiedergabe nicht mehr umgehen ließ. Und selbst dann waren die Chronisten, wie Thietmar von Merseburg, skeptisch. Er überlieferte zum Jahr 993 zwar die Beschreibung eines solchen Atmosphärenphänomens, macht aber auch klar, dass er dies nur deshalb tue, weil es viele erzählt hätten (fuere nonnulli, qui dicerent). Andererseits wurden diese optischen Phänomene aber auch nicht so häufig als schlimme Vorboten gedeutet wie Kometen oder Eklipsen. Für das Jahr 555 wird die 22°-Halo als Hinweis auf einen Herrscherwechsel interpretiert, jener des Jahres 750 wurde eine Rolle als Vorbote einer anschließenden Hungersnot zugewiesen. Selbst Thietmar von Merseburg, obwohl skeptisch, nutzte die Erscheinung des Jahres 993 in seiner Darstellung als Vorboten für eine folgende Hungersnot. Insgesamt war die zeitgenössische Wahrnehmung der besprochenen Phänomene so gering wie ihre vermuteten Auswirkungen. Die zeitliche Verteilung Beobachtungen sieht folgendermaßen aus: Tab. 20: Zeitliche Verteilung der Überlieferung optischer Phänomene von 500 bis 1100 Gesamt 29 100 %

6. Jh. 3 10 %

7. Jh. 2 7%

8. Jh. 5 17 %

9. Jh. 3 10 %

10. Jh. 7 25 %

11. Jh. 9 31 %

Schwerpunkte der Verteilung bilden das 8., 10. und 11. Jahrhundert, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. Jahrhundert überliefert. Für die Zeit von 500 bis 1100 sind insgesamt nur 29 Beobachtungen überliefert, die als Formen von Halo-Erscheinungen interpretiert werden können. Dabei handelt es sich neun Mal um Nebenmonde (555, 577, 764/765, 772, 806, 993, 1087, 1096, 1096), 13 Mal Nebensonnen (563, 750, 786, 796, 902, 905, 909/911, 922, 969, 993, 1020, 1021, 1077), vier Mal Bravaisbö-

|| 1403 Vgl. Arbeitskreis Meteore e. V.: http://www.meteoros.de/themen/halos/ (18.4.2016). 1404 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 230; FSGA 2, 330 f.: Sed quae haec figuraverint, ignoramus.

270 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

gen (674, 868, 1033, 1074) und drei Mal um Lichtsäulen (750, 944, 1074). Ungewöhnliche optische Phänomene, die auf zeitgenössische Beobachter, die nicht um ihre Ursache wissen, einen starken Eindruck machen, bietet die Natur einige. Hierzu zählen auch sogenannte Halos, Lichterscheinungen, die durch Brechung und Spiegelung an polygonalen Eiskristallen in der Atmosphäre entstehen und deren bekannteste Beispiele die sogenannten Nebensonnen sind, aber auch Lichtsäulen, 22 °- oder 46 °-Halos und Bravaisbögen. Diese optischen Atmosphärenphänomene können durchschnittlich an über 100 Tagen im Jahr in Mitteleuropa beobachtet werden, wenn es sich um kundige Beobachter handelt. Für die Zeit von 500 bis 1100 sind nur 29 Beobachtungen überliefert, die als Formen von Halo-Erscheinungen interpretiert werden können. Neun Mal Nebenmonde (555, 577, 764/765, 772, 806, 993, 1087, 1096, 1096), 13 Mal Nebensonnen (563, 750, 786, 796, 902, 905, 909/911, 922, 969, 993, 1020, 1021, 1077), vier Mal Bravaisbögen (674, 868, 1033, 1074) und drei Lichtsäulen (750, 944, 1074). Dies ist besonders in Bezug auf die große Zahl möglicher Beobachtungen erstaunlich.

2.11 Zur Wahrnehmung tektonischer Bewegungen Als von der Natur verursachte Katastrophe erscheinen Erdbeben dem Menschen seit jeher äußerst bedrohlich. Sie fühlen sich dieser Bedrohung hilflos ausgesetzt, denn im Gegensatz zu anderen katastrophalen Ereignissen überraschen die Plötzlichkeit eines Erdbebens und die trotz seiner meist kurzen Dauer hohe Zerstörungskraft. Oft verblasst die Erinnerung an Angst und Schrecken im Laufe der Jahre und wird von jeder Generation neu erlebt. Erdbeben treten überwiegend gehäuft entlang der tektonischen Plattengrenzen auf und stellen einen plötzlichen Spannungsabbau von Bewegungen in der Erdkruste dar. Bereits die Gelehrten der Antike haben mehrere Erklärungsansätze entwickelt.1405 Da verlässliche Vorhersagen bezüglich Zeitpunkt, Ort und Stärke bisher nicht zu machen sind und fraglich ist, ob es solche jemals geben kann, konzentriert sich die moderne Seismologie1406 darauf, das Auftreten der Erdbeben zeitlich und räumlich statistisch zu erfassen,1407 um deren zyklisches Auftreten wahrscheinlicher zu machen. Dafür sind immer wieder aktualisierte Kataloge aufgestellt worden, die mittlerweile ein genaues Bild vergangener Erdbebenereignisse wiedergeben.1408 Diese Listen sind oft stark an nationalen Grenzen ausgerichtet, obwohl die tektonisch bewegten Bereiche nichts mit politischen Grenzen gemein haben. So gibt es im deutschsprachigen

|| 1405 Vgl. Krafft, Erdbeben (1998), 53–55. 1406 Fréchet/Meghraoui/Stucchi, Historical Seismology (2008). 1407 Leydecker, Erdbebenkatalog für Deutschland (2011), 7. 1408 Eine Übersicht in: Cassidy, Earthquake (2013), 208–223.

Zur Wahrnehmung tektonischer Bewegungen | 271

Raum mehrere Erdbebenkataloge, einen für die Bundesrepublik,1409 einen für die ehemalige DDR,1410 einen für die Schweiz,1411 einen für Niederösterreich1412 und einen für Bayern.1413 Weitere Sammlungen und Projekte zur Erfassung historischer Erdbeben in einzelnen Regionen sind in Planung oder werden aktuell umgesetzt. Aufstellungen gibt es für den Mittelmeerraum vor allem zu Italien,1414 wo es soviele Kataloge gibt, dass dies eine eigene Untersuchung dazu rechtfertigte.1415 Erdbebenkataloge gibt es weiterhin für die Türkei, im Speziellen für das byzantinische Reich,1416 sowie für die ehemalige UdSSR1417 und für Persien.1418 Auch an älteren Zusammenstellungen von Erdbeben abseits der Nationalgrenzen fehlt es nicht. Bereits in den 1840er-Jahren hat Karl Ernst Hoff eine allgemeine Chronik der Erdbeben und Vulkanausbrüche zusammengestellt,1419 Mitteleuropa1420 sowie Westeuropa gewidmet ist der Katalog von Alexandre.1421 Neben Katalogen fehlte es auch nicht an Versuchen, die zeitgenössischen Erklärungsmodelle nach den Ursachen der Erdbeben geordnet zusammenzustellen1422 und die Bewältigungsstrategien der Zeitgenossen zu untersuchen.1423 Obwohl der „Erderschütterer“ Poseidon nicht mehr als Ursache in Betracht kam,1424 wurde im 6. Jahrhundert „das geläufige Wort für Erdbeben (seismós) in der christlichen Chronistik mit dem Begriff theomenía (Gotteszorn) synonym gebraucht“.1425 Im Detail sind die lateinischen Termini, mit denen Erbeben in der Antike dargestellt wurden, bereits untersucht.1426 Der zweifellos wichtigste Beitrag, der die Mediävistik für Erdbeben und ihre Folgen sensibilisierte, war sicherlich der Aufsatz von Arno Borst zum Beben in Basel

|| 1409 Leydecker, Erdbebenkatalog für Deutschland (2011), 7. 1410 Grünthal, Erdbebenkatalog (1988). 1411 Gisler, Erdbeben in der Schweiz (2007), 133–153. 1412 Hammerl/Lenhardt, Erdbeben in Niederösterreich (2013). 1413 Giessberger, Erdbeben Bayerns (1922). 1414 Giorgetti/Iaccarino, Italian Earthquake Catalogue (1971); Guidoboni/Comastri, Catalogue of earthquakes (2005). 1415 Camassi, Catalogues (2004), 645–657. 1416 Downey, Earthquakes (1955), 596–600; Wirth, Erdbebenliste (1966), 393–399; Ergin/Guclu/Uz, Catalogue of Earthquakes (1967). 1417 Kondorskaya/Shebalin, New catalog (1982). 1418 Ambraseys/Melville, History of Persian Earthquakes (1982), 34–108, 158–212. 1419 Hoff, Chronik der Erdbeben (1840–1841). 1420 Gutdeutsch/Grünthal/Musson, Historical earthquakes (1992); Grünthal/Wahlström, Earthquake catalogue (2003). 1421 Alexandre, Séismes en Europe (1990); Guidoboni/Comastri/Traina, Catalogue (1994). 1422 Guidoboni, Earthquakes (1998), 197–214. 1423 Clemens, Katastrophenbewältigung (2002), 251–266; Clemens, Mittelalterliche Erdbeben (2005), 193–207. 1424 Zu den Erdbeben-Theorien antiker Gelehrter vgl. Krafft, Erdbeben (1998), 53–55. 1425 Meier, Zur Wahrnehmung (2003), 47. 1426 Conti, Lateinische Termini (2007), 57–74.

272 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

im Jahr 1348.1427 Basel wurde häufiger von Erdbeben heimgesucht, so auch im Jahr 1356.1428 Auch das Beben in Verona am 3. Januar 1117 wurde im Detail untersucht.1429 Einen Überblick über Erdbeben in der Antike findet sich im Sammelband von Olshausen und Sonnabend,1430 einer zum Spätmittelalter im Sammelband von Fouquet und Zeilinger.1431 Die folgende Tabelle enthält jene Erdbebenereignisse, die für die Untersuchungszeit (500–1100) im Lexikon des Mittelalters aufgelistet sind.1432 Tab. 21: Erdbeben von 500 bis 1100 nach dem Lexikon des Mittelalters1433

Nr.

Datierung

Region, Ort

Zahl der Opfer

1

29. Nov. 528

Syrien, Antiochia

500

2

614

Italien

Tausende

3

742

Syrien und Palästina

viele

4

30. April 793

Italien, Veneto

viele

5

811

Schottland, St. Andrews

1400

6

18. Sept. 844

Syrien, Damaskus

50000

7

April 847

Syrien, Damaskus

70000

8

Dez. 856

Griechenland, Korinth

45000

9

Jan. 858

Kaukasus, Armenien

12000

10

18. Nov. 871

Mesopotamien, Wasit

20000

11

893

Kaukasus

82000

12

13. Mai 986

Mesopotamien, Mosul

viele

13

1007

Mesopotamien, Kijla

10000

14

18. März 1068

Palästina, Ramla

25000

|| 1427 Borst, Erdbeben von 1348 (1981), 529–569. 1428 Meyer, Basler Erdbeben (2006). 1429 Hülsen, Verona 3. Januar 1117 (1993), 218–234. 1430 Olshausen/Sonnabend, Naturkatastrophen (1998), 99–104. 1431 Fouquet/Zeilinger, Katastrophen (2011), 58–73. 1432 Mayer-Rosa, Erdbeben (1986), 2125 f.: „Auftreten im MA vor allem in: Südspanien, Pyrenäen, Mittelgriechenland, Anatolien, Kaukasus, Nordwestsyrien, Palästina; weniger häufig in: Nordafrika, Deutschland, Alpengebiet, Balkanregion. Im MA ist die Ursache von E. weitgehend unbekannt; sie werden wie Epidemien, Hungersnöte, Sturmfluten u. a. Katastrophen oft als Zeichen göttlichen Zornes gedeutet. Erste naturwissenschaftl. Erklärungen erfolgten durch babylon. Astronomen.“ 1433 Mayer-Rosa, Erdbeben (1986), 2125 f.

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Außer den Erdbeben waren auch Erdrutsche, Erdstürze und vergleichbare gravitativ verursachte Massenbewegungen für die mittelalterlichen Zeitgenossen schwer zu erklären; auf diese wird im nächsten Kapitel eingegangen. Erdbeben sind eine der Hauptursachen für Tsunamis, die im Mittelmeerraum (2000 v. bis 2000 n. Chr.) wiederholt auftraten.1434 Zunächst aber zur chronologischen Abfolge der Erdbeben von 500 bis 1100.

2.12 Erdbeben Interessanterweise gehören Erdbeben, obwohl sie für den Menschen so bedrohlich sein können, nicht zum Kanon der zehn Plagen im Buch Exodus. Sie werden im Alten Testament aber an anderer Stelle erwähnt: „Da wankte und schwankte die Erde, da bebten die Fundamente der Berge, sie zitterten vor seinem Zorn.“1435 Teile dieser Beschreibung wurden für die Beschreibung eines Erdbebens des Jahres 1117 wörtlich übernommen.1436 In der Offenbarung des Johannes wird das Beben erst zum Abschluss der siebenten Posaune beschrieben.1437 In der islamischen Welt „earthquakes are interpreted within two different yet related frameworks, being perceived as either signs of a future apocalypse or as a punishment of limited duration for a particular group of people.“1438 Die Genese von Erdbeben ist mittlerweile von geologischer Seite zwar nicht vorhersehbar, aber gut erklärbar. Sie treten vor allem an den tektonischen Grenzzonen auf, dort wo zwei Plattengrenzen aneinanderstoßen und sich aneinander, gegeneinander oder überein-/untereinander bewegen. Die Bewegungen der Platten führen zu großräumigen Spannungen, die durch Erdbeben und die häufigen Nachbeben abgebaut werden. Einen dramatischen Bericht über ein Erdbeben und seine Folgen hat Gregor von Tours für ein Ereignis überliefert, das in die Zeit zwischen 500 und vor 507 datiert wird: „Er erwähnte aber in einer Predigt, welche er über die Bettage schrieb, dass jene Bettage, welche wir vor dem ruhmreichen Feste der Himmelfahrt des Herrn feiern,

|| 1434 Soloviev u. a., Tsunamis (2000). 1435 Ps 17,8: Commota est et contremuit terra; fundamenta montium concussa sunt et commota sunt, quoniam iratus est. 1436 Annalista Saxo, ad a. 1117. Ed. Naß, MGH SS 37, 558 Anm. 1 übernommen aus Ekkehard, Chronicon universale, ad a. 1117. Ed. Waitz, MGH SS 6, 252: Quapropter inter ipsa dominice nativitatis festa III non. Ianuarii hora vespertina super tantis divini iudicii con temptibus conmota / est et contremuit terra ab ira nimirum furoris Domini adeo (…). 1437 Offb. 11,19 und 12,1: et facta sunt fulgura et voces et terraemotus et grando magnae et signum magnum paruit in caelo. 1438 Vgl. Akasoy, Interpreting earthquakes (2009), 183–196.

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von Mamertus, dem Bischof desselben Vienne, wo Avitus nun seinen Sitz hatte, eingesetzt worden seien, als jene Stadt durch viele wunderbare Erscheinungen in Furcht versetzt war. Sie wurde nämlich durch häufig wiederkehrende Erdbeben erschüttert, und wilde Tiere, Hirsche und Wölfe kamen in die Tore und schweiften, wie er schrieb, furchtlos in der Stadt umher. Und als dies ein ganzes Jahr hindurch so fortging, und die Tage des Osterfestes nahten, harrte alles Volk in Demut auf das Erbarmen Gottes, dass diese festlichen Tage doch endlich ihrer Furcht ein Ziel setzen möchten.“1439

2.12.1 Erdbeben im 6. und 7. Jahrhundert Seit der Synode von Orléans im Jahre 511 wurde in Gallien die von Bischof Mamertus von Vienne († um 477)1440 eingeführte Bittprozession, um Erdbeben und weitere Unglücksfälle von der Stadt fernzuhalten, allgemein gehalten. Sie gewann bald den Charakter einer Flurprozession für das Gedeihen der Früchte und die Abwehr der Schädigung der Felder. Die Prozession zu Himmelfahrt wurde in Rom erst von Papst Leo III. um das Jahr 800 eingeführt.1441 Die irischen Annalen berichten zum Jahr 518, dass in der Provinz Dardania1442 durch Erdbeben 27 Burgen zusammengestürzt seien.1443 Diese Nachricht könnten sie von einem deutlich längeren Bericht des Marcellinus Comes zum Jahr 5181444 übernommen haben, der lautet: „In der Provinz von Dardania stürzten gleichzeitig 24 Burgen aufgrund eines verheerenden Erdbebens ein. Davon wurden zwei komplett mit ihren Bewohnern verschüttet, vier verloren die Hälfte ihrer Gebäude und Einwohner, elf hatten verloren ein Drittel der Häuser und Menschen, sieben ein Viertel. Schließlich wurden die benachbarten Orte aus Angst vor Zerstörung aufgegeben. Die Metropole Scupi wurde zwar vollständig zerstört, verlor aber keinen ihrer Einwohner, denn diese waren vor ihren Feinden geflohen. Die meisten Berge in dieser Provinz wurden von dem Erdbeben aufgespalten, Steine aus dem Boden gerissen und Bäume entwurzelt. Durch eine

|| 1439 Gregor von Tours, Libri historiarum, 2, 34. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 83 f.; FSGA 2, 128 f.: Refert enim in quadam omilia, quam de rogationibus scripsit, has ipsas rogationes, quas ante ascensionis dominicae triumphum caelebramus, a Mamerto ipsius Viennensis urbis episcopo, cui et hic eo tempore praeerat, instatutas fuisse, dum urbis illa multis terreretur prodigiis. Nam terrae moto frequenti quatiebatur, sed et cervorum atque luporum feritas portas ingressa, per totam, ut scripsit, urbem nihil metuens oberrabat. Cumque haec per anni circulum gererentur, advenientibus paschalis sollemnitatis diebus, expectabat misericordiam Dei plebs tota devote, ut vel hic magnae sollemnitatis dies huic terrori terminum darent. 1440 Lumpe, Mamertus von Vienna (1993), 653 f. 1441 Franz, Kirchliche Benediktionen (1909), 7. 1442 Dardania war eine römische, später byzantinische Provinz auf dem Balkan. 1443 Annals of Tigernach, ad a. 518. Ed. Stokes, Bd. 1, 128: In the province of Dardania by assiduous movements of the earth 27 castles in one moment collapsed. 1444 Nach byzantinischer Jahreszählung vom 1. September 517 bis zum 31. August 518.

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tiefe Kluft 30 Meilen lang und zwölf Fuß [rund vier Meter] breit, stellte das Beben Gräber für eine beträchtliche Zahl der Bürger, die aus den Ruinen der Burgen und der felsigen Stellen und vor den Angriffen der Feinde fliehen, zur Verfügung. In einer der Burgen der Region Gavisa, die Sarnontum genannt wird, wurden die Erdkanäle verschoben und nachdem sie wie ein Brennofen gekocht waren, spuckten sie einen feurigen Schauer aus, der sich über lange Zeit im Inneren gebildet hatte.“1445

Derselbe Autor, Marcellinus Comes hat in seiner Chronik zum Jahr 5261446 noch ein Erdbeben überliefert: „Ein plötzliches Erdbeben traf die gesamte Stadt Antiochia in Syrien während der Mittagszeit. Schlimmer noch, es brachte doppelte Zerstörung für den westlichen Teil der Stadt durch die Winde aus Osten, die in alle Stellen bliesen und die Feuer in den Küchen der eingestürzten Gebäude entfachten, die mit der Zeit lodernd wurden. Auch wurde Euphrasius, der Bischof der Stadt, getötet, als sein Kopf in ein feuriges Grab niedergeschlagen wurde, als ein Obelisk im Hippodrom nach oben geschleudert in den Boden fuhr.“1447 Die Darstellung in der Chronik des Theophanes legt zwar je ein Erdbeben in den Jahren 541/2 und 553/4 nahe, Meier hat aber darauf hingewiesen, dass ein „vorbehaltloser Rückgriff auf diese Erdbebenbeschreibungen (…) jedoch problematisch [ist, …] da sie z. T. wörtlich identische Passagen aufweisen.“1448 Das bei Agathias (2, 15) genannte Erdbeben gehört in den Kontext des großen Bebens in Palästina im Jahre 551.1449 Nach Meiers Detailstudie lassen sich vier Ereignisse für diese Epoche festhalten: 542 ein Erdbeben, 543 die sogenannte Kyzikoskatastrophe, 551 das Erdbeben im Nahen Osten und im Jahr 554 eine vierzigtägig Erdbebenserie ab dem 15. August.1450

|| 1445 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 518. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 100; Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 39 f., 120: In provincia Dardania adsiduo terrae motu viginti quattuor castella uno momento conlapsa sunt: quorum duo suis cum habitatoribus demersa, quattuor dimidia aedificiorum suorum hominumque amissa parte destructa, undecim tertia domorum totidemque populi clade deiecta, septem quarta tectorum suorum totaque plebis parte depressa, vicina vero metu ruinarum despecta sunt. Scupus namque metropolis, licet sine civium suorum hostem fugientium clade, funditus tamen corruit. plurimi totius provinciae inontes hoc terrae motu scissi sunt saxaque suis evulsa conpagibus devolutaque arborum crepido. per triginta passuum milia patens et in duodecim pedum latitudinem dehiscens profundam aliquantis voraginem civibus castellorum saxorumque ruinas vel adhuc hostium incursiones fugientibus iussa paravit. uno in castello regionis Gavisae, quod Sarnonto dicitur, ruptis tunc terra venis et ad instar torridae fornacis exaestuans diutinum altrinsecus ferventemque imbrem evomuit. 1446 Nach byzantinischer Jahreszählung vom 1. September 525 bis zum 31. August 526. 1447 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 526. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 102; Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 42, 123): Totam quidem Antiochiam Syriae civitatem repens inter prandendum terrae motus invasit: alioquin occiduam urbis magnamque eius partem sinistris mox ventis undique flantibus flammasque coquinarum pro tempore aestuantes ruentia in aedificia miscentibus duplex torridumque exitium inportavit. Eufrasium quoque totius urbis episcopum adempto eius capite combusto simul obruit sepulchro: obelisco circi inverso et humi defosso. 1448 Meier, Erdbeben (2000), 287. 1449 McCail, Earthquake (1967), 241–247. 1450 Meier, Erdbeben (2000), 294 f.

276 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Die Annalen von S. Edmund überliefern zum Jahr 562 ein zehn Tage dauerndes Erdbeben in England.1451 Zusammen mit Vor- und Nachbeben können zehn Tage Erdbewegungen realistisch sein. Gregor von Tours überliefert für die Zeit von 577 bis 590 fünf Erdbeben: So berichtet er zum Jahr 577, dass „zu Chinon, einem Dorf bei Tours, die Kirche erzitterte, gerade während an dem ruhmreichen Tage der Auferstehung des Herrn eine Messe gehalten wurde, und alles Volk schrie voll Entsetzen wie aus einem Munde, die Kirche stürze zusammen; man erbrach die Türen, und alles floh hinaus. Danach suchte eine schwere Seuche das Volk heim.“1452 Für das Jahr 580 gibt er folgende Nachricht: „In demselben Jahre wurde die Stadt Bordeaux schwer von einem Erdbeben mitgenommen, und die Mauern der Stadt drohten einzustürzen; die ganze Einwohnerschaft schwebte in solcher Todesfurcht, dass sie meinten, wenn sie nicht flöhen, würden sie alle mit der Stadt von der Erde verschlungen werden. Deshalb wanderten viele in andere Städte aus. Das Erdbeben erstreckte sich auch nach den benachbarten Städten und reichte bis nach Spanien, aber nicht in derselben Stärke. Doch lösten sich in den Pyrenäen gewaltige Felsstücke los und erschlugen Mensch und Vieh.“1453

An anderer Stelle heißt es bei Gregor, „in demselben Jahr [582] zeigten sich abermals manche Wunderzeichen: (…) die Mauern der Stadt Soissons stürzten zusammen, in der Stadt Angers war ein Erdbeben.“1454 Zum Jahr 587 vermerkt er, dass „andere behaupteten, ein ganzer Hof sei mit seinen Häusern und Einwohnern plötzlich untergegangen und verschwunden.“1455 Das Plötzliche dieses Erdrutsches widersprach wohl zu sehr seiner Erfahrung, weshalb er es als Behauptung anderer bezeichnete. Weiterhin beschrieb er, dass „am 14. Juni 590, an einem Mittwoch ganz in der Frühe, als

|| 1451 Annales S. Edmundi, ad a. 562. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 116: Terre motus 10 dies. 1452 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 17. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 215; FSGA 2, 308 f.: Cainone vero Toronicum vicum, dum ipso glorioso resurrectionis dominicae die missae caelebrarentur, eclesia contremuit, populusque conterritus a pavore unam vocem dedit, dicens, quod eclesia caderet, cunctique ab ea, etiam effractis ostiis, per fugam lapsi sunt. Magna post haec lues populum devastavit. 1453 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 33. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 237 f.; FSGA 2, 340 f.: In Toronico vero eo anno mane, priusquam dies inlucescerit, fulgor per caelum cucurrisse visus est et ad orientis plagam caecidisse. Sed et sonitus tamquam diruentes arbores per totam terram illam auditus est; quod ideo non est de arbore aestimandum, quia in quinquaginta aut amplius milia est auditum. Ipso anno graviter urbis Burdegalensis a terrae motu concussa est, moeniaque civitatis in discrimine eversionis extetirunt; atque ita omnes populus metu mortis exterritus est, ut, si non fugiret, potaret se cum urbe dehiscere. Unde et multi ad civitatis alias transierunt. Qui tremor ad vicinas civitatis porrectus est et usque Spaniam attigit, sed non tam valide. Tamen de Pirineis montibus inmense lapides sunt commoti, qui pecora hominisque prostraverunt. 1454 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 21. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 289; FSGA 3, 38 f.: Haec in hoc anno iteratis signa apparuerunt: (…) muri urbis Sessionicae conruerunt; apud Andecavam urbem terra tremuit. 1455 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 5. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 416; FSGA 3, 230 f.: Alii adfirmabant, villam cum casis et hominibus subitania internicione evanuisse.

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eben das Tageslicht angebrochen war, ein großes Erdbeben stattfand.“1456 Die Annalen von Ulster überliefern, dass die Erde in Bairche in Irland im Jahr 601 bebte.1457 Nach Paulus Diaconus wurde irgendwann zwischen 615 und 618 Rom von einem schweren Erdbeben erschüttert, „auch gab es eine große Überschwemmung. Darauf folgten als Epidemie krätzeartige Hauterkrankungen, sodass keiner seinen Verstorbenen wegen übermäßig aufgedunsener Schwellung hätte identifizieren können.“1458 Drei irische Annalen überliefern, dass es zwischen 616 und 619 ein Erdbeben im Frankenreich gegeben habe, allerdings ohne den genauen Ort anzugeben.1459 Im Jahr 634/635 soll laut der verschiedenen Überlieferungstraditionen des Theophilus von Edessa ein Erdbeben in Palästina geschehen und dort „Zeichen am Himmel erschienen sein, die Komet genannt werden, in südlicher Richtung, die als Vorboten der arabischen Eroberung kamen. Er verblieb für 30 Tage, bewegte sich vom Süden nach Norden und war wie ein Schwert geformt.“1460 Als genauer Zeitpunkt des Erdbebens wird der Monat September angegeben.1461 Eine andere Überlieferung des Textes gibt für das Erdbeben eine Dauer von 30 Tagen an,1462 wogegen einmal die Länge der Sichtbarkeit des Kometen mit 30 und einmal 35 Tagen angeführt wurde.1463

|| 1456 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 515; FSGA 3, 382 f.: Terrae motus factus est magnus XVIII. Kalendas mensis V., die IIII., prima mane, cum lux redire cepisset. Sol eclypsin pertulit mense VIII. mediante, et ita lumen eius minuit, ut vix, quantum quintae lunae cornua retinent, ad lucendum haberet. Pluviae validae, tonitrua in autumno gravia, aquae autem nimium invaluerunt. Vivariensim Avennicamque urbem graviter lues inguinaria devastavit. 1457 Chronicle of Ireland (AU, AT, CS), ad a. 601. Ed. Charles-Edwards, 121: An Earthquake in Bairrche. 1458 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 45. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 135: Eo tempore magnus Romae terrae motus factus est, magnaque tunc fuit inundatio aquarum. Post haec fuit clades scabearum, ita ut nullus potuisset mortuum suum agnoscere propter nimium inflationis tumorem; vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 252 f. 1459 Annals of Tigernach, ad a. 616. Ed. Stokes, Bd. 1, 171: and earthquake in Gaul; Annals of Ulster, ad a. 618. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 109: The incursion of Macha, and an earthquake in Gaul; Annals of Inisfallen, ad a. 619. Ed. Airt, 86 f.: A great earthquake in Gaul. 1460 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 634. Ed. Hoyland, 94 [Theophanes]: An earthquake occurred in Palestine and there appeared a sign in the heavens, called a comet, in the direction of the south foreboding the Arab conquest. It remained for thity days, moving from south to north and was sword-shaped. 1461 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 634–635. Ed. Hoyland, 95 [Msyr]: There was a violent earthquake in the month of September and afterwards a portent in the sky, resembling a sword stretched out from the south to the north. It stayed there for thirty days and it seemed to many that it stood for the coming of the Arabs. 1462 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 634–635. Ed. Hoyland, 95 [Agapius]: There was a mighty earthquake in this year and there appeared in the sky a sign, a column of fire, and it began moving from the east to the west and from the north to the south then disappeared. There was a mighty earthquake in Palestine and for thirty days the earth shook and there was a major plague in various places. 1463 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 634–635. Ed. Hoyland, 95 [Cf. Chron Siirt XCIV, 580]: There appeared in the sky something like a lance from south to north and then it extended from east to west, and it remained thus for 35 nights; people saw it as a portent of Arab rule.

278 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Für den längeren Eintrag in den Annalen von Ulster meint David Wood eine Instrumentalisierung festzustellen und bezweifelt, dass ein Erdbeben in Irland oder England im Jahre 664 stattgefunden hat.1464 Der annalistische Eintrag ist eingebettet in eine ganze Reihe von Katastrophenereignissen und lautet: „(…) ein Erdbeben in Britannien und Comgán moccu Teimni und Berach (…).“1465 Dasselbe Erdbeben wird auch in den Annalen der Schotten genannt.1466 In den Überlieferungen der Chronik des Theophilus von Edessa wird beschrieben, dass „gegen neun Uhr [dritte Stunde] am Ostersonntag, den 3. April 679 die Erde in Syrien und Mesopotamien heftig bebte. Das Dorf Suruç [Serug/Batnan] wurde dabei zerstört, in Edessa fielen von der großen Kirche das Ziborium und zwei Kirchenmauern ein, die auf Befehl von Kalif Muʿāwiya I. wieder errichtet werden sollten.“1467 Nach den irischen und schottischen Annalen suchte im Jahr 685 ein großer Sturm und ein Erdbeben Irland heim.1468

|| 1464 Woods, Earthquake (2005), 258 f. 1465 Annals of Ulsterad, ad a. 664. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 134–137; Chronicle of Ireland. Ed. Charles-Edwards, 154 f.: Darkness on the Kalends [1st] of May at the ninth hour, and in the same summer the sky seemed to be on fire. The plague reached Ireland on the Kalends [1st] of August. The battle of Luith Feirn i.e. in Fortriu. Death of Cernach son of Diarmait son of Aed Sláne; and an earthquake in Britain; and Comgán moccu Teimni and Berach, abbot of Bennchor, [rested]. Baetán moccu Cormaicc, abbot of Cluain, died. In Mag Ítha of Fothairt the plague first raged in Ireland. From the death of Patrick 203 [years, and from] the first mortality 112 [years]’ 1466 Chronicum Scotorum, ad a. 664. Ed. Hennessy, 107: Death of Cernach Sotal son of Diarmait son of Aed Sláine; and an earthquake in Ireland; and Comgán moccu Teme and Berach, abbot of Bennchor, rested. 1467 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 679. Ed. Hoyland, 170 [Theophanes]: A severe earthquake occurred in Mesopotamia, as a result of which Batnan and the dome of the church of Edessa fell down. Mu`awiya rebuilt the latter by the zeal of the Christians. Ebd., 170 f. [Agapius]: There was an earthquake in April, and one of the villages of Serug, called Batnan, fell down – its walls and all its houses collapsed. The same happened at Edessa and many places in it were ruined. Mu‘awiya ordered it to be rebuilt and the churches of Edessa that had collapsed to be restored. The reason for that was that he had nce stayed there when he was travelling to fight ‘Ali ibn Abi Talib. Ebd., 171 [MSyr]: On the Sunday of the Resurrection, at the third hour, there was a violent earthquake and Batnan of Serug collapsed, along with the ciborium and the two outer sides of the Great Church at Edessa. Mu‘awiya ordered that the fallen parts be rebuilt. They say that he had stayed (at Edessa) and had had a dream announcing the ruin of ‘Ali and the confirmation of his own kingship and that for this reason he ordered the church to be rebuilt. Ebd. [Chron 1234]: On the Sundy of the Resurrection there was a great earthquake and Serug collapsed, along with the ciborium and the two outer sides of the Great Church at Edessa. Mu’awiya ordered that the fallen parts be rebuilt. Ebd. 171 [Cf. Chron 819]: There was a violent earthquake and many places in Syria were destroyed. Batnan of Serug collapsed, and was cast down and obliterated, as also was one side of the ancient church of Edessa. (It occurred) on the Sunday of the Resurrection at the third hour. 1468 Chronicum Scotorum, ad a. 681. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 107: A great wind and earthquake in the island of Hibernia. Annales Cambriae, ad a. 684. Ed. Gough-Copper (Version A), 12: Terre motus in Eubonia factus est magnus. Annales Cambriae, ad a. 684. Ed. Gough-Copper (Version A), 30: Terre motus in Eumonia factus est magnus. Chronicle of Ireland, ad a. 685. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 165: A great storm of wind. An earthquake in the island of Ireland.

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2.12.2 Erdbeben im 8. Jahrhundert Zum Jahr 707 nennen einzig die Annalen von Ulster zwei Erdbeben in derselben Woche im Monat Dezember im nördlichen Teil Irlands.1469 Am 28. Februar 713 fand ein heftiges Erdbeben in Syrien statt, bei dem viele Orte in den Regionen Antiochia, Aleppo und Chalkis (Qinnasrīn) zerstört wurden. Vor allem die Kirchen und Heiligtümer seien betroffen gewesen.1470 Nach Theophanes von Edessa wurde Syrien schon vier Jahre später, im Jahr 717, wieder von einem Erdbeben heimgesucht, das viele Plätze zerstörte.1471 Nach Theophanes dem Bekenner soll dies erst 718 geschehen sein. Er verbindet die Nachricht über das Erdbeben mit Zwangsbekehrungsmaßnahmen: „Als in diesem Jahr ein großes Erdbeben in Syrien war, erließ Umar in den Städten ein Einfuhrverbot für Wein und übte auf die Christen einen Zwang aus, von ihrem Glauben abzufallen.“1472 Die Annalen von Ulster nennen ein Erdbeben im Oktober 721,1473 ein weiteres am 6. Februar 7301474 und erneut eines, das am 12. April 740 in Íle stattgefunden habe.1475 Nach Theophanes von Edessa kam es am Mittwoch, dem 26. Oktober des Jahres 740, gegen acht Uhr morgens zu einem gewaltigen und die Menschen verängstigenden Erdbeben in Konstantinopel, bei dem viele Häuser zerstört wurden.1476 Auch Theophanes der Bekenner überliefert einen ausführlichen Bericht zum Erdbeben des Jahres 740:

|| 1469 Chronicle of Ireland, ad a. 707. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 182: Two earthquakes in the same week in the month of December in the northern part of Ireland. 1470 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 713. Ed. Hoyland, 206 [Theophanes]: There was a violent earthquake in Syria on the 28th of the month of February. Ebd. [Agapius]: There was a big earthquake and many places in Antioch fell down; Ebd. [MSyr]: There was a very violent earthquake on the 28th in the month of February, which threw down many places in the region of Antioch, Aleppo and Qinnasrin. It was the churches and the sanctuaries that suffered most; Ebd. [Chron 1234]: There was a violent earthquake in the month of February, which threw down many places in the region of Antioch, Aleppo ans Qinnasrin. It was the churches ans the sanctuaries that suffered most. 1471 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 717. Ed. Hoyland, 215) [Theophanes]: A violent earthquake occurred in Syria. Ebd. [Agapius]: There was a violent earthquake which ruined many places. Ebd. [MSyr]: There was a large earthquake. 1472 Theophanes der Bekenner, ad a. 718, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 32. 1473 Chronicle of Ireland, ad a. 721. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 194: An earthquake in october. 1474 Chronicle of Ireland, ad a. 730. Ed. Charles-Edwards (AU, AT), 202: An earthquake on the 8th of February, a Wednesday. 1475 Chronicle of Ireland, ad a. 740. Ed. Charles-Edwards (AU, AT), 212: An earthquake on Íli on the 31st of March. 1476 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 740. Ed. Hoyland, 236 [Theophanes]: A violent and fearful earthquake occurred at Constantinopel on 26 October, indiction 9, a Wednesday, in the 8th hour (…) Ebd. [Agapius]: There occurred in Constantinople a great earthquake and all the houses fell down. The mountains began to send forth waters. Ebd., 237 [MSyr]: There was an earthquake at Constantinople and much of the city collapsed.

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„In demselben Jahre, am Mittwoch, dem 26. Oktober der neunten Indiktion, war um zwei Uhr nachmittags ein großes und schreckliches Erdbeben in Konstantinopel. Kirchen und Klöster stürzten ein und viel Volk wurde getötet. (…) Auch die Landmauern der Stadt wurden zerstört, ferner Städte und Dörfer in Thrakien und die Städte Nikomedia in Bithynien, Prainetos und Nikaia, wo nur eine einzige Kirche stehen blieb. In manchen Gegenden trat das Meer aus seinen Ufern, und das Beben währte zwölf Monate. Als der Kaiser die Mauern einstürzen sah, verkündete er dem Volke: ‚Ihr verfügt nicht über ausreichende Mittel, um die Mauern wieder aufzubauen, aber wir haben den Verwaltern der Staatseinkünfte Befehl gegeben, und sie werden dieser Vorschrift gemäß von jeder Goldmünze ein Miliaresion eintreiben. Dieses Geld erhält die kaiserliche Kanzlei und erbaut damit die Mauern. Von da an erhielt sich die Einrichtung, dem Verwaltungsbeamten den zwölften Teil jeder Goldmünze abzugeben.“1477

Schon für das Jahr 742 überliefert Theophanes der Bekenner wieder, dass „es in manchen Gegenden große Trockenheit und Erdbeben gab, sodass die Berge der Wüste Saba aneinanderrückten und Dörfer von der Erde verschlungen wurden.“1478 Zum Jahr 743 erfahren wir, dass „ein Erdbeben bei der Kaspischen Pforte“1479 stattfand, und zum Jahr 746, dass es „in diesem Jahre am 18. Januar um 10 Uhr vormittags ein großes Erdbeben in Palästina, dem Jordanlande und in ganz Syrien gab, bei dem viele tausende, ja sogar unzählige Menschen umkamen sowie Kirchen und Klöster besonders in der Wüste nahe der heiligen Stadt [Jerusalem] einstürzten.“1480 Theophilus von Edessa überliefert in seinen verschiedenen Traditionen anscheinend das gleiche Erdbeben am 18. Januar zwischen neun und zehn Uhr, das besonders Jerusalem zerstörte, aber zum Jahr 749.1481 Andere Quellen nennen die Mittelmeerküste Palästinas und besonders die Stadt Tiberias als betroffene Region und geben die Opferzahl mit 100.000 an.1482 Nach anderen Überlieferungen soll Damaskus stark betroffen gewesen sein, wo neben vielen Palästen auch 800 Personen umkamen, weiterhin die Orte

|| 1477 Theophanes der Bekenner, ad a. 740, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 49 f., vgl. dazu: Peschlow, Hagia Sophia (1998). 1478 Theophanes der Bekenner, ad a. 742, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 56. 1479 Theophanes der Bekenner, ad a. 743, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 58. 1480 Theophanes der Bekenner, ad a. 746, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 64. 1481 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 749. Ed. Hoyland, 270 [Theophanes]: There was a great earthquake in Palestine, by the Jordan and in all of Syria on 18 January, in the fourth hour. Numberless multitudes perished, churches and monasteries collapsed, especially those in the desert of the Holy City. There was an earthquake and terrible destruction in Syria as a result of which some cities were entirely destroyed, other partially so, while some slide down entire, with their walls and houses, from positions on mountains to low-lying plains, a distance of six miles or thereabout. Exewitnesses affirmed that in Mesopotamia the ground was split along two miles and that out of the chasm was thrown up a different soil, very white and sandy, in the midst of which, hey said, there came up an animal like a mule, quite spotless, that spoke a human voice and announced the incusion of a certain nation from the desert against the Arabs, which indeed came to pass; vgl. Tsafrir/Foerster, Dating (1992), 231–235. 1482 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 749. Ed. Hoyland, 270 [Agapius]: There was a violent earthquake in January on the sea coast of Palestine. Many places collapsed there and many people perished in them, especially at Tiberias, where 100.000 people or so were lost.

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Buṣrā, Nawā und Baʿlabakk.1483 Auch Theophanes der Bekenner überliefert zum Jahr 749: „Im selben Jahre war ein Erdbeben in Syrien, eine gewaltige, fürchterliche Katastrophe, wodurch einige Städte gänzlich vernichtet wurden, andere mehr oder weniger zerstört, wieder andere mitsamt ihren Stadtmauern und Häusern bis zu sechs Meilen und darüber von den Bergen in die darunter liegenden Ebenen unversehrt verschoben wurden. Augenzeugen erklärten, dass die Erde in Mesopotamien auf einer Länge von zwei Meilen sich gespalten habe, und aus der Tiefe ganz weiße, sandige Erde ausgeworfen worden sei: aus ihr soll, wie sie sagen, ein fleckenloses, maultierähnliches Wesen hervorgekommen sein, das mit menschlicher Stimme sprach und den Einfall eines Volksstammes aus der Wüste in das Gebiet der Araber prophezeite, was auch in Erfüllung ging.“1484

Eine Nachricht über ein Erdbeben im Jahr 756 findet sich hingegen nur bei Theophanes dem Bekenner: „In diesem Jahr war am 9. März in Palästina und Syrien ein nicht unbedeutendes Erdbeben.“1485 Die Annalen von Ulster überliefern zum Jahr 769, dass ein Erdbeben stattfand, woraufhin „eine Hungernot und eine lepröse Krankheit viele attackiert haben.“1486 Im Jahr 778 soll es nach der Überlieferung dreier mitteleuropäischer Chroniken zu einem so starken Erdbeben „in der Stadt Treviso in Italien und den umliegenden Städten gekommen sein, dass viele Gebäude und Kirchen zerstört wurden und viele Menschen Opfer des Erdbebens geworden sind. In einem Dorf sollen in einer Nacht 48 gleichzeitig gestorben sein.“1487 Theophanes der Bekenner überliefert für das Jahr 790 die Nachricht, dass „am 9. Februar der 13. Indiktio ein schreckliches Erdbeben war, sodass viele es nicht wagten, zu Hause zu schlafen, sondern in Gärten und im freien Felde Zelte errichteten und dort kampierten.“1488 Und für das Jahr 796 überliefert er: „Im April derselben vierten Indiktion, an einem Freitag zur Nachtzeit, war auf der Insel Kreta ein sehr heftiges Erdbeben. Auch || 1483 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 749. Ed. Hoyland, 270. 1484 Theophanes der Bekenner, ad a. 749, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 68 f. 1485 Theophanes der Bekenner, ad a. 756, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 74. 1486 Chronicle of Ireland, ad a. 769. Ed. Charles-Edwards (AU), 236: An earthquake and a famine; and a disease of leprosy attacked many. An abundance of oak-mast. 1487 Annalium Laureshamensium pars altera, ad a. 778. Ed. Pertz, MGH SS 1, 31: Et in Italia in Tarvisio civitate, vel in reliquas civitates in propinquo, fuit terremotus magnus, ita ut multa edificia sive etiam ecclesias corruerunt de ipso terremotu, et plurimi homines mortui sunt, ita ut in una villa 48. Simul in una nocte; Chronicon Moissiacense, ad a. 778. Ed. Pertz, MGH SS 1, 296: In Italia, in Tarvisio civitate et in reliquis civitatibus in propinquo, factus est terrae motus magnus, ita ut multa aedificia seu etiam ecclesiae corruerent; et plurimi homines de ipso terrae motu mortui sunt, ita ut in una villa 48 simul in una nocte perierint; Annales Mosellani, ad a. 778. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 496: Et in Italia in Tarviso vel in reliquis civitates in propinquo fuit terrae motus magnus, ita ut multa aedificia sive ecclesias corruerunt de ipso terrae motu et plurimi mortui sunt, ita ut in una villa 48 simul perierunt. 1488 Theophanes der Bekenner, ad a. 790, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 122.

282 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

in Konstantinopel spürte man im Mai starke Erdstöße.“1489 Da hier nur der Wochentag, Freitag, genannt wurde, kommen als Daten der 2., 9., 16., 23. und 30. April in Frage. Die in Konstantinopel zum Mai genannten Erdstöße legen wohl den 30. April nahe. Zwei angelsächsische Annalenwerke überliefern zum Jahr 799 „ein sehr starkes Erdbeben, das fast ganz Italien erschüttert habe und dabei das Dach der Kirche des hl. Paulus in Rom zu großen Teilen herabgestürzt sei.“1490

2.12.3 Erdbeben im 9. Jahrhundert Im Loiretal wird wahrscheinlich dasselbe Erdbeben zum Jahr 800 überliefert.1491 Eine ganze Reihe anderer Annalen stellt das Erdbeben zum 30. April1492 des Jahres 801 dar.1493 Die Annalen von St. Maximin geben als Uhrzeit die Zeit zwischen sieben und acht Uhr an. „Im selben Jahr, aber nicht genau zur selben Zeit, habe es in den Städten am Rhein, in Gallien und der Germania ebenfalls gebebt.“1494 Daraufhin sei es zu Epidemien unter den Menschen und Nutztieren gekommen, so die Annalen des Klosters Lobbes.1495 Die Annalen von Clonmacnoise überliefern zum Jahr 801, dass „das Meer

|| 1489 Theophanes der Bekenner, ad a. 796, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 129. 1490 Annales Rotomagenses, ad a. 799. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 39: Terremotus magnus factus est, qui pene totam Italiam concussit, et tectum Beati Pauli cum suis trabibus ex maxime parte dejecit; Annales S. Edmundi, ad a. 799. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 122: Terremotus magnus Italiam concussit et tectum Beati Pauli cum suis trabibus ex magna parte dejecit. 1491 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis, ad a. 800. Ed. Marchegay/Mabille, 182: Terre motus magnus. 1492 Annales Sithienses, ad a. 801. Ed. Waitz, MGH SS 13, 37: Terre motus maximus fuit 2. Kal. Maii; Annales Elmarenses. Ed. Grierson, ad a. 801, 80: Terremotus maximus fuit II. Kal. Maiy. 1493 Vgl. RI I Nr. 371c: „Während des aufenthaltes starkes erdbeben, das in Italien grosse verwüstungen verursacht und auch am Rhein, in Gallien und Germanien verspürt wird.“ Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 801. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: Hoc anno 2. Kalend. Maii terrae motus fuit per totam Italiam, ut urbes ruerent, et tectum basilicae sancti Pauli Romae cum trabibus decideret. 1494 Annales Maximiniani, ad a. 801. Ed. Waitz, MGH SS 13, 23: Et nocte sequente hora 2. terrae motus factus est magnus, qui multas civitates distruxit, et montes per loca ruerunt, et tectum ecclesiae beati apostoli Pauli magna ex parte cum trabibus cecidit. Eodem anno loca quaedam circa Rhenum fluvium et in Gallia et in Germania tremuerunt. Annales Fuldenses, ad a. 801. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 15: Terrae motus factus est II. Kal. Maii per totam Italiam tam vehemens, ut in quibusdam locis urbes ruerent et montes et tectum basilicae beati Pauli apostoli Romae cum trabibus suis magna ex parte decideret; circa Rhenum quoque et in Gallia et in Germania quaedam loca tremuerent. 1495 Annales Lobienses, ad a. 801. Ed. Waitz, MGH SS 13, 230: In Germania quoque et Gallia quaedam loca propter Rhenum tremuerunt, et pestilentia magna hominum et peccorum propter mollitiem hiemis estitit.

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eine Insel in drei Teile gespalten habe und Wasser und Sand die Erde bedeckt hätten.“1496 Mehrere Annalen (fränkische Reichsannalen, von Ottobeuren, von Trier etc.) überliefern, dass im Winter des Jahres 803 ein Erdbeben den Palast in Aachen zerstörte habe und darauf ein Sterben gefolgt sei.1497 Die Annales regni Francorum berichten noch von einem Erdbeben zu Saintes in Aquitanien im September 815 und einer Überschwemmung durch den Rhein.1498 823 hätten nach dem sogenannten „Astronomus“ seltsame Zeichen und Erscheinungen das Gemüt des Kaisers beruhigt, besonders ein Erdbeben in der Pfalz Aachen und unerhörte Geräusche.1499 Dies wird auch in den Fuldaer Annalen erwähnt.1500 Wiederum „Astronomus“ überliefert zum Jahr 828, dass „als der Winter vorüber war und die heiligen Tage der Fastenzeit begangen wurden, sich kurz vor dem ehrwürdigen Osterfest in tiefer Nacht ein so gewaltiges Erdbeben ereignete, dass alle Gebäude einzustürzen drohten. Dann folgte ein heftiger Sturmwind, der neben kleineren Häusern selbst die kaiserliche Pfalz zu Aachen mit seiner Gewalt so stark erschütterte, dass er sogar die Bleiplatten auf dem Dach der Basilika der heiligen Gottesmutter Maria zum größten Teil wegriss.“1501 Die Fuldaer Annalen nennen ebenfalls ein Erdbeben zu Ostern in Aachen, stellen es aber ins Jahr 829: „An dem heiligen Sabbat [27. März 829] vor Ostern ereignete sich ein Erdbeben nachts in Aachen.“1502 Auch

|| 1496 Annals of Clonmacnoise, ad a. 801. Ed. Murphy, 129: The sea Divided an Ileand there in three partes; the seas and sands thereof Did couer the earth neare it. 1497 Annales Ottenburani, ad a. 803. Ed. Pertz, MGH SS 5, 2: Terrae motus facta est, et mortalitas subsecuta; Annales Maximiniani, ad a. 803. Ed. Waitz, MGH SS 13, 23: Hieme circa Aquis palatium et finitimas regiones terrae motus factus est magnus, et mortalitas subsecuta est; Annalium veterum fragmenta, ad a. 803. Ed. Waitz, MGH SS 13, 32: Terremotus Aque palacio factus est, et mortalitas subsecuta est. Annales regni Francorum, ad a. 803. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 117; FSGA 5, 78 f.: Hoc hieme circa ipsum palatium et finitimas regiones terrae motus factus et mortalitas subsecuta est; vgl. RI I Nr. 393a. 1498 Annales regni Francorum, ad a. 815. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 143; FSGA 5, 108 f.; RI I Nr. 589a: Sed et in Gallia Santones, civitas Aquitaniae, mense Septembrio dicitur tremuisse. Rhenus fluvius Alpinis imbribus auctus ultra solitum exundavit. 1499 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 37. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 420 f.: Eo tempore quedam prodigiosa signa apparentia animum imperatoris sollicitabant, precipue terre motus palatii Aquensis et sinitus inauditi. 1500 Annales Fuldenses, ad a. 823. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 23: Hoc anno prodigia quaedam extitisse narrantur, in quibus praecipua fuerunt in Aquense palatio terrae motus et in territoria Tullense iuxta Commerciacum puella quaedam annorum fere duodecim ab omni cibo per decem menses abstinens. 1501 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 43. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 450–453: Hieme transacta, cum quadragesime celebrarentur sacrati dies et instaret pasche veneranda sollemnitas, intempesta nocte terre motus adeo validus extitit, ut edifitiis ruinam cunctis minaretur. Porro venti violentia subsecuta non modominora, sed etiam ipsum palatium Aquense vehemntia sui ita agitavit, ut etiam laterculis plumbeis, quibus tecta erat basilica sanctae Die genetricis Mariae, maxima ex parte detegeret. 1502 Annales Fuldenses, ad a. 829. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 25; FSGA 7, 20 f.: Ante pascha in sabbato sancto terrae motus noctu Aquisgrani factus.

284 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

die Annales Yburgenses nennen das Jahr 829: „am heiligen Samstag vor Ostern gab es ein Erdbeben.“1503 Ein Erdbeben am Abend des 18. Januar 838 identifizieren beim heiligen Nazarium im Kloster Lorsch sowie im Raum von Worms, Speyer und Ladenburg und in weiteren Gegenden die Fuldaer1504 sowie die Xantener Annalen1505 und weitere Quellen.1506 Die Fuldaer Annalen berichten, dass in Pavia in Italien, so erzählt man, am 30. Dezember 838 nachts acht Erdstöße erlebte. Mehrere der Edlen Italiens starben, unter ihnen die vorzüglichen Lantbert und Hugo.1507 Zwei Quellen geben ein Erdbeben für den 24. Oktober 842 etwa zwischen 18 und 19 Uhr im Tiefland Galliens an, dessen Getöse noch sieben Tage fortgedauert habe.1508 Nach dem Liber Pontificalis bebte im Jahr 847 die Erde.1509 Für das Jahr 849 überliefern sechs Annalen, dass ein Erdbeben stattfand, zwei geben als Datierung den 18. Februar 849 gegen zehn Uhr nachts an.1510

|| 1503 Annales Yburgenses, ad a. 829. Ed. Pertz, MGH SS 16, 435: Ante pascha in sabbato sancto terrae motus factus est. 1504 Annales Fuldenses, ad a. 838. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 28; FSGA 7, 22 f.: XV. Kal. Febr. vespere terrae motus apud sanctum Nazarium et in Wormacense ac Spirense et Lobadunense factus est. Annales Yburgenses, ad a. 838. Ed. Pertz, MGH SS 16, 435: 15. Kalendas Februar. Vesperi terrae motus apud Sanctum Nazarium et Wormacense ac Spirense et Lobodunse factus est. 1505 Annales Xantenses, ad a. 838. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 10; FSGA 6, 342 f.: et in quibusdam partibus terrae motus factus est. 1506 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 838. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: Sequenti anno 15. Kal. Februar. terrae motus apud sanctum Nazarium. Ticinum in Italia fertur 3. Kal. Ianuarii tremuisse. 1507 Annales Fuldenses, ad a. 837. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 27; FSGA 7, 22 f.: Ticinium in Italia III. Kal. Ian. noctu octies tremuisse perhibetur. Plures ex primoribus Italiae defuncti sunt, inter quos praecipui fuerunt Lantbertus et Hugus. 1508 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 842. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Ipso anno 9. Kalend. Novembris feria tertia, hora noctis prima, terrae motus validus extitit, et perseveravit huius sonus per septem dies. Annales Bertiniani, ad a. 842. Ed. Grat u. a., 43; FSGA 6, 60 f.: Inter haec terrae motus in inferioribus Galliae factus est. 1509 Liber Pontificalis, ad a. 847. Ed. Duchesne, Bd. 2, 108. 1510 Annales Floriacenses, ad a. 849. Ed. Pertz, MGH SS 2, 254: Anno 8. Karoli regis, 12. Kal. Martii extitit terraemotus quasi decima hora noctis; Annales Flavianicenses, ad a. 849. Ed. Pertz, MGH SS 3, 152: (…) terrae motus fit 12. Kal. Mart. in omni terra; Annales Weingartenses, ad a. 849. Ed. Pertz, MGH SS 1, 66: Terrae motus; Annales Sangallenses maiores, ad a. 849. Ed. Zingg, 158 f.: Terre motus; Annales Alamannici, ad a. 849. Ed. Zingg, 80 f.; Untersuchungen. Ed. Lendi, 178: terre motus; Annales Formoselenses, ad a. 849. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 35; Ed. Grierson, 125: Terremotus factus est.

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Im Gegensatz dazu wissen wir nur aus den Fuldaer Annalen, dass es im Jahr 854 in Mainz, zwanzig Erdstöße gegeben haben soll.1511 Diese Nachricht wird von Hermann von Reichenau zum Jahr 855 überliefert.1512 Erneut erfahren wir nur aus den Annales Fuldenses, dass es „am 1. Januar 858 ein großes Erdbeben in verschiedenen Städten und Gegenden gab, am heftigsten jedoch in Mainz, wo alte Mauern zerrissen und die Kirche des hl. Märtyrers Albanus so erschüttert wurde, dass ein von der Höhe herabstürzendes Mauerstück die zweischiffige Betkapelle des hl. Michael an der Abendseite des Kirche samt dem Dache und den Balken zertrümmerte und dem Erdboden gleichmachte.“1513 Und auch für das folgende Jahr, 859, sind es wiederum nur die Fuldaer Annalen, die beschreiben, dass „die Stadt Mainz nebst den benachbarten Orten das ganze Jahr hindurch von gewaltigen Erderschütterungen heimgesucht worden sei.“1514 Singulär ist auch die Überlieferung zum Jahr 865, als in den Annalen von St. Emmeram ein Erdbeben in Regensburg genannt wird.1515 In der Zeit zwischen 864 und 867 sollen sich nach Johannes Skylitzes fürchterliche Erdbeben ereignet haben: „Das schwerste davon ließ am Festtag von Christi Himmelfahrt den Boden erzittern. Es legte die Mauer am Hexakionion nieder. Ihm fielen auch stattliche Kirchen, Häuser, die Nike am Goldenen Tor und die Stelen am Deuteron auf der Höhe der Annenkirche zum Opfer. Den Sturz der Nike erklärte der Philosoph Leon als eine offene Vorhersage des Unterganges jenes Mannes, der nach dem Kaiser der höchste war. Auch Flüsse und Quellen entschwanden, und auf und ab im Lande kam es zu unseligen Vorfällen. Von all dem hörte der Kaiser zwar, aber er hatte sich ganz und gar auf die Pferderennen bei der Kirche, die im Stenon dem heiligen Märtyrer Mamas zu Ehren errichtet war, verlegt.“1516

Hier wird Kritik von Johannes Skylitzes am Verhalten des Kaisers deutlich, gegen den selbst die Naturgewalten aufstehen müssen. Sechs annalistische Quellen überliefern dann ein Erdbeben am 9. Oktober 867, das an sehr vielen Orten, vor allem in Süddeutschland, gespürt worden sein soll und

|| 1511 Annales Fuldenses, ad a. 855. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 45; FSGA 7, 46 f.: Apud Mogontiacum terra vicies tremuisse perhibetur. 1512 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 855. Ed. Pertz, MGH SS 5, 105: Apud Mogontiacum terra vicies tremuisse fertur. 1513 Annales Fuldenses, ad a. 858. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 48; FSGA 7, 50 f.: In Kalendis Ianuariis terrae motus magnus factus est per civitates et regiones diversas, maximus tamen apud Mogontiacum, ubi maceriae antiquae scissae sunt et aecclesia sancti Albani martyris ita concussa est, ut murus de fastigio cadens oratorium sancti Michaelis ad occidentem basilicae bicameratum cum tecto et laquearibus ruina sua confrogens terrae coaequaret. 1514 Annales Fuldenses, ad a. 859. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 54; FSGA 7, 58 f.: Urbs Mogontia locis sibi contiguis per totum anni circulum inmani terrae motu vexatur. 1515 Annales S. Emmerammi minores, ad a. 865. Ed. Waitz, MGH SS 13, 47: Terrae motus fuit. 1516 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Michael 18, in: Byzanz. Ed. Thurn, 143.

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mit dem Tod von Papst Nikolaus I. – er starb am 13. November 867 – in Verbindung gebracht wurde.1517 Auffällig ist da wieder, dass zum Jahr 870 nur die Fuldaer Annalen verzeichnen, dass die Stadt Mainz selbst zweimal durch ein Erdbeben erschüttert wurde,1518 wie auch zum Jahr 872, „als ein Erdbeben am 3. Dezember zwischen sechs und sieben Uhr Morgens die Stadt Mainz erschüttert habe.“1519 Wieder für Mainz wird zum 29. Dezember 879 vor dem Hahnenschrei ein großes Erdbeben überliefert,1520 dieses ist allerdings nicht in den Fuldaer Annalen genannt. Was umso auffälliger ist, da die Fuldaer Annalen sonst viele Erdbeben für Mainz aufführen und zum Jahr 883 sogar einen Bergrutsch in Italien überliefern.1521 Für das Jahr 896 überliefern die Annalen aus St. Emmeram ein zweites Erdbeben (nach jenem im Jahr 865) in Regensburg.1522

2.12.4 Erdbeben im 10. und 11. Jahrhundert Nach den Annalen von St. Gallen bebte im Jahr 902 die Erde in diesem Ort.1523 Für die nächsten 20 Jahre ist kein Erdbeben überliefert, erst Flodoard von Reims gibt in seinen Annalen für das Jahr 922 wieder ein Erdbeben im pagus von Cambrai an, durch

|| 1517 Annales Fuldenses, ad a. 867. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 66; FSGA 7, 70 f.: Terrae motus per plurima loca factus est VII. Id. Octobris; Annales Heremi 2, ad a. 867. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 279: Terrȩ motus; Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis prima, ad a. 867. Ed. Pertz, MGH SS 1, 51: Terrae motus. Papa Nicolaus obiit. Et nimia superfluitas imbrium; Annales Weingartenses, ad a. 867. Ed. Pertz, MGH SS 1, 66: Terrae motus. Papa Nicolaus obiit, et nimia superfluitas imbrium; Annales Sangallenses maiores, ad a. 867. Ed. Zingg, 158 f.: Terre motus; et nimia superluitas ymbrium; Annales Alamannici, ad a. 867. Untersuchungen. Ed. Lendi, 180: terre motus papa nicolaus obiit et nimia superfluitas ymbrium; Annales Alamannici, ad a. 867. Untersuchungen. Ed Lendi, 180: terre motus papa Nicolaus obiit. 1518 Annales Fuldenses, ad a. 870. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 71; FSGA 7, 78 f.: Ipsa quoque civitas terrae motu bis numero concussa est. 1519 Annales Fuldenses, ad a. 872. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 77; FSGA 7, 86 f.: Sed et terrae motus III. Non. Decembris hora prima Mogontiam concussit civitatem. 1520 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 878. Ed. Pertz, MGH SS 1, 418: Sequenti anno 4. Kal. Ianuar. ante gallicinium Magonciae terrae motus magnus, et 15. Kal. Septemb. Hludovicus moritur. 1521 Annales Fuldenses, ad a. 883. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 100; FSGA 7, 120 f.: Mons quidam in Italiae partibus de loco suo motus in Athesin fluvium cecidit eiusque meatum interclusit. Hi autem, qui apud Veronam et in contiguis locis eiusdem fluminis habitabant, tamdiu utilitate illius carebant, donec idem fluvius per eundem montem quasi cavernulas faciens ad suum alveum rediret. 1522 Annales S. Emmerammi minores, ad a. 896. Ed. Waitz, MGH SS 13, 47: Terrae motus secundus fuit. 1523 Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis tertia, ad a. 902. Ed. Pertz, MGH SS 1, 54: Et terrae motus per loca; Annales Sangallenses maiores, ad a. 902. Ed. Zingg, 162 f.: Terraemotus per loca.

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welches viele Häuser zerstört wurden.1524 Warum der später schreibende Richer von Reims dieses Erdbeben allerdings erst für das Jahr 923 überliefert, ist unklar.1525 Nach Johannes Skylitzes ereignete sich im Jahr 925 im Thema1526 Thrakesion, also im westlichen Kleinasien, ein Erdbeben, und „es kam zu erscheckenden Erdspaltungen, sodass viele Ortschaften und Kirchen zusammen mit den Menschen verschlungen wurden.“1527 Die Kölner Annalen überliefern für das Jahr 939 ein Erdbeben im Rheinland.1528 Nach den Annales Sangallenses maiores bebte, wie schon 902, auch am 16. April 944 gegen Sonnenaufgang in St. Gallen die Erde1529 und die Annales Admuntenses erwähnen ein Erdbeben zum Jahr 945.1530 Laut Flodoard wütete 947 in Reims „ein großer Sturm die ganze Nacht über Reims, mit andauernden Gewitterblitzen und Erderschütterungen, sodass Brunnen verfüllt und viele Häuser zerstört wurden.“1531 Der im 11. Jahrhundert schreibende Sigebert von Gembloux überliefert zum Jahr 950, dass „in Orten in Gallien und der Germania viele und heftige Erdbeben stattfanden“,1532 ohne dass klar wird, woher er diese Informationen bezogen hat. Einen ausführlichen Bericht überliefert Leon Diakonos zum Jahr 968: „Zur selben Zeit, nach der Sommersonnenwende und gegen den Herbst hin [2./3. September 968], sandte Gott ein ungeheures Erdbeben, welches Häuser und ganze Städte in Schutt und Staub verwandelte. Klaudiopolis, der blühendste Ort Galatiens,1533 wurde durch die unglaublich heftigen Erdstöße völlig zerstört und begrub unter seinen Ruinen die ahnungslosen Bewohner, wobei auch viele zufällig anwesende Fremde in einem Augenblick ihren Untergang fanden. Um die Gründe solcher Erschütterungen anzugeben, erfinden die Wissenschaftler Geschichten von Dämpfen und Dünsten, die in unterirdischen Höhlungen eingeschlossen sein sollen; diese vereinigten sich zu einem stürmischen Windstoß, und weil dieser wegen der allzu engen Öffnungen nicht auf einmal entweichen könne, werde er zusammengepresst und erzeuge einen Wirbel, der

|| 1524 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 922. Annales. Ed. Lauer, 11; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 7: Terrae motus in pago Cameracensi factus, ex quo domus inibi nonnullae subversae sunt. 1525 Richer von Saint-Remi, Historiae, 1, 46. Ed. Hoffmann, MGH SS 38, 81: Hac tempestate terre motus in pago Camaracensi factus est ex quo domus nonnulle subverse sunt. 1526 Unter Thema wird eine byzantinische Verwaltungseinheit verstanden. 1527 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Rhomanos Lakapenos 15, in: Byzanz. Ed. Thurn, 271. 1528 Annales Colonieses breves, ad a. 939. Ed. Pertz, MGH SS 16, 730: Terremotus. 1529 Annales Sangallenses maiores, ad a. 944. Ed. Zingg, 170 f.: Terrae motus factus est 3 feria paschae circa pullorum cantum 16. Kal. Maii. 1530 Annales Admuntenses, ad a. 945. Ed. Wattenbach, MGH SS 9, 574: Terrae motus factus est. 1531 Flodoard von Reims, Annales. ad a. 947. Ed. Lauer, 105; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 45: Tempestas magna Remis effusa est per unius omne noctis spatium cum coruscationibus continuis et terrae motu, adeo ut putei replerentur et domus nonnullae subverterentur. 1532 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 950. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 349: Per loca Galliae et Germaniae plurimi et magni terraemotus facti sunt. 1533 Galatien in byzantinischer Zeit von den Galatern bewohnte Landschaft in Zentralanatolien um Gordion und Ankyra.

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jene Höhlungen durch das Ungestüm seiner Bewegung erbeben und alles, wa sie umgibt, erzittern lasse, bis all die Dünste aus ihrem Kerker hervorbrächen, verdampften und sich in der ihnen verwandten Luft auflösten. Doch dies ist eine Erklärung, die sich die Hellenen [die Heiden] auf bloße Annahmen und Vermutungen hin zurechtgelegt haben. Ich aber möchte dem heiligen Manne David folgen und behaupten, dass uns Gott mit einem derartigen Erdbeben heimsucht, wenn er sein Augenmerk auf unsere sündige, die göttlichen Gebote missachtende Lebensweise richtet, um zu sehen, ob wohl die Menschen wenigstens aus Angst von ihrem bösen Tun ablassen und sich lieber den löblichen Handlungen zuwenden möchten. Auf diese Weise wurde damals ganz Klaudiopolis durch die Wucht des Erdbebens von Grund auf zerstört und in Trümmer verwandelt und trank den vollen Becher des göttlichen Zorns aus1534.“1535

Simeon von Durham überliefert zum Jahr 974 ein gewaltiges Erdbeben in England.1536 Im Herbst des Jahres 990 kam es hingegen in Italien zu schweren Schäden durch Stürme, Wolkenbrüche und Erdbeben.1537 Hierzu wissen die Annales Beneventani genauer zu berichten, dass in Benevent, Ariano, Conza, Frigento, Salerno und Capua am 25. Oktober zahlreiche Gebäude, darunter 15 Türme, durch ein Erdbeben einstürzten und dabei 150 Menschen den Tod fanden.1538 Das Jahr, auf das sich diese Meldung bezieht, ist nicht sicher, möglicherweise hat diese Katastrophe schon 989 stattgefunden.1539

|| 1534 Ps 74 (75),9. 1535 Leon Diakonos, Historia 4, 68, in: Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 67 f. 1536 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 974. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 131: Hoc anno terrae motus per totam Angliam factus est maximus. 1537 Fundatio monasterii Heinigensis, ad a. 990. Ed. Holder-Egger, MGH SS 15.2, 1055: In partibus Italiae orta est tempestas valida, ventus turbinis arbores immensas radicitus evulsit, ecclesias cum domibus aedificiisque evertit, aquarumque inundatio hominum multitudinem cum pecoribus extinxit; vgl. RI II, 3 Nr. 1026c. 1538 Annales Beneventani, ad a. 990. Ed. Pertz, MGH SS 3, 176: Octavo Kalendas Novembris factus est terremotus magnus in Benevento, pro quo ceciderunt multa aedificia, et plures homines mortui sunt. Sowie: Hoc anno 8. Kal. Novembris fuit terremotus, unde corruerunt turres 15 in Benevento et Vipera, domus multe, et ex eo mortui sunt 150 homines; Chronik von Montessassino, 2, 11. Ed. Hoffmann, MGH SS 34, 190: Ante hoc ferme biennium ingens terremotus factus est tam in Capua quam in Benevento: ita ut in Capua plurimas domos everteret, et campanas eiusdem civitatis per sé sonari faceret. In Benevento autem Viperam deiecit, et subvertit quindecim turres; in quibus videlicet centum quinquaginta homines mortui sunt. De Ariano et Frecento magnam partem destruxit. Compsanam civitatem prope mediam evertit, eiusque episcopum cum aliis multis occidit. 1539 Romoald, Annales, ad a. 990. Ed. Arndt, MGH SS 19, 401: Et non post multos fuit terre motus magnus qui plures evertit domos in Benevento et in Capua multosque homines occidit et in civitate Apriano plures ecclesias subvertit Civitas quoque Frequentus pene media cecidit, civitatem vero Consanam prope mediam cum episcopo subvertit, multos que homines oppressit. Ronsem totam cum eius hominibus submersit.

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Im Jahr 994 soll die Kathedrale von Augsburg durch ein Erdbeben eingestürzt sein1540 und im Juli 998 kam es laut den Quedlinburger Annalen zu einem Erdbeben in ganz Sachsen.1541 In rückschreibender Erwartung des Jahres 1000 wird von drei Annalisten ein „gewaltiges Erdbeben“ in diesem Jahr erwähnt, allerdings ohne die sonst eigentlich nicht unübliche genaue Datumsangabe.1542 Einzig die Annales Elnonenses geben als Tagesdatum den 29. März 1000 an.1543 So kam es wohl zwischen dem 24. und 29. März des Jahres 1000 zu schweren Erdbeben in Mitteldeutschland und den lothringischen Gebieten,1544 bei dem viele Ortschaften zerstört wurden.1545 Nach der Überlieferung der Annales Cavenses kam es im Jahr 1005 über zwölf Tage lang zu wiederholten Erdbeben.1546 Für das Jahr 1012 nennen die Annales Quedlinburgenses ein Erdbeben,1547 zum 18. November 1013 die Annales Leodienses.1548 Diese Nachricht wird in der späteren Kompilation von Sigebert von Gembloux wieder aufgegriffen und um die Nachricht ergänzt, das Beben sei gegen Mittag aufgetreten.1549

|| 1540 Annales Augustiani, ad a. 994. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Augustae templum corruit a seipso. 1541 Annales Quedlinburgenses, ad a. 998. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 499: Mense Julio terrae motus factus est horribilis per totam Saxoniam; vgl. RI II, 3 Nr. 1284°. 1542 Annales Parchenses, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 16, 601: Terrae motus factus est permaximus. Cometa apparuit, et multa alia prodigia eodem anno visa sunt; Annales Floreffienses, ad a. 1000. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 622: Terrae motus factus est permaximus; Lamberti parvi Annales, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 16, 645: Terre motus factus est permaximus. 1543 Annales Elnonenses, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 5, 12; Ed. Grierson, 153: Anno dominicae incarnationis 1000. ind. 13 epacta 12. termino pascali 9. Kal. Apr. 4. Kal. Apr. feria 6, celebrantibus christicolis sacrosancte passionis ac redemptionis illius misterium terraemotus magnus factus est, non ita ut sepe accidere solet, vento in venas terrae condito, ubi terrarum viscera his motibus subiacent veluti venti capacia; sed generali et vasto tremore totius orbis magnitudo passim contremuit, ut cunctis fieret manifestum, quod ore veritatis fuerat ante promissum. 1544 RI II, 3 Nr. 1351b: „Schwere Erdbeben in Mitteldeutschland, besonders in den Niederlanden.“ 1545 Annales Laubienses, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 4, 17: Terrae motus factus est permaximus; Annales Leodienses, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 4, 17: Terrae motus factus est permaximus; Annales Elmarenses, ad a. 1000. Ed. Grierson, 87: Generali et vasto terremotus totius orbis magnitudo passim contremuit; Annales Blandinienses, ad a. 1000. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 25; Ed. Grierson, 22): Generali et vasto terraemotu totius orbis magnitudo passim contremuit; Annalista Saxo, ad a. 1000. Ed. Naß, MGH SS 37, 277: Magnus terre motus hoc anno factus est. 1546 Annales Cavenses, ad a. 1005. Ed. Pertz, MGH SS 3, 189: Eodem anno terre motus ingens per 12 dies. 1547 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1012. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 534: Terrae motus enim per loca fiebant. Vgl. Newton, Chronicles (1972), 729. 1548 Annales Leodienses, ad a. 1013. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: Circa meridiem 14. Kalendas Decembris terrae motus factus est. 1549 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1013. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 355: Terraemotus factus est maximus circa meridiem 14. Kalendas Decembris.

290 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Ein großes Erdbeben ereignete sich – nach acht süddeutschen Annalisten – am Freitag, den 12. Mai 1021, in süddeutschen Gebieten.1550 Es wird explizit auch für Bayern erwähnt.1551 Am 14. Februar 1026 fand, nach den Annales Elmarenses, ein Erdbeben statt.1552 Dabei fällt auf, dass es nur in der Abtei Saint-Pierre de Gand wahrgenommen worden sein soll, oder zumindest nur dort in den Quellen überliefert wurde. Gleiches gilt für das Erdbeben, das am Gründonnerstag, 19. April 1044 zwischen acht und neun Uhr morgens (zur dritten Stunde) in Benevent stattfand.1553 Auch dieses Beben ist nur regional überliefert. Nach Simeon von Durham suchte am Sonntag, dem 1. Mai 1048, ein großes Erdbeben Wigornae, Wic, Deorbeiae und viele andere Orte heim. „Eine Epidemie befiel die Menschen und die Tiere in den englischen Provinzen und Brände suchten die Wälder heim.“1554 Die Annales Augustani überliefern, dass am 13. Oktober 1048 ein Erdbeben in der Nacht stattfand.1555 Nach der Chronik Bertholds von Reichenau fand am 8. Februar 1062 ein Erdbeben mit Blitz und Donner in Regensburg statt. An der darauffolgenden Epidemie verstarben viele.1556 Bernold hingegen nennt nur den großen Hunger in diesem Jahr.1557

|| 1550 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1020. Ed. Pertz, MGH SS 2, 242: Terrae motus factus est 4. Idus Mai feria 6; Annales S. Stephani Frisingenses, ad a. 1021. Ed. Waitz, MGH SS 13, 51: Terrae motus factus est 4. Id. Maii; Chronicon Suevicum universale, ad a. 1021. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 70: terrae motus magnus factus est 4. Id. Mai. feria 6; Annales Augustani, ad a. 1021. Ed. Pertz, MGH SS 3, 125: Terrae motus 4. Idus Maii factus est; Annales Admuntenses, ad a. 1021. Ed. Wattenbach, MGH SS 9, 574: Terre motus facta est magnus; Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1021. Ed. Pertz, MGH SS 5, 120; FSGA 11, 660 f.: Terrae motus magnus 4. Idus Mai feria 6. Factus. 1551 Annales Ottenburani, ad a. 1021. Ed. Pertz, MGH SS 5, 5: Ingens terrae motus in Baioaria contigit; Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1021. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 52: Ingens terrae motus factus est in Baioaria. 1552 Annales Elmarenses, ad a. 1026. Ed. Grierson, 89: Hoc anno terremotus factus est XVI kal. Martii, feria III, luna ipsius diei XXII. 1553 Annales Beneventani, ad a. 1044. Ed. Pertz, MGH SS 3, 179: Fuit terraemotus in coena Domini, hora tertia, mense Aprilis. (…) terremotus fuit mense Aprilis in cena Domini. 1554 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 1048. Ed. Arnold, 164: Terraemotus kal. Maii die Dominica extitit magnus Wigornae, Wic, Deorbeiae, et multis aliis locis. Mortalitas hominum et animalium multas occupavit Angliae provincias, et ignis aerius, vulgo dictus silvaticus, in Derbernensi [Deorbegensi, Flor.] provincia et quibusdam aliis provinciis villas et segetes multas ustulavit. 1555 Annales Augustani, ad a. 1048. Ed. Pertz, MGH SS 3, 126: Terrae motus 3. Idus Octobris in nocte fit; vgl. Wolf/Wolf, Erdbeben in Regensburg (1989). 1556 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1062. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 193 f.: 6. Idus Februarii terremotus, fulgura et tonitrua facta sunt. Pestilentia et mortalitas subsecuta, multos extinxit, et fames magna facta est. Vgl. RI III,2,3 Nr. 278; vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 120. 1557 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1062. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 391: His temporibus fames magna fuit.

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Am 27. März 1065 kam es in Italien zu einem schweren Beben, von dem aber nur die Augsburger Annalen berichten.1558 Am 22. April 1076 gab es ein Erdbeben in England, besonders der englischen Battle Abbey.1559 Nach den Vorlagen der späteren Annalen von Lund soll es bereits im Jahr 1075 stattgefunden haben.1560 Die Annales Brunwilarenses überliefern für den 8. September 1076 einen dumpfen Donnerschlag.1561 Die Annales Nivernenses nennen zum 18. Juli 1079 ein großes Erdbeben, das die gesamte Erde betroffen habe.1562 Sigebert von Gembloux überliefert zum 1. Dezember 1080 ein großes Erdbeben in Mainz, das aber in den Annales Fuldenses nicht zu finden ist.1563 Nach den Annales Elmarenses fand am 27. März 1081, dem Samstag vor Palmsonntag, in der zweiten Nachtwache, also von 21 Uhr bis Mitternacht, ein großes Erdbeben statt.1564 Dieses wird auch vom gleichzeitig schreibenden Sigebert aufgeführt.1565 Während die Chronicae Sancti Albini Andegavensis ein Erdbeben zum 21. März 1082 nennen,1566 teilt das Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis mit, dass am 18. Oktober 1082 ein großes Erdbeben stattgefunden habe.1567

|| 1558 Annales Augustani, ad a. 1065. Ed. Pertz, MGH SS 3, 128: In Italia terrae motus magnus ressurectione Domini 6. Kalendas Aprilis. 1559 Annales monasterii de Bello, ad a. 1076. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 52: Terremotus factus est 10 kal. Maii. Eclipsis lune rubens. Annales Rotomagenses, ad a. 1076. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 46: [T]erremotus 10. kal. Maji. Annales Colbazenses, ad a. 1076. Ed. Arndt, MGH SS 19, 714; Ed. Kroman, 8: 10. Kal. Mai factus est terre motus feria 6. luna 14. 1560 Annales Lundenses, ad a. 1075. Ed. Kroman, 55: Decimo Kalendas Maii factus est terremotus feria 6. Luna 14. Eclipsis lune 2. Kal. Februarii luna 13. Chronik von Montecassino, 3, 40. Ed. Hoffmann, MGH SS 34, 419: Ad cuius sonitum rustico visum est, quod tota terra tremuisset, aqua vero fluminis more tempestatis sursum in aera ferebatur. 1561 Annales Brunwilarenses, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 16, 725: Hoc anno circa nativitatem sanctae Mariae gravia tonitrua fuerunt. 1562 Annales Nivernenses, ad a. 1079. Ed. Waitz, MGH SS 13, 90: Hoc anno fuit per totam hanc terram terrae motus magnus 16. Kal. Augusti, feria 4. 1563 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1080. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 363: Moguncia magnum terraemotum persensit Kalendis Decembris. 1564 Annales Elmarenses, ad a. 1081. Ed. Grierson, 94: Hoc anno terremotus magnus factus est VI kal. Aprilis, sabbato ante dominicam palmarum, II vigilia noctis. 1565 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1081. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 363: Moguncia ex maxima parte incendio conflagravit. Magnus terraemotus cum gravi terrae mugitu factus est 6. Kal. Aprilis prima hora noctis, portendens forte imminens malum, quod in toto orbe insonuit, et Unde terra doluit et dolet. 1566 Chronicae S. Albini Andegavensis in unum congestae, ad a. 1082. Ed. Marchegay/Mabille, 26: XIIo kal. aprilis, feria IIIa, luna XXIXa, post vesperas, factus [est] subitaneus terrae motus. 1567 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1083. Ed. Verdon, 146 f.: Eodem anno terre motus factus est magnus. .xv. kalendas novembris.

292 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Auch die Chronica Rainaldi archidiaconi Sancti Mauricii gibt ein Erdbeben zum 21. April 1083 in Angers im Loiretal an.1568 In den Erfurter Denkmälern wurde ein Erdbeben des Jahres 1088 auf den 3. Mai datiert.1569 Für den 10. September 1088 ist ein Erdbeben in Apulien überliefert, bei dem in vielen Orten, Türme und Häuser eingestürzt seien.1570 Johannes Zonaras berichtet zum 6. Dezember 1090: „Unter seiner Herrschaft ereignete sich am Gedenktag des durch Wunder berühmten heiligen Nikolaos ein ganz schreckliches Erdbeben, durch das viele Häuser, Kirchen und Säulenhallen einstürzten, von denen die Wege der Stadt bedeckt wurden, und sehr viele Leute wurden von den Trümmern verschüttet und starben.“1571 Nach den Annales Beneventani kam es am 14. Januar 1094 zu einem großen Erdbeben, worauf Kälte, Wind und Schnee folgten.1572 Erdbeben verzeichnet das weniger zuverlässige Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis für den 3. Oktober 10971573 und für den 5. Oktober 1098.1574 Der Autor der Chronicae Sancti Albini Andegavensis erwähnt, dass kurz nach dem 28. September 1099 ein großes Erdbeben stattgefunden habe.1575

|| 1568 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 1083. Ed. Marchegay/Mabille, 13: In hoc anno auditus est Andecavis terrae motus, die ad occasum vergente, in depositione sancti Benedicti abbatis, XIIo kalendas aprilis. 1569 Chronicon Sampetrinum, ad a. 1088. Ed. Stübel, 11: Terre motus factus est magnus V. Id. Maii etc. 1570 Annales Barenses, ad a. 1088. Ed. Pertz, MGH SS 5, 62: mense Septembris factus est grandis terremotus per totam Apuleam, ita ut in quibusdam locis turres ac domos subruisse fertur. Romoald, Annales, ad a. 1088. Ed. Arndt, MGH SS 19, 411: Hoc anno terre motus magnus factus est per totam Apuliam, ut in quibusdam locis turres ac domos subruisse feratur. 1571 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 740, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 166 f. 1572 Annales Beneventani, ad a. 1094. Ed. Pertz, MGH SS 3, 183: Quartadecima die intrantis mensis Ianuarii factus est tremor magnus, et in quarto die renovatus est cum multa ruina civitatis, et magnus frigor venit cum ventis et nive. und ebd., (Codex 3): Terremotus factus est 14. die mense Ianuarii, et 4. die intrante mense Aprili stelle a multis vise sunt de celo cecidisse hora matutinali. 1573 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1097. Ed. Verdon, 158 f.: (…) fuitque terre motus tercio idus octobris. 1574 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1097. Ed. Verdon, 164 f.: Terre motus, .iii. nonas octobris fuit. 1575 Chronicae S. Albini Andegavensis in unum congestae, ad a. 1099. Ed. Marchegay/Mabille, 29: Sequenti anno (…) Vo kal. octobris, visus est aer rubei coloris adeo ut plus sanguinem quam ignem imitaretur; visus est autem ab exordio noctis pene usque ad lucem, ab oriente in occidentem, versus septentrionem. In finem vero noctis, clarissima lux visa est post ruborem. Nona vero nocte posthaec, prima vigilia noctis, factus est fragor ingens cum grandi terrae motu.

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2.12.5 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse Die Zerstörungskraft, die Plötzlichkeit und die unmittelbare physische Bedrohung ließen Erdbeben zu allen Zeiten die ungeteilte menschliche Aufmerksamkeit zuteilwerden. So verwundert es kaum, dass von allen Naturereignissen Erdbeben am häufigsten dokumentiert wurden, ihr Anteil an allen naturbezogenen Nachrichten liegt bei etwa einem Zehntel. Von den früh- und hochmittelalterlichen Zeitgenossen wurde häufig nur das Ereignis als solches überliefert und nur selten um Aussagen zu den Auswirkungen ergänzt, sodass es heute schwer ist, die historisch genannten Beben anhand der modernen Erdbebenklassifizierungen zu kategorisieren. In der entsprechenden Tabelle im Lexikon des Mittelalters wurden, wie eingangs erwähnt, 14 Erdbeben zwischen 500 und 1100 aufgeführt. Verzeichnisse aus anderen Datenbanken, wie dem U.S. Geological Survey (USGS),1576 führen für die gleiche Zeitspanne zwar mehr Beben auf, aber auf einer weltweiten Betrachtungsebene. Insgesamt wurden 115 Erdbebenereignisse in zeitgenössischen Quellen gefunden und beschrieben (Tabelle 75 ermöglicht einen schnellen Zugriff). Die zeitliche Verteilung dieser 115 Beobachtungen sieht folgendermaßen aus: Tab. 22: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Erdbeben von 500 bis 1100 Gesamt 115 100 %

6. Jh. 12 10 %

7. Jh. 7 6%

8. Jh. 19 16 %

9. Jh. 21 18 %

10. Jh. 20 17 %

11. Jh. 35 31 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung liegen im 11. Jahrhundert mit fast einem Drittel, gefolgt vom 9. und 10. Jahrhundert mit jeweils fast einem Fünftel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. Jahrhundert überliefert. Während zahlreiche Erbeben oft nur durch eine Quellestelle überliefert wurden, sind folgende Beben in mehreren Quellen dokumentiert: am 30.04.800/801 im Loiretal und im Rheinland (drei Quellen), im Jahr 803 in Aachen (drei), am 18.2.849 in Süddeutschland (sechs), am 9.10.867 in Süddeutschland (sechs), am 12.5.1021 in Bayern (sieben) und am 20./29.3.1000 in Liège (vier Quellen). Daneben sind die Beben folgender Jahre in zwei Quellen überliefert: 518, 554, 740, 749, 823, 828/9, 838, 854/5, 922/3, wobei hier einzuschränken ist, dass es sich oft um Quellenkompilationen oder Abschriften handelt. Für alle anderen Erdbeben, die nur in einer Quellenstelle überliefert wurden, gilt es aufgrund der fehlenden Parallelüberlieferung immer, eine mögliche intentionale Darstellung und Einbindung des Ereignisses durch den Autor mitzudenken.

|| 1576 Vgl. http://neic.usgs.gov/neis/epic/epic_global.html (24.4.2012).

294 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Hinsichtlich der Aufnahme von Erdbeben in ihre Texte unterscheiden sich die Autoren erheblich. Dies kann an Vorbildung und Interesse genauso liegen wie an der Häufigkeit des Auftretens von Erdbeben in seiner Region. Im Nahen Osten und besonders im Großraum Byzanz verläuft eine bekannte Plattengrenze, die dort häufig zu Erdbeben führt, entsprechend hat Theophanes der Bekenner mindestens 13 Mal diese Ereignisart beschrieben, Theophanes von Edessa mindestens sechs Mal. Die verschiedenen irischen und schottischen Chroniken führen mindestens zehn Mal Erdbeben auf, obwohl Irland nicht an einer tektonisch aktiven Zone liegt. Gleiches gilt für den Fuldaer Annalisten mit acht und Gregor von Tours mit sechs Erdbebenbeschreibungen. Die Verfasser folgender Werke nennen drei Mal Erdbeben: Annales Augustani, Annales Beneventani, Annales Quedlinburgenses und Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis. Zehn weitere Autoren haben immerhin zwei Mal auf Erdbeben hingewiesen, wohingegen in 32 Quellen nur ein einziges Mal auf ein Erdbebenereignis Bezug genommen wird. Auffällig selten nennen die Annales regni Francorum Erdbeben, obwohl andere Quellen mehrfach Beben in Aachen erwähnen, ebenso auffällig ist die einzige deratige Erwähnung im Liber Pontificalis, denn einige Teile Italiens gehören zu den stark erdbebengefährdeten Gebieten. Dies könnte aber auch in einer bewussten Vermeidung der Nennung von Erdbeben begründet sein, auf deren Funktion als Äußerung von „Gotteszorn“ damit im Text nicht eingegangen werden musste. Bei einzelnen Autoren spiegelt sich also die Problematik der Autorenintention stärker wieder. Betrachtet man hingegen die Verteilung der Nennungen anhand der geographischen Region, überrascht es kaum, dass entlang der tektonischen Plattengrenzen eine Häufung der Erdbebennennungen zu verzeichnen ist, 14 Mal in Italien, 16 Mal im Nahen Osten und neun Mal in Konstantinopel. Im nicht ganz so aktiven Westfrankenreich wurden immerhin 13 Nachrichten zu Erdbeben überliefert, im Rheinland 14 Mal, davon drei Mal für Aachen. In anderen Regionen finden sich geringere Werte, so in Bayern und in Irland jeweils neun Nennungen, in England sechs und im Ostfrankenreich fünf. Für andere Gebiete wurden nur ein bis drei Erdbeben dokumentiert: Balkan (3), Liège (2), St. Gallen (2), Burgund (1). Einmal wurde das Verbreitungsgebiet des Bebens auf überall (totam terram) ausgedehnt, in sechs Fällen konnte die Region nicht näher eingegrenzt werden. Infolge des Bebens entstandene Schäden wurden nur selten angegeben, so zum Beben am 26.10.740 in Konstantinopel, als viele Gebäude einstürzten oder bei den beiden Beben am 18.01.746 oder im Jahr 749 im Nahen Osten als mehrere tausend Menschenleben zu beklagen waren. Ebenso sollen am 25.10.990 im nordwestlichen Neapel zahlreiche Menschen bei einem Beben gestorben sein. Als langfristig auffällige Beobachtung lässt sich festhalten, dass bis zum Jahr 1021 nur in einem Drittel der Fälle das Tagesdatum angegeben wurde, während es ab 1021 regelhaft wurde, dieses immer zu nennen.

Gravitative Massenbewegungen und Erdspalten | 295

2.13 Gravitative Massenbewegungen und Erdspalten Der folgende Abschnitt verbindet Beschreibungen von zwei geomorphologischen Phänomenen, die eigentlich nicht zusammengehören, die aber so selten in den Quellen genannt werden, dass sie hier aus Platzgründen in einem Kapitel abgehandelt werden sollen. Zum einen handelt es sich um gravitative Massenbewegungen wie Blockabstürze, Fels- und Bergstürze1577 sowie Bergrutschungen,1578 zum anderen um Erdspalten, also einerseits Dislokationsspalten, andererseits Karstformen wie Einsturzdolinen (Sinkholes)1579 und Uvalas. Mit dem Begriff „gravitative Massenbewegung“ werden in der Geomorphologie Prozesse der Materialverlagerung durch den Einfluss der Schwerkraft beschrieben, ohne dass dabei ein Transport durch Agenzien (Wasser, Eis, Luft) stattgefunden hätte. Unter den Denudationsvorgängen, die langfristig zur Einebnung von emporgehobenen Teilen der Erdoberfläche führen, erscheinen die Sturzdenudation und die Rutschungen für die umwohnende Bevölkerung am bedrohlichsten.1580 Sie werden unterschieden in Blockabstürze, Felsstürze, Bergstürze und Bergrutsche, wobei es keine scharfe Grenze zwischen Bergsturz und Felssturz oder zwischen Felssturz und Blockabsturz gibt. Felsstürze kommen im Allgemeinen an freien Felswänden vor, während Bergstürze auch an wenig geneigten, bodenbedeckten Hängen auftreten.1581 Während Sturzdenudationen in der geomorphologischen Literatur ausführlich dargestellt sind, werden sie in der geschichtswissenschaftlichen Forschung nur sehr selten behandelt. Den Bergstürzen im Ostalpenraum hat Christian Rohr ein größeres Kapitel gewidmet,1582 zu den Bergstürzen am Mönchsberg und am Kapuzinerberg bei Salzburg sowie zum Bergsturz 1618 bei Plurs hat Katrin Hauer eine kulturgeschichtliche Studie für das Spätmittelalter und die Frühneuzeit vorgelegt.1583 Damit erschöpft sich die mediävistische Debatte über diese Phänomene aber auch schon. Während des zeitlichen Rahmens von 500 bis 1100 kam es im Vergleich mit anderen Naturereignissen nur selten zu Beschreibungen von gravitativen Massenbewegungen wie Fels- oder Bergstürzen. Da die mittelalterlichen Zeitgenossen nur eine geringe Vorstellung von den geomorphologischen Vorgängen hatten, bieten ihre Beschreibungen oft nur eingeschränkt die Möglichkeit, sichere Erkenntnisse über die zugrundeliegenden geomorphologischen Ereignisse abzuleiten. Gregor von Tours er-

|| 1577 Vgl. Hermanns, Rock Avalanche (2013), 875. 1578 Vgl. Clague, Landslide (2013), 594–602. 1579 Vgl. Leroy/Gracheva, Historical Events (2013), 463 f. 1580 Ahnert, Einführung in die Geomorphologie (1999), 125–134. 1581 Ahnert, Einführung in die Geomorphologie (1999), 127. 1582 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 180–200. 1583 Hauer, Bergstürze (2009).

296 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

wähnt in seiner Frankengeschichte zum Jahr 563 ein 60 Tage lang dauerndes „Erdbeben“ und seine Folgen.1584 In der Forschung wird es als Tauredunum-Ereignis bezeichnet1585 und mithilfe von Bohrkernanalysen des Bodens des Genfer Sees und seismischen Untersuchungen erforscht.1586 Durch einen Felssturz im Bereich des Deltas am Oberlauf der Rhône entstand ein Stausee, der, als er die Staumauer durchbrach, eine Gebirgsflut auslöste. Diese verwüstete auf dem Weg durch den Genfer See die Uferzonen und erreichte nach etwa 70 Kilometer die Stadt Genf am Südende des Sees. Die Dauer dieses Vorgangs wurde mit 70 Minuten berechnet und die Höhe der Welle, welche große Teile der Stadt und die Brücke über die Rhône zerstörte, mit acht Metern Höhe. Bei Gregor von Tours liest sich der Bericht folgendermaßen: „Es geschah aber in Gallien ein höchst wunderbares Ereignis mit der Burg Tauredunum. Sie lag nämlich über der Rhone auf einem Berge. Als dieser über sechzig Tage lang ein ungewöhnliches Getöse von sich gegeben hatte, trennte er sich endlich von einem anderen ihm nah gelegenen, und stürzte mit den Menschen, Kirchen, Schätzen und Häusern in den Fluss; und da hierdurch das Bett des Flusses gesperrt war, lief das Wasser zurück. Die Stelle war aber auf beiden Seiten von Bergen eingeschlossen, und durch die Schluchten zwischen denselben stürzte sich der Fluss. Indem er nun die oberen Gegenden überschwemmte, bedeckte und verheerte er das Gelände am Ufer. Als aber das hoch gestaute Wasser nach unten durchbrach, traf es die Bewohner so unvermutet, wie oberhalb, begrub sie in den Fluten, stürzte die Häuser um, ertränkte das Vieh und verschlang oder unterwühlte durch seinen gewaltigen und plötzlichen Andrang alles, was am Ufer war, bis nach der Stadt Genf hin. Viele erzählten, dass dort die Wassermasse so groß gewesen sei, dass sie in die Stadt über die Mauern eindrang. Und dies ist nicht zu bezweifeln, da, wie gesagt, die Rhône an jenen Stellen in einer Bergschlucht fließt und zur Seite, wenn sie gesperrt wird, keinen Ausweg hat. Und sie durchbrach den herabgestürzten Berg mit einem Male und verheerte so alles. Als dies geschehen war, kamen dreißig Mönche zu der Stelle, wo die Burg herabgestürzt war, durchgruben den Boden, der noch von dem eingesunkenen Berge zurückgeblieben war und stießen auf Erz und Eisen. Während der Arbeit hörten sie abermals das Brausen im Berge, wie es früher gewesen war. Aus wilder Habsucht blieben sie aber, da stürzte auch jener Teil, der noch nicht herabgesunken war, über sie zusammen, verschüttete und tötete sie, und sie wurden nie wieder gefunden.“1587

|| 1584 Vgl. auch Rohr, Naturerscheinungen (2003), 70. 1585 Favrod, Tauredunum (2014). 1586 Kremer/Simpson/Girardclos, Giant Lake (2012), 756–757. 1587 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 31. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 163–165; FSGA 2, 236 f.: Igitur in Galliis magnum prodigium de Taureduno castro apparuit. Super Rhodanum enim fluvium collocatum erat. Qui cum per dies amplius sexaginta nescio quem mugitum daret, tandem scissus atque separatus mons ille ab alio monte sibi propinquo, cum hominibus, eclesiis opibusque ac domibus in fluvium ruit, exclusaque amnis illius litora, aqua retrorsum petiit. Locus etenim ille ab utraque parte a montibus concluserat, inter quorum angustias torrens defluit. Inundans ergo superiorem partem, quae ripae insedebant operuit atque delevit. Adcumulata enim aqua erum pens deursum, inopinatus repperiens homines, ut desuper fecerats, ipsos enegavit, domus evertit, iumenta delevit et cuncta quae litoribus illis insedebant usque ad Ienubam civitatem. violenta atque subita inundatione deripuit atque p subvertit. Traditur a multis, tantam congeriem inibi aquae fuisse, ut in antedictam civitatem

Gravitative Massenbewegungen und Erdspalten | 297

Gregor erwähnt im folgenden Verlauf zwar einen weiteren Felssturz, aber er verbindet diesen mit einer didaktisch motivierten Geschichte über 30 habgierige Mönche. Die Wahl der Zahl scheint sich an den 30 Silberlingen zu orientieren, welche Judas Iskariot im Neuen Testament für den Verrat an Jesus bekam.1588 Sie könnte damit auf einen Topos hindeuten. Vermutlich hat Gregor an dieser Stelle den zweiten Felssturz dazu instrumentalisiert, eine Geschichte über die Habgier in den Text einzuflechten. Die Vorgänge scheinen von ihm, aus dem Unverständnis der geomorphologischen Prozesse heraus, auch chronologisch etwas verfälscht zu sein. Eine Dauer von 60 Tagen ist weniger auf ein ungewöhnliches Getöse (per dies amplius sexaginta nescio quem mugitum daret) zu beziehen, dieses wird vergleichsweise kurz gewesen sein, als vielmehr auf die Zeitspanne, innerhalb derer sich das Wasser hinter der durch den Felssturz verursachten Staustufe sammelte, bevor diese verstellten Gesteinsmassen kollabierten. Als die Sedimente abrutschten, bewirkte eine Unterwasser-Schlammlawine, dass dadurch über 100 Millionen Kubikmeter Sediment verschoben wurden. Diese Verdriftung der Sedimente (sediment propagnation) generierte eine große Flutwelle, deren Spuren bei modernen Bohrkernanalysen gefunden wurden.1589 Die von Gregor beschriebenen Ereignisse haben also einen sedimentologischen Hintergrund, der sich geologisch gut fassen und nachvollziehen lässt, während die von ihm hinzugfügten Ausschmückungen schnell zu erkennen sind. Die Annales regni Francorum überliefern zum Jahr 822, dass man „im Lande der Thüringer in der Nähe eines Flusses ein fünfzig Fuß langes, vierzehn Fuß breites und anderthalb Fuß tiefes Erdstück gefunden habe, das ohne Menschenhände herausgehoben und fünfundzwanzig Fuß davon entfernt zum Liegen gebracht wurde. Ein ähnlicher Fall habe sich im östlichen Sachsen begeben, nicht weit von der Grenze der Sorben, an einem wüsten Ort beim Arendsee, wo sich der Boden wie zu einem Damm aufblähte und während einer einzigen Nacht ohne menschliches Zutun in der Länge von einer Leuga einen Wall bildete.“1590 Die Annales regni Francorum spiegeln hier

|| super muros ingrederetur. Quod dubium non est, quia, ut diximus, Rhodanus in locis illius inter angustias montium defluit, nec habuit in latere, cum fuit exclusus, quo se deverteret. Commotumque montem, qui descenderat, adsemel erupit et sic cuncta delevit. Quod cum factum fuisset, triginta monachi, unde caster ruerat, advenerunt, et terram illam, quae monte deruente remanserat, fodientes, aes sive ferrum repperiunt. Quod dum agerent, mugitum montes, ut prius fuerat, audierunt. Sed dum a saeva cupiditate retenerentur, pars illa quae nondum deruerat super eos cecidit, quos operuit atque interfecit, nec ultra inventi sunt. 1588 Mt 26,14: Tunc abiit unus de Duodecim, qui dicebatur Iudas Iscariotes, ad principes sacerdotum et ait: “Quid vultis mihi dare, et ego vobis eum tradam?“. At illi constituerunt ei triginta argenteos; Mt 27,3: Tunc videns Iudas, qui eum tradidit, quod damnatus esset, paenitentia ductus, rettulit triginta argenteos principibus sacerdotum et senioribus. 1589 Vgl. Kremer/Simpson/Girardclos, Giant Lake (2012), Supplementary Fig. 1–3. 1590 Annales regni Francorum, ad a. 822. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 157; FSGA 5, 128 f.: In regione Thuringorum a quodam in loco iuxta fluvium cespis longitudine pedum quinquagenum, latitudine quattuordenum, altitudine sesquipedali de terra sine manibus et praecisus et sublatus est et ab

298 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

zwei verschiedene naturhistorische Ereignisse wieder, zum einen den Versatz eines größeren Erdstückes, zum anderen den Einbruch eines Salzstockes und die Ausdehnung des Arendsees. Bezüglich der Flächenverlagerung wird hier als Lokalisierung nur das Land der Thüringer und die Nähe eines nicht namentlich genannten Flusses angegeben. Für die Einheit Fuß wird in der karolingischen Zeit eine Länge von 32,3 Zentimeter angenommen. Daraus ergibt sich eine Größe des Erdstücks von etwa 16 x 4,5 x 0,5 Meter. Dieses Erdstück soll etwa acht Meter weit fortbewegt worden sein. Dies ist je nach Flussstärke oder je nach Hangneigung nicht unmöglich. Der zweite geschilderte Fall ist besser zu untersuchen, da hier der Annalist sehr genaue Ortsangaben gemacht hat: „Ein ähnlicher Fall habe sich im östlichen Sachsen begeben, nicht weit von der Grenze der Sorben, an einem wüsten Ort beim Arendsee, wo sich der Boden wie zu einem Damm aufblähte und während einer einzigen Nacht ohne menschliches Zutun in der Länge von einer Leuga1591 einen Wall bildete“ In verkürzter Weise hat auch Hermann von Reichenau diesen Eintrag wiedergegeben.1592 Der Arendsee liegt in der Altmark zwischen Salzwedel und Seehausen. Im Gegensatz zu den meisten natürlichen Seen in der norddeutschen Tiefebene, die periglazialen Ursprungs sind, liegt der See direkt über einem Salzstock, weshalb geologische Vorgänge seine Morphogenese bestimmen.1593 Das Grundwasser sorgt für eine Subrosion des Salzstocks. Stürzt das Deckgebirge daraufhin ein, wird die Einsturzdoline mit Seewasser gefüllt. Eine plötzliche Vergrößerung des Subrosionssees erfolgte in den Jahren 822 und 1685. Im Jahr 2009 wurde im Nachrichtenblatt für Unterwasserarchäologie eine ganze Reihe von Untersuchungen zu diesen und weiteren Ereignissen des Arendsees als Schwerpunktthema veröffentlicht.1594 Die Unterwasserarchäologen entdeckten Fischzäune, für die aufgrund von kalibrierten C-14-Datierungen eine Nutzungszeit von 2671 (+/- 135 Jahre) v. Chr. bis 2266 (+/-52 Jahre) v. Chr. nachgewiesen wurden. Fischreste konnten nur aus dem Neolithikum nachgewiesen werden.1595 Der See ist aber auch in karolingischer Zeit für die Fischerei benutzt worden, denn Funde einer Fischreuse konnten über die C-14-Methode in das Jahr 820 (+/- 40 Jahre) datiert

|| eo loco, in quo sumptus est, viginti quinque pedum spatio distans inventus est. Item in parte orientali Saxoniae, quae Soraborum finibus contigua est, in quodam deserto loco iuxta lacum, qui dicitur Arnseo, in modum aggeris terra intumuit et limitem unius leugae longitudine porrectum sub unius noctis spatio absque humani operis molimine ad instar valli subrexit. Identisch: Annales Fuldenses, ad a. 822. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 22. 1591 Für eine Leuga werden unterschiedliche Längen von 2222 bis 2450 Meter angegeben. 1592 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 822. Ed. Pertz, MGH SS 5, 102: In orientali Saxonia nocte quadam iuxta lacum Arnseo tellus per spacium leugae unius in modum aggeris intumuit. 1593 Leineweber u. a., Entwicklung des Arendsees (2009), 9–13. 1594 Vgl. http://jkoeninger.de/file/NAU15/NAU15page1-64.pdf (15.6.2016). Eine Zusammenfassung: http://www.lda-lsa.de/landesmuseum_fuer_vorgeschichte/fund_des_monats/2010/august/ (15.6.2016). 1595 Döhle, Fischreste (2009), 25–27.

Gravitative Massenbewegungen und Erdspalten | 299

werden.1596 In 16 Meter Wassertiefe liegen heute jene Hügel, von denen angenommen wird, dass sie im Jahr 822 versunken sind. Durch den Einsatz eines Sedimentsonars im Jahr 2006 konnte auf diesen unter dem Wasser liegenden Hügeln in 2,5 bis drei Meter Sedimenttiefe eine rechteckige bis ovale Konstruktion erfasst werden, die eine WSW-ONO orientierte Maximalausdehnung von 160 x 80 Metern zeigt. Die Archäologen vermuten darin eine große befestigte burgartige Anlage, die als Grenzkastell gegen die Slawen auf der dafür idealen Gipslinse errichtet worden sein könnte und welche vor 822 zerstört wurde.1597 Dies wäre eine bemerkenswerte Bestätigung dafür, dass der Annalist zum Jahr 822 mitteilte, dass sich bei dem See ein verlassener Ort (deserto loco iuxta lacum) befände. In der Mitte des Sees waren, wie die paläolimnologischen Untersuchungen erbrachten, bis 822 die Deckschichten erhalten und nach Südosten mit dem weiteren Ufer verbunden.1598 Aufgrund der Pollenprofile konnte ermittelt werden, dass sich während der sogenannten „Völkerwanderungszeit“ (Phase h) ein Rückgang des Roggenanbaus und eine starke Ausbreitung von Rot- und Hainbuche nachweisen ließ.1599 Beim zweiten Einbruch im Jahr 1685, versanken weitere Teile und der See vergrößerte sich um 20 Hektar, dabei verschwand auch eine Mühle im Wasser.1600 Für das geschilderte Ereignis des Jahres 822 bleibt festzuhalten, dass der Verfasser über bemerkenswert genaue Informationen bezüglich der Lage und Ausdehnung verfügt haben muss. Die Region um den See spielt auch in ottonischer Zeit eine wichtige Rolle, denn als Mathilde, die Tochter Ottos I., im Jahr 956 zur Äbtissin von Quedlinburg ausersehen wird, wurde ihr die Region rund um den Arendsee als eine wirtschaftliche Grundlage zugewiesen.1601 Nach den Annales Bertiniani soll im Mai 846 infolge von Regengüssen eine solche Überschwemmung in Auxerre eintrat, dass die Flut durch die Wände dringend, sogar mit Wein gefüllte Fässer in die Yonne fortgeführt habe. „Ja, noch erstaunlicher“, schreibt Prudentius, „dass sie einen Weingarten mitsamt dem Erdreich, den Weinstöcken, den Bäumen, ganz so wie er war, und ohne Riss von einem Ufer der Yonne auf das andere versetzte, als ob er von Natur aus dort gewesen wäre.“1602 Diese Beschreibung ähnelt der gerade geschilderten zum Jahr 822, allerdings dokumentierte der Verfasser der Annales Bertiniani die Größenverhältnisse nicht so genau.

|| 1596 Leineweber/Lübke, Unterwasserarchäologie im Arendsee (2009), 19 und Abb. 8. 1597 Leineweber/Lübke, Unterwasserarchäologie im Arendsee (2009), 21 f. und Abb. 11. 1598 Scharf u. a., Entstehung des Arendsees (2009), 48 und Abb. 11. 1599 Christiansen, Palynologische Untersuchungen (2009), 55. Die Absenkausdehnungen klärt eine Pollenanalyse, vgl. Hellmund, Pollenanalysen an Sedimenten (2009), 28–36. 1600 Vgl. Hartmann/Schönberg, Geologische Entwicklungsgeschichte (2009), 58–64. 1601 Vgl. Schulze, Monasterium in monte constructum (1999/2000), 62 f.; vgl. MGH D O. I. 184. 1602 Annales Bertiniani, ad a. 846. Ed. Grat u. a., 52; FSGA 6, 68 f.: Huius anni mense Maio tanta apud Altiodorum civitatem inundatio pluvarium fluxit, ut parietes penetrans ipsas etiam cupas plenas vini in fluvium Icaunam detulerit, sed et, quod est mirabilius, quandam vineam cum terra, vitibus et

300 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Die Fuldaer Annalen überliefern zum Jahr 883, dass sich ein Berg in Italien von seiner Stelle bewegte, in die Etsch fiel und deren Lauf versperrte. „Deshalb mussten die Einwohner von Verona und den Orten in der Nähe dieses Flusses so lange den Nutzen [des Wassers] entbehren, bis der Fluss durch denselben Berg gleichsam Höhlen gemacht hatte und in sein Bett zurückkehrt war.“1603 Hierbei ist wiederum von einem Felssturz oder Bergrutsch auszugehen, der allerdings nicht zu einem Stausee führte. Stattdessen schaffte es das Flusswasser durch Erosionsvorgänge, wieder sein altes Flussbett zu erreichen. Zum Jahr 1013 berichtet Thietmar von Merseburg, in Herzog Bernhards Burg Lüneburg sei in diesem Jahre eine seltsame Veränderung und Bewegung der Luft sowie eine gewaltige Erdspalte entstanden. Die Einwohner waren sehr betroffen davon und versicherten, früher nie etwas Ähnliches beobachtet zu haben.1604 In den Quedlinburger Annalen findet sich eine Beschreibung desselben Vorfalls: „Eine schreckliche Finsternis bei einem heftigen Unwetter erschreckte plötzlich die Leute, ihr folgten Krachen und Feuer, welche an einigen Orten die Kirchen zerstörten und anderen großen Schaden taten, Freitags, 15. Mai, am Neumonde. (…) Auch in diesem Jahre geschah eine starke Bewegung in der Luft, sodass an vielen Orten Häuser einstürzten und einige kostbare Dinge vom Blitz getroffen und vernichtet wurden. Auch öffnete sich auf dem Lüneburger Berge eine fürchterliche Erdspalte, welche die Kirche selbst mit Einsturz bedrohte und den von Furcht ergriffenen Einwohnern für den Augenblick alle Hoffnung auf diesen Zufluchtsort nahm.“1605

Innerhalb des Lüneburger Beckens wird der dortige Kalkberg, ein Gipshut im westlichen Lüneburg, als naturräumliche Singularität und inselartiger Naturraum eingestuft.1606 Die Burg auf dem Berg stand bis in das Jahr 1371. Daraus ergibt sich einerseits die Beobachtung, dass in karolingisch/liudolfingischer Zeit Befestigungsanlagen verstärkt auf Gipslinsen gebaut wurden, wie in Lüneburg, am Arendsee oder auch in || arboribus omnibus in nullo disruptam, ita ut erat solidam, a parte Icaunae fluminis in alteram eiusdem fluvii partem transposuerit, acsi in eodem agro naturaliter fuerit. 1603 Annales Fuldenses, ad a. 883 (Wiener HS). Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 100; FSGA 7, 120 f.: Mons quidam in Italiae partibus de loco suo motus in Athesin fluvium cecidit eiusque meatum interclusit. Hi autem, qui apud Veronam et in contiguis locis eiusdem fluminis habitabant, tamdiu utilitate illius carebant, donec idem fluvius per eundem montem quasi cavernulas faciens ad suum alveum rediret. 1604 Thietmar von Merseburg, Chronik, 6, 91. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 384 f.; FSGA 9, 340 f.: In civitate Bernhardi ducis Liunberg dicta eodem anno aeris fit mira mutacio atque motio et inmensus terrae hiatus. Hoc stupet accola et se prius numquam vidisse testatur. 1605 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1013. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 538–540: Tempestatis validae horrida tenebrositas homines subito perterruit, quam fragor et ignis subsequuntur et in locis quibusdam ecclesias subvertntes multa alia damna commoverunt, Idus Maii, luna I. feria VI. [Freitag, 15. Mai, Neumond war am 15. Mai] Commotio quoque aeris valida et hoc anno fiebat, ut per plurima loca aedificia ruerent, et res quaendam preciosae a fulmine tactae interirent. In monte etiam Luniburgnensi horribilis hiatus terrae patuit, ipsi templo minas ruendi praebens et incolis timore perterritis spem confugii funditus ad tempus auferens. 1606 Vgl. Schlöbcke, Kalkbergführer (1928), 247–258.

Gravitative Massenbewegungen und Erdspalten | 301

Memleben.1607 Andererseits sind solche Gipslinsen als Teil eines längerdauernden Umwandlungs- und Lösungsprozesses von Salzen immer wieder der Gefahr von Subrosion und Einsturz ausgesetzt. Wiederum von einem Bergsturz berichtet die Chronik Bernolds von St. Blasien zum Jahr 1092: „In Ungarn ereigneten sich, wie wir gehört haben, zu diesen Zeiten viele Prodigien. Ein gewisser Berg stürzte nämlich in die Donau, und jener Fluss, welcher dadurch gezwungen war, seinen Lauf zu ändern, verwüstete die umliegenden Gebiete weit und breit. Ferner entstand anderswo auf dem trockenen Land ein großer See, und in einem anderen See erschien plötzlich ein Berg. Auch sei der Fluss namens Theiß drei Tage lang blutrot gefärbt gewesen. Es kam dort aber auch zu einem unerhörten Erdbeben [26. Juni], sodass die Menschen dessen Stoß nicht im Stehen aushalten konnten. Auch erschreckte starker, seit Jahrhunderten nicht gehörter Donner die dortigen Menschen, weil er über die Erde hinzog und man fühlte, wie er unter der Erde auf demselben Weg zurückkam.“1608 Von diesem Beben am 26. Juni 1092 in Ungarn berichten auch die Augsburger Annalen, nach denen dabei viele Städte untergingen.1609 Tab. 23: Überlieferung der Massenbewegungen im europäischen Raum von 500 bis 1100

Nr.

Datie- Region, Ort rung

Deutung

Schäden

Quellen

MB-1

563

Genfer See

Gebirgsflut

Brücke

Gregor von Tours

MB-2

822

Sachsen, Arendsee

Dolineneinbruch wüster Ort

Mb-3

822

Thüringen

Erdrutsch

Landversatz Ann. regni Francorum

MB-4

846

Westfranken, Yonne

Erdrutsch

Landversatz Ann. Bertiniani

MB-5

883

Italien, Etsch

Erdrutsch

keine

Ann. Fuldenses

MB-6

1013

Sachsen, Lüneburg

Erdspalt

Gebäude

Ann. Qued., Thiet. v. Merse.

MB-7

1092

Ungarn

Bergsturz

viele Städte

Bernold, Ann. Augustani

Ann. regni Francorum

|| 1607 Wittmann, Memleben (2001). 1608 Bernold von Konstanz, Chronik ad a. 1092. Chroniken. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 496 f.; FSGA 14, 388 f.: In Ungaria his temporibus multa prodigia contigerunt, ut audivimus. Nam quidam mons se in Danubium praecipitavit; unde fluvius ille alveum suum mutare coactus, circumiacentes terras longe lateque vastavit. Item in sicca terra lacus magnus alibi emersit, et in alio lacu mons quidam de repente apparuit. Fluvius quoque Thizaha per triduum sanguineus fluxit. Sed et terrae motus ibi inauditus factus est, ita ut homines eius impetum stando sustinere non possent. Tonitru quoque maximum et a seculis inauditum homines ibi terruit, quod supra terram transivit, et sub terra redire sentiebatur eadem via. 1609 Annales Augustani, ad a. 1092. Ed. Pertz, MGH SS 3, 134: In provintia Ungarorum una die, 6. Kalendas Iulii, ter terrae motus factus est, urbesque submersae sunt.

302 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Neben den Erdbeben waren auch Erdrutsche, Erdstürze und vergleichbare gravitativ verursachte Massenbewegungen für die mittelalterlichen Zeitgenossen schwer zu erklären. Obwohl Erdrutsche deutlich seltener als Erdbeben vorkommen, wurden sieben Ereignisse dokumentiert. Zusammenfassen lässt sich bezüglich der gravitativen Massenbewegungen, dass diese im Früh- und Hochmittelalter vergleichsweise selten dokumentiert wurden. Nur sechs Bergrutsche oder Bergstürze und eine Erdspalte wurden im hier interessierenden Untersuchungszeitraum dokumentiert. Die zeitliche Verteilung dieser sieben Beobachtungen sieht folgendermaßen aus: Tab. 24: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Massenbewegungen von 500 bis 1100 Gesamt 7 100 %

6. Jh. 1 14 %

7. Jh. 0 0%

8. Jh. 0 0%

9. Jh. 4 57 %

10. Jh. 0 0%

11. Jh. 2 29 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung liegen im 9. Jahrhundert mit über der Hälfte, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. und 8. Jahrhundert überliefert. So beschrieb Gregor von Tours zum Jahr 562 den Bergsturz, der am Genfer See zu einem Rückstau und in der weiteren Folge zu einem Gebirgsfluss führte. Bei den Erdbeben war die Zurückhaltung auffällig, mit der die Verfasser der Annales regni Francorum solche Beben erwähnt haben. Dies ist umso bemerkenswerter, als dieselbe Quelle für 822 sehr ausführlich die Folgen eines Dolineneinbruchs am Arendsee in Sachsen und eines Erdrutsches überliefert, der in Thüringen zum Versatz eines größeren Landstückes führte. Solcher Landversatz faszinierte wohl auch Prudentius, den Verfasser der Annales Bertiniani, denn zum Jahr 846 dokumentierte er die Beobachtung eines solchen an der Yonne. In den Annales Fuldenses ist zum Jahr 883 noch ein Erdrutsch am Oberlauf der Etsch ohne gravierende Folgeschäden verzeichnet, der die Wassermassen des Flusses kurz staute, bis sich diese einen neuen Weg gebahnt hatten. Die Quedlinburger Annalen und, auf diese aufbauend, Thietmar von Merseburg hielten zum Jahr 1013 die Bildung eines Erdspaltes im kalkreichen Untergrund von Lüneburg fest, bei dem zahlreiche Gebäude zerstört worden sein sollen. Die meisten Schäden durch die Folgen eines Bergsturzes verzeichneten Bernold von St. Blasien und der Verfasser der Augsburger Annalen für viele ungarische Städte im Jahr 1092. Die Donau war dabei aufgestaut worden und zerstörte bei der Suche nach einem neuen Flussbett viele Siedlungen. Als Beobachtung zu langfristigen Entwicklungsprozessen lässt sich festhalten, dass einige Befestigungsanlagen in karolingischer und liudolfingischer Zeit verstärkt auf Gipslinsen gebaut wurden, wie in Lüneburg, am Arendsee oder in Memleben. Solche Gipslinsen waren aber immer wieder Lösungsprozesses von Salzen und dadurch den Gefahren von Subrosion und Einstürzen ausgesetzt, wie diese im Jahr 822 der Fall war.

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2.14 Tsunamis Mit dem Begriff „Tsunami“ (jap. für „Hafenwelle“) wird eine besonders lange Wasserwelle bezeichnet, die sich, wenn sie auf flachere Gewässer in Küstennähe trifft, immer weiter auftürmt und weit über den Küstenrand hinaus auf das Festland vordringt.1610 Zu den Hauptursachen für Tsunamis zählen seismische Aktivitäten, also unterseeische Erdbeben, die zu Hebungs- und Senkungsprozessen des Meeresbodens führen. Daneben können Tsunamis aber auch durch vier nicht-seismische Ursachen ausgelöst werden, a) durch plötzliche Massenverlagerung ins Wasser in Folge von Abrutschungen („landslides“), b) durch vulkanische Eruptionen, c) sogenannte Meteotsunamis und d) durch kosmische Ereignisse.1611 Tsunamis und ihre Folgen auf menschliche Gesellschaften sind für die Geschichte der letzten Jahrhunderte teilweise behandelt worden; das Mittelalter ist dabei weitgehend ausgespart geblieben.1612 Als typische Beschreibungselemente eines Tsunamis können gelten: a) plötzlicher Rückzug des Wasser von der Küste, b) Auftürmen der Wassermassen zu einer Riesenwelle und c) Überflutung des Küstenstreifens und dabei Ablagerung der mitgeführten Reste. Einer der bekanntesten Tsunamis im Mittelmeerraum ereignete sich in der Spätantike, als im Jahre 365 durch ein Erdbeben der Stärke acht in der Nähe der Insel Kreta eine solche Riesenwelle ausgelöst wurde,1613 dass dieses historische Naturereignis noch in der nachjulianischen Rhetorik und Annalistik wiederholt als KatastrophenTopos verwendet wurde.1614 Dieser historische Tsunami wird auch heute noch immer wieder untersucht, wie zuletzt von Jaques/Bousquet,1615 Kelly1616 oder aus geophysischer Sicht.1617 Auch allgemein zu Tsunamis im Mittelmeerraum gibt es Untersuchungen1618 und mehrere Kataloge sind erarbeitet worden.1619 Eine frühe Beschreibung eines Tsunamis nach einem Erdbeben hat der römische Historiker Ammianus Marcellinus in seiner Res gestae veröffentlicht. Das 26. Buch seines um 391–394 veröffentlichten Werkes endet mit der dramatischen Beschreibung des unterseeischen Erdbebens, das am 21. Juli 365 im östlichen Mittelmeerraum || 1610 Aktueller Forschungsüberblick: Power/Leonard, Tsunami (2013), 1036–1046. 1611 Levin/Nosov, Physics of Tsunamis (2009), 153–196. 1612 Bryant, Tsunami (2008). 1613 Vgl. Amm. 26, 10, 15–19. Kelly, Ammianus (2004), 141; Stiros, AD 365 Crete earthquake (2001), 545–562. 1614 Baudy, Wiederkehr des Typhon (1992), 47–82. 1615 Jaques/Bousquet, Raz de marée (1984), 423–461. 1616 Kelly, Ammianus (2004), 141–167. 1617 Shaw u. a., Eastern Mediterranean tectonics (2008), 1–9; Koldau, Tsunamis (2013), 52–55. 1618 Schielein u. a., Tsunamigefährdung im Mittelmeer (2007), 153–199. 1619 Soloviev u. a., Tsunamis in the Mediterranean Sea (2000). Guidoboni/Comastri, Catalogue of earthquakes (2005). Arteaga-Cardineau, Tsunamis and earthquakes (2015), 31–46.

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einen Tsunami auslöste. Dieses Erdbeben und seine Folgen wurden vergleichsweise umfassend erforscht.1620 Obwohl das Ereignis etwas vor dem Untersuchungszeitrahmen liegt, soll es hier nicht unerwähnt bleiben, da sich damit die wesentlichen Elemente bei der Schilderung eines Tsunami zeigen lassen:1621 „Am 21. Juli 365 verbreitete sich unangekündigt entsetzlicher Schrecken über den ganzen Umfang des Erdkreises, wie uns weder die Sagen noch die Tatsachenberichte vergangener Zeiten beschreiben. Denn kurz nach Tagesanbruch, nachdem eine dichte Folge heftig funkelnder Blitze vorausgegangen war, wurde die zitternde Festigkeit allen Gleichgewichts der Erde erschüttert, und das Meer, rückwärts getrieben, verzog sich mit hinwälzenden Wogen, sodass im eröffneten Abgrund die vielgestaltigen Arten derer wahrgenommen werden konnten, die in der Meerestiefe schwimmen – sie hingen im Schlamm –, und die unendliche Weite der Täler und Berge, die der Ursprung der Dinge unter den unermesslichen Strudel verwiesen hatte und die jetzt, wie man meinen konnte, zu den Strahlen der Sonne aufblickten. Als nun viele Schiffe gleichsam auf trockenem Boden vertäut waren und Unzählige nach Belieben durch die spärlichen Reste der Wellen schweiften, um Fische und dergleichen mit den Händen zu sammeln, da erhebt sich, wie durch Zurücksetzung gekränkt, ein Getöse des Meeres in entgegengesetzter Richtung, das über brodelnde Untiefen hinweg heftig auf Inseln und weite Gebiete des Festlandes vorstieß und zahllose Gebäude und Städte, wo sie sich fanden, einebnete, sodass danach durch die rasende Zwietracht der Elemente das überrollte Antlitz der Welt einen wunderlichen Anblick darbot. Denn die zurückgeflossene Masse des Meerwassers – als sie am wenigsten erwartet wurde – tötete und ertränkte viele tausend Menschen, und durch die rasche Wendung der zurückkehrenden Brandung waren einige Schiffe auf Grund gegangen (wie man sah, nachdem der Schwall der nassen Substanz gealtert war), und die entseelten Körper der Schiffbrüchigen lagen auf dem Rücken oder auf dem Gesicht. Riesige andere Schiffe, herausgetrieben durch das wütende Blasen, saßen auf den Firsten der Dächer fest, wie es in Alexandria geschah, und einige wurden beinahe zweitausend Schritte von der Küste entfernt herumgewirbelt, wie ein lakedämonisches, das wir nahe der Stadt Methone1622 im Vorbeiweg sahen, von anhaltender Fäulnis zerfallen.“1623

|| 1620 Jacques/Bousquet, Raz de marée (1984), 423–461. Jacques, Séismes de l'Antiquité (1984), 49– 55; Lepelley, L'Afrique du Nord (1984), 463–491; Stiros, AD 365 Crete earthquake (2001), 545–562; Shaw u. a., Eastern Mediterranean tectonics (2008), 268–276. 1621 Koldau, Tsunamis (2013), 52 f. 1622 Stadt an der Küste des thermaischen Golfs, vgl. Errington, Methone (2000), 98 f. 1623 Amm. 26, 10, 15–19: 15. Hoc novatore adhuc superstite, cuius actus multiplices docuimus et interitum, diem duodecimum Kalendas Augustas, consule Valentiniano primum cum fratre, horrendi terrores per omnem orbis ambitum grassati sunt subito, qualis nec fabulae nec veridicae nobis antiquitates exponunt. 16. paulo enim post lucis exortum densitate praevia fulgurum acrius vibratorum tremefacta concutitur omnis terreni stabilitas ponderis, mareque dispulsum retro fluctibus evolutis abscessit, ut retecta voragine profundorum, species natantium multiformes limo cernerentur haerentes, valliumque vastitates et montium tunc, ut opinari dabatur, suspicerent radios solis, quos primigenia rerum sub inmensis gurgitibus amendavit. 17. multis igitur navibus velut arida humo conexis, et licenter per exiguas undarum reliquias palantibus plurimis, ut pisces manibus colligerent et similia: marini fremitus velut gravati repulsam versa vice consurgunt perque vada ferventia insulis et continentis terrae porrectis spatiis violenter inlisi, innumera quaedam in civitatibus et ubi reperta sunt aedificia, conplanarunt: proinde ut elementorum furente discordia involuta facies mundi miraculorum species ostendebat. 18. relapsa enim aequorum

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Für die weitere Untersuchung wichtig ist die Beobachtung, dass hier zunächst beschrieben wird, wie sich das Wasser ins Meer zurückzieht, um dann über die Küste hereinzubrechen. Aus Sicht der Zeitgenossen gibt es einen Schlund frei und transportiert die Schiffe auf den Wellenbergen ins Landesinnere. In dem in dieser Arbeit behandelten Zeitrahmen fand der erste Tsunami entweder im Frühling oder am 27. Juli des Jahres 551 in der östlichen Ägäis statt. Als genauer Ort wird die Straße von Euböa angegeben, zwischen der Insel Euböa und dem Festland.1624 Ein zerstörerisches Erdbeben verheerte sowohl die Küste als auch den Golf von Korinth. Nachdem sich das Wasser des anschließenden Tsunamis wieder zurückgezogen hatte, blieben Fische, auch sehr seltene, liegen.1625 Im Jahr 563 kam es in den Alpen zu einem Erdrutsch, in dessen Folge es auf dem Genfer See zu einem Tsunamiereignis kam.1626 In einem Bericht Gregors von Tours zum Jahre 577 wird angeführt, dass „das Meer, erzählt man, über alle Maßen wuchs, und noch viele andere Zeichen geschahen.“1627 Immerhin wird nicht das sonst übliche Wort „inundatio“, Überschwemmung, verwendet. Für das genannte Jahr werden auch einige Unstimmigkeiten mit dem Mond geschildert. Eine sehr ausführliche Beschreibung eines Tsunamis im 8. Jahrhundert dokumentierte Paulus Diaconus: „Ungefähr 30 Meilen von der Küste der Normandie entfernt liegt die Insel Evodia. Dort ist, wie von den Einwohnern behauptet wird, das Tosen der in diesen Schlund stürzenden Fluten zu vernehmen. Ich habe einen sehr angesehenen Gallier erzählen hören, dass mehrere Schiffe zunächst vom Sturm übel zugerichtet und danach von dieser Charybdis verschlungen wurden. Nur ein einziger von all den Männern auf den Schiffen kam, während die übrigen den Tod fanden schwimmend und noch bei Bewusstsein, vom Sog des Wassers mitgerissen bis an den Rand jenes ungeheuerlichen Schlundes. Als er bereits den bodenlosen, unermesslichen Abgrund vor Augen hatte und allein schon vor Angst halb tot damit rechnete, hineinzugeraten, wurde er plötzlich wider alles Erwarten auf einen Felsen geworfen und blieb dort hängen. Da nämlich der Sog bereits alles Wasser mitgenommen hatte, waren die Ränder jenes Bereichs trockengefallen. Während er dort in so bedrängter Lage festsaß, sich aus Furcht kaum zu rühren wagte und sein

|| magnitudo cum minime speraretur, milia multa necavit hominum et submersit recurrentiumque aestuum incitata vertigine, quaedam naves, postquam umentis substantiae consenuit tumor, pessum datae visae sunt exanimataque naufragiis corpora supina iacebant aut prona. 19. ingentes aliae naves extrusae rabidis flatibus culminibus insedere tectorum, ut Alexandriae contigit: et ad secundum lapidem fere procul a litore contortae sunt aliquae, ut Laconicam prope Mothonen oppidum nos transeundo conspeximus diuturna carie fatiscentem. Vgl. Kelly, Ammianus (2004), 141. 1624 Koordinaten: 38.4° N, 22.3°O. 1625 Levin/Nosov, Physics of Tsunamis (2009), 260. 1626 Vgl. Kap. 2.13 Gravitative Massenbewegungen und Erdspalten. 1627 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 230; FSGA 2, 330 f.: (…) et mare ultra modum egressum adserunt, et multa alia signa apparuerunt.

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etwas aufgeschobenes, dennoch sicheres Ende erwartete, sah er auf einmal regelrechte Wasserberge aus der Tiefe zurückfluten und die Schiffe, die untergegangen waren, vorneweg auftauchen. Als eines von ihnen nahe bei ihm vorbeitrieb, klammerte er sich mit aller Kraft, die er noch hatte, daran, und fort ging es in reißender Fahrt der Küste entgegen. Er entkam dem Schicksal eines fürchterlichen Todes und berichtete anschließend über die durchlebte Gefahr.“1628

Paulus versucht dann eine Erklärung des Phänomens als Strömung und überträgt dies auf das adriatische Meer: „Es ist wohl davon auszugehen, dass auch unser Meer, das Adriatische, das in zwar bescheidenerem Umfang, aber doch in ähnlicher Weise an die Küsten Venetiens und Istriens schlägt, kleine, verborgene Strömungen dieser Art aufweist, von denen das Wasser, wenn es fällt, mitgezogen und dann erneut im Schub auf die Küste freigegeben wird“.1629 Hier sind die typischen Beschreibungselemente eines Tsunamis enthalten: a) plötzlicher Rückzug des Wasser von der Küste, dramatisch mit den Schiffen geschildert, b) Auftürmen der Wassermassen zu einer Riesenwelle, auf deren Kamm die Reste der Schiffe mitgespült werden und c) Überflutung des Küstenstreifens und dabei Ablagerung der mitgeführten Reste. Insbesondere die nur von den Wassermassen kontrollierte Bewegung der gekenterten Schiffe gibt auch im folgenden Fallbeispiel einen wichtigen Hinweis auf die Art der Flut. Sie soll im Jahr 839 an der Nordseeküste vor Friesland stattgefunden haben. Für Anfang November 839 vermeldet eine Gruppe von vier anderen Annalen ein Ereignis, bei dem es sich um eine „normale“ Sturmflut handeln könnte. Die Annalen

|| 1628 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 1, 6. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 51; Ed. Schwarz, 120 f.: Triginta ferme a Sequanico litore Evodia insula milibus distat. In qua, sicut ab illius incolis adseveratur, vergentium in candem Caribdin aquarum garrulitas auditur. Audivi quendam nobilissimum Gallorum referentem, quod aliquantae naves prius tempestate convulsae, postmodum ab hac eadem Caribdi voratae sunt. Unus autem solummodo ex omnibus viris qui in navibus illis fuerant, morientibus ceteris, dum adhuc spirans fluctibus supernataret, vi aquarum labentium abductus, ad oram usque inmanissimi illius baratri pervenit. Qui cum iam profundissimum et sine fine patens chaos adspiceret, ipsoque pavore praemortuus se illuc ruiturum exspectaret, subito, quod sperare non poterat, saxo quodam superiectus insedit. Decursis siquidem iam omnibus quae sorbendae erant aquis, orae illius fuerant margines denudati; dumque ibi inter tot angustias anxius vix ob metum palpitans resederet, dilatamque ad modicum mortem nihilominus operiret, conspicit ecce subito quasi magnos aquarum montes de profundo resilire navesque, quae absortae fuerant, primas emergere. Cumque una ex illis ei contigua fieret, ad eam se nisu quo potuit adprenendit; nec mora, celeri volatu prope litus advectus, metuendae necis casus evasit, proprii postmodum periculi relator existens. 1629 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 1, 6. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 51; Ed. Schwarz, 121: Nostrum quoque, id est Adriaticum, mare, quod licet minus, similiter tamen Venetiarum Histriaeque litora pervadit, credibile est, parvos huiusmodi occultosque habere meatus, quibus et recedentes aquae sorbeantur et rursum invasurae litora revomantur.

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aus Hildesheim,1630 Quedlinburg,1631 Iburg und Niederaltaich berichten, dass ein gewaltiger Sturm am 4. November unzählige Gebäude zerstört habe und auch viele Dämme betroffen waren. Die in den Annales Bertiniani erwähnten Nachrichten über das Erscheinen eines Kometen und andere Himmelzeichen berichten ansonsten nur die Annalen aus Kloster Iburg.1632 Am kürzesten ist der Eintrag in den Annalen des Klosters Niederaltaich in Bayern: „Ein furchtbarer Sturm zerstörte am 4. November die Gebäude.“1633 Demgegenüber wird die – nachträglich so genannte – Stephansflut in den Annales Xantenses und den Annales Bertiniani überliefert. Ausführlich hat sich Haas mit der von ihm sogenannten „Stephansflut von 838“ beschäftigt.1634 Die Datierung kann schnell verwirrend wirken, da der Xantener Annalist angibt, das Ereignis sei Anno DCCCXXXVIIII. VII Kalendas Ianuarii passiert. Er weist als Tagesdatum den 26. Dezember aus, den Stephanstag, wie die Annales Bertiniani auch explizit anführen. Bei der Berechnung des Tagesdatums wird die Jahreszählung jedoch nicht verändert, das Jahr bleibt gleich.1635 Deshalb beziehen sich die Einträge auf den Stephanstag des Jahres 839 und nicht 838, wie Weikinn1636 und Haas irrtümlich annahmen. Der Eintrag wird in den Xantener Annalen zwar zu Beginn des Jahres 839 gesetzt, aber in den Annales Bertiniani wird das Ereignis relativ in der Mitte des Jahres verzeichnet. Einen kurzen Bericht, ebenfalls mit der irrigen Datierung 838, bieten die Annalen des Klosters Tiel im Gelderland in den Niederlanden:1637 „In diesem Jahr verschlang eine Überflutung des Meeres viele mit den Gebäuden.“1638 Sie melden nichts von einem Sturm, stellen aber einen klaren Zusammenhang zwischen den eigentlich sicheren Behausungen und den vielen Toten her. Etwas ausführlichere Informationen bietet hingegen der Eintrag in den Annalen von Xanten: „Am 26. Dezember 839 erhob sich ein ungeheurer Wirbelwind, sodass die Fluten des Meeres weit über die Grenzen und Ufer austraten und kläglich einen zahllosen Haufen Menschen in den herumliegenden Höfen und Weilern zugleich mit den Gebäuden wegrafften. Auch

|| 1630 Annales Hildesheimenses, ad a. 839. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 17: Imperatoris anno 27. ventus ingens innumera aedificia subvertit, et multa dampna effecta sunt in 6. Non. Novembris. 1631 Annales Quedlinburgenses, ad a. 839. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 444: Ventus ingens innumera subvertit aedificia, et multa damna effecta sunt in 4. Novembris. 1632 Annales Yburgenses, ad a. 839. Ed. Pertz, MGH SS 16, 436: Ventus ingens innumera subvertit aedificia, et multa dampna facta sunt in 6. Non. Novembris. Eodem anno stella cometes apparuit in signo arietis, et prodigia alia in coelo visa sunt. 1633 Annales Altahenses maiores, ad a. 839. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 5: Ventus ingens II. Non. Novembris aedificia stravit. 1634 Haas, Stürme auf See (2008), 270–272. 1635 Grotefend, Taschenbuch (1991), 16 Anm. 1. 1636 Vgl. Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 17 f. 1637 Rep. Font. 2, 340: Mitte des 14. Jahrhunderts von einem anonymen Autor für die Jahre 693–1345 verfasst. Sie enthalten Nachrichten zur Geschichte von Geldern und Utrecht. 1638 Annales Tielenses, ad a. 838. Ed. Waitz, MGH SS 24, 22: Eodem anno mare inundans multos consumpsit cum edificiis.

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kenternde [vertentes] Flotten auf dem Meer wurden zertrümmert und eine Feuerflamme war über dem ganzen Meer sichtbar.“1639 Der Annalist erwähnt zwar einen starken Sturm (turbo ventus), aber auch bei ihm werden die Menschen gemeinsam mit den Behausungen hinweggerafft. Dies deckt sich wohl weniger mit einer Sturmflut als mit einem Tsunami. Dies wird auch von Prudentius in den Annales Bertiniani herausgestellt. Innerhalb der ausführlichen Schilderung des Jahres 839 ist folgende Nachricht eingeflochten: „Am Tage des Leidens des seligen Erzmärtyrers Stephan, den 26. Dezember, drang das Meer in fast ganz Friesland ein, anders als bei der gewöhnlichen Flut, sodass das Wasser beinahe die Höhe der mächtigen Sandhügel, Dünen genannt, erreichte und, wohin die Flut kam, Menschen wie Tiere und Gebäude mit sich riss. Nach genauer Zählung belief sich ihre Zahl auf zweitausendvierhundertsiebenunddreißig [2437]. Auch konnte man im Februar [840] am Himmel feuerrote und andersfarbige Lichter sehen, sowie häufig Sterne mit einem feurigen Schweif.“1640

Prudentius betont, dass als das Meer in Friesland eindrang, es sich anders verhielt als bei gewöhnlicher Flut (inundatio contra morem maritimorum). Das Wasser türmte sich sehr hoch auf, wie es typisch für einen Tsunami ist. Da der vorherige Rückzug des Meerwassers vom Küstenstreifen nicht genannt wird, scheint das Ereignis zu einer Zeit passiert zu sein, als die Menschen sich bereits oder noch in ihren eigentlich auf vor dem regulär bekannten Ebbe- und Flutrhythmus sicherem Gelände errichteten Behausungen befanden. Es wäre an die Morgen- oder Abendstunden zu denken, sonst wären wohl nicht so viele Personen hilflos in ihren Häusern überrascht worden. Die Quellen scheinen nur einen Tsunami auf dem kontinentalen Teil der Nordseeanrainer nahezulegen, da die englischen oder irisch-schottischen Quellen das Ereignis nicht überliefern. Es bleibt also festzuhalten, dass zwei Naturereignisse in Bezug auf das Meer im Jahr 839 an der kontinentalen Nordseeküste stattfanden: Zum einen gab es Anfang November eine Sturmflut, bei der viele Gebäude durch den Sturm zerstört wurden, was nach Haas auf Windstärken von zehn oder mehr auf der Beaufortskala hinweisen könnte.1641 Zum anderen türmte sich am 26. Dezember 839 das Wasser auf eine Art auf, die für die Zeitgenossen von ihren üblichen Erfahrungen mit dem Meer

|| 1639 Annales Xantenses, ad a. 839. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 10; FSGA 6, 342 f.: Anno DCCCXXXVIIII. VII Kal. Ianuariorum ingens venti turbo ortus est, ita ut fluctus maris valde inundabant supra terminos et litus, miserabiliter innumerabilem turmam humani generis in villis et vicis circumpositis simul cum edificiis consumpserunt. Classes enim in mari verentes disruptae sunt, et flamma ignis supra totum mare visa est. 1640 Annales Bertiniani, ad a. 839. Ed. Grat u. a., 28; FSGA 6, 41: Praeterea die septimo Kalendas Ianuarii, die videlicet passionis beati Stephani protomartyris, tanta inundatio contra morem maritimorum aestuum per totam paene Frisiam occupavit, ut ageribus arenarum illic copiosis, quos dunos vocitant, fere coaequaretur, et omnia quaecumque invlverat, tam hominem quam animalia caetera et domos, absumpserit; quorum numerus diligentisime conprehensus duorum milium quadrigentorum triginta septem relatus est. Acies quoque in caelo ihneas colorumque aliorum mensis Februarii, sed et stellaris igneos crines emittentes crebro videri contigit. 1641 Vgl. Haas, Stürme auf See (2008), 260.

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abwich und durch die Überflutung der Dünen und die Zerstörung der erhöht gelegenen Behausungen auf einen Tsunami hinweisen könnte. Da viele Leute mit oder vielmehr in ihren Häusern von der Flutwelle überrascht wurden, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass die Flut am Abend oder frühen Morgen, jedoch nicht tagsüber, stattgefunden hat. Die Rekonstruktion der Fluthöhe, die Haas bisher vorgeschlagen hat, ist dahingehend zu korrigieren, dass die Tsunamiwelle durchaus die Wurten überspült hat und damit eine Wellenhöhe von vier Metern überschritten wurde.1642 Während es im Jahr 839 zu einer Sturmflut und einem Tsunami an der Nordseeküste kam, lässt sich erst über 160 Jahr später wieder eine Beschreibung eines Tsunamis in den Quellen erkennen. Für die Jahre 1013 und 1014 sind zwei Ereignisse mit unmittelbarem Bezug zum Meer zu trennen. Zunächst soll es am 15. Dezember 1013 beim Zug des königlichen Heeres durch Oberitalien zu plötzlichen Überschwemmungen aufgrund von Regenfällen gekommen sein.1643 Dann soll am 28. September 1014 eine plötzliche Überschwemmung aufgetreten sein, die ihrem Charakter nach einem Tsunami nahe kommt und beiderseits der Nordsee überliefert wurde. Der König zog [nach dem 7. Oktober] 1013 wohl von Augsburg kommend über den Brenner nach Italien. Auf dem Weg des Herrschers mit seinem Heer nach Italien kam es jedoch zu einer Behinderung des Zuges durch plötzliche Überschwemmungen, wie aus den Annalen von Niederaltaich1644 und der Geschichte des Klosters Farfa hervorgeht.1645 Die Angabe der Überschwemmung könnte auf einem Augenzeugenbericht beruhen, denn der Abt des Klosters, Hugo von Farfa, war am Weihnachtsfest in Pavia unter den anwesenden Großen und könnte folglich unter den Teilnehmern des königlichen Zuges gewesen sein.1646 Die Quedlinburger Annalen berichten, dass „am 15. Dezember, am neunten Mond, einem Dienstag, eine sehr große Überschwemmung geschah, die viel Schaden verursachte. Da der König diesen aber gering einschätzte, setzte er die begonnene Reise fort, während sich Arduin in seine Burgen zurückzog,1647 und feierte Weihnachten mit Pracht in Pavia.“1648 Diese Nachricht zeigt, ein Abwägen des Herrschers als Reaktion auf die ihm berichtete oder von ihm erlebte Überschwemmung. Er schätzte

|| 1642 Vgl. Haas, Stürme auf See (2008), 271. 1643 Zur Datierung auf den 15. Dezember, vgl. Hoffmann, Annales Quedlinburgenses (2015), 169. 1644 Annales Altahenses maiores, ad a. 1013. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 17: Ingens eruptio aquarum. 1645 Hugonis Opuscula. Ed. Bethmann, MGH SS 11, 542: Illis denique qui erant intus per viginti dies et eo amplius arefactis pre nimia aquae siccitate ablatae, quadam die inundatio pluviae erupit ex omnibus partibus ipsius castelli, ita ut rivuli essent turbidi. 1646 RI II, 4, Nr. 1790c, 997. 1647 Thietmar von Merseburg, Chronik, 6, 93. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 386; FSGA 9, 342 f. 1648 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1013. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 540: Eodem anno inundatio aquarum nimia facta est, multa damna ferens, XVIII. Calend. Ianuarii, luna nona, feria III. Quod rex parvipendens iter, quod coeperat, peregit, natalem domini Papiae honorifice celebravit. Dienstag 15. Dezember, Neumond am 7. Dezember; vgl. RI II, 4 Nr. 1790b; Curschmann, Hungersnöte (1900), 110.

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sie wohl als nicht so verheerend ein.1649 Welcher Fluss hier über die Ufer trat, ist schwierig zu klären. Die Nachricht einer großen Überschwemmung des Meeres,1650 die sich am 28. September des Jahres 1014 gegen Abend ereignete,1651 scheint als Einzelereignis zunächst nichts Besonderes zu sein. Aber es ist eine Überschwemmung, die vom Meer ausging und die unzählige Tote forderte.1652 Diese Nachricht ist nur kurz überliefert in Chroniken von Klöstern, die in Meersnähe liegen, am ausführlichsten allerdings berichten die Quedlinburger Annalen: „In den westlichen Ländergebieten, in Walcheren und Flandern ereignete sich am Mittwoch, dem 29. September, eine traurige und sehr staunenswerte Sache. Es erschienen schreckliche Wolken, welche drei Nächte lang wunderbarer Weise ganz unbeweglich denen, die es sahen, Warnungen gaben; am dritten Tage aber erhob sich ein unerhörtes Tosen des Donners und wirbelte das Wasser auf, dass es schrecklich anschwoll, und indem es unglaublich wuchs, an den Wolken hing. Als nun die seufzenden Einwohner das Elend des plötzlichen Unglücks an der Höhe der gewaltigen Überschwemmung erkannten und als wie nach dem Tode des abtrünnigen Julian1653 Schiffe auf den Spitzen der Berge schwankten und alles in das alte Chaos zurückfiel, da fingen sie von Todesfurcht ergriffen an den Rücken zu kehren; aber von ihren Sünden behindert kamen viele tausend Menschen plötzlich in den Fluten um, da sie dem zornigen Angesichte des Herren nicht zu entfliehen vermochten.“1654

Die Nennung der besonderen Wolkenformation führte schnell zur Deutung als Unwetter,1655 könnte aber zusammen mit der Erwähnung von drei Tagen auf einen Topos hindeuten. Beschreibungen, wie solche, dass die flüchtenden Menschen vom Wasser eingeholt wurden, sind auch heute noch für rezente Tsunamis in Verwendung. Fasst

|| 1649 Zu Überschwemmungen, die das Heer behinderten, vgl. RI II, 4, Nr. 1790b, 997. 1650 Annales Formoselenses, ad a. 1014. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 35; Ed. Grierson, 126: Inundatio magna maris. 1651 Annales Blandinienses, ad a. 1014. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 25; Ed. Grierson, 24: Hoc anno facta est magna inundatio maris ad vesperas 4. Kal. Octob. 1652 Annales Laubienses, ad a. 1014. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: 4. Cal. Octobris, luna sexta, magna maris inundatio ad vesperam, ubi innumerabiles perierunt; Annales Elmarenses, ad a. 1014. Ed. Grierson, 88: Hoc anno facta est magna inundatio maris ad vesperas IV kal. Octobris. 1653 Julian Apostata, römischer Kaiser 361–363. 1654 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1014. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 544 f.: Res miseranda nimiumque stupenda contigit in partibus occidentalium regionum III. Calend. Octob., feria quarta, Walachi et Flanderi. Horrendae nubes apparuerunt, quae per tres noctes, miro modo immobiles, minas intuentibus dederunt. Tertia vero die tonitrui inauditus fragor adveniens turbavit maria, ut terribiliter intumescerent et incredibiliter crescendo nubibus inhaererent. Cumque gementes incolae repentinae calamitatis miseriam in tantae inundationis mole conspicerent, et sicut post mortem Iuliani apostatae naves ad praerupta montium penderent vel in antiquum chaos omnia redirent, timore mortis percussi terga vertere coeperant. Sed peccatis praepedientibus multa millia hominum subito fluctibus interierunt, quia vultum domini iratum effugere non potuerunt. 1655 Der angehängte Bericht ist keine Exklusivnachricht der Quedlinburger Annalen, wie Giese (MGH SS rer. Germ. 72, 544 Anm. 1414) vermutete.

Tsunamis | 311

man die überlieferten Schilderungen der Ereignisse von 1014 zusammen, bleiben an der Nordseeküste ein Tosen, Schiffe, die auf den Wellenspitzen getragen werden und eine Flucht mit dem Rücken zum Meer, was auf einen Tsunami deuten könnte. Eine ähnlich Nachricht findet sich auch in der Historia Regum Francorum,1656 weiterhin mit der Jahresangabe 1014 in den Annales Formoselenses1657 und Laubienses.1658 Die Regionen Walcheren und Flandern sind von der Nordsee her bedroht. Nachrichten zu dieser Flut gibt es diesmal auch auf der anderen Seite des Kanals in den angelsächsischen Chroniken: „Und dieses Jahr zu St. Michael [29. September] kam die große Meeresflut weit über dieses Land, und lief so weit hinein wie noch nie zuvor und ertränkte viele Häuser und zahllose Menschen.“1659 Auch Simeon von Durham vermerkte: „Im Jahr 1014 am 29. September wurde die Küste vom Meer überschritten und in England viele Dörfer und unzählige Menschen vom Wasser ergriffen“.1660 Die Beschreibung der Flut orientiert sich nicht an dem vom Wind gepeitschten, immer höher werdenden Tidenhub, sondern berichtet von einem einzelnen Wellenberg, der die Schiffe auf die Berge hob und großes Chaos hinterließ. Die Überraschung der Menschen findet in Quellen von beiden Seiten des Kanals Erwähnung, ebenso, dass in ungewöhnlicher Weise Häuser zerstört und Flüchtende mitgerissen wurden. Dies alles spricht eher für einen Tsunami als für eine reguläre Flut. Tab. 25: Überlieferung von Tsunamis und Gebirgsfluten von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Ts-1 551

Ägäisches Meer

Tsunami

Ts-2 563

Genfer See

Gebirgsflut

Ts-3 577

[kein Ort angegeben]

Tsunami?

Ts-4 8. Jh.

Normandie (Evodia)

Tsunami

Schäden

Quellen Gregor von Tours

Genf überflutet

Gregor von Tours Gregor von Tours

Schiffe

Paulus Diaconus

Ts-5 839

Nordseeküste

Tsunami

2437 Tote, Schiffe [zahlreich > 7]

Ts-6 28.09.1014

Küste Englands

Tsunami

unzählige Tote

[zahlreich > 6]

|| 1656 Ex Andreae Marchianensis Historia Regum Francorum. Ed. Waitz, MGH SS 26, 207: Anno 18. Roberti regis facta est magna maris inundatio ad vesperam, ubi innumerabiles perierunt. 1657 Annales Formoselenses, ad a. 1014. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 35; Ed. Grierson, 126: Inundatio magna maris. 1658 Annales Laubienses, ad a. 1014. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: 4. Cal. Octobris, luna sexta, magna maris inundatio ad vesperam, ubi innumerabiles perierunt. 1659 Britton, Meteorological Chronology (1937), 39: And this year on St. Michael’s mass eve came the great sea flood widely through this country, and ran so far up as it never before had done, and drowned many vils, and of mankind a countless number. 1660 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 1014. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 147: Mare littus egreditur iii. Kal. Octobris, et in Anglia villas quamplurimas innumerabilique populi multitudinem summersit.

312 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Festhalten lässt sich abschließend, dass Überflutungen des Meeres multiple Ursachen haben können und eine Zuweisung zu einem bestimmten Ereignistyp im Einzelfall schwierig sein kann. Tsunamis ließen sich hier für die Nordseeküste am 26. Dezember 839 und 29. September 1014 nachweisen. Die Ermittlung der tektonischen Ursachen (Erdbeben, Rutschungen, Vulkanereignisse etc.) muss hier mangels weiterer Quellen offenbleiben. Die taggenauen Datierungen können aber für künftige geologische Forschungen als sichere Anhaltspunkte gelten. Von den Überschwemmungen des Meeres lässt sich ein Viertel als Tsunamis deuten. Von diesen fallen drei (8. Jh., 839, 1014) durch ihre ausführliche Schilderung auf. Die zeitgenössischen Verfasser betonen in ihren Beschreibungen das Besondere, von regulär bekannten Sturmfluten Abweichende der Tsunamis, bei denen sich zunächst das Wasser zurückzieht und dann plötzlich und unerwartet weit über den Küstenstreifen ergießt.

2.15 Beschreibungen vulkanischer Ereignisse Zwar lässt sich die Beschreibung der zweiten Posaune in der Offenbarung des Johannes als Vulkanausbruch lesen, der Verfasser selbst scheint aber keine allzu genauen Vorstellungen von diesem Naturereignis gehabt zu haben. Er schrieb: „Und es wurde [etwas] wie ein großer, feuerglühender Berg ins Meer geworfen, und der dritte Teil des Meeres wurde zu Blut und der dritte Teil der Lebewesen im Meere starb, und der dritte Teil der Schiffe wurde vernichtet.“1661 Der Vulkanismus ist eine wichtige Bedingung für das Klima der Erde, das überwiegend durch den Energiehaushalt innerhalb des Klimasystems vorherbestimmt ist. Dieser wird zum einen bestimmt durch die Strahlungsenergie der Sonne (exogen) zum anderen durch die Energie aus dem Erdinneren (endogen). Die Energie aus dem Erdinneren wurde durch vulkanische Eruptionen freigesetzt.1662 Stabile Klimazustände ergeben sich aus einem ausgeglichenen Zustand zwischen aufgenommener und abgegebener Strahlungsenergie auf der Erdoberfläche und einer ausgeglichenen Verteilung der Energie zwischen den Systemkomponenten (Atmosphäre, Wasser- und Landflächen). Klimaveränderungen (climate forcings) ergeben sich aus der Änderung der externen oder internen Faktoren. Als die vier wichtigsten Faktoren der Klimaveränderung gelten: 1) die meridionale Verteilung der aufgenommenen Globalstrahlung, vorherbestimmt durch die orbitalen Zyklen (Milankovitsch-Zyklus etc.) zwischen Erde und Sonne; 2) gelegentliche Vulkanausbrüche, die die Albedo der Atmosphäre und damit deren Energiehaushalt || 1661 Offb 8,8: Et secundus angelus tuba cecinit. Et tamquam mons magnus igne ardens missus est in mare: et facta est tertia pars maris sanguis, et mortua est tertia pars creaturarum, quae in mari sunt, quae habent animas, et tertia pars navium interiit. 1662 Vgl die ausführlichen Literaturangaben: Loughlin, Volcanoes (2013), 1077–1088.

Beschreibungen vulkanischer Ereignisse | 313

ändern; 3) Veränderungen der Sonnenstrahlung und 4) Veränderungen der atmosphärischen Komponenten, welche die Absorption und Emission der thermischen Strahlung beeinflussen („Treibhauseffekt“).1663 Vulkanausbrüche sind deshalb so wichtig für die vorliegende Untersuchung, weil vulkanisch hervorgebrachte Aerosole, vor allem Schwefelverbindungen wie Schwefeldioxid (SO4), in den oberen Schichten der Atmosphäre, also der sogenannten Stratosphäre, nicht nur zu Veränderungen der Witterung, sondern auch des Klimas führen können.1664 Demgegenüber ist das Ausmaß des Einflusses vulkanischer Aerosole in der Troposphäre nur regional begrenzt. Das Gesamtausmaß ist zwar noch in der Diskussion,1665 dass Vulkane einen Einfluss auf die Atmosphäre haben können, ist gleichwohl unstrittig.1666 In der Tendenz scheint zu gelten, je mehr Material umso höher in die Atmosphäre verdriftet wird, desto mehr werden die Faktoren, die zu Klimaänderungen führen können, beeinflusst. Die Zusammenhänge wurden bezüglich der Winter1667 und des sonstigen Einflusses auf die Gesellschaften untersucht.1668 Hierzu noch einige Anmerkungen zu den vulkanologischen Zusammenhängen: Indem Vulkane ausbrechen, entlassen sie eine große Menge von Feinstoffen und Gasen1669 in die Atmosphäre, was in der Folge zu Ascheregen führt.1670 Diese Aschepartikel lagern sich je nach herrschender Windrichtung ab und bilden Schichten, die dem Vulkanausbruch zugeordnet werden können. Besonders auf den Eisflächen von Gletschern, die jahrweise durch Neuschneeschichten abgedeckt werden, haben sich solche Vulkanascheschichten erhalten. Eine Schlüsselrolle bei der Analyse spielen dabei die abgelagerten Sulfate, denn für diese wird angenommen, dass sie die Einstrahlung der Sonne in der oberen Atmosphäre reflektieren und damit zu einer Abkühlung der darunter befindlichen Erdoberfläche führen können. Dies kann sich wiederum in Witterungsschwankungen ausdrücken. Deshalb können Sulfatschichten im Gletschereis einen Hinweis auf Witterungsschwankungen darstellen. In Folge der Veröffentlichung der Sulfat-Zeitreihen der Eiskernbohrungen1671 GISP 2 in den 1990er-Jahren wurden einige Witterungsschwan-

|| 1663 Cole-Dai, Volcanoes (2010), 824 f. 1664 Lamb, Klima und Kulturgeschichte (1989), 76 f. 1665 Wegmann u. a.: Volcanic influence (2014), 3683–3691. 1666 Behringer, Kulturgeschichte des Klimas (2007), 92–97; Schönwiese, Klimaänderungen (1995), 83–86. Stothers, Volcanic Eruptions (2009), 976–980. 1667 Ludlow u. a., Medieval Irish chronicles (2013), 024035. 1668 Kostick/Ludlow, Dating of Volcanic Events (2015), 7–30. 1669 Heggie, Volcanic Gas (2013), 1076 f. 1670 Wilson/Stewart, Volcanic Ash (2013), 1074–1076. 1671 Forschungsüberblick: Svensson, Ice Cores (2015), 341–348.

314 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

kungen zusammengestellt, für die angenommen wird, sie könnten durch Vulkanausbrüche induziert worden sein.1672 In methodischer Hinsicht wurden dazu in den Eisbohrkernen die stark abweichenden Spitzenwerte datiert und es wurde versucht, diese mit historischen Ereignissen zu synchronisieren. Ein gegenüber den kritisierten Eiskernbohrungen methodisch völlig anderer Ansatz, bei dem die Ablagerungen eines Vulkanausbruchs in teilweise beträchtlicher Entfernung vom Ausbruchsort dokumentiert werden, stellt die Methode des Archäomagnetismus dar.1673 Der Archäomagnetismus beruht wie der Paläomagnetismus auf zwei Grundannahmen: Bei einem Vulkanausbruch tritt heißes „Magma“1674 aus der Erdoberfläche, es wird dann als „Lava“ bezeichnet.1675 Kühlt die Lava ab, dann kühlen ebenso die in ihr enthaltenen magnetischen Mineralien ab. Wird dabei der CuriePunkt unterschritten, der für Magnetit bei 580°C liegt, verfestigen sich die Magnetitkristalle in der Ausrichtung und Stärke des geomagnetischen Feldes. Diese Signatur des Erdmagnetfeldes bleibt damit in den Mineralgesteinsstrukturen bestehen. Zum Zweiten konnte beobachtet werden, dass das geomagnetische Feld der Erde sich über längere Zeitspannen von Jahrzehnten und Jahrhunderten grundlegend verändert. Diese geomagnetic secular variation (GSV) drückt sich in Veränderungen der Deklination (D)1676 und der Inklination (I)1677 aus. Die Änderungen der Lage und Stärke des Erdmagnetfeldes konnten in letzter Zeit immer genauer rekonstruiert werden. Deshalb ist es mittlerweile möglich, anhand der sogenannten large sample-method, bei der aus umgrenzten erstarrten Lavamassen Proben gezogen und bestimmt werden, vergleichsweise genaue Datierungsangaben vorzunehmen.1678 Diese Methodik bietet gegenüber den Ergebnissen der Eiskernbohrungen zwei Vorteile: Zum einen ist der unmittelbare Verursacher des Ausbruches durch die räumliche Nähe bekannt, zum anderen kann die Datierung teilweise genauer sein als bei anderen Methoden.1679 Robock stellte aufgrund umfangreicher Literaturauswertung den Forschungsstand für das Jahr 2000 über die möglichen Zusammenhänge der großen, explosiven Vulkanausbrüche auf Witterung und Klima (siehe Tabelle 26) zusammen.1680 Einen Zusammenhang zwischen den Vulkanausbrüchen und Veränderungen der Witterung haben wohl erstmals Plutarch und andere antike Autoren bezüglich einer Eruption des Vulkans Ätna im Jahr 44 v. Chr. hergestellt: Diese habe die Sonne verdunkelt und

|| 1672 Zielinski u. a., Evidence (1995), 129–140. 1673 Vgl. Calvo-Rathert, Magnetic Chronology (2015), 298–301. 1674 Vgl. Hickson/Spurgeon/Tilling, Magma (2013), 639 f. 1675 Vgl. Buchwaldt, Lava (2013), 623 f. 1676 Missweisung bezeichnet den Winkel zwischen magnetischer und geographischer Nordrichtung. 1677 Die Inklination ist der Winkel, mit dem die Feldlinien des geomagentischen Feldes durch die Erdoberfläche treten. 1678 Tanguy u. a., History of Italian Volcanoes (2009), 349–360. 1679 Vgl. Tema, Archaeomagnetic Research (2011), 213–234. 1680 Robock, Volcanic eruptions (2000), 202.

Beschreibungen vulkanischer Ereignisse | 315

aufgrund der daraus resultierenden Abkühlung sei das Getreide geschrumpft. Dies hätte zu Hungersnöten in Ägypten und Rom geführt.1681 Solche Ursachenreihungen sind in antiken und mittelalterlichen Quellen keine Seltenheit. Trotzdem geht die moderne (vor allem die englischsprachige) Forschung davon aus, dass danach, bis zu Benjamin Franklin am Ende des 18. Jahrhunderts, niemand mehr solche Zusammenhänge beschrieben haben soll.1682 Zuletzt hat Behringer eine vorbildlich ins Detail gehende Darstellung des Tambora-Ausbruchs im Jahr 1815 und seiner globalen Folgen in den Jahren danach zusammengestellt.1683 Aufgrund des Jubiläumsjahres sind zu diesem Vulkanausbruch weitere Studien vorgelegt worden.1684 Tab. 26: Auswirkungen vulkanischer Eruptionen (verändert nach Allan Robock)

Anfang

Dauer

Blockierung kurzwelliger Strahlung Verringerung der täglichen und Emission langwelliger Strahlung Zyklen

unmittelbar

1–4 Tage

Blockierung kurzwelliger Strahlung, verringerte Evaporation

Verringerung der tropischen Niederschläge

1–3 Monate 3–6 Monate

Blockierung kurzwelliger Strahlung

Sommerabkühlung der nordhemisphärischen Tropen und Subtropen

1–3 Monate 1–2 Jahre

Absorption kurz- und langwelliger Strahlung in der Stratosphäre

Erwärmung der Stratosphäre

1–3 Monate 1–2 Jahre

Absorption kurz- und langwelliger Strahlung in der Stratosphäre

Wintererwärmung der nordhemisphärischen Kontinente

6 Monate

1–2 Winter

Blockierung kurzwelliger Strahlung

Globale Abkühlung aufgrund eines Vulkanausbruchs

unmittelbar

1–3 Jahre

Blockierung kurzwelliger Strahlung

Globale Abkühlung aufgrund mehrere Vulkanausbrüche

unmittelbar

10–100 Jahre

Verdünnung, heterogene chemische Reaktionen auf die Aerosole

Ozonabnahme, erhöhte UVStrahlung

1 Tag

1–2 Jahre

Mechanismus

Auswirkung

Die Vulkanologen unterscheiden explosive Ausbrüche von effusiven. Bei explosiven wird das in den Magmenkammern angesammelte Magma in einem vergleichsweise

|| 1681 Vgl. Forsyth, Wake of Etna (1988), 49–57. 1682 Stothers/Rampino, Volcanic Eruptions (1983), 6358 f. 1683 Behringer, Tambora und das Jahr ohne Sommer (2015). 1684 Wood, Tambora (2015); Klingaman, Year without summer (2013); Luterbacher/Pfister, Year without a summer (2015), 246–248; Krämer, „Menschen grasten nun mit dem Vieh“ (2015).

316 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

kurzen Zeitraum in die Atmosphäre injiziert. Durch diese explosionsartige Freisetzung werden die verschieden großen Feststoffe, Feinstoffe und Gase sehr hoch in die Atmosphäre geschleudert und können sich sehr weit vom Ausbruchsort entfernt verteilen. Demgegenüber reißt bei einem effusiven Ausbruch die Erdoberfläche stellenweise auf, ohne einen Vulkankegel auszubilden und setzt dabei das Magma frei, die dann eher mehr fließend als explodierend in die Atmosphäre entlassen wird. Ausbrüche von Vulkanen zählen auch heute noch zu den spektakulären Naturereignissen, die den Menschen einen Eindruck ihrer beschränkten körperlichen Größe zu geben vermögen. Die antiken Vulkanausbrüche, besonders jener des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr., haben die Wahrnehmung und Erinnerung nicht nur der Zeitgenossen nachhaltig beeinflusst.1685 So sind es vor allem die Vulkane des Mittelmeerraumes – Vesuv, Ätna oder der namensgebende Volcan –, die das Bild der Menschen von Vulkanausbrüchen auch im Früh- und Hochmittelalter beeinflussten.1686 Zu Beginn des 12. Jahrhunderts traten Berichte und Schilderungen der Ausbrüche der isländischen Vulkane hinzu, seit im Jahr 1104 der Vulkan Hekla spektakulär ausgebrochen war und gut als „Werbeinstrument“1687 für interessierte Besucher Islands benutzt werden konnte. Bei Papst Gregor I.1688 und, diesem folgend, bei Isidor von Sevilla stellt der Ätna etwa den Eingang zum Totengericht und zur Hölle dar.1689 Im Spätmittelalter wurde dann dementsprechend der Eingang zur Hölle nach Island verlegt. Umfassende Zusammenstellungen von Vulkanausbrüchen in Bezug auf geologische und historische Epochen gibt es einige. Allen voran sind die wiederholt verbesserten und neuaufgelegten Ausgaben des Standardwerkes „Volcanoes of the World“ von Siebert, Simkin und Kimberly zu nennen, die für weltweit alle Vulkane und auch für die hier betrachtete Epoche und den Raum viele Informationen beinhalten.1690 Weitere allgemeine Zusammenstellungen mit teilweise brauchbaren Quellenhinweisen enthält auch der bereits oben genannte Katalog von Sapper.1691 Speziell für den Mittelmeerraum1692 sind weiterhin die Zusammenstellungen von Guidoboni1693 und Agnello1694 zu nennen sowie für Island

|| 1685 Thommen, Umweltgeschichte (2009), 116–120. 1686 Lindgren, Vulkan, Vulkanismus (1997), 1881 f. 1687 Kellerer-Pirklbauer/Eulenstein, „Eingang der Hölle“ (2003), 239–262. 1688 Gregor der Große, Dialoge 4, 30: infernus Theoderici. Papst Gregor beschreibt die Vision eines Inselbewohners, in welcher der Ostgotenkönig Theoderich barfuß und in Ketten von Symachus und Papst Johannes, die er beide zu seinen Lebzeiten verfolgt hatte, in den Krater geworfen worden sei. 1689 Briefe d. dt. Kaiserzeit 4,2: Die Briefe des Petrus Damiani Nr. 41–90, 358 Anm. 73. 1690 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes of the World (2010). 1691 Sapper, Katalog der geschichtlichen Vulkanausbrüche (1917). 1692 Cerbai/Principe, Bibliography of historic activity (1996). 1693 Guidoboni, Fuochi della terra (2013), 673–704. 1694 Agnello, Terremoti ed eruzioni vulcaniche (1992), 73–112.

Beschreibungen vulkanischer Ereignisse | 317

jene von Thoroddsen1695 und Krikbride.1696 Bei diesen Zusammenstellungen geht es fast ausschließlich um die Sammlung sicherer Datierungen und gesicherten Wissens von Vulkanausbrüchen. Den Schritt, die Zusammenhänge historisch-mittelalterlicher Vulkanausbrüche mit Veränderungen des Wetters oder gar des Klimas zu verbinden, unternahmen in größerem Umfang naturwissenschaftlich geprägte Forscher wie Richard B. Stothers.1697 Andere Forscher wie Keen1698 oder Lamb1699 untersuchten ähnliche Zusammenhänge. Stothers ging zwar aus geschichtswissenschaftlicher Sicht sehr positivistisch an die Datensuche heran, gleichwohl hat er akribisch viele Quellen zusammengestellt und seine Texte bilden eine gute Ausgangsbasis für die weitere Diskussion. Stothers blieb immer offen, hilfreiche Hinweise zu neueren Forschungen von ihm bereits bearbeiteter Gebiete zu geben, wie etwa zu den vulkanischen Ereignissen der Jahre 536, 934 oder 1258. Sein besonderes Interesse galt dem sogenannten „Höhennebel“ (dry fog), der entsteht, wenn bei einem extremen Vulkanausbruch große Mengen Schwefeldioxid (SO2) bis in die Stratosphäre gelangen und dort ein bis drei Jahre umgewälzt werden,1700 was zu Klimaänderungen führen kann.1701 Zuletzt haben besonders McCormick/Dutton/Mayewski1702 (climate forcing) und Atwell (short term Climatic Change) für die Epoche des Mittelalters in diese Richtung argumentiert.1703 Vor allem nach der Aufstellung von McCormick, die verbreitet rezipiert worden ist, sollen die Extremwinter der folgenden Jahre durch vulkanische Aktivitäten ausgelöst worden sein: 763–764, 821–822, 823–824, 855–856, 859–860, 873–874, 913 und 939–940.1704 Die Studie von McCormick/Dutton/Mayewski beruht auf den Sulfatzeitreihen der GISP- und GRIP-Eisbohrkernprojekte.1705 Allerdings konnten für zwei Spitzenwerte in den Sulfatreihen der Jahre 7571706 und 900–902 keine Quellenbelege

|| 1695 Thoroddsen, Geschichte der isländischen Vulkane (1925). 1696 Kirkbride/Dugmore, Two millennia of glacier advances (2008), 398–411. 1697 Richard B. Stothers (1939–2011) wurde nach Erlangung seines Ph.D. in Harvard permanenter Mitarbeiter am NASA Goddard Institute for Space Studies. Obwohl er Mathematik und Astrophysik studiert hatte, forschte er in seine letzten zwei Lebensdekaden überwiegend zur Klimageschichte, indem er aus zeitgenössischen Quellen Informationen über mögliche Klimaänderungen extrahierte. Vgl. den Nachruf im Princeton Alumni Weekly 112/6 vom 18. Januar 2012, https://paw.princeton.edu/issues/2012/01/18/sections/memorials/6761/index.xml (24.10. 2015). 1698 Keen, Volcanic Aerosols (1983), 1011–1013. 1699 Lamb, Volcanic dust (1970), 425–533. 1700 Stothers, Volcanic Dry Fogs (1999), 713–723; Stothers, Cloudy and clear stratospheres (2002), 4718. 1701 Stothers, Volcanic eruptions and climate change (2009), 976–979; Rampino/Self/Stothers, Volcanic winters (1988), 73–99. 1702 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 865–895. 1703 Atwell, Volcanism and Short-Term Climatic Change (2001), 29–98. 1704 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 878–889. 1705 Zielinski u. a., Evidence (1995), 129–140. 1706 Vgl. Kostick/Ludlow, Dating of Volcanic Events (2015), 21: „Further work on the historical record is warranted to examine the climatic impact of the first eruption, which may correspond to a Central

318 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

für mögliche Witterungsanomalien gefunden werden. Das Hauptproblem dieser Studien ist oft eine zu unkritische Einbeziehung naturwissenschaftlicher Datenreihen, vor allem der Dendrochronologie1707 und der Eisbohrkerne.1708 Ein methodisches Problem dieser Art von Zusammenstellungen, in denen zu scheinbar naturwissenschaftlich gesicherten Datenwerten anschließend historische Quellenmaterialien hinzugesucht werden, besteht in der Gefahr von Zirkelschlüssen, weil die historischen Quellen an ein bestehendes theoretisches Modell angepasst werden, anstatt ergebnisoffen zu versuchen ein theoretisches Modell zu finden, mit dem die überlieferten historischen Belege möglichst gut erklärt werden können. In vielen dieser Studien werden scheinbar unveränderlich feste, fehlerfreie und valide naturwissenschaftliche Datensätze präsentiert. Die Unsicherheiten werden im Allgemeinen mit 2,5 Jahren angegeben, können aber zwischen zwei1709 und sieben Jahren schwanken.1710 Neuere Untersuchungen versuchen die Genauigkeit auf ein Jahr Schwankungsbreite zu verbessern. Befand sich aber beispielsweise eine Luftblase in der Eiskernbohrprobe, die zu einem Verlust der Messergebnisse und einem sogenannten Datengap geführt hat, wird für die Anbindung der zeitlich davorliegenden Datenreihe auf historische Daten zurückgegriffen. Damit kommt den tie-points oder age markern aus narrativen Quellen nach wie vor eine fundamentale Rolle zu, wie einige Forscher auch schreiben: „only volcanic signals from historically documented eruptions have been used to tie the absolute ages“.1711 Da diese historischen Quellen allerdings in diesen Studien nicht quellenkritisch geprüft werden, kommt es zu Zirkelschlüssen mit fatalen Folgen, wovor zuletzt auch Kostick/Ludlow gewarnt haben.1712 Martin Bauch konnte für diese methodisch äußerst schwierige Vorgehensweise anhand der benutzten historischen Materialien in Bezug auf den Vulkanausbruch 1464 nachweisen, dass viele Forscher, bei genauer Sicht, falsche Ergebnisse ungeprüft übernommen hatten (teilweise sogar nur abgeschrieben hatten, ohne die ursprüngliche Publikation zu kennen).1713 So fußen viele Datenreihen auf falschen Grundlagen ungeprüfter historischer Daten.

|| European summer temperature minimum in 757“, aufgrund von: Büntgen u. a., 2500 Years (2011), 578–582. 1707 Die Dendrochronologie ist eine auf dem Auszählen von in bestimmbaren Zeitintervallen gewachsenen Schichten von Bäumen beruhende absolute Datierungsmethode. 1708 Die Eiskernbohrdatierung ist eine auf dem Auszählen von in bestimmten Intervallen abgelagerten Schichten von Niederschlag/Schnee beruhende absolute Datierungsmethode. 1709 Sigl u. a., New bipolar ice core record (2013), 1160 f. 1710 Plummer u. a., An independently dated 2000-yr volcanic record (2012), 1936 f. 1711 Sigl u. a., A new bipolar ice core record (2013), 1153. 1712 Kostick/Ludlow, Dating of Volcanic Events (2015), 7–30. 1713 Bauch, Vulkanisches Zwielicht (2015), 4 f. Anm. 18: „Die ausnahmlos anzutreffende bibliographische Angabe des (…) Abstracts von Pang verweist auf den Publikationsort ‚Eos. Transactions of the AGU 74 (1993), S. 106‘. Die genannte Seitenzahl existiert in keinem der beiden Teilbände 74/9 und 74/10; natürlich findet sich auch Pangs Abstract nicht hier. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Angabe von Publikation zu Publikation übernommen, aber nie überprüft wurde.“

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Um derartige methodischen Probleme zu vermeiden, wird im Folgenden zunächst eine Aufstellung zeitgenössischer und weitgehend unstrittiger Quellenstellen zu Vulkanausbrüchen erarbeitet und streng getrennt davon eine Aufstellung anderer, möglicherweise in Verbindung dazu stehender Ereignisse (harte Winter, Hungersnöte etc.) aufgelistet. Erst aufgrund dieser getrennt erstellten Datengrundlagen kann eine methodisch fundierte Suche nach Koinzidenzen erfolgen. In späteren Schritten ließe sich dann noch überprüfen, wie die naturwissenschaftlich erarbeiteten Daten zu diesen Ergebnissen passen.1714 Die quellenkritische Herangehensweise der Historiker zur Rekonstruktion von Witterungs- und Klimaereignissen ist insofern notwendig, als andere Wissenschaftler deutlich zu unkritisch mit den zeitgenössischen Quellen umgehen, damit fehlerhafte Datenreihen hoher Überzeugungskraft produzieren und dabei die im Kern chronologische Problematik verkennen. Hier wird eben nicht mehr Rankes positivistisches Geschehen rekonstruiert,1715 sondern eben die Rahmenbedingungen (Raum und Zeit), in denen sich die Prozesse von Strukturänderungen abspielen können (nicht müssen). Im vorliegenden Kapitel ist der Raum klar an die natürlichen Standorte der Vulkane gebunden und die Zeit wird durch Phasen erhöhter Aktivität dieser Vulkane vorgegeben. Zum bekannten „Überlieferungszufall“1716 gesellt sich hier noch eine Art „Beobachtungszufall“, wohnen doch nicht neben jedem Vulkan Menschen, die ihre Beobachtungen aufgezeichnet haben. Es gibt jedoch Zufälle wie im Jahr 968, als Reisende sich in der Nähe eines Vulkanausbruchs aufhielten, diesen beobachteten und das Beobachtete in der Folge aufzeichneten. Der Begriff „Vulkan“ leitet sich von der namensgebenden Insel Volcano (im Altertum Thermessa, Therasia, Hiera, Vulcania etc.) ab. Dazu schrieb bereits Cassiodor: „(…) Die Insel Vulkan, die ihren Namen von Vulcan, dem Gott des Feuers hat, zerbarst in einer Explosion am Tag als Hannibal das Gift am Hof von König Prusias [von Bithynien] nahm. Es ist besonders bemerkenswert, dass der Berg solch eine Vielzahl an Flammen hat obwohl noch die Hälfte von den Wellen des Meeres versteckt werden.“1717 Die Vulkanausbrüche, ihre Begleiterscheinungen (heiße Quellen, austretende Gase an Solfataren, Auswurf von Bimsstein etc.), aber auch Erdbeben wurden seit der Antike mit Interesse beobachtet und beschrieben.1718 An Berichten und Überlegungen dazu wurden im Früh- und Hochmittelalter vor allem Aristoteles (Meteor. 2,

|| 1714 Zu den Ereignisketten vgl. Kap. 5.1.3 Topoi: Vorzeichen von Herrscherwechsel. 1715 Herrmann, Umweltgeschichte (2013), 7, 91. 1716 Esch, Überlieferungs-Chance (1985), 529–570. 1717 Cassiodorus, Variae 3, 47, ad a. [507/511]. Ed. Mommsen, MGH Auct. Ant. 12, 103; Letters of Cassiodorus. Ed. Hodgkin, 222: Fausto ppo Theodoricus rex (…) Memorant autem aevi pristini servatores hanc insulam ante aliquot annos undarum rupto terrore imitus erupisse, cum Hannibal apud Prusiam Bithyniae regem veneno secum ipse pugnavit, ne tantus dux ad Romanorum ludibria perveniret. plus inde mirabile, ut mons tanta flammarum congregatione succensus marinis fluctibus haberetur absconditus et ardor ibi indesinenter viveret, quem tanta unda videbatur obruere. 1718 Vgl. Lindgren, Vulkan, Vulkanismus (1997), 1881 f.

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7, 8), die Briefe Plinius‘ des Jüngeren an Tacitus sowie die Darstellungen bei Seneca (Naturalium quaestionum 3 und 4) rezipiert. Auch Isidor von Sevilla hat sich ausführlich mit Vulkanen beschäftigt. Seine Darstellungen sind jeweils bei den folgenden Besprechungen der einzelnen Vulkane integriert. Lindgren betont, dass Isidor den Begriff „Vulkanismus“ ausdrücklich mit den Äolischen Inseln verbunden hat.1719 Im Mittelmeerraum galten als Ursachen für den Vulkanismus und für Erdbeben in der Antike die Winde, die Ausdünstungen (ventus, flatus, vapor, spiritus), deren Auswirkungen auf die meteorologischen und physikalischen Beobachtungen in Analogie zu den Wirkungen der Gase beim Verdauungsprozess betrachtet wurden. Überraschenderweise sind Berichte über Lava, die schon optisch und sinnlich ein außergewöhnliches Naturereignis darstellt, vergleichsweise spärlich. Im mediterranen Raum hat Strabon sie treffend als „Glutströme“ bezeichnet.1720 Anders, aber ebenfalls an direkter Beobachtung des Naturereignisses orientiert, sind die Darstellungen der isländischen Vulkanausbrüche. Die Schilderung der Lava eines Vulkanausbruchs im Landnámabok spricht von einem „Erdfeuer“ (jarðeldr). Mit der Christianisierung, die in Island kurz vor dem Jahr 1000 verstärkt einsetzte und vergleichsweise schnell umbzw. durchgesetzt wurde, sollten dann auch Lavaströme in der Argumentation instrumentalisiert werden. So findet sich bezüglich des Ausbruchs des Vulkans Hellisheiði im Jahr 1000 die Beschreibung eines Lavastromes, der den Hof eines Christen bedrohte habe. Dies als Zorn der Götter über die Christen zu deuten, wurde allerdings von den Zeitgenossen mit dem Hinweis auf ältere Lavaspuren abgelehnt, die zu einer Zeit entstanden sein mussten, als Island noch gar nicht von Christen bewohnt war.1721 Die Darstellung der Vulkanausbrüche bzw. der Begleiterscheinungen (Bimssteine etc.) folgte im frühen und hohen Mittelalter oft eigenen Beobachtungen. Die mittelalterlichen Zeitgenossen haben vulkanische Aktivität überwiegend von den mediterranen Vulkanen, dem Vesuv, dem Ätna und den griechischen Vulkaninseln gekannt. Der Vulkanismus in Island ist mehr als Gerücht wahrgenommen worden. Diese verschriftlichten Beobachtungen werden im Folgenden den einzelnen Vulkanen chronologisch zugeordnet und am Ende in einer Gesamtliste der in historischen Quellen genannten Vulkanbeobachtungen zusammengestellt. Die folgenden im Mittelalter aktiven Vulkane sind hier nach Regionen geordnet: Auf die italienischen Vulkane (Ätna, Vesuv) folgen die griechischen Vulkane (Santorin, Vulcan) und zuletzt die isländischen Vulkane (Eldgjá, Katla). Der Zusammenhang zwischen Vulkanismus sowie Witterungs- und sogar Klimaveränderung ist unstrittig. Da sich heftige Vulkan-

|| 1719 Isidor von Sevilla, Etymologiarum libri, 14, 6, 37. Ed. Lindsay, Bd. 2; Isidor, Enzyklopädie. Ed. Möller, 536: quoniam nocte ardent, Aeoliae sive Vulcaniae dicuntur. 1720 Strabo. Ed. Jones, 6, 2, 3, 6–7, 66–69. 1721 Lindgren, Vulkan, Vulkanismus (1997), 1881 f.

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ausbrüche zudem sehr gut als Zeitmarker, beispielsweise bei der Dendrochronologie,1722 eignen, wurden sie von naturwissenschaftlichen Disziplinen in der Vergangenheit verstärkt erforscht. Dafür wurden auch historische Quellen ausgewertet und durch die „Brille der Naturwissenschaft“ betrachtet. Methodisch schwierig ist das Vorgehen dort, wo ein naturwissenschaftlich begründetes Modell nur noch bestätigt werden soll.

2.15.1 Der Ätna Der Ätna auf Sizilien ist Europas aktivster und mit 3323 Metern auch höchster Vulkan.1723 Isidor von Sevilla bezeichnete ihn in seiner Etymologie als den Eingang zur Hölle: „Der Berg Ätna ist so benannt nach Feuer und Schwefel, wie auch Gehenna.1724 Es steht aber fest, dass er an dem Teil, wo Eurus und Africus wehen, Höhlen hat, die voll sind mit Schwefel und bis zum Meer reichen, welche, wenn sie Fluten in sich aufnehmen, einen Wind verursachen, der, angetrieben, Feuer aus Schwefel verursacht. Daher kommt es auch, dass man einen Brand sieht“.1725 Beschreibungen von Ausbrüchen des Ätna sind bereits aus der Antike bekannt.1726 Für den Untersuchungszeitrahmen enthält der Katalog von Sapper vier Ausbrüche dieses Vulkans: 812?, 836, Mitte 11. Jh. und 1064.1727 Dagegen beschränken sich Siebert/Simkin/Kimberly auf zwei Ereignisse (417, 1063), halten sieben für fragwürdig und weisen drei (500, 560, 604) zur Gänze zurück.1728 Die mit Hilfe des Archäomagnetismus datierten Lavaströme des Ätna von Tanguy u. a. enthalten folgende acht Angaben: ~600, ~700, ~950, ~1000, ~1020, ~1030, 1062?, ~1160.1729 Demgegenüber ist die historische Überlieferung zum Ätna insgesamt relativ dünn: Nach einer Nachricht Fredegars schlug – etwa in der

|| 1722 Biondi, Dendrochronology (2015), 221–227. 1723 Tanguy u. a., Mount Etna eruptions (2007), 55–83; Cappello u. a., Probabilistic modeling (2013), 1925–1935. 1724 Ort im biblischen Juda, bezechnet eine Schlucht im Süden der Altstadt von Jerusalem, deren Name später in prophetischen Texten auf ein als Strafort gedachtes Totenreich übertragen wurde. Vgl. Bailey, Gehenna (1986), 187–191. 1725 Isidor von Sevilla, Etymologiarum libri, 14, 8, 14. Ed. Lindsay, Bd. 2; Isidor, Enzyklopädie. Ed. Möller, 512 f.: Mons Aethna ex igne et sulphure dictus; unde et Gehenna. Constat autem hunc ab ea parte, qua Eurus vel Africus flat, habere speluncas plenas sulphuris et usque ad mare deductas, quae speluncae recipientes in se fluctus ventum creant, qui agitatus ignem gignit ex sulphure; unde est quod videtur incendium. 1726 Strabo. Ed. Jones, 6, 2, 9, 90–93. 1727 Sapper, Katalog (1917), 31 f. 1728 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 52 f., Nr. 0101-06: 644 (?), 812 (?), 814 (?), 859 (?), 911 (?), 1004 (?), 1044 (?), 1063a. 1729 Tanguy u. a., History of Italian Volcanoes (2009), 349–360, Nr. 40.

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Zeit als Rom brannte, also 4101730 – aus dem Berg Ätna Feuer hervor.1731 In seiner Darstellung De cursu stellarum ratio stellte Gregor von Tours den Ätna als eines von sieben Wundern, die Gott selbst gewirkt habe, den sieben Wundern der Alten Welt gegenüber, die von Menschen geschaffen wurden. Nach drei Wundern 1) Ebbe und Flut, 2) dem Wachstum der Pflanzen und 3) dem Phönix folgt eine Beschreibung des Ätnas beruhend auf der Darstellung in Vergils Aeneis: „Das vierte was er gab, ist der Berg Ätna auf der Insel Sizilien wovon Punleus Mantuanus im dritten Buch so spricht: Still ist die Bucht, vor den Winden geschützt und riesig sie selber; aber mit grausem Gekrach tobt donnernd daneben der Aitna / Stößt von Zeit zu Zeit zum Aither ein schwarzes Gewölk auf / Wirbel von rußigem Dampf und Asche mit sprühenden Funken / Wälzt Glutknäuel empor und leckt die Gestirne des Himmels.“1732 Interessanterweise lässt Gregor die drei folgenden Zeilen Vergils, die Charakteristisches zu dem Vulkan aussagen, weg: „Felsen zuweilen sogar und des Bergs zerrissenes Gekröse / Speit er mit Zuckungen aus und rollt die geschmolzenen Steine / Ächzend hinauf in die Luft und tobt vom untersten Grund auf.“1733 Stattdessen fährt Gregor fort: „Aber auch wenn in den Felslöchern, aus denen Flammen ausströmen, waren sie ausgelöst, bald erbrachen sie sich.“1734 Daraufhin zitiert Gregor eine Stelle des weniger bekannten Iulius Titianus: „Erinnert sei auch an die Worte, die Iulius Titianus zu diesen Bergen sagte: Die vier größten Berge auf Sizilien1735 sind der Ericus, Nebrodes, Neptunius und der Ätna, bei welchem man oft Flammen und Feuerwirbel sieht.“1736 Die Nennungen des Ätna, der auch zeitgenössischen Beobachtern einen lebendigen Eindruck von vulkanischer Aktivität vermittelt hat, tauchen in den Quellen immer wieder auf, deuten aber immer auf effusive, also nicht explosive Beobachtungen.

|| 1730 Meier/Patzold, August 410 (2010). 1731 Fredegar, Chronik, 2, 27. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 52: Ex Aetna monte ignis erupit. 1732 Gregor von Tours, De cursu stellarum ratio, 13. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 1.2, 411: QUARTUM est Ethna mons Siciliae insulae datus, qui vivis ardoribus exaestuat, flammasque evomens validas, ac terribiliter regione sulphor eructuat; de quo Publeus Mantuanus in tertio Ineidum libro ita ait: Portus ab accessu ventorum inmotus et ingens / Ipse, sed horrefecis iuxta tonat Ethna ruinis, / Interdumque atra prorumpit ad aethera nubem / Turbine fumantem piceo et candente favilla, / Adtollitque globos flammarum et sidera lambit. 1733 Verg. Aen. 3, 575–578: (…) interdum scopulos avulsaque viscera montis / erigit eructans, liquefactaque saxa sub auras / cum gemitu glomerat fundoque exaestuat imo. Vgl. Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur (1911), 222. 1734 Gregor von Tours, De cursu stellarum ratio, 13. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 1.2, 411: Sed et si qua in foraminibus, ande haec egrediuntur flammae, iniecta fuerint, mox evomuntur. 1735 Auch bei Solin. 5, 12 werden diese vier Gebirgszüge genannt, vgl. Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur (1911), 222. 1736 Gregor von Tours, De cursu stellarum ratio, 13. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 1.2, 411: Meminet et huius montis et illo Iulius Titianus his verbis, dicens: Montes maximi in Sicilia quattuor, Ericus, Nebrodes, Neptunius et Ethna, quem videns saepius flammas e vertice volvere, idque sentire orbis prope fide credentium, quamquam id: cum primum Romae nuntiatum est, arsisse Ethnam, in monstris procuratum est.

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So wird der Vulkan bei Prokop in der Mitte des 6. Jahrhunderts genannt1737 und ebenso zum Jahr 723 in der Lebensbeschreibung des Eichstädter Bischofs Willibald,1738 beide Male ohne Hinweise auf einen explosiven Ausbruch. Beschreibungen von effusivem Vulkanismus liegen mehrfach vor: Die Kosmographie des Aethicus kennt die sichtbare Magma und die Schwefel-Solfataren am Berg,1739 ebenso wie Gottfried von Viterbo1740 oder die viel späteren Monumenta aus Erfurt, die ihre überlieferten Beobachtungen zum Jahr 914 einordnen.1741 In einer Constitutio Ottos des Großen zum Jahr 948 wird der Ätna ebenfalls kurz genannt.1742 In seiner späteren Chronik erwähnt Cosmas von Prag zum Jahr 1020 ein Feuer am Ätna.1743 Aus all diesen Beschreibungen lässt sich kein explosiver Vulkanausbruch ableiten, denn geringe effusive vulkanische Aktivitäten sind am Ätna nicht selten. Insgesamt scheint in der Untersuchungszeit (500–1100) kein explosiver Ausbruch stattgefunden zu haben.

|| 1737 Prokop, Gotenkriege, 4, 35. Ed. Veh, 251–253. 1738 Vita Willibaldi episcopi Eichstetensis, ad a. 723. Ed. Holder-Egger, MGH SS 15.1, 93: Et ibi manentes 2 dies, levaverunt se et venerunt in insulam Siciliam, quod est in urbe Cathinensia, ubi requiescit corpus sanctae Agathe virginis. Et ibi est mons Ethna; que et quando evenerit pro aliquis rebus, ut illa ignis dilatare se voluerit super regionem, tunc cito illi cives sumunt corpus sanctae Agathae et contra ignem ponunt, et cessat. Illic fuerunt 3 ebdomadas; et inde navigantes, venerunt Saracusam urbem in ipsa regione, et inde navigantes, venerunt ultra mare Adria v ad urbem Mana fasiam in Slawinia terrae; et inde navigantes in insulam nomine Choo, et demittebant Chorintheos in sinistra parte. 1739 Kosmographie des Aethicus. Ed. Prinz, MGH QQ zur Geistesgeschichte 14, 155.17, 191.7.12, 225.3, 226.2.9: non ut Ethna et Vulganus aut Cimera, quae ex sulphoria terra, aquis, parumper flatu inhiantibus baratris, africo flante ignem vel sulphorem pemittunt (…) ubi est et Ethna mons magnus et famosissimus, qui ab stultis ab inferis autumatur urendo radice procedere et cum fumo et fetore flammae sursum eructuare. 1740 Gottfried von Viterbo, Pantheon. Ed. Waitz, MGH SS 22, 223: Mons ibi flammarum, quas evomit, Ethna vocatur, Quo lapis ignitus cum sulfure a precipitatur. 1741 Monumenta Erphesfurtensia, ad a. 914. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 42, 618: Anno Domini DCCCCXIIII. Hatto Maguntinus archiepiscopus a demonibus in puteum ignis in monte Sicilie Ethna vivus precipitatur, dicente voce in aere: Sic peccata lues, sicque ruendo rues. Nam comitem Albertum de Babenberg dolose tradidit regi occidendum. 1742 Ingelheim, Gesta synodalia cap. 9 (ad a. 948). Ed. Hehl, MGH Conc. 6.1, 161: 9. Ut decime, quas dominus precipit in horreum suum deferri, si ecclesiis dei non fuerint reddite, sed nefaria cupiditate, quae sevior Ethne ignibus ardet, a secularibus fuerint retente, secularia super hoc non exerceantur iuditia, nec in forensibus discutiatur causis, sed in sancta sinodo ab ipsis sacerdotibus, quorum deputatae sunt usibus, quid exinde debeat actitari certis diffiniatur promulgationibus. 1743 Cosmas von Prag, Chronicon Boemorum, ad a. 1020. Ed. Bretholz, MGH SS rer. Germ. N. S. 2, 73: Sed quanto fit semper difficilis aditus ad amorem, tanto amanti filius Veneris ignem incutit validiorem. Fluctuat mens iuvenis igne succensa Veneris, velut ignibus aestuat Ethna.

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2.15.2 Der Vesuv Einer der berühmtesten Vulkane überhaupt ist zweifelsohne der Vesuv (Vesuvius, Vesuvus, Besuvius, Veseus) in Kampanien am Golf von Neapel.1744 Am bekanntesten ist der Ausbruch des Jahres 79 n. Chr., bei dem Pompeji und Herculaneum verschüttet und der von antiken Autoren ausführlich dokumentiert wurde.1745 Pompeji und Herculaneum sind seit dem 18. Jahrhundert wieder freigelegt worden und ermöglichen einen genauen Einblick in das städtische Leben des 1. Jahrhunderts. Aber auch in der Spätantike und im Früh- und Hochmittelalter ist der Vesuv wiederholt ausgebrochen. Es gibt sehr unterschiedliche Aufstellungen der betreffenden vulkanischen Aktivitäten. So nennt Sapper in seinem Katalog die Jahre 556, 685, 893, 897, 980, 983, 1036, 1049 (oder 1050).1746 In anderen Zusammenstellungen werden Berichte über Aktivitäten im hier untersuchten Zeitrahmen für die Jahre: 512, 536, 685, 787, 968, 991, 999, 1006/1007 und 1037 genannt,1747 aber auch für die Jahre 1049 und 1068. Auch Siebert/Simkin/Kimberly listen in der 3. Auflage ihres Katalogs für den Untersuchungszeitraum mehrere Ereignisse zu den folgenden Daten auf: 5. November 472, 8. Juli 512, 536, Februar 685, 15. Oktober 787, 860 (M), 900 (M), 1. Dezember 968, 991, 999, 31. Dezember 1006, 27. Januar 1037, 1049 (?), 1073 (?).1748 Pfister u.a. geben dagegen nur Ausbrüche in den Jahren 471, 512 und 685 an.1749 Zeitgenössische Beschreibungen für die einzelnen Ausbrüche beruhen auf folgenden Quellen. „Am 6. November 471 oder 472 fand unter schwerem Getöse ein starker explosiver Ausbruch des Vesuvs statt, dessen Aschen bis Konstantinopel getragen wurden.“1750 Der Vulkan scheint daraufhin zwei Jahre tätig gewesen zu sein und Aerosole in die Atmosphäre entlassen zu haben.1751 In der Chronik des Marcellinus Comes heißt es zum selben Ereignis: „Der Vesuv, der vulkanische Berg in Kampanien, donnerte mit innerem Feuer und spuckte siedenden Schutt aus und nächtliche Dunkelheit überschattete den Tag, und regnete über der gesamten Oberfläche Europas feine Staubteilchen. Die Byzanti-

|| 1744 Zum Forschungsüberblick: McGuire, Vesuvius (2013), 1073 f. 1745 Vgl. den Überblick bei Thommen, Umweltgeschichte (2009), 116–120. 1746 Vgl. Sapper, Katalog (1917), 10. 1747 Principe u. a., Chronology of Vesuvius (2004), 705. 1748 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 51 Nr. 0101-02. 1749 Pfister u. a., Winter air temperature variations (1998), 542. 1750 Prokop, Gotenkriege. Ed. Veh, 2, 4, 251–253. 1751 Vgl. Sapper, Katalog (1917), 9. Vgl. v. Hoff, Chronik der Erdbeben, Bd. 2 (1841), 200; Kostick/Ludlow, Dating of Volcanic Events (2015), 7.

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ner feiern die Erinnerung an diese furchtbare Asche am 6. November eines jeden Jahres.“1752 Da die Eruption nur in Quellen des ostmediterranen Raumes überliefert ist,1753 könnte dies darauf hinweisen, dass die Verdriftung der freigesetzten Aschen nur in östlicher Richtung stattfand. Dieser Ausbruch liegt aber vor dem hier gewählten Beobachtungszeitrahmen (500–1100) und soll deshalb nicht eingehender betrachtet werden. Der erste in die Untersuchungszeit fallende Bericht wurde von Schreiner in den byzantinischen Kleinchroniken als Ascheregen über Konstantinopel identifiziert. Er soll zwischen April 491 und Juli 518 stattgefunden haben.1754 Dafür stünden folgende Parallelüberlieferungen zur Verfügung: Nach dem kurzen Eintrag in einer in der Region Kampanien geführten Ostertafel brach der Vesuv zwar am 9. November 505 aus,1755 ob der Ascheregen sich dabei aber bis nach Konstantinopel ausbreitete, ist nicht überliefert.1756 Daneben gibt es noch zwei weitere Beobachtungen bis zum Jahr 518: In der Zeit von 507 bis 511 soll nach Cassiodor ein Ausbruch stattgefunden haben. Dieser scheint zudem der erste historische Vesuvausbruch gewesen zu sein, bei dem Erscheinungen berichtet werden, die man als Lavastrom deuten kann: „Die Kampanier beschweren sich, dass ihre Felder von der Eruption des Vesuvs verheert wurden, und fragen deshalb nach einem Erlass der Abgaben. (…) Die Provinz wird in Abständen von den schrecklichen Unglücken heimgesucht, ansonsten ist sie perfekt glücklich. Es gibt eine günstige Funktion in der Heimsuchung. Sie kommt nicht ganz unerwartet. Einige Zeit vorher, der Berg stöhnt beim inneren Streit mit der Natur und es scheint, als ob ein zorniger Geist darin würde alle Nachbarn erschrecken durch sein mächtiges Brüllen. Dann wird die Luft durch ihre üblen Ausdünstungen abgedunkelt, heiße Asche eilt am Meer entlang, ein Regenschauer von Staubtropfen [kommt] über das Land und berichtet zu ganz Italien und zu den überseeischen Provinzen in der Welt, von dem, was Kampanien an Unglück erleidet. Tritt näher: Und du wirst sehen, wie Flüsse aus Staub fließen und sich glühende Ströme kahlen Sandes über das Land

|| 1752 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 472. Ed. Mommsen, MGH Auct. Ant. 11, 90; Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 25: X. Marciani et festi. Vesuvius mons Campaniae torridus intestinis ignibus aestuans exusta evomuit viscera nocturnisque in die tenebris incumbentibus omnem Europae faciem minuto contexit pulvere, huius metuendi inemoriam cineris Byzantii annue celebrant VIII idus Novemb. 1753 Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 99 mit weiterführender Literatur: „The eruption of mount Vesuvius on 6 November 472 was a devastating event which reverberated all around the Mediterranean. Curiously enough there is no contemporary Western account of any details; all the extant sources, including M., are of Eastern provenance: Jo. Mal. 14. 43 (372.6), Chron. Pasch., 598.10-14, Theod. Anag. Epit 398 (111.14-6), Theoph., A.M. 5966 (119.29-33), Proc. Wars 6.4.27.“ 1754 Schreiner, Byzantinische Kleinchroniken, Bd. 2 (1977), 73. 1755 Paschale Campanum, ad a. 505. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 9, 747: Mons Besubius eructuavit V id. Novembres. Vgl. Krautschick, Historischer Nachweis (1984/1985), 580. 1756 Vgl. auch Stothers/Rampino, Volcanic eruptions (1983), 6367.

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bewegten. Und doch, auch die sandigen Flächen von Bimsstein, die der Berg hervorbricht, so trocken und verbrannt sie erscheinen, versprechen fruchtbar zu sein.“1757

Die Beschreibungen bei Cassiodor („Flüsse aus Staub“ und „glühende Ströme kahlen Sandes“) lassen sich sowohl auf einen Lavastrom wie auch auf pyroklastische Ströme beziehen.1758 Pyroklastische Ströme entstehen, wenn besonders gasreiche Magma außerhalb der Erde kollabiert und den Vulkanhang hinunterrast; sie erreichen dabei Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 700 km/h.1759 Eine in der kampanischen Ostertafel zum 1. Juli genannte Sonnenfinsternis fand tatsächlich wenige Tage zuvor, am 29. Juni 512, statt. Diese Tafel könnte deshalb auch den angesprochenen Vulkanausbruch relativ genau datieren: Der Berg Vesuv brannte, was kurz darauf, am 8. Juli 512 dazu führte, dass die benachbarten Berge in der Dunkelheit einer Aschewolke verschwanden.1760 Die Aschen des Ausbruchs im Jahr 512 sollen bis nach Tripolis in Nordafrika geflogen sein. Die Entfernung in der Luftlinie beträgt etwa 890 Kilometer. Marcellinus Comes hingegen nennt nur Nordlichter und eine Verfinsterung der Sonne (solis defectus), was sich wiederum auf die Sonnenfinsternis vom 29. Juni 512 beziehen könnte,1761 aber kein Zeichen für Verdunklung aufgrund von Vulkantephra wäre.

|| 1757 Cassiodorus, Variae 4, 50, ad a. 507/511. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 12, 137; Letters of Cassiodorus. Ed. Hodgkin, 262 f.: FAUSTO P̅P̅O̅ THEODERICUS REX. a 507/511 Campani Vesuvii montis hostilitate vastati clementiae nostrae supplices lacrimas profuderunt, ut agrorum fructibus enudati subleventur onere tributariae functionis. quod fieri debere nostra merito pietas adquiescit. Sed quia nobis dubia est unius cuiusque indiscussa calamitas, magnitudinem vestram ad Nolanum sive Neapolitanum territorium probatae fidei virum praecipimus destinare, ubi necessitas ipsa domestica quadam laesione grassatur, ut agris ibidem diligenter inspectis, in quantum possessoris laboravit utilitas, sublevetur: quatenus mensurate conferatur quantitas beneficii, dum modus integer cognoscitur laesionis. Laborat enim hoc uno malo terris deflorata provincia, quae ne perfecta beatitudine frueretur, huius timoris frequenter acerbitate concutitur. sed non in totum durus est eventus ille terribilis: praemittit signa gravia, ut tolerabilius sustineantur adversa. Tantis enim molibus natura rixante montis illius hiatus immurmurat, ut excitatus quidam spiritus grandisono fremitu vicina terrificet. fuscantur enim aera loci illius exhalatione taeterrima et per totam paene Italiam cognoscitur, quando illa indignatio commovetur. volat per inane magnum cinis de coctus et terrenis nubibus excitatis transmarinas quoque provincias pulvereis guttis compluit, et quid Campania pati possit, agnoscitur, quando malum eius in orbis alia parte sentitur. Videas illic quasi quosdam fluvios ire pulvereos et harenarum sterile impetu fervente velut liquida fluenta decurrere. stupeas subito usque ad arborum cacumina dorsa intumuisse camporum et luctuoso subito calore vastata, quae laetissima fuerant viriditate depicta. 1758 Vgl. Sapper, Katalog (1917), 9. 1759 Vgl. Watson, Pyroclastic flows (2016); Vgl. Buchwaldt, Pyroclastic Flow (2013), 791–796. 1760 Paschale Campanum, ad a. 512. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 9, 747: Hoc anno in k. Iul. sol eclipsin passus est, et monte Besuvio ardente VIII id. Iul. tenebrae factae sunt per vicinium montis. 1761 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 512. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 97 f.: Saepe caelum a septentrionali plaga ardere visum est. (…) His fere temporibus solis defectus contigit.

Beschreibungen vulkanischer Ereignisse | 327

In der Beschreibung1762 von Prokop von Caesarea zum Jahre 536 wird – wie bei Gregor von Tours und Fredegar – kein Ausbruch des Vesuvs genannt, aber es werden frühere Ausbrüche erwähnt und sehr genau die bisherige Wahrnehmung der Ausbrüche dieses Vulkans beschrieben: „Damals ging auch vom Vesuv ein Donnergetöse aus, doch kam es wider aller Erwarten zu keinem Ausbruch. Die Einwohner gerieten freilich dadurch in großen Schrecken. Dieser Berg liegt siebzig Stadien nördlich von Neapel und ist sehr steil. Der untere Teil dehnt sich ringsum weit aus, während der Gipfel jäh abfällt und fast unzugänglich ist. Auf der Höhe des Vesuvs sieht man in der Mitte eine sehr tiefe Höhle, sodass man meinen könnte, sie reiche bis ins Innerste des Berges. Wenn jemand den Mut hat, sich über den Rand zu beugen, kann er dort ein Feuer brennen sehen. Gewöhnlich züngeln die Flammen empor, ohne den dortigen Bewohnern Schaden zu tun; wenn aber der Berg ein Getöse wie Brüllen hören lässt, dann schleudert er in Bälde große Aschenmengen weit empor. Menschen, die der Aschenregen unterwegs trifft, sind rettungslos verloren; fällt er auf Häuser, so stürzen sie unter der Last zusammen. Die Asche steigt bei trockenem Wind so weit in die Höhe, dass sie, dem menschlichen Auge entschwindend, in der jeweiligen Windrichtung fortgetragen wird und erst weit entfernt wieder auf die Erde herunterfällt. Wie man sich erzählt, soll solche Asche vor Zeiten einmal auch in Byzanz niedergegangen sein und die Einwohner in solchen Schrecken versetzt haben, dass das Volk bis heute in alljährlichen Bittgebeten Gott um Schutz anfleht. Auch auf Tripolis in Libyen soll zu einer anderen Zeit Asche niedergegangen sein. Früher soll alle hundert Jahre oder in noch größeren Zeitabständen dieses Donnergetöse zu hören gewesen sein, später viel häufiger. Man behauptet, jenes Gebiet bringe, sooft der Vesuv Asche auswerfe, reiche Ernte an Früchten aller Art. Was die Luft angeht, so ist sie auf diesem Berge sehr dünn und ganz besonders gesund. Darum schicken die Ärzte seit alters gern die Schwindsüchtigen hierher. Soviel über den Vesuv.“1763

Ein Ausbruch des Vesuv wird für den März des Jahres 685 in mehreren zeitnahen Quellen beschrieben: So lautet der im Liber Pontificalis zu 684/685 eingetragene Bericht: „Zu seiner Zeit [Papst Benedikt II.] erschien ein Stern in der klaren Nacht am Himmel ungefähr zu den Vigilien, für einige Tage zwischen Weihnachten und Epiphanie. Alles war überschattet, wie der Mond unter einer Wolke. Wieder im Februar, nach dem St. Valentinstag, erschien der Stern zur Tageszeit am Mittag im Westen und versank in den östlichen Teil. Danach im März brach der Berg Vesuv in Kampanien für einige Tage aus und alle Orte ringsumher wurden von seinem Staub und seiner Asche ausgelöscht.“1764 Die Datierung des zumindest in Bezug auf die Reihung der Ereignisse identischen Eintrags bei Paulus Diaconus liegt zwischen „nach

|| 1762 Stothers/Rampino, Volcanic eruptions (1983), 6368. 1763 Prokop, Gotenkriege, 2, 4. Ed. Veh, 251–253. 1764 Liber Pontificalis, 83. Benedict II. (684–685), 4. Ed. Duchesne, Bd. 1, 363 f.; Book of pontiffs. Ed. Davis, 82: Huius temporibus apparuit stella noctu, iuxta vigilias, per dies, caelum serenum, inter Domini et Theophania, omni obumbrata, veluti luna sub nube. Itemque mense februario, post natale sancti Valentini, in die, ab occasu exiit stella meridie et in partes Orientes declinavit. Post haec mons Bevius qui est in Campania mense martio eructuavit per dies et omnia loca circumquaque prae pulvere cinii ipsius exterminatae sunt.

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680“ und „vor 685“. Sie lautet: „Damals erschien des Nachts zwischen Weihnachten und Epiphanie ein Stern neben den Plejaden, der trotz klaren Himmels völlig verschleiert war wie der Mond, wenn er hinter einer Wolke steht. Im Februar ging dann mitten am Tag im Westen ein Stern auf, der mit der Helligkeit in östliche Richtung zog. Anschließend wurde im März der Vesuv für eine Reihe von Tagen aktiv, und alles Grün in seiner Umgebung wurde vom Staub und der Asche, die er auswarf, ausgelöscht.“1765 Auch im Chronicon Hermanns von Reichenau (bis 1054) findet sich zum Übergang von 684 auf 6851766 zunächst ein Eintrag zum Papstwechsel, der auf dem Liber Pontificalis beruht, dann die Meldung, dass Kometen erschienen seien und schließlich die Nachricht, der Berg Vesuv in Kampanien sei mit hohen Flammen ausgebrochen und habe die Umgebung völlig niedergebrannt. Darauf folgt hier ein auf Eintragungen in Bedas Kirchengeschichte beruhender Absatz über den Tod von König Egfridus. Ein weiterer Vulkanausbruch, für den nicht klar wird, ob er effusiv oder explosiv war, wird aufgrund eines Pilgerberichtes1767 in die Jahre 786 bis 788 datiert.1768 Wohl für den 1. Dezember 968 (±30 Tage) ist eine große explosive Eruption (VEI 4) des Vesuvs beschrieben worden. Die dabei freigesetzte Menge an Tephra wird von Vulkanologen mit 2,9 km3 angegeben.1769 Für dieses Jahr berichtet Leo Marsicanus in einer Chronik des Klosters Cassino, dass „der Berg Vesuvius mit Flammen explodiert ist und eine große Menge zähflüssiger und schwefeliger Substanz ausgestoßen hat, die einen schnell ins Meer fließenden Strom gebildet haben.“1770 Liudprand von Cremona nennt zum 18. bzw. 22. Dezember 968 folgende Begebenheiten:

|| 1765 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 6, 9. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang 1, 168; Ed. Schwarz, 310 f.: Hac tempestate noctu stella iuxta Vergilias caelo sereno inter Domini Natalem et Theophaniam apparuit omnimodo obumbrata, veluti cum luna sub nube est constituta. Post haec mense Februario die media stella ab occasu exiit, quae cum magno fulgore in partes orientis declinavit. Dehinc mense Martio Bebius eructuavit per dies aliquot et omnia virentia circumquaque prae pulvere et cinere illius exterminata sunt. 1766 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 684. Ed. Pertz, MGH SS 5, 96: Romae defuncto Leone, cessavit episcopatus anno fere 1. Post quem Benedictus secundus papa 83us sedit mensibus 10, vir doctus et omnibus pius et beneficus, aecclesias restaurans et exornans, et bona iugiter studia sectans. Cometae apparent, et mons Campaniae Bobius [Vesuv] ultra modum flammas eructans, circumposita exussit. In Brittannia Egfridus rex, cum dissuadente sancto Cudberto Pictos incaute bello peteret, ab ipsis victus et peremptus interiit. Pro quo Aldfridus, rex pius et prudens, regnavit annis 19. 1767 McCormick, Origins (2007), 17: „(…) like the Greek-speaking traveler Gregory (‚Gregory 4’), who witnessed an eruption of Vesuvius en route from Constantinople to Rome in 788.“ 1768 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 51, Nr. 0101-02: „Vesuvius: Start Date: 787 AD Oct 15 ± 45 days, Stop Date: 788 AD Jan 15 ± 45 days, VEI: 3.“ 1769 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 51, Nr. 0101-02. 1770 Chronik von Montecassino, ad a. 981. Ed. Hoffmann, MGH SS 34, 328: Quo mortuo mons Vesevus in flammas erupit tantaque sulfuree resine congeries ex ipso Vesuvio protinus fluxit, ut torrentem faceret atque decurrente impetu in mare descenderet.

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„Dies gab mir auch Gott durch deutliche Zeichen zu verstehen, wenn nur meine Seele es sich damals hätte deuten können. Denn sobald er [gemeint ist der Stratege Michael aus der Stadt Cherson, den Liudprand kurz zuvor getroffen hatte] mir mit einem Kusse Frieden gab, den er doch nicht im Herzen trug, erbebte ganz Korfu, eine große Insel; und zwar erbebte sie nicht etwa einmal, sondern dreimal an demselben Tage. Vier Tage später aber am zweiundzwanzigsten Dezember, als ich zu Tische saß und Brot aß mit dem, der wider mich seine Ferse erhob,1771 verbarg die Sonne aus Abscheu vor einer so unwürdigen Tat die Strahlen ihres Lichtes und durch diese Sonnenfinsternis wurde jener Michael zwar erschreckt, aber nicht gebessert.“1772

Zwar vermutet Liudprand eine Sonnenfinsernis (eclipsis), aber am 22. Dezember 968 fand keine statt.1773 Die von ihm beobachtete und beschriebene Verdunkelung der Sonne muss eine andere Ursache gehabt haben. Die vom Vesuv freigesetzte Aschewolke scheint bis nach Byzanz getragen worden und sich dort abgesetzt zu haben. Dieser Ascheregen wurde sowohl von Leon Diakonos, wie auch von Liutprand von Cremona erwähnt. Letzterer nannte für das Jahr einen ungewöhnlichen Regen (non modica pluvia), was ein Hinweis auf einen Ascheregen sein könnte.1774 Zu größerer Sicherheit, dass es sich tatsächlich um einen Ascheregen gehandelt hat, gelangt man erst durch den Bericht des Leon Diakonos, der in seiner Historia zum 7. Juni 968 schreibt: „Mitten im Sommer desselben Jahres, als die Sonne in das Sternbild des Krebses trat, ging über die Stadt Byzanz und ihre Umgebung ein Platzregen nieder wie noch nie zuvor. Das Übel begann, als sich der Tag – es war gerade ein Freitag – schon neigte, und hörte um die neunte Stunde auf;1775 es regnete so heftig, dass man nicht wie sonst die fallenden Tropfen sehen konnte, sondern es war, als würde das Wasser aus Rohren gegossen. Kein Heiligtum und keines der bedeutenderen Häuser gab es, in das nicht vom Dach her die Flut eingedrungen wäre, obwohl die Bewohner mit großer Mühe das Wasser auf die Straße schöpften; denn es strömte immer wieder neues herein, und es gab kein Mittel gegen dieses Unheil. Drei Stunden lang hielt der Regen an, und man konnte sehen, wie sich ganze Ströme durch die Gassen der Stadt dahinwälzten, alles Lebendige mit sich fortrissen und vernichteten. Die Leute aber klagten und weinten jämmerlich in der Meinung, es sei wiederum eine Sintflut, ähnlich jener allgemein bekannten, über sie ge-

|| 1771 Anspielung auf Joh 13,18. 1772 Liudprand von Cremona, Legatio, 64. Ed. Chiesa, 217; FSGA 8, 586 f.: (…) quod et Deus apertis mihi monstravit indiciis, si mea tunc mens hoc potuisset conicere. Mox enim ut pacem, quam corde non ferebat, mihi osculo dedit, tota Coriphus, magna scilicet insula, tremuit, nec solum semel, sed ter eadem die pertremuit. Post quatriduum autem, undecimo scilicet Kalendas Ianuarii, dum in mensa positus panem comederet, qui ampliabat super me calcaneum suum, verecundatus sol facinus tam indignum lucis suae radios absecondit, et eclipsin passus Michaelem illum terruit, sed non immutavit. 1773 Vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEcat5/SE0901-1000.html (29.10.2015). 1774 Problematisch bei Liudprand ist jedoch die Datierung, die mit dem 4. oder 7. Juni 968 angegeben wird. Vgl. Liudprand von Cremona, Legatio, 1, 2. Ed. Chiesa, 187 und Leo Diakonos, Historia, 4, 9, in: Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 62. 1775 Wohl neunte Nachtstunde, also gegen drei Uhr morgens.

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kommen. Allein die mitfühlende und gütige Vorsehung spannte in den Wolken einen Regenbogen,1776 machte bei dessen Aufleuchten dem Schrecken des Regengusses ein Ende und gab der Natur ihr früheres Antlitz zurück. Doch bald darauf fiel wiederum Regen vom Himmel herab, [70] diesmal allerdings durch Asche verunreinigt, als wäre ihm Ruß aus einem Ofen beigemengt; beim Berühren erwies er sich als lauwarm.“1777

Für das Jahr 968 ist deshalb von zwei Ereignissen auszugehen: Am 7. Juni 968 fand ein ungewöhnlicher Starkregen statt, am 22. Dezember 968 der genannte Ascheregen. Bereits früher wurde von der Forschung vermutet, dass die Schilderung auf einen Vulkanausbruch in der weiteren Umgebung der Stadt, etwa auf dem bithynischen Olymp oder dem Berg Argaios, hindeuten würde.1778 Eine weitere Beobachtung von Flammen, die vom Vesuv ausgebrochen seien, ist zum Jahr 981 überliefert.1779 Zwar berichtet der Autor der Annales Casinensis, dass der Berg Vesuv am 27. Januar 1036 so ausgebrochen sei, dass er das Feuer bis zum Meer verstreute,1780 aber eine ganze Reihe ähnlicher Quellen überliefert die Nachricht mit demselben Tagesdatum, aber zum Jahr 1037.1781 Eine allgemeine Beschreibung, die keine konkrete Datierung eines Ausbruchs bietet, findet sich noch in der Slawen-Chronik Arnolds.1782

|| 1776 Anspielung auf Gen 9,13. 1777 Leo Diakonos, Historia, 4, 69, in: Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 68 f. 1778 Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 173. 1779 Chronik von Montecassino, ad a. 981. Ed. Hoffmann, MGH SS 34, 328: His auditis vir Dei, nuntium protinus ad moenia Capuana direxit, qui veniens Pandulfum iam mortuum repperit. Quo mortuo, mons Vesevus in flammas erupit, tantaque sulfureae resinae congeries ex ipso Vesuvio protinus fluxit, ut torrentem faceret, atque decurrente impetu in mare descenderet. 1780 Annales Casinenses, ad a. 1036. Ed. Smidt, MGH SS 30.2, 1414 f.: MXXXVI. [ind.] im. Sexto kalendas Februarii Mons Vesubius eructavit incendium ita, ut usque ad mare discurreret; Annales Casinensis, ad a. 1036 (Rec. B). Ed. Smidt, MGH SS 30.2, 1414 f.: Mons Vesubius eructavit incendium ita, ut usque as mare discurreret. 1781 Chronik von Montecassino, 2, 61. Ed. Hoffmann, MGH SS 34, 287: Eodem itaque quo ordinatus est anno, sexto videlicet kalendas Februarii, mons Vesuvius eructavit incendium, adeo maximum et insolitum, ut usque ad mare discurreret; Romoald, Annales ad a. 1037. Ed. Arndt, MGH SS 19, 403: Anno Domini 1037 indictione 5 mense Ianuarii [27. Januar] mons Vesubius eructavit incendium ita ut quasi flumen usque ad mare discurreret; Annales Cavenses, ad a. 1037. Ed. Pertz, MGH SS 3, 189: Sexto Kalendas Februarii mons Vesubius erucavit incendium, ita ut usque ad mare discurreret; Annales Cavenses brevis, ad a. 1037. Ed. Pertz, MGH SS 3, 189: 6. Kalendas Februarii mons Vesuvius eructavit incendium, ita ut usque ad mare discurreres. 1782 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, 5. Ed. Lappenberg, MGH SS 21, 196: Est ante civitatem Veseus mons, ex quo ignis, multos involvens cineres fetidos, infra decennium semel solet exalare. Cui Virgilius opposuerat hominem ereum, tenentem balistam tensam et sagittam nervo applicatam. Quem quidam rusticus ammirans, eo quod semper balista minans nunquam percuteret, impulit nervum. Sagitta vero prosiliens percussit os montis et continuo flamma prosiliit, nec adhuc certis vicibus cohibetur. Est ante civitatem eandem insula, que vulgo Iscla dicitur, in qua ignis cum fumo sulphureo evomitur continuus, ita ut quoddam castrum adiacens, ita paulatim etiam ipsa saxa et ipsum scopulum consumpserit, ut ibi vestigia castri non appareant.

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Nur wenige Explosionen des Vulkans Vesuv können im Untersuchungszeitrahmen von 500 bis 1100 wahrscheinlich gemacht werden. Nach seinem Ausbruch im Jahr 471, bei dem die Asche bis nach Konstantinopel getragen wurde, sind Ausbrüche in den Jahren 685, 788, 968 und 1037, gesichert durch historisch belastbare Quellenstellen, anzunehmen. Daneben können natürlich noch strombolische/effusive Aktivitäten stattgefunden haben, wie in den Jahren 505, 512 oder 981, die aber kaum Eingang in schriftliche Quellen gefunden haben.

2.15.3 Der Santorin Die Vulkaninsel Santorin1783 wird in den Quellen als Thera, Thira oder Aethera bezeichnet.1784 Sie ist bekannt durch den großen Vulkanausbruch in der Antike zwischen 1627 und 1600 v. Chr., der für den Untergang der minoischen Kultur mitverantwortlich gemacht wird.1785 In der Untersuchungszeit von 500 bis 1100 brach der Vulkan anscheinend nur ein Mal – am 15. Juli 726 – aus.1786 Die zeitliche und räumliche Lokalisierung der subplinischen Eruption wird mit der Nordostseite der Insel Thia angegeben1787 und als hochexplosiv bezeichnet.1788 Sapper fasste die Eruption in seinem Katalog folgendermaßen zusammen: „Als im Jahr 726 der Vulkan Santorin ausbrach, streute die Eruption große Bimssteinmassen über Kleinasien, Lesbos, Abydos und die Küsten Mazedoniens sowie über die umgebenden Meere aus und fügte der Insel Palaeakaimeni an der Nordseite durch Lavaförderung eine 300 Meter lange, bis über 200 Meter breite Landzunge an.“1789 In den Quellen wird der Ausbruch bei Nicephoros (758–823), Theophanes dem Bekenner (752–818) und später bei Georgios Kedrenos (nach 1059) genannt. Nicephoros (758–828), Patriarch von Konstantinopel von 806 bis 815, beschrieb das Ereignis wie folgt: „Was sich aber in jenen Zeiten um die Inseln Thera und Therasia ereignete, die zum Kretischen Meer hin liegen, wäre nicht angemessen zu übergehen. Denn als es gerade Sommerzeit war, ereignete es sich, dass der Meeresboden weithin eine Rauchwolke ausstieß, aus der sich unter der sich stark verdichtenden Luft Feuer entzündete. Und nach dem Feuer wurden Bimssteine in größter Zahl ausgespien, sodass sich die Steine in der Gestalt einer Insel ansammelten, das Land aber habe sich zur Insel vereinigt, die Hiera hieß, die selbst auf ähnliche Weise vom Meeresgrund als Land entstanden sei, wie man sich erzählt, dass auch Thera und Therasia entstanden seien. Die Unmenge der herauf geschleuderten Steine habe sich über das ganze Meer dort verstreut,

|| 1783 Vgl. Gorokhovich, Santorini (2013), 888. 1784 Vgl. Georgacas, Names of the Santorini Island (1970), 341–370. 1785 Vgl. mit Hinweisen auf die ältere Literatur Friedrich u. a., Santorini Eruption (2006), 548. 1786 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 55, Nr. 0102-04. 1787 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 55, Nr. 0102-04. 1788 Vgl. Rochow, Byzanz im 8. Jh. (1991), 113 f. 1789 Sapper, Katalog (1917), 48.

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und von da seien sie bis nach Abydos und zur asiatischen Meeresküste gelangt. Das heranströmende Wasser sei von unten her so heiß geworden, dass niemand imstande war, es auch nur zu berühren.“1790

Als Ausbreitungsrichtung des Bimssteines gab Nikephoros Richtung Norden an. Ganz ähnlich lautet der Bericht bei Theophanes dem Bekenner, der als Tagesdatum den 15. Juli 726, einen Montag, angibt: „(…) in Syrien herrschte eine Seuche. Daher wurden dem heiligen Elias die Kamele des Kalifen [Protosymbulos] geopfert. (…) Im selben Jahre, in der neunten Indiktion, stieg zur Sommerszeit wie aus einem Backofen Dampf zwischen den Inseln Thera und Therasia aus der Meerestiefe einige Tage lang brodelnd hervor. Er verdichtete sich allmählich und nahm durch die Hitze feste Form an; der Rauch, der davon aufstieg, schien ganz feurig zu sein. Aus der festgewordenen Masse wurden Bimssteine so groß wie Hügel über die ganze Landschaft Asien [d. h. Kleinasien], Lesbos, Abydos und das Küstengebiet von Makedonien geschleudert, sodass die ganze Oberfläche des Meeres von herumtreibenden Bimssteinen bedeckt war. Inmitten dieses gewaltigen Feuers entstand ein neues Eiland und verband sich mit der ‚heiligen Insel‘.1791

„Wie schon die Inseln Thera und Therasia einem vulkanischen Ausbruch ihren Ursprung verdanken, so entstand zur Zeit des wider Gott streitenden Leon auch diese Insel. Dieses Zeichen des göttlichen Zorns [wegen des Verbotes des Bilderkultes] legte der Kaiser zu seinen Gunsten aus und entfachte noch unverschämter den Kampf gegen die heiligen und verehrungswürdigen Bilder.“1792 Theophanes gibt als Folgen des Ausbruchs Pusteln und Tierseuchen an, die jedoch ausschließlich im Osten, in Syrien und Mesopotamien, beobachten worden seien. Der Bericht von Georgios Kedrenos1793 aus dem 11. Jahrhundert beruht im Wesentlichen auf der Beschreibung des Theophanes und bringt keine zusätzlichen Informationen: „Im Sommer desselben Jahres, stieg wie aus einem Backofen tagelang Dampf aus der Mitte der Inseln Thera und Therasia aus den Tiefen des Meeres auf und der ganze Platz schien wie Feuer zu, das nach und nach zu Stein eindickte und die Luft darüber schien eine feurige Fackel zu sein.“1794 Ob der Vulkanausbruch des Jahres 718, der im ägäischen Meer stattfand, ebenfalls auf den Santorin zurückgeht, lässt sich nicht nachweisen, denn von Theophanes dem Bekenner gemachten Ortsangaben sind zu ungenau. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Vulkanausbruch in der Ägäis:

|| 1790 Nikephoros, Opuscula Historica, ad a. 726. Ed. de Boor, 64 B. 1791 Vgl. Bilderstreit. Ed. Breyer, 186 f. Anm. 2: „Diese damals vulkanisch entstandene Insel zwischen Thera (Santorin) und Therasia heißt heute ‚Alte verbrannte’ (Paläa Kaïmeni). Auch später entstanden dort auf diese Art Inseln“. 1792 Theophanes der Bekenner, ad a. 726, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 38 f. 1793 Vgl. Maisano, Kedrenos (1991). 1794 George Cedrenus, Σύνοψις ἱστορίων, ad a. 727. Ed. Migne, 795.

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„Die Agarener [Araber] segelten also am 15. August [718] mit Schmach und Schande ab. Denn als ihre Flotte ausfuhr, brach ein gewaltiger Sturm über sie herein, den Gott auf die Fürbitten der Gottesmutter gesandt hatte, und zerstreute sie; einen Teil versenkte er bei Prokonnesos1795 und den umliegenden Inseln, andere bei den Apostrophen und den übrigen Vorgebirgen. Als der Rest sich gesammelt hatte und das Ägäische Meer durchfuhr, brach plötzlich über sie erneut ein schreckliches Gericht Gottes herein. Es fiel nämlich Feuerhagel auf sie herab und bewirkte, dass das Meerwasser zu brodeln begann und das Pech, mit dem die Schiffe gedichtet waren, erweichte, so das alle Schiffe samt der Bemannung in die Tiefe versanken. Nur zehn Schiffe wurden durch die Vorsehung Gottes gerettet, damit uns und den Arabern die Großtaten Gottes, die er an ihnen vollzogen hatte, kund würden. Fünf von ihnen konnten von den Unseren aufgebracht und erbeutet werden, die übrigen fünf Schiffe retteten sich nach Syrien, um die Macht Gottes zu verkünden.“1796

Diese Beschreibung könnte auf einen untermeerischen effusiven Ausbruch hinweisen, bei dem gasförmige Stoffe entweichen, die das beschriebene „Brodeln“ erklären würden. Somit bleibt nur ein explosiver Vulkanausbruch im Untersuchungszeitrahmen, der sicher auf den Santorin zurückgeführt werden kann: am 15. Juli 726 mit VEI 4 und einem freigesetzten Volumen von 107 Kubikmeter Lava.1797

2.15.4 Der Volcano Die Vulkaninsel Volcano (Thermessa, Therasia, Hiera, Vulcania etc.) nördlich von Sizilien, gehörte in der Antike zusammen mit dem Stromboli, der ganz in der Nähe liegt, zu den bekanntesten Vulkanen.1798 Autoren wie Thukydides berichten von einer mäßigen, aber wiederholten Tätigkeit.1799 Polybios berichtet 183 v. Chr. von einer Ausbruchstätigkeit, bei der die kleine, Vulcanello genannte, Halbinsel an der Insel entstand. Nach einem weiteren Ausbruch 126 v. Chr., der bei Plinius und Strabon genannt wurde, war der Vulkan anscheinend lange Zeit relativ ruhig. Zu Volcano als namensgebender Insel für alle anderen Vulkane schrieb Cassiodor „(…) Die Insel Vulkan, die ihren Namen von Vulcan, dem Gott des Feuers hat, zerbarst in einer Explosion am Tag als Hannibal das Gift am Hof von König Prusias [von Bithynien] nahm [wohl zwischen 183 und 181 v. Chr.]. Es ist besonders bemerkenswert, dass der Berg solch eine Vielzahl an Flammen hat, obwohl noch die Hälfte von den Wellen des Meeres versteckt werden.“1800

|| 1795 Prokonnesus ist eine der größten Inseln im Marmarameer. 1796 Theophanes der Bekenner, ad a. 718, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 31. 1797 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 55, Nr. 0102-04. 1798 Vgl. Gehring, Volcanostratigraphy (2001). 1799 Thuk. 3.116.1-2. 1800 Cassiodorus, Variae 3, 47, ad a. [507/511] (Ed. Mommsen, MGH Auct. Ant. 12, 103; Letters of Cassiodorus. Ed. Hodgkin, 222: Fausto ppo Theodoricus rex (…) Memorant autem aevi pristini servatores hanc insulam ante aliquot annos undarum rupto terrore imitus erupisse, cum Hannibal apud Prusiam

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Für den Untersuchungszeitraum listen Siebert/Simkin/Kimberly Ausbrüche in den folgenden Jahren auf: 526?, 729, 925 (+/- 45 Jahre) und 1040.1801 Wohl ab dem 6. Jahrhundert setzte eine neue Tätigkeitsperiode nach den antiken Ausbrüchen des Vulkans ein. Dabei entstand die „Fossa II“ oder auch „Jungfossa“ genannte Ausbruchsstelle. Nach Frazzetta u. a. kam es „526 oder 580 in Fossa und auf Vulcanello zur Eruptionen. Dabei entstand die Insel Vulcanello III. (…) Im Jahr 729 verursachte eine starke Aktivität der Fossa einen Bimsteinregen auf Lipari. Der Zugang zur Fossa war während der Aktivität zwischen 900 und 950 unmöglich. (…) Danach gibt es keine überlieferte Aktivität für 400 Jahre.“1802 Zusammenstellungen der Ausbruchsereignisse des Vulkans finden sich auch bei Pichler, Kilburn/McGuire oder zuletzt bei Hug-Fleck.1803 Der Vulcan erlangte im Frühmittelalter besondere Bedeutung als feuerspeiender Berg, der – ähnlich wie der Ätna – für eine Vision als Eingang zur Hölle instrumentalisiert wurde. Bereits bei Gregor dem Großen heißt es: „Der Mann Gottes aber sagte ihnen noch: „Ja, er ist gestorben; denn gestern um die neunte Stunde wurde er ohne Gürtel und Schuhe und mit gebundenen Händen zwischen Papst Johannes und dem Patrizier Symmachus hergeführt und in den nahen Krater von Vulcanus geworfen.“1804 Die Umstände etwas genauer gibt dann Sigebert von Gembloux an, der zum Jahr 523 schreibt: „Nach 90 Tagen starb Theoderich plötzlich, und von einem heiligen Eremiten wurde gesehen, wie er nackt und barfuß von Papst Johannes und dem Patrizier Simmacus in den Topf von Vulcanus gestoßen wurde.“1805 Diese Darstellung wurde als Hinweis auf stärkere vulkanische Aktivitäten gedeutet, die zu Beginn des 6. Jahrhunderts dazu geführt haben sollen, Bimssteine und Bimssteinaschen bis auf die zwei Kilometer entfernte Insel Lipari zu verfrachten.1806 In der Lebensbeschreibung des Eichstädter Bischofs Willibald heißt es zum Jahr 729: „Und darauf segelte er zur Insel Vulkan, dort ist die Hölle des Theoderich. Und als er dort angelangt war, stieg er aus dem Schiff, um zu sehen, wie die Hölle beschaffen sei.“1807 Daraus leitete Sapper eine energische explosive Tätigkeit der Insel

|| Bithyniae regem veneno secum ipse pugnavit, ne tantus dux ad Romanorum ludibria perveniret. plus inde mirabile, ut mons tanta flammarum congregatione succensus marinis fluctibus haberetur absconditus et ardor ibi indesinenter viveret, quem tanta unda videbatur obruere. 1801 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 52, Nr. 0101-05. 1802 Frazzetta u. a., Volcanic hazards (1984), 105–124; Frazzetta u. a., Volcanic history (1991), 107–113. 1803 Pichler, Italienische Vulkangebiete (1981); Kilburn/McGuire, Italian volcanoes (2001); HugFleck, Italiens Vulkane (2012). 1804 Des Papstes Gregor des Grossen vier Bücher, 4, 30. Ed. Funk, 226. 1805 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 523. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 315: Post dies 90 Theodericus subito defunctus, á quodam sancto heremita visus est nudus et discalceatus á Iohanne papa et Simmaco patricio in olla Vulcani esse detrusus. 1806 Vgl.: Lucchi/Tranne/Rossi, Geological Map of Lipari Island (2007). 1807 Vita Willibaldi episcopi Eichstetensis. Ed. Holder-Egger, MGH SS 15.1, 101: Et inde navigaverunt ad insulam Vulcana; ibi est infernus Theodrichi. Cumque illic veniebant, ascendebant de nave, ut viderent, qualis esset infernus.

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Volcano in dem Jahr ab.1808 Für das Jahr 998 hat der im 11. Jahrhundert schreibende Sigebert von Gembloux erneut eine kurze Nachricht mit einem Bezug zu Volcano eingefügt, die beschreibt, wie Pilger, die bei ihrer Reise nach Jerusalem an Sizilien vorbeikamen, Flammen aus dem Vulkan kommen sahen.1809 Auch daraus ist kaum auf eine größere Eruption zu schließen, eher auf kleinere vulkanische Aktivitäten, wie sie bei Effusivereignissen vorkommen. Neben dem Ätna bildete für die Zeitgenossen die Vulkaninsel Volcano einen Eingang zur Hölle, in diesem Fall der „Hölle des Theoderich“ (ibi est infernus Theodrichi).1810 Da sich der Ätna und die liparischen Inseln räumlich im selben Gebiet befinden und von Beobachtern beim Durchsegeln beobachtet werden können, ist es kein Widerspruch, in beiden Vulkanen mögliche Eingänge der Hölle zu sehen. Die Berichte über die Visionen, die überwiegend in Heiligenviten oder in deutlich späteren Kompilationen überliefert sind, sagen vergleichsweise wenig über die tatsächliche vulkanische Aktivität aus. Aus der Instrumentalisierung des Ereignisses in dem Sinn, dass ein unbe-/ungeliebter Herrscher in die Hölle geschickt wird, lässt sich kaum auf eine explosive Eruption schließen. Wahrscheinlicher ist deshalb eine effusive Vulkantätigkeit anzunehmen, die zwar beobachtet werden konnte, aber vergleichsweise ungefährlich war.

2.15.5 Vulkanausbrüche auf Island Für das 10. Jahrhundert sind besonders in Island Vulkanausbrüche mit Hilfe der Tephrochronologie, also der vergleichenden Untersuchung von abgelagerten vulkanisch bedingten Ascheschichten,1811 ermittelt worden. Besonders der Ausbruch der Eldgjá um das Jahr 934 wird immer wieder als ein großer Ausbruch mit einer großen Menge in die Atmosphäre injizierten vulkanischen Materials dargestellt. Für einen weiteren Ausbruch in der Zeit um 938 bis 940 wurde bisher ebenfalls die Eldgjá als

|| 1808 Vgl. Sapper, Katalog (1917), 24. 1809 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 998. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 353: Hoc tempore quidam religiosus ab Hierosolimis rediens, in Sicilia reclusi cuiusdam humanitate aliquandiu recreatus, didicit ab eo inter cętera, quod in illa vicinia essent loca eructantia flammarum incendia, quae loca vocantur ab incolis Ollae Vulcani, in quibus animae reproborum luant diversa pro meritorum qualitate supplicia, ad ea exequenda deputatis ibi demonibus; quorum se crebro voces, iras et terrores, sepe etiam eiulatus audisse dicebat, plangentium quod animae damnatorum eriperentur de manibus eorum per elemosinas et preces fidelium, et hoc tempore magis per orationes Cluniacensium, orantium indefesse pro defunctorum requie. Hoc per illum abbas Odilo comperto, constituit per omnia monasteria sibi subiecta, ut sicut primo die Novembris solemnitas omnium sanctorum agitur, ita sequenti die memoria omnium in Christo quiescentium celebretur. Qui ritus ad multas aecclesias transiens, fidelium defunctorum memoriam solemnizari facit. 1810 Vita Willibaldi episcopi Eichstetensis. Ed. Holder-Egger, MGH SS 15.1, 101. 1811 Dugmore/Newton, Tephrochronology (2009), 937.

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Verursacherin vermutet.1812 Weitere Ausbrüche werden für die Jahre 900, 913, 934/938 und 942/946 angenommen. Eine sehr stark untersuchte Kette von vulkanischen Ereignissen, ähnlich jenen des vermuteten Ereignisses von 536 bis 540 wird für die 930er- und 940er-Jahre angenommen. Obwohl Studien dazu in größerer Zahl vorliegen, ist das Geschehen noch nicht genau geklärt. Das folgende Kapitel kann diese Klärung auch nicht bieten, versucht aber den aktuellen Forschungsstand zusammenzufassen und kann an einigen, auf historischen Quellen basierenden Stellen neue Ergebnisse liefern. Für die in den Daten der Eisbohrkerne1813 und den dendrochronologischen Da1814 ten beobachteten Spitzenwerte in den 930er- und 940er-Jahren wurden als Verursacher zwei Vulkane vorgeschlagen, deren Ausbrüche in genau diese Epoche fallen könnte: Zum einen ist dies die „Eldgjá“ – isländisch für „Feuer-Graben“ – in Südisland. Ihr Ausbruch wird im Allgemeinen seit Sappers Katalog in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts datiert.1815 Nach Ansicht verschiedener Vulkanologen scheint es eine der größten basaltischen Graben-Eruptionen der vergangenen 1.500 Jahren gewesen zu sein. Sie könnte sogar den Ausbruch des isländischen Lakagígars (Laki oder Skafár fire) im Jahre 1783 und unter Umständen den Ausbruch des indonesischen Tambora im Jahre 1815 in ihrer Größenordnung übertroffen haben.1816 Dabei kommt es jedoch immer darauf an, welches Kriterium für den Vergleich zugrunde gelegt wird, denn allein eine Konzentration auf den „Volcanic Explosivity Index“ (VEI) – die logarithmische Stärkeangabe eines Vulkanausbruchs in Werten von 0 bis 8 – sagt zu wenig über den Ausbruch und über die Wirkungen des Ausbruchs aus.1817 Die Menge der ausgeworfenen Lava, die Menge der ausgeworfenen Lockermaterialien, besonders der Sulfate (Eldgjá 220 Mt, Laki 120 Mt, Tambora) oder den VEI (Tambora 7, Eldgjá 6+, Laki 6) ist allein wenig aussagekräftig.1818 Zum anderen kommen als Verursacher auch andere Vulkane, wie der Vulkan Baitoushan in Frage, der heute aufgrund seiner Lage – genau im Grenzgebiet von China zu Nordkorea – nicht so einfach erforscht werden kann. Trotzdem sind in den vergangen 20 Jahren einige Studien über dessen Ausbruch im 10. Jahrhundert erschienen. Die Eruption der Eldgjá war ein komplexes Ereignis, dem sich vor allem die naturwissenschaftliche Forschung mit den unterschiedlichsten Methoden genähert hat. Zudem wird dieser Ereignishorizont gern als time-Marker für die Synchronisation verschiedener Datierungssysteme verwendet. Dies unterstreicht die Bedeutung des Eldgjá-Ausbruchs abseits seines eigentlichen Ereignishorizontes. Die Innovationen der || 1812 Oppenheimer u. a., Eldgjá eruption (2018), 369–381. 1813 Zielinski u. a., Evidence (1995), 129–140. 1814 D’Arrigo/Jacoby/Pederson, Spatial response (2001), 239–246. 1815 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 888 f. 1816 Thordarson u. a, New estimates (2001), 33–54. 1817 Gudmundsson u. a., Volcanic hazards (2008), 255. 1818 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 202, Nr. 1702-3.

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Tephrochronologie, der Eisbohrkerndatierung und der Dendrochronologie haben in den letzten Jahren viele neue Resultate in Bezug auf die Eldgjá erbracht, deren Ergebnisse auch für die historische Forschung relevant sind. Zusammenfassend lassen sich folgende Aussagen aus den naturwissenschaftlichen Daten zum Eldgjá-Ausbruch festhalten: 1819 Die Menge des ausgestoßenen Tephra, also der mineralischen Kleinteile, die der Vulkan in die Atmosphäre entlassen hat, wird mit dem großen Volumen von 19,6 Kubikkilometer angegeben, der geschätzte Wert an Schwefelgasen wie Schwefeldioxid (SO2) mit 220 Megatonnen. Durch die Reaktion dieses Gases mit der in der Atmosphäre enthaltenen Feuchtigkeit kann daraus auf eine maximale Menge von 450 Megatonnen Schwefelsäure (H2SO4) zurückgeschlossen werden, für deren Abbau die Atmosphäre mehrere Jahre benötigte.1820 Die Eiskerndaten aus Grönland, die europäischen Eichenringdaten und dendrochronologischen Daten aus Taymir in Sibirien zeigen eine deutliche Schrumpfung in den Jahren 933 bis 935 und wieder im Jahr 940. Zudem ist die Eldgjá ein 75 Kilometer langes Fissure-System, was dazu führt, dass es nicht zu explosiven, sondern zu effusiven Ausbruchsereignissen kommt. Zur Erforschung des Eldgjá-Ausbruchs wird vergleichend der Ausbruch des Lakis im Jahr 1783 herangezogen, der deutlich besser dokumentiert ist. Da es sich in beiden Fällen um Spaltenvulkanausbrüche handelt und sie zudem topographisch nahe beieinanderliegen, lassen sie sich relativ gut miteinander vergleichen. Die bisherigen Zusammenstellungen zum Eldgjá-Ausbruch wurden für Mitteleuropa,1821 den Nahen und Mittleren Osten,1822 aber auch für China aus historischen Quellen gefiltert.1823 Auch die seriellen Nilflutdaten (630–1470) wurden mit dem Eldgjá-Ereignis verglichen, aber die Ergebnisse lassen sich kaum synchronisieren.1824 Bei den bisherigen Zusammenstellungen sind die Methoden der Geschichtswissenschaften zu wenig berücksichtigt worden, was auch verschiedentlich schon kritisiert wurde. Im Folgenden geht es deshalb vor allem um die historischen Quellen und ihre Kontextualisierung. Ein (undatiertes) Ereignis in Island, das ein Vulkanausbruch gewesen sein könnte, wird bereits im Landnamabook genannt: „Da ging Skalm wieder voraus, bis sie von den Hochlanden südwärts zum Borgarfjord kamen, dort, wo zwei rote Sandhügel im Wege standen. Da legte sich Skalm unter dem äußeren Hügel

|| 1819 Loughlin u. a., Large‐magnitude fissure eruptions (2012), 14 f. 1820 Zielinski u. a., Evidence (1995), 129–140; Thordarson u. a., New estimates (2001), 33–54. 1821 Stothers, Far reach (1998), 715–726; Stothers, Volcanic Dry Fogs (1999), 713–723; Stothers, Cloudy and clear Stratospheres (2002), ACC 17–5. 1822 McCarthy/Breen, An evaluation (1997), 117–138. 1823 Fei/Zhou, Possible Climatic Impact (2006), 443–457; Fei/Zhou/Hou, Chinese historical records (2003), 214–225. 1824 Oman u. a., High-latitude eruptions (2006), L18711.

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unter ihrer Traglast nieder. Da nahm Thorir Land südlich der Gnupa bis zur Kalda [kleiner Flüsse, die in die nordöstliche Ecke des Faxafjords münden] unterhalb des Knappadal [Hnappadal] zwischen dem Gebirge und dem Strand und wohnte im äußeren Kaudamel [Rothügel, im östlichen Teil der Insel Snaefellsnes]. Er war ein großer Häuptling. Als Thorir schon alt und fast blind war, da kam er eines Abends spät hinaus und sah, dass ein großer bösaussehender Mann in einem eisernen Boot von See her in die Kaldamündung ruderte und zu dem Gehöft hinaufging, das Hriep hieß, und da im Tor des Stadels grub. In der Nacht aber brach dort Erdfeuer [jard-eldr] aus, und das Borgarhraun brannte [wurde mit brennender Lava übergossen]; dort stand der Hof, wo jetzt der Krater ist.“1825

Bereits für das Jahr 933 melden irische Annalen eine Sonne, die für einen Tag wie Blut erschien bis zum Mittag des nächsten Tages.1826 Eine Sonnenfinsternis kann in diesem Fall ausgeschlossen werden, denn eine Dauer von mehreren Stunden für eine Sonnenfinsternis ist nicht möglich, die maximale Dauer beträgt allerhöchstens eine Stunde. Auch hat im Jahr 933 keine Sonnenfinsternis über Europa oder Irland stattgefunden.1827 Allerdings lag am 16. April 934 der Schatten einer vollen Sonnenfinsternis genau über Irland.1828 Der Winter des Jahres 933/934 war wohl nicht allzu warm, denn bei einer Burgbelagerung durch die Ungarn wurden einige von ihnen Opfer der Kälte.1829 Als erste Quelle zu den Ereignissen des Jahres 934 ist das oben zitierte isländische Landnámabók zu nennen, dessen mündliche Traditionen von Ari Thorgilsson (1068–1148) erstmals niedergeschrieben und von Sturla Thórdarson in den Jahren 1275 bis 1280 kompiliert wurde.1830 Das „Landnahmebuch“ listet 435 skandinavische Siedler auf, die sich in Island zwischen den Jahren 874 und 934 niederliessen. Der im Uhrzeigersinn angelegte Umgang durch die Besitzungen auf der Insel wurde durch den „Herrn der Dinge“ (rerum dominus)1831 auf dem Thingvellir,1832 dem jährlichen Treffen der Inselbewohner memoriert. An zwei Stellen im Landnámabók werden unmittelbare Folgen von Vulkanausbrüchen beschrieben. So heißt es in Buch 4, 11: „Hrafn Hafnerlykill [Hafenschlüssel] war ein großer Wiking. Er fuhr nach Island und nahm Land zwischen Hólmsá [Hólmsár] und der Eyjará1833 und wohnte in Dynskógar

|| 1825 Landnámabok 2, 2, in: Islands Besiedlung. Ed. Baetke, 78 f. 1826 Annals of Clonmacnoise, ad a. 933. Ed. Murphy, 151: The sun for one day appeared like blood until noon the next day. 1827 Vgl. NASA Eclipse Web Site: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEcat5/SE0901-1000.html (10.5. 2016); Schove/Fletscher, Chronology (1987), 224 f. 1828 Saroszyklus 92: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/934-04-16.gif (15.2.2016). 1829 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 1, 38. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 56; FSGA 8, 74 f. 1830 Simek/Pálsson, Lexikon der altnordischen Literatur (1987), 222 f. 1831 Den Terminus rerum dominus verwendet Widukind in seinem Werk vier Mal: Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 1, 39; 1, 41; 2, 1; 2, 32 von Heinrich und 2, 36 von Otto. 1832 In Thingvellier wurde ab 930 jährlich an zwei Juni-Wochen die traditionelle Versammlung Alþing abgehalten. 1833 Durchschneidet den Myrdalssand westlich von Kudafljot.

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[Dynskógum]. Er sah einen Vulkanausbruch voraus und verlagerte sein Gehöft nach Lágey1834.“1835 Die Vorhersage eines Vulkanausbruchs ist ein bis heute bei der indigenen Bevölkerung hin und wieder zu beobachtender Vorgang, so flüchteten in der Nacht vor dem Ausbruch des Vulkans Taal in den Philippinen im Jahre 1965 die meisten Inselbewohner, weil die Tiere sich abnorm benahmen und ungewöhnliche Geräusche machten.1836 Die zweite Stelle des Landnámabóks, in der unmittelbar ein Bezug auf ein vulkanisches Ereignis genommen wird, findet sich im darauffolgenden Kapitel 4, 12: „Molda-Gnúpr und sein Bruder fuhren nach Island, weil sie [in Norwegen] als Totschläger gesucht wurden. Sie besiedelten das Land zwischen dem Fluss Kuda [Kúdaflót] und dem Fluss Eyjarár und dem Alftaver [‚Schwanensee‘].1837 In dieser Zeit gab es dort einen großen See, auf dem Schwäne gejagt wurden. Molda-Gnúpr verkaufte vielen Männern Teile seiner Landnahme, und so wurde diese dicht besiedelt, bis das Erdfeuer sich darüber ergoss. Da flohen alle westwärts nach Hofda-Brekka1838 und errichteten dort eine Zeltsiedlung, auf einem Platz der jetzt Tjaldavelli [‚Zeltebene‘] genannt wird.“ 1839 Für das ursprüngliche Siedlungsgebiet ist von Thordarson und anderen das Areal um Álftavershólar vorgeschlagen worden. Dort gibt es die geologisch interessante Gruppe der wurzellosen Krater, einer speziellen Kraterform, die entsteht, wenn Lava auf Wassermengen wie Pfützen oder stehende Gewässer trifft.1840 Der Autor Ari Thorgilsson schrieb zwar 200 Jahre nach dem Eldgjáausbruch, aber er könnte mit etwa 36 Jahren als Augenzeuge den bekannten Hekla-Ausbruch von 1104 gesehen haben. Das geht zwar aus den Quellen nicht ausdrücklich hervor, ist aber zeitlich möglich. Seine Beschreibung der Lava mit „Erd-Feuer“ (jard-eldr) trifft deren Charakter stärker als eine Umschreibung mit „Blut“/„-rot“. Für die Datierung der Angaben im Landnámabók, mit der im Übrigen die Erstbesiedlungsphase Islands nach etwa 60 Jahren endete, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Quellenstelle auf dem Kontinent, die am stärksten für den Ausbruch der Eldgjá in Anspruch genommen wurde, findet sich bei Widukind von Korvei zum Jahr 934: „[A]uch vor König Heinrichs Tode hatten sich viele Wunderzeichen gezeigt, sodass der Glanz der Sonne im Freien bei heiterem Himmel fast nicht zu sehen war, ins Innere der Häuser aber durch die Fenster rot wie Blut hineindrang. Auch der Berg, auf dem der großmächtige Herr begraben ist, spie, wie das Gerücht ging, an vielen Orten Flammen aus. (…) folgte eine

|| 1834 Westlich der Eyjará. 1835 Landnámabok 4, 11, in: Islands Besiedlung. Ed. Baetke, 139. 1836 Pichler/Pichler, Vulkangebiete der Erde (2007), 203. 1837 Landschaft nördlich Myrdalssand, westlich Kudaflojt. Der Name bedeutet „Schwanenwerder“. 1838 Im Westen des Myrdalssands. 1839 Landnámabok 4, 12, in: Islands Besiedlung. Ed. Baetke, 139 f.: Gnúpr fór til Íslands fyrir víga sakir þeira bræðra ok nam land milli Kúðafljóts ok Eyjarár ok Álftaver allt. Þar var þá vatn mikit ok álftveiðar á. Molda-Gnúpr seldi mörgum mönnum af landnámi sínu, ok gerðist þar fjölbyggt, áðr jarðeldr rann þar ofan, en þá flýðu þeir vestr til Höfðabrekku ok gerðu þar tjaldbúðir, er heitir á Tjaldavelli. 1840 Thordarson/Höskuldsson, Postglacial volcanism (2008), 215.

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ungeheure Überschwemmung und der Überschwemmung eine Rinderseuche.“1841 In der Beschreibung, die Widukind ungefähr 30 Jahre nach dem Ereignis als Einschub in seinen Text einbaute, benutzt als Terminus dominus rerum, dessen Interpretation immer wieder Schwierigkeiten bereitet. In seiner Edition setzte Waitz den Begriff in Majuskeln, was ein Bezug zum Herrn Jesus Christus und dessen Sterbeort Jerusalem implizieren würde. In der Regionalforschung wurde die Geschichte auf den Bestattungsort Heinrichs I. bezogen und das Ereignis als Brand auf dem Quedlinburger Burgberg interpretiert.1842 Ein Berg, aus dem an vielen Stellen Flammen hervorbrechen (Mons (…), quia multis in locis flammas evomeret), deckt sich aber sehr gut mit anderen mittelalterlichen Beschreibungen von Vulkanausbrüchen. Forscher wie Stothers deuten den Text deshalb als Beschreibung eines Vulkanausbruchs. Für Quedlinburg, das auf mesozoischen Sandsteinschichten steht, ist ein vulkanischer Charakter geologisch ebenso auszuschließen1843 wie für Jerusalem. So bleibt nur, das von Widukind so deklarierte Gerücht (fama) wörtlich zu nehmen und an einen in der Zeit tatsächlich vulkanisch aktiven Ort zu denken. Einen terminus ante quem für den Einschub Widukinds bildet der Tod von Heinrich I. am 2. Juli 936. Stothers schlug 1998 vor, den Begriff dominus rerum als „overlord of the thing“ zu interpretieren, was somit auf den Gesetzessprecher des Althing in Thingvellir auf Island hindeuten würde.1844 Der erste Gesetzessprecher ist sogar namentlich bekannt – Úlfjótr – und er hatte seine Funktion 934 wahrgenommen.1845 Wie wahrscheinlich ist es nun, dass Widukind von Korvei hier über Hörensagen ein Naturereignis einbaut, welches fast 2.500 Kilometer von ihm entfernt stattgefunden hatte? Dafür ist ein kleiner Exkurs notwendig, der mit der Frage beginnt, was Widukind an dieser Stelle noch für „Gerüchte“ eingeschoben hat. So heißt es: „Auch wurde einem Mann die linke Hand, die ihm mit dem Schwerte abgehauen war, nach-

|| 1841 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 32. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 93; FSGA 8, 116 f.: (…) quoniam quidem ante regis Heinrici excessum multa prodigia monstrata sunt, ita ut solis splendor forinsecus aere absque nubilo pene nullus appareret, intrinsecus autem per fenestras domorum rubeus tamquam sanguis infunderetur. Mons quoque, ubi ipse rerum Dominus sepultus est, fama prodidit, quia multis in locis flammas evomeret. 1842 So sah bereits Sigebert von Gembloux die Stelle. Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 937. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 347 f.: Hoc anno prodigia apparuere. Sol sereno caelo obscuratur; per fenestras vero domorum radios quasi sanguineos emittebat. Mons, ubi postea rex Henricus sepultus est, flammas multis in locis evomebat. Hominis cuiusdam sinistra manus ferro amputata, post annum paene integrum ei dormienti restituta est; qui pro signo miraculi linea quasi sanguinea loco coniunctionis notabatur. Heinricus rex moritur, qui licet in vincendis inimicis gloriosus fuerit, quia tamen pacificus erat, nullam operam dedit, ut effugatis ab Italia tyrannis, qui quasi conductivi mercennarii alter alteri succedentes imperium dilaniabant, benedictionem imperialem accepisset. 1843 Siegesmund u. a., Stability assessment (2011), 641–659. 1844 Stothers, Far reach (1998), 715–726. 1845 Kostick/Ludlow, Dating of Volcanic Events (2015), 16 f.; Stothers, Far reach (1998), 718.

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dem fast ein volles Jahr verflossen war, im Schlafe unversehrt wiedergeben; zum Zeichen des Wunders behielt er als Merkmal eine blutrote Linie an der Stelle der Verbindung.“1846 Diese Geschichte klingt zunächst völlig unglaubwürdig, widerspricht sie doch aller medizinischen Erfahrung und würde so, wie sie geschildert ist, ein hohes Maß an chirurgischem Können voraussetzen, wie es im 10. Jahrhundert unbekannt war. Dass die Geschichte dennoch nicht von Widukind erfunden wurde, zeigt eine gleichzeitig aus Byzanz überlieferte Fassung. In dieser wurde eine abgeschlagene Hand durch eine Hand aus Metall ersetzt und dieser Bericht könnte als Vorbild für Widukinds Kurzfassung gedient haben: Dabei täuschte der Makedonier Basileos als „Konstantinos Dukas“ viele Zeitgenossen und, nachdem er gefangen war, ließ Kaiser Rhomanos Lakapenos ihm eine Hand abhacken. Als er nach einem Jahr freigelassen wurde, legte er sich eine eherne Hand zu und versuchte, wiederum erfolgreich, viele zu täuschen. Nachdem er eine Festung erobert hatte, wurde er gefangen und hingerichtet.1847 Widukind hat hier eine 2.400 Kilometer südlich von ihm dokumentierte Geschichte aufgegriffen und an der chronologisch richtigen Stelle in seinen Text assimiliert. Wie sie ihn erreichte, bleibt zwar im Dunkeln, aber es gab in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts mehrere Gesandtschaften zur Brautwerbung an den byzantinischen Hof, die sicher auch dem Wissensaustausch dienten. Entsprechend kann vermutet werden, dass auch Gerüchte aus dem Norden den Weg an den ottonischen Hof fanden und von Widukind aufgegriffen werden konnten. Oft hat die Forschung wiederholt, dass Otto I. nach seiner Hochzeit mit Edgitha bis zum Tod seines Vaters aus den Quellen verschwindet und wir nichts über seinen Aufenthalt in diesen Jahren wüssten. Allerdings gibt im 11. Jahrhundert Ekkehard IV. rückblickend einen ganz klaren Aufenthaltort an: „Doch während Otto sich geraume Zeit bei den Angeln und deren König Adeltag [Aethelstan], seinem Schwiegervater, aufhielt, damit sie mit vereinten Kräften den Dänenkönig Knut [Chnuba] bezwängen.“1848 In dem Fall könnte das Umfeld Ottos I. als Übermittler der Geschichte aus Island über England gedient haben. Aus den historischen Quellen allein ist das Ereignis um die Eldgjá in diesen Jahren nicht zu deuten und bedarf weiterer Forschungen. Als weiterer Ausbruch eines Vulkans auf Island ist einer zu nennen, der während des Althings 999 stattgefunden haben soll: „The whole assembly was at the Law-

|| 1846 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 32. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 93; FSGA 8, 116 f.: Hominis etiam cuiusdam manus sinistra ferro amputata post annum fere integrum restituta est ei dormienti, qui pro signo miraculi sanguinea linea loco coniunctionis notabatur. 1847 Vgl. Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Rhomanos Lakapenos 27, in: Byzanz Ed. Thurn. 1848 Ekkehardi IV Casuum s. Galli Continuatio, 9, 81. Ed. von Arx, MGH SS 2, 119; FSGA 10, 170: Ottone apud Anglos cum Adeltage rege ipsorum, socero suo, aliquandiu afgente, ut iunctis viribus Chnutonem Danorum debellaret regem. Adeltag ist wohl mit Athelstan (925–941) und Chnuto mit Chnuba verwechselt.

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Rock. (…) Then a man came running up and said that there had been a volcanic eruption at Qlfus and it was about to engulf the homestead of Fóroddr godi. Then the heathens spoke up: ‘It is no wonder that the gods are enraged by such talk.’“1849 Mit dem Hinweis, dass es bereits früher Ausbrüche in Island gegeben habe, die nicht auf die Christianisierung zurückgehen, wurde die Argumentation abgelehnt. Eine versuchte bewusste Instrumentalisierung von isländischen Vulkanausbrüchen in den Quellen – wie bei der Christianisierung Islands um die Jahrtausendwende – kann also nicht ausgeschlossen werden.

2.16 Sonnenverdunkelung und Höhenrauch Ausbrüche von Vulkanen, die weit von Mitteleuropa und damit von den unmittelbaren Beobachtungsmöglichkeiten der europäischen Zeitgenossen entfernt lagen, konnten durch ihre Fernwirkung trotzdem von diesen wahrgenommen werden. Das war indirekt anhand des sogenannten „Höhenrauchs“ (dry fog) möglich. Dieser wird aus Aerosolen gebildet, die in höhere Schichten der Atmosphäre geschleudert werden und dann über größere Entfernungen verdriftet werden können. Sie verdunkeln die Lichteinstrahlung von Himmelkörpern, besonders von Sonne und Mond, spürbar. Für die Zeitgenossen führte dies zu einer Abweichung von ihrer Erwartungshaltung, was zur Dokumentation solcher Extremereignisse führen konnte. Während der gesamten Untersuchungszeit wurden wiederholt solche Verdunklungen beschrieben. Sie unterscheiden sich von Sonnen- und Mondfinsternissen vor allem durch ihre Länge. Während die Finsternisse nie länger als eine Stunde dauern, sind echte Verdunklungen oft tage- oder sogar wochenlang zu beobachten. Im Jahr 1983 wurde eine Liste von ancient volcanic eruptions publiziert, die überwiegend auf Quellen des Mittelmeerraumes beruht. Die Liste enthält einen Eintrag über einen persistent dust veil or dry fog, der den Himmel im Jahr 536/537 verdunkelt habe.1850 Ausgelöst durch eine mystery cloud seien viele Veränderungen wie vulkanische Winter1851 und Hungersnöte eingeleitet worden, die vom römischen Wärmeoptimum in sehr kurzer Zeit, fast schlagartig, in die frühmittelalterliche Kaltzeit geführt hätten. Als Ursache für die mystery cloud wurden der Ausbruch eines Vulkans oder der Einschlag eines Kometen1852 vorgeschlagen. Ein Konsens über die Ursache zeichnet sich aber bisher nicht ab. Das unbekannte Ereignis von 5367537 wurde in zwei

|| 1849 Kristni Saga. Ed. Grønlie, 48 f. 1850 Stothers/Rampino, Volcanic Eruptions (1983), 6357–6371; Stothers, Mystery cloud (1984), 344 f.; Stothers, Cloudy and clear (2002), ACC 17–4. 1851 Rampino/Self/Stothers, Volcanic winters (1988), 73–99. 1852 Rigby/Symonds/Ward-Thompson, Comet impact (2004), 1.23–1.26; Than, Comet (2008), 3.

Sonnenverdunkelung und Höhenrauch | 343

späteren sehr populären Publikationen zu einer Zäsur zwischen Spätantike und Frühmittelalter hochstilisiert,1853 bei der mit extremen Umschwüngen der Witterung und einem rapiden Wandel des Klimas das Mittelalter begonnen habe. Dafür wurde versucht, Zeugnisse über dieses Ereignisse in ganz unterschiedlichen Kulturen (Maya, China, Byzanz etc.) nachzuweisen,1854 auch in europäischen Quellen.1855 Als Kandidat eines Vulkanausbruches wurde 1999 von David Keys der Krakatau in Indonesien in die Diskussion eingebracht,1856 insgesamt sind Keys Arbeiten aber sehr kritisch betrachtet worden.1857 2001 schlugen Dull u. a. die Tierra Blanca Joven (TBJ) IlopangoEruption in El Salvador als Ursache für die mystery cloud des Jahres 536 vor.1858 Der Einschlagkrater des von anderen vermuteten Kometen1859 soll sich in der Nordsee befinden.1860 Der Ursprung der mystery cloud bleibt aber weiterhin ungeklärt, die Folgen eines „Jahres ohne Sommer“ in Form einer alles verdeckenden Wolkenschicht in der höheren Atmosphäre scheinen dagegen vielfach nachgewiesen. Der angesprochene, sehr abrupte Übergang von einer – überspitzt ausgedrückt – mediterran-warmen Spätantike in ein finster-kaltes Frühmittelalter soll hier bezüglich seiner Quellennachweise noch einmal hinterfragt werden. Besonders das Jahr 536 muss dabei im Vordergrund stehen, galt es doch, wie schon erwähnt, bisherigen Forschern als Zäsurenjahr, wovon nicht zuletzt ein 2010 herausgegebener Sammelband zeugt,1861 in dem versucht wurde, die historischen Quellen,1862 aber auch viele andere Klimaarchive bezüglich dieses Ereigisses zu untersuchen.1863 Die konkrete Jahresdatierung beruht auf erhöhten Sulfatwerten in den Eiskernen der GISP2-Bohrung,1864 deren ungenaue Daten (+/- 2,5 Jahre) mit dendrochronologischen Daten weiter verfeinert wurden.1865 Aufgrund dieser Werte wurden die historischen Quellen auf Hinweise abgeklopft, die auf ein Zäsurereignis wie einen Vulkanausbruch hindeuten

|| 1853 Keys, Catastrophe (1999); Baillie, Exodus to Arthur (1999), 65–68. 1854 Siehe dazu den Sammelband Gunn, Years without Summer (2000). 1855 Stothers, Mystery cloud (1984), 344 f. 1856 Keys, Als die Sonne erlosch (1999), 343–352. 1857 Dark, Review (1999). 1858 Dull/Southon/Sheets, Volcanism (2001), 25–44; Dull u. a., TBJ Ilopango eruption (2010): „bulk tephra volume for the TBJ event of ~84 km3, indicating a large VEI 6+ event and a magnitude of 7.0.“ 1859 Rigby/Symonds/Ward-Thompson, Comet impact (2004), 1–23. 1860 Than, Comet Smashes (2009), 3; Than, Slam dunks (2009), 9. 1861 Gunn, Years without Summer (2000). 1862 Gunn, A.D. 536 (2000), 5–20. Jones, Climate (2000), 25–34. Young, Climate and Crisis (2000), 35–42. 1863 Tanner, Beach ridge history (2000), 89–98. 1864 Abbott u. a., Magnetite (2008); Larsen u. a., New ice core (2008). 1865 D'Arrigo u. a., Spatial Response (2001), 239–246; Baillie, Dendrochronology (1994), 212–217.

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könnten. Zahlreiche weitere Studien versuchten sich über die Betrachtung unterschiedlichster Quellengruppen (archäologische,1866 byzantinische,1867 keltische1868) dem Zäsurenjahr 536 anzunähern. Die mit Abstand beste und quellenkritischste Zusammenstellung aller historischen Zeugnisse stammt von Antti Arjava.1869 Es sind überwiegend acht Quellenstellen, die als Belege für den extremen Wandel verwendet werden: 1) Procopius Vandalenkriege 3, 14; 2) Johannes von Ephesos, 3) Lydus, De ostentis 9c; 4) Gildas (DEB 1.1, 1.16, 93.3); 5) Michael der Syrer; 6) der Brief von Cassiodor an Ambrosius (Variae 12.25.2-7),1870 7) Liber Pontificalis und 8) das Werk des Marcellinus Comes. Im Kontext der Untersuchung von Quellenstellen mit einem Bezug zu einer Verdunkelung der Sonne im Jahr 536/537 ist zu betonen, dass es weder bei Gregor von Tours noch bei Fredegar, die sonst beide sehr daran interessiert sind, extreme Naturereignisse zu schildern, den kleinsten Hinweis auf ein ungewöhnliches Extremereignis gibt. Eine hagiographische Quelle nennt zum Jahr 540 ein besonderes Sonnenwunder, welches mit der Geburt des hl. Columban in Verbindung gebracht wird und viele „Himmelskenntnisse“.1871 Aufgrund dieser methodisch problematischen Quellengattung soll diese Passage hier aber nicht weiter verfolgt werden. Bemerkenswert ist hingegen der Wechsel der naturwissenschaftlichen Forschung von einem angenommenen Ereignis „um 536“ hin zu einem Vulkanausbruch im Vorfeld des Jahres 536,1872 einem zweiten Ausbruch im Vorfeld des Jahres 5401873 sowie eines dritten 547.1874 Für Britannien stellte Jones aber heraus, dass sich am Beispiel der Strukturentwicklung um 536 die Zusammenhänge zwischen einem dramatischen Klimawechsel und der menschlichen Gesellschaft fast nur durch zweitrangige Effekte wie Epidemien nachweisen lassen und kaum durch einfache oder direkte Kausalketten.1875 Bei ihm hat die unterschiedliche Lebensweise der Bretonen und der Angelsachsen, die Ersteren siedelten in verdichteten urbanen Räumen, die Zweiteren in agrarisch geprägten weitläufigeren Gemeinschaften, zu verschiedenartigen Folgen geführt. Durch die lange klimatische Ungunstsituation seien die Bretonen anfälliger für Epidemien geworden und in größerem Umfang gestorben als die Angelsachsen.

|| 1866 Axboe, Året 536 (2001), 28–32. Axboe, Year 536 (1999), 186–188. 1867 Kouroúmali, Catastrophe and Conspiracy (2001), 2–5. 1868 Woods, Gildas and the mystery cloud (2010). 1869 Arjava, Mystery Cloud of 536 CE (2005), 73–94. 1870 Cassiodorus, Variae, 12.25.2-7 : Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 12, 381 f., The Variae. Ed. Barnish, 179–181. 1871 Ionae Vitae sanctorum Columbani. Ed. Krusch, MGH SS rer. Germ. 37; 152–155: Vedastis, Iohannis I, 2,: De ortu et ostensione solis gentrici per visum ostenso. 1872 Vgl. Kostick/Ludlow, Dating of Volcanic Events, 2015, 12–15. 1873 Toohey u. a., Climatic and societal impacts (2016), 401–412. 1874 Büntgen u. a.: Cooling and Societal Change (2016), 231. 1875 Jones, Climate (2000), 33: „Additionally, this particular historical example seems to show that on of the most important causal links between dramatic climate change and human society may be through the secondary effects of disease, and that the causal links are not simple or direct.“

Sonnenverdunkelung und Höhenrauch | 345

Die Überlebensfähigkeit in verschärften Umweltbedingungen sei von der Lebensweise und den Mustern der sozialen Interaktion in starkem Maße abhängig.1876 Abschließend lässt sich festhalten: Für die Zeit der Jahre 535/536 und 540–547 wurde versucht, in den historischen und naturwissenschaftlichen Quellen Hinweise auf ein globales Klimaereignis zu finden. Als Ursache eines als mystery cloud oder dry fog bezeichneten Phänomens, die von Zeitgenossen als unerklärliche Wolkenschicht umschrieben werden, wurden drei unterschiedlich ausgeprägte Vulkanausbrüche vorgeschlagen. Die in bisherigen Darstellungen genannten dramatischen Folgen dieser Ausbrüche, die auf insgesamt acht Quellenstellen beruhen, wurden durch die quellenkritische Detailstudie von Antti Arjava stark relativiert.1877 Auch im Jahr 626 soll die Sonne für acht bis neun Monate über dem östlichen Mittelmeerraum abgedunkelt gewesen sein.1878 Theophilus von Edessa berichtet, dass „es eine Sonnenverfinsterung gab, die von Oktober 626 bis Juni 627, also für neun Monate dauerte. Die Hälfte der Sonnenscheibe war verfinstert und die andere Hälfte nicht. Nur ein wenig ihres Lichtes war sichtbar. Dann gab es eine Sonnenfinsternis und die Sterne waren während des Tages sichtbar.“1879 Diese Nachricht beschreibt zwei Phänomene, einerseits eine mehrmonatige Verdunkelung der Sonne, andererseits eine tatsächliche Sonnenfinsternis, die im Allgemeinen unter einer Stunde dauert. Allerdings hat sich 626 und 627 keine Sonnenfinsternis ereignet, die in Edessa oder im Nahen Osten hätte beobachtet werden können. Die zeitlich nächste dort beobachtbare Sonnenfinsternis ereignete sich am 27. Januar 632 und gehörte zum Saroszyklus 99.1880 Trotzdem zeigt der Bericht, dass die neun Monate dauernde Verdunkelung von den Zeitgenossen als etwas Besonderes wahrgenommen wurde. Hinzu kommen mehrere Nachrichten in der irischen Annalengruppe, die „ein dunkles oder düsteres Jahr“ zwischen 625 und 630 überliefern.1881 Es ist vorgeschlagen worden,

|| 1876 Jones, Climate (2000), 33: „As shown by the case of the Britons and Anglo-Saxons, groups living in the same environmental zona may be affected differentially depending on such things as their settlement patterns and spheres of social interaction.“ 1877 Arjava, Mystery Cloud of 536 CE (2005), 73–94. 1878 Stothers, Cloudy and clear (2002), ACC 17–4. Kostick/Ludlow, Dating of Volcanic Events (2015), 15. 1879 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 626–627. Ed. Hoyland, 73 [Agapius]: There was an eclipse of the sun and it lasted from October until June, that is, for nine months. Half of its disc was eclipsed and the other half not; only a little of its light was visible. There was an eclipse of the sun and stars were visible in the daytime; ebd. [MSyr]: The light of one half of the orb of the sun was extinguished and there was a darkening from October until June so that people said that the orb of the sun would never again be restored; ebd. [Chron 1234]: The light of one half of the orb was extinguished and there was a darkening of the sun and the light of one half of its orb was extinguished from October until June so that people said that the orb would never again restored. 1880 Vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0601-0700/632-01-27.gif (15.1.2016). 1881 Chronicle of Ireland (AU, CS), ad a. 625. Ed. Charles-Edwards, 133: A dark year. Annals of Tigernach, ad a. 627. Ed. Stokes, Bd. 1, 177: A gloomy year. Annales Cambriae, ad a. 630. Ed. Gough-Copper

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diese Verdunkelung der Sonne als Folge eines Vulkanausbruchs zu erklären. Als möglicher Kandidat, die als Verursacher der hochaufgestiegenen Plume dienen könnten, wurde der Oshima in Japan vorgeschlagen, der um das 625 mit einer VEI 3 ausgebrochen sein könnte. Die kausale Vereinfachung, eine vulkanische Eruption habe zu einer Abkühlung des Klimas geführt, in deren Folge das Eastern Turkic Empire zusammengebrochen sei, scheint sehr unwahrscheinlich zu sein.1882 Im Jahr 745 „füllte Staub die ganze Atmosphäre und dies verdunkelte die Sonne alle Tage.“1883 Auch ander Überlieferungen von Theophilus berichten zum 745–746, dass im Norden „ein Zeichen erschien und in einigen Orten Staub vom Himmel herabfiel und es ein Erdbeben am Kaspischen Tor gab.“1884 In einer weiteren Überlieferung heißt es: „Ein anderes Zeichen erschien im Januar in der Gestalt des Mondes. Die Atmosphäre war düster und dunkel.“1885 Im selben Jahr erfüllte von Anfang März bis Mitte April eine Art von Staub die ganze Atmosphäre und es war düster. An allen Tagen wirbelte der Staub in vielen Orten und gegen neun Uhr bildete es eine Umhüllung und verdunkelte die Strahlen der Sonne.“1886 Zum folgenden Jahr 746–747 berichtet Theophilus von Edessa von einer „dunstigen Dunkelheit, die vom 10. bis 15. August“ geherrscht habe.1887 In anderen Überlieferungen wird die Atmosphäre als trüb und milchig bezeichnet. Die Sonne sei zwar blutrot gewesen und ihr Licht schwach, aber es sei keine Sonnenfinsternis gewesen, sondern die Atmosphäre getrübt.1888 Eine ähnlich klingende Beschreibung überlieferte Theophanes der Bekenner zum Jahr 797:

|| (Version A), 8: an.’ clxxx sol obscuratus est. Annales Cambriae, ad a. 625. Ed. Gough-Copper (Version B), 27: Sol obscuratus est. 1882 Fei/Zhou/Hou, Circa A.D. 626 volcanic eruption (2007), 469–475. 1883 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 745–746. Ed. Hoyland, 243 [Chron 1234]: Dust filled the whole atmosphere. All day it obscured the sun’s rays. Vgl. Stothers, Cloudy and clear (2002), ACC 17–4. 1884 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 745–746. Ed. Hoyland, 243 [Theophanes]: A sign appeared in the north and in some places dust fell down from heaven. There was also an earthquake at the Caspian Gates. 1885 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 745–746. Ed. Hoyland, 243 [Agapius]: Another sign appeared in January, in the form of a moon. The atmosphere was gloomy and dark. 1886 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 745–746. Ed. Hoyland, 243 [MSyr]: There appeared in the sky the like of a half-moon, in the northern sector. Gradually, over a long time, it passed into the southern sector, then returned to north and descended to the earth. In the same year, from the beginning of March to the middle of April, a sort of dust filled the whole atmosphere and it was gloomy. All day the dust swirled about in many places, and towards nine o’clock it formed a dark shroud and it obscured the sun’s rays. 1887 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 746–747. Ed. Hoyland, 265 [Theophanes]: From 10–15 August there was a misty darkness. 1888 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 746–747. Ed. Hoyland, 265 [Agapius]: There was an intense darkness for five days in August. The atmosphere was turbid and opaque. The sun was like blood and its light weak. However, it was not an eclipse, but turbidity of the atmosphere; Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 746–747. Ed. Hoyland, 265 [Agapius]: There was an intense darkness for five

Sonnenverdunkelung und Höhenrauch | 347

„Die Sonne verfinsterte sich 17 Tage lang und sandte ihre Strahlen nicht aus, sodass die Schiffe umherirrten und hin und her getrieben wurden. Alles Volk behauptete einmütig, dass wegen der Blendung des Kaisers die Sonne ihre Strahlen verloren habe.“1889 Hier werden politische Beobachtungen von den Zeitgenossen als Ursache instrumentalisiert. Die in den Annalen von Clonmacnoise zum Jahr 933 überlieferte Nachricht von einer blutrot verfärbten Sonne könnte entweder auf eine falsche Angabe des Jahres der eigentlich am 16. April 934 stattgefundenen Sonnenfinsternis erklärt werden1890 oder aber die lange Dauer der Verfärbung von einem Tag, gegenüber dem Maximum von einer Stunde bei einer Sonnenfinsternis, könnte auf eine andere, unbekannte Ursache der Verdunkelung hinweisen.1891 Für das Jahr 939 ist aus Schottland folgende Himmelserscheinung überliefert: „Die Sonne hatte eine blutrote Farbe vom Tagesanfang bis zum Mittag des folgenden Tages.“1892 Für eine Sonnenfinsternis ist dieser Zeitrahmen von fast 36 Stunden wiederum deutlich zu lang. Also ist an eine Bedeckung durch ungewöhnliche Wolkenschichten zu denken. Auch aus Kontinentaleuropa wird im Jahr 939 ein Zeichen in der Sonne überliefert, das gleichermaßen auch im Mond aufgetaucht sei. Dabei handelt es sich allerdings um eine auch von anderen Quellen überlieferte Sonnenfinsternis und einer Mondfinsternis am 29. Dezember 939.1893 Die Nachrichten scheinen also weniger auf eine sich ausbreitende Wolke von Höhenrauch hinzudeuten, als vielmehr auf die immer wieder von den Zeitgenossen als Besonderheit augefasste Koinzidenz einer Sonnen- und Mondfinsternis im selben Jahr.1894 Die Annales Mosomagenses überliefern eine Nachricht von der verdunkelten Sonne zum 23. August 1005,1895 aber im Jahr 1005 fand keine über Europa sichtbare Sonnenfinsternis statt. Die Verdunklung muss damit eine andere Ursache haben. Zusammenfassend bleiben also nicht viele Nachrichten über Verdunkelungen der Sonne und „dunkle“ Jahre übrig, die nicht durch andere Erklärungsmodelle (Eklipsen, optische Phänomene etc.) besser erklärt werden könnten.

|| days in August. The atmosphere was turbid and opaque. The sun was like blood and its light weak. However, it was not an eclipse, but turbidity of the atmosphere. 1889 Theophanes der Bekenner, ad a. 797, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 132. Vgl. Newton, Medieval Chronicles (1972), 116. Vgl. auch Stothers, Cloudy and clear (2002), ACC 17–4. 1890 Saroszyklus 92: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0901-1000/934-04-16.gif (10.5.2016). 1891 Annals of Clonmacnoise, ad a. 933. Ed. Murphy, 151: The sunn for one day appeared like blood until no one the next day. 1892 Chronicum Scotorum, ad a. 939. Ed. Hennessy, 173: The sun was the colour of blood from the beginning of day to midday on the following day. 1893 Saroszyklus 88: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0901-1000/LE0939-12-29T.gif (25.8.2016). 1894 Annales S. Nazarii, ad a. 939. Ed. Bethmann, MGH SS 17, 33: Signum in sole in similtudinem dimidium lune. Eberhart comes occiditur. 1895 Annales Mosomagenses, ad a. 1005. Ed. Pertz, MGH SS 3, 161: Decimo Kalendas Septembris sol tenebratus est.

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Für die Untersuchungszeit werden mehrere Vulkanausbrüche angenommen, die einen starken Einfluss auf die Atmosphäre und damit auf die Witterungsverhältnisse entwickelt haben sollen. Obwohl am Ätna acht Lavaströme mithilfe von Archäomagnetismus auf Dekaden genau datiert wurden, hat nur einer (aus dem Jahr 1063) als tatsächliche Beobachtung in den Quellen seinen Niederschlag gefunden. Dies liegt auch daran, dass sich Vulkankegel aufgrund ihrer markanten Form gut als Besuchsziel eignen, bei solchen Besuchen oder auch nur Vorbeifahrten aber nicht immer gerade ein Ausbruch stattfand. Tab. 27: Mögliche Beobachtungen von Höhenrauch von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Beschreibung

Dauer

Hr-1 536

Mittelmeer

Verdunkelung der Sonne 18 Monate [zahlreich > 8]

Hr-2 625

Irland

dunkles/düsteres Jahr

Hr-3 626

Edessa

Verdunkelung der Sonne 9 Monate

1 Jahr

Quellen

Iri. Chron. (AU,AT, CS) Theophilus v. Edessa

Hr-4 745

Edessa

Staub verdunkelt Sonne

1 Jahr

Theophilus v. Edessa

Hr-5 3.–4.746

Edessa

Staub verdunkelt Sonne

2 Monate

Theophilus v. Edessa

Atmosphäre trüb

5 Tage

Theophilus v. Edessa

Konstantinopel Sonne verdunkelt

17 Tage

Theoph. d. Bekenner

[933

Irland

Sonne blutrot

1 Tag

Iri. Chron. (AC)]

[939

Schottland

Sonnen-/Mondverfärbung 36 Std.

Chronicum Scotorum]

(Mouzon)

Sonnenverdunkelung

Ann. Mosomagenses

Hr-6 10. –15.8.747 Edessa Hr-7 797

Hr-8 23.8.1005

keine SF

Die meisten vorbeifahrenden Zeitgenossen beschrieben nur schwache effusive vulkanische Aktivitäten. Dies gilt für den Ätna, aber kaum für den Vesuv. Von ihm sind mehrere explosive Ausbruchsaktivitäten überliefert. Sie datieren in die Jahre 505, 512, 685, 788, 968 und 1037. Bereits für das Jahr 471/472 beschreibt Marcellinus Comes, dass der Vesuv mit innerem Feuer donnerte und siedenden Schutt ausspuckte und nächtliche Dunkelheit den Tag überschattete, und es über der gesamten Oberfläche Europas feine Staubteilchen regnete, weshalb die Byzantiner die Erinnerung an diese furchtbare Asche am 6. November eines jeden Jahres gefeiert hätten. Damit hat er mehrere ganz charakteristische Eigenschaften eines großen explosiven Vulkanausbruchs zusammengefasst. Eine Beschreibung Cassiodors wiederum bietet eine Beobachtung, die auf einen pyroklastischen Strom hindeuten könnte. Ob dies zum ersten Mal an dieser Stelle beschrieben wurde, wäre noch anhand der antiken Überlieferung zu prüfen. Prokop hat zwar eine relativ ausführliche Beschreibung des Vesuv geliefert, aber kaum etwas über explosive vulkanische Aktivitäten gesagt. Der Ausbruch des Vesuvs im Jahr 968 hat schließlich zu drei eigenständigen Beobachtun-

Sonnenverdunkelung und Höhenrauch | 349

gen über diese Aktivität geführt, unter anderem während der Legationsreise Liudprand von Cremonas nach Konstantinopel. Auch der Vulkan Santorin wurde oft nur im Vorbeifahren beobachtet, er brach am 15. Juli 726 aus. Sein explosiver Vulkanausbruch wird mit VEI 4 angegeben. Besonders die Details im Bericht des Patriarchen von Konstantinopel, Nicephoros, sprechen dafür, dass hier Augenzeugenberichte vorliegen. Im Bericht von Theophanes dem Bekenner über einen Vulkanausbruch in der Ägäis im Jahr 718 wird dieser als Strafe Gottes instrumentalisiert. Ob es sich dabei also tatsächlich um einen Ausbruch in besagtem Jahr oder eine intentionale Nutzung einer Ausbruchsbeschreibung handelt, kann nicht mit letzter Sicherheit ermittelt werden. Kaum anders sieht es beim Volcano aus, der 526?, 729, 925 (+/- 45 Jahre) und 1040 ausgebrochen sein soll. Die isländischen Vulkanausbrüche, für die die Jahre 900, 913, 934/938–940, 942/946 angenommen werden, lassen sich aufgrund des historischen Materials nicht sicher verifizieren; dies liegt vor allem an der späten Überlieferung. Eine Beobachtung von Folgen eines explosiven Vulkanausbruchs ist indirekt anhand des sogenannten Höhenrauchs (dry fog) möglich, der aus Aerosolen besteht, die in höhere Schichten der Atmosphäre bewegt werden und die Menge der Sonneneinstrahlung vermindern. Das Wissen um die Entstehung dieses Höhenrauchs war bei früh- und hochmittelalterlichen Menschen aber nicht vorhanden. Da man nur sieht, was man weiß, und wohl noch weniger beschreibt, was man nicht kennt, sind explizite Bezugnahmen auf Höhenrauch höchst unwahrscheinlich. Tab. 28: Überlieferte Vulkanausbrüche von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Vulkan

Aktivität

Quellen

Ve-1

09.11.505

Vesuv

strombolische Aktivität

Paschale Campanum

Ve-2

08.07.512

Vesuv

strombolische Aktivität

Paschale Campanum

Ve-3

03.685

Vesuv

effusive Eruption

[zahlreich > 3]

Ve-4

718

[Ägäis]

effusive Eruption

Theophanes der Bekenner

Ve-5

15.7.726

Santorin effusive Eruption

Niceph. v. Konstantinopel

Ve-6

15.10.786–15.1.788

Vesuv

effusive Eruption

Briefe Papst Gregors

Ve-7

934/938–940

Eldgjá

effusive Eruption

Ve-8

22.12.968

Vesuv

effusive Eruption

Liudprand, Leon Diakonos

Ve-9

981

Vesuv

strombolische Aktivität

Chron. monaterii Casin.

Ve-10

27.01.1037

Vesuv

effusive Eruption

[zahlreich > 5]

350 | Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse

Dennoch sind acht Ereignisse überliefert, bei denen die angegebene Länge der ungewöhnlichen Verdunklung der Sonne unter Umständen auf eine Art Höhenrauch hinweisen könnte und für die bisher keine andere Erklärung, also auch keine Sonnenfinsternis, vorliegt. Es handelt sich um Phänomene, die in folgende Jahre datiert werden: 536, 625, 626, 745, März/April 746, 10.–15. August 747, 797, [933], [939] und 23. August 1005. Die zahlreichen Verdunkelungsbeschreibungen aus dem Mittelmeerraum (zu 536, 626, 745, 746, 747, 797) könnten auf die dortigen aktiven Vulkane, die aus Irland überlieferten (zu 625, [933], [939]) auf die entsprechenden einheimischen Vulkane zurückzuführen sein.

3

Extreme Witterungsereignisse

3.1 Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner Unter der Sammelbezeichnung „meteorologische Extreme“ werden hier die Gewitter und Unwetter verstanden, die mit den für die mittelalterlichen Zeitgenossen unerklärlichen Phänomenen Blitz, Donner und Hagel großen Schaden anrichten konnten. Daneben konnte aber auch der Ausgleich von atmosphärischen Druck- und Temperaturunterschieden in der Form von Wind in seinen verschiedenen Stärken (Starkwind, Sturm, Orkan) zerstörerisch wirken. Er wurde oft getrennt von Gewittern und Unwettern in den zeitgenössischen Quellen dokumentiert. Orkane können dabei einerseits durch ihre hohen Windgeschwindigkeiten verheerende Schneisen der Zerstörung schlagen, andererseits können die bewegten Luftmassen in Windhosen unterschiedlichste Gegenstände in die Atmosphäre heben und an weit entfernten Orten wieder niedergehen lassen. Auch solche oft als Kuriosität aufgefassten und beschriebenen Naturereignisse wurden von den Zeitgenossen notiert. Zur Genese von Gewittern und den verschiedenen Windsystemen sind besondere meteorologische Konstellationen erforderlich, die hier systematisch dargestellt werden sollen. Dabei werden zunächst die Unwetter insgesamt beschrieben, dann deren Einzelkomponenten Wind, Sturm und Orkan sowie Hagel. Gewitter besitzen durch starke Niederschläge1 und die Gefahren des Blitzschlages (tempestas, fulmen, tonitrus), aber auch durch den häufig mit ihnen einhergehenden Hagel ein großes Gefahrenpotential nicht nur für die pflanzenbasierte Produktion von Nahrungsmitteln, sondern sogar für Gebäude. Die Zerstörung der Ernte trifft die Menschen genauso unmittelbar wie die Zerstörung eines Bauwerks oder, noch schlimmer, die Tötung von Lebewesen durch den Blitzeinschlag.2 Noch heute können Gewitter ein gewaltiges Zerstörungspotential entfalten und Menschen in schwere Not stürzen.3 „Remarkably, at any moment in time, about 2,000 thunderstorms are occurring over about 10% of the planet’s surface.“4 Moderne Untersuchungen zu Unwettern, Hagel und Blitzeinschlägen im Früh- und Hochmittelalter sind rar,5 obwohl Gewitter und ihre Komponenten nach den Erdbeben zu den am häufigsten dokumentierten Naturereignissen zählen.

|| 1 Vgl. Kuttler, Klimatologie (2013), 113–117. 2 Cancio, Lightning (2013), 625–629. 3 Eagleman, Severe and unusual Weather (1983). 4 Cancio, Lightning (2013), 626; Price, Thunderstorms, (2013), 1006. 5 Dutton, Thunder and Hail (2004), 169–188.

https://doi.org/10.1515/9783110572490-003

352 | Extreme Witterungsereignisse

Gewitter und Hagel sind vorwiegend Phänomene der Jahreszeiten Sommer und Herbst, während solche im Winter und Frühjahr allgemein als bemerkenswerte Ausnahmen gelten. Zudem besitzen Gewitterhäufigkeiten ein Maximum am späteren Nachmittag, denn die Formierung der riesigen Wolkentürme und der Niederschläge benötigt Zeit.6 Definiert werden die Unwetter über die Niederschläge und die Niederschlagsmenge. So sind Gewitter regional begrenzt und können in ihrer Genese verschiedene Ursachen haben. Niederschläge bilden sich, wenn Luftmassen über den von der Temperatur abhängigen Sättigungsgrad hinaus nicht in der Lage sind, Wasserdampf aufzunehmen. Überschüssiger Wasserdampf sammelt sich an Kondensationskernen und bildet größer werdende Tropfen, deren Eigengewicht schließlich den Tropfen gravitationsbedingt Richtung Erdoberfläche fallen lässt. Die durchschnittliche Menge des Niederschlages über einem Ort bleibt oft über längere Zeiträume konstant und ist den Ortsansässigen durch langjähriges Erleben vertraut. Wenn also in Chroniken ein schweres Gewitter genannt wird, muss es sich um ein für den Verfasser ungewöhnliches Ereignis gehandelt haben oder um ein Ereignis, das der Autor als besonders extrem charakterisieren möchte. Genau dieses Extrem, das die zeitgenössische Erwartungshaltung übertraf oder in der Darstellung übertreffen sollte, macht die historiographischen Beschreibungen von Gewittern als außergewöhnliche Niederschlagsereignisse interessant. Aufgrund der Übererfüllung der zeitgenössischen Erwartungshaltung konnten sich Gewitter und besonders die zugehörigen Blitze, Donner und möglicher Hagel als unmittelbare göttliche Eingriffe in das Leben der Zeitgenossen deuten lassen. Der Versuchung, diese Unwetterkomponenten im Text zu instrumentalisieren, konnten daher nur wenige Chronisten widerstehen. Bei der Beschreibung eines Starkregens im Buch Exodus werden besonders die Folgen des Hagels ausgeführt: „Da streckte Mose seinen Stab gen Himmel, und der Herr ließ donnern und hageln und Feuer schoss auf die Erde nieder. So ließ der Herr Hagel fallen über Ägyptenland, und Blitze zuckten dazwischen und der Hagel war so schwer, wie er noch nie in ganz Ägyptenland gewesen war, seitdem die Leute dort wohnen. Und der Hagel erschlug in ganz Ägyptenland alles, was auf dem Felde war, Menschen und Vieh, und zerschlug alles Gewächs auf dem Felde und zerbrach alle Bäume auf dem Felde. Nur im Lande Goschen, wo die Israeliten waren, da hagelte es nicht.“7

|| 6 Weischet/Endlicher, Einführung (2008), 219. 7 Ex 9,23–26: Extenditque Moyses virgam in caelum, et Dominus dedit tonitrua et grandinem ac discurrentia fulgura super terram; pluitque Dominus grandinem super terram Aegypti. Et grando et ignis immixta pariter ferebantur; tantaeque fuit magnitudinis, quanta ante numquam apparuit in universa terra Aegypti, ex quo gens illa condita est. Et percussit grando in omni terra Aegypti cuncta, quae fuerunt in agris, ab homine usque ad iumentum; cunctamque herbam agri percussit grando et omne lignum regionis confregit. Tantum in terra Gessen, ubi erant filii Israel, grando non cecidit.

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Merkmale von Gewittern wurden auch in den Psalmen beschrieben: „Wasser ergossen sich aus dem Gewölk, die Wolken donnerten, und deine Pfeile fuhren einher.“8 Im indoeuropäischen Kontext wurden vor allem Blitze mit göttlichem Wirken verbunden, mit der Offenbarung göttlicher Allmacht und göttlichen Zorns. In dieser Funktion wurden sie in christlichen Exempeln, Legenden und Sagen zum Eingreifen Gottes umgedeutet, das die sündigen Menschen warnt oder straft. Gegen die antiken Formen des Blitzaberglaubens setzte die Kirche christlichen Segen und Beschwörungen ein, etwa in der Form von Benediktionen von Beschwörungswasser für Blitze.9 Ein frühes Beispiel für eine solche Segnung findet sich im Liber sacramentorum Romanae ecclesiae von Papst Gelasius I. (492–496).10 Ein Kapitel über Donner findet sich bereits beim Kirchenvater Ambrosius (337– 397).11 Auf dieses aufbauend hat sich auch Beda Venerabilis (672–735) in seinem Werk De natura rerum über Blitz,12 Donner13 und Hagel ausgelassen.14 Inhaltliche Grundlage bildete für Beda dabei aber auch die Naturalis historia des Plinius.15 Bei Plinius werden die Blitze unterschieden in solche, die zerstören (sicca), solche, die schwärzen (umida) und solche, die das Innere der getroffenen Dinge vernichten, ohne der Umhüllung derselben zu schaden (clara).16 Noch ausführlicher hat Isidor von Sevilla

|| 8 Ps 76,18: Effuderunt aquas nubila, vocem dederunt nubes, etenim sagittae tuae transeunt. 9 Döring, Blitz (1983), 280. 10 Liber sacramentorum Romanae Aeclesiae, 5, 1568. Ed. Mohlberg, 228: Benedictio aque exorcizatae ad flugora. Exorcizo te, creatura salis et aqua in nomine domini nostri Iesu Christi Nazareni filii dei uiui, ut sis purgatio et purificatio in his locis in quibus aspera fueris, ad effugandos et erraticos spiritus omnemque nefariam uim diaboli pellendam et omnes figuras et minas fantasmatis satanae exterminandas; et fulgora et sidera quae missa uidentur in hanc arborem non hominibus aut pecoribus aut frugibus noceant, sed abscidant et fugiant per inuocationem nominis domini nostri Iesu Christi et spiritus sancti: qui uenturus est iudicare uiuos et mortuoas et omnem saeculum per ignem: per. 11 Ambrosius von Mailand, Hexaemeron, 2, 4, 16. Ed. Migne, 123–273: Neque enim firmamentum hoc potest sine aliquo rumpi fragore, aut penetrari. Unde et de tonitribus, quae concepto intra sinum nubium spiritu cum se vehementer erupturus eliserit, magno concrepant sonitu, ait Scriptura: Firmans tonitrua. Suspicor autem verba haec Isidori: Et in morem exsilientium de stabulis quadrigarum sonus fragoris eius ad aures nostras emittitur, desiderari apud Ambrosium restituendaque ex hoc loco: ante illa verba ait Scriptura, ut parenthesi includantur, totusque locus ita legatur: Neque enim firmamentum hoc potest sine aliquo rumpi fragore, aut penetrari, Ideo et firmamentum dicitur, quod non sit invalidum neque remissum. Unde et de tonitribus (quae concepto intra sinum nubium spiritu cum se vehementer erupturus eliserit, magno concrepant sonitu, et in morem exsilientium de stabulis quadrigarum sonus fragoris eius ad aures nostras emittitur) ait Scriptura. 12 Beda Venerabilis, De Natura rerum, 29. Ed. Jones, 219. 13 Beda Venerabilis, De Natura rerum, 29. Ed. Jones, 219 f. 14 Beda Venerabilis, De Natura rerum, 34. Ed. Jones, 34, 222: De grandine. Grandinis lapilli es stillis pluviae, frigoris et venti rigore conglaciati in aere coagulantur. Sed citius nive solvuntur, et interdiu saepius quam noctu decidunt. 15 Plin. nat., besonders Kapitel 2 und 18. 16 Plin. nat. 2, 127; vgl. Franz, Kirchliche Benediktionen Bd. 2 (1909), 20.

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(560–636) in seinem Werk De Natura rerum jeweils ein Kapitel zu Regen,17 Blitz,18 Donner, der durch das Zerbrechen der Wolken entstünde19 und Hagel20 verfasst. Die benutzte Systematik hat Isidor in seiner Etymologie entwickelt: „Fulgur und fulmen (beides: Blitz), der Einschlag eines himmlischen Wurfgeschosses, seien von ferire (schlagen) her benannt, das heißt von percutere (erschüttern). Fulgere (blitzen) ist nämlich ferire (schlagen) und percutere (erschüttern). Den Blitz aber bewirkten zusammengestoßene Wolken. Denn der Zusammenstoß von Dingen rufe immer ein Feuer hervor, wie wir bei Steinen sehen, auch das Reiben von Rädern oder das der Bäume im Wald. Auf ähnliche Weise gäbe es in den Wolken ein Feuer, wobei zuerst die Wolken da seien, dann die Feuer. Durch Wind aber und Feuer entstünden Blitze in den Wolken, und durch den Anstoß der Winde würden sie hinausgejagt. Daher aber solle das Feuer des Blitzes eine größere Kraft haben irgendwo einzudringen, weil er aus feineren Elementen zusammengesetzt sei, als das bei uns gebräuchliche Licht. Drei Namen hat er aber: fulgus, fulgor und fulmen. Fulgus, weil er berührt, fulgor, weil er entzündet und verbrennt, fulmen, weil er spaltet. Daher denkt man sich ihn auch mit drei Strahlen.“21

Die wahrgenommene Funktion des Blitzes als göttliche Strafe verdeutlicht sehr anschaulich ein Ausschnitt aus dem Bericht des arabischen Gelehrten Ibn Faḍlān während dessen Reise in Asien im Jahr 921/922: „Ich habe nirgendwo so viele Blitzschläge gesehen, wie in ihrem Lande. Hat der Blitz in ein Haus eingeschlagen, so nähern sie sich ihm (dem Haus) nicht und lassen es für sich und auch alles, was darin ist an Menschen, Vermögen und anderes – bis die Zeit es verfallen lässt. Sie sagen: ‚Dies ist das Haus von solchen, denen Gott gezürnt hat.‘“22 Durch Blitze werden immer wieder Menschen und Tiere getötet. Während die vom Blitz erschlagenen Personen häufig dokumentiert wurden, werden Rinder, die vom Blitz getroffen werden fast nie erwähnt, vermutlich, weil meist niemand das Ereignis beobachtet hat. Newfield weist aber darauf hin, dass bei aktuellen Blitzschlägen auch größere Herden Opfer von Blitzeinschlägen werden können, so etwa 45 Rinder im Juli 2014 in Pennsylvania/USA, 45 Rinder im April 2014 in Los Rios/Chile, 18 Rinder im Juli 2013 in Saskatchewan/Kanada,23 eine Herde von über 320 Rentieren im

|| 17 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 33 De pluuiis. Ed. Fontaine, 288–291. 18 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 30. De fulminibus. Ed. Fontaine, 280–283. 19 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 29. De tonitruo. Ed. Fontaine, 278–281. 20 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 35. De grandine. Ed. Fontaine, 290–293. 21 Isidor von Sevilla, Etymologiarum libri, 13, 9. Ed. Lindsay; Isidor, Enzyklopädie. Ed. Möller, 496: Fulgur et fulmen, ictus caelestis iaculi, a feriendo dicti; fulgere enim ferire est atque percutere. Fulmen autem conlisa nubila faciunt. Nam omnium rerum conlisio ignem creat, ut in lapidibus cernimus, vel attritu rotarum, vel in silvis arborum: simili modo in nubibus ignis, unde et prius nubila sunt, deinde ignes. Vento autem et igni fulmina in nubibus fieri et inpulsu ventorum emitti. Ideo autem fulminis ignem vim habere maiorem ad penetrandum, quia subtilioribus elementis factus est quam noster, id est qui nobis in usu est. Tria sunt autem eius nomina, fulgus, fulgor et fulmen: fulgus, quia tangit; fulgor, quia incendit et urit; fulmen, quia findit; ideo et cum ternis radiis finguntur. 22 Ibn Faḍlān’s Reisebericht, §63. Ed. Togan, 64 f. 23 Newfield, Domesticates (2015), 103.

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August 2016 auf der Hardangervidda-Hochebene in Südnorwegen.24 Bei den häufiger genannten Verlusten von Nutztier-Herden ist also nicht in jedem Fall von Epidemien auszugehen, vielmehr können auch die bei schweren Gewittern auftretenden Blitzschläge zu hohen Opferzahlen geführt haben. Zur Erscheinung des Blitzes gehört auch immer der Donner. Diesen beschreibt Isidor von Sevilla in seiner Etymologie so: „Dieser soll so genannt worden sein, weil sein Klang erschreckt. Denn sonus (Ton, Klang) ist tonus (Ton, Klang). Dieser erschüttert deswegen manchmal alles so schwer, dass der Himmel zu zerreißen scheint, weil ein Sturm eines sehr heftigen Windes sich plötzlich mit Wolken vermischt und, nachdem ein Wirbel erwachsen ist, der sich einen Ausweg sucht, die Wolke, welche er angetrieben hat, durch einen massiven Anstoß zertrennt und mit einem gewaltigen Krachen in die Lüfte hinabgetragen wird. Darüber muss man sich nicht wundern, wo doch noch so kleine Bläschen dennoch einen lauten Knall von sich geben, wenn sie aufspringen. Mit dem Donner wird aber gleichzeitig ein Blitz herausgedrückt. Jener aber kommt schneller, weil er leuchtend ist. Dieser aber kommt langsamer zu den Ohren. Das Licht aber welches vor dem Donner erscheint, wird Wetterleuchten (fulgetra) – also die Spiegelung des vom Blitz ausgesandten Lichtes an den benachbarten Wolken – genannt. Dieses wird, wie wir gesagt haben, vorhergesehen, weil es ein leuchtendes Licht ist. Der Donner aber gelangt langsamer zu den Ohren.“25

Isidors Beobachtungen entsprechen den physikalischen Gegebenheiten, denn die Lichtgeschwindigkeit ist mit rund 300.000 km pro Sekunde um den Faktor 240 deutlich schneller als die Schallgeschwindigkeit mit 1.235 km pro Sekunde. Hagel als Bestandteil von Unwettern setzt Mischwolken mit großer Vertikalerstreckung und ausgeprägten Aufwinden voraus. Diese Bedingungen erfüllen nur die Cumulonimbus-Wolken, die eine Höhe erreichen, in denen die gefrorenen Eistropfen immer wieder durch vertikalzirkulierende Winde nach oben transportiert werden und sich beim Herabsinken neue Schichten von Eis anlagern können.26 Schwarz geht davon aus, dass „die Entstehung von Hagel im Mittelalter bereits bekannt war und eine Erklärung dafür den gebildeten Kreisen etwa durch Schriften von Beda Venerabilis zugänglich, der unter anderem die

|| 24 Vgl. DPA-Meldung vom 28.8.2016: http://www.spiegel.de/panorama/norwegen-blitze-toetenmehr-als-300-rentiere-a-1109824.html (28.8.2016). 25 Isidor von Sevilla, Etymologiarum libri, 13, 8. Ed. Lindsay, Bd. 2; Isidor, Enzyklopädie. Ed. Möller, 496: Tonitruum dictum quod sonus eius terreat; nam tonus sonus. Qui ideo interdum tam graviter concutit omnia ita ut caelum discississe videatur quia, cum procella vehementissimi venti nubibus se repente inmiserit, turbine invalescente exitumque quaerente, nubem, quam excavavit, impetu magno perscindit, ac sic cum horrendo fragore defertur ad aures. Quod mirari quis non debeat, cum vesicula quamvis parva magnum tamen sonitum displosa emittit. Cum tonitruo autem simul et fulgura exprimi: sed illud celerius videtur, quia clarum est; hoc autem ad aures tardius pervenire. Lux autem quae apparet ante tonitruum fulgetra vocatur. Quae, ut diximus, ideo ante videtur quia clarum est lumen; tonitruum autem ad aures tardius pervenit. 26 Weischet/Endlicher, Einführung (2008), 226.

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Beobachtungen von Plinius und Aristoteles weiterführt. In seinem Werk De natura rerum beschrieb er die Hagelkörner als gefrorenen Niederschlag und lieferte eine natürliche Begründung für das Vorkommen von Eis im Sommer. Dies könnte erklären, warum Hagel, obwohl in der Bibel als Strafe Gottes und Vorbote der Apokalypse genannt, in den Annalen nicht in dieser Richtung interpretiert wurde.“27

Im 9. Jahrhundert hat sich Agobard (um 769–840), Erzbischof von Lyon (816–840) über Hagel28 ausgelassen,29 insbesondere, um gegen den Aberglauben seiner Zeit vorzugehen. In seinem Werk bemerkt er: „Da aber dieser Irrtum, der in dieser Gegend derart umfassend das Denken fast aller Leute ergriffen hat, von allen Vernunftbegabten verurteilt werden muss, wollen wir die Schriftzeugnisse aufzeigen, mit denen man die Verurteilung, begründen kann. (…) In den heiligen Schriften also findet sich dort, wo zum ersten Mal Hagel erwähnt wird, nämlich unter jenen Plagen, mit denen Ägypten geschlagen wurde, schließlich jene siebte Plage.30 Der Herr sprach aber: Morgen werde ich zu dieser selben Stunde einen so gewaltigen Hagel niedergehen lassen, wie es ihn in Ägypten vom Tage seiner Gründung bis auf den heutigen Tag nicht gegeben hat. Mit diesen Worten sagt der Herr also, dass er selbst am kommenden Tag Hagel schicken werde, nicht irgendein Mensch, weder Moses oder Aaron, die gerechte Gottesmänner waren, noch Jannes und Mambres, die ägyptischen Zauberer, die als Magier des Pharaos beschrieben werden; von denen sagt der Apostel, dass sie sich Moses widersetzten so wie diese sich der Wahrheit widersetzten. Und es folgt an derselben Stelle der Schrift: Und Moses streckte seinen Stab gen Himmel, und der Herr schickte Donner, Hagel und hin und her zuckende Blitze auf die Erde, und der Herr ließ Hagel über Ägypten niedergehen. Und der Hagel wurde mit Feuer vermischt geschickt. So zeigt auch diese Stelle als Schöpfer und Verursacher des Hagels allein Gott, nicht irgendeinen Menschen.“31

Nach diesem Überblick über den Quellen- und Forschungsstand und den Wissensstand der Zeitgenossen geht es nun um die chronologisch beschriebenen Ereignisse.

3.1.1 Unwetter im 6., 7. und 8. Jahrhundert Nach dem Autor des Chronicum Scotorum soll im Jahr 507 der Königssohn Lughaidh durch einen Blitzschlag in den Kopf getötet worden sein. Der Chronist führte als Grund an, dieser habe den Heiligen Patrick geleugnet.32

|| 27 Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 28 f. 28 Vgl. Cabaniss, Agobard of Lyon (1951), 50–76. 29 Agobardi Lugdunensis archiepiscopi epistolae. Ed. Dümmler, MGH Epp. 5, 151: Item liber contra insulsam vulgi opinionem de grandine et tonitruis. 30 2. Mose 9,13–34. 31 Agobardus Lugdunensis, De grandine et tonitruis, 52. Ed. van Acker, 3–15; FSGA 40a, 57–59. 32 Chronicum Scotorum, ad a. 507. Ed. Henessy, Rolls series 46, 37: Death of Lughaidh, son of Laeghaire, King of Temhair, in Achadh farcha. He was struck on the head with lightning from heaven, for denying Patrick.

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Für das 6. Jahrhundert hat Gregor von Tours sieben Unwetterereignisse überliefert, von denen aber nur wenige durch parallele Überlieferung gestützt werden. Bei den Einträgen ohne Parallelüberlieferung ist eine Instrumentalisierung nicht unwahrscheinlich. Gregor hält für die Zeit zwischen 500 und 507 fest: „Aber in der Nacht vor dem ruhmreichen Feste wurde plötzlich, während man die Messe feierte, der königliche Palast der Stadt durch einen Blitzstrahl eingeäschert. Da stürzten alle voll Furcht aus der Kirche und glaubten nichts anderes, als dass die ganze Stadt in Brand geraten sei, oder die Erde sich spalten und sie verschlingen würde; der heilige Bischof aber warf sich vor dem Altare nieder und flehte unter Tränen und Seufzern Gottes Barmherzigkeit an. Mit kurzen Worten, das Gebet des ruhmreichen Bischofs drang zu den Höhen des Himmels und der Strom seiner fließenden Tränen löschte den Brand des Hauses. Währenddessen nahte, wie schon erwähnt, die Himmelfahrt des Herrn; da ordnete er für das Volk einen Fasttag an, setzte bestimmte Gebiete fest, gab eine Fastenordnung und gebot, dass man durch Almosen die Armut erfreuen sollte. Darauf hörten die Schrecken der Stadt auf, und durch alle Lande verbreitete sich der Ruf dessen, was geschehen war, und trieb alle Bischöfe an, das Werk nachzuahmen, das jener im Glauben vollführt hatte. Und so werden die Bettage bis jetzt in allen Kirchen mit andächtigen Herzen und demütigem Geiste in Christi Namen gefeiert.“33

Im Jahr 532 hatte laut Gregor ausbleibender Regen eine Belagerung indirekt unterstützt, denn als nach der Zerstörung einer Burg die Gefangenen fortgeführt wurden, stürzte ein Platzregen herab, nachdem es bis dahin für 30 Tage an Regen gefehlt hatte.34 Zwei Jahre später, 534, erhob sich bei Sonnenaufgang an dem Ort, wo sie (Childebert und Theudebert, die Chlothachar belagern) versammelt waren, ein Sturm, warf die Zelte um, zerstreute das Gepäck und kehrte alles von oben nach unten; Blitze, Donner und Hagel seien durcheinander auf sie herabgestürzt.35 Mit Hilfe

|| 33 Gregor von Tours, Libri historiarum, 2, 34. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 83 f.; FSGA 2, 128 f.: Sed in ipsa gloriosae noctis vigilia, dum missarum celebrarentur sollemnia, subito palatium regale intramuraneum divino igne succenditur. Pavore omnibus perterritis et eclesiam egressis, credentibus, ne aut hoc incendio urbs tota consumeretur aut certe disrupta tellore degiscerit, sanctus sacerdus prostratus ante altare, cum gemitu et lacrimis Domini misericordiam inpraecatur. Quid plura? Penetravit excelsa poli oratio pontefecis incliti, restinxitque domus incendium flumen profluentium lacrimarum. Cumque haec agerentur, adpropinquante ascensione, ut iam diximus, maiestatis dominicae, indixit populis ieiunium, instituit orandi modum, edendi seriem, erogandi helarem dispensationem. Cessantebus quoque exinde terroribus, per cunctas provintias dispersa facti fama cunctus sacerdotes imitare conmonuit, quod sacerdus fecit ex fide. Quae usque nunc in Dei nomine per omnes eclesias in conpunctione cordis et contritione spiritus caelebratur. 34 Gregor von Tours, Libri historiarum, 3, 13. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 109; FSGA 2, 160 f.: Cumque vastato castello ducerentur captivi inmanis pluvia, quae per triginta dies fuerat abnegata, discendit. 35 Gregor von Tours, Libri historiarum, 3, 28. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 124 f.; FSGA 2, 180 f.: (…) tractantes illum die sequenti inter ficere, mane facto, in loco, quo erant congregati, orta tempestas tentoria dissicit, res diripit et cuncta subvertit; inmixtaque fulgora cum tonitruis ac lapidibus super eos discendunt.

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des Wetters habe Gott auch im Jahr 555 eingegriffen. Als zwei Heere mit großer Kriegsmacht aufeinander losgingen, erhob sich plötzlich ein gewaltiges Unwetter mit fürchterlichen Blitzen und Donnern und hinderte sie am Kampf.36 In allen drei genannten Fällen ist Gregor bei der Instrumentalisierung seiner Darstellung aber vergleichsweise zurückhaltend. Erst bei der Darstellung eines Ereignisses aus dem Jahr 571 lässt er diese Zurückhaltung fallen. Er instrumentalisiert den Regen in einer Art Gleichnis, dessen Protagonist ein junger Mönch ist: „Als die anderen Mönche diesen zu Bewachung eines frei liegenden Getreidehaufens zurückließen und fortgingen, um sich zu erquicken, bedeckte sich plötzlich der Himmel mit Wolken, und ein starker Regen zog eilends unter Windesbrausen auf den Getreidehaufen los. Als der Mönch dies sah, wusste er nicht, was er machen oder anfangen solle. Denn er bedachte, dass, wenn er auch die anderen rufen würde, sie doch wegen der Menge des Getreides es nicht vor dem Regenguss in die Scheune bringen könnten. Daher ließ er alles andere beiseite, wandte sich zum Gebet und flehte Gott an, er möchte doch keinen Tropfen Regen auf das Getreide fallen lassen. Da er auf die Erde hingesunken so betete, teilte sich die Wolke, und um das Getreide herum ergoss sich der Regen in großer Menge, benetzte aber, wenn man so sagen darf, nicht ein Korn des Getreides.“37

|| 36 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 16. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 149; FSGA 2, 216 f.: Cumque moto utrique exercitu cum magno armorum apparatu ad bellum convenissent, subito exorta tempestas cum gravi curuscatione atque tonitruo eos, ne pugnarent, inibuit. 37 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 34. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 167; FSGA 2, 240–244: Quid etiam apud quendam monasterium eo tempore actum sit, pandam; nomen autem monachi, quia superest, nominare nolo, ne, cum haec scripta ad eum pervenerit, vanam incurrens gloriam reviliseat. Quidam iuvenis ad monasterium veniens, abbati se commendavit, ut in Dei servitium degeret. Cui ille cum multa obiceret, dicens, durum esse servitium illius loci, nec omnino tanta possit implere, quanta ei iungebantur: se omnia impleturum, invocato nomine Domini, pollicetur. Sicque collectus est ab abbate. Factum est autem post paucos dies, dum in humilitate atque sanctitate se in omnibus exiberet, ut expellentes monachi de horrea anonas quasi choros III ad solem siccare ponerent, quas huic custodire praecipiunt. Dum autem, reficientibus aliis, hic ad custodiam resideret anonae, subito nubilatum est caelum, et ecce! imber validus cum rumore venti festinus ad anonae congeriem propinquabat. Quod cernens monachus, quid ageret, quid faceret, nesciebat. Tractans autem, quod, si ceteros vocaret, prae multitudine hoc recondire ante pluviam in horrea non valerent, cuncta postposita, ad orationem convertitur, Dominum deprecans, ne super triticum illud imbris illius gutta descenderet. Quod cum se terrae deiciens exoraret, divisa est nubis, et circa anonam pluvia valde diffusa est, nullum granum tritici, si dici las est, humectans. Cumque reliqui monachi cum abbate haec consentientes, velociter ut anonam collegerent advenissent, cernunt hoc miraculum, requirentesque custodem, inveniunt haut procul harene deiectum orantem. Quod videns abbas, se post eum prosternit, et pertranseunte pluvia, consumata oratione, vocat, ut surgeret; quem apprehensum verberibus agi praecepit, dicens: 'Oportet enim te, fili, in timore et servitio Dei humiliter crescere, non prodigiis atque virtutibus gloriari'. Reclusumque in cellulam septem dies eum sicut culpabilem ieiunare praecepit, quo ab eo vanam gloriam, ne ei aliquid impedimentum generaret, averteret. Nunc autem idem monachus, ut a fidelibus viris cognovimus, in tanta abstinentia est de votus, ut in diebus quadragesimae nullum alimentum panis accipiat, nisi tantum die tertia plenum calicem thisinae hauriat. Quem Dominus, orantibus vobis, usque vitae consumationem, ut sibi placeat, custodire dignetur.

Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner | 359

Dieses Regenwunder ähnelt in seinem didaktischen Aufbau und Wortlaut einer Erzählung von Sulpicius Severus (363–420/25), auch wenn es dort um eine Schlange und nicht um Regen geht.38 Ziel beider Schilderungen sind christliche Mahnungen und Aufrufe zu Demut und Gottvertrauen gewesen. Der Darstellung Gregors zum Jahr 571 einen wahren Kern abzusprechen und einzig eine allegorische Funktion zu vermuten, scheint leicht. Je nach meteorologischem Druckgebilde sind aber die allgemein als „Auge des Sturms“39 bezeichneten Bereiche von Unwettern durchaus sehr ruhig und windstill, während es um diesen Bereich herum regnet und stürmt. Gregor von Tours könnte hier eine entsprechende persönliche Beobachtung eines seltenen Naturereignisses verwendet haben, um seine Vorstellungen von Gottvertrauen und Frömmigkeit zu illustrieren. Das Ereignis könnte also stattgefunden haben, aber zu einem für uns unbekannten Zeitpunkt. Wieder stärker dokumentarisch scheint hingegen Gregors Eintrag zum Jahr 580, als die Stadt Bourges von starkem Hagelschlag heimgesucht wurde.40 Dieser Wechsel zwischen Instrumentalisierung und nüchterner Dokumentation des Ereignisses, um Demut anzumahnen, ist auffällig und scheint in dieser Intention von Gregor überwiegend bei Unwetterereignissen eingesetzt worden zu sein. So gab es im Frühling des Jahres 588 nach seiner Darstellung „starke Regengüsse, und als die Bäume und Weinberge schon grünten, fiel Schnee und bedeckte alles. Als auch noch Frost eintrat, vernichtete dieser die Reben in den Weinbergen wie auch die übrigen Früchte, die bereits angesetzt hatten. So groß war die Kälte, dass sogar die Schwalben, die aus fremden Gegenden kamen, bei dem starken Froste starben. Auch das war erwähnenswert, dass, wo sonst der Frost niemals Schaden angerichtet hatte, er damals alles zugrunde richtete und gerade da nicht hinkam, wo er sonst Verheerungen verursachte.“41 Die Beschreibung könnte auf Inversionswetterlagen hindeuten, bei denen genau die beschriebenen Anomalien auftreten. Dies würde in diesem Fall wieder für eine stärker dokumentierende Darstellung sprechen. Für das Jahr 591 vermerkt Gregor drei Ereignisse, die in Zusammenhang mit Gewittern standen: „Kurz zuvor, als Abt Aredius (511–591) des Klosters Attane sich auf einer Reise befand, zog eine schwarze Regenwolke auf ihn zu. Als dieser die Wolke

|| 38 Sulp. Sev., Dialogi 1, 10. 39 Mit der Bezeichnung „Auge des Sturms“ wird in der Meteorologie das nahezu windstille Zentrum eines Wirbelsturms beschrieben. Vgl. Kuttler, Klimatologie (2013), 132. 40 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 33. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 237 f.; FSGA 2, 340–343: Graviter tunc et Beturica civitas a grandine verberata est. 41 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 17. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 431; FSGA 3, 254 f.: Eo anno verno tempore pluviae validae fuerunt, et cum iam vel arbores vel vineae fronduissent, nix decidua cuncta operuit. Subsequente quoque gelu tam palmitis vinearum quam reliqui ostensi fructus incensi sunt. Tantusque rigor fuisse visus est, ut etiam erundines alites, quae de externis regionibus venerant, vi algores extinguerentur. Illud etiam admirabila fuit, quod, ubi numquam gelu nocuit, tunc omnia abstulit et ibi consueverat laedere, non accessit.

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erblickte, neigte er ein wenig sein Haupt auf das Pferd, das er ritt, und streckte seine Hände aus zum Herrn. Und als er sein Gebet vollendet hatte, teilte sich die Wolke in zwei Teile, und ringsherum um sie ergoss sich ein gewaltiger Regen; auf sie selbst jedoch fiel kein träufelnder Tropfen.“42 Diese Geschichte erinnert inhaltlich und auch in der Darstellung an die oben geschilderte Mahnung zu mehr Demut am Beispiel des jungen Mönches,43 hier findet sie aber Ausdruck in der erfahrenen Gebetskraft eines betagten Abtes, der seine Demut in einem langen Klosterleben unter Beweis gestellt hat. Gregor kannte ihn persönlich44 und die Darstellung könnte die zeitgenössische Meinung widerspiegeln, den Abt als Heiligen anzusehen. Insofern können die zwei Geschichten von Gregor als aufeinander bezogene Bestandteile einer komponierten Darstellung intendiert worden sein, in deren Mittelpunkt die Beherrschung des Regens, durch die Beeinflussung des Willens Gottes mit Hilfe inständiger Gebete steht. Neben Regen instrumentalisierte Gregor auch Blitze. So seien im Jahr 591 „in der Stadt Limoges viele, weil sie den Tag des Herrn entweiht und öffentlich Arbeiten verrichtet hatten, vom Blitzstrahl getroffen worden. Denn dieser Tag, der im Anbeginn zuerst das erschaffene Licht sah und vor allem der Zeuge wurde der Auferstehung des Herrn, ist heilig. Deshalb muss er auch mit aller Gewissenhaftigkeit von Christen gefeiert und keine öffentliche Arbeit dürfe an ihm unternommen werden.“45 Die Instrumentalisierung von Blitzen wird hier deutlich, vor allem aufgrund des im weiteren Fortgang des Textes nachgeschobenen Satzes, der jedoch der hier angetroffenen mahnenden Interpretation, den Sonntag zu heiligen, argumentativ und didaktisch völlig zuwider läuft. Umso treffender spiegelt sich aber Gregors persönliches Interesse an ungewöhnlichen Naturereignissen wider: „Auch im Gebiet von Tours wurden einige vom Blitz erschlagen, aber nicht an einem Sonntag.“46 Hier wird der Doppelcharakter von Gregors Darstellung am deutlichsten. Einerseits ist sie belehrende Instrumentalisierung bei der Darstellung erlebter Witterungsereignisse, andererseits empirische Dokumentation des selbst Erlebten oder Gehörten.

|| 42 Gregor von Tours, Libri historiarum. 10, 29. MGH SS rer. Merov. 1.1, 524; FSGA 3, 396 f.: Nuperrimo autem tempore iter carpens, nimbos ad eum pluviae advenire coepit; quem ille cernens, paululum super equum, quem sedebat, caput inclinans, manus ex tendit ad Dominum. Consummata oratione, divisa est nubis in duabus partibus, ac in circuitu eorum immanis descendit pluvia; super eos tamen nulla, si dici fas est, stillicidii gutta descendit. 43 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 34. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 167. 44 Häuptli, Aredius von Limoges (2007), 50–52. 45 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 525; FSGA 3, 398 f.: Apud Lemovicinam vero urbem ob dominici diei iniuriam, pro id quod in eo operam publicam exercerent, plerique igne caelesti consumpti sunt. Sanctus enim est hic dies, qui in principio lucem conditam primus vidit ac dominicae resurrectionis testis factus emicuit, ideoque omni fide a christianis observari debet, ne fiat in eo omne opus publicum. 46 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 525; FSGA 3, 398 f.: In Turonico vero nonnulli ab hoc igne, sed non die dominico, sunt adusti.

Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner | 361

Wieder stark dokumentarisch und weitgehend wertungsfrei ist der abschließende Eintrag zum Jahr 591. Bis ins Detail werden die grundlegenden Bedingungen, um die Grundversorgung zu sichern, dargestellt. Gregor beschreibt, wie das Heu durch starke Regengüsse verdarb und es durch das Austreten der Flüsse sehr wenig Feldfrüchte gab, wohingegen die Weinberge einen reichen Ertrag boten, während die Eicheln – wichtig für die Tiermast – zwar zum Vorschein kamen, aber nicht gediehen.47 Auch Papst Gregor der Große († 604) erwähnt in einem Brief an den Subdiakon Petrus in Sizilien aus dem Jahr 590/591 die bei Gregor von Tours genannten Unwetter indirekt, als er schildert, wie ein Gast aus Kampanien auf der Reise aufgrund eines Gewitters starb.48 Beide Gewitterereignisse wurden von den Zeitgenossen als ungewöhnlich wahrgenommen und dokumentiert. Ob es sich um die gleiche Gewitterzelle handeln könnte, ist allerdings unwahrscheinlich. Für das 7. Jahrhundert wurden nur drei außergewöhnliche Gewitter überliefert. Im Jahr 611 soll die Armee von Ulaid von schrecklichen Blitzen in Bairche49 getroffen worden sein,50 andere irische Quellen geben das Jahr 612 für dasselbe Ereignis an.51 Als nächstes beschrieb Paulus Diaconus ein Unwetterereignis in Norditalien, das vor dem Jahr 663 stattgefunden haben soll: „Zu dieser Zeit gingen so gewaltige Unwetter mit Blitz und Donner nieder wie nach menschlicher Erinnerung niemals zuvor, sodass viel tausend Menschen und Tiere durch Blitzschläge umkamen. In diesem Jahr

|| 47 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 525; FSGA 3, 398 f.: Siccitas inmensa fuit, quae omne pabulum herbarum avertit; unde factum est, ut gravis morbus in pecoribus ac iumentis invalescens parum, unde sumeretur origo, relinqueret, sicut Abbacuc propheta vaticinatus est: Deficient ab esca oves, et non erunt in praesepibus boves. Non modo enim in domesticis, verum etiam in ipsis ferarum inmitium generibus haec lues crassata est. Nam per saltus silvarum multitudo cervorum vel reliquorum animantium prostrata per invia nancta est. Foenum ab infusione pluviarum et inundatione amnium periit, segetes exiguae, vineae vero profusae fuerunt; quercorum fructus ostensi effectum non obtinuerunt. 48 Des Kirchenlehrers Gregorius ausgewählte Briefe, Nr. 23, 44. Ed. Kranzfelder, Erstes Buch. Briefe aus den Jahren 590–591, 78 „Felix, der Pächter der Frau Campana, den sie freigelassen, und den man nach ihrem Befehl nicht gerichtlich vernehmen sollte, hat erklärt, es seien ihm von dem Subdiakon Maximus 72 Solidi genommen worden; um sie geben zu können, mußte er nach seiner Behauptung alle seine Güter in Sicilien verkaufen oder verpfänden. Die Rechtskundigen haben nun behauptet, in Betrugssachen dürfe niemand der gerichtlichen Vernehmung entzogen werden. Als sich aber Felix von Campanien zu uns begeben wollte, büßte er bei einem Ungewitter das Leben ein. Suche seine Frau und seine Kinder auf, löse ein, was er verpfändet, erstatte, was er verkauft hat, und reiche noch überdies ihnen einen Lebensunterhalt. Denn Maximus hatte ihn nach Sicilien geschickt und ihm das Angegebene abgenommen. Suche also zu erfahren, was man ihm genommen hat, und gib es unverzüglich zurück.“ 49 Mourne, eine Barony im County Down in Nordirland. 50 Chronicle of Ireland, ad a. 611. Ed. Charles-Edwards, AU, AT, 127: The army of the Ulaid was struck by terrible thunder in Bairrche. Chronicum Scotorum, ad a. 611. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 73: The army of Ulidia was struck by terrible lightning in Barchi. 51 Annals of Inisfallen, ad a. 612. Ed. Mac Airt, 84 f.: Lightning destroys the army of Ulaid.

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setzte das Gemüse, das wegen der Regenfluten nicht hatte abgeerntet werden können, ein zweites Mal zum Austrieb an und wurde sogar noch reif.“52 Der zweite Teil seines Textes ist ein indirekter Hinweis auf überdurchschnittlich gutes Wetter in der zweiten Hälfte des Jahres 663. Als drittes ist zum Jahr 676 im Liber Pontificalis ein Unwetter überliefert: „Nachdem Papst Adeodatus (672–676)53 verstorben war, gab es Regen und Blitz so stark, dass sich niemand, auch nicht die Alten, an Ähnliches erinnern konnten. Auch Menschen und Vieh wurden durch den Blitzschlag getötet. Nur weil Gott von den Litaneien beschwichtigt wurde, die tagtäglich gehalten wurden, konnten die Menschen das Getreide dreschen und in Kornspeichern einlagern; so sehr, dass der Regen selbst versuchte, die Ernte zu beleben und zu reifen, darüber waren die Männer erstaunt.“54

In einem noch stärkeren Maße als Gregor von Tours versucht der Autor des Liber Pontificalis den Regen als Handlungsträger und Instrument eines durch Gebete beschwichtigten Gottes darzustellen. Als Mittel werden tagtäglich gehaltene Litaneien während der Ernte, also wohl von Mai bis Oktober, aufgezählt. Auch für das 8. Jahrhundert sind nur vier Unwetter-Ereignisse dokumentiert, da sie von den zeitgenössischen Erwartungen wohl sehr abwichen. Eines ist zwar in den Annalen von Lund dokumentiert, die erst im 11. Jahrhundert verschriftlicht wurden, aber ihre unbekannte Vorlage enthielt ein entsprechendes Ereignis, weshalb sie hier auch mitaufgeführt wird. So soll im Jahr 701 „Feuer vom Himmel“, also Blitzeinschläge, zwei Städte in Gallien verbrannt haben.55 Mehrmonatige Niederschläge sprechen für ein ausgeprägtes Islandtief. Den Sommer des Jahres 716 überliefert die Chronik der Schotten als sehr regenreich.56 Als drittes beschreibt Theophanes der Bekenner zum Jahr 793 ein Unwetter in Byzanz: „Am 25. Dezember donnerte und blitzte es in der zweiten Nachthälfte, und ein

|| 52 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 5, 15. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 150 f.; Ed. Schwarz, 278 f.: Hoc tempore tantae pluviae tantaque tonitrua fuerunt, quanta ante nullus meminerat hominum, ita ut innumera hominum et animantium milia fulminibus essent perempta. Eo anno legumina, quae propter pluvias colligi nequiverunt, iterum renata et ad maturitatem usque perducta sunt. 53 Bautz, Adeodatus (1975), 37. 54 Liber Pontificalis, 79. Adeodatus (672–676). Ed. Duchesne, Bd. 1, 346 f.; Book of pontiffs. Ed. Davis, 75: Post cuius transitum tantae pluviae et tonitrua fuerunt quales nulla aetas hominum memoratur, ut etiam homines et peculia de fulgore interirent. Et nisi per letanias quas cotidie fiebant Dominus est propitiatus ut potuissent homines triturare vel in horreis frumenta recondere, in tantum ut ex ipsas pluvias denuo legumina renascerentur; et ad maturitatem devenerunt, pro quo capitulo etiam homines mirarentur. 55 Annales Lundenses, ad a. 701. Ed. Kroman, 35: Hoc anno ignis de celo cecidit super duas ciuitas in Gallia. 56 Chronicum Scotorum, ad a. 716. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 121: A rainy summer.

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großer Teil des kaiserlichen Ateliers der Goldsticker in der Nähe der Goldmacherwerkstätte ging in Flammen auf.“57 Unter „zweite Nachthälfte“ versteht man die Zeit von Mitternacht bis gegen sechs Uhr morgens. Das vierte diesbezügliche Ereignis sind starke Regenfälle, die im Jahr 793 das Großbauprojekt Karls des Großen, den Kanal zwischen den Flüssen Rednitz und Altmühl, verzögerten58 weil die Niederschläge den täglichen Aushub immer wieder zurück in den Graben schwemmten.59 Schwarz bezweifelt diese Nachricht aufgrund dendrochronologischer Daten, die Niederschlagshäufigkeit im Jahr 793 soll eher rückläufig gewesen sein.60 Trotzdem lässt sich ein ungewöhnlich starkes einzelnes Gewitterereignis deshalb nicht auszuschließen.

3.1.2 Unwetter im 9. Jahrhundert Bemerkenswerterweise werden Unwetter sowie Schäden durch Blitze und Hagel weitaus häufiger für das 9. Jahrhundert überliefert. Dies kann aber der Überlieferung geschuldet sein und muss nicht etwa auf Veränderungen des Klimas hinweisen. Nach den irischen Annalen gab es im Jahr 801 einen Tag nach dem St. Patrickstag (17. März), also am Donnerstag, dem 18. März 801,61 oder nach der Chronik der Schotten am Sonntag, dem 17. März 804,62 ein schreckliches Gewitter, dem auch Menschen zum Opfer fielen. Im Jahr 820 soll nach den Annales Fuldenses im Rheinland ein ungewöhnlicher Regen und in dessen Folge Epidemien bei Mensch und Tier aufgetreten sein.63

|| 57 Theophanes der Bekenner, ad a. 793, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 127. Breyer gibt die in der Quelle erwähnte zweite Nachthälfte mit „etwa 8 Uhr abends“ an. 58 Dazu zuletzt mit ausführlichen Literaturangaben: Ettel, Fossa Carolina (2007), 121–152. 59 Annales regni Francorum, ad a. 793. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 93: Ducta est itaque fossa inter praedictos fluvios duum milium passuum longitudine, latitudine trecentorum pedum; sed in cassum. Nam propter iuges pluvias et terram, quae palustris erat, nimio humore naturaliter infectam, opus quod fiebat consistere non potuit; sed quantum interdiu terrae a fossoribus fuerat egestum, tantum noctibus, humo iterum in locum suum relabente, subsidebat. 60 Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 30. 61 Annals of Clonmacnoise, ad a. 801. Ed. Murphy, 128 f.: There was such horrible and Great Thunder the next after St. Patrickes day that it putt Assunder [Mutton Island] 1010 men between Corck Baeskynn [Gebiet südwestlich von Clare, mit Cloderlaw, Moyarta und Ibrican] and the land about it. 62 Chronicum Scotorum, ad a. 804. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 125: Very great thunder, and wind, and lightning on the day of Patrick’s festival, which killed very many people, viz: one thousand and ten men, in the district of Corco-Baiscinn. 63 Annales Fuldenses, ad a. 820. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 22: Propter nimietatem pluviarum aere corrupto hominum et boum pestilentia longe lateque ita grassata est, ut vix ulla pars regni Francorum ab hac peste immunis posset inveniri.

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Für das Jahr 823 sind vom Biographen Ludwigs des Frommen seltsame Zeichen und Erscheinungen überliefert, die um diese Zeit das Gemüt des Kaisers beunruhigten, „(…) häufige und ungewöhnliche Blitze, Steinfall im Hagel sowie Seuchen bei Mensch und Tier.“64 Der ungewöhnliche Steinfall im Hagel wird auch von den Verfassern anderer Annalen angegeben.65 Der Annalenschreiber in St. Emmeram in Regensburg betont für dasselbe Jahr die Abfolge eines kalten Winters, einer großen Trockenheit und einer heftigen Hungersnot.66 Weitere außergewöhnliche Vorfälle werden 823 ausführlich ebenfalls in den Annales regni Francorum berichtet: „Die bedeutsamsten darunter (…) in Sachsen wurden im Gau Firihsazi dreiundzwanzig Dörfer bei Tage und heiterem Himmel vom Blitz in Brand gesteckt. In vielen Gegenden wurden die Früchte vom Hagel vernichtet, an etlichen Orten sah man sogar wirkliche Steine von ungeheurer Schwere mit dem Hagel herabfallen. Auch in die Häuser schlug der Blitz ein und Menschen und Tiere wurden allenthalben von ihm in ungewöhnlicher Zahl getroffen. Darauf folgte eine schlimme Seuche und ein Menschensterben, das überall im ganzen Frankenland fürchterlich wütete und eine zahllose Menge Menschen jeden Alters und Geschlechts hinwegraffte.“67

Fast wortwörtlich gleich lauten die Berichte in den Fuldaer Annalen.68 Die Lage des Gaus Firihsazi lässt sich nicht eindeutig bestimmen.69 Der von diesen Quellen gelieferten Datierung widersprechen die Annalen des Klosters Ottobeuren, die zwar dieselben Ereignisse und Opferzahlen überliefern – in Sachsen 23 Dörfer durch Blitzeinschlag verbrannt und viele durch Hagelschlag umgekommen –, aber eine zwei Jahre

|| 64 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 37. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 420 f.: Eo tempore quedam prodigiosa signa apparentia animum imperatoris sollicitabant, (…) crebra et inusitata fulgura, lapidum cum grandine casus, pestilentia hominum et animalium. 65 Annales Fuldenses, ad a. 823. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 23: Et in multis regionibus [fruges] grandinis vastatione deletae atque in quibusdam locis simul cum ipsa grandine veri lapides atque ingentis ponderis decidere visi. Domus quoque de caelo tactae hominesque ac cetera animalia passim fulminum ictu praeter solitum crebro exanimata dicuntur. Secuta est ingens pestilentia atque hominum mortalitas magna. 66 Annales S. Emmerammi maiores, ad a. 823. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 741: Hiemps magnus, similiter siccitas grandis et famis valida. 67 Annales regni Francorum, ad a. 823. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 163; FSGA 5, 136 f.: Hoc anno prodigia quaedam extitisse narrantur, in quibis praecipua fuerunt in Aquense palatio terrae motus. (…) Et in Saxonia in pago, qui vocatur Firihsazi, viginti tres villae igne caelesti concrematae, et fulgora sereno atque interdiu de caelo cadentia. Et in multis regionibus fruges grandinis vastatione deletae atque in quibusdam locis simul cum ipsa grandine veri lapides atque ingentis ponderis de cidere visi; domus quoque de caelo tactae hominesque ac caetera animalia passim fulminum ictu praeter solitum crebro exanimata dicuntur. Secuta est ingens pestilentia atque hominum moratlitas quae per totam Franciam inmaniter usquequaque grassata est et unnumeram hominum multitudienm diversi sexus et aetatis gravissime seviendo consumpsit. 68 Annales Fuldenses, ad a. 823. Ed Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 23: (…) et in Saxonia in pago qui vocatur Firihsazi 23 villae igne coelesti concrematae, et fulgura sereno atque interdiu de coelo cadentia. 69 Ehlers, Integration Sachsens (2007), 248.

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spätere Datierung ins Jahr 825 bieten.70 Unsicher scheint auch, ob die vom Chronicum Scotorum überlieferte Nachricht, nach der im Jahr 823 durch Feuer vom Himmel die Abteigebäude in Armagh entzündet worden seien, auf dasselbe Gewitterereignis zurückgeführt werden kann.71 Bei der überlieferten Nachricht fehlen die Tagesdaten, um einen möglichen Zugweg einer großen Gewitterzelle von Kontinentaleuropa nach Schottland oder vice versa zu rekonstruieren. Im Jahr 824, wenige Tage vor der Sommersonnenwende am 21. Juni, soll im Gebiet von Autun bei einem Sturm ein ungeheures Stück Eis herabgefallen sein, das 15 Fuß lang, zehn Fuß breit und zwei Fuß dick gewesen sei.72 Bei einer Fußlänge von 33,3 Zentimeter zur Karolingerzeit wäre der Eisblock fast genau 5 x 3,30 x 0,66 Meter groß gewesen und hätte ein Volumen von 10,9 Kubikmeter gehabt. Eis besitzt eine Dichte von 918 Kilogramm je Kubikmeter, damit besäße ein Eisstück dieser Größe ein Eigengewicht von ungefähr zehn Tonnen. Ein solcher Eisblock fällt nicht einfach so vom Himmel. Spätestens beim Auftreffen auf die Erdoberfläche wäre er, je nach Material des Untergrundes, in mehr oder minder große Stücke zerborsten. Es wurde vorgeschlagen, darin aufgrund der Beschreibung einen „rechteckigen, flachen Eiskörper (…) eines äußerst niederschlagsreichen Hagelschauers“ zu sehen, der „in Schattenlage noch nicht abgeschmolzen war“.73 Dort könnten sich viele Hagelkörner durch eine besondere mikroklimatische Disposition lokal verdichtet haben. Der Ort Autun wird auch als Tor zum benachbarten Granitmassiv Morvan bezeichnet, welches mit 901 Meter Höhe zu den Ausläufern des Zentralmassivs in Frankreich gehört. Ob durch Orkanwinde hier ein Eisstück hochgewirbelt und transloziert wurde, muss unter den oben genannten Bedingungen eine unbelegbare Annahme bleiben. Im Jahr 833 „trat der Winter in seiner ganzen Härte und Strenge ein; zuerst fortwährende Regengüsse, dann aber eisige Kälte, welche den nassen Boden gefrieren machte, was so viel Schaden verursachte, dass, da den Pferden die Füße schadhaft wurden, kaum noch jemand eines zum Reiten hatte.“74 Mit diesen Worten beschrieb Astronomus einen fortwährenden Winterregen.

|| 70 Annales Ottenburani, ad a. 825. Ed. Pertz, MGH SS 5, 3: In Saxonia quoque viginti tres villae igne coelesti crematae sunt. Grando quoque multos extinxit. 71 Britton, A meteorological chronology (1937), 30. Chronicum Scotorum, ad a. 823. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 133: Fire from heaven fell on the Abbot’s mansion in Ard-Macha, so that it was burnt. 72 Annales regni Francorum, ad a. 824. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 166 f.; FSGA 5, 140 f.: Hoc anno paucis ante solstitium aestivale diebus in territorio Augustodunense aere in tempestatem subita mutatione converso ingens fragmentum ex glacie simul cum grandine decidisse narratur, cuius longitudo quindecim, latitudo septem, crassitudo duos pedes habuisse dicitur. 73 Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 28. 74 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 47. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 470; FSGA 5, 342 f.: Sed illo id refugiente, asperrima hiemis incubuit inclementia: primo quidem pluviarum inundantia plurimarum, deinde humectationem terrae glatiali astringente rigore; queque adeo noxia fuit, ut subtritis pedibus equinis rarus quisque foret, qui vectatione equorum uteretur.

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Der Winter des Jahres 838 am Niederrhein wird vom Verfasser der Annales Xantenses als sehr reich an Regen und Sturm beschrieben. Am 21. Januar 838 habe man starken Donner gehört, ebenso am 16. Februar 838. Auch andere katastrophale Ereignisse, wie Sonnenhitze, Erdbeben oder Feuer in Form eines Drachen in der Luft, schloss der Annalist an dieser Stelle in seine Beschreibung ein.75 Wiederum dieselben Annalen dokumentieren taggenau, dass es am 4. Februar 848 gegen Abend blitzte und Donner gehört wurde und die Heiden, wie sie es gewohnt waren, die Christen schädigten.76 Ein gewaltiges Wintergewitter gab es wohl auch am 3. Januar 849, es wurde im Kloster St-Wandrille aufgezeichnet.77 Ob dieses Ereignis mit dem folgenden zusammengehört, kann aufgrund fehlender weiterer Daten nicht entschieden werden. Auffällig ist, dass man nach dem Autor der Annales Xantenses am 1. Januar 850, acht Tage nach Weihnachten, am selben Tage gegen Abend einen starken Donner hörte und einen gewaltigen Blitz sah, und eine Überschwemmung der Gewässer in diesem Winter das Menschengeschlecht traf.78 Da hier aber doch zwei verschiedene Tagesdaten genannt wurden, ist es wahrscheinlicher, dass es sich um die Schilderungen zweier getrennter Ereignisse handelt. Nach dem Verfasser der Annales Fuldenses brachte eine „ungewöhnliche Bewegtheit der Luft“ vielen durch Wirbelwinde, Stürme und Hagelschlag Schaden. Vom Blitz getroffen, verbrannten sehr viele Häuser, darunter am 5. Juni 855 die Kirche des hl. Märtyrers Kilian in Würzburg.79 Dabei schildert der Fuldaer Annalist auch den Blitzeinschlag: „Während der Klerus die Vesperlieder sang, wurde die Kirche von einem plötzlichen Blitz getroffen und ging in Flammen auf; wunderbar war dabei, wie das Feuer an den Deckenbalken des

|| 75 Annales Xantenses, ad a. 838. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 16; FSGA 6, 342 f.: Hiemps pluvialis et ventosa valde, et mense Ianuario XII. Kal. Februarii tonitruum auditum est, similiterque mense Februario XIIII. Kal. Martii tonitruum est auditum magnum, et nimis ardor solis terram urebat, et in uibusdam partibus terrae mouts factus est, et ignis forma draconis in aere visus est. 76 Annales Xantenses, ad a. 848. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 16; FSGA 6, 350 f.: Nonas Februarii ad vesperum fulgur emicuit et tonitruum auditum est, et gentiles Christianis, ut consueverant, nocuerunt. 77 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 849. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Autumnale tempus imbribus inundantissimum fuit. Tertio Nonas Ianuarii fulgura et tonitrua extiterunt, pluviae quoque largissimae. 78 Annales Xantenses, ad a. 850. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 17; FSGA 6, 350 f.: Kalendis Ianuarii, id est octabas Domini, (…) eodem die ad vesperum tonitruum auditum est magnum, et fulgur nimium visum est, et inundatio aquarum ipsa hieme humanum genus affligebat. 79 Annales Fuldenses, ad a. 855. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 7, 45; FSGA 7, 46 f.: Aeris insolita commotio turbinibus ac tempestatibus plagisque grandinum multis damnum intulit. Fulminum ictibus aedes plurimae crematae sunt, inter quas basilica sancti Kiliani martyris Nonis Iuniis clero laudes verspertinas celebrante repentino iuctu percussa atque succensa est (…).

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Hauses hangend, ohne die Masse zu verletzten so lange umherirrte, bis die Gebeine des hl. Märtyrers und der ganze Kirchenschatz unversehrt herausgebracht war. Auch fanden sich einige Geistliche vom Blitze berührt, die an verschiedenen Stellen des Leibes, während ihre Kleider unverletzt blieben, schwere Brandwunden hatten. Ja, es soll einer von den Leuten dort dergestalt von dem himmlischen Feuer verbrannt gewesen sein, dass der Körper aufgezehrt war, aber das Kleid vom Feuer unverletzt blieb.“80

Aufgrund des elektrischen Widerstandes des menschlichen Körpers von 500 Ohm erfolgt die Ableitung des Blitzes in Form eines Gleitüberschlages an der Körperoberfläche, weshalb es dort zu Verbrennungen kommt. „Allein auf diesen Effekt ist es zurückzuführen, dass Menschen auch direkte Blitzschläge überlebt haben. Die tödliche Gefahr richtet sich hauptsächlich danach, wie der Strom im und entlang dem menschlichen Körper fließt. Dies wiederum ist abhängig davon, wo das Opfer vom Blitz getroffen wurde. Einschläge über Kopf oder Herz können kaum überlebt werden.“81 Die Blitzeinschläge im Jahr 857 in die Peterskirche in Köln82 und in den Trier Dom wurden bereits von Haas analysiert.83 Ein an den Bischof von Hildesheim gerichteter Brief, der davon berichtet, wurde auf der Synode zu Mainz Anfang Oktober 857 verlesen.84 Darüber hinaus gibt es zwei Quellenstellen, in denen detaillierte Darstellungen des Briefinhalts beschrieben wurden, zunächst wird in den Fuldaer Annalen vermerkt: „[Briefe] in denen zu lesen war, dass am 15. September 857 in Köln ein schreckliches Unwetter geherrscht habe. Dann, als das ganze Volk vor gewaltigem Schrecken in die Peterskirche geflohen war und unter Geläute der Kirchenglocken einmütig um Gottes Erbarmen flehte, habe plötzlich ein gewaltiger Blitzstrahl wie ein feuriger Drache die Kirche zerrissen, sei hinabgefahren und habe aus jener Menge drei Menschen an verschiedenen Orten, aber mit einem Schlag tot niedergestreckt, nämlich den Presbyter neben dem Altar des hl. Petrus, den Diakon neben dem Altar des hl. Dionysius und einen Laien bei dem Altar der hl. Maria; außerdem habe er sechs weitere so niedergeworfen, dass sie halbtot weggetragen wurden und kaum genasen.“85

|| 80 Annales Fuldenses, ad a. 855. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 7, 45; FSGA 7, 46 f.: (…) et mirum in modum sub laquearibus domus ignis pendulus inlaesa materia tamdiu oberrabat, donec ossa sancti martyris et totus aecclesiae thesaurus efferretur inlaesus. Clericorum quoque nonnulli fulmine tacti inlaesis vestibus per diversa membrorum loca graves combusturas habuisse reperti sunt. Fertur etiam quendam in illis regionibus hominem ita caelesti igne combustum, ut consumpto corpore vestis ab igne remaneret inlaesa. 81 Vgl. Rakov/Uman, Lightning (2007), 646–649. 82 Hensch, Überlegungen zum Blitzschlag (1984), 97–104. 83 Haas, Unterweltshund (2007), 99–119. Vgl. auch Haas, Stürme auf See (2008), 256. 84 Fuchs, Chronik (1991), 86. 85 Annales Fuldenses, ad a. 857. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 48; FSGA 7, 50 f.: (…) in qua legebatur contigisse Coloniae XVII. Kalendas Octobris terribilem valde tempestatem, populo cuncto prae nimio horrore in basilicam sancti Petri confugiente et signis aecclesiae concrepantibus unanimiter Dei misericordiam implorante, subito fulmen inorme ignei draconis instar basilicam scidisse ac penetrasse atque ex omni illa

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Ein Vorgängerbau des Kölner Domes, der sogenannte Hildebold-Dom, soll zwischen 818 und der genannten Schilderung zum Jahr 857 fertiggestellt worden sein. Begründet wird dies damit, dass der Kirchenbau 857 als in Benutzung beschrieben wird und die Weihe von 870 nicht zwangsläufig einen Neubau voraussetzen würde.86 Die drei beschriebenen Altäre – der Petrusaltar als Hochaltar lag im Westchor, erhöht über einer Krypta, der Marienaltar befand sich im Ostchor des Domes ebenfalls über einer Krypta und der Dionysius-Altar an unbekanntem Ort – setzen drei einzelne Blitzeinschläge voraus. Dies könnte jedoch auch für so viele Zerstörungen am Bauwerk sprechen, dass die (Neu-)Weihe im Jahr 870 im Anschluss an eine sich über 13 Jahre hinziehende Reparatur durchgeführt worden wäre. Ein zweiter Bericht über die Inhalte des Briefes ist in den Annales Bertiniani enthalten: „Im Jahr 857 lagerte sich in Köln auf der Peterskirche in Anwesenheit des Bischofs Günter87 unter häufigem Blitzen eine dichte Wolke, als plötzlich ein Blitzstrahl in heller Flamme durch den Trauf hereinfuhr, einen Priester, einen Diakonen und einen von den Laien tötete und sich dann tief in der Erde verlor. Auch in Trier legte sich, als Bischof Theutgaud88 mit dem Klerus und dem Volk den Gottesdienst feierte, eine dunkle Wolke unter Donnern und Blitzen auf die Kirche, warf schreckenerregend den Glockenturm ein und erfüllte die Kirche mit solcher Finsternis, dass man einander kaum erkennen konnte, und sah man einen Hund von ungeheurerer Größe um den Altar herumlaufen, indem sich plötzlich die Erde öffnete.“89

Ob die Großwetterlage, die diese Gewitter verursachte, auch für die drei Gewittertoten in Schottland verantwortlich gewesen ist, die im selben Jahr zu beklagen waren,90 kann aufgrund der fehlenden Tagesdatierung nicht entschieden werden. Der Weg der Gewitterzelle im Oktober 857 von Köln nach Trier scheint aber jedenfalls nachvollziehbar. Für die Nachrichten in Köln und Trier kann also von derselben Gewitterzelle ausgegangen werden.

|| multitudine tres homines diversis quidem locis, sed uno ictu in mortem deiecisse, presbyterum scilicet iuxta altare sancti Petri, diaconum vero ad altare sancti Dionisii, laicum autem ad altare sanctae Mariae; alios etiam numero sex eodem impetu ita prostravisse ut elati semivivi vix convalescerent. Feruntur et alia prodigia his temporibus Treveri contigisse, quae ideo scribere distuli, quia de eis certum nuntium non habui. 86 Simon, Architekturdarstellungen (2001), 34. 87 Gunthar von Köln, Ebf. von Köln (850–863), vgl. Fuhrmann, Gunther (Gunthar) (1966), 324. 88 Theutgaud, Ebf. von Trier (847–868), vgl. Bauer, Theutgaud (1996), 1098–1105. 89 Annales Bertiniani, ad a. 857. Ed. Grat u. a., 74; FSGA 6, 92 f.: In urbe Colonia Agrippina, Guntario episcopo adstante, in aecclesia beati Petri nubes densissima desuper crebris fulminibus incubat, cum subito fulgor in modum ignis per subgrundia eiusdem aecclesiae intrans, unum sacerdotem et unum diaconum unumque ex laicis interficit, ac terrae ab ditis reconditur. In Augusta etiam Trevirorum Teotgaudo episcopo cum clero et populo celebrante, nubes teterrima superincumbens, tonitruis fulminibusque ecclesiam territans, turrem campanarum sonantium comminuit tantaque tene brositate ecclesiam implevit, ut vix alterutrum sese valerent agnoscere, visusque est canis nimiae enormitatis in circuitu altaris discurrere, subito terrae hiatu. 90 Chronicum Scotorum, ad a. 857. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 155: Three persons were burnt at Taillten by lightning.

Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner | 369

Nach einem Eintrag in den Xantener Annalen wurde am 5. Februar 860 am Niederrhein ein Donner gehört91 und im Jahr 863 sei der Winter im Rheinland stürmisch, veränderlich und sehr regnerisch, fast ganz ohne Eis gewesen.92 Nach den Hildesheimer Annalen wurde das Getreide im Jahr 865 durch eine Überschwemmung und durch heftigen Hagel zerstört.93 Eine im Wortlaut identische Nachricht findet sich für das Jahr 866, als in Sachsen plötzlich durch eine große Flut und starken Hagel das Getreide zerstört wurde.94 Dies spricht für zwei Beschreibungen desselben Ereignisses. Aufgrund fehlender Parallelüberlieferung lässt sich aber nicht rekonstruieren, welche Jahresangabe die richtige ist. Die zugehörigen Gewitterzellen könnten sich teilweise andernorts abgeregnet haben, was zu den Überschwemmungen geführt hätte. Aber ein großer Teil der Gewitterwolken scheint wohl trotzdem über das genannte Gebiet gezogen zu sein, denn sonst hätte kaum Niederschlag in Form von Hagel niedergehen können. Nach der Überlieferung in den Fuldaer Annalen sei „die ganze Sommerzeit des Jahres 872 durch Hagel und mannigfaches Unwetter sehr verderblich gewesen und der Hagel habe an sehr vielen Orten die Früchte zerstört; auch hätten schreckliche Donner und Blitze fast täglich den Sterblichen Untergang, durch deren heftige Schläge gedroht, wie man erzählt, Menschen und Zugvieh an verschiedenen Orten getötet und in Asche verwandelt wurden. Auch der Dom des hl. Petrus zu Worms sei von dem himmlischen Feuer verzehrt und die Mauern vollständig niedergeworfen worden.“95 Der Wormser Dom soll im Jahr darauf, also 873, durch einen Blitz zerstört worden sein.96 Dies könnte zahlreiche Sommergewitter im Rheinland zwischen Mainz und Worms belegen. Erneut ist aufgrund fehlender Parallelüberlieferung das Jahr nicht genau zu bestimmen.

|| 91 Annales Xantenses, ad a. 860. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 19; FSGA 6, 352 f.: Anno DCCCLX. Nonas a Februarii tonitruum auditum est, et rex reversus est de Gallia, depravato omni regno et in nihilo emendato. 92 Annales Xantenses, ad a. 863. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 20; FSGA 6, 354 f.: Eodem anno hiemps turbulenta, multabilis et pluvialis valde, ut pene absque gelu omnio, ut in sequentibus patuit in aecclesia sancti Victoris. 93 Annales Hildesheimenses, ad a. 865. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Subitaneum diluvium et vehemens grando fruges assumpsit. 94 Annales Hersfeldenses, ad a. 865, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 450: Subitaneum diluvium et vehemens grando fruges absumpsit. 95 Annales Fuldenses, ad a. 872. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 76 f.; FSGA 7, 86 f.: Omne tempus aestivum grandinibus variisque tempestatibus pernoxium extitit; nam grando plurima loca frugibus devastavit; (horrida) [horrenda] etiam tonitrua et fulmina pene cotidie mortalibus interitum minabantur, quorum ictibus praevalidis homines et iumenta in diversis locis exanimata et in cinerem redacta narrantur. Domus quoque sancti Petri apud Wormatiam igne caelesti consumpta est et muri penitus eversi. 96 Annales Augienses, ad a. 873. Ed. Pertz, MGH SS 1, 68: Ictus fulminis Wormatiam combussit.

370 | Extreme Witterungsereignisse

Das Chronicum Scotorum überliefert für das Jahr 878 in Schottland Sturmwind und Gewitter.97 Mit der ihm eigenen – scheinbaren – empirischen Genauigkeit beobachtete und beschrieb der Verfasser der Fuldaer Annalen den Hagel im Sommer des Jahres 882: „Nun trat eines Tages ein wunderbares und für die Belagerer und die Belagerten staunenswertes Ereignis ein. Am Nachmittag des 21. Juli 882 bedeckte plötzlich dunkle Finsternis das ganze Lager, unter Blitz und Donnergetöse fiel solcher Hagel, dass kein Sterblicher behauptete, so etwas früher erlebt zu haben, nicht, wie gewöhnlich die Hagelkörner herabfallen, mit glatter und gleichmäßiger Oberfläche, sondern von zackigem, ungleichem und unebenem Aussehen, sodass sich allen, die es sahen, ein ungewöhnliches und großes Schauspiel darbot; wunderbar und unglaublich zu sagen, dass man kaum oder gar nicht ihre Dicke mit Daumen und Mittelfinger umspannen konnte. Auch die Pferde wurden dermaßen scheu, dass sie Pfähle und Zügel zerrissen und teils außerhalb teils im Lager erschreckt herumrannten. Unter dem Luftdruck stürzte auch ein großer Teil der belagerten Stadt zusammen (…).“98

Diese Angaben deuten auf eine ausgeprägte Zelle eines Sommergewitters, welche die Bildung von solchem Hagel ermöglichte, wie er von keinem sterblichen Zeitgenossen erinnert werden konnte. Eine weitergehende Analyse der Darstellung der Fuldaer Annalen zu diesen Jahren legt nahe, dass der Annalist hier einen Bezug zur sechsten Posaune in der Offenbarung des Johannes herstellen wollte.99 Wiederum die Annales Fuldenses überliefern zum Jahr 889: „Eine schwere Zeit brach nun wieder in diesem Jahre herein. (…) Da aber der Hagel die Feldfrüchte zerschlagen hatte, litten die Menschen jämmerlichen Mangel an Getreide.“100 Für den 28. Januar 894 dokumentieren sie einen starken Donnerschlag.101 Im Jahr 895 fiel nach den Annales Alamannici Hagel über dem Kloster St. Gallen.102

|| 97 Chronicum Scotorum, ad a. 878. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 167: Great wind and lightning. 98 Annales Fuldenses, ad a. 882 (Fortsetzung der Altaicher HS). Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 97– 99; FSGA 7, 132 f.: Mira itaque res et stupenda obsidentibus et obsessis quadam die occurrit. Nam in XII. Kal. Aug. luce postmedia tenebrosa subito caligo tota castra operuit, fulgure et tonitruo, concrepente instans talis grando, ut nullus antea mortalium se tale quid videre profiteretur; non, ut solitum est lapides descendere, plana et equali superficie, sed cornuta et inequali et aspera facie omnibus cernentibus insolitum et magnum spectaculum praebuit. Mirabile et incredibile dictu, ut vel vix vel non grossitudo eorum potuit pollice et medio circumdari. Nam et ita equi stupefacti, ut efractis sudibus et habenis partim extra castra, partim in castris errore et stupore versabantur. Civitatis quoque, quam obsederant, propter impetum aeris magna pars corruit (…). 99 Vgl. Kap. 5.1.6 Die Folie der Topoi des Fuldaer Annalisten. 100 Annales Fuldenses, ad a. 889 (HS von Altaich). Ed, Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 125–127; FSGA 7, 148 f.: Grave igitur tempus hoc anno incanduit. (…) Grandine vero contritis frugibus mortales inopiam frugum cum miseria patiuntur. 101 Annales Fuldenses, ad a. 894. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 123; FSGA 7, 156 f.: Sonitus tonitrui magni increpuit 5. Kal. Febr. 102 Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis tertia, ad a. 895. Ed. Pertz, MGH SS 1, 53: Fames et grando; famis valida, grando.

Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner | 371

Der Verfasser der Fuldaer Annalen vermerkte zu Beginn des Eintrags zum Jahr 896: „Nun wurde das ganze Heer durch gewaltige Stürme, unaufhörliche Regengüsse und unmäßige Überschwemmungen auf den Hängen der Berggipfel aufgehalten, irrte allenthalben umher und kam nur mit Mühe hindurch. Daher entstand auch eine heftige Seuche unter den Pferden und sie nahm, durch die Schwierigkeit des Marsches gesteigert, ungewöhnlich zu, sodass fast das ganze Heer sein Gepäck in ungewohnter Weise auf Ochsen fortschaffte, die nach Art der Pferde gesattelt waren.“103

3.1.3 Unwetter im 10. Jahrhundert Verschiedene irische Chroniken beschreiben das Jahr 900 in Irland und Schottland als sehr regnerisch.104 Liudprand von Cremona erwähnt zum Jahr 910 Gewitter und Hagel in einem Gedicht, bei dem aber nicht klar ist, ob es auf tatsächlichen zeitgenössischen Beobachtungen beruht oder ob er hier die genannten Niederschlagsphänomene bewusst instrumentalisiert hat.105 Eine Beobachtung, die aufgrund ihrer Detailgenauigkeit auf eigenes Erleben hindeutet, wird von Flodoard von Reims zum Jahr 919 genannt, als ein geheimnisvoller Hagelstein in Reims vom Himmel fiel. Er war größer als ein Hühnerei und breiter als ein halber Handteller. Auch an anderen Orten wurde damals größerer Hagel gesichtet.106 Der Hagelschauer des Jahres 919 wird sodann von zwei anderen, topographisch aber nicht weit entfernt niedergeschriebenen Annalen auf den Tag genau datiert: „Am 22. August 919 zur Zeit der Vesper kam es zu einem starken Gewitter, sodass nicht nur die Früchte herunterfielen und die Bäume mit der Wurzel ausgerissen wurden, sondern auch Tiere und Menschen aufgrund der großen Hagelkörner getötet

|| 103 Annales Fuldenses, ad a. 896. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 127 f.; FSGA 7, 164 f.: Igitur propter nimiam intempestatem aeris et immoderatam effusionem imbrium et ultra modum inundationibus aquarum omnis exercitus per divexa moncium cacumina impediti sunt, passim errando laboriose pervagatus. Unde etiam maxima pestilencia equorum et plus solitum propter difficultatem itineris aggravando excrevit, ita vero, ut totus pene exercitus supellectile suum inconsueto more per sellatos more equitum boves trahebant. 104 Chronicle of Ireland, ad a. 900. Ed. Charles-Edwards, 343: A rainy year. Chronicum Scotorum, ad a. 899. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 177: A rainy year. 105 Liudprand von Cremona, Antapodosis, 2, 4. Ed. Chiesa, 36; FSGA 8, 302 f.: (…) fulgura und cum grando superba. 106 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 919. Ed. Lauer, 1; Ed. Fanning/Bachrach, 3: Anno incarnationis domini nostri Ihesu Christi 919 cecidit Remis grando mirabilis, ovum gallinae superans magnitudine; quae vero distendebatur in latitudine, occupabat medium palmae. Sed et grandior per alia quaedam loca visa est cecidisse.

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wurden.“107 Auch die kurzen Annalen des Klosters Saint-Germain des Prés in Paris verzeichnen für dieses Jahr ein Gewitter, bei dem die Früchte der Bäume zerstört wurden,108 geben dies aber explizit nicht als Grund für Hunger an. Für die nächsten Jahre wurde in Quellen des westlichen Europas kein Unwetterereignis mit Blitz- oder Hagelschlag überliefert. Diese Beobachtung sagt aber nur etwas über die nicht ungewöhnlichen Ereignisse aus. Für die Region Reims wurden im Jahr 921 von Flodoard von Reims viele Stürme an verschiedenen Orten beschrieben. Es finden sich vergleichsweise viele Angaben für ein einzelnes Jahr, die erwähnen, dass Männer vom Blitz getötet wurden und Häuser verbrannten. „Es war eine große Hitze im Sommer und viel Heu wurde produziert. Dann herrschte eine große Trockenheit für fast drei Monate im Juli, August und September.“109 Bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel wurde die Beobachtung, Ibn Faḍlāns zum Jahr 922 erwähnt und kommentiert: „Ich habe nirgendwo so viel Blitzschläge gesehen, wie in ihrem Lande. Hat der Blitz in ein Haus eingeschlagen, so nähern sie sich dem Haus nicht und lassen es für sich und auch alles, was darin ist an Menschen, Vermögen und anderen – bis die Zeit es verfallen lässt. Sie sagen: Dies ist das Haus von solchen, denen Gott gezürnt hat.“110 Wiederum Flodoard von Reims überliefert zum Jahr 927 den Durchzug eines großen Gewitters durch die pagi Laon und Soissons, der dabei viele Bäume und Häuser zerstörte und viele Menschen in verschiedenen Orten tötete.111 Im folgenden Jahr, 928,

|| 107 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 791. Ed. Waitz, MGH SS 13, 719: 11. Kalendas Augusti tempore vespertino facta est tempestas tam valida, que non solum fruges ad nihilum redegit et arbores radicitus evulsit, sed et animalia et homines in locis quibusdam interfecit; cuius lapides tantae ferebantur magnitudinis esse, ut aliquanta ova anserum sua magnitudine superarent. Annales S. Germani minores, ad a. 919. Ed. Pertz, MGH SS 4, 3: Tempore vespertino facta est tempestas valida, quae non solum fruges ad nichilum redeit et arbores radicitus evulsit, sed et animalia et homines in locis quibusdam interfecit, cuius lapides tante ferebantur magnitudinis esse, ut aliquanti ova anserum sua magnitudine superarent. 108 Annales S. Germani minores, ad a. 919. Ed. Pertz, MGH SS 4, 3: Tempore vespertino facta est tempestas valida, quae non solum fruges ad nichilum redeit et arbores radicitus evulsit, sed et animalia et homines in locis quibusdam interfecit, cuius lapides tante ferebantur magnitudinis esse, ut aliquanti ova anserum sua magnitudine superarent. 109 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 921. Ed. Lauer, 6; Ed. Fanning/Bachrach, 5: Tempestates hoc anno diversis in locis plurimae, homines quoque fulmine exanimati, et domus incensae. Aestus in aestate magnus, et foeni plurimum. Siccitas ingens tribus fere continua mensibus, Iulio, Augusto atque Septembri. 110 Ibn Faḍlān’s Reisebericht, § 63. Ed. Togan, 64 f. 111 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 927. Ed. Lauer, 38; Ed. Fanning/Bachrach, 16: Tempestas maxima pagum Laudunensem concussit et Suessonicum, qua domus eversae arboresque multae fuerunt evulsae, homines exanimati per loca diversa quamplure.

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seien verschiedene Orte in den Regionen Reims112 und Sens113 von unterschiedlichen Gewittern betroffen gewesen, dies instrumentalisiert Flodoard hingegen nicht weiter. Dagegen stellte Widukind von Korvei, wie schon Gregor von Tours, starken Regen manchmal als Ausdruck des Willens Gottes dar. So soll in Sachsen im Jahr 929 eine Nacht ungewöhnlich finster gewesen sein und ein ungeheurer Regenguss niedergegangen sein, „nach Gottes Willen, um einen bösen Anschlag der Barbaren zu vereiteln.“114 Hier instrumentalisiert Widukind eindeutig ein Witterungsereignis. Zum Jahr 932 melden irische Annalen, dass „Feuer vom Himmel die Berge von Connaught verbrannte und die Seen und Flüsse austrockneten, und auch viele Personen von ihm verbrannt wurden.“115 Mit „Feuer vom Himmel“ ist wohl nach den bisherigen Quellenbeispielen ein Blitzeinschlag aufgrund eines Gewitters gemeint. Obwohl es ausdrücklich genannt, könnte die große Trockenheit auf eine große Sommerhitze hinweisen, die im Übrigen nur hier erwähnt wird, und die dann entsprechend auf Sommergewitter hindeuten würde. Für seine Darstellung des Jahres 938 instrumentalisiert Widukind von Korvei erneut ein Regenereignis. Nach seiner Darstellung fielen die Ungarn in Sachsen ein, lagerten am Fluss Bode und schickten Heeresteile zur Steterburg116 bei Wolfenbüttel. Sie waren „vom Marsch und vom Regen, der in Strömen floss, ermattet“ und konnten so von Sachsen überwunden werden.117 Wie in seiner Darstellung zum Jahr 929 lässt Widukind Gott selbst den Regen dazu verwenden, um seinen, den christlichen Sachsen unter Heinrich I. günstigen, Willen gegen die heidnischen Ungarn kundzutun. 16 Jahre später deuten sehr starke im Kloster Lobbes aufgezeichnete Niederschläge des Jahrs 954 auf ein Sommergewitter hin, bei dem die St.-Peters-Kirche118 in Brand geriet, aber der Kirchenschatz gerettet werden konnte.119 Diese Geschichte || 112 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 928. Ed. Lauer, 41; Ed. Fanning/Bachrach, 17: Tempestates variae diversis locis effusae. 113 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 928. Ed. Pertz, MGH SS 1, 105: Pridie Non. Iul. Sole in cancro nimios estus faciente, subito ingens coruscatio cum inaudito ante tonitru est exorta, inexperta etiam vis ventorum domos a fundamentis subruens inmensas arbores magne molis eradicans. 114 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 1, 36. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 52; FSGA 8, 70 f.: Interea dies transit, et nox soliti tenebrosior cum ingenti pluvia adest nutu divino, quatinus consilium pesimum inpediretur barbarorum. 115 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 932. Ed. O’Donovan, 631: Fire from heaven burned the mountains of Connaught this year, and the lakes and streams dried up, and many persons were also burned by it. 116 Zur Stederburg im 10. Jahrhundert vgl. Billig, Stiftskirche zu Steterburg (1982), 11–15. 117 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 14. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 79; FSGA 8, 100 f.: (…) ex itinere et ex pluvia, quae ingens erat (…). 118 Seibert, Lobbes, Saint-Pierre de (1991), 2061 f. 119 Folcuini gesta abbatum Lobiensium, ad a. 954. Ed. Pertz, MGH SS 4, 67: Subsequitur post haec pluvia pergrandis, quae gentiliciam illis sagittandi artem cordarum distentione frustravit. Metus quoque ac terror tantus in eos irruit, ut maturarent fugam, et principes ipsi uterentur flagellis in eos qui volebant subsistere. Abducunt autem eos, quos morti residuos ceperant; ecclesia sancti Pauli incensa, et ecclesia

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scheint auch Widukind gekannt zu haben, denn die Nachricht mit den vermeintlichen und schwer erklärlichen Absichten Gottes im Jahr 955 bereiteten ihm Probleme. Mehrfach unterbrach er seinen Bericht zur Schlacht auf dem Lechfeld in diesem Jahr120 und schob unter anderem folgenden Text ein: „Es erschreckten uns außerdem ungewöhnliche Zeichen. Kirchen wurden an vielen Orten durch ein gewaltiges Unwetter erschüttert, zum größten Entsetzen aller, die es sahen und hörten; Priester und Nonnen kamen vom Blitz getroffen um, und vieles andere ereignete sich zu jener Zeit, was schrecklich zu sagen ist121 und deshalb von uns übergangen werden soll.“122 Es scheint, als wäre Widukind daran verzweifelt, dass der von ihm gedeutete und erwartete Wille eines strafenden Gottes sich die Falschen ausgesucht habe. Das reale Ergebnis des Ereignisses stand in klarem Widerspruch zum offenbar gewünschten christlichen Deutungsmuster. Die erlebten oder erfahrenen Ereignisse widersprachen seiner Deutung des Willen Gottes, denn sie richteten sich gegen gute Christen statt gegen heidnische Barbaren und hätten einer eigenen Erklärung bedurft, die Widukind ebenso wenig fand, wie einige Jahrhunderte zuvor Gregor von Tours bei jenen, die vom Blitz getroffen wurden, weil sie den Sonntag nicht geheiligt hatten. Eine kryptische Nachricht über Blitze eines Gewitters, das im Jahr 960 Irland heimsuchte, die den Schwan und die Weißwangenenten (the swans and the barnacle ducks) in Airthear Liffe (Naas nahe Dublin) zerstörten,123 entzieht sich bisher einer näheren Deutung. Im Jahr 965 zog zur Zeit der Vesper ein großes Gewitter über dem Kloster St.-Denis nördlich von Paris hin, mit vielen Blitzen, denen zwei Brüder zum Opfer fielen.124 Da das Gewitter erst zur Vesper, dem liturgischen Abendgebet stattfand, deutet dies auf den notwendigen Aufbau der Gewitterwolke tagsüber und ihrem entladenden Abregnen am Abend. Der Verfasser dieser Quelle war jedoch schon bei den Finsternissen chronisch unzuverlässig und scheint auch hier schwierig zu deuten.

|| maiori temptata sed miseratione Dei salvata. Thesaurum ecclesiae et optima quaeque Theodulphus alius ad munitionem quandam partim transportaverat, partim in ipsa ecclesia terra obstruserat. 120 Beumann, Kaisertum (1963), 83. 121 Stilistische Anleihen scheinen auf Vergils Aeneas zurückzugehen, Verg. Aen. 4, 454, 190: horrendum dictu. 122 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 3, 46. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. 60, 127; FSGA 8, 154 f.: Terrebant nos preterea portenta inusitata. Templa denique plerisque in locis tempestate valida concussa visentibus et audientibus horrorem nimium incussere; utriusque sexus sacerdotes ictu fulminis interierunt, et alia multa illo tempore contigerunt dictu horrenda et propterea nobis pretereunda. 123 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 960. Ed. O’Donovan, 681: Lightning destroyed the swans and the barnacle ducks in Airthear Liffe. 124 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 965. Ed. Waitz, MGH SS 13, 720: Vespertino tempore cecidit tempestas secus coenobium domni Dionysii mire magnitudinis, sed non longe a castello, et tunc secute sunt fulgure, iam fratribus aliquantis quiescentibus, que interfecerunt duos fratres.

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„Zu dieser Zeit am 12. Mai 968, fiel im größten Teil des Reiches, in fast allen Orten, die eine Kirche besitzen, Feuer vom Himmel, ohne dass Donner oder Sturm zu vernehmen war und verbrannte Menschen und Tiere. Und diesen Orten erschienen Dämonen in Form von Wölfen.“125 Im selben Jahr, aber an ganz anderem Ort, kam am 4. Juni 968 die Gesandtschaft um Liudprand von Cremona in Konstantinopel vor dem Tor Karea, am Hafen bei der Akakioskirche, an und wartete bis zur elften Stunde mit ihren Pferden im strömenden Regen.126 Nach diesen ausdrücklich genannten Niederschlagsereignissen ist eine auffällige Lücke von 40 Jahren in der Überlieferung zu beobachten.

3.1.4 Unwetter im 11. Jahrhundert Erst in den Quedlinburger Annalen wird zum Jahr 1004 wieder ein meteorologisches Ereignis beschrieben. Dabei sollen Blitze und Donner zusammen mit starkem und furchtbarem Wirbelwind in allen Ländern die Völker erschreckt haben.127 Am 30. Juli 1011 fielen, ebenfalls den Quedlinburger Annalen zufolge große und schreckliche Hagelkörner128 – ein klarer Hinweis auf ein großes Sommergewitter mit hohen Cumulonimbus-Wolken. Fünf Jahre später, 1016, trat in Sachsen erneut großer, massiger Hagel mit vielen Blitzen auf,129 wiederum aufgrund großer Kumulonimbus-Wolken. Die Nachricht von einem schrecklichen Hagelschlag in diesem Jahr und von vielen Menschen, die vom Blitz erschlagen wurden, ist mehrfach überliefert worden.130 Thietmar von Merseburg

|| 125 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 968. Ed. Verdon, 94 f.: Eo tempore, iv idus maii, in maxima parte hujus regni, in omnibus fere villis in quibus ecclesiae sunt, caelestis ignis sine tonitruo ac turbine, non hominem neque pecus laedens, cecidit; et in quibusdam locis, daemones in forma luporum, ad imitationem caprearum balantes, apparuerunt. 126 Liudprand von Cremona, Relatio, 1, 2. Ed. Chiesa, 187; FSGA 8, 526 f.: Pridie Nonas Iunii, ut superius scripsimus, Constantinopolim ante portam Caream venimus, et usque ad undecimam horam cum equis, non modica pluvia, expectavimus. Vgl. Leon Diaconos, Historiae libri, 4, 9. Ed. Hase, 69. 127 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1004. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 522: Fulgura et tonitrua eodem anno simul cum nimia et terribili turbine venerunt perterritis ubique terrarum populis (…). Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 110 und Newton, Medieval Chronicles (1972), 751. 128 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1011. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 531: Eodem anno II. Kalend. Augusti, feria secunda, luna XXVI [Neumond war am 5. Juli], cecidit glacialis grando ingens et horrenda. Vgl. Newton, Medieval Chronicles (1972), 751; Curschmann, Hungersnöte (1900), 110. 129 Annales Hildesheimenses, ad a. 1016. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 32; Climat. Ed. Alexandre, 338: Magnae molis grando venit, et plurimi fulmine exusti perierunt. 130 Annales Ottenburani, ad a. 1016. Ed. Pertz, MGH SS 5, 5: Horribilis grando cecidit, et multi fulmine adusti perierunt. Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1016. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 50; FSGA 13, 40 f.: Grando magna fuit, et multi fulmine exusti sunt.

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überlieferte als Datum Freitag, den 10. Februar 1016: Als „man als Zeichen kommenden Unheils im Morgendämmern furchtbare Donnerschläge [vernahm] mit Blitzen und heftigen Stürmen, die an verschiedenen Orten Schäden anrichteten. Manche kamen dabei um, denn das heftige Unwetter ließ Häuser einstürzen; andere entrannen verletzt nur mit Mühe dem Tode. Auch die Wälder erlitten durch Windbruch schweren Schaden.“131 Demgegenüber wird in den Annales Quedlinburgenses als Datum – „an dem die Wolken mit schrecklichem Klang zusammen stießen und mit häufigem Blitzen und einem Übermaß an Regen sehr viele Häuser einstürzten“ – der 11. Februar, ein Samstag, angegeben.132 Die bisherige Forschung hat die beiden Datumsangaben als Gegensätze interpretiert und sich aufgrund des höheren Alters der Überlieferung eher für die Quedlinburger Annalen entschieden.133 Eine Entscheidung zu Gunsten einer und gegen eine andere Datierung ist aber schon vom Ansatz her falsch, da dies der Dynamik eines Frontgewitters widerspricht, bei dem sich eine Kaltfront wie ein Keil unter die feuchtwarme Luft schiebt und diese zum Aufsteigen zwingt. Aus den sich durch das weitere Aufsteigen bildenden Quellwolken wird schließlich Niederschlag freigesetzt. Da die Gewitterfront nicht statisch ist, sondern um ihr bewegliches Zentrum okkludiert und dabei von einem Ort zu nächsten zieht, wird sie am 10. Februar 1016 in Merseburg für Niederschlag gesorgt haben und hat in der Folge die Distanz von 90 Kilometern überwunden, um am nächsten Tag über die Region Quedlinburg Quellwolken zu ziehen. Aufgrund der Zugrichtung von Südosten nach Nordwesten lässt sich ein sehr großes Tiefdruckgebiet mit seiner Kaltfront vermuten. Andere Annalen führen für das Jahr 1016 starke Hagelschauer auf,134 allerdings ohne die Angabe von Tagesdaten. Im Sommer des folgenden Jahres suchte ein großes Sommergewitter die Gegend um Magdeburg heim. „In der (…) Nacht zum Sonntag, dem 7. Juli 1017, war die Stadt von einem schweren Unwetter betroffen, das weit und breit Menschen, Vieh, Häuser und Feldfrüchte [in den Dörfern] vernichtete. Gewaltige Bruchbrände verwüsteten die

|| 131 Thietmar von Merseburg, Chronik, 7, 44. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 452; FSGA 9, 400 f.: Quarta Id. Febr. et in VI feria subsequiturae signa miseriae in ipso noctis crepusculo tonitrua cum fulminibus et magnis tempestatibus in diversis nocentia locis terribiliter intonuerę. Quidam namque confractis a tali impetu domibus obierunt, alii autem vulnerati vix mortem evasere. In silvis cadentibus magnum quoque accidit damnum. 132 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1016. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 549; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 31: MXVI. III. Id. Februarii, luna XXX, sabatho, collisiones nubium horrisonae e cum crebra coruscatione et imbrium nimietate plurima subruunt aedificia. 133 Giese (Annales Quedlinburgenses, MGH SS rer. Germ. 72, 549 Anm. 1452) gibt an: „Der 11. Februar 1016 war ein Sonntag.“ Da das Jahr 1016 aber ein Schaltjahr war, ist mit Grotefend, Taschenbuch (1991), 164, Tafel 11, festzustellen, dass der 11. Februar 1016 ein Samstag war. 134 Annales Ottenburani, ad a. 1016. Ed. Pertz, MGH SS 5, 5: Horribilis grando cecidit, et multi fulmine adusti perierunt. Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1016. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 50; FSGA 13, 40 f.: Grando magna fuit, et multi fulmine exusti sunt.

Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner | 377

Wälder und machten alle Wege unpassierbar.“135 Im selben Jahr oder im Jahr darauf verhinderte der strömende Regen kriegerische Handlungen: „Kaum hatte man ein Lager errichtet, da hieß es, der Feind komme. Doch weil es stockfinstere Nacht war und in Strömen regnete, konnte man ihm nicht zuvorkommen.“136 Mit dieser Art der Darstellung versuchte Thietmar nach dem gleichen Muster wie Gregor von Tours oder Widukind von Korvei den Regen als göttlichen Eingriff zu stilisieren. Die irischen Annalen überliefern einen sehr starken Hagelschauer im Sommer des Jahres 1022, wobei die einzelnen Hagelkörner die Größe von wilden Äpfeln gehabt haben sollen. Auf den Hagel seien starkes Blitzen und lautes Donnern gefolgt und viele Menschen und Rinder über ganz Irland dadurch getötet worden.137 Die Annalen von Clonmacnoise beschreiben die Hagelkörner dieses Jahres so groß wie Krabben. Zudem seien unzählige Rinder durch Blitzschlag getötet worden.138 Für das Jahr 1030 beschreibt die Chronik der Schotten Blitzeinschläge im angelsächsischen Gebiet, durch die viele Männer getötet worden seien.139 Einen verregneten Sommer dokumentieren dann die Annalen von Clonmacnoise zum Jahr 1037.140 Der Sommer des Jahres 1042 wurde im Kloster Lobbes als sehr regnerisch beschrieben.141 Auch während des folgenden Sommers des Jahres 1043 herrschte stürmisches Unwetter mit viel Regen, das einen großen Mangel an Früchten und Weintrauben verursachte.142 In den folgenden acht Jahren ist wieder eine Lücke zu beobachten, in der anscheinend kein Unwetter vom Erwartungshorizont abwich, oder nicht überliefert ist, denn

|| 135 Thietmar von Merseburg, Chronik, 7, 57. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 470 f.; FSGA 9, 418 f.: In sequenti vero nocte, idest dominica Nonis Iulii, horrida tempestas a ingruit, hominibus et pecoribus simul et edificiis et frugibus late [oppido] nocens. Inmensus quoque fragor silvas concuciens vias omnes nimis occupabat. 136 Thietmar von Merseburg, Chronik, 7, 59. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 472 f.; FSGA 9, 420 f.: Quibus castra metatis hostes adventare rumor indixit; et in nocte tenebrosa ac in magna imbrium effusione hos ledere nequaquam valentes. 137 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 1022. Ed. O’Donovan, 805: Very great showers of hail fell in the summer, the stones of which were the size of wild apples; and great thunder and lightning succeeded, so that men and cattle were destroyed throughout Ireland. 138 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1022. Ed. Murphy, 171: There was a great shower of haile in Summer this yeare the stones whereof were big as crabbes, there was alsoe such thunder and Lightning that it killed an infinite number of cattle everywhere in the kingdome. 139 Chronicum Scotorum, ad a. 1030. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 271: Lightning in Saxonland, and it burned many men, and Caer-Abroc. 140 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1037. Ed. Murphy, 176: It rained much this summer. 141 Annales Laubienses, ad a. 1042. Ed. Pertz, MGH SS 4, 19: Aestas pluvialis. 142 Chronicon Suevicum universale, ad a. 1043. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 72: Totum tempus aestivum in tempestates pluviasque hiemales pene conversum magnam frugum et vindemiarum penuriam effecit. Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1043. Ed. Pertz, MGH SS 5, 124: Aestas pluviosa frugum et vindemiarum penuriam effecit.

378 | Extreme Witterungsereignisse

es sind keine Einträge zu Regen, Hagel, Donner oder Blitzen überliefert. Erst für das Jahr 1051 wird wieder ein Sommer mit zu viel Regen beschrieben.143 Am 5. Oktober 1063 sollen in Benevent Hagelkörner so groß wie Steine niedergegangen sein.144 Im südlichen Deutschland war das ganze Jahr 1068 angeblich sehr regnerisch145 und im Jahr 1069 hagelte es.146 Der Winter des Jahres 1070 wurde ebenfalls als sehr windig und regnerisch dargestellt.147 Bei dem von Lampert von Hersfeld zu diesem Jahr erwähnten Brand des „hochehrwürdigen Münsters in Quedlinburg, welches mit allen Nebengebäuden, man weiß nicht ob durch göttlichen Racheakt oder durch unglücklichen Zufall, vollständig eingeäschert wurde“,148 bleibt unklar, ob dies durch Blitzschlag geschah. Den Grund für das göttliche Eingreifen lässt der Hersfelder Mönch offen. Im Jahr 1073 kam es, folgt man der Darstellung der Bertoldschronik, an der Küste der heutigen Westtürkei zu einem Unwetter: „Schiffe, die bei Laodicea in See stachen, wurden von einem heftigen Gewitter überrascht. Sofort verfinsterte sich der Tag, und sie waren ungewiss, wohin sie fuhren. Nach vier Tagen, an denen der Sturm mit immer gleicher Heftigkeit ihr Schiff erschüttert hatte, wurden sie nachts wiederholt durch ein himmlisches Licht, das zu ihnen herabstieg, erfreut.“149 Die Deutung des letzten Satzes und die Gleichsetzung mit einem Naturereignis ist nicht einfach. Ebenfalls offen bleibt, woher der Autor die Nachricht aus dem westlichen Kleinasien hatte? Nach einer Urkunde König Heinrichs IV. vom 23. Mai 1076 brannte die Kirche des hl. Petrus in Utrecht durch Blitzschlag (caeli ianitorem), wegen „unserer Sünden“

|| 143 Annales Althaenses maiores, ad a. 1051. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 47: Totum namque aestivum tempus, pluviis abundans, inmanes fecit prorumpere aquas. Qua de re plures tam hominum quam equorum summersi sunt. 144 Annales Beneventani, ad a. 1063. Ed. Pertz, MGH SS 3, 179: Tertio Nonas Octobris fuerunt grandines magnae sicut ova post coenam. 145 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1068. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 207; FSGA 14, 62 f.: Totus ille annus pluvialis. Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1068. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 397; FSGA 14, 290 f.: Totus ille annus pluvialis. 146 Annales Altahenses maiores, ad a. 1069. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 78: Grandis erat multorum admiratio et, quid inde futurum esset, stupens expectatio. 147 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1070. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 211; FSGA 14, 66 f.: Hiems ventosa et pluvialis. 148 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1070. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 112; FSGA 13, 124 f.: Augustissimum in Quidelenburc templum cum omnibus attiguis sibi aedificiis, incertum divina ultione an furtuita calamitate, incensum atque in cineres redactum est. 149 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1073. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 215; FSGA 14, 72 f.: Qui cum Laodicie mare navigio cepissent intrare, subita tempestate circumvenit statimque obtenebrata die quo irent incerti, post quadriduum, procella semper eodem motu navim conquassante, nocte caelesti lumine ad se descendente sepius exhilarantur.

Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner | 379

(nostris peccatis), ab.150 Dies habe auf die Zeitgenossen „wie ein direktes Eingreifen Gottes in das irdische Geschehen gewirkt.“151 Es handelt sich um eine der wenigen nicht gefälschten Urkunden, in der auf ein Naturereignis Bezug genommen wurde.152 Im Westfrankenreich kam es im Jahr 1078 zu starken Blitzen und lautem Donner im Januar und Februar,153 zu einer Zeit der vergleichsweise seltenen Wintergewitter. Nach Berthold ging der Sommer des Jahres 1079 mit einem Übermaß Regen vorüber, doch führte solch unbeständige Witterung zu keinem großen Mangel an Getreide.154 Wiederum ist es Berthold, der angab, dass „König Heinrich [IV.] die Geburt des Herrn im Jahr 1079 nicht sehr prächtig [non satis magnifice] in Mainz feierte. Dort sah man – für unsere klimatische Lage sehr ungewöhnlich [contra nostri climatis] – starkes Blitzen und hörte ganz schrecklichen Donner, und der Sturmwind155 riss einen beträchtlichen Teil vom Dach der Bischofskirche los und schleuderte ihn zu Boden. Dieses Geschehen erregte bei allen nicht geringes Erstaunen.“156 Berthold betrachtet die Witterung als Eingreifen Gottes, der, wenn es nicht anders geht, selbst seine eigenen (Gottes-)Häuser zerstören muss.157 In diese Zeit fällt auch die Erwähnung der Zerstörung der Kirche in Gandersheim durch Feuer am 6. Juli 1081. Im Jahr 1084 regnete es im Mai in Benevent für fünf Monate158 und am 8. September 1085 hörte man in der Abtei Brauweiler einen sehr lauten Donnerschlag.159 || 150 MGH D H. IV. 284, 368: In nomine sanctae et individuae trinitatis. Heinricus divina favente clementia rex. Libere et perfecte regem regnare est illum, per quem reges regnant, Christum in sanctis suis honorare. Inter quos caeli ianitorem, integrę fidei confessorem, regni vel imperii defensorem, apostolorum principem beatum Petrum apostolum in reparanda Traiectensi aecclesia sua placando honorare necessarium duximus, quam incendio consumptam nostris peccatis imputando ingemuimus. 151 Althoff, Heinrich IV. (2006), 141 f. mit Anm. 48. 152 Siehe dazu Kap. 1.3.3 Urkunden, Kapitulaieren, Briefe. 153 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 1078. Ed. Pertz, MGH SS 5, 42: Hoc anno tonitrua et fulgura magna facta sunt in Ianuar. et Febr. (…). Annales Besuenses, ad a. 1078. Ed. Pertz, MGH SS 2, 249: Hoc anno tonitrua facta sunt et fulgura in Ianuario et Februario, et luna nigra et sanguinea visa est 3. Kal. Febr. 154 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1079. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 372; FSGA 14, 266 f.: Estas vero ipsius anni nimis pluviosa preteribat, set tamen non magnam frugum penuriam intemperies talis effecerat. 155 Js 17,13: Sonabunt populi sicut sonitus aquarum inundantium, et increpabit eum, et fugiet procul; et rapietur sicut pulvis montium a facie venti et sicut turbo coram tempestate. 156 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1079. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 345; FSGA 14, 232 f.: Heinricus rex natalem Domini apud Mogontiacum non satis magnifice celebravit. Illic contra nostri climatis situm magna fulgura visa, et tonitrua satis terribilia audita sunt, et turbo tempestatis partem non minimam de episcopalis aecclesiae tectura direptam, proiecit in terram, et hoc eo tempore gestum, non minimum admirationi a cunctis habebatur. 157 Wegmann, Naturwahrnehmung (2005), 138. 158 Annales Beneventani, ad a. 1084. Ed. Pertz, MGH SS 3, 182: Pluvie multe fuerunt per menses 5. Vini habundantia per annos septem. 159 Annales Brunwilarenses, ad a. 1085. Ed. Pertz, MGH SS 16, 725: Hoc anno circa nativitatem sanctae mariae gravita tonitrua fuere.

380 | Extreme Witterungsereignisse

Beim letzten hier zu betrachtenden Unwetterereignis handelt es sich wieder um einen Eintrag, in dem der Autor Bernold versucht, durch eigene Erklärungen das ihm unerklärliche Naturereignis als Strafmaßnahme Gottes zu deuten, der notfalls eben auch seine eigenen Kirchengebäude zerstören muss, um die Menschen zu mahnen. „Im Jahr 1094 erschreckten vielfach Blitze vom Himmel die Menschen. In dem Kloster Ottobeuren wurden das größte Kruzifix und die Sitze der Mönche, die nämlich nicht nach der Regel lebten, vom Blitz zersplittert. Ferner verzehrte ein Blitz in der Hauptkirche von Basel den Balken, welcher das Kruzifix stützt, da nämlich dort viele mit Exkommunizierten zusammengetroffen waren.“160 Auch Bernold benutzte also, ganz wie seine Vorgänger (Gregor von Tours, Widukind von Korvei, Thietmar von Merseburg), Gewitterereignisse, um sie gezielt in seiner Darstellung zu instrumentalisieren.

3.1.5 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse Die Ergebnisse der Untersuchung zu Unwettern, Gewittern und Sturmdarstellungen werden im Folgenden in mehrere Tabellen aufgeteilt: eine Tabelle zeigt die extremen Gewitterereignisse (siehe Tab. 79), eine die extremen Sturmereignissen ohne Hagel (siehe Tab. 80) und eine die extremen Hagelereignisse (siehe Tab. 78). Die zeitliche Verteilung dieser 67 Beobachtungen sieht folgendermaßen aus: Tab. 29: Zeitliche Verteilung der Überlieferung extremer Gewitter von 500 bis 1100 Gesamt 6. Jh. 7. Jh. 67 100 % 7 10 % 3 4%

8. Jh. 4 6%

9. Jh. 10. Jh. 11. Jh. 21 31 % 13 20 % 19 29 %

Die Schwerpunkte der 67 überlieferten Darstellungen von Gewittern liegen im 9. und 11. Jahrhundert mit jeweils über einem Viertel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. und 8. Jahrhundert überliefert. Oft wurden die Gewitter mit ihren Einzelelementen beschrieben, so werden 20 Mal ausdrücklich Blitze erwähnt, davon forderten drei Blitzereignisse mehrere Menschenleben. Auch Kombinationen von Blitz und Donner, die eigentlich ursächlich zusammenhängen, werden ausdrücklich nur in fünf Fällen erwähnt, ebenso Kombinationen von Blitz und Hagel. Nur Donner, ohne die Nennung von Blitzen, werden vier Mal überliefert, Hagel allein nur einmal. Die Gewitter wurden fünf Mal genannt, in Kombination jeweils einmal, so „Gewitter,

|| 160 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1085. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 512; FSGA 14, 405 f.: Fulmina quoque de celo multum homines terruerunt. Nam in monasterio apud Utenburon maius cruxifixum et sedilia monachorum, utpote non regulariter viventium, a fulmine dissipata sunt. Item in Basiliensi aeclesia maiori fulmen contrivit trabem, crucifixi sustentatricem, videlicet cum excommunicatis ibidem multi convenissent.

Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner | 381

Blitz, Donner, Hagel“ oder „Gewitter, Hagel“, aber auch „Gewitter, Wind, Blitze“ oder Gewittersturm. Unwetter wurden zehn Mal aufgeführt, davon drei Mal ohne andere Elemente und sonst in Kombinationen wie „Unwetter, Blitz“, „Unwetter, Blitze, Donner“, drei Mal als „Unwetter, Blitze, Regen“ und zwei Mal „Unwetter, Regen“. Der „Regen“ (pluvia) wurde 18 Mal genannt, davon zwei Mal in der Kombination „Regen, Blitz“, „Regen, Blitze, Donner, Sturm“ oder „Regen, Hagel“ und „Regen, Wind“. Einmal wurde der Regen in einer hagiographischen Quelle als Regenwunder interpretiert. An weitere Erwähnungen lassen sich „Sommergewitter, Blitze“, „Sturm und Blitz“, „Stürme“, Stürme, Regen“ und „Wirbelwind, Blitz, Donner“ finden. Die topographische Verteilung der Extremgewitter (ohne Stürme, ohne Hagelereignisse oder Orkane/Tornados) hat einen klaren Schwerpunkt der Überlieferung in Westfranken mit 16 Nennungen, gefolgt vom Niederrhein (9), Sachsen (8), dem Rheinland (6), Bayern (5) und der Bodenseeregion (4). Bei den insularen Gewitternennungen führt Irland (7) vor Schottland (4) und England (1). Im Mittelmeerraum wurden nur sechs Gewitter dokumentiert, drei in Italien, zwei in Konstantinopel und eines in der Westtürkei. Einzig das Gewitter des Jahres 823 in Sachsen wird in vier Parallelüberlieferungen erwähnt, der Sturm von 928 in Westfranken immerhin in drei Quellen, die Gewitter von 857 und 1016 jeweils in zwei. Alle anderen Gewitterereignisse werden nur von einer einzigen Quelle überliefert. Dies kann darin begründet sein, dass der räumliche Rahmen einer Gewitterzelle begrenzt ist. Betrachtet man die Autoren einzeln, so interessierte sich Gregor von Tours sieben Mal für Unwetter, wobei er allein auf das Gewitter des Jahres 591 drei Mal zurückkam. Auch die Autoren der Annales Fuldenses vermerken sieben Gewitter und jene der Annales Xantenses sechs Unwetter. Weitere Autoren überliefern fünf Gewitter, so das Chronicum Scotorum (716, 804, 857, 878, 1030) und die irischen Chroniken (611/12, 801, 900, 960, 1037), vier wie Berthold von Reichenau oder jeweils drei wie Flodoard von Reims, Thietmar von Merseburg und Widukind von Korvei. Die Annales Quedlinburgenses nennen immerhin zwei Gewitter (1004, 1016), ebenso Astronomus (823, 833). Weitere 21 Autoren nehmen auf jeweils ein Gewitterereignis Bezug. Die Tendenz, Regen und Unwetter mit der Intention zu deuten, Gott würde damit, strafen oder mahnen, lässt sich anhand einer Textstelle bei Thietmar von Merseburg gut nachweisen: „Schon vorher wurde es meinem Vater, Graf Siegfried, offenbart: Er sah nämlich im Traume den Himmel dicht mit Wolken bezogen und hörte auf seine staunende Frage, was das zu bedeuten habe, eine Stimme sagen: ‚Jetzt soll sich die Weissagung erfüllen: Gott lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte‘161“.162 Kurz darauf begann der Liutizenaufstand im Juni 983.

|| 161 Mt 5,45. 162 Thietmar von Merseburg, Chronik, 3, 17. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 119; FSGA 9, 104 f.: Quod patri meo comiti Sigefrido, priusquam fieret, sic revelatum est. Vidit in sompnis aerem nube

382 | Extreme Witterungsereignisse

Tab. 30: Überlieferung extremer Hagelereignisse von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Ha-1

580

Ha-2

590

Ha-3

823

Rheinland, Mainz

Region, Ort

Ereignis

Quellen

Franken, Bourges

Hagelschlag

Gregor von Tours

Tours

Hagel, Gewitter

Gregor von Tours

Hagel, Steinfall, Blitze

Ann. Fuldenses

823

Westfranken

Hagelstein

Astronomus

Ha-4

21.06.824

Westfranken, Autun

Hagel, großes Eisstück

Ann. regni Francorum

Ha-5

823 o. 825

Sachsen (23 Häuser) Hagel, Blitzeinschlag

Ann. regni Francorum

Ha-6

05.06.854

Bayern, Würzburg

Hagel, Stürme, Blitze

Ann. Fuldenses

Ha-7

865/866

Sachsen

Hagel

Ann. Hersf. u. Hildes.

Ha-8

872

Rheinland

Hagel, Unwetter, Blitze

Ann. Fuldenses

Ha-9

21.07.882

Rheinland

Hagel, Sommergewitter

Ann. Fuldenses

Ha-10

889

Rheinland

Hagel

Ann. Fuldenses

Ha-11

895

St. Gallen

Hagel

Ann. Alamannicorum

Ha-12

22.08.919

Westfranken, Reims

Hagel, Sommergewitter

Flodoard von Reims

Ha-13

929

Westfranken, Reims

Hagelstein

Widukind von Korvei

Ha-14

30.07.1011

Sachsen

Hagel, Sommergewitter

Ann. Quedlinburg.

Ha-15

1016

Sachsen, Bayern

Hagel, Sommergewitter

Ann. Ottenburani

Ha-16

1022

Irland

Hagel

Irische Ann. (AF)

Ha-17

1057/1058

Bodenseeregion

Hagelsteine

Berth. v. Reichenau

Ha-18

05.10.1063

Benevent

großer Hagel

Ann. Beneventani

Ha-19

1069

Rheinland, Lorsch

Hagel

Ann. Altahenses

Bei den extremen Hagelereignissen fällt auf, dass Hagel als Witterungsphänomen allein nur äußerst selten genannt wird; im Untersuchungszeitrahmen von 500 bis 1100 wurde er nur 16 Mal erwähnt. Hagel gehört aber als siebte zu den zehn Plagen163 und wird bei der ersten164 und der siebenten Posaune165 der Offenbarung genannt. Am häufigsten gab der Fuldaer Annalist Hagel an (5.6.854, 872, 21.7.882, 889), jeweils ohne

|| densa contractum, et pre ammiracione percontatus, quid hoc esset, audivit vocem talia proferentem: 'Nunc illud compleri debet vaticinium: Pluit Dominus super iustos et iniustos.' 163 Ex 9,22: dedit tonitrua et grandinem ac discurrentia fulgura super terram; pluitque Dominus grandinem super terram Aegypti. 164 Offb 8,7: Et primus tuba cecinit. Et facta est grando et ignis mixta in sanguine, et missum est in terram: et tertia pars terrae combusta est, et tertia pars arborum combusta est, et omne fenum viride combustum est. 165 Offb 11,15-19.

Unwetter mit Hagel, Blitz und Donner | 383

Parallelüberlieferung, betonte er aber immer die Zusammengehörigkeit zwischen Hagel und jeweiligem Gewitter. Diese Dokumentation könnte auf ein gesteigertes Interesse des Annalisten am Hagel deuten. Da es bemerkenswert ist, dass er die in anderen Annalen zum Jahr 865/866 überlieferten Hagelschauer nicht erwähnt, scheint sein Interesse am Hagel über die Offenbarung des Johannes motiviert zu sein.166 Insgesamt wird Hagel als Bestandteil von Gewitterzellen genannt und die Vernichtung der Ernte durch Hagelschlag scheint kaum separat erfasst, sondern immer im Zusammenhang mit Schäden durch übermäßige Gewitter gesehen worden zu sein. Drei Sommergewitter (882, 919, 1011) mit Hagelschlag finden sich in den Quellen angegeben, zwei Frühlingsgewitter (824, 854) und einmal ein Unwetter im Herbst (1063). Verbindungen von Hagel und Steinfall, die auf Tornado-Ereignisse hinweisen könnten, wurde drei Mal (823, 919, 929) gegeben. Bei modernen Angaben zu Hagel – besonders der rezenten Versicherer – wird gern der Hagelschaden beziffert. Für das Früh- und Hochmittelalter ist hingegen nur einmal konkret der Schaden überliefert, und zwar als 823/825 in Sachsen 23 Häuser zerstört wurden. Deshalb wurde in der Tabelle 78 auch keine gesonderte Spalte bezüglich möglicher Hagelschäden aufgeführt. Die zeitliche Verteilung der 19 Hagelbeobachtungen sieht folgendermaßen aus: Tab. 31: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Hagelereignisse von 500 bis 1100 Gesamt 19 100 %

6. Jh. 2 10 %

7. Jh. 0 0%

8. Jh. 0 0%

9. Jh. 10 51 %

10. Jh. 2 10 %

11. Jh. 6 29 %

Die Überlieferungslage von Hagel ist chronologisch sehr asynchron verteilt, denn für das 7. und 8. Jahrhundert sind überhaupt keine Ereignisse überliefert, während es für das 6. Jahrhundert zwei, das 9. Jahrhundert zehn, das 10. Jahrhundert zwei und für das 11. Jahrhundert sechs Nennungen gibt.

|| 166 Siehe dazu ausführlicher Kap. 5.1.6 Die Folie der Topoi des Fuldaer Annalisten.

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3.2 Winde und Stürme Ausgleichsbewegungen zwischen Luftmassen unterschiedlicher Temperatur und Drucks werden als „Wind“ bezeichnet. „Wind ist in erster Linie horizontal bewegte Luft.“167 Die Stärke des Windes wird aktuell mit Hilfe der seit 1906 vom britischen Wetterdienst (weiter-)entwickelten Beaufort-Skala angegeben, die sich in zwölf Stufen unterteilt: 0 Windstille, Flaute; 1 leiser Zug, 2 leichte Brise, 3 schwache Brise, 4 mäßige Brise, 5 frische Brise, 6 starker Wind, 7 steifer Wind, 8 stürmischer Wind, 9 Sturm, 10 schwerer Sturm, 11 orkanartiger Sturm, 12 Orkan.168 Als Sturm169 werden Starkwindereignisse bezeichnet, die 20,8 Meter/Sekunde (75 km/h) oder 9 Beaufort überschreiten. Unter wiederum Orkanen versteht man Winde, deren Geschwindigkeit 32,7 Meter/Sekunde (117,7 km/h) überschreitet oder Stärke 12 auf der Beaufortskala. Die im folgenden Kapitel besprochenen Winde überschreiten teilweise die Sturmstärke und sind zum Teil sogar den Orkanen zuzurechnen. Da in den hier benutzten Chroniken und Annalen nur die extremsten Naturereignisse dokumentiert wurden, wird in der chronologischen Darstellung eine Unterteilung in Winde (bis 8 Beaufort), Stürme (9–11 Beaufort) und Orkane (12 Beaufort) vorgenommen, denn Windereignisse mit geringeren Geschwindigkeiten werden von den mittelalterlichen Quellen nicht überliefert. Winde sind Ausgleichsbewegungen innerhalb der atmosphärischen Zirkulation. In Mitteleuropa werden sie von der Westwinddrift dominiert, die sich zwischen den quasistationären Druckgebilden „Azorenhoch“ und „Islandtief“ ihren Weg bahnt. Die Wellenausdehnungen innerhalb der Westwindzone schwanken wie deren Wellenmuster, wodurch die Lage der Tröge und Hochdruckrücken, welche die Wellen oder Mäander bilden, stark variieren.170 Kontinuierlich ändern sich auch die am Boden vorherrschenden Windrichtungen. Auf der Mikroebene kommt es zu lokal wirksamen Effekten, wie dem Luv-Lee-Effekt, dem Föhnprinzip, dem Wasser-Land-Windsystem oder den Talwindsystemen, die für ein regionalspezifisches Geländeklima sorgen.171 In Mitteleuropa entstehen Orkane überwiegend in der Herbst- und Winterszeit, da dann die Temperaturunterschiede zwischen der Polarregion und den äquatornahen Gebieten besonders ausgeprägt sind. Wenn diese unterschiedlich temperierten Luftmassen aufeinandertreffen, entstehen durch die Okklusion genannte Anhebung des Warmsektors und die Vereinigung der beiden Luftmassen sehr starke Ausgleichsbewegungen.

|| 167 Kuttler, Klimatologie (2006), 120. 168 Kuttler, Klimatologie (2006), 121. 169 Vgl. Catto, Storms (2013), 941. 170 Lamb, Klima und Kulturgeschichte (1989), 67 f. 171 Weischet/Endlicher, Einführung (2008), 292–294.

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In der Bibel wird schon im ersten Buch der Könige ein Sturmereignis genannt: Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm.172 Die unterschiedlichen Winde (ventus, turbo, procella etc.) und Windrichtungen sind seit der Antike bekannt. Für die hier untersuchte Zeitspanne beschrieb Einhard in seiner Vita Karls des Großen die Winde und unterteilte sie folgendermaßen: „Die zwölf Winde unterschied er [Karl d. Gr.] ebenfalls durch passende Ausdrücke: vorher hatte es nicht mehr als vier Benennungen dafür gegeben. (…)Die Winde bezeichnete er wie folgt: den Ostwind [subsolanus] als ostroniuuint, den Südost [eurus] als ostsundroni, den Südsüdost [euroauster] als sundostroni, den Südwind [auster] als sundroni, den Südsüdwest [austroafricus] als sunduuestroni, den Südwest [africus] als uuestsundroni, den Westwind [zephyrus] als uuestroni, den Nordwest [chorus] als uuestnordroni, den Nordnordwest [circius] als norduuestroni, den Nordwind [septentrio] als nordroni, den Nordost [aquilo] als nordostroni, den Nordnordost [vulturnus] als ostnordroni.“173

In seiner Bemerkung, dass es vorher nicht mehr als vier Benennungen dafür gegeben habe, scheint sich Einhard auf Isidor von Sevilla zu beziehen, der in seinem Werk De Natura rerum die Namen von vier Winden mitteilt und diese ausführlich charakterisierte: Nordwind (septentrio), Ostwind (auster), Südwind (subsolanus) und Westwind (zephyrus).174 Die einem Kreisverlauf folgend angeordnete Beschreibung

|| 172 1. Kg 19,11: Et ecce Dominus transit, et ventus grandis et fortis subvertens montes et conterens petras ante Dominum; non in vento Dominus. 173 Einhard, Vita Karoli Magni, 29. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, 33 f.: Item ventos doudecim propriis appelationibus insignivit, cum prius non amplius quam vix quattuor ventorum vocabula possent inveniri. (…) Ventis vero hoc modo nomina inposuit, ut subsolanum vocaret ostroniuuint, eurum ostsundroni, euroaustrum sundostroni, austrum sundroni, austroafricanum sunduuestroni, africum uuestsundroni, zefyrum uuestroni, chorum uuestnordroni, circirum norduuestroni, septentrionem nordroni, auilonem nordostroni, vulturnum ostnordroni. 174 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 37. De nominibus uentorum, Ed. Fontaine 294–299: 1. Primus ventorum cardinalis, Septentrio, frigidus et nivalis, flat rectus ab axe, et facit arida frigora et siccas nubes. Hic et Aparctias. Circius, qui et Thrascias, hic a dextris Septentrionis intonans facit nives, et grandinum coagulationes. Aquilo ventus qui et Boreas vocatur, ex alto flans, gelidus atque siccus, et sine pluvia, qui non discutit nubes, sed stringit; unde et non immerito diaboli formam induit, qui iniquitatis frigore gentilium corda constringit. 2. Secundus ventorum cardinalis Subsolanus, qui et Apeliotes. Hic ab ortu solis intonat, et est temperatus. Vulturnus ipse, qui et Caecias vocatur, dexterior Subsolani. Hic dissolvit cuncta atque desiccat. Eurus, ex sinistro latere veniens Subsolani Orientem nubibus irrigat. 3. Tertius ventorum Auster, plagae meridianae cardinalis, qui et Notus, ex humili flans, humidus, calidus atque fulmineus, generans largas nubes, et pluvias laetissimas, solvens etiam flores. Euroauster, calidus ventus, a dextris intonat Austri. Libonotus, vel Austroafricus ventus est temperatus, calidus a sinistris Austri spirans. 4. Quartus est cardinalis Zephyrus, qui et Favonius ab Occidente interiori flans. Iste hiemis rigorem gratissima vice relaxat, flores producit. Africus, qui dicitur Lips ex Zephyri dextro latere intonans: hic generat tempestates, et pluvias, et facit nubium collisiones, et sonitus tonitruorum, et crebrescentium fulgorum visus, et fulminum impulsus. Corus, qui et Argestes, ex sinistra parte Favonii spirans, eo flante, in Oriente nubila sunt, in India serena. 5. Quosdam autem Tranquillus proprios locorum flatus propriis appellat vocabulis, quo ex numero

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der Winde im Uhrzeigersinn zeigt deutlich, dass das Konzept der polarisiert gedachten Gegensatzpaare „Nord-Süd“ sowie „Ost-West“ hier noch nicht ausgeprägt ist und sich erst später entwickelte, vermutlich erst zur Zeit der Ausbreitung des Kompasses, während bis dahin der scheinbare Lauf der Sonne über den Himmel die Wahrnehmung und Darstellung der Himmelsrichtungen prägte. Bei der Definition dessen, was Wind überhaupt sei,175 benutzte Isidor auch die Werke von Lucretius176 und beschrieb in dem Zusammenhang auch die Zeichen des Unwetters.177 Die chronologische Darstellung der Windereignisse ist natürlich mit anderen Ausgleichsphänomenen, wie den Gewittern in Beziehung zu denken. Da sich hierbei allerdings Unterschiede in der Überlieferung zeigen, werden die Windereignisse im Folgenden separat aufgeführt.

3.2.1 Stürme im 6., 7. und 8. Jahrhundert Chronologisch beginnt die Reihe der dokumentierten Winde in der Untersuchungszeit im Jahr 564, als in Irland ein großer Sturm auftrat.178 Bereits bei dieser ersten Nennung ist bemerkenswert, dass zwar die Richtung des Windes nicht abgelesen werden kann, aber eine Zuordnung in eine der drei oben genannten Gruppen (Wind, Sturm, Orkan) möglich ist, nämlich als Klassifizierung zu den Stürmen mit Werten zwischen neun und elf Beaufort. Gregor von Tours nennt für das 6. Jahrhundert zwei Sturmereignisse, von denen das erste als Orkan gedeutet werden kann: „Im Jahr 580179 stürmte ein Südorkan mit solcher Gewalt einher, dass er Wälder niederstreckte, Häuser zu Boden warf, Zäune ausriss und selbst Menschen so herumschleuderte, dass sie umkamen. Er wütete in einer Breite von etwa sieben Morgen180, wie weit in der Länge, war nicht abzuschätzen.“181 Dies entspricht einer Schneise von etwa 350 bis 420 Metern – zum Vergleich, bei rezenten Orkanschneisen des 20. Jahrhunderts liegen die Angaben zwischen 100

|| sunt: in Syria Syrus, Carbasus in Cilicia, in Propontide Thracidas, in Attica Sciron, in Gallecia Circius, in Hispania Sucronensis. Sunt praeterea quidam innumerabiles ex fluminibus, aut stagnis, aut finibus nominati. Duo sunt tamen extra hos ubique spiritus magis quam venti, aura et altanus. 175 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 36. De natura uentorum. Ed. Fontaine, 292–295. 176 Lucr. 6, 685. 177 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 38. De signis tempestatis uel serenitatis. Ed. Fontaine , 298–303. 178 Chronicle of Ireland (AU, AT, CS), ad a. 564. Ed. Charles-Edwards, 105: A great gale occurred. 179 Die für das Jahr berechnete Mondfinsternis vom 5. April 581 nannte Gregor ebenfalls. Vgl. dazu Kap. 2.8.3 Mondfinsternisse im 9. Jahrhundert. 180 Ein Morgen entspricht 2500 bis 3500 Quadratmetern, bei einer Kantenbreite von 50–60 Metern. 181 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 41. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 248; FSGA 3, 356 f.: Ventus auster nimium violente cucurrit, ita ut silvas prosterneret, domus erueret, saepes efferret ipsosque hominis ad internitionem usque volutaret. Erat enim spatium eius in latitudine quasi iugera septem, longitudo autem non potuit aestimare.

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und 600 Metern, die Angaben von Gregor liegen also durchaus auch im rezent beobachtbaren Spektrum. In einem eigenen Kapitel schildert Gregor sodann in aller Ausführlichkeit einen Brand in Paris im Jahr 585. Er benennt den Ort und die Ursache des Brandherdes, eine Scheune und eine vergessene Lampe neben einem Ölfass unmittelbar am südlichen Stadttor. Von dort wurden die Flammen durch einen starken Wind, der entsprechend aus südlichen Richtungen geweht haben muss, über die gesamte südlich der Seine liegende Stadthälfte verteilt. Während Gregor zu Beginn dieser Passage eine Frau drei Mal den Sturm vorhersagen lässt, beschreibt er als Höhepunkt der Darstellung, wie ein dem heiligen Martin geweihtes Bethaus von den Flammen verschont blieb. Er endet insgesamt mit der Feststellung, dass Kirchenbauten vom Feuer verschont geblieben seien. Ergänzend berichtet er von einer Votivgabe. Dabei seien eine Schlange und eine Ratte aus Metall in einer späteren Kloake an einer Brücke versenkt worden, um diese beiden Gefahren und die Brandgefahr von der Stadt fernzuhalten.182 Den Terminus für den Wind flante vento entlehnt er aus dem Alten Testament.183 Die Entfernung der Votivgabe habe dann zur Rückkehr der bis zu dieser Zeit abgewehrten Plagen geführt. Gregor lässt offen, an wen die Votivgabe konkret gerichtet war. Für das 7. Jahrhundert überliefern die hier betrachteten Quellen die Darstellung von vier Stürmen. So wurde im Jahr 646–647 das Gebiet Syriens von einem gewaltigen

|| 182 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 33. Ed. Krusch/Levison, MGH SS Merov. 1.1, 401–403; FSGA 3, 208–211: Extetit igitur in his diebus apud urbem Parisiacam mulier, quae dicerit in colis: 'Fugite, o! ab urbe et scitote eam incendio concremandam'. Quae cum a multis inrideretur, quod haec aut sortium praesagio diceret aut vana aliqua somniasset aut certe daemonii meridiani haec instinctu proferret, respondit: 'Nequaquam est ita, ut dicitis; nam in veritate loquor, quia vidi per somnium a basilica sancti Vincenti veniente virum inluminatum, tenente manu caereum et domus negutiantum. Ex ordine succendentem'. (…) Igitur cum per totam civitatem huc adque illuc flante vento flamma ferritur totisque viribus regnaret incendium, adpropinquare ad aliam portam coepit, in qua beati Martini oraturium habebatur, qui ob hoc aliquando factum fuerat, eo quod ibi lepram maculosi hominis osculo depulisset. (…) At illi orationem fundentes, numquam ab his vocibus movebantur. Sed nec mulier se umquam a fenestra, per quam interdum flammae ingrediebantur, amovit, quae erat spe firmissima de virtute beati antestitis praemunita. Tantaque fuit virtus beati pontificis, ut non solum hoc oraturium cum alumni proprii domo salvaret, verum etiam nec aliis domibus, qui in circuitu erant, nocere flammis dominantibus permisisset. Ibique cecidit incendium, quod ab una parte pontes coeperat desaevire. Ab alia vero parte tam valide cuncta conflagravit, ut amnis finem inponeret. Verumtamen aeclesiae cum domibus suis non sunt adustae. Agebant enim, hanc urbem quasi consecratam fuisse antiquitus, ut non ibi incendium praevaleret, non serpens, non gliris apparuisset. Nuper autem, cum cuniculum pontis emundaretur et coenum, de quo repletum fuerat, auferretur, serpentem gliremque aereum repperierunt. Quibus ablatis, et glires ibi deinceps extra numerum et serpentes apparuerunt, et postea incendia perferre coepit. 183 Ex 14,21.

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Sturmwind heimgesucht. Er habe viele Pflanzen entwurzelt, große Bäume ausgerissen und viele Säulen der Styliten umgeworfen, also die Wohnsitze vieler Einsiedler zerstört.184 Irland soll im Jahr 658 von einem gewalttätigen Windsturm185 und 680 von einem Sturm sowie einem Erdbeben heimgesucht worden sein.186 Auch vier Jahre später, im Jahr 684, soll es zu einem großen Windsturm und einem Erdbeben in Irland gekommen sein.187 Diese beiden Darstellungen könnten sich auf dasselbe Ereignis beziehen. Sechs Jahre später verursachte am 16. September 691 ein großer Windsturm den Untergang von sechs Gemeinden in Í.188 Wie eingangs bereits erwähnt, machte im 8. Jahrhundert Theophanes der Bekenner in seinem Werk den Sturm in Byzanz zu einem göttlichen Racheinstrument: „Die Agarener (Araber) segelten also am 15. August 718 mit Schmach und Schande ab: Denn als ihre Flotte ausfuhr, brach ein gewaltiger Sturm über sie herein, den Gott auf die Fürbitten der Gottesmutter gesandt hatte, und zerstreute sie; einen Teil versenkte er bei Prokonesos und den umliegenden Inseln, andere bei den Apostrophen und den übrigen Vorgebirgen.“189 Die Nutzung der Koinzidenz von Sturm und vermeintlicher Strafe zum Ausdruck der eigenen Intention ist offensichtlich und wird auch von anderen Autoren genutzt. Im Jahr 744 soll ein derart starker Sturm in Irland aufgetreten sein, dass zahlreiche Familien von Columban von Iona (Ia Coluim Cille lona) ertranken,190 ebenso soll im Jahr 749 ein weiterer großer Windsturm Irland getroffen haben.191

|| 184 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 646–647. Ed. Hoyland, 130 f. [Theophanes]: A violent wind blew upon the earth. It uprooted many plants and tore up huge trees, roots and all, and threw down many columns of stylites. Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 646–647. Ed. Hoyland, 131 [Agapius]: There was a violent wind which uprooted large trees and ruined crops and vines and destroyed many abodes of solitaries. Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 646–647. Ed. Hoyland, 131 [MSyr]: There was a violent gale and trees were uprooted and columns of holy men fell down. Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 646–647. Ed. Hoyland, 131 [Chron 1234]: A violent gale uprooted great trees and cast down many columns of holy men from their places. 185 Chronicle of Ireland (AU, AT, CS), ad a. 658. Ed. Charles-Edwards, 151: A violent windstorm. 186 Annals of Clonmacnoise, ad a. 680. Ed. Murphy, 109: There was an extreame great winde and earthquake in Ireland. 187 Annals of Tigernach, ad a. 684. Ed. Stokes, 208: A great wind and shift of land in the island of Ibernia. Chronicle of Ireland (AU, CS), ad a. 685. Ed. Charles-Edwards, 165: A great storm of wind. An earthquake in the Island. 188 Chronicle of Ireland (AU, AT, CS), ad a. 691. Ed. Charles-Edwards, 170: A great windstorm on 16 September drowned some six people of the community of Iona. 189 Theophanes der Bekenner, ad a. 718, in:Bilderstreit. Ed. Breyer, 31. 190 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 744. Ed. O’Donovan, 348: A great storm occurred in this year, so that a great number of the family of Ia Coluim Cille lona, were drowned. 191 Annals of Ulster, ad a. 749. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 203: (…) and a great windstorm.

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Als im Jahr 774 Schiffe auf dem Schwarzen Meer in der Nähe von Nesebar192 (Mesembria) vorbeifuhren, habe dort ein so heftiger Nordwind geherrscht, dass beinahe alle vernichtet worden wären, und viele tatsächlich ums Leben gekommen sein sollen.193 Im Jahr 777 wurde Irland von Starkregenfällen und Windstürmen den ganzen Sommer über heimgesucht.194 Nach derselben Quelle wütete am Ende des Herbstes 779 ein großer Windsturm über Irland.195 Am 4. August 783 war ein schreckliches Gewitter, das die ganze Samstagnacht dauerte,196 Donner und ein sehr gewalttätiger Windsturm zerstörte das Kloster Cluain Bronaigh Clonbroney.197 Drei Jahre später kam es im Januar 786 in Irland zu einem großen Windsturm und einer Überschwemmung in Dairinis,198 dem Kloster Morana.199

3.2.2 Stürme im 9. Jahrhundert Nach Simeon von Durham erhob sich im Jahr 800 in England in der Zeit vor Weihnachten ein immenser Wind aus Südwesten oder Westen. „Dieser zerstörte durch seine unglaubliche Kraft Städte und zahlreiche Dörfer in verschiedenen Gebieten und warf viele Häuser nieder. Auch riss er unzählige Bäume mit den Wurzeln aus und warf diese auf die Erde. In diesem Jahr überflutete eine Sturmflut die Grenzen (…) bund auch eine große Rinderseuche trat an verschiedenen Orten auf.“200 Die hier benutzten Bezeichnungen für die Winde weichen von jenen in der Vita Caroli magni in einem

|| 192 Ortschaft in der Nähe von Burgas an der südlichen bulgarischen Schwarzmeerküste. 193 Theophanes der Bekenner, ad a. 774, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 99. 194 Chronicle of Ireland (AU), ad a. 777. Ed. Charles-Edwards, 242: The whole winter in summer, that is, heavy rain and gale-force wind. 195 Chronicle of Ireland (AU), ad a. 779. Ed. Charles-Edwards, 244: A great gale at the end of autumn. 196 Nach Grotefend, Taschenbuch (1992), 147, war der 4. August 783 ein Montag. 197 Chronicle of Ireland (AU, AClon), ad a. 783. Ed. Charles-Edwards, 248: Terrifying lightning and thunder for the whole of Saturday night, the 2nd of August, and a very severe gale destroyed the monastery of Cluain Brónaig. Annals of the kingdom of Ireland. Ed. O’Donovan, ad a. 783, 391: Ard Macha and Magh Eo were burned by lightning on Saturday night, precisely on the fourth of the Nones of August. That night was terrible with thunder, lightning, and wind storms; and it was on this night the monastery of Cluain Bronaigh Clonbroney was destroyed. 198 Chronicle of Ireland (AU), ad a. 786. Ed. Charles-Edwards, 250: A very severe gale in January. A flood in Dairinis. 199 Das Kloster Morana wurde an der irischen Südküste von Máel Anfaid im 6. Jh. gegründet. 200 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 800. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 63; Ed. Whitelock, 250: Tempore quoque eodem ante Natale Domini ix. Kal. Januarii ventus ingens, ab Affrico vel a Favonio exurgens, suo inenarrabili flatus urbes, multae domus, ac villae perplurimae per diversa loca sunt destructae et ad solum dirutae; arbores quoque innumerae radicitus evulsae, et ad terram prostratae sunt. Quo anno inundatio maris ultra terminos suos profluxit, illud secum obliviscens quod dicit Psalmus „Terminum posuisti quem non transgredientur.“ Facta est et magna pecorum strages in locis diversis.

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Fall ab: Westwind (zephyrus) heißt er bei Einhard und a Favonio exurgens bei Simeon, ansonsten sind sie identisch. Nach Theophanes dem Bekenner wurde die byzantinische Flotte im Jahr 808 von einem ungewöhnlich heftigen Unwetter mit Sturm und hohem Seegang, Donner und Blitzen derart heimgesucht, dass zahlreiche Fahrzeuge vernichtet wurden. Theophanes fügt wieder eine Deutung dieser Ereignisse als Eingreifen göttlicher Macht ein, nach der selbst der Glaubensfeind Chumeid die Macht des Heiligen anerkennen musste, als er mit knapper Not der Gefahr entrann.201 Ein großer Windsturm trat am 1. November 816 in Irland auf.202 Zum Jahr 829 berichten die Annales regni Francorum, dass sich nach dem Ende des Winters gerade während der vierzigtägigen Fastenzeit, wenige Tage vor dem Osterfest, zu Aachen bei Nacht ein Erdbeben ereignete. Der Autor fährt fort, der begleitende heftige Sturmwind habe nicht allein die geringeren Häuser, sondern auch die mit Bleiplatten gedeckte, „Kapelle“ genannte Kirche der heiligen Gottesmutter zu einem nicht geringen Teil abgedeckt.203 Die Annales Xantenses überliefern, dass im Jahr 837 häufig gewaltige Wirbelwinde im Rheinland losgebrochen sein sollen.204 Diese könnten sich über den Winter bis in Jahr 838 erstreckt haben, denn dieser Winter wird in den Annales Xantenses als sehr reich an Regen und Sturm geschildert, am 21. Januar habe man einen lauten Donner gehört, ebenso am 16. Februar.205 Die häufigen Stürme erstreckten sich auch weiter nach Norden, denn als – nach den Annales Bertiniani – die dänischen Seeräuber von ihrer Heimat ausgefahren waren, erhob sich plötzlich ein so gewaltiger Sturm, dass sich kaum ein paar retten konnten und alle in den Fluten umkamen.206 Ein starker Wind soll Ende Oktober 839 durch Mitteleuropa gezogen sein und dabei viele Gebäude zerstört haben. Nach der Überlieferung des Klosters Iburg zerstörte

|| 201 Theophanes der Bekenner, ad a. 808, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 147. 202 Chronicle of Ireland (AU, CS, AR), ad a. 816. Ed. Charles-Edwards, 275: A gale on the 1st of November. 203 Annales regni Francorum, ad a. 829. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 176; FSGA 5, 154 f.: Post exactam hiemem in ipso sancto quadragesimali ieiunio paucis ante sanctum pascha diebus Aquisgrani terrae motus noctu factus ventusque tam vehemens coortus, ut non solum humiliores domos, verum etiam ipsam sanctae Die genitricis basilicam, quam capellam vocant, tegulis plumbeis tectam non modica denundaret parte. 204 Annales Xantenses, ad a. 837. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 10; FSGA 6, 342 f.: Ingens turbo ventorum frequenter erumpebat, et stella cometes visa est nimium es se mittens fervorem in oriente coram humanis obtutibus quasi per tres cubitos (…). 205 Annales Xantenses, ad a. 838. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 10; FSGA 6, 342 f.: Hiemps pluvialis et ventosa valde, et mense Ianuario XII. Kal. Februarii tonitruum auditum est, similiterque mense Februario XIIII. Kal. Martii tonitruum est auditum magnum, et nimis ardor solis terram urebat, et in quibusdam partibus terrae motus factus est, et ignis forma draconis in aere visus est. Vgl. Kap. 3.1.2 Unwetter im 9. Jahrhundert. 206 Annales Bertiniani, ad a. 838. Ed. Grat u. a., 54; FSGA 6, 36 f.: (…) inter quae Danorum pyratae patria egressi, ortoque sunito maritimorum fluctuum turbine, vix paucissimis evadentibus, submersi sunt.

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er am 31. Oktober 839 unzählige Bauwerke und verursachte viele Schäden.207 Zum selben Tagesdatum ist er auch für Hildesheim überliefert.208 Eine völlig gleichlautende Nachricht haben die Annales Hersfeldenses, allerdings, allerdings stellen sie diese zum 2. November 839.209 Auch in diesem Fall müssen sich die unterschiedlichen Tagesdaten nicht gegenseitig ausschließen oder gar bereinigt werden, vielmehr kennzeichnen sie zwei Stationen der Kaltfront eines größeren Tiefdruckgebietes, welches für den Sturmwind verantwortlich war. Für den 4. November wird der Sturm in Bayern überliefert.210 Von Abschreibfehlern auszugehen, ist also nicht notwendig,211 denn der Sturm hat sich von Westen (Iburg 31. Oktober) nach Südosten (Hildesheim 31. Oktober) weiter nach Südosten (Hersfeld 2. November) bis ins südöstliche Bayern (Niederaltaich 4. November) ausgebreitet. Dort verliert sich mangels Überlieferung die weitere Spur des Sturms. Die Annalen geben die vier Daten des Sturmereignisses tagesgenau an. Nach der Chronica S. Benedicti Casinensis gab es im Jahr 843 ein großes Gewitter und einen heftigen Sturmwind, die viele Schiffe zerstörten.212 Nach den Annales Bertiniani wütete während des ganzen Winters 846 bis fast zu Anfang Mai 847 ein heftiger Nordwind zum Schaden der Saaten und Weingärten.213 Diese Nachricht wird um die folgende ergänzt, in der Prudentius den Wind zu einem Werkzeug Gottes verklärt. Als im Jahr 847 „die Sarazenen mit ihren Schiffen, die sie mit der Masse der aus der Kirche des seligen Apostels Petrus geraubten Schätze beladen hatten, den Rückweg antraten, soll sich plötzlich, als sie auf der Fahrt Gott und unseren Herren Jesus Christus sowie seine Apostel mit verpestetem Mund lästerten, ein unausweichlicher Wirbelwind erhoben haben, sodass die Schiffe aneinanderprallten und alle untergingen. Einiges von den Schätzen wurde in den Taschen der Toten, die das Meer ans Land warf, gefunden und zum Grab des heiligen Apostels

|| 207 Annales Yburgenses, ad a. 839. Ed. Pertz, MGH SS 16, 436: Ventus ingens innumera subvertit aedificia, et multa dampna facta sunt in VI. Non. Novembris. 208 Annales Hildeheimenses, ad a. 839. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 17: Imperatoris anno 27. ventus ingens innumera aedificia subvertit, et multa dampna effecta sunt in VI. Non. Novembris. 209 Annales Hersfeldenses, ad a. 839, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 444: Ventus ingens innumera subvertit aedificia, et multa damna effecta sunt in IIII. Non. Novembris. 210 Annales Altahenses maiores, ad a. 839. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 5: Ventus ingens II. Non. Novembris aedificia stravit. 211 Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ 72, 444 Anm. 656. 212 Chronica Sancti Benedicti Casinensis, ad a. 843. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 473: Ilico facta est tempestas valida et procella vehemens; omnes igitur naves confractae sunt cunctique adversarii peremti; nullus umquam ex eis penitus remansit, qui ceteris talia nuntiaret. 213 Annales Bertiniani, ad a. 846. Ed. Grat u. a. 51; FSGA 6, 68 f.: Ventus aquilo per totam hiemem usque ad ipsa fere Maii mensis initia acerrimus segetibus et vineis incumbit.

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Petrus zurückgebracht.“214 Diese Schilderung der Annales Bertiniani zeigt starke Parallelen zu einer Darstellung bei Gregor von Tours zum Jahr 590, in der es heißt: „Man erzählte damals, Waroch [† 594]215 habe sich auf seinen Schiffen, die er schon mit Gold und Silber und all seiner Habe beladen hatte, auf die Inseln flüchten wollen; als er aber auf das hohe Meer gekommen sei, habe sich ein Sturm erhoben, die Schiffe seien gesunken und er habe die Schätze verloren, die er eingeschifft hatte; er kam zu Ebrachar und bat um Frieden, gab ihm Geiseln und viele Geschenke und gelobte, fortan niemals etwas zum Nachteile König Gunthramns [† 592]216 zu unternehmen.“217

Nach den irischen Annalen verursachte im Jahr 857 ein großer Windsturm in Irland die Zerstörung von Bäumen und der Inselseen.218 Im Jahr 867 soll ein starker Sturm viele Gebäude in Sachsen219 und in Bayern zerstört haben. Der bayerische Annalist ließ noch einen Kometen, eine Hungersnot und ein Sterben folgen.220 Im Jahr darauf kam es am 11. November 868 in Irland zu einem großen Windsturm.221 Ein überregional wahrnehmbarer starker Sturm wird zum Jahr 871 im Rheinland (Köln),222 in Burgund (Saint-Bénigne in Dijon)223 und in Nordfrankreich (Rouen) genannt.224 Ob es sich dabei um dasselbe Ereignis handelte, ist mangels der genauen Tagesdaten und weiterer Angaben nicht sicher zu sagen.

|| 214 Annales Bertiniani, ad a. 847. Ed. Grat u. a., 54; FSGA 6, 70 f.: Saraceni, oneratis thesaurorum multitudine, quas ex basilica beati Petri apostoli asportarant, navibus, redire conati, cum inter navigandum Deo et domino nostro Iesu Christo eiusque apostolis ore pestifero derogarent, orto repente inevitabili turbine, conlisis in sese navibus, omnes pereunt; quaedam thesaurorum in sinibus defunctorum, quos mare litoribus reiecerat, inventa, ad beati Petri apostoli memoriam revehuntur. 215 König von Bro Waroch, eines Teils der südlichen Bretagne. 216 Bauer, Gunthramn (1999), 218 f. 217 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 9. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 492; FSGA 3, 344 f.: Ferebant etiam quidam eo tempore, quod Warocus in insulis fugire cupiens cum navibus oneratis auro argentoque vel reliquis rebus eius, cum alta maris coepissent, commoto vento, dimersis navibus, res quas inposuerat perdidissent; tamen ad Ebra charium veniens, pacem petiit obsedesque cum multis muneribus tradidit, promittens se numquam contra utilitatem Gunthchramni regis esse venturum. 218 Chronicle of Ireland, ad a. 857 (AU, CS). Ed. Charles-Edwards, 311: A very great gale, and it caused destruction of trees and broke up islands in loughs [crannogs]. 219 Annales Hersfeldenses, ad a. 867, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 450: Ventus cum turbine multa aedificia stravit. Annales Hildesheimenses, ad a. 867. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Ventus ingens cum turbine multa edificia stravit. 220 Annales Altahenses breves, ad a. 867, in: Annales Altahenses maiores. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, VIII: Ventus, sequenti cometa, fames, pestilentia. 221 Chronicle of Ireland, ad a. 868. Ed. Charles-Edwards (AU, CS, AClon), 320: A gale at Martinmas. 222 Annales Colonienses, ad a. 871. Ed. Pertz, MGH SS 1, 98: Ventus validus. 223 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 871. Ed. Pertz, MGH SS 5, 39: Ventus validus. 224 Annales Rotomagenses, ad a. 871. Ed. Holder-Egger, MGH SS 26, 494; Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 41: Ventus validus.

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Für die folgenden 21 Jahre ist keine Nachricht zu Stürmen überliefert, bis zum 11. November 892 in Irland und Schottland ein starker Windsturm erwähnt wird, der eine große Anzahl von Bäumen in den Wäldern entwurzelte, (Holz-)Kapellen von ihren Fundamenten riss und die Häuser zerstörte.225

3.2.3 Stürme im 10. und 11. Jahrhundert In Konstantinopel erhielt Kaiser Leon – nach der Darstellung von Johannes Skylitzes – von Konstantinos Lips226 im Monat Juni des Jahres 904 eine Einladung in das von ihm erneuerte Kloster der Heiligen Apostel. Er wollte der Einweihung beiwohnen und ein Frühstück einnehmen, als „sich plötzlich ein heftiger Südwestwind erhob und viele Bauten erbeben ließ. Dadurch verursachte er bei den Leuten große Verwirrung und Angst, sodass sie alle ihre Häuser verließen und sich ins Freie flüchteten. Dann aber ließ ein Regenguss diesen Sturm abebben.“227 Im Jahr 934 stürzte die Kirche des heiligen Maximinus228 in Trier bei einem Sturm ein. Adalbert brachte dies mit dem Konvent in Verbindung, in dem bis dahin einige nicht nach der Regel lebende Mönche wohnten, nach deren Vertreibung König Heinrich I. dem Konvent das Wahlrecht wieder zugestanden habe.229 Die letzte Urkunde Heinrichs I. für Trier, vom 30. Juni 930, betrifft die Schenkung einer Kapelle und von zwei Hufen in Diedenhofen.230 Aber in der ersten Urkunde Ottos I. für Trier vom 3. Juni 940 sichert dieser dem von seinem Vater reformierten Kloster die Unabhängigkeit unter einem frei gewählten Abt zu und stellte es mit allen Besitzungen unter königlichen Schutz.231 Für das Jahr 937 werden zwei Sturmereignisse überliefert, die Annalen von Inisfallen berichten von einem gewaltigen Sturm in Irland.232 Am 26. April 937 soll ein

|| 225 Chronicle of Ireland (AU), ad a. 892. Ed. Charles-Edwards, 338: There was a gale on Martinmas, and it destroyed many trees in the woods and moved the oratories from their foundations and also other houses. Chronicum Scotorum, ad a. 892. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 173: Great wind in the months of March, which prostrated trees and bore off the oratories from their sites. 226 Byzantinischer Aristokrat, gestorben 917 in der Schlacht von Acheloos, vgl. Guilland, Recherches (1967), 189. 227 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Leon 28, in: Byzanz. Ed. Thurn, 222. 228 Heyen u. a., Trier, St. Maximin (1999), 1010–1088. 229 Adalbert, Continuatio Reginonis, ad a. 934. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 159; FSGA 8, 196 f.: Ecclesia sancti Maximini turbine cecidit. 230 MGH D H. I. 24. 231 MGH D O. I. 31. 232 Annals of Inisfallen, ad a. 937. Ed. Mac Airt, 150 f.: A mighty wind.

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starker Nordwind das Kloster St. Gallen heimgesucht haben.233 Die beiden Ereignisse stehen aber wohl in keinem unmittelbaren Zusammenhang miteinander. Nach Johannes Skylitzes kam es im Monat Dezember 943 zu einem sehr heftigen Sturm in Konstantinopel, bei dem die sogenannten Demoi einstürzten und die darunterliegenden Stufen und Brüstungen zermalmten.234 Nach Flodoard von Reims traf im folgenden Jahr 944 „ein gewaltiger Sturm, mit sehr starken Winden, den pagus Paris, zerstörte die Mauern eines sehr alten Hauses, das aus dem stärksten Zement gebaut war und seit langer Zeit intakt auf dem Montmartre gestanden hatte. Es wird gesagt, dass Dämonen in Form von Reitern dort gesehen wurden, welche die nahe Kirche zerstörten, als sie gegen die Mauern des Hauses ihre Blitze warfen. Die Dämonen entwurzelten auch den Wein, der auf dem Hügel wuchs und sie zerstörten die Ernte.“235

Jason Glenn will in den Dämonen königliche Ritter sehen, die den Bischofssitz Reims plünderten.236 Drei Jahre später, 947, wütete ein großer Sturm die ganze Nacht über Reims, mit kontinuierlichen Gewitterblitzen und Erderschütterungen, sodass Brunnen verfüllt und viele Häuser zerstört wurden,237 aber diesmal erwähnt Flodoard keine Dämonen. Im Jahr 981 gab es in Irland „einen so stürmischen Wind, dass viele Türme herabfielen, unter anderem stürzten der Kirchturm von Louth, gelegen ganz im Nordosten von Irland, und andere Türme herab.“238 Nach den Annalen von Clonmacnoise sank im Jahr 984 die Insel Logh Kynne im See Logh Hackett, gelegen in der Grafschaft Clare in Galway, teilweise um etwa zehn Meter (30 Fuß). Ursache soll ein großer Wirbelsturm gewesen sein.239

|| 233 Ekkehardi IV Casuum s. Galli Contiunatio, 6. Ed. von Arx, MGH SS 2, 112: Aquilone (…) flante, aquilo rapuit. 234 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Rhomanos Lakapenos 36, in: Byzanz. Ed. Thurn, 271. 235 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 944. Ed. Lauer, 93; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 40: Tempestas nimia facta est in pago Parisiaco, et turbo vehementissimus, quo parietes cuiusdam domus antiquissimae, qui validissimo constructi cemento in monte qui dicitur Martyrum diu perstiterant immoti, funditus sunt eversi. Feruntur autem daemones tunc ibi sub equitum specie visi, qui aecclesiam quandam, quae proxima stabat, destruentes, eius trabes, memoratis parietibus incusserint, ac sic eos subruerint, vineas quoque montis ipsius evulserint, et omnia sata vastaverint. 236 Glenn, Politics and History (2004), 222 f. 237 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 947. Ed. Lauer, 105; Annals Ed. Fanning/Bachrach, 45: Tempestas magna Remis effusa est per unius omne noctis spatium cum coruscationibus continuis et terrae motu, adeo ut putei replerentur et domus nonnullae subverterentur. 238 Annals of Clonmacnoise, ad a. 981, Ed. Murphy, 160: There was such boisterous windes this yeare, that it fell dowen many turrets, and among the rest it fell down violently the steeple of Louth, and other steeples. 239 Annals of Clonmacnoise, ad a. 984. Ed. Murphy, 162: The island of Logh Kynne, was by a great whirlwind sonk on a sudaine, that there appeared but 30 feet thereof unsunkt.

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Auch im Jahr 986 zog „ein großer und ungewöhnlicher Sturm über Irland, der viele Gebäude und Häuser umwarf, unter anderem das Bethaus von Lughmhadh (County Louth) und viele andere Gebäude.“240 Andere Quellen setzen das Absinken der Insel in das Jahr 990.241 Für das Jahr 991 wird in einer hagiographischen Quelle, dem Sermo de virtute Sancti Constantinii, das plötzliche Auftreten eines großen Sturmwindes genannt, der Regen, Hagel und Steine gebracht habe.242 Da keine historiographische Quelle das Ereignis auflistet, könnte es sich um eine Instrumentalisierung durch den Verfasser der Heiligenvita handeln. Die Quedlinburger Annalen überliefern, dass im Jahr 1004 Blitze und Gewitter zusammen mit starken und furchtbaren Wirbelstürmen in allen Ländern die Völker erschreckt hätten.243 Von den vielen Naturereignissen, welche die Quedlinburger Annalen zum Jahr 1011 immer wieder einstreuen, beziehen sich zwei auf Wind und Hagel: So seien am 30. Juli 1011 große und staunenswerte Hagelkörner vom Himmel gefallen244 und später soll in Sachsen ein plötzlicher Wirbelsturm viele Häuser umgeworfen und viele andere Schäden verursacht haben.245 Nach der Darstellung im Chronicum Scotorum zog im Jahr 1013 oder 1015/16 im Herbst ein großer Sturm über Schottland, zu dem in dieser Zeit keine Parallele gefunden werden konnte und durch den die große Eiche in Clonmacnoise niedergeworfen wurde.246

|| 240 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 986. Ed. O’Donovan, 721: Great and unusual wind, which prostrated many buildings and houses, and among others the oratory of Lughmhadh, and many other buildings. 241 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 990. Ed. O’Donovan, 727: The wind sunk the island of Loch Cimbe suddenly, with its dreach and rampart, i.e. thirty feet. 242 Sermo de virtute Sancti Constantinii, 11. Ed. Hofmeister, MGH SS 30.2, 1018: Sed cum esset magna celi serenitas, subito facta est perturbatio magna et procella maxima, et venerunt pluviae et grandines velut lapides. Exiit ventus vehemens, et per territi sunt Agareni et nequaquam potuerunt Caprim adtingere, sed eiecti sunt in partes Lucaniae. 243 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1004. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 522: Fulgure et tonitrua eodem anno simul cum nimia et terribili turbine venerunt perterritis ubique terrarum populis. 244 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1011. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 531: Eodem anno II. Calend. Augusti, feria secunda, luna XXVI, cecidit / glacialis grando ingens et horrenda. Neumond war am 5. Juli 1011. 245 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1011. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 532: Ventus ingens plurima aedificia subito turbine subvertit, et multa alia damna commisit. Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 110; Newton, Medieval Chronicles (1972), 751. 246 Chronicum Scotorum, ad a. 1013. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 257: Great wind in autumn, the like or equal of which has not been witnessed in these times, by which the great oak of Regles-Finghin at Cluain-muc-Nois was prostrated.

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Die Annales Altahenses berichten, dass im Jahr 1033 viele Gebäude vom Windsturm zerstört wurden, viele Schiffe untergingen und einige durch Blitzschlag verschwanden. Im Kloster Niederaltaich seien am 4. März 1033 genau 302 Gebäude und weitere Bauten verbrannt.247 Nach den angelsächsischen Annalen habe im Jahr 1037 in Irland sehr regnerisches und stürmisches Wetter geherrscht248 und zwei Jahre später, 1039, sei eine große Sturmflut nach England gekommen.249 Etwa ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts wird in den Quellen für jeden Sturm das genaue Tagesdatum der Zerstörung angegeben. Darin könnte sich ein Übergang von einer Darstellung des Extrems zur wiederholten, regelhaft werdenden Darstellung erkennen lassen. So fegte am 28. Januar 1050 ein schwerer Sturm über das Kloster Brauweiler.250 Nach Simeon von Durham zerstörte am 21. Dezember 1052 ein großer Sturm viele Kirchen und Häuser in England, auch habe er unzählige Bäume zerschmettert und entwurzelt.251 Ein anderer Chronist berichtet: „Zu Weihnachten des Jahres 1080 nahm ein starker Sturm die Wälder mit, warf Mauern um, rüttelte an Städten, er war keine Bedrohung, aber er warf alle Ruinen um.“252 Nach den Annalen aus den Klöstern Saint‐Pierre de Gand und Saint‐Amand kam es am 27. März 1081 zu einem großen Erdbeben und am 25. Dezember 1081 schwoll ein starker Sturmwind an.253 Die Ankunft eines starken Windes wird in Schottland für das Jahr 1085 ohne weitere Zeitangabe überliefert.254 Aus Bari wird für dasselbe Jahr berichtet, dass, als im Mai 1085 Papst Gregor [VII.]255 in Salerno starb, er sein Leben an einem extremen Tag || 247 Annales Altahenses maiores, ad a. 1033. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 19: Ventus cum turbine multa stravit edificia, naves multae submersae sunt, nonnulli periere fulmine. Monasterium Altahense post CCCII. edificationis suae annum IIII. Non Martii cum caeteris edificiis consumitur. 248 Annals of Ulster, ad a. 1037. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 475: Very wet stormy weather this year. Annals of Loch Cé, ad a. 1037. Ed. Hennessy, 39: Prodigious tempests and great moisture in this year. 249 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 1039. Ed. Swanton (Abingdon MS), 160: Here came the great gale. 250 Annales Brunwilarenses, ad a. 1050. Ed. Pertz, MGH SS 16, 725: Hoc anno ventus gravissimus fuit 5. Kal. Februar. 251 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 1052. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 170: Anno MLII. (…) Eodem anno nocte festivitatis sancti Thomae apostoli tantus tamque vehemens extitit ventus, ut multas ecclesias domusque dirueret, et innumerabiles arbores frangeret vel radicitus erueret. 252 Balduini Ninovensis Chronicon, ad a. 1080. Ed. Holder-Egger, MGH SS 25, 524: Anno Domini 1080, in natali Domini ventus validus silvas conterit, muros deicit, urbes evertit, non minatur casum, sed omnia ruina prosternit. In cathedra sancti Petri sereno celo in vespera mane tanta nix cuncta operuerat, ut ostia aperiri non possent, culmina tectorum excederet et etiam silvas absconderet. 253 Annales Formoselenses, ad a. 1081. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 36: Hoc anno 6. kal. Apr. terrae motus magnus. Ventus validus intumuit 8. Kal. Ian. 254 Chronicum Scotorum, ad a. 1085. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 301: The Easter of the wind. 255 Gregor VII., Pontificat von 1085 bis 1073, vgl. Bautz, Gregor VII. (Hildebrand) (1990).

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beendete. Denn als er starb, brachte ein Gewittersturm Hagel und Blitze, sodass alle, die dort waren, fürchteten, durch das schreckliche Gewitter zugrunde zugehen.256 Die Verbindung des Todes von Papst Gregor VII. mit einem Witterungsereignis ist eine auffällige Koinzidenz mit den nördlich der Alpen verfassten Darstellungen zu den Witterungsereignissen rund um den „Gang nach Canossa“ im Frühjahr 1077.257 Sechs Jahre später, am 27. Oktober 1091 soll ein sehr heftiger Sturmwind die Stadt London erschüttert haben.258 Am 10. September 1095 suchte angeblich ein Wirbelsturm mit starken Winden die Region um Gembloux heim und um Mitternacht soll die Erde gebebt haben.259 Auffällig ist auch hier die wiederholte Verbindung von Stürmen mit Erdbeben.

3.2.4 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse Wurde im 8. Jahrhundert für etwa 28 Prozent und im 9. Jahrhundert für 38 Prozent der Sturmereignisse das Tagesdatum angegeben, sind für das 10. Jahrhundert ausschließlich Jahresdaten von Stürmen überliefert. Etwa ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts wurde für jeden Sturm das genaue Tagesdatum angegeben. Hier lässt sich ein Übergang von einer Darstellung des Extremereignisses zu einer regelhaften Darstellung der Tagesdaten erkennen. Die zeitliche Verteilung der insgesamt 52 Beobachtungen von Sturm- und Starkwindereignissen sieht folgendermaßen aus: Tab. 32: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Stürme von 500 bis 1100 Gesamt 52 100 %

6. Jh. 2 4%

7. Jh. 5 10 %

8. Jh. 8 15 %

9. Jh. 14 27 %

10. Jh. 11 21 %

11. Jh. 13 25 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung liegen im 9. und 11. Jahrhundert mit jeweils über einem Viertel, die wenigsten Darstellungen von Stürmen sind für das 6. Jahrhundert überliefert. Von den 52 Ereignissen, die sich allgemein als Wind oder Sturm klassifizieren lassen, sind die meisten für Irland (21), England (fünf) und Schottland (zwei) überliefert. In Kontinentaleuropa (zwei) sind sie überliefert für Regionen am Niederrhein (drei), im Rheinland und in Sachsen mit jeweils vier sowie

|| 256 Annales Barenses, ad a. 1085. Ed. Pertz, MGH SS 5, 61: Hoc anno mense Maii praedictus papa Gregorius dum moraretur Salerni, diem clausit extremum; quo moriente, tanta fertur grandinum tonitruumque extitisse procella, ut omnes illic positi huius terribilitatis procella putarent interire. 257 Siehe dazu Kap. 3.6.4 Kalte Winter im 11. Jahrhundert, besonders 1076/77. 258 Annales S. Edmundi, ad a. 1091. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 130: Ventus vehemens percussit Londoniam 6 kal. Novembr. feria sexta. 259 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1095. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 367: Cum valido ventorum turbine etiam terraemotus factus est media nocte, 4. Idus Septembris.

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zwei in Bayern und eines am Bodensee. Weitere Nennungen betreffen Mittelitalien (zwei), Byzanz (drei), drei Mal Westfranken (Paris, Reims) sowie je einmal Prokonnēsos, das südliche Schwarzmeer und Syrien. Die Bezeichnungen für Wind- und Sturmereignisse unterscheiden sich bezüglich der Art und der Stärke: Besonders häufig wird eine Kombination mit ventus verwendet: drei Mal ist von ventus validus die Rede, zwei Mal von ventus ingens, jeweils einmal wird die Formulierung vehemens extitit ventus, ventus aquilo, ventus auster nimium violente, ventus gravissimus, ventus vehemens oder ventusque tam vehemens coortus verwendet. Zwei Mal erscheint ventus cum turbine. Die Kombinationen mit turbo, -inis scheinen auf heftigere Sturmereignisse hinzuweisen. Jeweils ein Mal genannt werden: cum valido ventorum turbine (1095), ingens turbo ventorum (837), perturbatio magna et procella maxima (991), terribili turbine (1004), turbo vehementissimus (944). Auch andere Bezeichnungen kommen nur jeweils ein Mal vor: tempestas magna (947), tempestas valida et procella vehemens (843) oder auilone flante (937). Bei den insularen Bezeichnungen werden genannt: acht Mal great windstorm, fünf Mal great gale, vier Mal sturm, drei Mal gale und zwei Mal severe gale. Weitere Bezeichnungen, die nur ein Mal vorgekommen sind: boisterous windes, mighty wind, unusual wind, very wet stormy weather, violent windstorm oder einfach nur wind. Sturmereignisse eignen sich auch als Stilmittel in hagiographischen Quellen, zumindest wurde ein Wind im Jahr 991 in solchen verwendet. Es fällt auf, dass von den Ereignissen, für die mehrfache Parallelüberlieferung vorliegt, nur drei Ereignisse dokumentiert wurden. Zu nennen sind hier der Wintersturm, der vom 31. Oktober bis 2. November 839 in Mitteleuropa in vier Quellenstellen dokumentiert ist, wobei sich der Weg des Sturms von Westen (Iburg 31.10.), nach Südosten (Hildesheim 31.10.), weiter nach Südosten (Hersfeld 2.11.) bis ins südöstliche Bayern (Niederaltaich 4.11.) nachverfolgen lässt. Weiterhin taucht ein ventus cum turbine, der 867 in Sachsen und Bayern einige Gebäude zerstörte in drei Quellenstellen auf. Darüber hinaus wurde ein ventus validus für das Jahr 871 in Mitteleuropa und England in drei Quellenstellen dokumentiert. 23 der insgesamt 52 Ereignisse sind in irischen und schottischen Annalen überliefert, drei von Theophanes dem Bekenner und jeweils zwei von den Autoren der Annales Quedlinburgenses, von Flodoard von Reims und von Simeon von Durham. Weitere 16 Quellen überliefern jeweils eine Nachricht mit einem Bezug zu Wind oder Sturm. An durch Stürme verursachten Schäden werden genannt: Zum 16. September 691 bei einem great windstorm in Irland sechs Tote; weiterhin Gebäudeschäden bei einer very great gale im Jahr 857 in Irland sowie im Jahr 867 in Sachsen und Bayern (ventus cum turbine). Wiederum Gebäude zerstörte 986 in Irland ein unusual wind und 1011 ein ventus ingens in Sachsen. Im Jahr 1033 wurden in Bayern durch einen Windsturm (ventus cum turbine) 302 Gebäude und Schiffe zerstört. Weiterhin zerstörte am 21. Dezember 1052 in England ein Starkwind (vehemens extitit ventus) zahlreiche Gebäude. In weniger als 15 Prozent (sieben von 52) der Fälle wurden also Schäden dokumentiert, diese waren dann aber teilweise stark ausgeprägt.

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Insgesamt lässt sich als Beobachtung für die Wind- und Sturmereignisse festhalten, dass ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts (bis auf eine Ausnahme) für alle Ereignisse das Tagesdatum angegeben wurde. Drei Arten von Darstellungen lassen sich unterscheiden, zunächst a) die empirische Dokumentation eines Ereignisses, dann b) die Nutzung eines erlebten Ereignisses mit der Intention, Gott habe dieses Ereignis als mahnendes oder strafendes Instrument benutzt und c) zum dritten die metaphorische Verwendung. Letzteres ist beispielsweise beim anonymen Autor der Vita Hludovici der Fall, der formulierte: „unter denen auch einige Bischöfe vom Sturm dieses Ungewitters mit fortgerissen wurden.“260 Neben Bischöfen werden normalerweise unbelebte Dinge vom Sturm hinweggerissen und gewaltsam versetzt, besonders durch die Gewalt von Orkanen, Windhosen und Tornados.

3.3 Orkane, Windhosen und Tornados Zeitgenössische Berichte über Sachen, die vom Himmel fallen, sind nicht ungewöhnlich. Immer wieder sollen leichte Gegenstände wie Getreide oder Hülsenfrüchte vom Himmel gefallen sein. Da sich Berichte über solche Ereignisse regions- und zeitübergreifend finden lassen, kann von einer natürlichen Ursache ausgegangen werden. Als Erklärung werden immer wieder Windhosen herangezogen, da diese über die erforderlichen Wirkmechanismen verfügen, um Gegenstände in begrenztem Umfang in die Höhe zu erheben, deren Herabfallen dann an anderer Stelle beobachtet werden kann.261 Windhosen und Tornados erfordern ganz besondere Windverhältnisse. Um die Stärke der Tornados zu klassifizieren, wurden zwei voneinander unabhängige Skalen entwickelt. So kann die Stärke von Tornados nach den 1971 von Tetsuya Theodore Fujita entwickelten Fujita-Skala gemessen werden. Diese ist in zwölf Stufen unterteilt, die höchste Stufe entspricht etwa der Schallgeschwindigkeit und kann auf der Erde nicht erreicht werden. Windgeschwindigkeit 11 der Beaufortskala entspricht der Stärke F0 auf der Fujita-Skala, die Windgeschwindigkeit 12 (Beaufort) entspricht F1 auf der Fujita-Skala. Die höchsten jemals gemessenen Windgeschwindigkeiten von 500 bis 600 km/h entsprechen der Stärke F6. Als zweite Skala steht die sogenannte TORRO-Skala, auch kurz T-Skala zur Verfügung, die zwischen 1972 und 1975 von der britischen „Tornado and Storm Research Organisation“ (TORRO) getestet und veröffentlich wurde.262 Sie umfasst ebenfalls zwölf Stufen und ist mit der Beaufortskala und der Fujita-Skala ungefähr folgendermaßen zu korrelieren: || 260 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 29. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 384; FSGA 5, 304 f.: (…) inter quos aliquos episcoporum huius procella tempestatis involvit (…). 261 Dennis, Frösche und Fische (1994). 262 Doe, Extreme Weather (2016).

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Tab. 33: Klassifikationen von Tornados Beaufort Skala TORRO Skala Fujita Skala

8 0 0

10 1 0

12 2 1

14 3 1

16 4 2

18 5 2

20 6 3

22 7 3

24 8 4

26 9 4

28 10 5

30 11 5

Neben der Windgeschwindigkeit wird bei der Arbeit mit allen Skalen auch immer der verursachte Schaden zur Klassifizierung genutzt. Gerade Schadensbilder sind aber in mittelalterlichen Quellen fast nicht beschrieben worden, weshalb eine Übertragung der modernen Klassifikationsmodelle auf die hier untersuchten Quellen vermieden werden musste. Einen Hinweis auf ein spezielles Windereignis bietet die folgende instrumentalisierte Beobachtung: Als im Jahr 681 in Konstantinopel eine Irrlehre verurteilt wurde, fielen „zur selben Stunde solche Mengen von Spinnweben mitten unter den Leuten vom Himmel, dass alle staunten; und das war ein Zeichen dafür, dass der Unrat häretischer Verirrungen beseitigt war.“263 Auch im Liber Pontificalis wird zur Zeit Papst Gregors II. um 716/17 berichtet, dass „in einem bestimmten Platz im Distrikt Kampanien verbrannter Weizen, Gerste und Hülsenfrüchte wie Regen vom Himmel fielen.“264 Ähnliche Nachrichten sind für das Jahr 714 aus Schottland überliefert – dort gingen „Schauer aus Honig (über Othan Bec), aus Silber (über Othan Mór) und aus Blut (Foss of Laighen) nieder“265 – ähnlich auch 759 in Irland, wo ebenfalls drei Schauer niedergingen: einer aus Silber, einer aus Mehl und einer aus Honig.266 Hier sind starke Merkmale eines Topos auszumachen, es ist aber nicht vollkommen auszuschließen, dass diese Nachrichten im Ursprung auf nicht mehr ermittelbare Beobachtungen zurückgehen könnten. Im Jahr 793 waren nach den Annalen von Salzburg schreckliche Wunderzeichen über der Francia zu sehen. Es wurden „Berge von Getreide jeder Art auf Haufen gefunden, sodass, wenn ein Tier davon gekostet hat, dieses starb. Das Mehl verschwand

|| 263 Paulus Diaconus, Historia Langangobardorum, 6, 4. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang 1, 166; Ed. Schwarz, 306 f.: Ea hora tantae haranearum telae in medio populi ceciderunt, ut omnes mirarentur; ac per hoc significatum est, quod sordes hereticae pravitatis depulsae sunt. 264 Liber Pontificalis, 91. Gregor II. (715–731), 11. Ed. Duchesne, Bd. 1, 402; Eighth-century popes. Ed. Davis, 8: Eoquoque tempore in Campaniae partibus conbustum triticum, ordeum seu legumina, quasi pluvia in loco quodam e caelo missae sunt. 265 Chronicum Scotorum, ad a. 714. Ed. Hennessy. Rolls series 46, 119–121: It rained a shower of honey upon Othan Bec, a shower of silver upon Othan Mór, and a shower of blood on the Foss of Laighen. 266 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 759. Ed. O’Donovan, 362: Three showers fell in Crich Muireadhaigh, in Inis Eoghain Inishowen, namely, a shower of pure silver, a shower of wheat, and a shower of honey, of which was said: Three showers at Ard Uillinne, fell, through God’s love, from heaven: A shower of silver, a shower of wheat, and a shower of honey.

Orkane, Windhosen und Tornados | 401

unter den Händen.“267 Die genannten Haufen könnten Reste von durch Windhosen verwehten Getreidesorten sein. Ob es sich dabei aber überhaupt um ein Windereignis gehandelt haben kann, ist aber unklar. Zum Jahr 823 werden mehrere außerordentliche Vorfälle berichtet: Die bedeutsamsten darunter waren, dass „in vielen Gegenden die Früchte vom Hagel vernichtet wurden, an etlichen Orten sah man sogar wirkliche Steine (veri lapides) von ungeheurer Schwere mit dem Hagel herabfallen.“268 Im Jahr 828 „wurden dem Kaiser aus Waskonien (Wasgau) Getreide gebracht, kürzer als Korn, und doch nicht rund wie Erbsen, von dem man sagt, es sei vom Himmel gefallen.“269 Spätere Autoren konnten auf das Wissen um solche Ereignisse mit „quasigöttlichem“ Regen zurückgreifen und die Berichte über solche Ereignisse instrumentalisieren. In Schottland und Irland wird das Jahr 947 als „Wunderjahr“ eingestuft, in dem das Blatt (the leaf) vom Himmel fiel.270 Ähnliches berichtete die schottische Chronik bereits für das Jahr 887, als die Pilger mit dem „Blatt, das vom Himmel gefallen sei“ nach Irland gekommen waren.271 Diese Nachricht entzieht sich bisher einer Deutung. Nach irischen Quellen ging im Jahr 1014, nach schottischen 1021, in Südostirland ein Schauer Getreide über Ossory (Osraige) nieder.272

|| 267 Annalium Salisburgensium Additamentum, ad a. 793. Ed. Wattenbach, MGH SS 13, 237: Horribile portentum in Francia visum est. Inmensi aggeres de omni genere granorum atque frumenti inventi sunt cumulati. Unde si aliquod iumentum gustasset, moriebatur. Farina inde facta sub manibus disparuit. 268 Annales regni Francorum, ad a. 823. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 163; FSGA 5, 136 f.: Hoc anno prodigia quaedam extitisse narrantur, in quibis praecipua fuerunt in Aquense palatio terrae motus (…). Et in Saxonia in pago, qui vocatur Firihsazi, viginti tres villae igne caelesti concrematae, et fulgora sereno atque interdiu de caelo cadentia. Et in multis regionibus fruges grandinis vastatione deletae atque in quibusdam locis simul cum ipsa grandine veri lapides atque ingentis ponderis de cidere visi; domus quoque de caelo tactae hominesque ac caetera animalia passim fulminum ictu praeter solitum crebro exanimata dicuntur. Secuta est ingens pestilentia atque hominum moratlitas quae per totam Franciam inmaniter usquequaque grassata est et unnumeram hominum multitudienm diversi sexus et aetatis gravissime seviendo consumpsit. 269 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 42. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 450; FSGA 5, 332 f.: Hoc anno bis deliquium contigit lunae, in Kalendis Iul. et nocte natalis Domini. Sed et annona quaedam imperatori delata est a regione Uuasconiae, brevior frumento, nec tamen teres ut pisa, quam dixerunt cecidisse de coelo. 270 Chronicum Scotorum, ad a. 946. Ed. Hennessy. Rolls series 46, 207 f.: A year of prodigies, i.e. in which the Leaf came from heaven and in which the céle Dé came overseas from the south to teach the Irish. Annals of Inisfallen, ad a. 947. Ed. Mac Airt, 152 f.: A leaf [descended] from heaven upon the altar of Imlech Ibuir, and a bird spoke to the people; and many other marvels this year; and Blácair, king of the foreigners, was killed. 271 Chronicum Scotorum, ad a. 887. Ed. Hennessy. Rolls series 46, 171: The pilgrim with the leaf which was given from Heaven came to Erinn (…). 272 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1014. Ed. Murphy, 170: There was a shower of wheat in Ossery this yeare; Chronicum Scotorum, ad a. 1021. Ed. Hennessy, 223: A shower of wheat fell in Osraige. Annals

402 | Extreme Witterungsereignisse

Die Chronik der Schotten überliefert zum Jahr 1052 (wohl 1054)273 für den Ort Rostella/Rosdalla (Ross-Deala) nahe Kilbeggan, die merkwürdige Beschreibung eines Turms aus Feuer, die auf den ersten Blick zu gar keinem natürlichen Phänomen passen will: „Ein Turm aus Feuer war bei Ross-Deala am Sonntag des Festes des hl. Georg zu sehen, es dauerte fünf Stunden; unzählige schwarze Vögel flogen hinein und aus ihm heraus; und ein großer Vogel war in der Mitte davon; und die kleinen Vögel gingen unter seine Flügel, wenn sie in den Turm flogen. Sie kamen heraus und erhoben sich in die Lüfte. Als das Windgebilde in der Mitte der Stadt war, ließ es wieder alles nach unten fallen und es starb sofort. Dann hob es drei Kleidungsstücke an und ließen sie wieder fallen. Auch das Holz, von dem die Vögel aufgestiegen waren, wurde samt seiner Wurzeln in der Erde erschüttert.“ 274

Die Beschreibung ist sehr plastisch und gibt die wichtigsten und typischen Elemente eines Tornados mit dem typischen schlauchförmigen Windsystem wieder. Am Sonntag nach St. Georg (23. April), also am 26. April 1052 (24./30.4.1054) wurde also ein fünf Stunden dauerndes Ereignis beobachtet. Da Tornados im Schnitt nur eine Lebensdauer von etwa zehn Minuten haben, längstens von einer Stunde, wird sich die Dauer auf die unmittelbar damit verbundene meteorologische Superzelle beziehen. In der Quelle werden unzählige schwarze Vögel genannt, die sich in und aus dem „Turm“ bewegten. Damit scheinen die zeitgenössischen Beobachter wohl die vielen kleinen, vom Tornado angezogenen und wieder weggeschleuderten Lockermaterialien wie Holz, Steine etc. gemeint zu haben. Auch die Bezeichnung als „Windgebilde“ oder „Windspiel“ (greyhound) ist für diese Zeit vergleichsweise genau, ebenso wie die, Schilderung der Entwurzelung von Bäumen und der dabei wirkenden Kräfte. Leider wird die Richtung, in der die entwurzelten Bäume zum Liegen kamen, nicht beschrieben, wie dies beispielsweise rund 700 Jahre später bei der „Beschreibung des Orcans, welcher den 29. Juni 1764 einen Strich von etlichen Meilen im Stargardischen Kreise des Herzogtums Mecklenburg gewaltig verwüstet hat“ erfolgt ist.275 Alles in allem liegt hier eine frühe und trotz der Unkenntnis der tatsächlichen meteorologischen Phänomene vergleichsweise genaue Beschreibung eines Tornados vor.

|| of the kingdom of Ireland, ad a. 1021. Ed. O’Donovan, 801: A shower of wheat was rained in Osraighe. Annals of Loch Cé, ad a. 1021. Ed. Hennessy, 21: A shower of wheat was shed in Osraighe in hoc anno. 273 The Rosdalla, Ireland tornado of 1054 is a tornado which affected Ireland on April 30, 1054. Vgl. http://tornado-archive.wikia.com/wiki/%28Rosdalla,_Ireland%29_tornado_of_1054 (12.1.2015). 274 Chronicum Scotorum, ad a. 1052. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 281: A tower of fire was seen at Ross-Deala, on the Sunday of the festival of George, during the space of five hours; black birds innumerable going into and out of it; and one large bird in the middle of it; and the little birds used to go under its wings when they went into the tower. They came out and lifted up, into the air, the greyhound which was in the middle of the town, and let it fall down again, so that it died immediately; and they lifted up three garments, and let them down again. The wood moreover, on which the birds alighted was shaking, together with its roots in the ground. 275 Genzmer, Beschreibung des Orcans, (1765), 25 f.

Orkane, Windhosen und Tornados | 403

Nach Berthold von Reichenau fielen im Jahr 1057 „Steine von erstaunlicher Größe mit Hagel vermischt vom Himmel, und einige Menschen wurden vom Blitz erschlagen“,276 nach einer anderen Fassung im Jahr 1058.277 In seiner Aufstellung der Tornados im mittelalterlichen Britannien führt Rowe 21 Tornados auf. Der früheste in dieser Liste genannte Tornado soll im Jahr 1091 über London beobachtet worden sein und zwei Menschenleben gefordert haben.278 Die zugrundeliegende Nachricht in der Chronik des Florence von Worcester lautet: „Ein sehr kräftiger Wirbelwind, der von Süden kam, zerstörte mehr als 600 Häuser und eine beträchtliche Zahl an Kirchen. Außerdem traf er die Kirche St. Mary le Bow, tötete zwei Menschen in ihr und hob das Holz des Daches empor und trug sie für längere Zeit in der Luft hin und her. Schließlich befestigte er sechs der Hölzer in der gleichen Position, wie sie auf dem Dach angebracht worden waren, sie steckten mit sieben Achteln ihrer Länge [1,2 Meter] in der Erde und waren 27 oder 28 Fuß [8,2–8,5 Meter] lang.“279

Es ist der einzige aus der Untersuchungszeit erhaltene Bericht, der eine relativ klare Vorstellung über das Schadensbild eines Tornados zulässt. Wollte man hier eine Klassifizierung ansetzen, wäre dieser Tornado wohl mit T3 (strong damage) bis T4 (severe damage), also Windgeschwindigkeiten zwischen 150 und 220 km/h, zu klassifizieren. In der folgenden Tabelle sind die Auffälligkeiten und Gemeinsamkeiten der als Windhosen oder Tornados zu deutenden Ereignisse zusammengestellt. Tab. 34: Überlieferung der Windhosen und Tornados von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

To-1

681

Konstantinopel

Spinnweben

Paulus Diaconus

To-2

714

Schottland

Honig

Chronicum Scotorum

To-3

716

Italien, Campanien Weizen, Gerste, Hülsenfrüchte

Liber Pontificalis

To-4

759

Irland

Irische Ann. (FM)

Silber, Mehl, Honig

|| 276 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1057. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 184; FSGA 14, 24 f.: Hoc anno lapides mirae magnitudinis mixti grandine de coelo ceciderunt et nonnulli hominum fulmine perierunt. 277 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1058. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 184; FSGA 14, 48 f.: Hoc anno lapides mirae magnitudinis mixti grandine de caelo ceciderunt. 278 Rowe, Tornadoes (1976), 221. 279 Florentii Wigorniensis Chronicon, ad a. 1091. Ed. Thorphe, Bd. 2, 29: Nec minus, XVI. kal. Novembris [17. Oktober], feria vi., turbo veniens ab Africo pervalidus, Lundoniae plus quam sexcentas domos et ecclesias quamplures concutiendo diverberavit. In ecclesiam quoque S. Mariae quae dicitur ad Arcum irruens, in ea duos occidit homines, et tectum cum tignis in altum levans, et huc illucque diu per aera ferens, tandem sex de tignis, eo ordine quo tecto prius infixa erant, tam alte in terram defixit, ut de quibusdam eorum septima, de quibusdam vero octava pars appareret; erant enim xxvii. vel xxviii. pedum longitudinis.

404 | Extreme Witterungsereignisse

Nr. To-5 To-6

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

828

Wasgau

rundes Korn

Astronomus, Vita Hludowici imp.

1014

Ossory, Irland

Weizen

Irische Ann. (CS, AC)

To-7

1021

Getreide

Irische Ann. (CS, AC)

To-8

26.04.1052

Schottland

Tornadoschlauch

Chronicum Scotorum

1091

deutsche Gebiete

Regen aus Fleisch, Blut, Kröten, Fischen

Bernold von Konstanz

1091

England, London

Tornado (2 Tote)

Florence von Worcester

To-9 To-10

Die Überlieferung von Berichten über Windhosen und Tornados ist für das 6. und 7. Jahrhundert mit je einer Einzelnennung nicht sehr aussagekräftig. Für das 8. Jahrhundert liegen drei Nennungen, für das 9. Jahrhundert eine und für das 11. Jahrhundert vier Meldungen vor. Dabei muss betont werden, wie genau die Beschreibungen im Chronicum Scotorum zum 26. April 1052 und von Florence von Worcester zum Tornado des Jahres 1091 über London sind. Die Schilderungen des Abregnens von Spinnweben und Getreidearten lässt sich durch Windhosen noch gut erklären, schwieriger und eher an einen Topos erinnernd sind Beschreibungen von vom Himmel fallendem Honig oder Silber oder Mehl. Die zeitliche Verteilung dieser zehn überlieferten Beobachtungen von Windhosen und Tornados sieht folgendermaßen aus: Tab. 35: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Tornados von 500 bis 1100 Gesamt 10 100 %

6. Jh. 0 0%

7. Jh. 1 10 %

8. Jh. 3 30 %

9. Jh. 1 10 %

10. Jh. 0 0%

11. Jh. 5 50 %

Die Schwerpunkte liegen im 8. und 11. Jahrhundert mit zusammen 80 Prozent, die wenigsten Beobachtungen sind für das 6. und 10. Jahrhundert überliefert. Die Hälfte der Ereignisse, die als Folgen von Orkanen, Windhosen oder Tornados gedeutet werden können, ist für das 11. Jahrhundert überliefert. Die räumliche Verteilung der beschriebenen Ereignisse hat einen Schwerpunt in den insularen Gebieten, jeweils zwei Mal in Irland (759, 1014) und Schottland (714, 1052) und einmal in England (1091). Für Kontinentaleuropa gibt es nur zwei Nennungen in Süddeutschland (828, 1091), weiterhin eine in Italien (716, Kampanien) und in Konstantinopel (681). Die Gegenstände, die von den extremen Luftbewegungen mitgerissen werden, sind ganz unterschiedlicher Art: Spinnweben, Honig, Weizen, Gerste, Hülsenfrüchte, Silber, Mehl, Honig, rundes Korn, Getreide oder Regen aus Fleisch, Blut, Kröten oder Fischen.

Überschwemmungen durch Starkniederschläge | 405

Der Tornado des Jahres 1091 in London forderte zwei Tote und lässt sich auf eine Stärke von T3/T4 klassifizieren, mit Windgeschwindigkeiten zwischen 150 und 220 km/h. Sehr genau ist auch die Beschreibung vom 26. April 1052 in Schottland, in welcher die herumwirbelnden Teile um einen Tornadoschlauch mit Vögeln verglichen werden. Drei Nachrichten überliefern die irischen Annalen, zwei die schottischen Annalen und eine kommt von Florence von Worcester. Daneben erwähnen Paulus Diaconus (681), der Liber Pontificalis (716), die Vita Hludowici (828) und Bernold von St. Blasien (1091) jeweils eine Beschreibung der Folgen eines Tornados.

3.4 Überschwemmungen durch Starkniederschläge Definiert wird ein Hochwasser als „Zustand in einem oberirdischen Gewässer, bei dem der Wasserstand oder Durchfluss einen bestimmten Wert (Schwellwert) erreicht oder überschreitet.“280 Demgegenüber ist eine Überschwemmung ein Sonderfall des Hochwassers, bei dem durch die Überschreitung eines bestimmten Wasserstandes die sonst trockene Umgebung des Gewässers unter Wasser gesetzt wird und es zu einer Überflutung des Landes kommt.281 Dabei wird eine normalerweise trockenliegende Bodenfläche vollständig von Wasser bedeckt. Auch wenn also aus hydrologischer Perspektive zwischen einem Hochwasser und einer Überschwemmung zu unterscheiden ist, werden beide Begriffe im Folgenden weitgehend synonym gebraucht. Von den drei bestimmenden Merkmalen eines Hochwassers – dem Scheitelabfluss, der Dauer des Hochwassers und der im Verlauf des Hochwassers abfließenden Wassermenge282 – kann aufgrund der historischen Quellenlage oft nur die Dauer angegeben werden. Die Ursachen von Überschwemmungen können vielfältig sein und verschiedene Auswirkungen haben. Grundsätzlich kann man sie in zwei große Gruppen unterteilen: Hochwasserereignisse im Binnenland und solche an der Küstenregion. Unter Binnenhochwasser werden hier Überschwemmungen durch Starkniederschläge (Regen, Hagel etc.) oder abtauende vereiste Niederschläge (Eis- und Schneedecken etc.) verstanden und daraus folgende Überschwemmungen der Wasserquellen und Flusssysteme, aber auch Sturzfluten. Aufgrund der Jahreszeiten lassen sich vier Hochwassertypen unterscheiden: 1) Winter-Hochwasser und Eisstöße in den Monaten Januar bis März, 2) Frühjahrs-Hochwasser durch die Schneeschmelze im Gebirge in den Monaten Februar bis Mai, 3) Sommer-Hochwasser in den Monaten Juni bis August und 4) Herbst-Hochwasser in den Monaten September bis Dezember.

|| 280 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 201, nach DIN 4049. 281 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 201. 282 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 201.

406 | Extreme Witterungsereignisse

Die Hochwasser an der Küste von Meeren und Ozeanen können meteorologisch durch Sturmfluten verursacht sein, aber auch tektonisch durch Tsunamis. Tsunamis wiederum können verschiedene Ursachen haben: Erdbeben, Erdrutsche im oder ins Meer, Vulkanausbrüche, selbst kosmische Ereignisse wie Einschläge von Himmelskörpern. Als Zwischenform zwischen Sturmflut und Tsunami sind zudem meteorologisch verursachte Tsunamis, sogenannte „Meteotsunamis“ definiert worden.283 Für den hier betrachteten Untersuchungszeitrahmen (500–1100) können die natürlichen Ursachen von Hochwassern nur begrenzt dargestellt werden. Da die Ursachen zwischen Sturmflut und Tsunami im Mittelalter noch nicht bekannt waren, ist allein aus den überlieferten Beschreibungen der näheren Umstände kaum auf das eine oder andere Ereignis zu schließen. Bei Sturmfluten und Tsunamis kann oft nur die Art des Ereignisses unterteilt und eine ungefähre chronologische und topographische Einordnung gegeben werden, während die natürlichen Ursachen mit den historischen Quellen kaum ermittelt werden können. Im Folgenden werden die Hochwasserereignisse in die beiden Gruppen „Überschwemmung durch Flusswasser“ und „Überschwemmung durch Meerwasser“ unterschieden. Die anhand neuzeitlicher Quellen entwickelten Schadensstufen lassen sich nur teilweise auf das Früh- und Hochmittelalter übertragen. Von den vier Stufen, die vorgeschlagen wurden – 1) geringfügige Schäden, 2) beträchtliche Schäden, 3) große Schäden, 4) sehr große Schäden – lassen sich nur die beiden letzten in mittelalterlichen Quellen wiederfinden: Zum einen kommen große Schäden aufgrund der Zerstörung einzelner wichtiger Infrastrukturanlagen wie Häuser, Straßen, Brücken oder Kirchen vor, die aber durch die örtlichen Solidaritätsnetze wiederhergestellt werden konnten. Zum anderen werden sehr große Schäden erwähnt, die zu einem vorübergehenden Zusammenbruch der Versorgung mit (über)lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen führten. Die lokale Bevölkerung war nur mit überregionaler Unterstützung (König, Bischof) in der Lage, die Schäden zu beheben.284 Auch die Unterscheidung in räumlicher Hinsicht nach 1) lokalen Hochwassern (Schadensmeldungen aus einem bis drei Orten), 2) regionalen Hochwassern (Schadensmeldungen aus mehr als drei Orten) und 3) überregionalen Hochwassern (Schadensmeldungen aus dem Einzugsgebiet großer Flüsse wie Rhein, Rhône etc.) lässt sich nur hinsichtlich der Gruppen 2 und 3, also der regionalen und überregionalen Hochwasser durchführen. In den Quellen des Früh- und Hochmittelalters wurden demgemäß ganz überwiegend schwere und extreme Hochwasser auf überregionaler Ebene dokumentiert und nur in wenigen Einzelfällen leichte bis mittelschwere auf regionaler Ebene.285

|| 283 Monserrat/Vilibić/Rabinovich, Meteotsunamis (2006), 1035–1051. 284 Pfister, Wetternachhersage (1999), 219. 285 Pfister, Wetternachhersage (1999), 219.

Überschwemmungen durch Starkniederschläge | 407

Die ausführlichste Beschreibung eines hydrologischen Extremereignisses bietet das Buch Genesis mit dem Bericht über die Sintflut: „Und es geschah nach den sieben Tagen, dass die Wasser der Sintflut auf die Erde kamen. Das Gericht der Sintflut, im sechshundertsten Lebensjahr Noahs, am siebzehnten Tag des zweiten Monats, an diesem Tag brachen alle Quellen der großen Tiefe auf, und die Fenster des Himmels öffneten sich. Und es regnete auf der Erde 40 Tage und 40 Nächte lang. (…) Von nun an soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht, solange die Erde besteht!“286

Ob und wenn ja, wo die Sintflut stattgefunden hat, ist Gegenstand von Untersuchungen, soll aber an dieser Stelle nicht vertieft werden. Der in der Bibel enthaltene Bericht ist aber in der mittelalterlichen Rezeption wichtig. Demnach hatten auch die früh- und hochmittelalterlichen Menschen eigene Erfahrungen mit hydrologischen Extremereignissen in Form von Fluss- und Meereshochwassern sowie Tsunamis. Überflutungen zählen neben starken Erdbeben zu den für die Menschen folgenreichsten naturbedingten Katastrophen.287 Dabei bedrohen sie nicht nur die Grundlagen menschlicher Gesellschaften wie Lebens- und Agrarraum, sondern auch den Menschen selbst, da er in den Wassermassen umkommen kann. Überflutungen wurden von den mittelalterlichen Zeitgenossen gleichsam als göttlich-richterliche Zäsur gedeutet und haben mit dem Sintflutbericht im Alten Testamentes ihren prominentesten Anfangspunkt und Ausdruck für die mittelalterliche Rezeption gefunden.288 Bereits Isidor von Sevilla (560–636) hat in seinen Etymologien eine vergleichsweise lange Zusammenfassung zum Wissen seiner Zeit über Überschwemmungen gegeben: „Diluvium wird so genannt, weil es durch das Niederstürzen der Wasser alles, was es überschwemmt, zerstört. Die erste Überschwemmung gab es unter Noah, als der Allmächtige, durch die Verbrechen der Menschen beleidigt, nachdem er den ganzen Erdkreis bedeckt hatte, und alles zerstört worden war, einen einzigen Raum aus Himmel und Meer gemacht hatte. Dessen Anzeichen sehen wir immer noch in Steinen, welche wir beim Abtragen von Bergen mit Muscheln und Austern vermischt, oft auch durch Wasser ausgehöhlt zu sehen pflegen. Die zweite Überschwemmung fand in Achai statt unter dem Patriarchen Jacob und in den Zeiten des Ogygius, der Gründer und König von Eleusis war und der dem Ort und der Zeit den Namen gab. Die dritte Überschwemmung fand in Thessalien in den Zeiten von Moses und Amphiktyon statt, welcher als dritter nach Kekrops regierte. In dessen Zeit raffte eine Einschwemmung von Wassern den größten Teil der Völker Thessaliens hinweg, wobei wenige durch Rückzugsgebiete der Berge

|| 286 Gen 7,10–12: Cumque transissent septem dies, aquae diluvii inundaverunt super terram. Anno sescentesimo vitae Noe, mense secundo, septimo decimo die mensis rupti sunt omnes fontes abyssi magnae, et cataractae caeli apertae sunt; et facta est pluvia super terram quadraginta diebus et quadraginta noctibus. (…) Cunctis diebus terrae, sementis et messis, frigus et aestus, aestas et hiems, dies et nox non requiescent. 287 Plate, Einführung: „Naturkatastrophe“ (1997), 1–8. 288 Vgl. Anlezark, Water and fire (2013).

408 | Extreme Witterungsereignisse

gerettet wurden, besonders auf dem Berg Parnassus. In dessen Verlauf bemächtigte sich Deukalion der Herrschaft der damals die auf Schiffen zu ihm Geflüchteten aufnahm und auf den beiden Gipfeln des Parnassus wärmte und ernährte. Von diesem glaubt man, dass das Menschengeschlecht nach einer Sage der Griechen aus Steinen wiederhergestellt worden sei, wegen der dem Herzen der Menschen innewohnenden Härte. Aber auch, wenn Flüsse durch ungewöhnliche Regenfälle über das übliche Maß hinaus, sei es an Dauer, sei es an Größe, über die Ufer treten und vieles zerstören, so nennt man das ebenfalls Diluvium. Man muss aber wissen, dass Flüsse, wenn sie über das Maß hinaus wachsen, nicht nur gegenwärtig Schaden anrichten, sondern auch Zukünftiges bezeichnen.“289

Isidor nennt nach einer kurzen Definition drei Beispiele für große Überschwemmungen: a) den biblischen Sintflutbericht,290 b) den ebenfalls biblischen Überschwemmungsbericht unter dem Patriarchen Jakob und c) den antiken Bericht von der Überschwemmung Thessaliens.291 Zum Ende seines Eintrages unterscheidet er darüber hinaus Überschwemmungen durch Meerwasser von solchen durch Flüsse. Bemerkenswert – mangels genaueren Wissens über die geologischen Vorgänge – ist seine Beobachtung, dass Reste von wasserbewohnenden Hartschalentieren in größeren Höhen gefunden werden und er dies mit den Überschwemmungen in Verbindung bringt. Dass er Flussüberschwemmungen als Prodigium deutet und mit Vorhersehungen in Verbindung bringt, liegt wohl an antiken Vorbildern. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass in den chronikalischen Einträgen der Zeit vorn 500 bis 1100 nicht der Begriff diluvium verwendet wurde, denn mit diesem wird gemeinhin die „Sintflut“ bezeichnet. Stattdessen werden Formen von inundatio verwendet. Mit der Angabe inundatio pluviarum oder inundatio maris trennen die Chronisten die Art der Überschwemmungen durch Regen- und Meeresflut. Auch bei der Angabe konkreter Flüsse können solche Ereignisse leicht zugeordnet werden. Schwieriger scheint die Unterscheidung etwa bei der Formulierung

|| 289 Isidor von Sevilla, Etymologiarum libri, 13, 22, 1–5. Ed. Lindsay, Bd. 2; Isidor, Enzyklopädie. Ed. Möller, 512 f.: Diluvium dictum quod aquarum clade omnia quae inundaverit deleat. Primum diluvium extitit sub Noe, quando hominum sceleribus offensus Omnipotens, toto orbe contecto, deletis cunctis, unum spatium caeli fuit ac pelagi. Cuius indicium hactenus videmus in lapidibus quos in remotis montibus conchis et ostreis concretos, saepe etiam cavatos aquis visere solemus. Secundum diluvium fuit in Achaia Iacob patriarchae et Ogygi temporibus, qui Eleusinae conditor et rex fuit, nomenque loco et tempori dedit. Tertium diluvium in Thessalia Moysi vel Amphictyonis temporibus fuit, qui tertius post Cecropem regnavit. Cuius temporibus aquarum inluvies maiorem partem populorum Thessaliae absumpsit paucis per refugia montium liberatis, maxime in monte Parnaso; in cuius circuitu Deucalion tunc regno potiebatur, qui tunc ad se ratibus confugientes susceptos per gemina Parnasi iuga fovit et aluit. A quo propterea genus hominum Graecorum fabulae ex lapidibus reparatum ferunt ab eo propter hominum insitam cordis duritiam. Sed et flumina cum insolitis aucta imbribus ultra consuetudinem, vel diuturnitatem vel magnitudinem, redundant multaque prosternunt, et ipsa diluvium dicuntur. Sciendum autem, flumina cum supra modum crescunt, non tantum ad praesens inferre damna, sed etiam et aliqua significare futura. 290 Gen 7,10–12; vgl. Zedelmaier, Sintflut als Anfang (2006), 253–264. 291 Die Deukalionische Flut: Zeus hatte beschlossen, wegen der Verdorbenheit der Menschen, das eherne Zeitalter mit einer großen Flut zu beenden. Vgl. Apollod. 1, 46.

Überschwemmungen durch Starkniederschläge | 409

aquae inundaverunt valde oder Vergleichbarem. Die Historiographen scheinen aber im Gebrauch derart festgelegt gewesen zu sein, dass sie bei niederschlagsbasierten Überschwemmungen der Flüsse fast immer deren Namen mit erwähnten, Meeresüberflutungen aber mit maris kennzeichneten. Die Quellen- und Literaturzusammenstellungen zu Überschwemmungen,292 Flu293 ten und Sturmfluten294 beziehen sich oft auf Regionen an den Ozeanen und Meeren295 wie die angelsächsischen Gebiete,296 die Niederlande (516 bis 1400),297 die Nordsee,298 Schleswig-Holstein,299 Ligurien und das Veneto300 oder auf konkrete Flüsse wie den Nil,301 den Tiber302 oder den Po,303 die Donau,304 den Rhein,305 Elbe, Weser und Ems306. Daneben gibt es aber auch Untersuchungen zu Hochwassern einzelner Orte wie Helenopolis307 oder Cimitile/Nola308 im 6. Jahrhundert. Die tabellarische Übersicht der überlieferten historischen und neuzeitlich genannten Sturmfluten bei Egidius nennt für den hier behandelten Zeitrahmen lediglich die „Sturmflut (ohne Namen) vom 26. Dezember 838“.309 Umfangreich und belastbar in Bezug auf alle Arten von Flutereignissen sind die Sammlungen von Curschmann310 und von Weikinn311. Dabei ist immer wieder im Einzelfall zu prüfen, welche Angaben auf zeitgenössischen Beobachtungen beruhen und welche nur durch spätere Tradierung überliefert sind. So musste beispielsweise Claudia Schüszler für den Main bei Frankfurt feststellen, dass die in der älteren Literatur abgegebenen Hochwasserdaten: „855, 874, 879, 880 und 1174“ nicht zu verifizieren sind.312

|| 292 Vgl. für das Spätmittelalter: Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 201–398. 293 Vgl. für den islamischen Bereich: Tucker, Floods (2006), 258–260. 294 Fouquet/Zeilinger, Katastrophen (2011), 35–47. Klawa, Extreme Sturmereignisse (2001). 295 Haas, Stürme auf See (2008), 255–287. 296 Anlezark, Water and Fire (2006). 297 Gottschalk, Stormvloeden (1971). 298 Behre, Meeresspiegelbewegungen (2005), 19–46. 299 Egidius, Versunkenes Land (2007). 300 Canzian/Simonetti, Acque e territorio (2012). 301 Vgl. Kap. 1.3. Quellenlage, -arten und -problematiken. 302 Esposito, “Diluvi“ del Tevere (2002), 17–26. 303 Camuffo/Enzi, Analysis of two bi-millennial series (1996), 434–450. 304 Vgl. allgemein zur Donau: Rohr, Danube Floods (2005), 71–86. 305 Wittmann, Chronik der niedrigsten Wasserstände (1859); Krahe/Larina, Hoch- und Niedrigwasser in Köln (2010), 34–41; Krahe, Hochwasser und Klimafluktuation (1997), 57–82. 306 Kramer, Sturmfluten (1983). 307 Günther, Hochwasser bei Helenopolis (1998), 105–117. 308 Lehmann, Überschwemmung des Pilgerheiligtums (1993), 125–134. 309 Egidius, Versunkenes Land (2007), 117. 310 Curschmann, Hungersnöte (1900). 311 Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 7–40. 312 Schüszler, Hochwasser und Überschwemmungen (2004), 170.

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Ein besonderer Fall in Bezug auf Hochwasser ist Venedig. Damit dort das Wasser über die Ufer tritt und es zum sogenannten Acqua alta kommt, muss ein Tiefdruckgebiet über das Mittelmeer ziehen und dabei den Scirocco-Wind produzieren. Weil einige moderne Untersuchungen dazu unkritisch Daten und Beschreibungen präsentieren, hat Camuffo alle Quellen neu geprüft und für die hier zu betrachtende Zeit folgende Brandungsereignisse (sea surges) festgestellt: 782, 787, 792, 885, 1100.313 Im Folgenden werden zunächst die niederschlagsbasierten Überschwemmungen mit Flusswasser untersucht und vor allem an den Beispielen der gut dokumentierten Flüsse Rhein und Tiber vertieft. Es folgen im Anschluss daran die Meeresüberflutungen, wobei die Tsunamis von den Sturmfluten getrennt dargestellt werden. Im Allgemeinen treten solche Fluten in den Binnengewässern auf, wenn mehr Wasser zur Verfügung steht als abtransportiert werden kann. Um dem Flusssystem größere Wassermengen zuzuführen, sind im Sommer großräumige Unwetter und Gewitter notwendig, während im Winter oft Dauerniederschläge in Kombination mit der Akkumulation großer Schneemassen ursächlich sind. Ein weiterer Grund für das Übertreten von Flusswasser kann in einem Rückstau liegen. Die Wasserführung wird dabei durch Hindernisse im Flusslauf, aber auch durch in die Mündung gedrücktes Meerwasser bei Sturmfluten behindert. Solche Barrieren können durch Eisgang, gravitative Massenbewegungen (Hangrutschung), aber auch durch anthropogen verursachte Hindernisse wie Brücken, Wehre oder Staustufen entstehen.314 Angaben zu Überschwemmungen mit Flusswasser aufgrund von übermäßigen Regenfällen (inundatio pluviarum) finden sich in mittelalterlichen Annalen und Chroniken vergleichsweise häufig. Die folgende Chronologie der Überschwemmungsereignisse zwischen 500 und 1100 betrachtet jene Überflutungen, die ihre Ursache in Niederschlägen haben. Dabei werden zunächst alle jene Ereignisse in Mitteleuropa vorgestellt und untersucht. Anschließend wird der Fluss Tiber im Detail in den Blick genommen, da zu diesem eine außergewöhnlich gute Quellenlage vorliegt. Besonders in Italien sind Überschwemmungen der Flüsse schon für die frühmittelalterliche Zeit untersucht worden.315 Die erste hier zu betrachtende Überflutung fand am Ausfluss des Flusses Berdan aus dem Gebirge südlich unmittelbar vor der kilikischen Pforte liegen Stadt Tarsus statt. Dieser wird von den beiden Flüssen Kadıncık und Pamukluk gespeist und entwässert aus dem Taurusgebirge nach Süden in das Mittelmeer. Für das Jahr 549/550 ist eine Flut überliefert, die um Tarsus sämtliche Weinanbaugebiete verwüstete.316 Da Tarsus 20 Kilometer von der Mittelmeerküste entfernt liegt, kann ein Flutereignis in

|| 313 Camuffo, Analysis of the Sea Surges (1993), 1 f., 9. 314 Vgl. auch Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 43 f. 315 Brogiolo, Flooding in Northern Italy (2015), 325–350. 316 Chronicle of Zuqnin. Ed. Harrak, 123.

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Form eines Tsunami von dieser Seite ausgeschlossen werden. Da zudem die Weinbaugebiete gemeinhin an nach Süden weisenden Gebirgssteigungen liegen, ist eine Überschwemmung von der Seite des nördlich der Stadt gelegenen Taurusgebirges her am wahrscheinlichsten. Weiterwirkend auf Ereignisse im Jahr 580 ist der Eintrag zum Jahr 579 in der Chronik Bernolds von St. Blasien zu beziehen, wobei eingeschränkt werden muss, dass die Autorenschaft für die Abschnitte vor 1054 umstritten ist, nach dem es zu „einer großen Überschwemmung, aber auch zu Blitzen, Erdbeben und einem Sterben der Menschen kam.“317 Bei Gregor von Tours heißt es zum Jahr 580: „Der Loire-Fluss hatte vom vorigen Jahre her Hochwasser, nachdem sich der Bergstrom Cher mit ihm vereinigt hatte.“318 Genaueres über diese Ereignisse berichtet Gregor an anderer Stelle, nach ihm bedrängten „im fünften Jahre der Regierung König Childeberts große Überschwemmungen die Gegend von Clermont. Es hörte zwölf Tage nicht auf zu regnen, und die Limagne319 wurde von einer solchen Wassermasse überflutet, dass diese viele an der Aussaat hinderte. Die Loire, der Allier und die anderen Wildwasser, welche sich in die Loire ergießen, schwollen so an, dass sie weiter über ihre Ufer traten, als jemals zuvor. Sie richteten großen Schaden unter den Viehherden an sowie bedeutende Verluste an bestellten Äckern und Verheerungen an den Gebäuden. Auf gleiche Weise trat auch die Rhône mit der Saône aus ihren Ufern aus, fügte den Anwohnern großen Schaden zu und untergrub zum Teil die Mauern von Lyon. Als aber die Regengüsse nachließen, fingen die Bäume von neuem an, zu blühen; das war im Monat September.“320

Ganz ähnlich berichtet auch Fredegar: „Zur selben Zeit, im fünften Regierungsjahr Childeberts gab es in der ganzen Landschaft eine so schwere Seuche, dass es schier unglaublich war. Alle Flüsse traten weiter über ihre Ufer als jemals zuvor. Viel Vieh ging dabei verloren und schwere Wasserschäden entstanden an den Gebäuden. Als

|| 317 Bernold von St. Blasien, Chronik, ad a. 579. Ed. Pertz, MGH SS 5, 413: Magna aquarum inundatio et illuvies, fulmina, terrae motus, homines terruere. 318 Gregor von Tours, Libri historiarum 5, 51. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1, 233; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 7: Leger fluvius maior ab anno superiore fuit, postquam ei Cares torrens adiunxit. 319 Das Alliertal im Osten von Clermont. 320 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 33. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1, 237 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 8: Anno quinto Childeberthi regis Arvernorum regionem diluvia magna praessirunt, ita ut per dies 12 non cessaret a pluvia, tantaque inundatione Limane est infusum, ut multos, ne simentem iacerent, prohiberet. Flumina quoque Leger Flavarisque quem Elacrem vocitant, vel reliqui torrentes decurrentes in eum ita intumuerunt, ut terminus, quos numquam excesserant, praeterirent. Quae grande de pecoribus excidium, de culturis detrimentum, de aedificiis fecere naufragium. Pari modo Rhodanus cum Arare coniunctus, ripas excidens, grave damnum populis intulit, murus Lugdunensis civitatis aliqua ex parte subvertit. Quiescentibus vero pluviis; arbores denuo floruerunt; erat enim mensis Septembris.

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die Regengüsse aufhörten, blühten die Bäume von neuem; dies geschah im September“321 und ein anderer Chronist ergänzte zum Wallis und zu Italien: „In diesem Jahr im Oktober überschritt die Rhône im Gebiet des Wallis ihre Ufer so stark, dass sie die Ernteerträge beeinträchtigte; in Italien traten die Flüsse derartig aus ihrem Bett, dass die Bauern Schäden erlitten.“322 Insgesamt kann also für das Jahr 580 von einem starken Frühjahrs- und anhaltenden Sommerregen ausgegangen werden sowie von einer ungewöhnlichen Wärmeperiode im Herbst. Hermann von Reichenau ergänzt, dass auf diese Vorzeichen eine Epidemie in Gallien folgte und auch andere Länder heimgesucht wurden.323 Zum Jahr 582/583 heißt es bei Gregor von Tours: „Im achten Jahre König Childeberts senkte sich zu Tours am 31. Januar, einem Sonntage, als gerade zur Frühmette geläutet war und das Volk aufstand und zur Kirche kam, bei bewölktem Himmel unter Regen eine große Feuerkugel vom Himmel und durchlief einen großen Raum in der Luft; sie verbreitete ein solches Licht, das man alles wie am Mittag erkennen konnte. Dann trat sie hinter eine Wolke, und es entstand tiefes Dunkel. Die Gewässer schwollen ungewöhnlich an; so traten Seine und Marne bei Paris dergestalt über die Ufer, dass zwischen der Stadt und der Kirche des heiligen Laurentius mancher Schiffbruch litt.“324

Ob die Beschreibung Gregors auf die Beobachtung eines Meteoriteneinschlags deuten könnte, dessen Folgen die beschriebenen Schwankungen der Wasserstände wären, wäre zu untersuchen.325 Auch zum darauffolgenden Jahr 583 berichtet derselbe Autor von Überflutungen: „Die Gewässer schwollen ungewöhnlich an; nämlich die Seine und Marne brachten der Gegend von Paris eine solche Überschwemmung, dass zwischen der Stadt und

|| 321 Fredegar, Chronik, 3, 82. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 115; FSGA 4a, 148 f.: Eodem tempore, an. quinto Childeberti regis tante lois per universam regionem factae sunt, ut nimium mirum fuisset. Universa flumina termenis, quos umquam excesserant, praeterirunt. De pecoribus excidio, grande aedeficiis naufragium. Quod cessantis pluviis, arboris dinuo floruerunt. Erat mensis Septembris. 322 Marii episcopi Aventicensis chronica, ad a. 580. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 239; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 8: Eo anno mense Octobre ita in Vallensi territorio Rodanus exundavit, ut copias messium denegaret: et intra Italiam ita fluvii exundaverunt, ut damna agricolae paterentur. 323 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 579. Ed. Pertz, MGH SS 5, 89: Magna aquarum inundatio et illuvies, fulmina et terrae motus, et prodigia sequens pestilentia Gallias aliasque provintias afflixere. 324 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 25. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 292; FSGA 3, 44 f.: Anno octavo Childeberti regis pridiae Kal. Februarius, cum die dominico apud urbem Toronicam ad matutinus signum conmutum fuisset et populus surgens ad eclesiam conveniret, caelo nubilo, cum pluvia globus magnus ignis de caelo dilapsus, in spatio multo cucurrit in aera, qui tantam lucem dedit, ut tamquam media diae omnia cernerentur, Quo iterum in nube suscepto, nox successit. Aquae vero extra solitu invaluerunt; nam tantum inundatione Sygona Matronaque circa Parisius intulerunt, ut inter civitatem et basilicam sancti Laurenti naufragia saepe contingerent. 325 Siehe dazu Kap. 2.4 Meteoriten.

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der Kirche des heiligen Laurentius häufig Schiffbruch vorkam.“326 Betroffen war hier das Gebiet der Île de la Cité und im Norden, gegenüber davon gelegen, die Kirche StLaurent an der Straße von Senlis nach Orléans. Für das Jahr 585 berichten Gregor und Fredegar von der nächsten Überschwemmung aufgrund von Niederschlägen. Gregor differenziert in geographischer Hinsicht nicht näher, sondern vermerkt nur: „In diesem Jahre traten große Regengüsse ein, und die Flüsse schwollen so gewaltig an, dass häufig Schiffe zerschellten. Sie traten auch über die Ufer, überschwemmten die Saaten und Wiesen in der Nähe und richteten großen Schaden an; die Frühlings- und Sommermonate waren so feucht, dass man eher glaubte, es sei Winter als Sommer.“327 Fredegar weiß hingegen, wo es zur Überschwemmung kam: „In diesem Jahre führten die Flüsse in Burgund so viel Hochwasser, dass sie weit über ihre Ufer traten.“328 Diese Aussagen werden vom Liber Pontificalis noch ergänzt: „Zu dessen Zeiten [Pelagius II.]329 herrschten so große Regengüsse, wie alle sagten, weil die Gewässer wie eine Sündflut austraten, und solch ein Unglück war, dass sich niemand erinnern konnte, dass es in diesem Jahrhundert jemals vorgekommen wäre.“330 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Jahr 585 von heftigen Niederschlägen im Frühling und Sommer in der Region Burgund geprägt war und diese zu Überschwemmungen sowie zahlreichen Schäden im Agrarbereich und bei der Infrastruktur führten. Im Jahr 587 war laut Gregor von Tours „die Weinernte spärlich, große Gewässer, ungeheure Regengüsse, und die Flüsse schwollen gewaltig an.“331 Schon zwei Jahre später, zum Jahr 589, überliefert Gregor erneut eine Überschwemmung aufgrund plötzlich auftretender Regenfälle:

|| 326 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 26. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer Merov. 1.1, 265; FSGA 3, 44 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 9: Aquae vero extra solitu invaluerunt; nam tantum inundatione Sygona Matronaque circa Parisius intulerunt, at inter civitatem et basilicam S. Laurentii naufragia saepe contingerent. 327 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer Merov. 1.1, 389; FSGA 3, 192 f.: Magnae hoc anno pluviae fuerunt, amnesque in tantum convaluerunt, ut plerumque naufragia evenirent. Ipsique litora excedentes, propinquas segetis ac prata operientes graviter eliserunt, fueruntque vernalis aestivique mensis tam inrigui, ut hiems magis potaretur esse quam aestas. 328 Fredegar, Chronik, 4, 5. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 125; FSGA 4b, 166 f.: Eo anno nimia inundatio fluminum in Burgundias fuit, ut eorum terminus nimium transcenderint. 329 Papst 579–590, vgl. Kolmer, Pelagius II. (1994). 330 Liber Pontificalis, 65. Pelagius II (579–590), Nr. 65. Ed. Duchesne, Bd. 1, 309; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 9: Eodem tempore tantae pluviae fuerunt ut omnes dicerent quia aquae diluvii superinundaverunt; et talis cladis fuit qualis a seculo nullus meminit fuisse. 331 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 5. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 360; FSGA 3, 232 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 9 f.: Vindimia eo anno tenuis, aquae validae, pluviae inmensae, flumina quoque granditer adaucta fuerunt.

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„In diesem Jahre ergoss sich am Sonntag nach Ostern332 [17. April] ein so gewaltiger Regen mit Hagel untermischt, dass zwei bis drei Stunden lang sogar in den kleineren Flussbetten ungeheure Ströme zu fließen schienen. Die Bäume blühten im Herbst und trugen noch einmal Früchte, nachdem sie schon früher getragen hatten. Im November sah man Rosen. Die Flüsse schwollen über die Maßen an, traten über die Ufer, überschwemmten Stellen, die sie sonst niemals erreicht hatten, und fügten den Saaten nicht geringen Schaden zu.“333

Bemerkenswerterweise findet sich diese Nachricht nicht bei Fredegar. Aber eine bei Paulus Diaconus angegebene Begebenheit zu einer Hochzeit am 15. Mai 589 auf dem sogenannten Sardischen Feld oberhalb Veronas könnte einen Hinweis auf die plötzlichen Unwetter dieses Jahres enthalten. Paulus instrumentalisierte dieses dann für seinen Argumentationsgang: „Dort war damals unter den übrigen Langobardenherzögen auch Agilulf zugegen, der Herzog von Turin, als an diesem Platz bei einem Unwetter ein hölzernes Objekt innerhalb des königlichen Anwesens mit mächtigem Donnerschlag vom Blitz getroffen wurde.“ Paulus nutzt dieses Ereignis, um auf einen Wahrsager im Gefolge des Agilulf aufmerksam zu machen, der künftige Ereignisse aus Blitzschlägen erkennen könne und dem entsetzten Agilulf prophezeite, dass dieser die gerade erst mit dem König verheiratete Frau später selbst bekommen werde. Bemerkenswerterweise nutzt Paulus dabei die Rhetorik des Wahrsagers, denn er stellt am Ende fest, quod ita quoque factum est.334 Nach den heftigen Frühjahrsregengüssen im südlichen Frankreich und nördlichen Italien scheint es zu einer extrem ausgedehnten Hitzephase im Sommer und vor allem im Herbst gekommen zu sein. Dafür spricht zum einen die von Gregor erwähnte zweite Blütephase der Bäume und Rosen, aber auch die von Paulus Diaconus an späterer Stelle genannten extremen klimatischen Belastungen, die während des drei Monate dauernden Feldzugs des

|| 332 Ostern war 10. April 589. 333 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 44. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 475; FSGA 3, 318 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 10: Eo anno post clausum pascha tam inmensa cum grandine pluvia fuit, ut infra duarum aut trium horarum spatium etiam per minores vallium meatus ingentia currere flumina viderentur. Arbores in autumno floruerunt et poma, sicut prius dederant, ediderunt. Mense nono rosae apparuerunt. Flumina vero ultra modum excreverunt, ita ut excedentes litoribus loca, quae numquam contingere consuetae fuerant, operirent, non minimum de sationibus inferentes damnum. 334 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 3, 30. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 110; Ed. Schwarz, 212 f.: Cui statim ille obviam cum magno apparatu nuptias celebraturus in campum Sardis, qui super Veronam est, occurrens, eandem cunctis laetantibus in coniugium Idus Maias accepit. Erat autem tunc ibi inter ceteros Langobardorum duces Agilulf dux Taurinensium civitatis. Quo in loco cum perturbato aere lignum quoddam, quod in regiis septis situm. erat, cum magno tonitruorum fragore vi fulminis ictum fuisset, habebat tunc Agilulf quendam de suis aruspicem puerum, qui per artem diabolicam, quid futurum portenderent ictus fulminum, intellegebat. Qui secrete, cum Agilulf ad requisita naturae resideret, eidem dixit: „Mulier ista, quae modo regi nostro nupsit, tua non post multum tempus coniux futura est“. Quod ille audiens, caput se eius amputaturum, si hac de re amplius aliquid diceret, comminatus est. Cui ille: „Ego quidem“, inquid, „occidi possum; nam certe ad hoc ista in hanc patriam femina venit, ut tuis debeat nuptiis copulari“. Quod ita quoque post factum est.

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Frankenheeres nach Norditalien im Sommer 589 zu schweren Erkrankungen führte.335 Die Ereignisse des Jahres 589 sind von Muratori im 18. Jahrhundert als entscheidender Wandel des Klimas gedeutet worden und haben eine solch wirkmächtige Rezeption im 19. und frühen 20. Jahrhundert erfahren, dass die Ereignisse als einschneidender Übergang von der Antike zum Mittelalter angesehen wurden.336 Wie die Aufstellung hier zeigt, sind die Ereignisse aber nicht gar so ungewöhnlich wie manche modernen Forscher es sich wünschten. Die Herbsthochwasser des Jahres 590 erwähnt Gregor von Tours in seiner Frankengeschichte gleich zwei Mal. Einmal heißt es: „Es regnete dazumal sehr stark, das Wasser war sehr groß, die Kälte unerträglich und die Wege in Schmutz aufgelöst, die Flüsse über die Ufer getreten; doch konnten sie sich dem königlichen Befehl nicht widersetzen. Als sie aber dort zusammen waren, wurden sie nach der Stadt Metz gebracht, wo sich auch Egidius befand.“337 Für dasselbe Jahr erwähnt er nochmals niederschlagsreiche Witterung: „Es fielen starke Regengüsse, im Herbst gab es heftige Gewitter, und das Wasser stieg sehr hoch.“338 Dies könnte auf zwei unterschiedliche von ihm benutzte Beobachtungen hindeuten. Die zweite könnte vermutlich mit einer der folgenden Nachrichten aus Italien deckungsgleich sein. Denn zum selben Jahr schreibt nämlich Paulus Diaconus: „Zu jener Zeit suchte eine Überschwemmungskatastrophe Landstriche Venetiens, Liguriens und anderer Gegenden Italiens heim, wie es sie nach Meinung der Menschen seit Noahs Tagen nicht mehr gegeben hatte. Grundstücke und Höfe wurden überflutet und es gab zahlreiche Opfer unter Mensch und Tier. Straßenverbindungen wurden unterbrochen, Wege wurden weggerissen und die Etsch schwoll damals so sehr an, dass das Wasser an der Basilika des Märtyrers S. Zeno, die vor den Mauern Veronas liegt, bis an die oberen Fenster reichte, ohne dass freilich, wie auch der hl. Gregor und spätere Papst schrieb, in die Basilika selbst ein Tropfen Wasser drang. Auch die Mauern der Stadt Verona wurden durch die Fluten teilweise zum Einsturz gebracht. Ereignet hat

|| 335 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 3, 31. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 111 f.; Ed. Schwarz, 214 f.: Quid plura? Cum per tres menses Francorum exercitus Italiam pervagaret nihilque proficeret neque se de inimicis ulcisci posset, eo quod se in locis firmissimis contulissent, neque regem attingere. valeret, de quo ultio fieret, qui se intra Ticinensem munierat urbem, ut diximus, infirmatus aeris intemperantia ac fame constrictus exercitus redire ad propria destinavit. Qui revertentes ad l patriam, in tantum famis penuriam m perpessi sunt, ut prius vestimenta propria, insuper etiam et arma ad coemendum victum praeberent, quam ad genitale solum pertingerent. 336 Squatriti, Floods of 589 (2010), 799–826. 337 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 19. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 510; FSGA 3, 374 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 11: Erant enim pluviae validae, aquae inmensae, rigor intolerabilis, dissolutae luto viae, amnis litora excidentes; sed praeceptione regiae obsistere nequiverunt. Denique convenientes, pertracti sunt usque Metinsim urbem, ibique et praefatus Egidius adfuit. 338 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 515; FSGA 3, 382 f.: Pluviae validae, tonitrua in autumno gravia, aquae autem nimium invaluerunt.

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sich die Überschwemmung am 17. Oktober, aber Blitz und Donner begleiteten sie mit einer Urgewalt, wie man sie sonst höchstens im Sommer erlebt. Zwei Monate später wurde Verona auch noch durch einen Brand eingeäschert“.339

Auch die von Paulus Diaconus zitierte Schilderung bei Papst Gregor (Dialogi 3, 19) bezieht sich vermutlich auf dasselbe Ereignis. Paulus hat sich in seiner Schilderung aber stärker an die Naturgesetze gehalten als Gregor in seinem Wunderbericht, der in seiner Schilderung der Eigenschaften des Wassers fast an den Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer erinnert:340 „Etwas Ähnliches wie dieses alte Wunder hat sich in unseren Tagen mit dem entgegengesetzten Elemente zugetragen. Der Tribun Johannes hat mir nämlich neulich erzählt, daß der Graf Pronulphus beteuerte, er sei während seines dortigen Aufenthaltes mit dem König Authari zur selben Zeit an der Stelle gewesen, wo das Wunder sich zutrug, und habe es selbst gesehen. Der erwähnte Tribun erzählte also, daß ungefähr vor fünf Jahren, als der Tiber hier bei der Stadt Rom sein Bett verließ und so anschwoll, daß seine Wogen über die Stadtmauern dahingingen und große Regionen der Stadt überschwemmten, zur selben Zeit auch die Etsch bei Verona austrat und bis zur Kirche des Märtyrers und Bischofs Zeno kam; aber obwohl die Kirchentüren offen standen, drang das Wasser doch nicht in die Kirche ein. Allmählich anwachsend, stieg es bis zu den Fenstern der Kirche, die nahe am Dache waren; dabei verschloß das stehenbleibende Wasser den Türeingang, wie wenn dies flüssige Element zur festen Mauer geworden wäre. Im Innern der Kirche befanden sich viele Leute, denen, da das Wasser die Kirche ganz umgab, kein Ausweg blieb; sie fürchteten, durch Hunger und Durst dort umkommen zu müssen. Deshalb gingen sie an die Kirchentüre und schöpften vom Wasser zum Trinken, das, wie bemerkt, bis zu den Fenstern gestiegen war, ohne irgendwie in die Kirche sich zu ergießen. Es ließ sich also schöpfen wie Wasser, konnte aber nicht fließen wie Wasser. An der Türe stehenbleibend, war es Wasser zur Erquickung und war gleichsam doch wieder nicht Wasser, um den heiligen Ort zu überschwemmen, damit dadurch allen das Verdienst des heiligen Märtyrers offenbar werden sollte.“341

Wenn Wasser an der Außenseite von Kirchenfenstern steht, kommt es ebenfalls zu dem beschriebenen Bild, aber ohne die hier geschilderte Dramatik. Schließlich war

|| 339 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 3, 23. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 104; Ed. Schwarz, 204 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 11: Eo tempore fuit aquae diluvium in finibus Veneciarum et Liguriae seu ceteris regionibus Italiae, quale post Noe tempore creditur non fuisse. Factae sunt lavinae possessionum seu villarum hominumque pariter et animantium magnus interitus. Destructa sunt itinera, dissipatae viae, tantum tuncque Atesis fluvius excrevit, ut circa basilicam beati Zenonis martyri, quae extra Veronensis urbis muros sita est, usque ad superiores fenestras aqua pertingeret, licet, sicut et beatus Gregorius post papa scripsit, in eadem basilicam aqua minime introierit. Urbis quoque eiusdem Veronensis muri ex parte aliqua eadem sunt inundatione subruti. Facta est autem haec inundatio sexto decimo Kalendas Novembris. Sed tantae coruscationes et tonitrua fuerunt, quantae fieri vix aestivo tempore solent. Post duos quoque menses eadem urbs Veronensium magna ex parte incendio concremata est. 340 Ex 14,21 f.: Cumque extendisset Moyses manum super mare, reppulit illud Dominus, flante vento vehementi et urente tota nocte, et vertit in siccum; divisaque est aqua. Et ingressi sunt filii Israel per medium maris sicci; erat enim aqua quasi murus a dextra eorum et laeva. 341 Des Paptes Gregor des Grossen vier Bücher. Ed. Funk, 146 f.

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das gesamte Jahr 590 wiederholt von Kälte und Regen dominiert, so im Frühjahr in der Gegend um Metz und im Herbst in Obertitalien um Verona. Zum Jahr 591 überliefert wiederum Gregor von Tours: „Das Heu verdarb durch starke Regengüsse und durch die Überschwemmungen der Flüsse.“342 Bemerkenswerterweise scheinen keine Hochwasser für das 7. Jahrhundert überliefert zu sein. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts, genauer im Jahr 713 soll es zum Auftreten eines nicht näher spezifizierten Hochwassers gekommen sein.343 Im Binnenland der nördlichen Levante kam es im 7. und 8. Jahrhundert zu vier großen Fluten, welche die Stadt Edessa samt ihren Mauern zerstörten und viele Menschenleben kosteten, so am 4. November 665/666, im Jahr 725, am 18. Januar 740 und zwischen dem 28. Februar und dem 24. März 742. Edessa, das heutige Şanlıurfa/Urfa, liegt genau im Bereich des Übergangs von der semiariden zur ariden Klimazone.344 In der Köppen-Geiger-Klimaklassifikation sind diese Regionen als Übergang von der Zone „Csa“345 zur Zone „Bsk“ 346 deklariert. Beim semiariden Klima ist die Verdunstung in sechs bis neun Monate im Jahr größer als der Niederschlag. Beim vollariden Klima übersteigt die Verdunstung den Niederschlag für zehn bis zwölf Monate im Jahr. Die Verschiebung dieser Grenze führt oft zur Bildung von Wüsten, die wegen der extrem kurzen Vegetationsperiode keinen Ackerbau zulassen. Das episodische Auftreten von Extremregenfällen könnte mit einer Verschiebung der Niederschlagsgrenze zusammenhängen, was dann ein tatsächlicher Hinweis auf eine klimatische Änderung auf der Makroebene wäre. Über die Überschwemmung im Jahre 665/666 berichten die verschiedenen Überlieferungen der Chronik des Theophilus von Edessa: „Es gab eine Flut in Edessa in der viele Menschen umkamen“;347 „Es war ein beträchtliches Anschwellen des Wassers des Tigris, des Nil und des Euphrat und all || 342 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 525; FSGA 3, 398 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 12 mit falscher Seitenzahl: Foenum ab infusione pluviarum et inundatione amnium periit, segetes exiguae, vineae vero profusae fuerunt; quercorum fructus ostensi effectum non obtinuerunt. 343 Annales Alamannici, ad a. 713. Untersuchungen. Ed. Lendi, 146: Aque inundaverunt valde; Annales Alamannici, ad a. 713. Untersuchungen. Ed. Lendi, 146: aque multe. 344 Rother, Mittelmeerraum (1993), 27. 345 C = warmgemäßigtes Klima, s = sommertrocken, a = die Temperatur des wärmsten Monats liegt über 22 °C und mindestens vier Monate wärmer als zehn Celsius. Warmgemäßigte Regenklimate: Der kälteste Monat weist eine Mitteltemperatur zwischen 18 °C und -3 °C auf, der wärmste Monat hat eine Temperatur über 10 °C. Die jährliche Niederschlagssumme liegt höher als die beim Steppenklima BS berechnete Trockengrenze. 346 B = Trockenklimat, s = semiarid, k = kalt. Eine Klimazone, bei der die Verdunstung den Niederschlag pro Jahr in sechs bis neun Monaten übersteigt und die durch das Auftreten einer markanten Trockenzeit geprägt sind. Jedoch weisen sie im Jahresverlauf drei bis fünf humide Monate auf. Während dieser Zeit übersteigen die Niederschläge die Verdunstung (humid) und die Flüsse führen periodisch, teilweise episodisch, Wasser. 347 Theophilus von Edessaʼs Chronicle, ad a. 665–666. Ed. Hoyland, 161 [Theophanes]: There was a flood at Edessa and many men perished.

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diese Flüsse liefen über und zerstörten viele Orte, vor allem der Fluss in Edessa. Er stieg bis er die Stadt überflutete, die Mauern zerstörte und unzählige Menschen und Tiere ertränkte.“348 Ganz ähnlich überliefert auch Michael der Syrer, der die Flut in der Nacht beschreibt,349 und eine Chronik, die als Datum des Ereignisses den 4. November nennt.350 Theophanes der Bekenner berichtet von zwei weiteren Überschwemmungen, einmal zum Jahr 725: „Im selben Jahr überschwemmte ein Wildbach Edessa, und es kamen dabei viele Menschen ums Leben“,351 und das zweite Mal zum Jahr 740: „Am 18. des Monats Peretios [Januar] gab es in Edessa eine Überschwemmung.“352 Die Überlieferung der vierten Überschwemmung Edessas zu Beginn des Jahres 742 hat in den Überlieferungssträngen unterschiedliche Dimensionen. So schreibt Theophanes: „Edessa wurde von seinem Strom am 28. Februar 742 überflutet“353, während Michael der Syrer ergänzt: „Im Monat März regnete es so, dass es schien, die Fluttore des Himmels wären Tag und Nacht geöffnet. Das Wasser sammelte sich in Edessa, die Mauern wurden durchbrochen und die Osttore wurden aufgedrückt vom großen Rauschen der Flut. Etwas mehr und die ganze Stadt wäre zerstört worden.“354 Der Chronist überliefert das Ereignis mit einem etwas unübersichtlichen Sachverhalt. Erst durch den ausführlichen Bericht des sogenannten Chronisten 1234 wird klarer, dass es „am 24. des Monats März so heftig vom Morgen bis zum Abend regnete, dass man dachte, die Fluttore des Himmels wären geöffnet und dies führte zu schweren Zerstörungen in der Stadt und den Dörfern. Das Wasser kam in einer großen Sturzflut und füllte die Stadt. Die Flut zerstörte Häuser und Villen; Märkte und Mühlen entlang des Flusses wurden ruiniert und die alte Kirche mit ihren Kammern wurde mit Wasser gefüllt. Wenn sie sich nicht beeilt hätten, die Osttore zu öffnen, um das Wasser rauszulassen, wäre fast die ganze Stadt vom

|| 348 Theophilus von Edessaʼs Chronicle, ad a. 665–666. Ed. Hoyland, 161 [Agapius]: There was a substantial rising of the water of the Tigris, Nile and Euphrates and all the rivers overflowed and wrecked many places, especially the river at Edessa. It rose until it flooded the city, destroyed its walls and drowned innumerable people and beasts. 349 Theophilus von Edessaʼs Chronicle, ad a. 665–666. Ed. Hoyland, 161 [MSyr]: There was a flood at Edessa at night. The waters sapped the wall and it was breached. The city was filled with water and many were drowned in it. 350 Theophilus von Edessaʼs Chronicle, ad a. 665–666. Ed. Hoyland, 161 [Chron 1234]: On 4 November of this year, in the middle of the night, there was a great flood of waters. The waters sapped the wall of Edessa and breached it. The city was filled with water and thousands of people drowned in it. 351 Weltchronik des Theophanes, ad a. 725, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, , 38. 352 Weltchronik des Theophanes, ad a. 740, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 49. 353 Theophilus von Edessaʼs Chronicle, ad a. 742. Ed. Hoyland, 236 [Theophanes]: Edessa was flooded by its stream on the 28th of the month of February. 354 Theophilus von Edessaʼs Chronicle, ad a. 742. Ed. Hoyland, 236 [MSyr]: In the Month of March, it rained such that one would think the flood-gates of heaven were open night and day. The waters accumulated at Edessa and the walls were breached and the eastern gates were pushed open by the great rusching of the flood. A little more and the whole city would have been destroyed.

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Wasser zerstört worden.“355 Nach diesen vier Überflutungen (665–666, 725, 740 und 742) sind keine weiteren Überschwemmungen in der Region bekannt, was aber kaum an der Überlieferung liegen kann, denn Theophanes` Berichtszeit endet erst im Jahr 813. Bei einer Verschiebung der Grenze des semihumiden zum ariden Klima wäre auch eine Verschiebung der Grenze der Extremniederschläge nach Norden möglich, was dann, wie oben erwähnt, auf einen klimatischen Wandel hindeuten könnte. Was bedeutet das methodisch? Die Übergangszonen mit den Grenzbereichen sind anfälliger für den Klimawandel und zeigen diesen eher an als die „stabilen“ Bereiche innerhalb größerer Klimazonen. Die Überlieferung deutet zwar in Richtung einer Verschiebung der Grenze zwischen zwei Klimazonen, sie ist aber aufgrund der wenigen Beispiele alles andere als belastbar. Das Jahr 784 ist in der politischen Ereignisgeschichte bekannt, da Karl der Große hier in der von ihm 772 zerstörten Eresburg356 überwintert haben soll.357 Für Karls eigentliches Vorhaben, die Bekämpfung der Sachsen, war die Witterung des Jahres nicht gut geeignet, denn die Überschwemmungen an Werra und Weser setzten seinem Plan ein rasches Ende, woraufhin er zur Eresburg zurückgekehrtsein soll und seine Frau und seine Söhne und Töchter zu sich kommen habe lassen.358 Etwas genauer stellt der Verfasser der späteren Magdeburger Annalen den Sachverhalt dar: „Karl zerstörte den Ort, der Lippiheim genannt wird, im pagus Westfalen, daraufhin kam er an die Weser, konnte aber aufgrund einer Überschwemmung nicht übersetzen.359 Dann sandte er seinen Sohn an die Grenzen Westfalens, er selbst zog durch das entgegengesetzte Thüringen und entvölkerte den Teil bis zur Elbe, darauf kehrte er nach Francien zurück.“360 Karl blieb also – nach dieser Darstellung – nicht auf der Eresburg. Noch ausführlicher schildern die Annales regni Francorum zum Jahr 784 den Vorgang:

|| 355 Theophilus von Edessaʼs Chronicle, ad a. 742. Ed. Hoyland, 236 [Chron 1234]: In the Month of March, on the 24th, from morning to evening, it rained heavily such that one would think th flood-gates of heaven were open and it caused severe destruction in the city and the villages. The waters accumulated outside the wall of Edessa and it was breached. The waters entered in a great torrent and the city was filled. They destroyed houses and villas; markets and mills along the river were ruined and the old church and its chambers were filled (with water). If they had not rushed to open the eastern gates to let out the waters, almost the whole city would have been destroyed by the waters. 356 RI I Nr. 149c, 68. 357 RI I Nr. 267e, 110. 358 Annales regni Francorum, ad a. 785. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 68; FSGA 5, 48 f.: Et propter nimiam inundationes e aquarum inde reversus est Eresburgum; uxorem suam domnam Fastradanem reginam una cum filiis et filiabus suis ad se venire iussit. 359 Vgl. RI I Nr. 266c. 360 Annales Magdeburgenses, ad a. 784. Ed. Pertz, MGH SS 16, 136: Karolus in loco qui Lippiheim dicitur pagos Westfalorum vastavit, veniensque ad Wisaram, cum inundatio aquarum transitum negaret, dimisit filium suum Karolum in finibus Westfalorum, ipseque per Thuringiam divertens, depopulatus est partes quae sunt circa Albiam, reversusque est in Franciam.

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„Dort entschloss er sich, weil große Überschwemmungen eingetreten waren, durch Thüringen von Osten her bei den Ostfalen einzudringen und seinen Sohn Karl mit einer Schar gegen die Westfalen zu entsenden. Und das geschah so. König Karl durch Thüringen an die Elbe und von da nach Steinfurt und weiter nach Schöningen, und nachdem man sich hier geeinigt hatte, kehrte der genannte ruhmreiche König nach Francien zurück. (…) Und er feierte Weihnachten bei Schieder an der Emmer im Weißgau in dem Gutshof Lüdge.“361

In der Vita des Priesters Philipp aus Zell am Pfrimm in Bayern findet sich zum selben Jahr folgender Eintrag: „Es war aber zu dieser Zeit, dass eine schwere Überschwemmung aufgrund des Regens und ein ungewöhnlich beschwerlicher Winter war.“362 Die Lorscher Annalen erwähnen nur die sehr ungewöhnliche Überschwemmung; mit denselben Worten tun dies die abhängigen Quellen, das Chronicon Moissiacense und die Annales Mosellani.363 Eine andere Formulierung wählen die Chronik Reginos und die Mettenser Annalen.364 Keine dieser sechs Quellen gibt jedoch ergänzende Sachinformationen und alle könnten der gleichen Abschreibtradition entstammen. An anderer Stelle wird zum Jahr 784: der beständige Regen, Überschwemmungen im Wesergebiet und die Überwinterung in der Eresburg genannt. 365 In den Darstellungen stehen sich ein Überwintern und ein Umherziehen gegenüber. Auch eine westfränkische Quelle berichtet zum Jahr 784 von Überschwemmungen. So ist in der Vita des Abtes Benedikt des südfranzösischen Klosters Aniane ein dramatisch klingender Überflutungsbericht eingefügt worden. Das Kloster, das erst kurz zuvor, um 777/782, von Benedikt von Aniane (vor 750–821) gegründet worden war, lag am Ausgang der Schlucht des Flusses Hérault (Gorges de l’Hérault), der in

|| 361 Annales regni Francorum, ad a. 784. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 66; FSGA 5, 46 f.: Ibi consilio inito, eo quod nimium inundatio nes aquarum fuissent, ut per Toringiam de orientale parte introisset super Ostfalaos et filium suum domnum Carolum dimisisset una cum scara contra Westfalaos; quod et ita factum est. (…) Et celebravit natalem Domini iuxta Skidrioburgin pago Wizzagawi super fluvium Ambra in villa Liuhidi. 362 Vita Philippi presbyteri Celensis. Ed. Hofmeister, MGH SS 30.2, 802: Erat autem tunc temporis inundatio pluviarum valde gravis et ymber nimium importunus. 363 Annales Laureshamenses, ad a. 784. Ed. Pertz, MGH SS 1, 32: nec non et inundatio aquarum valida fuit; Annalium Laureshamensium pars altera, ad a. 784. Ed. Pertz, MGH SS 1, 32: nec non et inundatio aquarum valida fuit; Chronicon Moissiacense, ad a. 784. Ed. Pertz, MGH SS 1, 297: necnon et inundatio aquarum valida fuit; Annales Mosellani, ad a. 784. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 497: necnon et inundatio aquarum valida fuit. 364 Regino von Prüm, Chronik, ad a. 784. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 54: Erat autem nimia inundatio aquarum; Annales Mettenses ad a. 784. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 10, 71: propter nimias inundationes aquarum. 365 Poetae Saxonis Annales, ad a. 784. Ed. Pertz, MGH SS 1, 240; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 14: Qua fluit in Wisuram. Nec iam fuit ulla facultas Longius ad boream sicut cupiebat eundi. Temporis obstabat simul asperitas hiemalis, Atque iugis pluviae cursus vehementer inundans; Ob hoc in Eresburg residens se contulit urbem.

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den südlichen Cevennen, im Massiv des Mont Aigoual, entspringt. Die Gebäude wurden 1561 und 1572 vollständig zerstört, die Anlage im 19. Jahrhundert mit Gefängnisbauten überprägt. In der Vita heißt es: „In jener Zeit kam es aufgrund von Niederschlägen zu einer Überschwemmung. Während der Lehrer zusammen mit den Brüdern schlief, begann das übertretende Wasser plötzlich durch beide Eingänge einzudringen und das Schlafhaus zu füllen. Eilig erhoben sich die vor Furcht aufgeschreckten Brüder. Das Haus für die Latrinen aber war unter großer Anstrengung über einem Bach errichtet worden. Der angeschwollene Bach versuchte es zum Einsturz zu bringen, indem die von unten mit dumpfem Getöse heranbrechenden Fluten gegen das Haus strömten, das jeden Augenblick zusammenzubrechen drohte. Sie [die Brüder] liefen alle gleichzeitig etwa um Mitternacht bei der Kirche zusammen, wo der Vater selbst als erster ankam, das Glockenseil ergriff und dazu aufforderte, Lobgesänge anzustimmen, die Hilfe der Heiligen zu erflehen und gemeinsam unter Tränen die Milde Gottes zu erbitten. Nach vielen Gebeten gingen sie nachzusehen, ob das Haus schon eingestürzt war. Als der ehrwürdige Vater dorthin lief, verhakte sich ein im Dunkel der Nacht verborgener Dornbusch an seinen Beinen. Und von gewaltiger Verzweiflung erfasst, bat er inständig unter Tränen Gott, dass die Flut nachließe. Aber als sie dort ankamen, stellten sie fest, dass das Wasser um einen ganzen Fuß gesunken war. Sie vertrauten nun auf Gottes Hilfe und kehrten zu den in der Kirche befindlichen Mitbrüdern zurück, erzählten von den Wohltaten Gottes und gemeinsam priesen sie Gott.“366

Die Geschichte soll wohl zweierlei zeigen, einerseits das Gottvertrauen der Gemeinschaft, das einer starken und vorbildlichen Führung – selbst bei offensichtlichen Rückschlägen – bedarf, andererseits die Besänftigung der Natur durch Gott, ein verbreitetes biblisches Motiv. Die Details der Darstellung sind kaum nachzuprüfen, aber der Zeitpunkt, an dem die Überschwemmung stattgefunden haben soll, weist eine Koinzidenz mit der oben genannten Überschwemmung auf. Gleichwohl muss auch darauf hingewiesen werden, dass beide Regionen topographisch sehr weit auseinanderliegen und eine gemeinsame Ursache nicht automatisch vorausgesetzt werden kann.

|| 366 Vita sancti Benedicti Anianensis et Indensis abbatis, 23 (35). Ed. Waitz, MGH SS 15.1, 209: Accidit denique eodem tempore inundatio pluviarum, quiescentibusque magistro cum fratribus, subito ab ambobus hostiis ingredi redundans aqua coepit acquiescentium occupare domum. Pavore vero fratres perterriti concite surgunt. Domus autem latrinarum super torrentem magno cum labore fuerat sita, quam tumens torrens nitebatur subvertere, ita ut ab inferioribus conquassientes rauco cum murmure undae in iamiamque ruituram prosilirent domum. Concurrunt pariter media ferme nocte ad ecclesiam, ubi ipse pater perveniens primus, signi funem arripuit, iussitque canere laudes sanctorumque implorare suffragia atque cum lacrimis una Dei flagitare clementiam. Post multas quoque preces adeunt visere, si iam domus foret subversa. Quo eunte venerabile viro obscura sub caligine noctis, vepris cruribus eius aesit, nimioque taedio affectus, lacrimabiliter, ut sedaretur inundatio, Deum deprecatus est. Set cum ad locum devenerunt, integro descendisse pede aqua reperta est. Confisi iam de Dei adiutorio, ad socios in ecclesia constitutos redeunt, et beneficia Dei narrantes, pariter benedixerunt Deum.

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Es dauerte 25 Jahre, bis das nächste Hochwasser genannt wird. Im Jahr 809 ereignete sich – nach den Annales S. Amandi – eine solche Überschwemmung der Gewässer, wie sie zuvor in der dortigen Gegen noch nicht gesehen worden, der Wasserstand hatte am 28. Dezember 809 seinen höchsten Stand erreicht.367 Im Jahr 815 richtete sodann „der Rhein, durch Regengüsse in den Alpen angeschwollen, eine ungewöhnliche Überschwemmung an“.368 Hier sind die fünf Flusseinzugsgebiete im Alpenraum zu beachten, von denen nur der Rhein in Richtung Nordsee entwässert. Es gibt entsprechend eine Rhein-Rhône-, Rhein-Donauund eine Rhein-Po-Wasserscheide. Die Nebenflüsse des Rheins liegen überwiegend im Bereich der heutigen Schweiz: Alpenrhein, Thur, Limmat, Reuss und die obere Aare. Die Annales regni Francorum berichten zum Jahr 820, dass „in diesem Jahr die anhaltenden Regengüsse und die überaus feuchte Luft große Übel im Gefolge hatten. Unter Mensch und Vieh wütete weit und breit eine Seuche mit solcher Heftigkeit, dass es kaum einen Strich Landes gab im ganzen Frankenreich, der von ihr verschont geblieben wäre. Auch das Getreide und das Gemüse gingen bei dem fortwährenden Regen zugrunde und konnte entweder nicht eingeholt werden oder es verfaulte in den Scheuern. Nicht besser stand es mit dem Wein, der in diesem Jahre einen höchst spärlichen Ertrag gab und dabei noch wegen des Mangels an Wärme herb und sauer wurde. In einigen Gegenden aber war, da das Wasser von den ausgetretenen Flüssen noch in der Ebene stand, die Herbstaussaat ganz unmöglich, sodass vor dem Frühjahr gar kein Korn in den Boden kam.“369

Durch den Dauerregen und die geringe Wärme kam es also zu Staunässe, welche die weiteren landwirtschaftlichen Arbeiten unmöglich machte. Im darauf folgenden Jahr 821 ordnete Ludwig der Fromme Deichbauarbeiten an den Ufern der Loire an, womit den unmittelbaren Folgen (Hungersnöte, Epidemien)

|| 367 Annales Sancti Amandi, ad a. 809. Ed. Pertz, MGH SS 1, 14; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 16: Hoc anno fuit inundatio aquarum talis, qualis antea nunquam fuit in terra ista visa, et fuit 5. Kal. Ianuarii altissima. Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 14. 368 Annales regni Francorum, ad a. 815. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 143; FSGA 5, 108 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 16 mit falscher Bandangabe: Rhenus fluvius Alpinis imbribus auctus ultra solitum exundavit. Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 14 f. 369 Annales regni Francorum, ad a. 820. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 154; FSGA 5, 124 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 16 f.: Hoc anno propter iuges plauvias et aerem nimio humore resolutum magna incommoda contigerunt. Nam et hominum et boum pestilentia tam inmane longe lateque grassata est, ut vix ulla pars totius regni Francorum ab hac peste inmunis atque intacta posset inveniri. Frumenta quoque et legumina imbrium adsiduitate corrupta vel colligi non poterant vel collecta conputrescebant. Vinum etiam, cuius parvus proventus eodem anno fuit, propter caloris inopiam acerbum et insuave fiebat. In quibusdam vero locis de inundatione fluminum aquis in plano stagnantibus autumnalis satio ita impedita est, ut penitus nihil frugum ante verni temperiem seminaretur. Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 15 f.

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einer künftigen Überschwemmung vorgebeugt werden sollte.370 Ebensolche Maßnahmen wurden für die an der Küste gelegenen Gebieten erlassen, in denen Salz gewonnen wird.371 Die Anordnungen wurden wörtlich in den Kapitularien für das Jahr 827 wiederholt.372 Die Xantener Annalen beschränken sich bei ihrem Eintrag zum Jahr 834 auf die Angabe, dass in diesem Jahr die Gewässer weit über das Land hinaustraten.373 Gottschalk geht von einer großen Flut aus, die große Teile Westeuropas und vielleicht auch die Niederlande heimgesucht haben könnte.374 Zwei Eintragungen in weiteren Annalen machen tatsächlich eine ungünstige Witterung wahrscheinlich, die hier mit dem Herrschaftswechsel koinzidierte. Die Annales Bertiniani vermerken: „Alsbald sammelte dieser ein Heer in Aquitanien und jenseits der Seine; Ludwig aber rief die Baiern, Ostfranken, Sachsen, Alamannen und die Franken diesseits des Kohlenwaldes zu den Waffen, und mit diesen zogen sie auch beide gegen Aachen. Als Lothar dies hörte, verließ er Aachen und führte den Vater unter der erwähnten Bedeckung mit sich nach Paris; hier fand er Pippin mit seinem Heere schon angelangt, den nur der ungewöhnliche Wasserstand der Seine vom Übergang über den Fluss abhielt, wie denn der erhöhte Wasserstand auch der andern Flüsse und ungewohnte Überschwemmungen vielen nicht geringe Hindernisse in den Weg legten“.375

Als es im Jahr 834 zum temporären Herrscherwechsel kam und Ludwig der Fromme am 1. März 834 in Saint-Denis wieder als Kaiser eingesetzt wurde, gehörte nach Tremp „Der Anbruch von schönem Wetter (…) zum Topos des Herrscherlobes (…),376 [er]

|| 370 Capitula missorum 821, Nr. 10. MGH Capit. 1, 300 f.: De aggeribus iuxta Ligerim faciendis, ut bonus missus eidem operi praeponatur, et hoc Pippino per nostrum missum mandetur, ut et ille ad hoc missum ordinet, quatenus praedictum opus perficiatur. 371 Capitulare ad Theodonis villam 821, Nr. 8. MGH LL 1, 229 f.: De terra in litore maris, ubi salem faciunt, volumus ut aliqui ex eis veniant ad placitum nostrum, et ratio eorum audiatur, ut tunc secundum aequitatem inter eos definire valeamus. 372 Hludowici et Hlotharii Capitularia, Nr. 8 u. 10 (MGH LL 1, 312). 373 Annales Xantenses, ad a. 834. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 9; FSGA 6, 342 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 17: Eodem anno aquae inundaverunt valde super terram. 374 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 17. 375 Annales Bertiniani, ad a. 834. Ed. Grat u. a., 11; FSGA 6, 22 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 17: At ille statim convocavit exercitum Aquitaniorum et Ultra sequanensium, Hludowicus Baioarios, Austrasios, Saxones. Alamannos necnon et Francos qui citra Carbonariam consistebant; cum quibus etiam ad Aquis properare coeperunt, Cumque hoc Hlotharius cognovisset, de Aquis abscessit et patrem suum usque ad Parisius sub memorata custodia de duxit ibique iam Pippinum cum exercitu repperit, Sequanae insolita exuberatione transire prohibitum; nam nimium ceterorum quoque fluminum inundatio et ultra alveos insueta progressio multis non parvum intulit impedimentum. 376 Walahfried, In Adventu Hlotharii imperatoris. MGH Poetae 2, Nr. 63, 405: 1. Innovatur nostra laetos / terra flores proferens; / ver novum praesentat aestas, / dum datur te cernere. / Imperator magne, vivas / semper et feliciter. // 2. Gaudeat totum tuorum / agmen hic fidelium, / omnis aetas, omnis ordo

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kann aber in Anbetracht der vorangegangenen Schlechtwetterperiode durchaus der Wirklichkeit entsprochen haben.“377 Die Anmerkungen des Astronomus zu diesem Jahr 834 scheinen tatsächlich dem Topos des Herrscherlobes verhaftet: „Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatten so gewaltige Stürme und heftige Regengüsse gewütet, dass die Hochwasserfluten den normalen Wasserstand weit überstieg, und die Flüsse wegen der Windstöße nicht befahren werden konnten. Bei seiner [Ludwigs] Freisprechung aber zeigten sich die Elemente so verschworen, dass bald die Wut der Winde sich legte und des Himmels Antlitz in der früheren, seit längerer Zeit nicht gesehenen Heiterkeit erschien“.378 Im September 841 kam es zu einem Hochwasser der Seine379 nach einem Gewitter, wie es in einer Heiligenvita genannt wird.380 Allein wäre dieser Eintrag nicht belastbar genug, aber es gibt weitere Quellen zu dem Ereignis, denn Nithart geht in einem Nebensatz ebenfalls auf diese Überschwemmung ein: „Auf die gleiche Weise kann auch der scheinbar unerklärbare Anstieg der Seine erklärt werden, der 841 zum Friedensschluss zwischen den Söhnen Ludwigs des Frommen, Karl und Lothar führte“381 Nithart instrumentalisiert das Hochwasser als kausale Ursache für den Frieden. Die Darstellung folgt dem Muster, dass Gott die Seine über ihre Ufer treten ließ, um Einfluss auf die Ereignisgeschichte zu nehmen. Dass das Hochwasser in dem Jahr in ganz Aquitanien herrschte zeigt der nächste Eintrag bei Nithart: „Karl [der Kahle] befahl daher allen Aquitaniern, die seiner Partei angehörten, in Gemeinschaft mit seiner Mutter ihm zu folgen, ebenso allen, welche aus Burgund und dem Raum zwischen Loire und Seine sich zu seiner Herrschaft bekannten, zu ihm zu stoßen. Er selbst trat mit denen,

|| / corde dicens intimo: Imperator etc. // 3. Extet adventus beatae / nunc tuae praesentiae, / gaudio plenus sereno / et favore simplici. Imperator etc. // 4. Iuste, felix et benigne, / mitis et piissime, / pande mentis hic nitorem / nostra complens gaudia. Imperator etc. 377 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 491 Anm. 767. 378 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 51. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 488–491: Et enim usque ad tempus illud tanta incubuerat procellarum vis pluviarumque vehementia, ut extra solitum aquarum excresceret superhabundantia, flatusque ventorum inperviabiles redderet fluminum alveos. Sed in illius absolutione ita quodammodo coniurasse visa sunt elementa, ut mox et venti saevientes mitescerent, et coeli facies in antiquam et multo tempore invisam serenitatem rediret. 379 Vgl.Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 18; Gottschalk, Stormvloeden (1971), 31. 380 Ex Odonis Miraculis S. Mauri, ad a. 841. Ed. Holder-Egger, MGH SS 15.1, Nr. 4, 469: Cumque et iocundissima caeli esset serenitas, et apertissima solis resplenderet claritas, subito, dum beati viri o Mauri nomen in letaniarum prece a fratribus inclamari coepisset, tantus fragor tonitruorum minaci supra modum concrepuit terrore, tantaque coruscatio emissorum inhorruit fulminum, ut omnes qui rapinae malo decepti illuc advenerant vitae discrimen se subituros iam iamque pertimescerent, presertim cum repentina effusione inundatio subitaneae pluviae consecuta limina ostiorum eos egredi prohiberet. 381 Nithard, Historiarum libri, 4, 5. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ. 44, 19; FSGA 5, 414 f.: Accedebat insuper, quod amnis inundans vada ubique denegaverat, custodes autem fluminis omnes naves aut contriverant aut certe submerserant, Gerardus quoque pontes, quos cumque repperit, destruxit. Vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 50.

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die gerade anwesend waren, obgleich manche Schwierigkeit drohte, den oben angegebenen Zug [nach Attigny] an. Und als er an die Seine kam, fand er daselbst Guntbold, Warnar, Arnulf, Gerard und alle Grafen, Äbte und Bischöfe, aus dem Kohlenwald und den diesseits [südlich] daran stoßenden Gebieten, die Lothar daselbst zurückgelassen hatte, um Karl, wenn er ohne seine Einwilligung über den Fluss gehen wollte, an dieser Absicht zu hindern. Dazu kam noch, dass der hohe Wasserstand des Flusses alle Furten unpassierbar machte; die Wächter des Flusses aber hatten alle Fahrzeuge vernichtet oder versenkt, auch hatte Gerard alle Brücken, die er vorfand zerstört. So war der Übergang auf das Äußerste erschwert und jene, welche übersetzen wollten, sahen sich dadurch in nicht geringe Verlegenheit gesetzt. Während man aber noch bei dieser schwierigen Lage der Dinge in vielfachen Plänen sich erging, wurde endlich gemeldet, Handelsschiffe seien aus der Seine-Bucht durch die Gewalt der Flut losgerissen und bei der Stadt Rouen an Land getrieben worden.“382

Der Eintrag zeigt, wie unterschiedlich das Ausmaß einer Überschwemmung in den Quellen dargestellt sein kann und wie wichtig es ist, den topographischen Rahmen in dem das Ereignis wirksam ist zu kennen. Nithart nennt ein paar Fixpunkt wie Paris und Rouen, die verdeutlichen, auf welcher Strecke die Überschwemmung beobachtet worden ist. Zum Jahr 846 sollen die Wassermassen der Auxerre ganze Landinseln mit sich gerissen haben: „Im Mai dieses Jahres trat infolge von Regengüssen eine solche Überschwemmung in Auxerre ein, dass die Flut durch die Wände dringend, sogar die mit Wein gefüllten Fässer in die Yonne fortführte, ja, noch wunderbarer, dass sie einen Weingarten mit dem Erdreich, den Weinstöcken, den Bäumen, ganz so wie er war, und ohne Riss von einem Ufer der Yonne auf das andere versetzt, als ob er von Natur dort gewesen wäre“.383 Festzuhalten bleibt eine Phase von Frühjahrsgewittern im Mai 846, in deren Folge es zu Überflutungen von Yonne und Auxerre kam.384

|| 382 Nithard, Historiarum libri, 2, 6. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ. 44, 19; FSGA 1, 414 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 18: Ergo omnes Aquitanos, qui suae parti favebant, una cum matre post se venire praecepit, insuper, quicumque e Burgundia nec non et inter Ligerem et Sequanam sui iuris esse vellent, similiter fecit. Idem autem ipse una cum his qui per praesens aderant, quanquam difficile videretur, prefatum iter arripuit. Cumque Sequanam venisset, repperit Guntboldum, Warnarium, Arnulfum, Gerardum nec non et omnes a Carbonariis et infra comites, abbates, episcopos, ob hoc videlicet a Lodhario inibi relictos, ut, si absque suo consensu transire vellet, minime posset. Accedebat insuper, quod amnis inundans vada ubique denegaverat, custodes autem fluminis omnes naves aut contriverant aut certe submerserant, Gerardus quoque pontes, quos cumque repperit, destruxit. Igitur supra modum transitus difficilis effectus non modicam transire cupientibus inportabat molestiam. Cum autem tot difficultatibus animi multimodis agitarentur consiliis, tandem mercatorum naves ab hostio, quo Sequana mare infinit, ferventi estu abductae propterque Rotomacensem urbem expositae nunciantur. 383 Annales Bertiniani, ad a. 846. Ed. Grat u. a., 52; FSGA 6, 68 f.: Huius anni mense Maio tanta apud Altiodorum civitatem inundatio pluvarium fluxit, ut parietes penetrans ipsas etiam cupas plenas vini in fluvium Icaunam detulerit, sed et, quod est mirabilius, quandam vineam cum terra, vitibus et arboribus omnibus in nullo disruptam, ita ut erat solidam, a parte Icaunae fluminis in alteram eiusdem fluvii partem transposuerit, acsi in eodem agro naturaliter fuerit. 384 Vgl.Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 18; Gottschalk, Stormvloeden (1971), 31.

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Zum Jahr 849 verzeichnet die Chronik des Klosters St-Wandrille, dass „der herbstliche Regen zu heftigen Überschwemmungen führte“.385 Gleich zu Beginn des darauffolgenden Jahres 850 kam es in Mitteleuropa zu einem Starkgewitter, das von Mainz im Osten, wo es ein Chronist zum 1. Januar beschrieb386, nach Westen gezogen zu sein scheint, wo es am 3. Januar mit Blitz, Donner und starken Regenfällen über dem Kloster St-Wandrille beschrieben wurde.387 Bereits Weikinn und Gottschalk gingen davon aus, dass der Bericht das westliche Mitteleuropa betrifft, ohne zu beschreiben, dass die Zugrichtung des Regens aus den beiden Quellen anhand der angegebenen Daten klar nachzuvollziehen ist.388 Die Genauigkeit der überlieferten Daten spricht ganz klar für eine regionale Zugrichtung der Gewitterzellen von Osten nach Westen. Im Jahre 857 gab es laut den Salzburger Annalen eine große Überschwemmung,389 die in Süddeutschland auftrat, aber auch Norddeutschland betraf, denn die undatierten Einträge in den Gesta der Bischöfe von Lüttich390 und im Libellus de Adventu Reliquiarum könnten ebenso auf dieses Ereignis zu beziehen sein:391 „Es war zu dieser Zeit eine solche Überflutung durch Regengüsse und eine sehr starke Beanspruchung durch das Wasser, dass man glaubte, es wäre die Strafe einer weiteren Sinflut. Daraufhin veranstaltete eine unzählbare Volksmenge mit allen Klerikern eine Prozession mit Hymnen und Lobgesängen und mit den wertvollen Reliquien um das Kloster (cenobium), um die Sinflut abzuwenden.“392

|| 385 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 849. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Autumnale tempus imbribus inundantissimum fuit. 386 Annales Xantenses, ad a. 850. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 17; FSGA 6, 350 f.: Anno DCCCL. Kalendis Ianuarii, id est octabas Domini, eodem die ad vesperum tonitruum auditum est magnum, et fulgur nimium visum est, et inundatio aquarum ipsa hieme humanum genus affligebat. Et sequenti aestate calor nimium solis terram urebat. 387 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 849. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Tertio Nonas Ianuar. fulgura et tonitrua exiterunt, pluviae quoque largissimae. 388 Vgl.Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 19; Gottschalk, Stormvloeden (1971), 31. 389 Annales ex annalibus Iuvanensibus antiquis excerpti, ad a. 857. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 744; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 19: Magna inundatio. 390 Aegidii aureaevallensis Gesta episcoporum Leodiensium. Ed. Heller, MGH SS 25, L. III. Nr. 10, 87: Erat ipso in tempore tanta pluviarum inundatio tamque valida ymbrium effusio, ut pene alterum diluvium crederetur. Iam vero cum quanta alacritate populus innumerabilis processerit, quam religiose omnis clerus et populus cum ymnis et laudibus preciosas reliquias ad cenobium usque perduxerit, nisi qui presens vidit, vix credere potest. Pro serenitate aeris, pro tranquillitate pacis voces levabantur ad aures, ut creditur, pervenientes Dei omnipotentis. 391 Zwar hat der Bearbeiter von MGH SS 25 das Jahr 851 vorgeschlagen, aber dieses Datum ist nirgendwo angegeben. 392 Libellus de Adventu Reliquiarium. Ed. Arndt, MGH SS 20, 581: Iam vero cum quanta alacritate populus innumerabilis processerit, quam religiose omnis clerus et populus cum ymnis et laudibus preciosas reliquias ad cenobium usque perduxerit, nisi qui presens vidit, vix credere potest. Pro serenitate aeris, pro tranquillitate pacis voces levabantur ad aures, ut creditur, pervenientes Dei omnipotentis.

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Auch die Annales Bertiniani verzeichnen, allerdings zum Jahr 858, dass „im Mai in Lüttich, wo der Leib des heiligen Bischofs Lambert ruht, plötzlich durch Regengüsse eine solche Überschwemmung eintraten, dass Häuser und Steinmauern und allerlei Gebäude mit den Bewohnern und allem darin, ja selbst die Kirche des heiligen Lambert durch die Gewalt der Fluten in die Maas fortgerissen wurden“.393 Der Eintrag einer große Überschwemmung in den Annales Corbeienses zum selben Jahr, macht eine großflächige Überflutung auch des Gebietes der Weser wahrscheinlich.394 Dass durchaus auch die Normannen die Gefahren des Hochwassers und die Angespanntheit der Bevölkerung aufgrund von Überschwemmungen ausnutzen konnten, zeigen die Einträge in den Xantener Annalen zu den Jahren 863/864: „In demselben Jahr war der Winter stürmisch, veränderlich und sehr regnerisch, fast ganz ohne Eis, wie im Folgenden klar wurde an der Kirche des heiligen Victor. Im Jahr 864. Bei der ungeheuren Anschwellung der Gewässer kamen die schon oft genannten Heiden, wobei sie überall die Kirche Gottes verwüsteten, den Rhein herauf bis zum Niederrhein und verheerten den so berühmten Ort.“395 Auch Weikinn geht hier von einer Überflutung entlang der Ufer des Rheins aus,396 die aber auch in der Region Salzburg spürbar war, wo die „Gewässer anschwollen, weil es nicht aufhörte zu regnen.“397 Auch nach den Hildesheimer Annalen wurde im Jahr 865 durch eine Überschwemmung und durch Hagel das Getreide zerstört.398 Auch zum Jahr darauf, 866, kam es plötzlich zu einer großen Flut und starker Hagel zerstörte das Getreide.399 Der Eintrag beider Annalisten ist allerdings wortgleich. Vielleicht könnte eine von Beninga im 16. Jahrunderte erwähnte Sturmflut längs der friesischen Küste, die das Seewasser in den Rhein, die Maas, die Waal, die Oster, die Weser und die Elbe drückte, auf das in den

|| 393 Annales Bertiniani, ad a. 858. Ed. Grat u. a., 78; FSGA 6, 96 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 19 mit falscher Bandangabe: Mense Maio in vico Leudico, in quo corpus sancti Landberti episcopi quiescit, tanta subito pluviarum inundatio effusa est, ut domos et muros lapideos seu quaecumque aedificia cum hominibus et omnibus quaecumque illic invenit usque ad ipsam ecclesiam memoriae sancti Landberti violenta eruptione in Mosam fluvium praecipitaverit. 394 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 31; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 19. Annales Corbeienses, ad a. 858. Ed. Prinz, 1982: Inundatio nimia. 395 Annales Xantenses, ad a. 863 und 864. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 20; FSGA 6, 354 f.: Eodem anno hiemps turbulenta, mutabilis et pluvialis valde, ut pene absque gelu omnio, ut in sequentibus patuit in aecclesia sancti Victoris. Anno DCCCLXIIII. Nimia inundatione aquarum pagani sepe iam dicti aecclesiam undique vastantes per alveum Reni fluminis ad Sanctos usque pervenerunt et locum opinatissimum vastaverunt. 396 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 31; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 21. 397 Annales Salisburgenses, ad a. 964. Ed. Pertz, MGH SS 1, 89: In illo anno universo non cessabant pluvia et aquas crescere, ita ut navigabat superficiem terrae. 398 Annales Hildesheimenses, ad a. 865. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Subitaneum diluvium et vehemens grando fruges assumpsit. 399 Annales Hersfeldenses, ad a. 866, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 450: Subitaneum diluvium et vehemens grando fruges absumpsit.

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Hersfelder Annalen beschriebene Ereignis zurückgehen.400 Allerdings scheint auch in Süddeutschland in diesem Jahr ein Überflutungsereignis stattgefunden zu haben.401 Eine weitere Überschwemmung vermelden die Fuldaer Annalen zum Jahr 868: „Auch schwollen die Quellen und Flüsse durch übergroße Regenmengen an und richteten in verschiedenen Orten an Früchten und Gebäuden einen nicht geringen Schaden an. Auf diese Plage folgte auch große Hungersnot nebst gewaltigem Sterben des Menschengeschlechts in ganz Germanien und Gallien.“402 Im „Februar 868 hörte man bei dunklem Regengewölk in der Luft403 mehrfach Donner, und am 15. Februar, der heiligen Nacht nach Septuagesima, erschien ein Komet im Nordwesten, dem sogleich ein ungeheurer Sturm und unermessliche Überschwemmung folgte, bei der viele unversehens umkamen. Und hernach zur Sommerszeit folgte in vielen Provinzen eine heftige Hungersnot, vornehmlich in Burgund und Gallien, wo eine große Menge Menschen eines bitteren Todes starb, sodass Menschen Menschenleiber gegessen haben sollen. Aber auch von Hundefleisch sollen sich einige ernährt haben.“404 Zwar wurde das hier erwähnte Ereignis in die modernen Auflistungen von Weikinn und Gottschalck aufgenommen,405 aber der Topos der Anthropophagie mahnt insgesamt zur Zurückhaltung bei der Interpretation dieser Quellenstelle.406 Zwei Jahre später wird wieder eine Überschwemmung genannt. Der Chronist der Annales Xantenses gibt zur Überschwemmung im Winter der Jahre 872/873 die betroffenen Regionen und die Folgen an: „Zur selben Winterszeit entstand unverhofft eine Überschwemmung durch Schneeschmelze, vor allem an den Ufern des Rheins. Durch das Anschwellen der Gewässer ging eine Menge Menschen nebst Gebäuden und unzähligen Feldfrüchten zugrunde“.407 Auch in der Chronik des Klosters Stablo

|| 400 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 32. 401 Annales Altahenses maiores, ad a. 865. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 6; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 22 mit falscher Bandangabe: Subitum diluvium, grando frugibus nocuit. 402 Annales Fuldenses, ad a. 868. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 67; FSGA 7, 72 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 22: (…) fontes quoque et flumina propter nimiam imbrium inundationem crescendo intumuerunt et per diversa loca in frugibus et aedificiis damnum fecere non modicum. Hanc plagam fames etiam magna cum ingenti pernicie humani generis per totam Germaniam et Galliam secuta est. 403 Ps 17,12: tenebrosa aqua in nubibus aeris. 404 Annales Xantenses, ad a. 868. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 26; FSGA 6, 360–363: Mense Februario, tenebrosis aquis in nubibus aeris, tonitrua audita sunt, et XV. Kal. Martii, id est nocte sancta septuagesimae, stella cometes visa est ab aquilone et occidente, cui statim nimia tempestas ventorum et inmensa inundatio aquarum est subsecuta, in qua multi inprovidi interierunt. Et postea aestivo tempore fames acerrima in multis provintiis subsequitur, maxime in Burgundia et Gallia, in quibus magna multitudo hominum acerbam sustinuit mortem, ita ut homines hominum corpora comedisse feruntur. Sed et canum carnibus aliqui vesci dicuntur. 405 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 32; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 22. 406 Vgl. Kap. 5.1.5 Topos: Anthropophagie. 407 Annales Xantenses, ad a. 873. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 32; FSGA 6, 368 f.: Eodem hiemis tempore insperatum diluvium nive madens repente inolevit, maxime in litoribus Rheni fluminis.

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bei Lüttich wird dieses Ereignis genannt und um weitere Informationen erweitert: „In diesem Jahr war der Winter hart, eine Überschwemmung, ein Erdbeben und in einigen Orten Heuschrecken“.408 Während Weikinn noch andere Quellen zitiert, geht Gottschalk davon aus, dass zwar die Flüsse in den Niederlanden überflutet waren, es aber kein sturmbasiertes Flutereignis war.409 Festzuhalten ist, dass es zu einer Schneeschmelze kam, also zu einer unvorhergesehenen Erwärmung. Zum Jahr 875 oder 876 verzeichnen die Magdeburger Annalen und diesen folgend Sigebert von Gembloux410 den Eintrag, dass „ein hellerer Komet als gewöhnlich erschien. Eine plötzliche und ungewöhnliche Überschwemmung war im Monat Juni, sodass in Sachsen Dörfer, die weit von Wildbächen und Flüssen entfernt lagen, in einem Moment mit Mensch und Tier, mit Bäumen und Gebäuden, mit Kirchen und Altären so vollständig zerstört wurden, dass sie keine Spuren der Einwohner hinterlassen haben.“411 Das Erscheinen des Kometen wird hier instrumentalisiert, um weitere Unglücksnachrichten einzuleiten. Der Chronist, der die so genannten Fuldaer Annalen verfasste, bezeugt den Sachverhalt, der anscheinend ein Jahr früher, nämlich auf 875, zu datieren ist412: „Ein Komet wurde den 6. Juni [875] im Norden in der ersten Stunde der Nacht sichtbar, ungewöhnlich funkelnd mit gesträubtem Schweif, der ein erstaunenswertes, vielmehr beklagenswertes Ereignis, das schnell erfolgte, durch sein Erscheinen vorauszeigte, obwohl man jetzt noch als Folge unserer Sünden fürchten muss, dass er auf Schlimmeres deutete. Nämlich ein Dorf im Nidda-Gau, mit Namen Eschborn, weit entfernt von Flüssen, wurde durch eine plötzliche Überschwemmung von Regengüssen beinahe vernichtet, wobei 88 Menschen beiderlei Geschlechts umkamen. Denn während die Menschen dieses Ortes am 3. Juli schlafen gegangen waren, ohne irgendeine Ahnung des Übels, stürzte in einem Augenblick ein solcher Regen vom Himmel herab, dass er alle Bäume und Weinberge, welche er in diesem Dorf traf, vollständig entwurzelte, die Gebäude von Grund aus umwarf und das Zugvieh und die Tiere mit allem, was in den Häusern war, dem Verderben überlieferte. Auch die Dorfkirche wurde mitsamt ihrem Altar vernichtet, sodass sie denen, welche sie eben noch sahen, keine Spur ihrer Erbauung ließ. Es gab aber dort klägliches Elend zu sehen; denn wenn Frauen nach den Kindern und Männer nach ihren

|| Ex influentia aquarum multarum multitudo hominum cum aedificiis et frugibus innumerabilibus deperiit. 408 Annales Stabulenses, ad a. 872. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: Hoc anno (…) hyems gravissima, aquarum inundatio, terrae motus, in quibusdam locis pestilentia locustarum. 409 Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 22 f.; vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 33. 410 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 876. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 342: Cometes solito rutilantior apparuit. Subita et nimia aquarum inundatio facta est in Iunio, ita ut in Saxonia villa quaedam longe a torrentibus et fluminibus remota, in momento cum hominibus et bestiis, cum arboribus et aedificiis, cum aecclesia et altari penitus absorta sit, et nullum habitationis remanserit vestigium. 411 Annales Magdeburgenses, ad a. 876. Ed. Pertz, MGH SS 16, 140: Cometes solito clarior apparuit. Subita et nimia aquarum inundatio facta est mense Iunio, ita ut in Saxonia villa quedam longe a torrentibus et fluminibus remota, in momento cum hominibus et iumentis, cum arboribus et edificiis, cum aecclesia et altari penitus absorpta sit, nullumque habitacionis vestigium remanserit. 412 So auch Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 23; vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 33.

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Weibern die Hände streckten und ihnen zu helfen suchten, wurden sie von der Gewalt des Wassers fortgerissen und samt denen, welchen sie helfen wollten, getötet. Aber auch längst begrabene Leichen wurden durch die Gewalt des Wassers aus ihren Gräbern gespült und samt Särgen, in denen sie lagen, auf der Markung eines anderen Dorfes gefunden.“413

Der Westerbach, ein Nebenfluss der Nidda, die wiederum in den Main entwässert, ist vergleichsweise klein, führt aber mitten durch das Zentrum von Eschborn. Die Detailinformationen über Eschborn könnte der Chronist als Augenzeuge dokumentiert haben, denn seit dem Jahre 770, als der Ort Aschenbrunne in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Lorsch erstmals urkundlich erwähnt wurde,414 unterstand der Ort dem Kloster. Zur Datierung ist anzumerken, dass zwischen dem genannten Erscheinen des Kometen und dem regenbasierten Unglück hier fast ein ganzer Monat liegt. Zehn Jahre später schrieb der Annalist zum Jahr 886: „Im Februar wurde ein Heer der Ostfranken gegen die Normannen geschickt, die in Gallien vor Paris standen. Unterwegs erlitten sie durch Regenüberschwemmungen und einbrechende Kälte nicht geringe Verluste unter ihren Pferden. (…) Im Mai, Juni und Juli aber fiel eine solche Menge Regen Tag und Nacht ohne Unterlass vom Himmel, dass keiner aus der gegenwärtigen Zeit versicherte, solch ein Übermaß an Wasser gesehen zu haben. Dadurch schwollen die Flüsse an verschiedenen Orten an und wurden den einzelnen Feldfrüchten sehr schädlich. Der Rhein, der über die Ufer trat, führte allerorts, vom Ursprung bis zum Eintritt in das Meer, Korn, Leinen und Heu fort. Auch der Po in Italien soll Ähnliches angerichtet haben.“415

|| 413 Annales Fuldenses, ad a. 875. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 83 f.; FSGA 7, 96 f.: Stella cometes VIII. Id. Iunii in aquilonali parte prima hora noctis apparuit plus solito scintillans comasque spargens, rem stupendam, immo lugendam, quae cito secuta est, sua apparitione praemonstrans, quamvis adhuc peccatis nostris exigentibus graviora significare timeatur. Nam villa quaedam in pago Nitense nomine Asgabrunno a fluminibus et torrentibus longe remota subitanea imbrium inundatione pene deleta est, et octuaginta octo homines utriusque sexus in ea deleti. Dum enim homines eiusdem loci V. Non. Iul. dormitum issent nihil mali suspicantes, tanta pluvia uno momento caelitus lapsa est, ut omnes arbores et vineas, quas tangebat in eadem villa, radicitus exstirparet, aedificia funditus everteret, iumenta et animalia cum omnibus, quae in domibus erant, perditioni traderet. Aecclesia quoque eiusdem villae cum suo altari ita deleta est, ut modo cernentibus nullum suae constructionis praebeat indicium. Erat autem ibi videre misera; nam cum feminae liberis et viri coniugibus manum porrigentes subvenire niterentur, impetu aquarum rapti una cum eis, quibus auxilio esse volebant, extincti sunt. Sed et cadavera longo tempore tumulata vi aquarum de sepulchris soluta cum vasculis, quibus inerant, in terminis alterius villae reperta sunt. 414 Lorscher Codex. Ed. Lamey/Minst, Bd. 5, Nr. 3382 (nach einer Kopie des 12. Jh.). 415 Annales Fuldenses, ad a. 886 (Wiener HS). Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 104; FSGA 7, 126 f.: Mense Februario exercitus orientalium Francorum missus est contra Nordmannos in Galliam iuxta Parisios consistentes; qui in itinere propter imbrium inundationem et frigus imminens non modicum equorum suorum perpessi sunt damnum. (…) Mense vero Maio, Iunio atque Iulio tanta vis imbrium die noctuque sine intermissione caelitus lapsa est, ut nullusaevi praesentis tantam aquarum habundantiam se ridisse fateatur. Und fulmina in diversis locis intumescantia frugibus variis extitere pernoxia. Nam Rhenus alveum suum egressus cuncta loca sibi contigua ab ortu suo usque ad introitum maris omnibus frugibus et lino et foeno evacuavit. Padus quoque in Italia similia ferisse perhibetur.

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Der Annalist nennt hier ausdrücklich die Zeit des hydrologischen Sommers (Mai, Juni, Juli). Überliefert wird die beschriebene allgemeine Überflutung der Flüsse auch in einer kurzen Nachricht in den Annalen des nördlich von Arras im Norden Frankreichs gelegenen Klosters St. Vaast: „Im Jahre des Herrn 886 am 6. Februar traf aber die Bewohner der Stadt ein schweres Missgeschick. Ein bedeutendes Wachsen des Flusses zerriss nämlich die kleinere Brücke.“416 Gerade die Nennung der verschiedenen Brücken – die kleine, die zerstört wurde, setzte eine große unzerstörte voraus – weist diesen Bericht wahrscheinlich als unmittelbar betroffenen Augenzeugenbericht aus. Gottschalk geht nicht von einer Sturmflut aus, wie sie von anderen Autoren vermutet worden ist.417 Aber so einfach ist es nicht, denn es werden ja insgesamt drei Ereignisse genannt, eines am 6. Februar, ein weiteres im hydrologischen Sommer und im Herbst sowie ein drittes in den Fuldaer Annalen, wo es zum Herbst 886 heißt: „Zur Herbstzeit wuchsen mehr als gewöhnlich und unerwartet die Gewässer an. Denn im Osten wurden von den über die Ufer ausbrechenden Fluten unvermutet die umliegenden Dörfer fortgerissen, dergestalt, dass man sie mit den Einwohnern, Männern, Frauen und Kindern, bis zum Untergang vernichtet sieht. Innerhalb der Alpen war eine so reißende Strömung der Gewässer und Zusammenstoß von Steinen, dass man Biegungen und Spuren der Wege längs der abschüssigen Seiten des Gebirges auf keine Weise mehr wird erblicken können.“418

Auch von späteren Chronisten wird erwähnt, dass „eine ungewöhnliche Überschwemmung in der Herbstzeit eintrat, als die Gewässer über die Ufer traten, mehrere Landhäuser umstürzten, und in vielen Bergen die Wege zerstörten und den Menschen viel Schaden zufügten.“419 Es lässt sich eine große Flussüberflutung westlich des Rheins festhalten.420 Zum Jahr 889 überliefern wiederum die Annales Fuldenses: „Aber unter anderem sah man ein schreckliches Wunderzeichen im Lande der Thüringer. Wasser stürzte vom Himmel, nicht wie es im Regen pflegt tropfenweise herabzufallen, sondern zu

|| 416 Annales Vedastini, ad a. 886. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 59; FSGA 6, 310 f.: Anno domini DCCCLXXXVI. VIII. Idus Februarii contigit grave discrimen infra civitatem habitantibus. Nam ex gravissima inundatione fluminis minor pons disruptus est. 417 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 34. 418 Annales Fuldenses Continuatio, ad a. 886. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 114 f.; FSGA 7, 144 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 25 mit falscher Bandangabe: Tempore autumni plus solitum inundationes aquarum excreverunt inestimate. Nam in Oriente erumpentibus per litus fluctibus villae inopinate circumdate subito feruntur, ita ut cum inhabitantibus viris, feminis, infantulis usque in abyssum deletae cernuntur. Inter Alpes vero talis rapacitas aquarum et collisio lapidum fuit, ut flexuras et vestigia viarum per divexa montis latera nullo modo prospici poterint. 419 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 886. Ed. Pertz, MGH SS 5, 109; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 25: Insolita inundatio autumni tempore facta, exundantibus aquis, plurimas villas evertit, et multis in montibus vias diruit, multaque mortalibus damna intulit. 420 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 34; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 26.

432 | Extreme Witterungsereignisse

Haufen wie ein Gießbach, und in drei Dörfern wurden in einem Augenblick die Häuser fortgerissen und 300 Leichen sammelte man, die der Schwall des Wassers aufs Feld fortgerafft hatte.“421 Auch im Jahr 896 kam es zu Überschwemmungen, nämlich in Kampanien und Oberitalien: „Währenddessen waren schwere und sehr anhaltende Regengüsse; daher schwollen die Flüsse Sabbato und Volturno außergewöhnlich an, sodass die Wellen des Flusses Volturno sogar über die Brücke flossen, ein Ereignis, dessen sich keine Altersstufe der Menschen erinnern konnte.“422 Vermutlich ist hier die römische Brücke bei Capua gemeint, das 856 von den Langobarden als Capua nova neugegründet worden war. Der Fortsetzer der Fuldaer Annalen schrieb: „Nun wurde wegen gewaltiger Luftströme, unaufhörlicher Regengüsse und unmäßiger Überschwemmungen das ganze Heer auf verschiedenen Berggipfeln aufgehalten.423 Andere Annalisten vermerken nur: „Sehr große Überschwemmung“424 und spätere Kompilatoren schrieben: „Eine große Flut durch Regengüsse setzte den Truppen sehr zu und viele Pferde gingen darin verloren (…).“425 Die von Gottschalk zu den Jahren 900 und 904 gestellten Überschwemmungen lassen sich nicht durch zeitgenössische Quellen belegen.426 Eine Beobachtung des islamischen Reisenden Ibn Faḍlān die in das Jahr 922 datiert, lautet: „Es gingen einige Kaufleute zum Fluss Atil [der von uns eine Tagesreise

|| 421 Annales Fuldenses, ad a. 889 (HS v. Altaich). Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 125–127; FSGA 7, 148 f.: Grave igitur tempus hoc anno incanduit. Nam Italica febris tussiendo perplurimos vexabat, inundationes aquarum plus solito excrevere, civilia bella circumquaque regiones conquassantur, pestilentia sparsim ac fames inopinata ultra modum incubuit. Grandine vero contritis frugibus mortales inopiam frugum cum miseria patiuntur. Sed inter alia execrabile prodigium in regione Thuringorum visum est. Namque e celo aqua, non ut solet pluvia stillatim descendere, sed coacervatim quasi fluens torrens irruit, per tres villas uno momenti ictu evulsis aedificiis, ter centum cadavera mortuorum inpulsione aquarum campo deiecta colligebantur. 422 Catalogus regum Langobardorum et ducum Beneventanorum, ad a. 897. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 497; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 26: Inter haec graves valde iugesque fuere imbres; proinde Sabbatum et Calor flumina ultra solitum intumuere, ita ut etiam super pontem Caloris fluvii undae influerent, quod nullam umquam fieri meminit aetas. 423 Annales Fuldenses Continuatio, ad a. 896. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 127; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 26 mit falscher Bandangabe: Igitur propter nimiam tempestatem aeris et immoderatam effusionem imbrium et ultra modum inundationibus aquarum omnis exercitus per divexa moncium cacumina impediti sunt, passim errando laboriose pervagatus. 424 Annales Corbeienses, ad a. 896. Ed. Prinz, 1982; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 26: Inundatio nimia. 425 Herimanni Augiensis Chronicon, ad a. 896. Ed. Pertz, MGH SS 5, 110, Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 26: Magna pluviarum inundatione exercitu fatigato, et plurimis equis inde amissis, Perengario etiam a fidelitate eius deficiente et ad Lantpertum se conferente, Arnolfus rex tandem Romam venit, (…). 426 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 34.

Überschwemmungen durch Starkniederschläge | 433

entfernt ist]. Der Fluss war [zu dieser Zeit] gestiegen und sein Wasser war angeschwollen“.427 Atil ist der alte Namen des Flusses Wolga. Im Jahr 922 führte die Wolga also einen erhöhten Wasserstand. Ein Einschub zum Jahr 941 bei Widukind von Korvei lautet: „Aber den Kometen folgte eine ungeheure Überschwemmung und der Überschwemmung eine Rinderseuche.“428 Wieder werden weitere Unglücke durch das Erscheinen eines Kometen angekündigt. Die toposartige Konstruktion Widukinds erhöht deren Wahrscheinlichkeit nicht, stattdessen sind, nach den Corveyer Annalen die zwei Ereignisse in zwei unterschiedliche Jahre zu verteilen: die Kometensichtung datieren wohl ins Jahr 941 und die Überschwemmungen in Mitteleuropa ins Jahr 942.429 Auffällig ist die folgende größere Lücke von fast 20 Jahren bis zum nächsten überlieferten Überflutungsereignis. 961 soll der Fluss Târ über die Ufer getreten sein. Unklar ist, ob damit der Tiber in Rom gemeint ist.430 Vier Jahre später, 965, soll nach einer historiographischen Quelle „in der Region Sens die Überschwemmung so groß gewesen sein, dass alles Land davon gesättigt war und alles Volk in großer Freude herumstand.“431 Die Freude über Regen setzt indirekt eine Trockenheit in der Zeit vorher voraus, für dies sich aber in den Quellen keine Hinweise finden. Ein heftiges Sommergewitter wird in einer Ergänzung zu den Annalen Flodoards von Reims zum Jahr 966 beschrieben: „Eine seltsame und unerhörte Überschwemmung durch Regen mit Blitz und Donnerschlag ereignete sich am 23. Juli.“432 Das Datum zeigt ganz klar ein ungewöhnliches Sommergewitter an, über das sonst aber nichts bekannt ist.

|| 427 Ibn Faḍlāns Reisebericht, § 72. Ed. Togan, 70 f. 428 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 32. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 94; FSGA 8, 116 f.: Sed cometas inundatio nimia inundationemque boum pestilencia subsecuta est. 429 Annales Corbeienses, ad a. 942. Ed. Prinz, 1982: 941. Cometae apparuit. 942. Inundatio nimia. 430 Gerhardi Vita S. Oudalrici episcopi. Ed. Waitz, MGH SS 4, Nr. 18, 406: Visitare itaque Romam cum quodam tempore aestuanti animo desideraret, et ad fluvium nomine Târ cum perveniret, tam periculosum ex inundatione aquarum factum invenit, ut nullus ex utraque parte advenientium eo die vel alio se posse supervenire speraret: sanctus episcopus in Deum confidens, paratura missatica se indui festinavit, et in litore fluminis cum suis comitibus missam devote celebravit; et post missam praefatum fluvium tanta commoditate transivit, ut nulli eius comitum aliquid ad versitatis eveniret; sed omnes salvi et incolomes Deum laudantes gaudendo ibant per viam. 431 Translatio et Miracula Sanctorum Senesii et Theopontii, Nr. 8. Ed. Schramm, MGH SS 30.2, 990: Eadem vero die tanta inundatio aquarum eos est consecuta, ut omnis terra ea satiata salubriter fuerit et omnis populus in magna laeticia steterit. 432 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 966. Ed. Pertz, MGH SS 3, 407 (Nicht bei Lauer): Mira et inaudita inundatio pluviae et fragor tonitrui ac coruscatio fulgoris decima Kalendas Augusti accidit.

434 | Extreme Witterungsereignisse

Im Jahr 968 kam es angeblich in Mitteleuropa zu einer großen Überschwemmung.433 Nach der großen Flut wurde die Kirche in Empele434 neu errichtet und geweiht. „Im lothringischen pagus Dehsendron, im Herrschaftsgebiet des Grafen Ansfrid, im Dorf Empele, wurde die vordem gegründete, aber durch Überschwemmung zerstörte Kirche wiederaufgebaut.“435 „Der damalige Bischof von Lüttich, Eberkar, ließ auf einer Synode die Gründung, Dotierung und Zerstörung der Kirche untersuchen und durch kanonisches Urteil und Eidschwur von sieben namhaften Männern aus derselben Grafschaft erforschen, ob das Eigentum an der Kirche mit ihrem Zehnten dem Lorscher Kloster nach Recht und Gesetz zustehe.“436 Die wiederaufgebaute Kirche weihte der Bischof am 1. Oktober feierlich zu Ehren der heiligen Märtyrer Nazarius und Lambert ein. Das Kloster Lorsch hatte hier Besitz, der zerstört wurde und folglich hatte der Annalist, wie oben beim Kloster Eschborn, ein Interesse an den Ursachen der Naturextreme und leitete eine entsprechende Untersuchung ein. Im Jahr 987 kam es zu einer ungewöhnlichen Überschwemmung437 an Rhein und Mosel.438 Dabei traten die Gewässer über die Ufer und der Sturm warf viele Gebäude nieder.439 Andere Quellen datieren das Ereignis auf den darauffolgenden Winter, in dem es zu ungewöhnlichen Überschwemmungen kam und ein gewaltiger Sturm viele Gebäude niederwarf.440 „Die nach der Wiederherstellung ihrer Burgen an der Elbe erneut angegriffenen Slawen unterwarfen sich dem König und im Winter richtete eine übermäßige Überschwemmung großen Schaden an. Starke Hitze brachte den Feldfrüchten, das Wüten einer tödlichen Seuche den Menschen großen Schaden.“441 Auch

|| 433 Annales Corbeienses, ad a. 968. Ed. Prinz, 1982: Inundacio nimia. 434 Nördl. von ʼs-Hertogenbosch. 435 Chronicon Laureshamense, ad a. 968. Ed. Pertz, MGH SS 21, 393: Unde et in pago Dehsendron in praesidatu Ansfridi comitis, in villa vocabulo Empele, ęcclesiam quondam fundatam sed alluvione aquarum collapsam reaedificavit. 436 Chronicon Laureshamense, ad a. 968. Ed. Pertz, MGH SS 21, 408: Qualiter vero ecclesia in Empele, aquarum proluvio diruta, per Eberkarum Leodicensem episcopum Gerbodoni abbati cum omni iure et decimatione restituta sit, supra perstrinximus, anno videlicet Ottonis imperatoris primi 34. 437 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 38; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 27. 438 Annales Colonienses, ad a. 987. Ed. Pertz, MGH SS 1, 99: Rheni ac Mosellae fluminum innundatio insolita. 439 Annales Hildesheimenses, ad a. 987. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 24: Aque quoque exundabant; nihilominus et ventus plura edificia stravit. 440 Annales Quedlinburgenses, ad a. 987. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 477: Et in proxima hyeme aquae nimium inundaverunt, et ventus ingens multa aedificia stravit. 441 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 18. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 152; FSGA 9, 134 f.: Sclavi iterum appetiti subduntur regi, renovatis iuxta Albim castellis, et in hieme aqua inundans et ventus ingens multum nocuit. Aestas nimia frugibus et seva mortalitas hominibus nimis nocuit.

Überschwemmungen durch Starkniederschläge | 435

aus einem Brief Gerberts von Aurillac, der in das Jahr 987 datiert, geht hervor, dass es in diesem Jahr zu einer großen Überschwemmung gekommen sein muss.442 Das Gerbert auf diese Flut mit Aufträgen zum Wiederaufbau reagierte, geht aus einem Brief des Jahres 988 hervor. Auch die Folgen der großen Überschwemmungen lassen sich mit diesem Brief nachvollziehen, der einen Bericht über den Zustand der Befestigungen von Reims enthält. Wahrscheinlich stammen diese Beschreibungen von dem Vizedom Ragenerus: „Mein alter Palast wurde bis auf die Grundmauern zerstört und auch das von mir beauftragte wiederaufgebaute Palastgebäude wurde von einer Flut fast gänzlich zerstört.“443 In einem in der Briefsammlung Gerberts von Reims überlieferten Schreiben Erzbischof Adalberos von Reims an Erzbischof Egbert von Trier werden die Überschwemmung und ihre Folgen besonders anschaulich beschrieben.444 Bemerkenswert ist die Bemerkung über die Wetterbeobachtung und Witterungsvorhersage durch „Physiker“ (phisicis).445 Zum selben Jahr erwähnt auch die Chronik des Sigebert von Gembloux einen Flutbericht: „Häufig kam es zu weit über dem Gewohnten und langen Überschwemmungen. Später der Sommer war heiß und verderblich, woraufhin auch die Früchte klein geblieben sind.“446 Derselbe Bericht findet sich auch im Chronicon Universale des Ekkehard von Aura447 sowie in der Chronica Albrici.448

|| 442 Briefsammlung Gerberts von Reims, Nr. 109. Ed. Weigle, MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 2, 137 f.: Omni difficultate rerum a coepto itinere interclusi, expetendum censuimus portum salutis. Nam declivium montium torrentes continui intercipiunt, campestria sic iuges aquae vestiunt, ut villis cum habitatoribus sublatis, armentis enectis, terrorem ingerant diluvii renovandi: spes melioris aurae a Physicis sublata. Refugimus itaque ad vos tamquam ad arcam Noe, Treverimque invisere totis viribus conamur: beati Ottonis per vim extorta obsequia in beati Petri Apostolorum Principis devotionem relaturi. 443 Briefsammlung Gerberts von Reims, Nr. 124. Ed. Weigle, MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 2, 151 f.: Antiquis palatiis meis usque ad fundamenta dirutis, etiam renascens palatium, quod michi edificare instituistis, diluvio vestri pene absortum est. Instamus, ac propriis sumptibus fabricam tanti operis novis artificibus insignimus, ne vestro superventu ad suburbana cogamur demigrare cubilia. Huic tam ingenti negotio adhuc dierum 15 spatium attribuite, vestrumque architectum A. remittite, qui coepta perficiat non meis sumptibus, sicque nos ad perstringendam [al., perfringendam] arcem montemque ab ipsis radicibus convellendum cum totis copiis, si ea voluptas in animo est, exspectate. Vgl. ; Chaume: Origines du Duché (1927), 255; RI II,3 Nr. 1003d. 444 Briefsammlung Gerberts von Reims, Nr. 109. Ed. Weigle, MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 2, 137 f.: Omni difficultate rerum accepto itinere interclusi expectendum censuimus portum salutis. Nam declivia montium torrentes continui intercipiunt. Campestria sic iuges aquae vestiunt, ut villis cum habitatoribus sublatis, armentis enectis, terrorem ingerant diluvii renovandi. Spes melioris aurae a phisicis sublata. Refugimus itaque ad vos tamquam ad arcam Noe, Treverimque invisere totis viribus conamur (…). 445 Curschmann, Hungersnöte (1900), 107. 446 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 988. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 353: Inundatio aquarum frequens et ultra solitum ac diutina. Estas postea ferventissima et pluribus perniciosa, unde et fruges minoratae sunt. 447 Ekkehard, Chronicon universale, ad a. 988. Ed. Waitz, MGH SS 6, 191. 448 Chronica Albrici. Ed. Scheffer-Boichorst, MGH SS 23, 774.

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Die Vorlage hierzu könnten die Hildesheimer Annalen gewesen sein, in denen es heißt, dass der Sommer zwischen dem 15. Juli und dem 13. August ungewöhnlich heiß gewesen ist, was die Früchte vernichtete.449 Ganz ähnlich stellten es die/der Verfasser/in der Quedlinburger Annalen dar, ergänzten aber noch, dass eine große Sterblichkeit unter den Menschen folgte.450 Auch nach den Annalen von Köln gingen viele aufgrund der großen Hitze zugrunde.451 Die Jahrbücher des Klosters Ottobeuren überliefern dagegen nur, dass der Sommer ungewöhnlich heiß gewesen sei.452 Während Weikinn annimmt, dass im Jahr 988 Fluten in Belgien, England und Mitteleuropa auftraten, datiert Dousa453 das Ereignis in das Jahr 989. Gottschalk lehnt diese Zuordnung zwar ab, aber in der Chronik des Sigebert von Gembloux gibt es einen entsprechenden und vor allem anderslautenden Eintrag zum Jahr 989.454 Zum Jahr 991 verzeichnen die Augsburger Annalen: „Ein großer Verluste an Bodenfrüchten durch eine Überschwemmung aufgrund des Regens“.455 Dieser Eintrag wurde auch in späteren Zusammenstellungen zitiert.456 Häufige und plötzliche Überschwemmungen der Donau werden im Jahr 997 in der Vita des Bischofs Godehard von Hildesheim genannt.457 Johannes Zonaras vermerkt für das Jahr 1002 bezüglich Byzanz, dass „weil es aber damals viel geregnet hatte und der Fluss daher nicht schiffbar war, Samuel nicht mit einem Angriff rechnete.“458 Im selben Jahr allerdings deutlich weiter im Norden, beschreibt Thietmar von Merseburg, dass „er [Heinrich II.] als neuer König nochmals

|| 449 Annales Hildesheimenses, ad a. 988. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 24: Aestatis fervor nimius ac repentinus Id. Julii usque Id. Aug. inmanissime exardescens, fruges absumpsit. 450 Annales Quedlinburgenses, ad a. 988. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 477: Aestatis fervor immanis pene cunctos fructus consumpsit. Mox grandis mortalitas hominum subsecuta est. 451 Annales Colonienses, ad a. 988. Ed. Pertz, MGH SS 1, 99: Tanta intemperies estatis fuit uti ex aeris inclementia complures interirent. 452 Annales Ottenburani, ad a. 988. Ed. Pertz, MGH SS 5, 5: Aestas nimium fervida. 453 Hier zitiert nach Gottschalk, Stormvloeden (1971), 39. 454 Ex Sigeberti Gemblacensis Monachi Chronica, ad a. 989. Ed. Bethmann, SS 6, 353: Siccitas magna vernalis; unde et satio primitiva impedita, et fames ingens secuta est (…) Nix nimia decidit, imber postea continuus, qui Autumnalem sationem omnimodo denegaret. 455 Annales Augustani, ad a. 991. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Magna sterilitas terrae ab inundatione pluviae. 456 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 39. 457 Wolfher von Hildesheim, Vita Godehardi, Nr. 12. Ed. Pertz, MGH SS 11, 177: Sed postquam intellexit locum illum in quo idem monasterium situm est, Danubio frequenter subito inundante aquarum inmensitate proturbari, adeo ut ibi aut nequaquam aut vix ad deponenda fidelium corpora sepulchra possent fieri, montem quendam qui usque hodie Helmgeresberch orientali parte ecclesiae in ripa fluminis Suarza, silvis adhuc solitudineque deformem elegit, in quo divinum ministerium quod deifica adiutrice sophia perfecerat ordinare decrevit. 458 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 558, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 55.

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den Hochwasser führenden Rhein überschritt und versuchte, durch das ihm ergebene Ostfranken in Schwaben einzufallen.459 Die Annales Blandinienses verzeichnen für das folgende Jahr 1003 ein Sommerhochwasser: „Groß war die Überschwemmung an den Kalenden des Juni und genauso an den Kalenden des August.“460 Die Annales Elmarenses bieten einen weitgehend identischen Eintrag aber zum Jahr 1002.461 Der erste harte Winter des neuen Jahrtausends fand offenbar im Jahr 1003 statt; auf ihn folgte eine große Überschwemmung aufgrund von zuviel Niederschlägen, bei der Flüsse in vielen Regionen vor allem der Loire über die Ufer traten,462 nach den Annales Floriacenses waren aber auch die norditalienischen Regionen betroffen, wo die verheerende Überschwemmungen durch zu viel Regen viele Zerstörungen brachten.463 Diese Überschwemmungen können natürlich darauf basieren, dass die vereisten Flüsse das von den Quellen oder durch Regen eingetragene Wasser aufstauten und über die Ufer treten ließen. Wiederum ein Jahr später, 1004, soll die Loire die Überschwemmung der Sintflut nachgeahmt haben.464 Auch Thietmar von Merseburg überliefert eher nebenbei, dass im Jahr 1004 der Fluss Brenta in Norditalien über seine Ufer getreten sei.465 Sodann werden für fünf Jahre keine Überschwemmungen genannt, bevor sich in den Quedlinburger Annalen für das Jahr 1009 der Eintrag findet: „Eine plötzliche und in unserer Zeit ungewöhnliche Überschwemmung geschah am 11. Januar, einem Montag, dem zehnten Mond, welche großen Schaden brachte und in ihrer Wut sieben

|| 459 Thietmar von Merseburg, Chronik, 5, 12. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 234 f.; FSGA 9, 204 f.: (…) rursus Renum inundantem rex novus transiens, per orientalem Franciam, sibi quam fidelem, Alemanniam invadere (…). 460 Annales Blandinienses, ad a. 1003. Ed. Grierson, 1937: Et magna fuit inundatio aquarum Kalendis Junii. Item inundatio aquarum Kalendis Augusti. 461 Annales Elmarenses, ad a. 1002. Annales. Ed. Grierson, 88: Magna inundatio aquarum; iterum inundatio aquarum kal. Augusti. 462 Annales Floriacenses, ad a. 1003. Ed. Pertz, MGH SS 2, 255: Anno ab Incarnatione Domini MIII et qualitas hiemis longior solito, pluviarumque inundatio extitit gravior, atque diversis in regionibus flumina suos ultra modum praeterierunt terminos. Ex Historiae Franciae Fragmento, ad a. 1003. Ed. Martin, Roll series 10, 211: Regnante eodem anno Incarnationis Dominicae MIII, et qualiter hyemis longior solito, pluviarumque inundatio exstitit gravior, atque diversis in regionibus flumina suos ultramodum praeterierunt trminos. Prae ceteris vero Liger fluvius in tantum suas praeteriit metas, ut cuncta circa posita periculo mortis tremefaceret. 463 Annales Floriacenses, ad a. 1003. Ed. Pertz, MGH SS 2, 255: Et qualitas hiemis longior solito, pluviarumque inundatio extitit gravior, atque diversis in regionbibus flumina suos ultra modum praeteriunt terminos. Prae ceteris vero Liger in tantum suas praeteriit metas, ut cuncta circum circa posita periculo mortis tremefaceret, valla penetrando, casas una cum hominibus eruendo, pontes firmos sepesque eradicando, boves cum bubulcis, ovilia cum ovibus et pueris demergendo, ita ut diluvium esse crederetur. 464 Annales Floriacenses breves, ad a. 1004. Ed. Waitz, MGH SS 13, 88: Liger fluvius imitatus diluvium. 465 Thietmar von Merseburg, Chronik, 6, 4. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 278 f.; FSGA 9, 246 f.: et in Brenti fluminis inundacione compellebant interire honorabiliter introducitur et habetur.

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Tage anhielt.“466 Es bleibt hierzu festzuhalten, dass es sich um eine Überschwemmung im Winter handelte. Thietmar von Merseburg überliefert bei seiner Schilderung der Ereignisse des Jahres 1012 wiederum en passant, dass die Überschwemmungen aufgrund des Regens die eigenen Kämpfer nicht aufhalten konnten.467 In einem weiteren Eintrag zum selben Jahr beschreibt er eine Ausnutzung der angespannten Witterungslage durch angreifende Feinde, in dem Fall Seeräuber: „Zur gleichen Zeit richteten leider Wolkenbrüche und das Auftreten von Seeräubern schwere Schäden an. Damals trat in Baiern die Donau über die Ufer; auch der Rhein überschwemmte das Land; zahllose Menschen, Vieh und Häuser gingen dadurch zugrunde, und ganze Wälder wurden durch die Naturgewalten entwurzelt; die Bewohner dieser Landschaften versicherten, weder sie noch ihre Vorfahren wüssten von einem ähnlichen Ereignis bekannten klagend, es komme von ihren eigenen vielfachen Sünden und fürchteten, nun werde ihnen noch etwas Schrecklicheres zu stoßen“.468

Immer noch im selben Jahr kam es auch an der Elbe zu einem Hochwasser: „Dort [in Lebusa] ließ er lagern, denn er wusste, dass wegen des Elbehochwassers von unserer Seite niemand den Burgleuten Hilfe leisten konnte.“469 Für das Jahr darauf ist am 15. Dezember 1013 in den Quedlinburger Annalen ein Hochwasser überliefert.470 Die bei Gottschalk umfangreich zusammengestellten Belege für eine von ihr so gedeutete Sturmflut am 28. September 1014 finden sich hier mit neuer Deutung im Kapitel 2.14 Tsunamis. Zwischen 1016 und 1026 kam es zu einer Überschwemmung der Loire und ihrer Nebenflüsse, nach Kometen erschienen Hagelschauer, zerstörten im Juli den Wein

|| 466 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1009. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 527: Subita et d nostris temporibus e insolita aquarum refusio facta est III. Id. Ianuarii, feria secunda, luna X., multis damnum inferens VII diebus in sua rabie perstitit. 467 Thietmar von Merseburg, Chronik, 6, 58. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 346; FSGA 9, 306 f.: Quamvis crebra imbrium inundatione e nostri tardarentur, tamen late magnum hostibus damnum intulerunt. 468 Thietmar von Merseburg, Chronik, 6, 83. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 374 f.; FSGA 9, 330 f.: Eadem tempestate inundantes pluviae ac se surgentes piratae multum, pro dolor! nocuere. In illo tempore inundante Danubio in Bawariis et stagnante Reno, ita ineffabilis populi ac pecoris, edificiorum quoque et silvarum tali inpetuerutarum multitudo periit, quod omnes harum habitatores parcium sua vel ante cessorum memoria id numquam accidisse firmabant, hoc gementes ex variis criminibus suis tunc evenisse et post haec aliquid magnum timentes sibi esse venturum. Equidem longe digressus redeam. 469 Thietmar von Merseburg, Chronik, 6, 80. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 371 f.; FSGA 9, 326 f.: (…) et quia sciebat, ob effusionem Albis ex nostra parte nullum urbanis posse ad auxilium venire, castra meatus est ibi. 470 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1013. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 540: Eodem anno inundatio aquarum nimia facta est, multa damna ferens, XVIII. Calend. Ianuarii, luna nona, feria III. Zu der von den Annales Magdeburgenses und dem Annalista Saxo abweichenden, aber richtigen Datierung der Annales Quedlinburgenses siehe zuletzt: Hoffmann, Annales Quedlinburgenses (2015), 169.

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und es folgte eine solche Hungersnot, dass die Menschen Hunde gegessen haben sollen.471 Hier wird wieder ein Topos bemüht, der zwar nicht Anthropophagie, aber den Verzehr von Hunden beinhaltet. Die meisten Kometensichtungen werden für das Jahr 1017 und 1018 gemeldet; die Hagelschauer werden zum Jahr 1016 auch von anderen Annalen gemeldet;472 eine Hungersnot nur 1025. Wahrscheinlich gehört die Nachricht der Quedlinburger Annalen vom 11. Februar 1016 ebenfalls hierher: „Die Wolken stießen schrecklich tönend zusammen, und stürzten mit häufigen Blitzen und einem Übermaß von Regen sehr viele Häuser um.“473 Noch ausführlicher beschreibt es Thietmar von Merseburg, allerdings mit einem anderen Tagesdatum: „Am Freitag, dem 10. Februar, vernahm man als Zeichen kommenden Unheils im Morgendämmern furchtbare Donnerschläge mit Blitzen und heftigen Stürmen, die an verschiedenen Orten Schäden anrichteten. Manche kamen dabei um, denn das heftige Unwetter ließ Häuser einstürzen; andere entrannen verletzt nur mit Mühe dem Tode. Auch die Wälder erlitten durch Windbruch schweren Schaden.“474 Die beiden Quellen beschreiben zwei Stationen des gleichen Ereignisses. „Und als sie dann bei der Burg Wurzen über die stark angeschwollene Mulde setzen wollten, verloren sie außer einem zweiten Bilde der Göttin noch eine erlesene Schar von 50 Kriegern. Unter so schlechten Vorzeichen zogen die übrigen heim und suchten sich hinfort, aufgebracht durch die schlechten Elemente, vom Dienste des Caesars fernzuhalten.“475 Hier werden die extremen Naturereignisse vom Verfasser klar als Korrektiv des zeitgenössischen Handelns dargestellt.

|| 471 Ex Chronici Veteris Excerpto, [ad a. 1016–1026]. Ed. Martin, 215 f.: Verbum instante obitu memorati Regis Roberti, pluviarum inundatione diversis in regionibus flumina suos praeteriere terminos. Sed prae caeteris Liger suas praeteriit metas, ita ut villas penetraret, casas everteret, et ovilia cum ovibus raperet, et ruricolarum nonullos pueros interficeret. Cometes etiam ardens apparuit, et sequenti anno magno grandinum imbre Julio mense vinae cum sationibus sunt protritae. Per triennium denique e vestigio subsecuta est tam valida fames, ut mures et canes ab hominibus vorarentur. 472 Annales Ottenburani, ad a. 1016. Ed. Pertz, MGH SS 5, 5: Horribilis grando cecidit, et multi fulmine adusti perierunt. Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1016. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 50: Grando magna fuit, et multi fulmine exusti sunt. 473 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1016. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 549; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 31: MXVI. III. Id. Februarii, luna XXX, sabatho, collisiones nubium horrisonae cum crebra coruscatione et imbrium nimietate plurima subruunt aedificia. 474 Thietmar von Merseburg, Chronik, 7, 44. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 452; FSGA 9, 400 f.: Quarta Id. Febr. et in VI feria subsequiturae signa miseriae in ipso noctis crepusculo tonitrua cum fulminibus et magnis tempestatibus in diversis nocentia locis terribiliter intonuerę. Quidam namque confractis a tali impetu domibus obierunt, alii autem vulnerati vix mortem evasere. In silvis cadentibus magnum quoque accidit damnum. 475 Thietmar von Merseburg, Chronik, 7, 64. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 478; FSGA 9, 424 f.: Et cum iuxta Vurcin civitatem Mildam nimis effusam transire voluissent, deam cum egreio L militum comitatu alteram perdidere. Tam malo omine residui domum venientes a servicio caesaris se malorum instinctu abalienare nituntur; (…).

440 | Extreme Witterungsereignisse

Im Jahr 1020 soll es Überschwemmungen an Elbe und Weser gegeben haben,476 ausführlich berichten davon die Quedlinburger Annalen: „Denn die Flüsse Elbe und Weser traten nicht allein in ungewohnter Höhe der Fluten aus ihren Betten, sondern vom untersten Grunde vielleicht durch eine entsetzliche Windbraut aufgestaut, sollen sie höher gestiegen sein, als selbst die Hügel und Berge, die die Natur vor den übrigen durch ihre Höhe gesichert hatte, und Stadt und Land und alle weit herumliegenden Landmarken ertränkt haben und – was noch wunderbarer als dies und jedem Ohr unglaublich erscheint – ganze Dörfer, ohne das Gefüge der Häuser zu lösen, mit darin Lebenden von einem auf das andere Ufer geführt und in derselben Lage wie früher hingestellt haben.“477

Von Weikinn wie Curschmann478 übersehen wurde der folgende dramatische Bericht zu den Folgen der Überschwemmung in den Quedlinburger Annalen: „Auch schienen die genannten Flüsse Weser und Elbe zu dreien Malen bei Tage und bei Nacht gegen die Natur auf ihrer Oberfläche in feuerspeienden Dämpfen zu brennen. Was soll ich von den Leichen erzählen? Ihre Menge, welche sich aller menschlichen Schätzung entzog, fand sich in mehreren dammartigen Anhäufungen zusammengeballt, als beim Abnehmen der Überschwemmung der Eifer einiger Frommen den schuldigen Liebesdienst der Beerdigung zu leisten sich bemühte, und mit einer so starken und zähen Hülle von Gewürm, Schlangen und allem Untier dieser Art verwachsen, dass die furchtsamen Sterblichen keine Möglichkeit es abzulesen weder mit Eisen noch mit den Werkzeugen irgend einer Kunst aufzufinden vermochten. Wozu dies aber gewesen, oder ist oder sein soll, überlassen wir Christus zur Entscheidung, welcher vorausgesagt,479 dass aus dem verwirrten Klange des Meeres und der Fluten diese Bedrängnis der Völker kommen werde.“480

|| 476 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 46. 477 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1020. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 558 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 32: Nam Albis ac Wisera fluvii insolita inundationis mole non solum alveos suos egressi, sed ab ipso imo tenus fundo qua nescio immani ventorum violentia evulsi, oppida, rura, cuncta circumiacentium late confinia terrarum, ipsis quoque collibus ac montibus, quos natura quadam prae caeteris sublimitate munierat, altius insurgendo mersisse, et quod his mirabilius ac omni incredibilius est / auditui, villas integras nequaquam soluta aedificiorum compage cum inibi degentibus de alia in aliam transvehendo ripam, eadem qua prius positione constituisse. 478 Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 111. 479 Lk 21,25: Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden Angst der Heidenvölker vor Ratlosigkeit bei dem Tosen des Meeres und der Wogen, da die Menschen in Ohnmacht sinken werden vor Furcht und Erwartung dessen, was über den Erdkreis kommen soll; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. 480 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1020. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 559: Supradicti quoque fluvii, Wesara et Albis, ternis dierum vicibus ac noctium flammi vomis contra naturam superficie tenus visi sunt arsisse vaporibus. Quid de cadaveribus referam? Quorum numerositas omni humanae aestimationi difficilis, in plures quasi aggerum cumulos concreta, decrescente diluvio dum pia quorundam solertia debitum humandi praebere studeret affectum, tantis tamque tenacibus serpentium, colubrorum cunctarumque id genus pestium involucris ita connexa reperiuntur, ut nec ferro nec cuiuslibet artis instrumento ea dissolvendi ullam timida mortalitas viam invenire quivisset. Sed de his, quid fuerit, sit vel

Überschwemmungen durch Starkniederschläge | 441

Die feuerspeienden Dämpfe sind schwer zu erklären, am ehesten bieten sich verbrennende Methandämpfe oder brennbare Flüssigkeiten an, die auf der Wasseroberfläche schwimmen. Die genaue Ursache kann anhand der historischen Quellen aber nicht definitiv belegt werden. Über die Zahl der vom Fluss weggeschwemmten Leichen wollte sich der/die Annalist/in nicht auslassen, aber der Anblick oder zumindest die Beschreibung scheinen ihn/sie sehr beeindruckt zuhaben. Die verschiedenen beschriebenen Details könnten durchaus für Autopsie sprechen. In Benevent führte im Jahr 1029 das Wasser der Flüsse Calore [Calore Lucano] und Sabbati [Fiume Sabato] zu Überschwemmungen. „Darauf herrschten eine große Hungersnot und eine Epidemie im ganzen Herzogtum Benevent.“481 Diese Flussüberschwemmung hat aber relativ sicher nichts mit der Sturmflut vor England im selben Jahr zu tun.482 Diese Nachricht steht relativ isoliert da, denn selbst ein Eintrag in Ungarn zum Jahr 1030 sagt nichts über die Hochwassersituation aus, sondern geht nur allgemein auf Schwierigkeiten der Flüsse in dem Gebiet ein: „Da schon lange Feindschaft mit dem Ungarnkönig Stephan angefacht worden war, zog Kaiser Konrad nach Ungarn und verwüstete es bis zur Raab, so viel er trotz der Behinderung durch Flüsse und Sümpfe konnte.“483 Im Jahr 1035 kam es zu Überflutungen in der Moselgegend: „Es gab aber eine Hungersnot in allen Ländern, sodass viele am Hunger starben nämlich durch die Überschwemmung infolge der winterlichen Regengüsse, durch das Herabfließen des Flusses bei der Stadt in höchster Eile, durch die unberechenbare Überflutung von langer Dauer und zu große Morastigkeit wurden fast alle Saaten vernichtet.“484 Die Nachricht wird auch in anderen Quellen bestätigt: „Zu dieser Zeit trat eine sehr große und lang andauernde Überschwemmung ein.“485

|| fiat, Christo, qui eandem gentium [Lk 21,25] pressuram pro confusione sonitus maris ac fluctuum futuram praedixerat, discutiendum relinquimus. Wörtlich übernommen in: Annales Magdeburgenses, ad a. 1040. Ed. Pertz, MGH SS 16, 167. 481 Annales Beneventani, ad a. 1029. Ed. Pertz, MGH SS 3, 178; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 32: Inundaverunt aquae fluminis Caloris et Sabbati. Et fuit magna fames et pestilentia in toto principatu. 482 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 46. 483 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1030. Ed. Pertz, MGH SS 5, 121; FSGA 11, 664 f.: Cuonradus imperator, iam dudum inimicitiis cum Stephano Ungariorum rege conflatis, Pannoniam petiit et quantum fluminibus et paludibus non obstantibus poterat, Rabam usque devastavit. 484 Gesta Treverorum Cont. 1, 26, 6. Ed. Waitz, MGH SS 8, 180; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 32: Fuit autem fames valida in omni terra ista, ita ut multi morerentur inedia; hiemalium pluviarum enim inundantia, sed et fluminis secus civitatem decurrentis verno tempore inaestimabilis superhabundantia diutina stacione et nimia sui limositate omnes fere segetes absorbuerat. Vgl. auch Gottschalk, Stormvloeden (1971), 47. 485 Ex miraculis Sancti Symeonis. Ed. Waitz, MGH SS 8, 210; Quellentexte. Ed. Weikinn. Bd. 1.1, 32: Tunc siquidem temporis, nimia aquarum inundantia increvit saeculis.

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Im Jahr 1040 kam es wieder in Sachsen – vermutlich zwischen Weser und Elbe – zu Überschwemmungen: „zu derselben Zeit traten die Gewässer weit und breit über ihre Ufer; viele [Menschen] kamen an verschiedenen Orten dadurch ums Leben“,486 aber auch in Süddeutschland, wo die Annalen von Ottobeuren melden, dass: „die Überschwemmung der Gewässer viele ums Leben brachte“.487 Im Jahr 1041 kam es in Südtirol und in Oberitalien zu Überschwemmungen der Flüsse: „In der östlichen Francia wütete ein Sturm und richtete großen Schaden an. Im Bereich von Pfauenberg [bei Bamberg] gab es großen Waldschaden und viele Gebäude wurden zerstört, woraufhin Hilfe aus dem ganzen Reich gesandt wurde. In demselben Jahr richtete der Fluss Eisack bei Bozen durch Übertreten seiner Ufer eine klägliche Verheerung an, wusch die Erde von Weinbergen bis auf den Felsengrund weg, führte sie anderen danebenliegenden zu, machte die meisten derselben auf diese Weise unbrauchbar und richtete zu beiden Seiten des Flussbettes eine ungeheure Vernichtung der Gebäude, des Viehs und der Äcker an. Aber auch der Fluss Etsch wuchs plötzlich durch Überschwemmung bei Verona, derart, dass ein Teil der Häuser, des Viehs, der Menschen und Äcker zugrunde ging; und die Höhe der Überschwemmung zwang die Menschen, welche entronnen waren, in das Haus, das man Aerina [Arena Veronensis] nennt, zu fliehen und in demselben zu wohnen, bis das Wasser abgeflossen war“.488 Im Jahre 1050 soll aufgrund der vielen Blitze und Gewitter das Wasser in den Flüssen angestiegen sein und Überschwemmungen die Früchte zerstört haben.489

|| 486 Annales Magdeburgenses, ad a. 1040. Ed. Pertz, MGH SS 16, 172; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 33: Eodem tempore aquae longe lateque inundavere; unde multi per diversa loca interiere. 487 Annales Ottenburani, ad a. 1040. Ed. Pertz, MGH SS 5, 6; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 33: Aquae inundantes multes extinguunt. 488 Annales Altahenses maiores, ad a. 1041. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 28; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 33 mit falscher Bandangabe: Eodem anno in orientali Francia ventus validissimus magna dedit damna, adeo ut iuxta Montem Pavonis silvae magnam partem prostraverit, innumera aedificia subruerit. Caritas et penuria frugum maxima per totum Franciae regnum. Hoc etiam anno Isac fluvius iuxta Pozan nimium inundans miserandam stragem dedit, terram vinearum funditus usque ad saxa proluit et aliis iuxta iacentibus eandem ingessit et plerasque taliter inutiles reddidit, ex utraque parte alvei aedificiorum, iumentorum et agrorum maximam cladem fecit. Sed et Athesis fluvius apud Veronam tanta eluvie subito excrevit, ut domorum, iumentorum, hominum, agrorum partem vastando perdiderit, et vis diluvii homines; qui evaserant, coegit ad aedificium, quod vocatur Aerina, confugere et, quamdiu aquae de crescerent, illud incolere. 489 Relatio de inventione et elevatione S. Bertini, Nr. 4. Ed. Holder-Egger, MGH SS 15.1, 528: Talibus ergo indiciis pretioso super aurum et topazion invento ac comperto beatissimi patris corpore, cum eatenus diutina et gravissima omnis terra decocta pessumdaretur siccitate, ita ut universa segetum spe iam penitus sese frustrari quererentur agricolae, ecce eodem momento, praemissis multis tonitruis atque choruscantibus fulminibus, plurima subsecuta est inundatio pluvialis; qua sufficientissime debriata tellus, mox fructificando virescere atque cultoribus suis in novos fructus sese rediviva spe iam iamque coepit dilatare. Itaque extunc salubri rore omnes segetes confotae adsurgunt, auris spirantibus, ac iam

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Zum Jahr 1051 verzeichnet Hermann von Reichenau: „Im folgenden Herbst zog der Kaiser mit einem großen Heer nach Ungarn, da er es versäumte, den Vertrag mit König Andreas [I.], wie er durch Gesandte angeboten wurde, anzunehmen; während Bischof Gebhard von Regensburg und die Herzöge Welf und Bretislaw in das Gebiet nördlich der Donau geschickt wurden, um es zu verheeren, machte er selbst wegen der Überschwemmung der Flüsse einen langen Umweg durch das Kärntner Land, wobei der Nachschub von den Schiffen her, soviel es mit Pferden möglich war, herangeschafft wurde; (…).“490

Die Überschwemmungen in den süddeutschen Gegenden werden auch in den Annalen von Niederaltaich genannt: „Nämlich während der Sommerzeit traten infolge der Regengüsse die Gewässer außerordentlich über ihre Ufer. Hierdurch kamen sowohl zahlreiche Menschen als auch Pferde im Wasser um.“491 Dieselben Annalen bieten für das Jahr 1060 den folgenden Eintrag: „Bald folgte eine so große Überschwemmung der Gewässer, wie sie kaum oder niemals in jenem Reiche vorgekommen ist.“492 1063, bald nachdem er mit den Seinen nach Sachsen zurückgekehrt war, warf ihn im Wald ein Blitz vom Pferd (…)„Darauf kam es durch Regen und Gewitter auch zu Überschwemmungen.“493 Für das Jahr 1068 vermelden die Weißenburger Annalen494 und die Annalen des Klosters Lobbes den gleichlautenden Eintrag zu einer Überschwemmung und einem

|| maturae messi, quamvis ingens, vix sufficit operariorum numerus, ut instantis anni rotatus terrigenas Dei gratia omni segetum educaret sufficientia. 490 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1051. Ed. Pertz, MGH SS 5, 130; FSGA 11, 694 f.: Sequenti autumno magno cum exercitu imperator, pactum Andreae regis ut per legatos offerebatur accipere contemnens, Pannonias petiit, Gebehardoque Ratisponense episcopo et Welf Brezizlaoque ducibus ad septentrionalem Danubii partem depopulandam transmissis, ipse, devecto e navibus, quantum in equis poterat, sumptu, longo propter fluviorum illuvionem circuitu per Carentani fines transiens, periurumque regnum invadens (…). 491 Annales Altahenses maiores, ad a. 1051. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 47; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 34 mit falscher Bandangabe: Totum namque aestivum tempus, pluviis abundans, inmanes fecit prorumpere aquas. Qua de re plures tam hominum quam equorum summersi sunt. 492 Annales Altahenses maiores, ad a. 1060. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 55; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 34 mit falscher Bandangabe: Hiems tam acerba per Teutonicum regnum habebatur, ut immensitate ac diuturnitate nivis ac frigoris multi mortales hac luce privarentur. Mox secuta est aquarum talis effusio, qualis vix aut nunquam fertur in illo regno provenisse. 493 Brunwilarensis Monasterii Fundatorum actus, Nr. 35. Ed. Waitz, MGH SS 14, 141: (…) mox ut in Saxoniam ad sua revertitur, quadam in silva ictu fulminis percussus, ab equo, eui insederat, preceps agitur. Tanta autem inundatio pluviae tonitruum [fragorem] est subsequuta, ut, ex eius infusione valida attriti corporis cinere cum arena involuto, solatantum ipsius dextera manus integra sit reperta. 494 Annales Weissenburgenses, ad a. 1068. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 53: Aquae inundaverunt. Magna et ante inaudita sterilitas vini et pomi facta est.

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großen und zuvor unbekannten Verlust an Wein und Äpfeln.495 Die Überschwemmung soll durch Regengüsse verursacht worden sein496 und nach der Bernoldschronik war überhaupt das ganze Jahr regnerisch.497 Auch Nordfrankreich und das Rheinland sollen im Jahr 1068 von Flussüberschwemmungen geprägt gewesen sein.498 Einen extrem großen Verlust an Wein und Waldbäumen, allerdings zum Jahr 1069, dokumentiert auch Lampert von Hersfeld.499 Sigebert von Gembloux ergänzt, dass „da die Flüsse durch die Gewalt der Kälte zugefroren waren, Kaiser Heinrich IV. in das Gebiet der Lausitzer eindrang und es verheerte.“500 Die Chronik Bernolds von St. Blasien verzeichnet sodann zum Jahr 1070 einen windigen und regnerischen Winter.501 Nach den Annales Bavarici kam es zehn Jahre darauf, im Jahr 1080, zu einer Überschwemmung der Flüsse in Süddeutschland: „Eine so große Überschwemmung der Gewässer brach aus, dass alle an der Donau gelegenen Saatfelder beinahe vernichtet wurden.“502 Im Jahr 1085 „überschwemmte der Po, der Fluss der Lombardei, über seine Ufer tretend, viele Burgen, Dörfer, ja die umliegenden Gegenden vollständig und machte sie unbewohnbar.“503 Weitere Überschwemmungen werden bei Sigebert von Gembloux für das folgende Jahr in Italien genannt: „In Italien war eine so große Über-

|| 495 Annales Laubienses continuatio, ad a. 1068. Ed. Pertz, MGH SS 4, 20: Aquae inundaverunt. Magna et inaudita sterilitas vini et pomi facta est. 496 Annales Augustani, ad a. 1068. Ed. Pertz, MGH SS 3, 128: Inundatio pluviarum. 497 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1068. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 397; FSGA 14, 62 f.: Totus ille annus pluvialis. 498 Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 34. Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 49. 499 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1069. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 111; FSGA 13, 120 f.: Maxima eo anno vinearum omniumque silvestrium arborum sterilitas fuit. 500 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1069. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 362; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 35: Fluminibus glaciali rigore constrictis, imperator Heinricus terram Lutitianorum ingressus, eos nimia cede posternit, et terram nimium depopulantur. 501 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1062. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 399; FSGA 14, 292 f.: Hiemps ventosa et pluvialis. 502 Annales Bavarici, ad a. 1080. Ed. Waitz, MGH SS 25, 637; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 36: Item anno Domini 1080 (?). tanta irrupit aquarum inundacio, ut omnia semina in latere Danubii posita penitus delerentur. Eodem anno tam larga nivium exuberavit super faciem terre copia, ut in montosis locis edificia transcenderet et obrueret. 503 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1085. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 446–456; FSGA 14, 344–347: Padus quoque fluvius Longobardiae ripas suas excedens multa castella, villas, immo circa iacentes regiones penitus submersit et inhabitabiles redidit.

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schwemmung, dass Felsen, durch Wasserstrudel losgelöst, mehrere Dörfer vernichteten.“504 Auch in der Chronica Albrici steht: „Eine sehr große Überschwemmung der Gewässer brachte vielerorts Schaden und Gefahr“.505 Im folgenden Jahr könnte sich dieses Hochwasser fortgesetzt haben, denn 1087 war der Winter dunkel „und etwa Mitte Januar gab es eine große Überschwemmung aller Flüsse der Germania.“506 Im Jahre 1089 kam es in Lüttich zu „einer großen Überschwemmung bis an die Pforten der Kirchen“.507 In den Gesta der Lütticher Bischöfe wird spezifiziert: Betroffen gewesen sei die 1015 gegründete St. Jacobi-Kirche.508 Diese liege etwa 200 Meter vom Fluss Maas entfernt und scheint im Mittelalter von zwei Seiten vom Fluss umflossen gewesen zu sein. Im selben Text wird etwas später angegeben, dass die Überschwemmung im Monat April im extra castrum, genannten Teil der Stadt stattgefunden habe, wobei viele Körper von Verstorbenen durch die Fluten aus ihren Gräbern gerissen worden sein sollen.509 Gottschalk gibt für das Jahr 1089 eine große Flussüberschwemmung in Belgien an.510 Zum Jahr 1093 überliefert Matthäus von Paris in seiner Chronik: „Im selben Jahre war eine so große Überschwemmung, wie sich keiner erinnern konnte, vorher gesehen zu haben. Darauf war die Erde mit den größten Flüssen derart zugefroren, dass die Flüsse den zweispännigen Wägen und den Lastwägen als Eisbrücke dienten, die, so fest wie Felsblöcke, überschritten werden konnte. Als endlich der Frost nachließ, zerbrachen die Eisstücke, die sich an der Oberfläche zusammengeballt hatten, die Mühlen mit den benachbarten Brücken und Fischteichen und Häusern mit sehr großem Schaden.“511

|| 504 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1086. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 365, Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 37: In Italia tanta diluvies fuit, ut rupes liquore aquarum dissolutae, plures villas ruina sua exterminarent. 505 Chronica Albrici, ad a. 1086. Ed. Scheffer-Boichorst, MGH SS 23, 800; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 37. Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 50. 506 Annales Brunwilarenses, ad a. 1087 (1088). Ed. Pertz, MGH SS 16, 725; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 37: (…) et circa medium Ianuarii maxima omnium Germaniae fluminum inundatio fuit. 507 Annales S. Iacobi Leodiensis, ad a. 1089. Ed. Pertz, MGH SS 16, 639: Inundatio maxima aquarum usque ad valvas aeclessiarum. Lamberti parvi annales, ad a. 1089. Ed. Pertz, MGH SS 16, 647; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 37: Inundatio maxima aquarum usque ad valvas ecclesie. 508 Aegidii Aureaevallensis Gesta episcoporum Leodiensium, 3, 44. Ed. Heller, MGH SS 25, 90 f.: Huius temporibus facta est inundatio magna aquarum usque ad walvas ecclesie sancti Iacobi in civitate Leodii. 509 Aegidii Aureaevallensis Gesta episcoporum Leodiensium, 3, 44. Ed. Heller, MGH SS 25, 112: Tanta inundatio aquarum facta est mense Aprili in civitate Leodii in ea parte que dicitur extra castrum, ut multos submergeret et mortuorum corpora diluvium aque de sepulchris erueret. 510 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 51. 511 Matthaeus Parisiensis, Historia Anglorum. Ed. Madsen, Roll series 44.1, 44; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 38: Eodem anno tanta erat pluviarum inundatio, quantam nemo se meminit praevidisse; deinde terra cum fluminibus maximis adeo induruit congelata, ut bigis et plaustris flumina transeuntibus pontes praebuerunt glacies, qui Spissitudinem molarem sunt transgressi. Resoluto tandem

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Ganz ähnlich, aber mit anderen Worten wird die Nachricht zum selben Jahr in einer anderen Quelle überliefert: „Nach sehr starken Überschwemmungen wurden die großen Flüsse durch den scharfen und langen Frost so hergerichtet, dass sie für Menschen und Lastwagen passierbar waren. Als endlich der Schnee geschmolzen war, blieb durch die Eisgebilde und schwimmenden Eisstücke kaum eine Brücke im großen Vaterlande unversehrt.“512 Ganz ähnlich, aber erneut mit anderen Worten, wird diese Nachricht in einer dritten Quelle beschrieben: „In diesem Jahre war eine so große Überschwemmung der Gewässer, so große Regen-Unwetter, wie sich keiner erinnern konnte; und als der Winter kam, sind die Flüsse so gefroren, dass sie den Reitern und Lastwagenführern gangbar waren; als der Frost nachließ, wurden durch die Gewalt der Eisschollen die Brücken zerbrochen.“513 Festhalten lässt sich ein großes Überschwemmungsereignis mit Jahr 1093. Im Kloster Ottobeuren dokumentierte man zum Jahr 1094 eine Überschwemmung und Hungersnot mit Todesfolge.514 Noch im Jahr 1095 soll das Sterben angedauert haben.515 Nach den Annales Blandinienses dauerte die große Überschwemmung vom 14. Oktober 1094 bis zum 1. April 1095,516nach anderen Annalen bis zum 15. April 1095,517 war also eine ungewöhnliche Winterüberschwemmung.518 Die Schäden scheinen sehr groß gewesen zu sein, denn einige Quellen berichten von Zerstörungen durch Wirbelstürme, Überschwemmungen durch Regengüsse und verschiedene Unglücksfälle.519

|| gelu, aquarum crustae superficiales conglomeratae molendina, cum pontibus et vivariis et domibus conterminis, dampnose nimis confregerunt. Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 51 f. 512 Flores historiarum. Ed. Luard, Roll series 95.2, 25; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 38: Post pluviarum maximas inundationes, flumina etiam magna ita spisso et diutino gelu constructa sunt, quod hominibus et onustis bigis et plaustris facta sunt transmeabilia. Tandem nix resoluta stiriis, et crustilis natantibus; vix pontem unum in magna patria reliquit integrum. Annales de Margan. Ed. Luard, Roll series 36.1, 5; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 38 f.; Annales Dorenses, ad a. 1093. Ed. Pauli, MGH SS 27, 521; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 38: Magna tempestas ymbrium et congelatio fluviorum dirissima. 513 Annales monasterii de Bermundeseia. Ed. Luard, 428; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 38 f.: Hoc anno tantum aquarum diluvium, tanta tempestas imbrium, quantum nullus meminerat; et accedente hyeme fluvii ita sunt congelati, ut essent pervii equitantibus et plaustra ducentibus; resolutoque gelu, impetu glaicialium pontes effracti. 514 Annales Ottenburani, ad a. 1094. Ed. Pertz, MGH SS 5, 8: Inundatio pluviarum et fames cum mortalitate. 515 Annales Ottenburani, ad a. 1095. Ed. Pertz, MGH SS 5, 8: Adhuc mortalitas duravit. 516 Annales Blandinienses, ad a. 1094. Ed. Grierson, 1937: Inundatio magna a pridie Idus October usque ad Kal. Aprilis. 517 Annales Elmarenses, ad a. 1094. Annales. Ed. Grierson, 95: Inundatio magna aquarum ab idibus Octobris usque in medium Aprilem. 518 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 52. 519 Chronica Albrici, ad a. 1094. Ed. Scheffer-Boichorst, MGH SS 23, 803; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 39: (…) turbinibus, imbrium inuntationibus diversisque cladibus nimium afflicta. Annales Magdeburgenses, ad a. 1094. Ed. Pertz, MGH SS 16, 178: Ecclesia mortalitate inmensa incredibiliter est de-

Überschwemmungen durch Starkniederschläge | 447

Nach den Augsburger Annalen war fast der ganze Herbst des Jahre 1097 regnerisch, die Überschwemmungen der Flüsse durch den Regen zerstörten Burgen und Dörfer in der Nähe der Alpen.520 Das ungewöhnliche Hochwasser im Herbst verhinderte nach Sigebert von Gembloux zudem den Pflanzenwuchs und führte zum Verlust der Landfrüchte.521 Eine solche Überschwemmung im Herbst ist ein ungewöhnliches Ereignis.522 Die Annales Stadenses nennen zum Jahr 1097 eine Flussüberschwemmung:523 „Der Winter aber war mild und ungesund, die Überschwemmungen der Flüsse durch Regengüsse nahmen sehr stark zu“.524 Die folgende Tabelle zeigt die zeitliche Verteilung der Hochwasserereignisse. Tab. 36: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Überschwemmungen von 500 bis 1100 Gesamt 72 100 %

6. Jh. 9 12,5 %

7. Jh. 1 1,5 %

8. Jh. 5 7%

9. Jh. 17 24 %

10. Jh. 11 15 %

11. Jh. 28 39 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtungen von Überschwemmungen liegen im 9. Jahrhundert mit einem Viertel und über einem Drittel im 11. Jahrhundert, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. und 8. Jahrhundert überliefert. Ein Hochwasser wird als Zustand in einem oberirdischen Gewässer definiert, bei dem der Wasserstand oder Durchfluss einen bestimmten Wert (Schwellwert) erreicht oder überschreitet. Ein Sonderfall des Hochwassers ist die Überschwemmung, bei der durch die deutliche Überschreitung eines durchschnittlichen Wasserstandes eine eigentlich trockenliegende Umgebung des Gewässers unter Wasser gesetzt wird, das

|| vastata, insuper pestilentia turbinibus ymbrium inundationibus et diversis cladibus nimium afflicta. Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 1094. Ed. Naß, MGH SS 37, 486 f.: Eclesia mortalitate inmensa incredibiliter vastata est, insuper pestilentia, turbinibus diversisque cladibus nimis afflicta. Ekkehard, Chronicon universale, ad a. 1094. Ed. Waitz, MGH SS 6, 207; Quellentexte. Weikinn, Bd. 1.1, 39 mit falscher Band- und Seitenangabe: Aecclesia mortalitate immensa incredibiliter vastata est, insu per pestilentia, turbinibus, imbrium inundationibus diversisque cladibus nimium afflicta. 520 Annales Augustani, ad a. 1097. Ed. Pertz, MGH SS 3, 135; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 40: Autumnus pene totus pluviosus; inundatio pluviarum et fluminum castra et villas vicinas Alpibus subvertit. 521 Sigebert von Gemblaux, Chronik, ad a. 1097. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 367; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 40: Nimia aquarum inundatione autunnalis satio impeditur, et sterilitas frugum terrae sequitur. 522 Vgl. Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 212 f. 523 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 52. 524 Annales Stadenses, ad a. 1097. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 317; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 39: (…) hiems vero lenis et pestilens fuit; imbrium et fluminum inundationes nimis increverunt. Ekkehard, Chronicon universale, ad a. 1097. Ed. Waitz, MGH SS 6, 209: Cometes apparuit. – Eo anno aestas fertilissima, hiems vero lenis et pestilens fuit; imbrium et fluminum inundationes nimis increverunt. Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 1097. Ed. Naß, MGH SS 37, 492: Eo anno estas fertilissima, hiemps vero lenis et pestilens fuit; imbrium et fluminum inundationes nimis increverunt.

448 | Extreme Witterungsereignisse

heißt das Land überflutet wird. Oft werden beide Begriffe synonym gebraucht. Aufgrund der unterschiedlich ausgeprägten mitteleuropäischen Jahreszeiten lassen sich vier Hochwassertypen unterscheiden: 1) Winter-Hochwasser und Eisstöße in den Monaten Januar bis März, 2) Frühjahrs-Hochwasser durch die Schneeschmelze im Gebirge in den Monaten Februar bis Mai, 3) Sommer-Hochwasser in den Monaten Juni bis August und 4) Herbst-Hochwasser in den Monaten September bis Dezember. Einschränkend ist methodisch anzumerken, dass der Ort, an dem das Überschwemmungsereignis dokumentiert wurde, nicht zwangsläufig identisch ist mit dem Ort, an dem die Überschwemmung tatsächlich stattgefunden hat. Erst wenn der betroffene Ort oder das entsprechende Flusssystem in der Quelle namentlich genannt werden, ist eine belastbare topographische Zuordnung möglich. Für zwölf Prozent der Jahre (72) von 500 bis 1100 ist eine Überflutung oder ein Hochwasser dokumentiert. Mit fast 40 Prozent (28) erfolgte dies am häufigsten im 11. Jahrhundert, gefolgt vom 9. Jahrhundert mit fast einem Viertel (17) der Ereignisse. Die wenigsten Überschwemmungen sind für das 7. und 8. Jahrhundert überliefert. Tab. 37: Extreme Hochwasserereignisse (HW-Index 3): Loire, Seine, Po, Weser, Elbe, Donau Loire Jahr/Monat 580 (585) 820 1004 1016/26 Weser Jahr/Monat 784 858, 5 (875, 6-7) (1009, 1) (1016, 2) 1020 (1063) (1087, 1) (1094, 10 – 1095, 4)

Seine (Yonne) Jahr/Monat 583 (585) 834 841 886

Typ hW hF, hS hH ? ?

Typ hW hS hF hW hW ? ? hF hW, hF

Elbe Jahr/Monat (875, 6-7) (997) (1009, 1) 1012 (1016, 2) 1020 (1063) (1087, 1) (1094, 10 – 1095, 4)

Typ ? hF, hS hW hH hF, hH

Typ hF ? hW ? hW ? ? hF hW, hF

Po Jahr/Monat 886 1085

Donau Jahr/Monat (857) (991) 997 1012 (1040) 1051 (1060) 1080 (1097)

Typ hH ?

Typ ? ? ? ? ? hS, hH ? ? hH

Ursachen für Überschwemmungen werden in der Hälfte der Fälle angegeben: 35 Mal werden heftiger Regen oder Sturm genannt und zwei Mal die Schneeschmelze. Zuordnen lassen sich die Hochwasser 80 Flüssen oder Flusssystemen: jeweils fünf Mal der Loire und der Seine (mit der Yonne) sowie zwei Mal dem Po in Italien,

Überschwemmungen durch Starkniederschläge | 449

jeweils neun Mal der Weser, der Elbe525 und der Donau. Mit großem Abstand die häufigsten Nennungen von Hochwassern liegen mit jeweils 20 Mal vom Rhein und vom Tiber vor.Für Rhein und Tiber fällt die vergleichsweise reiche Überlieferung zu Hochwassern auf. Der Rhein ist an unterschiedlichen Stellen zu verschiedenen Zeiten dokumentiert worden, was an seiner Länge und Bedeutung liegt. Der Tiber, obwohl deutlich kürzer, hat eine ausführliche Dokumentation im Liber Pontificalis erfahren, da er als Fluss, der durch die Stadt Rom fließt, überregionale Bedeutung besitzt. Die folgenden Tabellen verdeutlichen die sehr unterschiedlichen und für statistische Auswertungen viel zu gering überlieferten Angaben zu den jeweiligen Flusssystemen.526 Tab. 38: Extreme Hochwasserereignisse (HW-Index 3): Rhein und Tiber527 Rhein528 Jahr/M (809, 12) 834 (857) (858, 5) 864 869, 2 873, 1 (875, 6-7) 886, 1 904? 942 968 987,3 1002 1012 1035,2 1060,3 1068 1086,1 1089, 4

Typ hW hW ? hS hW hW hF hS hF ? ? ? hW ? ? hW ? ? ? hF

Tiber529 Jahr/M 536* 539?* 555?* 570?* 589** (609) 612* 618 637?* 644* 685* 716/717** 725* 791** 797 844** 856** 860* [Datengap] 1053 1093*

Typ

|| 525 Schneeweisz, Impact of landscape change (2014), 20–33. 526 Die Abkürzungen bedeuten: hF = hydrologischer Frühling (März bis Mai), hS = hydrologischer Sommer (Juni bis August), hH = hydrologischer Herbst (September bis Dezember), hW = hydrologischer Winter (Januar bis März). 527 Die mit * gekennzeichneten Jahreszahlen stammen von Camuffo/Enzi, Analysis of two bi-millennial series (1996), 442, die mit ** werden im Liber Pontificalis genannt. 528 Krahe/Larina, Hoch- und Niedrigwasser (2010), 36; Krahe, Hochwasser (1997), 65. 529 Die Daten beruhen auf Camuffo/Enzi, Analysis of two bi-millennial series (1996), 442.

450 | Extreme Witterungsereignisse

Drei Hochwasserereignisse (961, 965, 997) werden nur in hagiographische Quellen überliefert. Elf Hochwasserereignisse werden mit einer teilweise sehr hohen Anzahl an Parallelüberlieferung dokumentiert, so die Hochwasser des Jahres 784 in zehn, 988 in acht, 1094/1095 in sieben, 1093 und 987 in jeweils fünf, 1068 in vier, 585, 841 und 1003 in jeweils drei Quellen sowie 1004 und 1097 mit jeweils zwei Quellenstellen. Die anderen 61 Hochwasser sind jeweils nur in einer Quelle überliefert und bedürfen damit einer besonders vorsichtigen Behandlung. Zehn Autoren haben mehrfach Berichte über Hochwasser in ihre Darstellungen aufgenommen: Am häufigsten ist dies bei Gregor von Tours der Fall, der sieben Hochwasser (579/580, 583, 585, 587, 589, 690, 591) beschreibt, die Verfasser der Annales Fuldenses (868, 875, 886, 889) und der Annales Xantenses (834, 850, 863/864, 872/873) überliefern jeweils vier Ereignisse. In den Annales Altahenses (1041, 1051, 1060) und den Annales Quedlinburgenses (1009, 1016, 1020) werden jeweils drei Hochwasser erwähnt, wobei der Bericht zum Jahr 1016 in den Quedlinburger Annalen durch die Angabe zahlreicher Details auf einen Augenzeugenbericht schließen lassen könnte. Jeweils zwei Hochwasser überliefern die Annales Bertiniani (846, 858), weiterhin Bernold von St. Blasien (1070, 1085), Theophanes der Bekenner (725, 740), Theophilus von Edessa (665/666, 742) und Thietmar von Merseburg (1002, 1012). Die Verfasser 30 weiterer Werke bieten jeweils einmal einen Bericht zu einem Hochwasser. Aufgrund der detaillierten Datumsangaben lassen sich fast zwei Drittel (46 Fälle) einer hydrologischen Jahreszeit zuordnen. Von den hier behandelten Hochwasserereignissen fanden zwölf im hydrologischen Winter (Januar bis März) statt: 580, 740, 784, 809, 834, 864/864, 987, 1009, 1016, 1035, 1070, 1094. Überflutungen, die dem hydrologischen Frühling (März bis Mai) zuzuordnen sind, lassen sich mit 16 beziffern: 585, 589, 590, 742, 850, 868, 872/873, 875, 886, 896, 922, 988, 989, 1087, 1089, 1094. Erwartungsgemäß vergleichsweise selten sind Überflutungen zum hydrologischen Sommer (Juni bis August) überliefert, insgesamt nur sieben Mal: 585, 846, 858, 896, 966, 1003, 1051. In den hydrologischen Herbst, von September bis Dezember, lassen sich zehn Überflutungsereignisse datieren: 590, 591, 665/666, 820, 841, 849, 886, 1051, 1086, 1097. Diesen 46 Ereignissen stehen etwa 30 gegenüber, für die eine genaue zeitliche Zuordnung unklar bleibt.530

|| 530 Betrifft die Überschwemmungen: 549/550, 583, 711/712, 725, 815, 857, 866, 942, 961, 965, 968, 991, 997, 1002, 1002, 1004, 1012, 1016?, 1020, 1029, 1030, 1040, 1041, 1050, 1060, 1063, 1068, 1080, 1085, 1093.

Sturmfluten | 451

3.5 Sturmfluten Als Überschwemmung des Meeres (inundatio maris) wird unter einer Sturmflut ein durch Sturm mit auflandigen Winden erhöhter Tidenstrom bezeichnet. In der DIN 4049-3 von 2005 wurde definiert, eine Sturmflut sei ein „durch starken Wind verursachtes Ansteigen des Wassers an der Meeresküste und in den Flussmündungen im Küstengebiet, wenn die Wasserstände einen bestimmten Wert überschreiten.“531 Entlang der deutschen Nordseeküste können Sturmfluten verstärkt im Frühjahr und im Herbst auftreten. Im ersten Jahrtausend nach Christus soll der Sturmflutspiegel angestiegen sein. Während die Siedlungen in den Marschen bis dahin als sogenannte Flachlandsiedlungen angelegt worden waren, die im Sturmflutfall geräumt wurden, ging man dann dazu über, auf den Siedlungsplätzen dauerhaft zu verharren. Dafür war es notwendig, sich aktiv gegen die Sturmfluten zu schützen. Dies wurde erreicht, indem die Basis der Siedlungen durch Aufschüttungen künstlich erhöht wurde, indem Wohnhügel, sogenannte Wurten, errichtet wurden. Diese wurden im Laufe der Zeit immer weiter erhöht. Die einzelnen Siedlungsschichten stellen zwar nicht – wie lange vermutet wurde – die fossilen Pegel der zeitgenössischen Sturmflutspiegel dar, sehr wohl aber die jeweils am niedrigsten gelegenen Bauernhäuser. Die Differenz zwischen Mittel-Tidehochwasser und Sturmflutspiegel lag vor dem Deichbau bei 100 bis 150 Zentimetern. Erst durch den Deichbau wurden die natürlichen Überflutungsräume abgeschnitten und die Differenz stieg auf bis zu drei Meter an.532 Für einige Fluten, die in der älteren Literatur erwähnt werden, lassen sich keine zeitgenössischen Belege beibringen, wodurch sie sehr zweifelhaft erscheinen. Dies betrifft die vermeintlichen Sturmfluten der Jahre 516, 533, 570, 583, 626, 642 in den Niederlanden.533

|| 531 Hölting/Coldewey, Einführung (2009), 7. 532 Vgl. Behre, Meeresspiegelbewegungen (2005), 25–28. 533 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 1–7.

452 | Extreme Witterungsereignisse

Im Jahr 711 kam es zu einer außergewöhnlich Überschwemmung, die sich häufig in der Überlieferung finden lässt, so in Metz,534 Echternach,535 Hersfeld/Quedlinburg,536 Cambrai,537 Weissenburg,538 Moissac,539 Burgund,540 Niederaltaich,541 Lorsch,542 und Lausanne.543 „Sehr viele Überschwemmungen“ vermelden die Annalen der Bodenseeklöster für das Jahr 712.544 In der niederländischen Literatur kommen 711 und 712 als Sturmjahre hingegen nicht vor.545 Weikinn hat 14 chronikalische Berichte aufgelistet.546 Eine große Meeresflut (overflow of the sea) überliefert die Chronik der Schotten zum Oktober 716,547 die Annalen von Ulster kennen eine sea-flood im Monat Oktober des Jahres 720548 und nach den Annalen von Tigernach fand im Jahr 719 eine seaburst statt.549 Da sich die Annalen von Tigernach bei den astronomischen Ereignissen als die genauesten irischen Quellen herausgestellt haben, wird die Flut wohl im Jahr 719 und nicht 716 oder 720 stattgefunden haben. Vor dem Jahr 739 wurde der Missionar Willibrord durch eine Sturmflut daran gehindert, die Insel Helgoland zu verlassen:

|| 534 Annales Mettenses Priores, ad a. 711. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 10, 18: Eodemque anno aquae inundaverunt valde. 535 Monumenta Epternacensia, ad a. 711. Ed. Weiland, MGH SS 23, 57: Eodem anno aquae valde inundaverunt. 536 Annales Hersfeldenses ad a. 711, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 418: Aquae inundaverunt valde. 537 Annales Mosellani, ad a. 711. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 494: aquae inundaverunt valde; Annales Mosellani, ad a. 711. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 494: aquae inundaverunt valde et mors Hildiberti. 538 Annales Weissenburgenses, ad a. 711. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 11: Aque inundaverunt valde. 539 Chronicon Moissiacense, ad a. 711. Ed. Pertz, MGH SS 1, 289: aquae inundaverunt valde. 540 Chronicon Universale, ad a. 711. Ed. Waitz, MGH SS 13, 17: aque inundaverunt valde. 541 Annales Altahenses maiores, ad a. 711. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 1: Nimia inundatio aquarum. 542 Annales Laureshamenses, Annales Alamannici, Annales Nazariani, ad a. 711. Ed. Pertz, MGH SS 1, 7, 24 f., 73: aquae inundaverunt valde, et mors Hildiberti regis; Annales Petaviani, ad a. 711. Ed. Pertz, MGH SS 1, 7: tunc aquae inundaverunt valde; et Childebertus mortuus est. 543 Annales Flaviniacenses, ad a. 711. Ed. Pertz, MGH SS 3, 150: Inundatio aquarum. 544 Annales Heremi 2, ad a. 712. Ed. von Planta, MGH SS rer. Gem. 78, 237: Aquȩ multȩ; Annales Sangallenses maiores, ad a. 712. Ed. Zing, 144 f.: Aquae inundaverunt valde. 545 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 10. 546 Vgl. Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 12 f. 547 Chronicum Scotorum, ad a. 716. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 121: A overflow of the sea in the month of October. 548 Chronicle of Ireland, ad a. 720. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 193: A great sea-flood in the month of October. 549 Annals of Tigernach, ad a. 719. Ed. Stokes, Bd. 1, 227: A great seaburst in the month of October.

Sturmfluten | 453

„(…) und während der fromme Prediger des Wortes Gottes unterwegs war, gelangte er im Grenzgebiet der Friesen und Dänen zu einer Insel, die von ihren Bewohnern nach Fosite, einem ihrer Götter, Fositeland genannt wurde, da auf ihr Heiligtümer ebendieses Gottes errichtet waren. Dieser Ort wurde von den Heiden mit solcher Verehrung behandelt, dass nichts dort – weder eines der dort weidenden Tiere noch irgend etwas anderes – ein heidnischer Bewohner zu berühren wagte und auch von der Quelle, die dort hervorsprudelte, nur schweigend Wasser zu schöpfen sich getraute. Und da es den Mann Gottes durch einen Sturm dorthin verschlagen hatte, blieb er einige Tage, bis sich der Sturm gelegt hatte und ein für die Schiffsreise günstiger Zeitpunkt nahte.“550

Gottschalk bezweifelt die Datierung des Sturms, der in der niederländischen Forschung bereits um das Jahr 700 angesetzt wird.551 Es scheint aber nicht gegen die in den Quellen angegebene Datierung ins Jahr 739 zu sprechen. Die Annales Flaviacenses enthalten zu einem Eintrag des Jahres 777 eine tironische Note mit der Bedeutung transcendit und das Wort mare. Eine vom Meer ausgehende Überschwemmung könnte auf eine Sturmflut hinweisen.552 Nach einer irischen Chronik soll ein großer Windsturm im Januar des Jahres 786 stattgefunden haben, weiterhin „eine Überschwemmung in Dairinis [Kloster Molana]. Eine schreckliche Vision wurde im Kloster Clonmacnoise überliefert und eine große Buße in ganz Irland getan.“553 Die vielerorts beschriebenen Grabenbaumaßnahmen des Jahres 793554 betrafen den Verbindungskanal (magnum fossatum) Karls des Großen, der während der kurzen Zeit seiner Funktionstüchtigkeit als Verbindung vom Rhein-Main-Flusssystem über die Altmühl zur Donau einen der wichtigsten Verkehrs- und Handelswege in

|| 550 Vita Willibrordi archiepiscopi Traiectensis auctore Alcuino, 10. Ed. Levison, MGH SS rer. Merov. 7, 124 f.; FSGA 40a, 62–65: Et dum pius verbi Dei praedicator iter agebat, pervenit in confinio Fresonum et Daenorum ad quandam insulam, quae a quodam deo suo Fositae ab. accolis terrae Fositesland appellabatur, quia in ea eiusdem dei fana fuere constructa. Qui locus a paganis in tanta veneratione habebatur, ut nihil in ea vel animalium ibi pascentium vel aliarum quarumlibet rerum quisquam gentilium tangere audebat nec etiam a fonte, qui ibi ebulliebat, aquam haurire nisi tacens praesummebat. Quo cum vir Dei tempestate iactatus est, mansit ibidem aliquot dies, quousque, sepositis tempestatibus, oportunum navigandi tempus adveniret. 551 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 9. 552 Annales Flaviniacenses, ad a. 777. Ed. Pertz, MGH SS 3, 151: Transcendit mare [in der Anm.: fortasse „transcendit“, cuius nota Tironiana est]. 553 Chronicle of Ireland, ad a. 786. Ed. Charles-Edwards (AU), 250: A very severe gale in January. A flood in Dairinis. A terrifying vision in Clonmacnoise, and much penance hroughout Ireland. 554 Annales regni Francorum, ad a. 793. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 93 f.; FSGA 5, 60 f.: Rex autumnali tempore de Regansesburg iter navigio facies usque ad fossatum magnum inter Alemana et Radancia pervenit, inique missi apostolici cum magnis muneribus presentati sunt. Ibi missus nuntiavit Saxones iterum fidem suam fefellisse. Inde per Radancia in Mohin.

454 | Extreme Witterungsereignisse

Mitteleuropa darstellte.555 Er ist aber auch ein bemerkenswertes Beispiel für die nachträgliche Einfügung von witterungstechnischen Schwierigkeiten in eine Quelle, die eine bestimmte Intention des Verfassers und noch mehr des Auftraggebers vermuten lässt.556 Nach etwa 20 Jahren, also noch zu Lebzeiten Karls des Großen, spätestens aber kurz nach dem Regierungsantritt Ludwigs des Frommen, war der Kanal nicht mehr benutzbar. Der Bau des Kanals als solcher – er wird in weiteren Chroniken genannt557 – ist aber getrennt von den Wartungsarbeiten zu betrachten. Einen trockenen Graben auszuheben, der anschließend geflutet wird, ist ein deutlich einfacherer Vorgang, als in einem gefluteten Graben ohne moderne Technik eingeschwemmte Sedimente, insbesondere Sand, ausschöpfen zu wollen. Im Zusammenhang mit missglückten Wartungsarbeiten wirkt der letzte Satz in den Annales regni Francorum wieder realistisch: „Denn bei dem anhaltenden Regen und da das sumpfige Erdreich schon von Natur zu viel Nässe hatte, konnte die Arbeit keinen Halt und Bestand gewinnen, sondern wie viel Erde bei Tag von den Grabenden herausgeschafft wurde, soviel setzte sich wieder bei Nacht, indem die Erde wieder an ihre alte Stelle einsank.“558 Mit Wasser gefüllt, lässt sich der Graben nur von den Rändern aus pflegen. Entnimmt man dort Erdreich, rutscht es von oben wieder nach. Die eingefügte Beschreibung könnte also auf die missglückten Reparaturen hinweisen, die schließlich die Verlandung des Kanals nicht abwenden konnten. Als Ergebnis dieses kurzen Exkurses zum magnum fossatum bleibt festzuhalten, dass in seinem Zusammenhang die Witterung zur Argumentation des Verfassers instrumentalisiert werden konnte. Simeon von Durham berichtet zum Jahr 800, dass „das Meer über seine Ufer strömte.“559 Auch die Flores historiarum enthalten einen entsprechenden Eintrag: „Zur selben Zeit, am 23. Dezember [800], riss ein ungeheurer Wind, der von Afrika kam, durch sein schreckliches Wehen Städte um und entwurzelte Bäume, das Meer trat über seine Ufer und richtete unter dem Vieh viel Schaden an verschiedenen Orten

|| 555 Vgl. zuletzt mit ausführlichen Literaturangaben: Ettel u. a., Großbaustelle 793 (2014); Ettel, Fossa Carolina (2007), 145; Koch, Archäologisches Umfeld der Fossa Carolina (1990), 669–678; Koch, Neue Beobachtungen zur Fossa Carolina (1993), 134 f.; Koch, Fossa Carolina (1993), 2–10, 17 f., 20–24. 556 Spindler, Kanalbau Karls des Großen (1998), 50–58. 557 Annales Maximiniani, ad a. 793. Ed. Waitz, MGH SS 13, 22: Domnus Carolus rex per fossatum Alchmonae fluminis perrexit. Annales Sithienses, ad a. 793. Ed. Waitz, MGH SS 13, 36: Fossa a rege facta inter Radantiam et Alemonam fluvios. Annales Alamannici, ad a. 792. Untersuchungen. Ed. Lendi, 166: (…) et fossatum iussit facare. 558 Annales regni Francorum, ad a. 793. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 93; FSGA 5, 61–63: Nam propter iuges pluvias et terram, quae palustris erat, nimio humore naturaliter infectam opus, quod fiebat, consistere non potuit; sed quantum interdiu terrae a fossoribus fuerat egestum, tantum noctibus humo iterum in locum suum relabente subsidebat. 559 Simeon von Durham, Historia Regum. Ed. Arnold, 63; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 16: Quo anno inundatio maris ultra terminos suos profluxit.

Sturmfluten | 455

an.“560 Die Schäden durch das Meer scheinen auch die kontinentalen Küsten betroffen zu haben, denn Karl der Große ordnete im Jahr 802 Küstenschutzmaßnahmen an.561 Später wurden diese von Ludwig dem Frommen fortgeführt.562 Die Chronik der Schotten überliefert zum Jahr 868, dass es zu einem Ausbruch von seltsamem Wasser mit kleinen schwarzen Fischen am Great Sugar Loaf (Sliabh Cualann) nahe Bray, ganz im Osten von Irland, gekommen sei.563 In den Jahren 918 und 940 wurde im Zentrum von Irland die Abtei Clonmacnoise überflutet: „Im Jahr 918 war eine große Überflutung, sodass das Wasser die Abtei Clonmacnoise erreichte und den Damm des Denkmals der drei Kreuze.“564 Im Jahr 940 fand ebenfalls eine große Flut in Irland statt, „sodass die untere Hälfte von Clonmacnoise vom Wasser weggefegt wurde.“565 Im Winter des Jahres 990 richtete nach Thietmar von Merseburg eine gewaltige Sturmflut großen Schaden an.566 Diese Nachricht könnte mit einem zeitgleichen Naturereignis zusammenhängen, das in den irischen Annalen genannt wird und nach welchem der Sturm in Westirland die Insel

|| 560 Flores historiarum. Ed. Luard, Roll series 95.1, 406; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 16: Eodem tempore, decimo Kalendas Ianuarii, ventus ingens ab Affrica veniens suo flatu horrido urbes et arbores radicitus evulsit, mare ultra terminos suos exiens multam pecorem stragem in locis diversis fecit. Simeon von Durham, Historia Regum. Ed. Arnold, 63 mit dem 24. Dezember. 561 Verordnungen Karls des Großen zum Küstenschutz, ad a. 802, c. 13 a,b. MGH Capit. 1, 100 f.: 13a. De navigia praeparanda circa littoralia maris. 13b. De liberis hominibus qui circa maritima loca habitant: si nuntius venerit, ut ad succurrendum debeant venire, et hoc neglexerint, unusquisque solidos viginti conponat, mediaetatem in dominico, medietatem ad populum. Si litus fuerit, solidos quindecim conponat ad populum et fredo dominico in dorso accipiat. Si servus fuerit, solidos X ad populum et fredo dorsum. Verordnungen Karls des Großen zum Küstenschutz, ad a. 802, c. 13 f. (MGH LL 1, 97): 13. Ut omnes praeparati sint bene, quandocunque nostra iussio venerit. 14. De liberis hominibus qui circa maritima loca habitant, si nuntius venerit ut ad succurrendum debeant venire, et hoc neglexerit, unusquisque solidos viginti conponat, mediaetatem in dominico, medietatem ad populum. Si ictus a fuerit, solidos quindecim conponat ad populum, et fred̴ o dominico; Capitula missorum per missaticum Parisiense et Rodomense, 13–14 (MGH LL 1, 97 f.): 13. De navigia paeparandum circa litoralia maris. 14. De liberis hominibus qui circa maritima loca habitant, si nuntius venerit ut ad succurrendum debeant venire, et hoc neglexerit, unusquisque solidos viginti conponat, mediaetatem in dominico, medietatem ad populum. Si ictus a fuerit, solidos quindecim conponat ad populum, et fred̴ o dominico. 562 Meier, Trutz blanke Hans (1998), 139; Jankrift, Brände (2003), 26 Anm. 17. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 40 f. 563 Chronicum Scotorum, ad a. 868. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 161: An eruption of strange water from Sliabh Cualann, with little black fishes. 564 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 918. Ed. O’Donovan, 600: A great flood in this year, so that the water reached the Abbot’s Fort of Cluain-mic-Nois, and to the causeway of the Monument of the Three Crosses. 565 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 940. Ed. O’Donovan, 647: A great flood in this year, so that the lower half of Cluain-mic-Nois was swept away by the water. 566 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 18. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 152 f.; FSGA 9, 134 f.: et in hieme aqua inundans et ventus ingens multum nocuit.

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Loch Cimbe [Lough Hackett] mit seiner Anhöhe und Wall um 30 Fuß [rund zehn Meter] versenkt hätte.567 Schwarz geht davon aus, dass größere Deichbaumaßnahmen erst ab dem 11. Jahrhundert ergriffen wurden.568 Eine Änderung der Höhen bei der Anlage der Wurten in dieser Zeit beschreibt Meier.569 In England kam es 1029 zu einer Sturmflut: „Das Meer brach hervor und verursachte so viele Leiden, wie sie keiner vorher weder gesehen noch gehört hat.“570 Etwa um das Jahr 1031 gab es eine Seeschlacht mit byzantinischer Beteiligung, zu der Johannes Zonaras berichtet, dass „diejenigen aber, welche aus der Seeschlacht entkamen, durch eine Sturmflut auf dem sizilischen Meer vernichtet wurden.“571 Eine Gruppe von Überschwemmungen, die auf Sturmfluten zurückgehen könnten, ist von 1030 bis 1042 in den Quellen zu beobachten. Die Anglo-Saxon Chronicles verzeichnen zum Jahr 1039 in England eine Sturmflut,572 während die Annalen von Ottobeuren im Jahr darauf, 1040, eine Überschwemmung anführen, die viele tötete.573 Dabei ist aber nicht klar, ob es sich um ein Ereignis am Meer oder an Flüssen handelte. Genauer ist ein zeitnaher Eintrag in den Annales Blandinenses: „In diesem Jahr ereignete sich eine große Überschwemmung des Meeres am 2. November 1042“.574 In den Annales Elmarenses wird dasselbe Ereignisse (magna inundatio) zum selben Datum (IV non. Novembris) in zwei aufeinanderfolgenden Jahren – 1042 und 1043 – genannt.575 Aufgrund der genauen Angabe in den Annales Blandinienses wird es wahrscheinlich im Jahr 1042 stattgefunden haben. Am 2. Juni 1062 soll es nach späterer Überlieferung zu einer Sturmflut (inundatio maris, quarto nonas Junii, facta est) gekommen sein. Dies wurde von Weikinn übernommen, aber von Gottschalk angezweifelt.576 Solange zeitgenössische Nachrichten fehlen, ist das Ereignis aus methodischen Gründen als unsicher einzustufen.

|| 567 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 990. Ed. O’Donovan, 727: The wind sunk the island of Loch Cimbe suddenly, with its dreach and rampart, i.e. thirty feet. 568 Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 41, beruhend auf Wieland, Küstenschutz (2000), 30. 569 Meier, Historical Geography (2008), 21–23. 570 Annales Prioratus de Wigornia, ad a. 1029. Ed. Luard, Roll series 36.4, 371; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 32: Mare erupit et tot mala fecit, quod nullus antae nec vidit nec audivit. 571 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 579, in:Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 67. 572 Anglo-saxon Chronicles, ad a. 1039. Ed. Swanton, 160: Here came the great gale. 573 Annales Ottenburani, ad a. 1040. Ed. Pertz, MGH SS 5, 6: Aquae inundantes multos extinguunt. 574 Annales Blandinienses, ad a. 1042. Ed. Pertz, MGH SS 5, 26; Lauer, 1937; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 33: Hoc anno facta est magna inundatio maris 4. Nonas Novembris. Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 47–49. 575 Annales Elmarenses, ad a. 1042. Annales. Ed. Grierson, 91: Magna inundatio maris IV non. Novembris. Annales Elmarenses, ad a. 1043. Annales. Ed. Grierson, 91: Et magna inundatio maris facta est IV non. Novembris. 576 Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 34. Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 49.

Sturmfluten | 457

Nachrichten gibt es auch noch für das Jahr 1099, als „das Meer ausbrach (erupit) und vieles zerstörte.“577 Diese Sturmflut fand wohl am 11. November 1099 im englischen Kanal und an der Themse statt.578 So heißt es in den Annalen des 1147 gegründeten Zisterzienserklosters Margam: „Die Meeresflut stieg den Fluss Themse hinauf und ertränkte viele Ansiedlungen mit den Menschen,“579 und in den Annalen des 1128 gegründeten Zisterzienserklosters Waverley: „In diesem Jahr am Feste des heiligen Martinus stieg das Meer hoch hinauf und machte größeren Schaden, als sich irgendjemand erinnern konnte, jemals zuvor angerichtet zu haben, und war an jenem Tage der 1. Mond.“580 Der Schaden war anscheinend beträchtlich: „Am 11. November überschritt das Meer seine Gestade und ertränkte unzählige Rinder und Schafe.“581 Diese Flut wird noch von mehreren anderen Annalen überliefert.582 Die zeitliche Verteilung der Sturmfluten ist in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Tab. 39: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Sturmfluten von 500 bis 1100 Gesamt 23 100 %

6. Jh. 3 13 %

7. Jh. 0 0%

8. Jh. 7 30 %

9. Jh. 2 9%

10. Jh. 3 3%

11. Jh. 8 35 %

Der Schwerpunkt der überlieferten Beobachtungen liegt im 11. Jahrhundert mit über einem Drittel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. Jahrhundert überliefert. Die überlieferten Beobachtungen regulärer Sturmfluten sind zeitlich relativ gleichmäßig verteilt, im 8. Jahrhundert sieben Sturmfluten bzw. Überschwemmungen, im 9. Jahrhundert zwei, im 10. Jahrhundert drei Sturmfluten und im 11. Jahrhundert acht

|| 577 Annales Rotomagenses, ad a. 1099. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 47: Mare erupit et tot mala fecit, quot nullus antea vidit. 578 Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 53 f. 579 Annales de Margan. Ed. Luard, Roll series 36.1, 6; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 40: Fluctus marinus per Tamesim flumen ascendens, villas multas cum hominibus mersit. 580 Annales monasterii de Waverleia, ad a. 1099. Ed. Luard, Roll series 36.2, 208; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 40: Hoc anno ad festum Sancti Martini ascendit mare valde, et fecit maius damnum, quam aliquis meminisse potuit, quod unquam ante fecerat, et fuit illo die luna prima. 581 Simeon von Durham, Historia Regum. Ed. Arnold, Roll Series 75.2, 230; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 40: Tertio nonas Novembris mare litus egreditur, et villas et homines quamplures, boves et oves innumeras demersit. 582 Annales Rotomagenses, ad a. 1099. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 47; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 40: Mare erupit et tot mala fecit, quot nullus antea vidit; Bartholomaeus de Cotton, Historia Anglicana. Ed. Luard, Roll series 16, 55; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 40; Annales monasterii de Bernumdeseia, ad a. 1099. Ed. Luard, Roll series 36.3, 428; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 40; Annales Angliae excerpta. Ed. Pertz, MGH SS 16, 483; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 40: Mare erupit et inaudita mala fecit.

458 | Extreme Witterungsereignisse

Sturmfluten. Bei vier Ereignissen ist keine Region angegeben, sodass bereits eine Zuordnung zum Gewässer schwierig ist. Die älteren Ereignisse scheinen eher im Mittelmeerraum beobachtet worden zu sein, der ganz überwiegende Anteil der Sturmfluten und der Tsunamis ist für die Nordseeküste und die irische See überliefert. Nur zwei Mal (712, 1040) könnten die Überschwemmungen an binnenländischen Wasserflächen stattgefunden haben, mutmaßlich auf dem Bodensee. Tab. 40: Überlieferung der Sturmfluten von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Fl-1

711

[kein Ort angegeben]

Sturmflut

[zahlreich > 5]

Fl-2

712

Bodenseeraum

Sturmflut

Ann. Heremi

Region, Ort

Ereignis

Quellen

Fl-3

720

Küste Irlands

Sturmflut

Chronik v. Irland (AU, AT, CS)

Fl-4

739

Helgoland

Sturmflut

[hagiograph. Quellen]

Fl-5

777

[kein Ort angegeben]

Sturmflut?

Ann. Flaviacenses

Fl-6

786

Nordseeküste

Sturmflut

Chronik v. Irland (AU)

Fl-7

800

Mittelmeer, Nordseeküste

Sturmflut

Simeon von Durham

Fl-8

918

Küste West-Irlands

Sturmflut

Chronik v. Irland (AF)

Fl-9

940

Küste West-Irlands

Sturmflut

Chronik v. Irland (AF)

Fl-10

990

Nordsee, West-Irland

Sturmflut

Iri. Chronik (AF), Thietmar v. Merseb.

Fl-11

1029

Küste Englands

Sturmflut

Ann. Prioratus de Wigornia

Fl-12

1031

Küste Siziliens

Sturmflut

Johannes Zonaras

Fl-13

1039

Küste England

Sturmflut

Anglo-Saxon Chronicles

Fl-14

1040

[kein Ort] Bayern (?)

Sturmflut

Ann. Ottenburani

Fl-15

1042

Nordseeküste

Sturmflut

Ann. Blandinienses

Fl-16

1062

[kein Ort angegeben]

Sturmflut

[spätere Überlieferung]

Fl-17

1099

Küste England/Themse

Sturmflut

Ann. Rotomagenses

Die Entfernung des Ortes, an dem das Ereignis dokumentiert wurde, steht in keiner Beziehung zum Ort, an dem das Ereignis stattgefunden hat. 1040 berichten die Annalen in Kloster Ottobeuren von einer Überschwemmung, die am Ufer des nahen Bodensees stattgefunden haben könnte. Der Tsunami des Jahres 1014, der sicher an der Nordseeküste stattgefunden hat, wurde auch in verschiedenen bayerischen Klöstern dokumentiert. In fünf Fällen wurden keine konkreten Ortsangaben gemacht. Die Küsten Englands, Irlands und die Nordseeküste sind jeweils vier Mal angegeben, hinzu kommen

Sturmfluten | 459

der Raum Helgoland und die Normandie (Evodia). In der Alpenregion werden der Bodenseeraum und der Genfer See genannt, im mediterranen Bereich das Ägäische Meer, die Küste Siziliens und ganz allgemein das Mittelmeer. Bei weniger als der Hälfte der Meeresüberschwemmungen wurden konkrete Schadensangaben gemacht. Die Schäden beliefen sich drei Mal auf die Zerstörung von Schiffen (8. Jh., 839, 1031) oder Städten (563, 800, 1099) sowie auf teilweise hohe Zahlen an Menschenleben (839, 1014, 1040, 1099) und verendetem Vieh (800, 1099). Die Überlieferungslage gestaltet sich sehr unterschiedlich, die Überflutungen der Jahre 711 mit fünf, 839 mit sieben und 1014 mit sechs Quellenstellen sind sehr gut belegt, während jene der Jahre 739 nur mit hagiographischen Quellen und 1062 nur in der späteren Überlieferung dokumentiert sind. Die Quellen mit den häufigsten Nennungen von Meeresüberschwemmungen sind die Chroniken von Irland mit fünf Nennungen (720, 786, 918, 940, 990) und die Frankengeschichte Gregors von Tours mit drei Erwähnungen (551, 563, 577). Weitere elf zeitgenössische Quellen erwähnen nur einmal eine Meeresüberschwemmung. Die Sturmfluten sind eine Kombination von Tidenhub und extremen Windsituationen. Eine andere Art von Überschwemmungen durch das Meer sind hingegen die Tsunamis.

460 | Extreme Witterungsereignisse

3.6 Extreme Winter Während ein Sommer eindeutig der Mitte eines bestimmten Jahres zugeordnet werden kann, lassen sich extreme Winterereignisse in den Chroniken an zwei Stellen finden, zum Ende des ausgehenden Jahres, in dem der Winter begann, oder am Anfang des Jahres, in dem der Winter endete. Die Nachrichten können sich dabei in solche unterscheiden, die sehr kalte und schneereiche Winter, kühle Sommer, späten Frost im Frühjahr oder frühen Frost im Herbst beschreiben.583 Die möglichen Auswirkungen auf die Ernte, besonders auf das Getreide, aber auch auf das Überleben der Weinstöcke, stehen bei den Zeitgenossen im Vordergrund ihres Interesses. Dazu kommt die auch für das Spätmittelalter beobachtete kuriose Betrachtung von vollständig zugefrorenen Wasserkörpern wie Flüssen oder Seen. Meteorologisch beginnt der Winter auf der Nordhalbkugel, also im hier zu betrachtenden Raum, am 1. Dezember und umfasst die Monate Dezember, Januar und Februar. Strenge Winter lassen sich durch eine über die durchschnittliche Dauer hinausgehende Schneebedeckung definieren, also etwa durch Schneefall bereits im November oder bleibender Schneebedeckung noch im März und April. Wenn weiterhin die Vereisung so stark ist, dass Flüsse vollständig zufrieren, wurden solche Winter von den Zeitgenossen als Extremwinter empfunden, die zu großen Schäden führen konnten.584 Lamb hat dafür die Bezeichnungen der „great winters“ eingeführt, neben die zwei weitere Kategorien gestellt wurden: sogenannte „kalte Winter“ („cold winter“) und „strenge Winter“ („severe winter“).585 Dieses System wurde seither konsequent weiter unterteilt. Pfister hat dazu einen dreistufigen Temperaturindex mit einer siebenstufigen Skala von –3 bis +3 entwickelt, für den die Bezeichnung „Pfister-Index“ vorgeschlagen wurde.586 Aber auch dieses System ist mittlerweile auf eine achtstufige Anordnung mit durchgezählten Kategorien erweitert worden.587 Zuletzt wurde ein neunstufiger positiv/negativ Index, im Grunde ein erweiterter „Pfister-Index“ aufgestellt.588 Große Schwierigkeiten ergeben sich durch den Versuch, den relativen Kategorisierungen konkrete und absolute Temperaturwerte zuzuweisen, denn diese müssen, je nach klimageographischem Bezug und Lage, unterschiedlich sein. Kurz gefasst: Ein kalter Winter wird in Venedig anders wahrgenommen als in Island. Das Temperaturempfinden des Chronisten Ibn Faḍlān aus Bagdad wird mit Sicherheit ein anderes gewesen sein, als dasjenige eines irischen Mönches.

|| 583 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 446. 584 Webb/Snyder, Frost Hazard (2013), 363–366. 585 Lamb, Climate, Bd. 2 (1977), 31–34. 586 Pfister, Wetternachhersage (1999), 45 f.; Mauelshagen, Klimageschichte (2010), 55 f. 587 Shabalova/Engelen, Evaluation of Reconstruction (2003), 225. Vgl. Engelen/Buisman/IJnsen, Millenium of Weather (2001), 101–124. 588 Enzi/Sghedoni/Betolin: Temperature Reconstruction (2013), 107 f.

Extreme Winter | 461

Die folgende Tabelle zeigt die verschiedenen Kategorisierungssysteme im Vergleich und die Häufigkeit des Auftretens unterschiedlicher Temperaturausprägungen. Tab. 41: Vergleich der Klassifikationsvorschläge von Wintern 8-stufige Kategorien nach Schabalova / Engelen590

7-stufiger Index nach Pfister589 Index Umschreibung

δ592

180 %

Index Umschreibung Fre-

9-Stufen Index nach Enzi u. a.591

Tempera- Umschreibung Index

quenz

tur

1

extrem mild

1%

6,2° C

2

sehr mild

4%

5,4° C

extrem, viel zu warm

2

deutlich über normal, zu warm 130 %

3

mild

11 %

4,3° C

2

1

mäßig über normal, zu warm 65 %

4

ziemlich mild

21 %

3,3° C

1

0

normal

5

normal

26 %

2,3° C

-1

mäßig unter normal, zu kühl -65 %

6

kalt

21 %

1,2° C

cold winters

-2

deutlich unter normal, zu kalt -130 % 7

strenge Kälte

11 %

-0,1° C

severe winters -2

-3

extrem, viel zu kalt

4%

-1,8° C

great winters

0%

-180 % 8

sehr strenge Kälte

great summers

4

3

3

0 -1 -3 -4

Farblich gekennzeichnet sind die Extrembereiche, die in den Quellen vom 6. bis 11. Jahrhundert aufgezeichnet wurden.

Verzeichnisse zu Wintern werden schon seit Längerem angelegt; so im 19. Jahrhundert von Boegner,593 Hildebrandson für Europa594 oder von Vogelstein für die Ostsee595, im frühen 20. Jahrhundert von Hellmann596 und Baur597. Einen sehr umfassenden und grundlegenden Überblick zu den Wintern im westlichen Europa in der Zeit von 396 v. Chr. bis 1916 hat Easton vorgelegt.598 Aus archäologischer Sicht wurden für die hier zu betrachtende Zeitspanne von Jockenhövel die Winter der Jahre 406 bis 799 eingehend

|| 589 Pfister Wetternachhersage (1999), 45–46; Mauelshagen, Klimageschichte (2010), 55–56. 590 Shabalova/Engelen, Evaluation of Reconstruction (2003), 225. 591 Enzi/Sghedoni/Betolin: Temperature Reconstruction (2013), 107–10. 592 Pfister, Wetternachhersage (1999), 46, Tab. 2.4: δ = Abweichung in Prozent der Standardabweichung vom Mittelwert der Jahre 1901–1960. 593 Boegner, Strenge Winter (1841). 594 Hildebrandson, Beitrag zur Verzeichnung (1881), 345–368. 595 Vogelstein, Berichte über das häufigere Zufrieren (1895), 136–138. 596 Hellmann, Strenge Winter (1917), 738–759. 597 Baur, Strenge Winter (1941). 598 Easton, Hivers dans l’Europe Occidentale (1928).

462 | Extreme Witterungsereignisse

untersucht.599 Weikinn nennt in seiner Zusammenstellung die Winter vor allem in Bezug auf vereinzelte zugefrorene Flüsse.600 Die umfangreichste Sammlung ausschließlicher Winterereignisse von Alexandre hält für den hier interessierenden Untersuchungszeitraum erst ab dem Jahr 1000 Daten bereit.601 Zwar ist für einzelne Wasserkörper wie etwa den Bodensee in Zusammenstellungen zu finden, sie seien in den Jahren 875, 895, 1074, 1076, 1108 zugefroren gewesen,602 dafür fehlen aber oft die zeitgenössischen Quellen. Die mit Abstand schlimmsten Frostereignisse, die in der älteren Forschung bereits mehrfach untersucht wurden, fanden in den Jahren 763/764603 sowie in dem für die Politikgeschichte wichtigen Jahr 1076/1077 statt. Mit dem Winter als Phänomen der mittelalterlichen Literatur hat sich Classen auseinandergesetzt.604 Am gehäuften Auftreten von Wintern werden häufig die Charakterisierungen von Kälte- und Wärmeperioden festgemacht. Demgegenüber stellten Enzi, Sghedoni und Betolin fest, dass sich die meisten der von ihnen für das 12. und 13. Jahrhundert erhobenen Daten auf Episoden extrem kalter Winter beziehen. „Dies“, so schreiben sie, „sei relativ überraschend, denn diese Periode ist als ‚Mittelalterliche Warmzeit‘ bekannt“.605 Eine genau diametral gegenüberstehende Beobachtung publizierten Cook, Palmer und D’Arrigo: „Of equal interest in the reconstruction is the sharp and sustained cold period in the A.D. 993–1091 interval. This cold event is easily the most extreme to have occurred over the past 1,100 years.“606 So einfach, wie bisher angenommen, scheint die Rekonstruktion von historischen Kältephasen also nicht zu sein. Hinzu kommt die Veränderung der Wahrnehmung dessen, was als Abweichung zu interpretieren ist. Bezüglich der spätmittelalterlichen Quellen im Ostalpenraum ist festgehalten worden, dass das Interesse der Annalisten nicht den besonders kalten Wintern oder kühlen Sommern galt. Diese seien ihnen insgesamt kaum als erwähnenswert erschienen. Vielmehr erschienen nur die wirklich auffälligen Witterungsanomalien, wie ein sommerliches Weihnachten oder Schnee im Mai überlieferungswert.607 Das Zufrieren von Flüssen und die Verlagerung des Lebens auf das Eis erschien den Annalisten im Ostalpenraum im 14. Jahrhundert als Novum noch berichtenswert, während dies im 16. Jahrhundert dann zur Regel wurde.608 Konkrete Auswirkungen auf die politische Geschichte, im konkreten Fall auf die Kriegsführung

|| 599 Jockenhövel, Winter im Jahre 406/407 (1990), 36–53. 600 Vgl. Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 35 f. in Bezug auf den Winter 1076/77. 601 Climat. Ed. Alexandre, 336–343. 602 Meichle, Seegfrörne und Eisprozession (1963), 145–170. 603 Herzig, Winter 763/64 (1996), 151 f. 604 Classen, Winter as a Phenomenon (2011), 125–150. 605 Vgl Enzi/Sghedoni/Betolin: Temperature Reconstruction (2013), 109. 606 Cook/Palmer/D’Arrigo, Evidence for a ‘Medieval Warm Period’ (2002), 12-3 (sic). 607 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 447. 608 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 449; Behringer, Kulturgeschichte des Klimas (2007), 188 f.

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des Jahres 1331, hatte der strenge und früh einsetzende Winter bei der Belagerung der Stadt Laa an der Thaya durch den Habsburgerherzog Otto den Fröhlichen.609 Für die mittelalterlichen Autoren prägend war insbesondere Isidor von Sevilla mit seiner Naturgeschichte, in der er, basierend auf dem Kirchenvater Ambrosius das Wissen zum Schnee zusammengefasst hat.610 Die Verfasser von Chroniken und Annalen verwenden überwiegend folgende Begrifflichkeit im Themenfeld Winter und Kälte: hiemps, hiems, gelum, nix, valida, grandis, magna, dura. Neben historiographischen Quellen bieten oft auch Heiligenviten Bezüge zu Naturereignissen und besonders zum Winter. Dafür ein Beispiel: Die Vita des hl. Severin (um 410–482), geschrieben um 511 von Eugippius,611 enthält vergleichsweise viele Wunderschilderungen mit einem direkten Bezug zu Naturereignissen, wie eine Hungersnot (3), Heuschrecken (12), Überschwemmungen (15), Getreiderost (18) oder einen Extremwinter (29).612 Nach Angaben von Eugippius wurden Ende des 5. Jahrhunderts im Winter Kleiderspenden aus (Binnen-)Noricum in die bedrängten Gemeinden (Ufer-)Noricums gebracht.613 Genau heißt es: „Zur selben Zeit bemühte sich der früher erwähnte Noriker Maximus voll heißen Glaubens mitten im Winter, wo in jenen Gegenden die Straßen infolge starker Vereisung unpassierbar sind, in tollkühner Verwegenheit oder vielmehr, wie nachher offenbar wurde, in unerschütterlicher Verehrung zum heiligen Severin zu kommen. Er hatte viele Kameraden geworben, die auf ihrem Nacken Kleidungsstücke schleppten, welche für Gefangene und Arme bestimmt und durch eine fromme Sammlung der Noriker aufgebracht worden waren.“614

Auch die Donau war nach Eugippius gefroren: „Zum Beweis für die außerordentliche Kälte kann man gewiss die Donau anführen, die oft so stark zugefroren ist, dass sie sogar Lastwagen eine sichere Überfahrt ermöglicht.“615 Einige Details der Darstellung könnten sich auf das Jahr 468 beziehen, von dem auch Fredegar schrieb, dass in diesem Jahr Winter, Frühjahr, Sommer und Herbst außergewöhnlich hart verstrichen

|| 609 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 450. 610 Isidor von Sevilla, De Natura rerum, 34. De niue. Ed. Fontaine, 291: De niue. Ait Ambrosius quod plerumque glacialibus uentorum flatibus rigentes aquae solidantur in niuem, et rupto aere nix funditur. 611 Eugippius. Ed. Noll, 14. 612 Lotter, Severinus von Noricum (1976). 613 Vgl. König, Bekehrungsmotive (2008), 219, allerdings mit umgekehrter Zugrichtung. 614 Eugippius, Vita Severini, 29, 1–3. Ed. Sauppe, MGH Auct. ant. 1.2, 22; Eugippius. Ed. Noll, 94 f.: Per idem tempus Maximus Noricensis, cuius fecimus in superioribus mentionem, fidei calore succensus media hieme, qua regionis illius itinera gelu torpente clauduntur, ad beatum Seuerinum audaci temeritate uel magis, ut post claruit, intrepida deuotione uenire contendit, conductis plurimis comitibus, qui collo suo uestes captiuis et pauperibus profuturas, quas Noricorum religiosa collatio profligauerat, baiularent. 615 Eugippius, Vita S. Severini, 4. Ed. Sauppe, MGH Auct. ant. 1.2, 9; Eugippius. Ed. Noll, 64 f.: Ad cuius immanitatem frigoris comprobandam testem constat esse Danuvium, ita saepe glaciali nimietate concretum, ut etiam plaustris solidum transitum subministret.

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seien und sich das Getreide in Schimmel verwandelt habe.616 Das Problem der fehlenden oder zu ungenauen Datierung eines Ereignisses in hagiographischen Quellen sollte hier nur angedeutet werden, um die methodischen Einschränkungen der Quellengattung klar zu machen. Im Folgenden werden die Winter chronologisch beschrieben und einzelne extreme Kälteereignisse und -perioden im Detail analysiert. Als besonders lang und streng sind die Winter für die folgenden Jahre einzustufen: 763/764, 839/840, 859/860, 875/876, 921/922, 975/976, 993/994, 1067/1068 sowie 1076/1077. Eine besonders ausgeprägte Beschreibung in den Quellen erfuhren dabei die Winter 763/764 und 1076/1077. Diesen Wintern stehen acht gegenüber, für die vor einigen Jahren die These begründet wurde, sie wären überdurchschnittlich kalt und diese Kälte wäre durch die Verringerung von Sonneneinstrahlung aufgrund von Vulkanausbrüchen erfolgt: 763/764, 821/822, 823/824, 855/856, 859/860, 873/874, 913 und 939/940.617 Einige dieser Winter konnten in ihrer Eigenschaft als Extremwinter bestätigt werden, andere sind nicht jedoch so außergewöhnlich wie vorgeschlagen. Ob sie durch die Folgen von Vulkanausbrüchen verursacht wurden, kann allein anhand der historischen Quellen nicht verifiziert werden.

3.6.1 Kalte Winter im 6., 7. und 8. Jahrhundert Extrem kalte Witterung wird für das 6. Jahrhundert mindestens fünf Mal überliefert. So wird der Winter der Jahre 528/529 in Syrien als hart bezeichnet.618 Gregor von Tours nennt einen der Winter zwischen den Jahren 548 bis 555 streng und ungewöhnlich rau. Für ihn war es – genau wie für Eugippius in der Vita des hl. Severin – erwähnenswert, dass die Flüsse fest zufroren und die Leute über sie ihren Weg wie über den festen Boden nehmen konnten. Als weitere Kuriosität erwähnt Gregor, dass auch die Vögel von Kälte und Hunger so matt waren, dass sie sich ohne listige Einrichtung mit der Hand im tiefen Schnee fangen ließen.619 An dieser Stelle tritt erneut das Interesse Gregors an auffälligen Witterungsanomalien deutlich zu Tage. Eine genauere Datierung der Ereignisse gibt Sigebert von Gembloux in seiner

|| 616 Fredegar, Chronik, 2, 56. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 77: Durissimus extra soleto hoc eodem an. hibernus hiemis et aestatem, autumni fructuumque mutatione defundetur. 617 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 878–889. 618 Vgl. Chronicle of Zuqnin. Ed. Harrak, 89. 619 Gregor von Tours, Libri historiarum, 3, 37. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 132; FSGA 2, 190 f.: Gravem eo anno et solito asperiorem hiemem fecit, ita ut torrentes concatiniti gelu pervium populis tamquam reliqua humus praeberet. Aves quoque rigore adfectae vel fame, absque ullo hominum dolo cum magnae essent nives, manu capiebantur.

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Chronik an, wobei er ebenfalls auf die zahmen Vögel eingeht, die sich von Hand fangen ließen. Er stellte das Ereignis zum Jahr 554, ohne dafür Gründe anzugeben.620 Erst 14 Jahre später, im Jahr 568, wird ein ungeheurer Schneefall genannt, der die Früchte zerstört habe.621 Allerdings hat der im 11. Jahrhundert schreibende Hermann von Reichenau anscheinend die bei Paulus Diaconus dokumentierten Ereignisse zu stark zusammengefasst. Denn dort wird zum Jahr 568 berichtet, dass im Winter zu Jahresbeginn so viel Schnee im Flachland gefallen sei, wie er sonst nur mitten in den Alpen vorzukommen pflegt. Zur Ernte vermerkte Paulus: „Im darauffolgenden Sommer aber war die Fruchtbarkeit so groß, dass es hieß, selbst die Ältesten könnten sich nicht erinnern, so etwas je erlebt zu haben.“622 Es sind also tatsächlich zwei verschiedene Witterungsereignisse für 568 und 569 bekannt, zunächst ein harter, schneereicher Winter, dann ein milder, früchtereicher Sommer. Hermann von Reichenau hat dies in seiner Chronik dann wohl zu stark verdichtet. Paulus Diaconus dokumentiert weitere Schnee-Ereignisse: So beschreibt er anlässlich der Einfälle der Langobardenherzöge Amo, Zaban und Rudan nach Gallien im Jahr 575 auch den Rückzug des Amo, der als letzter noch in Gallien weilte. Als dieser von der bereits erfolgten Rückkehr der anderen erfuhr, raffte er alle Beute zusammen und brach in Richtung Italien auf. Aber Schneefälle erschwerten seinen Weg, er ließ die Beute zum großen Teil zurück und konnte sich mit seinen Leuten nur mit knapper Not einen Weg über das Gebirge bahnen und so nach Hause gelangen.623 Irische Annalen überliefern zum Jahr 587 und 588 viel Frost und Sturm.624 Der, wie bereits mehrfach angeklungen, an ungewöhnlichen Witterungsereignissen interessierte Gregor von Tours schildert für das Frühjahr 588, dass es starke Regengüsse gab, und dass, als die Bäume und Weinberge schon grünten, Schnee fiel und alles bedeckte. Der daraufhin eintretende Frost vernichtete die Reben in den Weinbergen sowie die übrigen Früchte, die sich bereits entwickelt hatten. Die Kälte sei so groß gewesen, dass sogar die Schwalben, die aus fremden Gegenden kamen, bei dem starken Froste starben. Seine Vorliebe für die genaue Naturbeobachtung wird aus der folgenden Schilderung deutlich: „Auch das war wunderbar, dass, wo sonst der Frost || 620 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 554. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 317: Hiems nive et glacie ita exasperatur, ut volucres et ferae indomitae manu capi possent. 621 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 568. Ed. Pertz, MGH SS 5, 89: Ingens hoc anno nix cecidit, et insolita frugum copia subsecuta est. 622 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 2, 10. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 78; Ed. Schwarz, 164 f.: Hoc anno superiori hieme tanta nix in planitie cecidit, quanta in summis Alpibus cadere solet; sequenti vero aestate tanta fertilitas extitit, quanta nulla aetas adseveratur meminisse. 623 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 3, 8. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 97; Ed. Schwarz, 192 f.: His auditis Amo collecta omni praeda Italiam rediturus proficiscitur; sed resistentibus nivibus praedam ex magna parte relinquens vix cum suis Alpium tramitem erumpere potuit et sic ad patriam pervenit. 624 Annals of Clonmacnoise, ad a. 587. Ed. Murphy, 90: There was a great frost this year. Annals of Clonmacnoise, ad a. 588. Ed. Murphy, 91: The same yeare there was much frost and winde.

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niemals Schaden angerichtet hatte, er damals alles zugrunde richtete und gerade da nicht hinkam, wo er sonst Verheerungen verursachte.“625 Auch im folgenden Jahr 589 soll eine ungewöhnliche Kälte während des Frühjahrs hereingebrochen sein, die Gregor folgendermaßen in seinen Text einbaute: „Da sie nun, wie gesagt, darauf drangen, sich zum König zu begeben, gaben wir ihnen guten Rat und sprachen: ‚Was ihr wollt, ist gegen die Vernunft, und auf keine Weise kann man euch zu einem ordnungsgemäßen Verhalten bringen, was euch vor Schande bewahrt. Wenn ihr aber, wie gesagt, die Vernunft außer acht lassen und einen heilsamen Rat nicht annehmen wollt, so entschließt euch doch wenigstens, das winterliche Wetter, das uns in diesem Frühjahr überfallen hat, vorübergehen zu lassen und erst, wenn die Luft milder geworden ist, dahin zu gehen, wohin es euch treibt.‘“626

Zu Beginn des 7. Jahrhunderts sind zwei kalte Winter überliefert. Im Jahr 607 zerstörten in Byzanz und Syrien Schnee und Frost, der sogar den Euphrat und andere Flüsse zufrieren ließ, die Saat und die Bäume.627 Vier Jahre später war der Winter 610/611 so kalt, dass das Meer gefror und unter diesen Bedingungen viele Fische starben.628 Nach einer anderen Überlieferung war – und das ist wahrscheinlicher – nur die Küste gefroren.629 Für die folgenden 70 Jahre, also fast für das komplette 7. Jahrhundert liegen keine Nachrichten zu harten Wintern mehr vor. Erst die verschiedenen Überlieferungen der Chronik des Theophilus von Edessa geben für das Jahr 668 auf 669 an, dass

|| 625 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 17. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 431; FSGA 3, 254 f.: Eo anno verno tempore pluviae validae fuerunt, et cum iam vel arbores vel vineae fronduissent, nix decidua cuncta operuit. Subsequente d quoque gelu tam palmitis vinearum quam reliqui ostensi fructus incensi sunt. Tantusque rigor fuisse visus est, ut etiam erundines alites, quae de externis regionibus venerant, vi algores extinguerentur. Illud etiam admirabile fuit, quod, ubi numquam gelu nocuit, tunc omnia abstulit et ibi, ubi consueverat laedere, non accessit. 626 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 40. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 465 f.; FSGA 3, 304 f.: His vero intendentibus, ut ad regis, sicut diximus, praesentiam properarent, dedimus eis consilium, dicentes: 'Intendetis contra rationem, et nullo modo vobis ea series inseri potest, quae blasphemium arceat. Sed, si, ut diximus, rationem praetermittetis nec salubre consilium vultis accipere, vel hoc conicite in animis vestris, ut, praeterito hiberni huius tempore, qui in hoc verno accessit, cum aurae commodiores fuerint, quo ducit voluntas pergere valeatis'. 627 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 154. 628 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 610–611. Ed. Hoyland, 59 [Theophanes]: There was very severe cold so that the sea froze and, in these conditions, many fish were cast out. 629 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 610–611. Ed. Hoyland, 59 [MSyr]: There was such a cold that the shore of the sea froze.

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ein strenger Winter geherrscht habe und viele Menschen und Tiere Not litten.630 Aufgrund des vielen Schnees seien viele Menschen und Tiere gestorben;631 und auch die Olivenbäume und der Wein in Syrien und Mesopotamien ausgedörrt.632 Auch die irischen Annalen verzeichnen für 670 einen großen Kälteeinbruch mit Schneefall und Hungersnot.633 Die Chronik der Schotten gibt für das Jahr 696 an, dass in diesem Jahr ein so großer Frost geherrscht habe, dass die Seen und Flüsse von Erinn [Irland] gefroren waren und die Wasserfläche zwischen Erinn und Alba [Schottland] so stark gefroren war, dass die Menschen von einer zur anderen Seite über das Eis gehen konnten.634 Die Situation änderte sich erst im 8. Jahrhundert. Einen harten Winter melden zwei nördlich der Alpen verfasste Annalenwerke erst wieder für das Jahr 708.635 Der Frühling des darauf folgenden Jahres 709 wurde als so hart bezeichnet, dass die Früchte von der Kälte zerstört wurden636 und die Kälte teilweise das ganze Jahr dauerte.637 Ebenso wurde das darauffolgende Jahresende 709/710 als harter Winter charakterisiert.638 Die Problematik für die späteren Annalenkompilatoren scheint darin zu liegen, dass es anscheinend zu einem harten Winter 709/710 und zu einem, sonst

|| 630 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 668–669. Ed. Hoyland, 164 [Theophanes]: There was a severe cold and many men as well as beats suffered hardship. Vgl. ebd., Anm. 418: „Theophanes adds that Phadalas (Fadala ibn ‘Ubayd al-Ansari) led a winter campaign at Cyzicus. Muslim records mention Fadala’s raid in the year AH 49-51/669–671 (…).“ 631 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 668–669. Ed. Hoyland, 165 [Agapius]: Much snow fell and there was a severe cold; many men and beasts died. 632 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 668–669. Ed. Hoyland, 165 [MSyr]: There was a harsh winter: much cold, ice and snow. Olive trees and wines shrivelled up in Syria and Mesopotamia. 633 Chronicle of Ireland, ad a. 670. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 158: There was a great snowfall. A great famine. Annals of Tigernach, ad a. 669. Ed. Stokes, Bd. 1, 201: Great snow fell. A great famine occurred. 634 Chronicum Scotorum, ad a. 696. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 113: Great frost in this year, so that lakes and rivers of Erinn were frozen over, and the sea between Erinn and Alba was frozen to such an extent that people used to travel to and fro on the ice. 635 Annales Alamannici, ad a. 708. Ed. Pertz, MGH SS 1, 22: Hiems dura; Drogo mortuus; Annales Alamannici, ad a. 710 (709). Untersuchungen. Ed. Lendi, 146: hiemps dura; Annales Alamannici (Codex Modoetiensis), ad a. 710 (709). Untersuchungen. Ed. Lendi, 146: hiemps dura; Annales Sangallenses breves, ad a. 708. Ed. von Arx, MGH SS 1, 64: hiems durus. 636 Annales Laureshamenses, ad a. 709. Ed. Pertz, MGH SS 1, 22: (…) vernus durus et deficiens fructus. 637 Annales Alamannici, ad a. 709. Ed. Pertz, MGH SS 1, 22: annus durus et deficiens fructus; Annales Nazariani, ad a. 709. Ed. Pertz, MGH SS 1, 23: durus et deficiens fructus; Annales Hersfeldenses, ad a. 709, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 416: Durus et deficiens fructus. 638 Annales Augienses, ad a. 709. Ed. Pertz, MGH SS 1, 66: Hiemps durus; Annales Sangallenses maiores, ad a. 709. Ed. von Arx, MGH SS 1, 73: Hiems dura.

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nicht näher charakterisierten, harten Jahr 711 gekommen war, wie die verschiedenen Überlieferungsversionen der Annales Alamannici nahe legen.639 Es ist auffällig, dass für die nächsten 18 Jahre keine harten Winter genannt wurden.640 Erst im Jahr 739 verschwand sogar der Bosporus, laut Johannes Skylitzes, unter einer Eisdecke.641 Einige Jahre darauf, im Jahr 745 kam es zu einer durch Kälte ausgelösten Hungersnot im Nahen Osten, die sich vor allem auf Ägypten erstreckte.642 In westeuropäischen Quellen wird dieser strenge Winter nicht genannt, außer in irischen Annalen, die überliefern, dass 744 ein harter Winter herrschte, bei dem viele Rinder starben.643 Die gleiche Nachricht findet sich nach anderen Überlieferungen irischer Annalen (aus den Klöstern Ulster und Tigernach) zum Jahr 748, als durch ungewöhnlich tiefen Schnee fast alle Rinder in Irland umkamen und danach die Welt von ungewöhnlicher Trockenheit ausgedörrt wurde.644 Nach Johannes Skylitzes waren im Jahr 753 in Konstantinopel Eisschollen zu sehen, die vom Schwarzen Meer herankamen.645 Der zehn Jahre später folgende Extremwinter 763/764 stellt hinsichtlich der Häufigkeit und Verbreitung seiner Nennungen in den Quellen und der Eindrücklichkeit der Schilderung alle bis dahin in mittelalterlichen Quellen beschriebenen Winterereignisse mit großem Abstand in den Schatten. Der Winter des Jahres 763/764 war so extrem, dass er in vielen Chroniken von Irland bis zum Schwarzen Meer überliefert ist. Die extreme Kälte setzte je nach betroffener Region zwischen Oktober und 14. Dezember 763 ein und dauerte bis zum 16. März 764. Dass jener Winter ein Extremereignis war, ist lange bekannt.646 Seine Ursache wurde zuletzt mit einem Vulkanausbruch

|| 639 Annales Alamannici, ad a. 711 (710). Untersuchungen. Ed. Lendi, 146: annus durus et fructus deficiens; Annales Alamannici (Codex Turicensis), ad a. 711 (710). Untersuchungen. Ed. Lendi, 146: annus durus et deficiens fructus. 640 Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 89. 641 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Rhomanos Lakapenos 22, in: Byzanz. Ed. Thurn, 264. 642 Ellenblum, Collapse of the eastern Mediterranean (2012), 28 f. Anm. 30, aufgrund von Sāwīrus Ibn al-Muqaffaʿ: „Im ersten Jahr trocknete das Land aus (…) und viele Menschen und Tiere starben (…) Im zweiten Jahr, kam eine Pestilenz über Ägypten, wie sie noch nie zuvor geschehen war.“ 643 Annals of Clonmacnoise, ad a. 744. Ed. Murphy, 118: There was snow this yeare of wonderfull Greatness that there was in no man’s memory such seen. In so much that the cattle of Ireland for the most part Died, after which ensuing great and anaccustomed drowth in the world. 644 Chronicle of Ireland, ad a. 748. Ed. Charles-Edwards (AU), 219: Snow of unusual depth so that nearly all the cattle of the whole of Ireland perished, and the world afterwards was parched by unusual drought. Annals of Tigernach, ad a. 747. Ed. Stokes, Bd. 1, 250: Snow of unusual quantity, so that almost the sins of all Ireland were almost deleted, and afterwards the world exarsit in unaccustomed dryness. 645 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Rhomanos Lakapenos 22, in: Byzanz. Ed. Thurn, 264. 646 Curschmann, Hungersnöte (1900), 89. Rochow, Byzanz im 8. Jh. (1991), 181; Wozniak, Eisschollen (2017), 150–162.

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in Verbindung gebracht.647 Gleichwohl ist die exakte Datierung schwierig, denn chronikalisch beginnen die Einträge von harten Wintern bereits 761 (Anglo-Saxon Chronicle)648 und reichen bis zum Jahr 766 (Annales Weissenburgenses).649 Ein Vulkanausbruch als Ursache ist aufgrund von sehr hohen Werten von Sulfat-Niederschlägen im grönländischen Eis vermutet worden; das Maximum der Sulfate schlug sich aber erst im Jahr 767 nieder.650 Ob tatsächlich ein Vulkan der Verursacher war, ist noch nicht geklärt, ein möglicher Kandidat ist zudem noch nicht identifiziert.651 Statt um die Ursache der extremen Kälte soll es hier um deren Verlauf und Auswirkungen gehen. Drei chronikalische Werke listen bereits für 762 Nachrichten von übermäßigem Schneefall auf. So belastete 762 „großer Frost Gallien, Illyricum und Thrakien und viele Oliven- und Feigenbäume erfroren dort aufgrund des Frostes. Überdies verdorrten die Knospen der Ernte und im nächsten Jahr folgte eine schmerzliche Hungersnot in den genannten Gebieten und viele Menschen starben aus Mangel an Brot.“652 Neben den beschriebenen Gebieten scheinen auch England und Irland betroffen gewesen zu sein, wo „großer Schneefall und ein dunkler Mond genannt werden.“653 Insbesondere der „dunkle Mond“ könnte als Argument für Aerosole in der Atmosphäre und einen möglichen Vulkanausbruch als Ursache des Kälteeinbruchs gewertet werden.654 Es ist aber auch denkbar, dass sich alle drei Einträge auf den Winter 763/764 beziehen und nur falsch datiert sind. Dagegen spricht jedoch insbesondere bei den Annalen von Ulster und Tigernach, dass beide auch einen eigenen Eintrag für das Jahr 764 haben. Für den Winter 763/764 sind in den Quellen Einträge für das Ende des Jahres 763 oder für den Anfang 764 möglich. In den chronikalischen Quellen spiegelt sich diese unsichere doppelt mögliche Zuordnung wider. So listen 18 Quellen den Winter mit Kurzeinträgen bereits im Jahr 763, in dem er gegen Ende des Jahres begann, und 21 Chroniken haben Kurzeinträge zum Jahr 764, in dem der Winter endete. Zu beiden Jahren wird der Winter in den

|| 647 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 878–881. 648 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 761. Ed. Swanton, 50 f.: Here was the big winter. Vgl. McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 879. 649 Annales Weissenburgenses, ad a. 766. Ed. Pertz, MGH SS 1, 111: Hiems grandis. 650 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 881. 651 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 110, Nr. 080208: 764 Sakura-jima, East flank (Nabeyama) (Sz-4 tephra), VEI: 4, Dating Technique: Historical Records; 766 Juli 20: Sakura-jima, Dating Technique: Historical Records, VEI: 3. Kostick/Ludlow, Dating of Volcanic Events (2015), 19–21. 652 Chronicon Moissiacense, ad a. 762. Ed. Pertz, MGH SS 1, 294; Newfield, Contours of disease, 2010, 419 Nr. 18: Gelu magnum Gallias, Illyricum et Thraciam deprimit, et multae arbores olivarum et ficulnearum decoctae gelu aruerunt; sed germen messium aruit; et supervenienti anno praedictas regiones gravius depressit fames, ita ut multi homines penuria panis perirent. 653 Chronicle of Ireland, ad a. 762. Ed. Charles-Edwards (AU), 231: A great snowfall, and a dark moon; Annals of Tigernach, ad a. 761. Ed. Stokes, Bd. 1, 260: Great snow and a dark moon. 654 Allerdings fand am 10. Juli 762 gegen Mitternacht eine Mondfinsternis statt. Diese gehört zum Saroszyklus 80: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0701-0800/LE0762-07-10P.gif (28.1.2015).

470 | Extreme Witterungsereignisse

Annalen von Weissenburg genannt.655 Neben der Datierung eines großen Winters ins Jahr 763/764 enthalten die Annalen von Weissenburg auch einen großen Winter (grandis) im Jahr 766.656 Dieser wird allerdings nirgendwo sonst erwähnt. Die Kurzeinträge sind immer ähnlich aufgebaut (1. Nomen, 2. Adjektiv) und enthalten folgende Termini: hiem(p)s, hibernus und gelu sowie Ergänzungen durus/a, durissimus/a, magnus/a, maximus/a, validus/a, pessimus/a, grandis, fortissimus/a. Ein längerer Eintrag zum Winter 763 findet sich in den Xantener Annalen. Darin heißt es: „Ein großer Frost war von den Kalenden des Dezembers bis zum Februar. Plötzlich wurden Sterne gesehen, die vom Himmel fielen und jedermann war verängstigt. Sie dachten das Ende der Welt wäre nahe.“657 Die folgende Tabelle zeigt die Einträge zum Jahr 763: Tab. 42: Chronikalische Kurzeinträge zum Winter im Jahr 763

Terminus

Nr.

Region, Ort

Eintrag

1

[fr. Vorlagen] Lund

In diesem Jahr gab es einen starken Winter.658 659

Dies war ein großer Winter.

660

maxima

2

[fr. Vorlagen] Colbatz

4

Saint-Amand-les-Eaux

Schlimmster Frost.661

gelu pessimum

5

Westfranken, Rouen

Größter Winter.662

maxima

663

maxima

6

England, Bury St. Edmunds Größter Winter.

7

Bayern, Regensburg

Der Winter war groß.664 665

8

Bayern, Salzburg

Großer Winter.

9

Bayern, Salzburg

Der Winter war groß.666

magna

magna magna magnus/a

|| 655 Annales Weissenburgenses, ad a. 763. Ed. Pertz, MGH SS 1, 111: Hiems valida. 656 Annales Weissenburgenses, ad a. 766. Ed. Pertz, MGH SS 1, 111: Hiems grandis. 657 Annales Xantenses, ad a. 763. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 38: Gelu magnum a Kalendas Decembris usque ad Febr. Stellae subito visae de caelo cecidisse ita omnes exterruerunt, ut putarent finem mundi imminere. 658 Annales Lundenses, ad a. 762. Ed. Kroman, 36: Hoc anno hyems maxima fuit. 659 Kolbatz, O. Cist., wojw. Westpommern, dioec. Kammin. 660 Annales Colbazenses, ad a. 763. Ed. Arndt, MGH SS 19, 713; Ed. Kroman, 6: hyems ille magna. 661 Annales S. Amandi brevissimi, ad a. 763. Ed. Waitz, MGH SS 13, 38: Gelu pessimum. 662 Annales Rotomagenses, ad a. 763. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 38: Hyemps maxima. 663 Annales S. Edmundi, ad a. 763. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 121: Hyems maxima. 664 Annales S. Emmerammi Ratisponensis maiores, ad a. 763. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 732B: Hiemps magnus erat. 665 Annalium Iuvavensium maiorum supplementum, ad a. 763. Ed. Pertz, MGH SS 3, 122: Hiemps magna. 666 Annales Iuvanenses maximi, ad a. 763. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 732A: Hiemps magna fuerat. Annales Iuvanenses maiores, ad a. 763. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 732B: Hiemps [magnus].

Extreme Winter | 471

Nr.

Region, Ort

Eintrag

Terminus 667

10

Bayern, Salzburg

Stärkster Winter.

11

Rheinland, Einsiedeln

Der Winter war gewaltig und hart.668

fortissimus 669

12

Rheinland, Weissenburg

Ein kräftiger Winter.

13

Rheinland, Prüm

Und der Winter war sehr kräftig.670

grandis, dura valida

671

valida

14

Rheinland, Lorsch

Der Winter war kräftig.

valida

15

Rheinland, St. Peter Gent

Ein kräftiger Winter.672

valida

16

Hofkapelle

Und es kam ein kräftiger Winter.673

valida

17

Rheinland, Xanten

Anfang Dezember bis Februar großer Frost

magnum

Außer den vergleichsweise kurzen Einträgen gibt es noch einige längere Passagen zu diesem Winter. Im nördlichen England entschuldigte sich der Abt von WearmouthJarrow in einem Brief an den Bischof von Mainz dafür, dass er ihm die gewünschten Bücher noch nicht geschickt habe und gab als Grund an, dass „der vergangene Winter, der wirklich sehr schrecklich war, die Insel und die Einwohner mit Kälte und Frost und Sturmwind und Regen“ gepeinigt habe. Das kalte Wetter habe die Hand des Schreibers verlangsamt.674 Von den königlichen Gesandten, die auch unter der Härte der Winterszeit zu leiden hatten, berichtet der Codex Carolinus.675 Die Einträge der folgenden Tabelle sind unter dem Jahr 764 gelistet.

|| 667 Annales Iuvanenses minores, ad a. 763. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 733A: Hiemps fortissimus. 668 Annales Heremi 2, ad a. 763. Ed. von Planta. MGH SS rer. Germ. 78, 240: Hiemps grandis et dura. 669 Annales Weissenburgenses, ad a. 763. Ed. Pertz, MGH SS 1, 111: Hiems valida. 670 Regino von Prüm, Chronicon, ad a. 763. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 47: Et facta est hiems valida. 671 Annales Laurissenses, ad a. 763. Ed. Pertz, MGH SS 1, 144: Facta est hiemps valida. 672 Annales Blandinienses, ad a. 763. Ed. Pertz, MGH SS 5, 22: Hiemps valida. 673 Annales regni Francorum, ad a. 763. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 22; FSGA 5, 20 f.: Et facta est hiems valida. 674 Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus, Nr. 116. MGH Epp. Sel. 1, 251: Quia presentia preteriti hiemis multum horribiliter insulam nostrae gentis in frigore et gelu et ventorum et imbrium procellis diu lateque depressit, ideoque scriptoris manus, ne in plurimorum librorum numerum perveniret, retardaretur. Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 89. McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 879. 675 Codex Carolinus, Nr. 29. Ed. Gundlach, MGH Epp. 3, 534 f.: De missis vero vestris ac nostris, qui ad regiam urbem simul properaverunt, de quibus petiit nos vestra praeclara excellentia sibimet a nobis significari, si quid ex eis addiscere potuimus, cognoscat vestra a Deo protecta eximietas, eo quod in his diebus nihil ipsis cognoscere potuimus, dum profecto vobis incognitum non est, quod pro tam saeva huius hiemalis temporis asperitate nullus de illis partibus adveniens nobis adnuntiavit, qualiter circa eis agatur; et ideo ad praesens ignoramus, quid vobis de eis veraciter significemus.

472 | Extreme Witterungsereignisse

Tab. 43: Chronikalische Kurzeinträge zum Winter im Jahr 764

Nr.

Region, Ort

Eintrag

Termini

1

Sachsen, Hersfeld

Und der Winter war am härtesten.676

durissima

2

Rheinland, Weißenburg

Und es war ein harter Winter.677

hibernus durus

3

Rheinland, Trier

Der Winter war groß.678

magnus

4

Rheinland, Mainz

Kräftiger Winter und länger als gewöhnlich.679

valida

5

Rheinland

Ein kräftiger Winter und länger als gewöhnlich.680 valida

6

Rheinland, Lorsch

Kräftiger Winter vom 1. Dez. bis zum 15. März.681

valida

7

Sachsen, Hildesheim

Es gab einen kräftigen Winter.682

valida 683

8

St-Amand-les-Eaux

Schlimmster Frost vom 14. Dez. bis 15. März.

9

St-Amand-les-Eaux

Der Forst war groß vom 14. Dez. bis 15. März.684 685

gelus pessimus gelus magnus

10

Bodensee, St. Gallen

Frost begann am 14. Dez. u. endete am 15. März.

gelus

11

Rheinland, Lobbes

Der Frost war groß.686

gelum magnum

12

Rheinland, Lorsch

Der Winter war gewaltig und hart.687

grandis, durus

688

13

Moselraum, Metz

Der Winter war gewaltig und hart.

grandis, durus

14

Elsass, Murbach

Der Winter war gewaltig und hart.689

grandis, dura

15

Rheinland, Lorsch

690

Der Winter war gewaltig und hart.

grandis, durus

|| 676 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 764. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 16: Fuitque hyemps durissima. 677 Annales Weissenburgenses, ad a. 764. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 17: Fuitque hibernus durus. 678 Annales Maximiniani, ad a. 764. Ed. Waitz, MGH SS 13, 21: Hiemps magnus erat, (…). 679 Annales Sithienses, ad a. 764. Ed. Waitz, MGH SS 13, 35: Hiems valida et praeter solitum prolixa. 680 Annales Fuldenses, ad a. 764. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 8: Hoc anno contigit hiems valida et praeter solitum prolixa. 681 Annales Laurissenses minores, ad a. 764. Ed. Schnorr von Carolsfeld, 1911: Facta est hiems valida anno 764 [a 19. Kal. Ianuarii usque ad 17. Kal. Aprilis]. Vgl. Rep Font. 3, S. 366. 682 Annales Hildesheimenses, ad a. 764. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 12: Facta est hiems valida anno 764. 683 Annales S. Amandi continuatio, ad a. 764, Ed. Pertz, MGH SS 1, 10: (…) tunc fuit ille gelus pessimus, et coepit 19. Calendas Ianuarii, et permansit usque in 17. Calendas Aprilis. 684 Annalium Petavianorum continuatio, ad a. 764. Ed Pertz, MGH SS 1, 11: Eodem anno gelus magnus fuit 19. Kalendas Ianuarii usque 17. Kalendas Aprilis. 685 Annales Sangallenes maiores, ad a. 764. Ed. von Arx, MGH SS 1, 63: 19. Kal. Ianuarii sic incipit gelus, et finit in 17. Kal. Aprilis. 686 Annales Laubacenses continuatio, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 1, 10: Zelum magnum. 687 Annales Laureshamenses, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 1, 28: Hibernus grandis et durus. 688 Annales Mosellani, ad a. 764. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 496: Hibernus grandis et durus. 689 Annales Alamannici, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 1, 28; Untersuchungen. Ed. Lendi, 154: Hiemps grandis et dura. 690 Annales Nazariani, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 1, 29: Hiems grandis et durus.

Extreme Winter | 473

Nr.

Region, Ort

Eintrag

Termini

16

Elsass, Murbach

Danach folgte ein gewaltiger Winter.

17

Rheinland

Hier war ein harter Winter.692

691

grandis dura

693

dura

18

Rheinland

Harter Winter.

19

Bodensee, St. Gallen

Harter Winter.694

dura

20

Bodensee, St. Gallen

Harter Winter.695

grandis

696

grandis

21

Sachsen, Hersfeld

Harter Winter.

Da aber in einem Brief Pippins des Jüngeren an Bischof Lul von Mainz aus dem Jahr 764 Dankesgebete für das fruchtbare Jahr angeordnet werden und auf die Leistung des Kirchenzehnten bestanden wird, kann die Ernte des Jahres 764 trotz des schlimmen Winters nicht so schlecht gewesen sein.697 Der spätmittelalterliche Kompilator der verlorenen frühen Annalen von Irland (Annalen von Ulster) erwähnt „einen großen Schneefall, der drei Monate dauerte.“698 Dazu kamen noch ein großer Mangel und eine Hungersnot sowie eine ungewöhnlich große Trockenheit.699 Der Kompilator der Annalen von Tigernach vermerkt ebenfalls nach dem großen Schneefall, der über drei Monate dauerte, eine große über das Normale hinausgehende Trockenheit.700 In England berichten die Annalen von Bury St. Edmunds einen großen Winter701 und Simeon von Durham schreibt zum Winter 763/764, dass sich „ein gewaltiger Schneefall zu Eis verhärtete, beispiellos in allen früheren Zeiten, der die Landoberfläche unterdrückte vom Anfang des Winters bis

|| 691 Annales Guelferbytani, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 1, 29: Tunc ille grandis hiemps profuit. 692 Annales Fuldenses antiquissimi, ad a. 764. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 137: Hic hiemps dura. 693 Annales Fuldenses antique, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 3, 116: Hiemps dura. 694 Annales Sangallenses maiores, ad a. 764. Ed. Zing, 148 f.: Hiems grandis et dura. 695 Annales Sangallenses breves, ad a. 764. Ed. von Arx/Pertz, MGH SS 1, 64: Hiems grandis. 696 Annales Hersfeldenses, ad a. 764, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 425: Hiems grandis. 697 Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus, Nr. 118. Ed. Tangl, MGH Epp. sel. 1, 254: Pippinus gratia Die rex Francorum vir inluster domino sancto patri Lullo episcopo. Cognitum scimus sanctitati vestrae, qualem pietatem et misericordiam Deus fecit presenti anno in terra ista. Dedit tribulationem pro delictis nostris, post tribulationem autem magnam atque mirabilem consoltationem sive habundandtiam fructus terre, quae modo habemus. Et ob hoc atque pro alias causas nostras opus est nobis illi gratias agere, quia dignatus est servis suis consolare per eius misericordiam. 698 Chronicle of Ireland, ad a. 764. Ed. Charles-Edwards (AU, AT), 232: Much snow for about three months. Vgl. McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 878. 699 Chronicle of Ireland, ad a. 764. Ed. Charles-Edwards (AU, AT), 232: A great scarcity, and famine. An unusually great drought. 700 Annals of Tigernach, ad a. 763. Ed. Stokes, Bd. 1, 262: Great snow in almost 3 months. (…) Great dryness beyond the normal. 701 Annales S. Edmundi, ad a. 763. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 121: Hyems maxima.

474 | Extreme Witterungsereignisse

fast zur Mitte des Frühlings. Durch seine Strenge verdorrten an vielen Orten die Bäume und Pflanzen und viele Seetiere wurden tot gefunden.“ Simeon bringt das Ereignis mit dem Tod des früheren Königs Ceolwulf, der später in ein Kloster eingetreten war, in Verbindung.702 Die ausführlichsten Beschreibungen des harten Winters stammen aber aus Konstantinopel, wo Theophanes der Bekenner (760–818) vermutlich aus eigener Anschauung eine ganze Reihe von Details niederschrieb. Bei ihm heißt es: „In demselben Jahre herrschte seit Anfang Oktober eine große und sehr bittere Kälte nicht bloß in unserem Lande, sondern viel mehr noch im Osten, Norden und Westen, sodass an der Nordküste des Schwarzen Meeres in der Ausdehnung bis zu 100 Meilen [150 km]703 weit vom Lande und bis zu einer Tiefe von 30 Ellen [14,22 Meter] das Meer steinhart gefror, und zwar von Zinchia bis zur Donau und zum Kuban, ferner bis zum Dnjestr und Dnjepr und bis Nekropela und zur übrigen Westküste, von Nessebar bis Midye [Kıyıköy]. Als das Eis noch von Schnee bedeckt wurde, nahm es weitere 20 Ellen [9,48 Meter] an Stärke zu, sodass das Meer dem Festland glich und Menschen, wilde und zahme Tiere von Chazarien [Chasaren östl. Schwarzmeerküste], Bulgarien [westl. Schwarzmeerküste] und dem Gebiet der anderen angrenzenden Volksstämme über diese Eisfläche gingen. Als im Monat Februar derselben zweiten Indiktion auf Geheiß Gottes sich dieses Eis in sehr viele verschiedengestaltige, berghohe Stücke auflöste und durch die Gewalt der Winde bis Daphnusia [Bithynien, Südwestküste] und Hieron [kurz vor der Öffnung des Bosporus zum Schwarzen Meer] abgetrieben wurde, gelangte das Treibeis durch die Meerenge [Bosporus] an der Hauptstadt vorbei bis zur Propontis [Marmarameer] und zu den Marmara-Inseln und bis Abydos [schmalste Stelle der Dardanellen, Çanakkale] und bedeckte die ganze Küste. Dessen war ich selbst Augenzeuge, denn ich betrat einen solchen Eisblock mit etwa 30 Altersgenossen und spielte darauf. Die Eisschollen führten auch wilde und zahme Tiere tot mit sich. Es konnte jeder, der wollte, ohne Hindernis vom Sophienpalast bis zur Hauptstadt und von Chrysopolis [Skutari/Üsküdar] nach St. Mamas und nach Galata auf dem Eis wie auf festem Lande wandeln. Einer von diesen Eisblöcken zerbrach an der Stiege, die zur Akropolis emporführt, und zerstörte sie. Ein anderer, sehr großer Eisblock barst an der Mauer und erschütterte sie durch den Aufprall so gewaltig, dass auch innerhalb der Mauern gelegene Häuser ins Wanken gerieten. Er zerschellte in drei Stücke und legte sich an die Mauer der Mangana bis zum Hafen des Rindermarktes [Bosphoros]; er überragte die Stadtmauer an Höhe. Unaufhörlich betrachteten alle Männer, Frauen und Kinder der Stadt diese Eisblöcke, dann eilten sie wieder unter Tränen und Wehklagen heim und wussten nicht, was sie davon halten sollten. Im selben Jahre, im Monat März sah man häufig Sterne vom Himmel fallen, sodass alle Beobachter meinten, es stehe das Ende der Zeiten bevor. Ferner trat eine solche Trockenheit ein, dass die Quellen versiegten.“ 704

|| 702 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 764. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 42; Ed. Whitelock, 242: (…) nix ingens gelu ligata, omnibus retro seculis incomparabilis, a pricipio hiemis poene usque ad medium veris terram oppresit. Cuius vi arbores oleraque magna es parte aruerunt, ac marina animalia multa inventa sunt mortua. 703 Die Länge einer römischen Meile betrug 1,48176 Kilometer, damit wäre das Schwarze Meer etwa 150 Kilometer weit von der Küste aus zugefroren gewesen. 704 Theophanes der Bekenner, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 80 f.

Extreme Winter | 475

Doch wie konnte Theophanes die Stärke des Eises ermitteln, die er mit 30 Ellen oder 14,22 Meter angibt. Wie er selbst schreibt, war das Eis 30 Ellen „tief gefroren“ (Michael Glycas: cuius glaciei crassities triginta cubitos aequabat). Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass Theophanes ein Loch ins Eis sägen ließ, bis die ungefrorene Unterseite des Eises erreicht war, muss er seine Eishöhe über eine andere Möglichkeit ermittelt haben. Nach seiner Beobachtung überragte das Eis die Stadtmauer an Höhe. Von der theodosianischen Stadtmauer, die von 413 bis 1453 bestand, ist bekannt, dass sie zwölf Meter hoch und fünf Meter breit war.705 Wenn das vorbeigleitende Eis also diese Höhe überragte, ist eine Höhe von 14,22 Metern oder 30 Ellen gut denkbar. Da die Dichte von Eis (0,92 g/cm³ bei 0°C) aber geringer ist als die von Meerwasser (1,025 g/cm³), ragen Eisblöcke nur zu einem geringen Teil aus dem Wasser. Das Eis schwimmt daher auf der Wasseroberfläche.706 Dabei befinden sich ungefähr 85 bis 90 Volumenprozent des Eises unter Wasser (Auftriebskraft des Wassers gegen Gewichtskraft des Eises) und etwa zehn Volumenprozent oberhalb der Wasseroberfläche. Bei 14,22 Metern aus dem Wasser ragenden Eisblöcken müsste man daher von fast 100 Metern Eisvolumen unter der Wasseroberfläche ausgehen. Das Marmarameer hat in der Nähe der Küste eine Wassertiefe von etwa 50 Metern, an den tiefsten Stellen von etwa 1355 Metern. Ein Eisvolumen von 100 Metern kann ausgeschlossen werden. Der Bericht des Theophanes dürfte von Michael Glycas im 12. Jahrhundert genutzt worden sein, denn dieser übernahm eine ganze Reihe der detaillierten Angaben: „Dann entstand eine solche ungeheure und scharfe Kälte, dass im nördlichen Teil des Pontus (Schwarzes Meer) das Meer infolge der Kälte vom Ufer aus 100 Meilensteine weit steinhart gefror und die Eisstärke 30 Ellen betrug. Als nun darauf starke Schneemassen auf das Eis fielen, wuchs die Stärke des Schnees zu weiteren 20 Ellen an. Als im Monat Februar das Eis in Stücke brach, trieben die Eisschollen bis zur Stadt [Konstantinopel] und Abydos [Dardanellen am Hellespont].“707

|| 705 Die Vormauer war acht Meter hoch und 2,8 Meter breit. 706 Die angegebenen Durchschnittswerte schwanken geringfügig, je nach Salzgehalt und Wassertemperatur. 707 Michael Glycas, Annales, 4, 220. Quellentexte. Ed. Weikinn, 1.1, 14: Praeterea se terriculamenta quaedam horrenda mortalibus offerebant, cum de potestate scilicet egressi et extra se rapti putarent in homines se terribili vultu praedictos incidere. Tunc et ingens acerbumque adeo frigus exstitit, ut a ponti parte septentrionali prae frigore glacieque pelagus ad centum a littore miliaria lapidesceret, cuius glaciei crassities triginta cubitos aequabat. Cumque larga deinceps nix supra glaciem hanc delapsa fuisset, ad alios viginti cubitos ea crassities excrevit. Tandem Februario mense glacies diversa in fragmina divulsa usque ad urbem ipsam et Abydum delata est. In iis fragminibus erat videre complures gelu adstrictas bestias. Quodsi quis ab arce Chrysopolim usque proficisci pedes volebat, omnino id facere nulla impeditus re poterat. Atque heac fragmina in urbis muros impacta vehementur eos succusserunt. Eodem Copronymo imperante modius hordei 12 aureis vaeniit.

476 | Extreme Witterungsereignisse

Abb. 11: Topografische Übersicht der Eisausbreitung im Winter 763/764

Dieser Eintrag gibt – als eine seltene Besonderheit – Eishöhe und Schneehöhe getrennt voneinander in Ellen708 an.709 Die Niederschlagsmenge variiert je nach der Dichte der gefrorenen Niederschläge sehr stark. Das Maß für den Niederschlag ist die Menge des Niederschlagswassers, das an einem Ort der Erdoberfläche in einem definierten Zeitintervall aufgefangen wurde.710 Für eine Umrechnung der Schneemenge in die Niederschlagsmenge in Litern oder in die wasseräquivalente Niederschlagshöhe pro Quadratmeter müsste zunächst die Dichte bestimmt werden. Bei rezenten Messungen erfolgt dies, indem mit einem Schneestecher eine vertikale Kolumne gestochen und geschmolzen wird. Da das Verfahren für die historische Schneehöhenangabe nicht angewendet werden kann, ist es nur näherungsweise möglich, die in den Quellen angegebene Niederschlagsmenge zu bestimmen. Die Dichte von Schnee beträgt bei trockenem, lockerem Neuschnee etwa 30 Kilogramm je Kubikmeter und erreicht bei stark gebundenem Neuschnee bis zu 200 Kilogramm je Kubikmeter – mit drei Prozent bzw. 20 Prozent ist hier ein Unterschied zu den 1000 Kilogramm auszumachen, die flüssiges Wasser (100 Prozent) erreichen würde. Grob gesagt, entspricht ein Meter Neuschnee etwa 30 Zentimeter gesetztem Schnee oder etwa 100 Millimeter Regen. Die im Jahr 764 angegebene Schneehöhe betrug 20 Ellen oder umgerechnet 948 Zentimeter Schneeauflage. Die beschriebene Schneehöhe könnte überwiegend als gesetzter Schnee betrachtet werden, der etwa einem Drittel der Wassermenge entspräche und damit entsprächen 948 mm Schneehöhe (* 1/3 * 100 mm) hier einer maximalen Niederschlagsmenge von 3160 mm. Bei unverdichtetem, trockenem, lockerem Neuschnee

|| 708 Die Länge einer griechischen Elle betrug 47,4 cm, die einer römischen 44,4528 cm. 709 Die üblicherweise in Millimeter angegebene Niederschlagshöhe wird bei Schnee in Zentimetern angegeben. 710 Weischet/Endlicher, Einführung (2008), 227.

Extreme Winter | 477

wären 948 mm Schnee (* 30 kg) 2844 mm Niederschlag, bei stark verdichtetem Neuschnee ergäben sich (948 mm * 200 kg) 1896 mm Niederschlag. Die Durchschnittsniederschlagssummen für die Küstenregionen des Schwarzen Meeres liegen zwischen 580 und 1300 mm, in Istanbul liegen sie bei 692 mm (Normalperiode 1961–1990). Im Schnitt fallen die meisten Niederschläge im November (89 mm), Dezember (122 mm), Januar (99 mm) und Februar (66 mm), diese ergeben summiert 376 mm. Demgegenüber liegt der Niederschlag über dem Schwarzen Meer durchschnittlich bei 828,5 mm. Aber es gibt auch Küstenregionen im Südosten des Schwarzen Meeres, die über 2200 mm Niederschlagshöhen erreichen. Unter der Voraussetzung, dass der Schnee verdichtet wird, ist mit den im 20. Jahrhundert erreichten Niederschlagsmengen nur eine maximal verdichtete Schneehöhe von 1,88 Metern (376 mm / 200 kg = 1,88) zu erreichen. Eine völlig unverdichtete Schneemasse ergäbe allerdings eine Schneehöhe von 12,53 Meter. Damit lassen sich drei Unsicherheitsfaktoren benennen, die eine genaue Bestimmung der Niederschlagsmenge aufgrund der historischen Angaben nur näherungsweise möglich machen: Zum einen ist das genaue Maß der benutzten Elle nicht bekannt, das Spektrum reicht von 44,5 bis 47,4 cm. Zum zweiten ist auch das genaue zeitliche Intervall der Niederschlagsdauer nicht bekannt, der grobe Rahmen umfasst die sechs Monate von Oktober bis März. Zum dritten ist das genaue Maß der Verdichtung der Schneemenge unbekannt, wodurch sich die Dichte des Schnees nur ungefähr ermitteln lässt. Das rezente Spektrum reicht von 284,4 bis 1896 Millimetern. Es folgt eine Übersicht der topographisch unterschiedlichen Datierungen des Wintergeschehens im Jahr 763 und 764. Als nächstes ist die topographische Ausbreitung des Winters zu betrachten. Das Ausmaß des harten Winters 763/764 in seiner Ausbreitung über Europa bietet einige bemerkenswerte Besonderheiten. Der Winter begann an zwei Stellen relativ früh: Einen frühen Kältekern bildete die Region England/Irland, einen zweiten, bereits ab Oktober, die Region um das Schwarze Meer. Als drittes kam ab Anfang/Mitte Dezember das Rheinland hinzu. In fast all diesen Regionen dauerte der Winter bis Mitte März, in England sogar bis Mitte April. Am frühesten zog sich die Kälte aus dem nördlichen Rheinland zurück. Aber auch der Wasserkörper des Schwarzen Meeres begann bereits im Februar wieder aufzubrechen. Ein vergleichbares Szenario, bei dem der Bosporus vollständig zufror, fand im Jahr 1929 statt.711 Auffällig ist, dass der Winter in italienischen Quellen überhaupt nicht thematisiert wird, weder in Rom noch an der Adria scheint die Kälte besonders ausgeprägt gewesen zu sein. Im weiteren Verlauf des 8. Jahrhunderts wurde nur der Winter 780/781 von irischen Annalen mit einem besonders starken Schneevorkommen hervorgehoben.712

|| 711 Der Bodensee vereiste seit 1900 zweimal: 1929 und 1963. Der Zürichsee vereiste dreimal: 1907, 1929 und 1963. Demgegenüber fror der Genfersee in den vergangenen 100 Jahren nicht zu. 712 Annals of Inisfallen, ad a. 780. Ed. Mac Airt, 116 f.: Nix ultra modum.

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Tab. 44: Datierungsangaben des Extremwinters 763/764

Nr.

Region, Ort

1

Irland

2

England, Durham713

3

Rheinland, Xanten714

1. Dezember

1. Februar

62 Tage

1. Dezember

15. März

106 Tage

14. Dezember

15. März

92 Tage

14. Dezember

15. März

92 Tage

Anfang Oktober

März

~152 Tage

4 5

Rheinland, Lorsch

Beginn

715

Bodensee, St. Gallen

716 717

6

Saint-Amand-les-Eaux

7

Schwarzes Meer, Byzanz

Ende

Dauer

--

--

90 Tage

Winteranfang (1.12.)

Frühlingsmitte (15.4.) 137 Tage

3.6.2 Kalte Winter im 9. Jahrhundert Im 9. Jahrhundert ist über ein Viertel aller Jahresübergänge von kalten bis extrem kalten Wintern geprägt. Dies fällt im Vergleich zu den Jahrhunderten davor ins Auge, denn im 6. Jahrhundert wurden sieben, im 7. Jahrhundert fünf und im 8. Jahrhundert neun kalte Winter in der Überlieferung erwähnt. Es stellt sich daher die Frage, ob dieser Unterschied an einer tatsächlichen Zunahme der kalten Winter oder an einer besseren Überlieferung oder an beidem liegt? In Konstantinopel beschreibt Theophanes der Bekenner zum Jahr 803, dass an jenem Herbsttage, ganz gegen die Jahreszeit, die Witterung ungewöhnlich trüb, dunkel und unerträglich war, was ein deutliches Vorzeichen der künftigen Härte und unerträglichen Bosheit des byzantinischen Kaisers Nikephoros gewesen sei.718 Den schweren Winter, der dann folgte, erwähnt er aber nur indirekt, als er beschreibt, wie

|| 713 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 764. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 42; Ed. Whitelock, 242: An immense snowfall hardened into ice, unparalleled in all former ages, oppressed the land from the beginning of winter almost until the middle of spring. 714 Annales Xantenses, ad a. 763. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 38: Gelu magnum a Kalendas Decembris usque ad Febr. Stellae subito visae de caelo cecidisse ita omnes exterruerunt, ut putarent finem mundi imminere. 715 Chronicon Laurissense breve, ad a. 764. Ed. Schnorr von Carolsfeld, 1911: Facta est hiems valida anno 764 [a 19. Kalendas Ianuarii usque ad 17. Kalendas Aprilis]. 716 Annales Sangallenes Baluzii, ad a. 764. Ed. von Arx, MGH SS 1, 63: 19. Kalendas Ianuarii Sic incipit gelus, et finit in 17. Kalendas Aprilis. 717 Annales Sancti Amandi Continuatio, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 1, 10: (…) tunc fuit ille gelus pessimus, et coepit 19. Calendas Ianuarii, et permansit usque in 17. Calendas Aprilis. Annalium Petavianorum Continuatio, ad a. 764. Ed. Pertz, MGH SS 1, 11: Eodem anno gelus magnus fuit 19. Kalendas Ianuarii usque 17. Kalendas Aprilis. 718 Theophanes der Bekenner, ad a. 803, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 139.

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Kaiserinwitwe Irene im November, als schon schwerster Winter herrschte, ohne Mitleid auf die Insel Lesbos verbannt wurde.719 Weiter im Norden überliefern einige Annalen, dass es im Jahr 810/811 zu extrem viel Schnee und vielen Blitzen kam720 und der Winter lang dauerte.721 Der Verfasser der Annales Xantenses vermerkte auch den Winter 813 als ungewöhnlich lang.722 Im Winter, der von 814 fast bis Mitte Mai 815 gedauert haben soll, erging von Kaiser Ludwig dem Frommen der Befehl an die Sachsen und Abodriten, sich zu einem Feldzug zu rüsten. Ihr zweimaliger Versuch, über die Elbe zu setzen, misslang aber; denn es trat plötzlich Tauwetter ein und das Eis des Flusses schmolz. So schien erst nach dem Ende des Winters, Mitte Mai, die günstige Zeit zum Aufbruch gekommen zu sein.723 Zum folgenden Jahr 815/816 heißt es, dass „der Kaiser [Ludwig der Fromme] den rauen Winter in ungetrübter Gesundheit und ruhigem Fortgang verbracht hatte“.724 Der Winter 818/819 war nach irischen Annalen so frostig, dass die Rinder ohne Gefahr über gefrorene Wasserflächen gehen konnten.725 Viel weiter südlich überliefert Johannes Skylitzes: „Um 820 fiel ein widriger Wind plötzlich über die byzantinische Flotte her, löste sie auf und ließ die einzelnen Schiffe in die verschiedensten Richtungen auseinanderfahren. Es war zudem gerade sehr stürmische Winterszeit. (…) Weil Thrakien von der Witterung her sehr unwirtlich war, beschloss der Abtrünnige zu überwintern und seine Soldaten auf klimatisch günstigere Orte zu verteilen.“726 Hier wird der Winter ausdrücklich als Begründung für den Abbruch von Kampfeshandlungen verwendet. Die beiden sehr kalten Winter 821/822 sowie 823/824 werden aufgrund der festgestellten Erhöhung der Sulfat-Konzentration in grönländischen Eisbohrkernen mit

|| 719 Theophanes der Bekenner, ad a. 803, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 141. 720 Annales Lundenses, ad a. 811. Ed. Kroman, 37: Hoc anno fuit maxima nix et fulgura maxima. Vgl auch Haas, Stürme auf See (2008), 269. 721 Annales Xantenses, ad a. 810. Ed. von Sims, MGH SS rer. Germ. 12, 4: et hiemps valde dura. 722 Annales Xantenses, ad a. 813. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 4: et hiemps nimis dura. 723 Annales regni Francorum, ad a. 815. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 141 f.; FSGA 5, 106 f.: Iussum est ab a imperatore, ut Saxones et Abodriti b ad hanc expeditionem praepararentur, temptatumque in illa hieme duabus vicibus, si Albia transiri posset, sed mutatione subita aeris emolliti glacie fluminis resoluta negotium remansit inperfectum, donec tandem hieme transacta circa medium fere Maium mensem oportunum proficiscendi tempus adrisit. Vgl. a. Haas, Stürme auf See (2008), 269. 724 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 26. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 362 f.: Postquam imperator hiemis inclementiam serena valitudine et tranquillo transegit succesu, succedente aestivi temporis gratissima blanditie, (…). 725 Annals of Clonmacnoise, ad a. 819. Ed. Murphy, 131: There was such froste this yeare yt all the Laughes, pooles and Riuers of Ireland were soe dryed upp and frozen, yt steed and all manner of cattle might pass on them without Danger. Vgl auch Haas, Stürme auf See (2008), 269. 726 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Michael der Stammler 8, in: Byzanz. Ed. Thurn, 65.

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Vulkanausbrüchen in Verbindung gebracht.727 Die Identität möglicher Kandidaten, die den Ausbruch verursachten haben sollen, steht aber noch nicht fest.728 Im Herbst des Jahres 821 fiel, nach dem Verfasser der Annales regni Francorum, in etlichen Gegenden so anhaltender Regen, dass „die Herbstsaat nicht vorgenommen werden konnte. Darauf folgte ein so langer und strenger Winter, dass nicht allein die Bäche und mittleren Flüsse, sondern selbst die größten und bedeutendsten, der Rhein und die Donau, die Elbe und die Seine, sowie die andern dem Ozean zufließenden Ströme Galliens und Germaniens mit einer so starken Eisdecke überzogen wurden, dass über dreißig Tage lang Frachtwagen wie auf einer Brücke herüber und hinüber fahren konnten. Später verursachte der Eisgang den am Rhein gelegenen Orten nicht geringen Schaden.“729

Der Winter des Vorjahres und die fehlende Herbstaussaat 821 führten zu einer schweren Hungersnot.730 Nach der Chronik der Schotten war im Jahr 822 ein so starker Frost, dass Meere und Seen so stark gefroren waren, dass man Pferde und Lasten darüber beförderte.731 Der Winter von 823/824 war – nach den Annales regni Francorum – streng und sehr lang, die schreckliche Kälte ließ nicht bloß Tiere, sondern auch manche Menschen erfrieren.732 Wörtlich identisch schildern die Fuldaer Annalen den besagten Winter, ergänzen die Nachricht aber um die Geschichte, ein riesiger Eisklotz sei vom Himmel herabgefallen.733 Dieselbe Geschichte ist in den Annales regni Francorum an

|| 727 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 881–884. Pfister u. a., Winter air temperature variations (1998), 542. Curschmann, Hungersnöte (1900), 94. 728 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2010), 169, Nr. 1401-09: Popocatépetl, Start Date: 823 AD Mar 1 ± 90 days, Stop Date: Unknown. 729 Annales regni Francorum, ad a. 821. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 157; FSGA 5, 128 f.: Autumnalis satio iugitate pluviarum in quibusdam locis impedita est. Cui hiems in tantum prolixa successit et aspera, ut non solum minores rivi ac mediocres fluvii, verum ipsi maximi ac famosissimi amnes, Rhenus videlicet ac Danubius Albisque ac Sequana caeteraque per Gralliam atque Germaniam oceanum petentia flumina, adeo solida glacie stringerentur, ut tricenis vel eo amplius diebus plaustra huc atque illuc commeantia velut pontibus iuncta sustinerent; cuius resolutio non modicum villis iuxta Rheni fluenta constitutis damnum intulit. Annales Xantenses, ad a. 821. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 6: (…) et hiemps erat valde dura. 730 Vgl. RI I Nr. 748a. Vgl. Kap. 4.3.3 Hungersnöte im 9. Jahrhundert. 731 Chronicum Scotorum, ad a. 822. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 131: Great frost, so that the seas and lakes were frozen to such an extent that horses and burdens were conveyed across them. 732 Annales regni Francorum, ad a. 824. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 164; FSGA 5, 136 f.: Hiemps aspera valdeque prolixa facta est, quae non solum caetera animalia, verum etiam homines quosdam inmanitate frigoris extinxit. 733 Annales Fuldenses, ad a. 824. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 7, 23: Hoc anno hiems aspera et valde prolixa facta est, quae non solum animalia, verum etiam homines quosdam immanitate frigoris extinxit. Ante solstitium quoque paucis diebus in territorio August a duense aere in tempestatem subita mutatione converso ingens fragmentum ex glacie simul cum grandine decidisse perhibetur, cuius longitudo quindenum, latitudo septem, crassitudo dourom pedum fuisse dicitur.

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das Ende des Jahreseintrages von 824 verschoben. Auch die Annalen von S. Emmeram verzeichnen den Winter 823/824 als hart und erweitern den Eintrag um eine große Trockenheit und eine Hungersnot.734 Am Rhein kam es am 7. Januar 839 im Rahmen der Kriegszüge zwischen Ludwig der Fromme und Ludwig dem Deutschen zu einem Übersetzen über den Fluss mit Hilfe von Schiffen.735 Dabei wollte Kaiser Ludwig der Fromme seine von allen Seiten zusammenströmenden Getreuen „nicht länger den Beschwerden des harten Winters aussetzen.“736 Die Schiffe auf dem Rhein besagen aber auch, dass dieser weitgehend eisfrei gewesen sein muss und die Härte des Winters folglich nicht so schlimm gewesen sein kann. Schlimmer war dagegen der Winter am Ende des Jahres 839, der sich wohl durch eine außergewöhnlich lange Dauer auszeichnete. Für das Rheinland um Mainz wurde festgehalten, dass am 22. September 839 eine große Menge Schnee fiel, die dann bis zum darauffolgenden Osterfest, am 28. März 840, in der ganzen Region über 29 Wochen liegen blieb.737 Auf den harten Winter soll eine Tierseuche gefolgt sein.738 Auch in den weiter südlich gelegenen Regionen wird der Winter von 839 auf 840 als sehr streng dokumentiert.739 Zu dem in der politischen Ereignisgeschichte bedeutsamen Jahr 842 vermerkt Nithard auch einigen witterungstechnische Anmerkungen: „Der Sommer des Jahres 842, in dem die oben beschriebene Schlacht geschlagen wurde, war sehr kalt und alle Früchte wurden erst entsprechend spät eingebracht; Herbst und Winter jedoch hatten ihren gewöhnlichen Verlauf. Und an dem Tag, am 14. Februar 842, da die vorgenannten Brüder und die Ersten des Volkes den obigen Vertrag740 schlossen, fiel starker Schnee und darauf trat große Kälte ein.“741 Und auch für das folgende Jahr hält er fest: „Der Winter des Jahres 843 aber war über die Maßen streng und lang, obendrein reich

|| 734 Annales S. Emmerammi maiores, ad a. 823. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 741: Hiemps magnus; similiter siccitas grandis et famis valida. 735 Ludwig der Fromme, vgl. RI I Nr. 984e. 736 Annales Bertiniani, ad a. 839. Ed. Grat u. a. 27; FSGA 6, 38 f.: (…) ab asperitatem hiems incommoditatem diuitus non ferens (…) 737 Annales Fuldenses, ad a. 839. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 28: In festo sanctorum Mauricii et sociorum eius magna nix ubique cecidit et duravit usque ad pascha in tota regione per XXVIIII hebdomadas. 738 Annales Colonienses, ad a. 839. Ed. Pertz, MGH SS 1, 98: Hiemps valida et mortalitas animalium. 739 Annales Lausannenses, ad a. 840. Ed. Holder-Egger, MGH SS 24, 779: (…) et hiems valida fuit. 740 Am 14. Februar 842 schworen Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche die Straßburger Eide, um weiter vereint gegen ihren Bruder Lothar I. vorzugehen. 741 Nithard, Historiarum libri, 3, 5. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ. 44, 37; FSGA 5, 442 f.: Aestas autem, in qua praefatum exactum est prelium, fuit frigida nimis, et omnes fruges persero collectae sunt; autunnus vero et hiemps naturalem ordinem peregerunt. Ac eadem die, qua praedicti fratres nec non et primores populi praefatum pepigere pactum, subsequente gelu nix multa cecidit.

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an Seuchen und für den Ackerbau, das Vieh und die Bienen ziemlich ungünstig.742 Hieraus aber möge jeder ersehen, wie töricht es ist, des Reiches Wohl zu vernachlässigen und nur der Befriedigung aller besonderen und selbstischen Gelüste zu dienen, da beides den allmächtigen Schöpfer so erzürnt, dass er sogar die Elemente gegen diesen Wahnwitz wendet.“743 Hier wird deutlich, dass der Winter von Nithard ganz klar instrumentalisiert wird. Ganz die gegenteilige Deutung enthält der Schneefall in Rom im Jahr 844: „Es gab einen sehr heftigen Schneefall in der Stadt Rom, dass jedermann es weiß sah; viele sagten dies sei ein Zeichen für Freude und Helligkeit.“744 Einen sehr strengen Winter vermerken die Annales Bertiniani zum Jahresbeginn 845.745 Auch der darauffolgende Winter 845/846 ist durch einen bis fast Anfang des Mai herrschenden Nordwind gekennzeichnet, der viel Schaden bei den Saaten und den Weingärten anrichtete.746 Im Jahre 849 war durch den großen Frost die Seine (Sequana) so stark gefroren, dass die Menschen sie wie eine Brücke überqueren konnten.747 Die beiden sehr kalten Winter 855/856 sowie 859/860 wurden ebenfalls in einen möglichen Zusammenhang mit Vulkanausbrüchen gestellt.748 Wiederum sind aber, wie schon 821/822 und 823/824, die in Frage kommenden Vulkane bislang nicht identifiziert. Dass der Winter des Jahres 856 sehr hart und trocken war und eine schwere Seuche wütete, die viele Menschen hinwegraffte, wird in zwei westfränkischen Quellen beschrieben,749 wobei nur in einer ergänzt wird, dass auch blutfarbener Schnee vom Himmel gefallen sein soll.750 Gerade dieser Eintrag wurde als Hinweis auf verdriftete Partikel vulkanischen Ursprungs zurückgeführt, die als Kristallisationskerne für die Bildung der gefärbten

|| 742 Nithard, Historiarum libri, 4, 6. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ. 44, 49; FSGA 5, 460 f.: Fuit autem eadem hiemps praefrigida nimis ac diuturna, langoribus insuper habundans nec non et agriculturae peccorique apibusque satis incongrua. 743 Nithard, Historiarum libri, 4, 7. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ. 44, 4; FSGA 5, 460 f.: Hic quique colligat, qua dementia utilitatem publicam neglegat, privatis ac propriis voluntatibus in saniat, dum ex utrisque creatorem adeo offendat, ut etiam omnia elementa eius vesaniae contraria reddat. 744 Liber Pontificalis, 104. Sergius II. (844–847), 5. Ed. Duchesne, Bd. 2, 87; Ninth-century popes. Ed. Davis, 76: Eodem vero die tanta nix in urbe effusa est, ut omnibus candidata cerneretur; quod multi gaudii dicebant et claritatis esse indicum. 745 Annales Bertiniani, ad a. 845. Ed. Grat u. a., 49; FSGA 6, 64 f.: Hiems asperrima. 746 Annales Bertiniani, ad a. 846. Ed. Grat u. a., 51; FSGA 6, 68 f.: Ventus aquilo per totam hiemem usque ad ipsa fere Maii mensis inita acerrimus segetibus et vineis incumbit. 747 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 849. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Ipsis diebus gelu magno fluvius Sequana glacierumque densitate superveniente tegebatur, ita ut per eam quasi super pontem populus transiret. 748 Curschmann, Hungersnöte (1900), 97; Pfister u. a., Winter air temperature variations (1998), 542; McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 884–886. 749 Annales Bertiniani, ad a. 856. Ed. Grat u. a., 72; FSGA 6, 90 f.: Hiems asperrima et sicca; pestilentia valida, qua magna pars hominum absumitur. 750 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 856. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: Quo anno hybernum tempus asperum, et nix sanguinolenta de coelo decidit.

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Schneekristalle gedient haben könnten. Auffällig ist aber, dass dieser harte Winter in anderen Quellen nicht erwähnt wird. Die späteren schottischen Chroniken ergänzen noch, dass in der Zeit zwischen dem 23. November 856 und dem 7. Januar 857 die Flüsse zugefroren gewesen seien.751 Der lange und raue Winter 859/860 richtete an den Saaten und Bäumen großen Schaden an. Geprägt war der Winter im Westfrankenreich anscheinend von fortwährendem Schnee und Eis, welche zwischen November 859 und April 860 auftraten.752 Für die Gebiete im etwas nördlicheren England wird als Datum an dem es zu gefrieren begann, der 30. November 859 angegeben, am 5. April 860 soll der Frost geendet haben.753 Auch im Rheinland um Mainz wird der Winter als sehr hart,754 ungewöhnlich lang und für die Feld- und Baumfrüchte sehr schädlich beschrieben.755 In Weißenburg wird neben dem kalten Winter ein Sterben bei den Tieren beschrieben, ebenso in den Annales Formolenses.756 Auch am Niederrhein soll der Winter sehr lang gewesen sein.757 Der Fuldaer Annalist beschreibt blutroten Schnee an sehr vielen Orten. Dies würde eigentlich auf eine spezielle Witterungslage über Nordafrika hinweisen, die für einen Transport von feinen rötlichen Sanden nach Europa sorgte.758 Die unmittelbar darauf folgende Nachricht, nach der selbst das Ionische Meer mit einer solchen Eisschicht bedeckt gewesen sei, dass die Handelsleute, die nie zuvor anders als zu Schiffe hinfuhren, damals Venedig besuchten, indem sie ihre Waren auf Pferde und Wagen luden,759 widerspricht dieser Großwetterlage aber klar. Denn mit dem feinen Sandtransport würde auch Wärmeenergie aus Nordafrika nach Europa transportiert werden, die verhindert hätte, dass ein Teil des adriatischen Meeres um Venedig zufriert. Wenn also die Adria zufror und trotzdem rötlicher Feinstaub herabrieselte,

|| 751 Chronicum Scotorum, ad a. 856. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 155: Great ice and frost, so that the principal lakes and principal rivers of Erinn were passable to pedestrians and horse-riders, from the 9th of the Kalends of December to the 7th of the Ides of January. A tempestuous year. 752 Annales Bertiniani, ad a. 860. Ed. Grat u. a., 82; FSGA 6, 102 f.: Hiems diutina et continuis nivibus ac gelu dira, a mense vide licet Novembri usque ad Aprilem. 753 Continuatio S. Augustini Cantuariensis der Annales Wintonienses, ad a. 859. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 65: In isto anno cepit gelare 2 kalendas Decembris et finivit Nonis Aprilis. 754 Annales Colonienses brevissimi, ad a. 860. Ed. Pertz, MGH SS 1, 97: hyems valida. 755 Annales Fuldenses, ad a. 860. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 54; FSGA 7, 60 f.: Hibernum tempus asperum nimis et solito prolixius erat frugibusque et arborum proventibus pernoxium; nix quoque sanguinulenta in plerisque locis cecidisse reperta est. 756 Annales Weissenburgenses, ad a. 860. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 29: Hiemps magna et mortalitas animalium. Annales Formoselenses, ad a. 860. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 35: Hiemps magna, et mortalitas animalium. 757 Annales Xantenses, ad a. 861. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 19; FSGA 6, 352 f.: Eo anno hiemps longissima. 758 Vgl. Kap. 3.9.1 Beschreibungen von Blutregen. 759 Annales Fuldenses, ad a. 860. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 54; FSGA 7, 60 f.: Mare etiam Ionium glaciali rigore ita constrictum est, ut mercatores, qui numquam antea nisi vecti navigio, tunc in equis quoque et carpentis mercimonia ferentes Venetiam frequentarent.

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weist diese Kombination auf eine andere Ursache hin, beispielsweise auf einen Vulkanausbruch.760 Dafür würde auch die Serie von Hungersnöten und Epidemien bei Menschen und Tieren sprechen.761 Nach den Annales Lausannenses fiel am 20. März 868 in Burgund eine große Menge Schnee und es folgte eine schlimme Hungersnot.762 Im Winter von 872 auf 873 war es außergewöhnlich kalt, es folgte eine Überschwemmung der Gewässer, ein Erdbeben und an einigen Orten ein plagenartiges Auftreten der Heuschrecken am 16. August763 und während des Morgens an diesem Tag herrschte zudem sehr dichter Nebel.764 Auch im darauffolgenden Winter von 873 auf 874 fiel, nach den Ausführungen des Erzbischofs Hinkmar von Reims, in der Region um Reims so viel Schnee, dass sich niemand an Vergleichbares erinnern konnte und viele Rinder und Schafe deshalb starben.765 Nach den Annales Xantenses „bedeckte vom 1. November 873 bis 14. Februar 874 Schnee die gesamte Erdoberfläche, und mit verschiedenen Plagen schlug der Herr beständig sein Volk.“766 Der Winter 874/875 war – ebenfalls nach der Überlieferung der Annales Bertiniani – im Westfrankenreich „lang und streng und der Schnee lag hoch, wie niemand sich erinnern konnte, erlebt zu haben. (…) Der Föhn im langen trockenen Sommer bewirkte, dass das Gras dürr wurde und die Getreideernte unzulänglich war.“767 Nach den Annales Fuldenses war der Winter 874 „sehr streng und ungewöhnlich lang, auch schuf unermesslicher Schnee, der von Anfang November bis zur Tag-undNachtgleiche ohne Unterlass herabfiel, den Menschen viel Hindernis, die Wälder aufzusuchen und Holz zu sammeln. Daher geschah es, dass nicht bloß Tiere, sondern auch sehr viele Menschen durch Kälte umkamen. Aber auch Rhein und Main waren

|| 760 Vgl. McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 884–886 mit anderer Argumentation. 761 Annales Alamanici, ad a. 859. Ed. Pertz, MGH SS 1, 51: Stella cometis. Fames acerrima, et mortalitas hominum et animalium. Annales Alamannici, ad a. 860. Lendi, Murbacher Annalen, 1971, 178: (…) hiems magna et mortalitas animalium; Annales Alamannici (Codex Modoetiensis), ad a. 860. Untersuchungen. Ed. Lendi, 178: hiemps magna et mortalitas animalium. Vgl. RI I Nr. 1441b. 762 Annales Lausannenses, ad a. 868. Ed. Holder-Egger, MGH SS 24, 779: Anno Domini 868, 12. Kal. Aprilis cecidit in Burgundia nix magna, et fuit fames valida. Anno 7. post locustarum immissio immanis fuit. 763 Annales Stabulenses, ad a. 872. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: Hoc anno hyems gravissima, aquarum inundatio, terrae motus, in quibusdam locis pestilentia locustarum. 764 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 873. Ed. Waitz, MGH SS 13, 82: Transierunt locustae Remis 17. Kalendas Septembris. In crastino autem fuit densa nebula valde. 765 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 873. Ed. Waitz, MGH SS 13, 82: Extitit talis super terram nix qualem nemo memoratur se vidisse. Unde et de bobus et ovibus magna pars periit. 766 Annales Xantenses, ad a. 873. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 33; FSGA 6, 368 f.: Item in Kalendis Novembris usque ad sexagesimam nix totam superficiem terrae cooperuit, et diversis plagis Dominus assidue populum suum afflixit (…) 767 Annales Bertiniani, ad a. 874. Ed. Grat u. a., 195; FSGA 6, 232 f.: Hiems prolixa et fortis, et nix tanta fuit nimiertate perfusa, quantam nemo se vidisse meminerit. (…) Aestas longa siccitatem foeni et messium inopiam reddidit.

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von eisigem Frost gebunden und boten sich lange Zeit dem Tritt Darüberschreitender gangbar.“768 Die folgende Tabelle zeigt Phasen des Extremwinters 873/874. Tab. 45: Datierungsangaben des Extremwinters 873/874

Region, Ort

Beginn

Ende

Schneebedeckung ungewöhnliche

Annales S. Dionysii Remenses

Rheinland

1.11.

14.02.

105 Tage

Annales Xantenses

Rheinland

1.11.

20.03.

140 Tage

Annales Fuldenses

Reims

Quelle

Auch der Winter 875/876 war im Rheinland streng769 und lang und Schnee und Eis gab es von Anfang November bis zum 21. März 876.770 Ganz Ähnliches wird aus England berichtet.771 Insgesamt lässt sich also von 872 bis 876 in vier aufeinanderfolgenden Wintern eine außergewöhnliche strenge Witterung feststellen, nach der Überlieferung am längsten im letzten Winter dieser ungewöhnlichen Phase. Ob dies mit einem erhöhten Sulfatwert aufgrund eines Vulkanausbruchs zusammenhängt, bedarf künftiger Forschungen.772 Abseits von Mitteleuropa kam es bei der Belagerung der Stadt Adatas in Syrien im Jahr 877 zu einem grimmigen Frost, der den Leuten im Freien sehr zusetzte.773 Im Jahr 880 soll es im Rheinland Misswuchs und Hungersnot gegeben haben, gefolgt von einem ungewöhnlich harten Winter.774 Der Fuldaer Annalist beschreibt den Winter 880/881 als sehr hart und ungewöhnlich lang: Rhein und Main, die von Kälte zugefroren waren, gestatteten lange Zeit eine Begehung.775 Im weiteren Fortgang seines Jahreseintrages kommt er dann nochmals auf den Winter zurück: „Ihnen [den Normannen] rückte König Ludwig [III.] mit seiner

|| 768 Annales Fuldenses, ad a. 874. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 81; FSGA 7, 92–95: Hiems aspera nimis et solito proxilior; nix quoque inmensa a Kalendis Novembris usque in aequinoctium vernale sine intermissione cadens magnum hominibus fecit impedimentum silvas petere lignaque colligere. Unde accidit, ut non solum animalia, verum etiam hominess plurimi frigore perirent. Sed et Rhenus et Moenus glaciali rigore constricti longo tempore se sub vestigiis incedentium calcabiles praebuerunt. 769 Annales Colonienses, ad a. 875. Ed. Pertz, MGH SS 1, 98: Nix valida. 770 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 875. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 342: Hiems solito asperior et prolixior; nix et gelu a Kalendis Novembris usque ad vernale aequinoctium. 771 Annales monasterii de Waverleia, ad a. 875. Ed. Luard, Roll series 36.2, 162: Hyems. 772 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 887. 773 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Basileos 23, in: Byzanz. Ed. Thurn, 179. 774 RI I Nr. 1570b. 775 Annales Fuldenses, ad a. 880. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 94; FSGA 7, 110 f.: Hiems aspera et solito prolixior; nam Rhenus et Moenus fluvii glaciali rigore constricti longo tempore se calcabiles praebuerunt.

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starken Mannschaft entgegen, musste aber wegen der Härte des Winters und Festigkeit des Ortes unverrichteter Dinge umkehren.“776 Im Jahr 881 ließ dann der Frühling lange auf sich warten: „Der Winter war sehr ausgedehnt und den Tieren verschiedener Art sehr schädlich. Denn die Frühlingszeit noch starr von Eiseskälte, weigerte die Erde den Tieren die gewohnte Weide und sie kamen vor Hunger und Kälte größtenteils um, auch wegen der Missernte des vorigen Jahres.“777 Bemerkenswert ist, dass dieser lange und heftige Winter in den sonst so witterungsinteressierten Annales Bertiniani nicht als etwas Besonderes herausgestellt wurde. Daran zeigt sich aber auch der klare Wechsel der Verfasser, während Prudentius einen solchen Winter dokumentiert hätte, scheint er Bischof Hinkmar egal gewesen zu sein. Die folgenden zehn Winter von 882 bis 892 bilden eine Phase, die nicht außergewöhnlich kalt war. Erst am 12. Mai und 15. Juni 892 war ein heftiger Frühlingsfrost, „in der ganzen Francia, Burgund, Neustrien und Teilen der Germania“.778 Der Winter 893/894 war wieder „rau und zog sich mehr als gewöhnlich in die Länge, sodass man noch im März an einigen Orten fünf Tage hindurch Schnee mit einer Tiefe von einem Fuß sah. Daher entstand in Baiern ein sehr großer Mangel an Wein; Schafe und Bienen gingen zu Grunde.“779 Einer Hungersnot fielen in ganz Bayern aber erst zu Beginn des darauffolgenden Jahres 895 viele zum Opfer.780 In den restlichen Jahren des 9. Jahrhunderts folgte eine Phase ohne außergewöhnlich kalte Winter.

3.6.3 Kalte Winter im 10. Jahrhundert Der Annalist von Ulster in Irland notierte für den Winter 912/913 ein „sehr hart“. Für das Jahr 912 vermerkte er weiterhin, es sei ein dunkles und verregnetes Jahr gewesen

|| 776 Annales Fuldenses, ad a. 880. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 96; FSGA 7, 114 f.: Quibus rex Hludowicus cum manu valida occurrit et propter hiemis asperitatem et loci firmitatem rebus parum prospere gestis reversus est. 777 Annales Fuldenses, ad a. 881. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 96; FSGA 7, 114 f.: Hibernum tempus valde prolixum et animalibus diversi generis pernoxium. Nam tellus verno tempore glaciali rigore constricta animalibus solita negavit pascua, et illa fame et frigore maxima ex parte perierunt, etiam propter sterilitatem anni prioris. 778 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 892. Ed. Verdon, 68 f.: (…). IV° autem idus maii et XVII° kalendas julii, ita immensa gelu vineas et sigalum decoxit ut per omnem Franciam, Burgundiam, Neustriam ac partem Germaniae modicum quid colligeretur. 779 Annales Fuldenses, ad a. 893. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 123; FSGA 7, 156 f.: Hiemps aspera et plus solitum prolixa extenditur, ita ut mense Mart. nix in quibusdam locis per V dies mensura in profundo unum a pedem habere viseretur. [Der folgende Satz ist marginal vermerkt.] Inde per Baiowariam maxima penuria vini facta, oves et apes perditae. [Der Eintrag gehört vermutlich ins nächste Jahr.] 780 Annales Fuldenses, ad a. 895. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 125; FSGA 7, 160 f.: Fames valida per universam Baioariorum provinciam excrevit, ita ut per plurima loca inedia morte consumerentur.

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und ein Komet sei erschienen.781 Im südlichen Rheinland herrschte um die Klöster Einsiedeln782 und St. Gallen783 im Jahr 913 großer Frost.784 Dieser außergewöhnlich harte Winter habe bis Trier gereicht.785 Ein sehr harter Winter 913/914 wird von verschiedenen Quellen erwähnt.786 Großen Frost (gelu maximum) betonten auch die Annalen von Saint-Quentin.787 Vier Jahre später, so beschrieb es der Verfasser des Chronicum Scotorum, war im Jahr 917 in Schottland großer Frost mit viel Schnee, in dessen Folge viele Tiere starben.788 Nach Aussage von Ibn Faḍlān, der sich mit seiner Gesandtschaft von Ende November 921 bis Anfang Februar 922 in Gurgānǧ [Köneürgenç] aufhielt, war der dortige Winter sehr kalt und heftig.789 Wie kalt es dort tatsächlich gewesen ist und vor allem, ob es abweichend kälter als sonst dort üblich war, bleibt schwer zu beurteilen. Der Berichterstatter kam aus einer deutlich wärmeren Region (Bagdad), war also ganz andere und deutlich mildere Wintertemperaturen gewöhnt. Während sonst der Einbruch des Winters von einigen Autoren, wie etwa Widukind von Korvei, dafür benutzt wurde, den Abbruch von Feldzügen zu begründen – wie beispielsweise beim noch zu besprechenden Zug Ottos I. gegen das dänisch besetzte Rouen im Jahre 946 – ist für die Ereignisse des Jahres 927 die umgekehrte Darstellungsabsicht Widukinds zu beobachten. Zunächst einmal wird der Winter von 927 auf 928 von den Annalisten entlang des Rheins als ungewöhnlich hart dargestellt.790 Bei Widukind liest sich das dann so: „König Heinrich I. belagerte während seiner

|| 781 Annals of Ulster, ad a. 912. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 359: A dark and rainy year. A comet appeared. 782 Annales Einsidlensis, ad a. 913. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 259: Hiemps magna nimis. 783 Annales Sangallenses maiores, ad a. 913. Ed. Pertz, MGH SS 1, 77: In purificatione sanctae Mariae, transacta festivitate, ad vesperum, grande miraculum contigit, ut stella mori modo usque ad mediam noctem inter se volitabant. Eodem anno nix immanis cadens Idibus Aprilis, ebdomadam paschae perduravit. 784 Annales St. Qintini Veromandensis, ad a. 913. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 507: Hoc anno gelu maximum. 785 Adalbert, Continuato regionis, ad a. 913. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 155; FSGA 8, 190 f.: Hiemps magna nimis. Annales Heremi 2, ad a. 913. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 240: Hiems grandis et dura. 786 Adalbert, Continuatio Reginonis, ad a. 913. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 155; FSGA 8, 190 f.: Hiemps magna fuit. 787 Annales S. Quintini Veromandensis, ad a. 913. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 501: Hoc anno gelu maximum. 788 Chronicum Scotorum, ad a. 916. Ed. Hennessy, 189: Great frost in this year, and prodigious snow, which inflicted slaughter on cattle. 789 Ibn Faḍlān’s Reisebericht, § 14. Ed. Togan, 14 f.: „Unser Aufenthalt in Gurgānǧ [Köneürgenç/KonyeUrgench] dauerte lange, wir blieben dort einige Tage des Monats Raǧab, und während des ganzen Šaʿbān, Ramaḍān und Šawwāl. [Der Raǧab des Jahres 309 H begann am 5. November und der Šawwāl am 2. Februar] Unser langer Aufenthalt wurde durch die Kälte und deren Heftigkeit verursacht.“ 790 Annales Augienses, ad a. 927. Ed. Pertz, MGH SS 1, 68: Hiemps magna nimis; Adalbert, Continuatio Reginonis, ad a. 928. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 158: Hyems magna nimis; Annales Heremi 1, ad a. 928. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 184: Hiems magna nimis.

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Kämpfe gegen die Slawen auch die Brennaburg [Brandenburg].791 „Dabei ließ er“ – nach Widukind – „auf der gefrorenen Havel das Lager aufschlagen. Schließlich habe er in dem sehr harten Winter die Brennaburg mit Hunger, Schwert und Kälte eingenommen.“792 Widukind deutet hier Hunger und Kälte, die er sonst eigentlich als Katastrophen darstellt, als politisch-militärische Mittel der Kriegsführung und nutzt dafür Formulierungen von Cicero.793 Auch in den byzantinischen Quellen wird dieser Winter als ausgesprochen lang, von Dezember bis März, also mehr als 120 Tage dauernd und als kalt beschrieben. Insgesamt wird er in zehn Quellen für das Gebiet Konstantinopel und Mesopotamien erwähnt.794 Es scheint also auch überregional gesehen ein deutlich kälterer Winter gewesen zu sein als gewöhnlich. Für Konstantinopel stellt Johannes Skylitzes fest, dass „im selben Monat ein unerträglicher Winter hereinbrach und der Boden über 120 Tage hart gefroren blieb. Dem Winter folgte eine große Hungersnot, die alle bisherigen übertraf. Deren Folge wiederum war ein so großes Massensterben, dass sich die Überlebenden außerstande sahen, die Toten zu bestatten, und dies, obgleich sich der Kaiser nach Kräften einsetzte, Winter und Hungersnot durch Spenden und vielfältige Hilfsmaßnahmen abzuhelfen.“795 Die lange Dauer dieses Winters in Byzanz steht in einem gewissen Gegensatz zur sonstigen Überlieferung in Mitteleuropa. Dies dürfte aber wahrscheinlich an der insgesamt sehr schlechten Quellenlage des frühen 10. Jahrhunderts liegen. Genauso könnte dies für die drei folgenden Extremwinter gelten. Im Winter 933/934 waren einige Awaren in die Gebiete in Sachsen und Thüringen eingefallen. Widukind schreibt, dass ein Teil der Eindringlinge verhungerte, ein anderer erfror, das dritte Viertel gefangen wurde und der vierte Teil „niedergehauen wurde, wie sie es verdienten und sie starben einen jämmerlichen Tod.“796 Aufgrund der Quellenarmut ist kaum mehr nachzuvollziehen, was die Vorlagen für den erst sehr spät bei Jean d’Outremeuse um 1400 dokumentierten Frost, der vom 30. November 934 bis zum März 935 gedauert haben soll, beinhaltet haben könnten.797 Dafür, dass dieser Winter tatsächlich kalt war, sprechen aber einige (ebenfalls sehr

|| 791 RI II, 1, Nr. 23b. 792 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 1, 35. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 49 f., FSGA 8, 68 f.: Demum hieme asperrima castris super glaciem positis cepit urbem quae dicitur Brennaburg fame ferro frigore. 793 Cic. In pisonem 40: (…) an exercitus nostri interitus ferro, fame, frigore, pestilentia (…). 794 Telelis, Medieval warm period (2000), 235. 795 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Rhomanos Lakapenos 22, in: Byzanz. Ed. Thurn, 264. 796 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 1, 38. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 56; FSGA 8, 74–77: Quorum alii fame consumpti, alii frigore dissoluti, alii autem caesi vel capti, ut digni erant, miserabiliter perierunt. 797 Vgl. Ly myreur des histors. Ed. Borgnet.

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spät überlieferte) irische Annalen. Nach diesen habe in Irland zur selben Zeit eine große Trockenheit mit viel Eis geherrscht.798 Nach Widukind folgte auf den Tod Herzog Giselberts in der Schlacht bei Andernach im Oktober 939 ein sehr harter Winter und diesem eine gewaltige Hungersnot.799 Wie schon 927/928 stellt Widukind eine Belagerung mitten im Winter dar, „als Immo, ob ernstlich oder zum Schein, die Waffen gegen den König erhob und sich mitten im Winter von einem Heere eingeschlossen samt seiner Burg ergeben musste.“800 In Irland, wo von 939 auf 940 ein so ungewöhnlicher Frost herrschte, dass die Flüsse und Seen befahrbar wurden, plünderten Fremde das Kloster Inishmouthy (Inis-Mochta), indem sie den Weg über das Eis nahmen.801 Entlang des Rheinlandes herrschte im Jahr 940 von Süden (Reichenau)802 bis Norden ein strenger Winter, in der Folge trat eine Tierseuche auf.803 Auch die Annales Colonienses verzeichnen zum Jahr 939 einen strengen Winter und eine Tierseuche.804 Insgesamt kam es in den 930er- und 940er-Jahren nur an vereinzelten Orten Europas zu ungewöhnlich kalten Wintern. Im Winter 941 auf 942 soll es in Irland so strenger Frost geherrscht haben, dass man auf dem Eis der Flüsse und Seen gehen konnte.805 Von ungewöhnlichem Schneefall am 18. Februar 944 berichtet eine Quelle aus der Abtei Farfa im nördlichen Latium.806 Ein St. Galler Mönch betont einen Frühjahrsfrost aufgrund ungewöhnlich heftigen Schneefalls am 15. März 945.807 Den Abbruch eines

|| 798 Annals of Clonmacnoise, ad a. 934. Ed. Murphy, 152: There was such Drouth and Ise over loghs the waters of Ireland this yeare that the Danes went to Inis Moghty upon Ice and spoyled and ransacked the same. 799 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 26. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 89; FSGA 8, 112 f.: Necem ducum asperrima hiemps hiemque secuta est fames validissima. 800 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 27. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 89; FSGA 8, 112 f.: Post haec Immo, re vera nescio an falso, arma sumit contra regem, et media hieme circumdatus exercitu se pariter cum urbe tradidit, ac deinceps fidelis et utilis permansit. 801 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 939. Ed. O’Donovan, 645: Unusual frost, so that the rivers and lakes were passable; and the foreigners plundered Inis-Mochta on the ice. Chronicum Scotorum, ad a. 940. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 203: Foreigners went into Inis-Mochta, over the ice, so that they plundered it. 802 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 940. Ed. Pertz, MGH SS 5, 113; FSGA 11, 636 f.: Hiems saeva hoc anno facta, et pestis animalium subsecta. 803 Annales Colonienses, ad a. 939. Ed. Pertz, MGH SS 1, 98:Hiemps valida et mortalis animalium. Chronicon Suevicum universale, ad a. 940. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 67: Hiemps valida et mortalitas animalium facta (…). Cometae 14 noctes apparent, et mortalitas animalium facta. 804 Annales Colonienses, ad a. 939. Ed. Pertz, MGH SS 1, 98: Hiemps valida et mortalis animalium. 805 Annals of Ulster, ad a. 941. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 389: Severe frost so that the ice on lakes and streams was passable. 806 Vgl. RI I,3, 3 Nr. 1966; Annales Farfenses, ad a. 944. Ed. Bethmann, MGH SS 11, 588: Nix grandis cecidit 12. Kal. Mart. 807 Annales Sangallenses maiores, ad a. 945. Ed. Zing, 170 f.: Nix maxima idibus Martii cadens. Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 106.

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Feldzugs Ottos I. ins Westfrankenreich im Jahr 946 begründet Widukind mit einem Wintereinbruch: „Von da zog er [Otto I.] mit einer aus dem ganzen Heere gesammelten Schar auserlesener Krieger gegen Rouen, die Dänenstadt, zwar brachte er ihnen schwere Verluste bei, aber er kehrte wegen der Schwierigkeiten der Örtlichkeit und des Einbruchs eines strengen Winters unverrichteter Dinge nach drei Monaten ohne Verluste nach Sachsen zurück, nachdem er die Städte Reims und Laon nebst den übrigen, die er erobert hatte, dem König Ludwig [IV.] eingeräumt hatte.“808 Dieser Feldzug ist bei Flodoard von Reims zwar beschrieben; dieser räumt dem Zug gegen die Dänen, der bei Widukind den Hauptteil ausmacht, jedoch nur einen Satz ein und erwähnt keinen hereinbrechenden Winter.809 Dies kann als Hinweis auf die Instrumentalisierung des Winters bei Widukind gedeutet werden. Auffällig ist eine neun Jahre dauernde Phase, von 946 bis 955/959, in der die kalten Extremwinter ausblieben.810 Erst im Jahr 964 traten in Schottland wieder große Knappheit, Frost und Mangel an Getreide auf,811 und auch im Westfrankenreich war der Winter bis Anfang Februar sehr lang und hart.812 Ebenso war es in Byzanz, wo es für den Beginn des Jahres 965 heißt: „Als aber bei Frühlingserwachen der grimmige Winterfrost einer milden Wärme gewichen war, versammelten sich die Streitkräfte, wie befohlen, beim Kaiser.“813 Wieder sollte es neun Jahre dauern, bis es zu einem die zeitgenössische Erwartungshaltung überschreitenden Winter kam, von dem wir Bericht erhalten. Für das Jahr 973, in dem Otto I. starb, werden auch ein strenger Winter sowie eine Tierseuche gemeldet. Dass vor Ottos Tod auch noch Zeichen in der Sonne und Polarlichter gesichtet wurden,814 kam dem Annalisten sicher nicht unpassend, denn sie brauchten

|| 808 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 3, 4. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 107; FSGA 8, 132 f.: Exinde collecta ex omni exercitu electorum militum manu Rothum Danorum urbem adiit; sed difficultate locorum asperiorique hieme ingruente, plaga eos quidem magna percussit, incolumi exercitu infecto negotio post tres menses Saxoniam regressus est, urbibus Remense atque Lugduno cum caeteris armis captis Hluthowico regi concessis. 809 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 946. Ed. Lauer, 103; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 44 f.: Sicque trans Sequanam contendentes, loca quaeque praeter civitates gravibus atterunt depraedationibus, terramque Nortmannorum peragrantes, loca plura devastant; indeque remeantes, regrediuntur in sua. 810 Annals of Clonmacnoise, ad a. 955. Ed. Murphy, 157: there was a great Dearth of cattle this year, and many diseases generally raigned over all Ireland by reason of the great frost and snow, which procured the Intemperature of the ayre. Chronicum Scotorum, ad a. 959. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 213 f.: A great mortality brought upon cattle, by snow and distemper. 811 Chronicum Scotorum, ad a. 964. Ed. Hennessy, 185: Great scarcity and cold and dearth of corn. 812 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 964. Ed. Lauer, 155; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 67: Anno 964 hiemps magna et aspera valde fuit usque Kalendas Februarii mensis. 813 Leo Diaconus, Historia, 4, 56, in: Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 57. 814 Ex Summa honorii. Ed. Wilmans, MGH SS 10, 130: Hyemps valida et mortalis animalium facta est. (…) Signum in sole, deinde eclipsis solis facta est. Signum quoddam ignei coloris in caelo apparuit, et Otto moritur.

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Prodigien für den Herrscherwechsel. Bemerkenswerterweise hat Widukind kein Vorzeichen vor Ottos Tod eingefügt. Der Winter 974/975 war lang andauernd,815 frostig streng816 und trocken. Überraschenderweise fiel am 15. Mai 975 eine große Menge Neuschnee.817 Auch in Sachsen war der Winter streng, lang und trocken mit viel Schnee.818 Im darauf folgenden Winter lag über dem Rheinland vom 1. November 975 bis zum 21. März 976 strenger Frost.819 In anderen Gegenden, wie um das Kloster Lobbes, dauerte der Frost von Anfang November bis Mitte März.820 Wieder fällt eine Phase verminderter Extremwinter in den 17 Jahren zwischen 976 bis 993 auf. Nachrichten zu extrem kalten Wintern und katastrophalen Jahren finden sich dann aber geballt für die Zeit von 993 bis 995. Die Augsburger Annalen vermelden für 992 eine Hungersnot, die drei Jahre gedauert haben soll.821 Curschmann zweifelt dies zwar grundsätzlich an, listet dann aber doch einige Nachrichten zu den Witterungs- und Hungerkatastrophen von 993 bis 995 auf.822 So beschreiben die Augsburger Annalen den Winter von 993 auf 994 als so hart, dass die Bäume unter der starken Trockenheit litten.823 Dagegen führen die Hildesheimer Annalen eine ungewöhnliche Trockenheit für die Zeit vom 24. Juni bis zum 9. November 994 an, die also fast den ganzen Sommer und Herbst andauerte. Bei Hitze und Sonnenglut sollen unzählige Früchte nicht einmal ihre Reife erreicht haben. Darauf folgte eine große Kälte mit viel Schnee und wiederum eine große Krankheit, die in eine Sterblichkeit

|| 815 Annales Altahenses maiores, ad a. 975. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 13: Hiems dura longa fit. 816 Annales Stabulenses, ad a. 974. Ed. Waitz, MGH SS 13, 43: Gelu magnum. 817 Annales Hildesheimenses, ad a. 975. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 23: Hibernus fuit longus, durus et siccus, et Id. Mai. magna nix cecidit. Vgl. RI II,2 Nr. 672a. Annales Magdeburgenses, ad a. 975. Ed. Pertz, MGH SS 16, 154: Facta est eodem anno hyemps durissima et importuna, adeo ut in Idus Maii extensa, nix magna noviter lapsa totam operuerit terram. 818 Thietmar von Merseburg, Chronik 3, 5. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. NS 9, 102 f.; FSGA 9, 88 f.: In hoc anno hiemis assperitas longa fuit et sicca, et magna nix effunditur caelitus. 819 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 975. Ed. Pertz, MGH SS 16, 731: Hoc anno gelu magnum a Kalendis Novembris usque ad equinoctiom vernale. Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 975. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 352: Gelu magnum a Kalendis Novembris usque ad aequinoctium vernale. 820 Annales Laubienses, ad a. 975. Ed. Pertz, MGH SS 4, 17: Gelu magnum a calendis Novembris usque medium martii. Annales Leodienses, ad a. 975. Ed. Pertz, MGH SS 4, 17: Gelu magnum a Kalendis Novembribus usque medium Martium. 821 Annales Augustani, ad a. 992. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Fames magna per tres annos. 822 Curschmann, Hungersnöte (1900), 107 f. Vgl. auch RI II,3 Nr. 1110d. 823 Annales Augustani, ad a. 993. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Hiemps dura, ita ut arbores multae aridae fierent.

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der Menschen mündete.824 Auch im Kloster Einsiedeln wird 993 als harter Winter vermerkt,825 und in ganz Irland soll es in diesem Jahr eine große Sterblichkeit unter den Menschen, den Rindern und Bienen gegeben haben.826 Das Sterben ist wohl auch auf der Insel teilweise auf eine Hungerkatastrophe zurückzuführen.827 Die Quedlinburger Annalen beschreiben für den Jahreswechsel von 993 auf 994 eine schwierige Witterungssituation:828 „Ein sehr strenger Winter begann am 3. November 993 und hielt bis zum 5. Mai an, nur von wenigen Tagen unterbrochen, dieser dauerte insgesamt 183 Tage, also genau ein halbes Jahr. Darauf wehten verderbliche und kalte Winde und in sehr vielen Nächten fiel statt des Taus ein winterlicher Frost.“829 Dann brach, nach knapp 60 Tagen wärmer werdenden Wetters, zuletzt noch am 7. Juli 994 eine große Kälte als Sommersfrost ein. Damit nicht genug, trockneten nun die Flüsse aus. Es war so großer Regenmangel, dass in den meisten Teichen die Fische starben und auf dem Lande sehr viele Bäume vollständig verdorrten und die Früchte und der Flachs verdarben. Auch folgte ein großes Sterben unter den Menschen, Schweinen, Rindern und Schafen. An vielen Orten wurden die Wiesen so dürr, als wären sie von Feuer versengt.830 „Auch war in diesem Jahr eine große Hungersnot in mehreren Gegenden Sachsens.“831 Der vorangegangene Winter 994 war besonders rau, ungesund, kalt, stürmisch und ungewöhnlich trocken. Den Slawen brachte er eine Niederlage.832 In || 824 Annales Hildesheimenses, ad a. 993. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 26: Et inde a nativitate sancti Johannis baptistae usque in 5. Id. Novembris pene per omnem aestatem et autumnum siccitas nimia et fervor inmanis fuit; ita ut innumerabiles fruges non pervenirent ad temporaneam maturitatem propter solis ardorem; quo non modicum subsequebatur frigus et magna nix cecidit, magnaque pestis simul et mortalitas hominum atque iumentorum evenit. 825 Annales Einsidlenses, ad a. 993. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 270: Dura hiemps. Annales Heremi 2, ad a. 993. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 270: Dura hiemps. 826 Annals of Ulster, ad a. 993. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 423: A great mortality of people, cattle, and bees throughout Ireland this year. 827 Annales Cambriae, ad a. 993. Ed. Gough-Copper (Version B), 45: Fames affuit in regno Maredut. Bellum inter filios Meuruc et Maredut filium Owini iuxta Languin, in quo victores fuere filli Meuruc. Teudur filius Einaun occisus est. 828 Vgl. RI II, 3 Nr. 1132 b. 829 Vgl. RI II, 3 Nr. 1132 b. 830 Vgl. RI II, 3 Nr. 1115 d. 831 Annales Quedlinburgenses, ad a. 994. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 484 f.: Hiems durissima III. Non. Novemb. exorta usque III. No. Maii stetit rarissimis intermissa diebus. Deinde pestiferis et frigidis flantibus ventis noctibusque plurimis pro rore hibernum cecidit frigus. Ad ultimum Non. Iulii grande est factum gelu, tantaque siccitas fluminum et penuria facta est pluviarum, ut in plerisque stagnis et pisces morerentur, et in terris arbores plurimae penitus arescerent, et fruges perirent et linum. Subsequuta quoque est grandis pestilentia hominum, porcorum, boum et ovium, prata etiam in plerisque locis ita exaruerunt, veluti igne exusta fuissent. Sclavi insuper omnes exceptis Sorabis a Saxonibus defecerunt. (…) Fames etiam hoc anno magna facta est pluribus in locis Saxoniae. 832 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 21. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 156; FSGA 9, 136 f.: Hiemps, quae precesserat, asperitate et pestilential nimioque frigore at vento ac insolita siccitate plena erat.

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der Region um Corbie verursachte der strenge Winter 994 eine große Hungersnot.833 Im Jahr darauf, 995, wurde es nicht besser: „Für die Sachsen begann ein noch schlechteres Jahr als das vorherige. Denn unter denen, welche Ostfalen heißen, brach eine so große Pestilenz aus, dass bei ihnen nicht nur Häuser, sondern sogar sehr viele Dörfer leer standen, da die Bewohner verstorben waren. Außerdem wurden sie von einer Hungersnot so arg bedrückt und von so häufigen Einfällen der Slaven heimgesucht, dass von ihnen, zur Strafe ihrer Sünden, mit Recht jenes Wort des Propheten gesagt zu sein scheint: ‚Ich will drei schwere Plagen, Pestilenz, Schwert und Hunger unter sie schicken.‘834 König Otto III. fiel mit großem Heere in das Land der Abodriten und Liutizen ein und verwüstete es mit vielem Brennen und Rauben; freilich hat er ihre Erhebung durchaus nicht unterdrückt.“835

Am Ende des Eintrags zu 995 ergänzt der Autor: „Ein allgemeiner Verlust wiederfuhr ganz Germanien durch die Krankheit der Schweine und Rinder.“836 Auch die St. Galler Annalen verzeichnen für 995 eine „ungewöhnliche Trockenheit, von der die Tiere starben und die Flüsse in Europa austrockneten.“837 Insgesamt sind die Daten zum 10. Jahrhundert sehr fragmentarisch, da diese Epoche bekanntermaßen zu den quellenärmsten des Mittelalters überhaupt gehört.838

3.6.4 Kalte Winter im 11. Jahrhundert, besonders 1076/77 Deutlich mehr Untersuchungen als für die früheren Jahrhunderte liegen zur Entwicklung der Winter im 11. Jahrhundert vor. Sammlungen von Daten zu Natur- und Hungerkatastrophen beginnen häufig erst mit dem Jahr 1000.839 Ergänzt werden diese durch Regionalstudien etwa zur Levante und zum Nahen Osten. Darin werden im Nahen Osten auftretenden Kältewellen in die Jahre 1007, 1012 und 1017 datiert und eine

|| 833 Annales Corbeienses, ad a. 994. Ed. Prinz, 1982: Valida hiems et fames magna. 834 Vgl. Dt 28,21. 835 Annales Quedlinburgenses, ad a. 995. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 485: Saxonibus peior annus priore exoritur. Nam tanta in eos, qui vocantur Osterludi, pestilentia exarsit, ut eorum non solum domus, sed etiam villae plurimae mortuis habitatoribus vacuae remanerent. Fame insuper magna compressi tam assiduis Sclavorum incursionibus fatigabantur, ut peccatis suis promerentibus iuste de eis illud propheticum dictum videatur: ‘Mittam super eos tria iudicia pessima, pestem gladium et famem’. Rex quoque tertius Otto cum magno exercitu Apodritos et quasdam Wlotaborum terras invadens incendiis et depraedationibus plurimis vastavit, licet motum eorum nullo modo comperesserit. 836 Vgl. RI II, 3 Nr. 1162e. Annales Quedlinburgenses, ad a. 995. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 489: Commune damnum in pestilentia porcorum et boum omnem Germaniam vexat. 837 Annales Sangallenses maiores, ad a. 995. Ed. Zingg, 184 f.: Notabilis annus etiam siccitate aeris nimia, multis peccoribus multis quoque mortalibus siti extinctis. Tantum enim siccibantur cuncta Europae flumina, ut pene nullum non esset vadosum. 838 Vgl. Althoff, Ottonen (2000), 17. 839 Curschmann, Hungersnöte (1900), 108–128; Climat. Ed. Alexandre; Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas (2008), 55–60.

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lange Kältephase für die Jahre 1027 bis 1060 (re)konstruiert, die auf die nomadisch lebenden Bevölkerungseile der Region einen solchen Migrationsdruck ausgeübt habe, dass diese sich den Städten und Dörfern genähert hätten und es zu zahlreichen Überfällen und Plünderungen gekommen sei, die in einer großen regionalen Instabilität mündeten. In der Folge dieser unbeständigen Phase trafen dann die Teilnehmer des Ersten Kreuzzugs in der Levante ein.840 Die regionale Ausprägung von Kältewellen zwischen Europa und der Levante weist viele Unterschiede auf und zeigt, dass globale Aussagen zu Klimaveränderungen auf der regionalen Skala zu sehr differenzierten Ergebnissen führen können. Der erste harte Winter des neuen Jahrtausends fand wohl vom Jahr 1003 auf 1004 statt. Auf ihn soll eine große Überschwemmung aufgrund zu hoher Niederschläge stattgefunden haben, bei der Flüsse in vielen Regionen, vor allem die Loire, über die Ufer traten.841 Diese Überschwemmungen könnten darauf hinweisen, dass in den vereisten Flüssen das von den Quellen oder durch Regen eingetragene Wasser aufgestaut wurde und sodann über die Ufer trat. Zwei Jahre später, im Jahr 1005, soll Bischof Heribert von Köln trotz bitterer Kälte barfüßig nach Köln gekommen sein, berichtet Lantbert von Deutz.842 Diese Geste, die das Bild Bischof Heriberts nachhaltig geprägt hat, wurde wiederholt analysiert und interpretiert.843 Auffällig ist die Übereinstimmung mit dem Verhalten Ottos III., der häufiger demütig und barfuß dargestellt wurde.844 Die Nennungen von demütigem Verhalten, das an fehlendem Schuhwerk festgemacht wurde, sind vergleichsweise häufig,845 auch in der Vita Bischof Altmanns von Paderborn wird zum Jahr 1080 das

|| 840 Ellenblum, Collapse of the eastern Mediterranean (2012), 59–160; Raphael, Climate and Political Climate (2013). 841 Annales Floriacenses, ad a. 1003. Ed. Pertz, MGH SS 2, 255; Ed. Martin, Roll series 10, 177 f.: Anno ab Incarnatione Domini MIII et qualitas hiemis longior solito, pluviarumque inundatio extitit gravior, atque diversis in regionibus flumina suos ultra modum praeterierunt terminos. Ex Historiae Franciae Fragmento, ad a. 1003. Ed. Martin, Roll series 10, 211: Regnante eodem anno Incarnationis Dominicae MIII, et qualiter hyemis longior solito, pluviarumque inundatio exstitit gravior, atque diversis in regionibus flumina suos ultramodum praeterierunt trminos. Prae ceteris vero Liger fluvius in tantum suas praeteriit metas, ut cuncta circa posita periculo mortis tremefaceret. 842 Vita Heriberti. Ed. Vogel, MGH SS rer. Germ. 73, 156; Climat. Ed. Alexandre, 338: Iam in proximo erat metropolis suę vicinia, cum pręmittit pallii insigne et reliqua sacerdotalia; ipse procul ab urbe nudis procedit pedibus in asperrima hieme, et illo igne accensus, quem dominus misit in terris, prorsus carebat frigore. 843 Vita Heriberti. Ed. Vogel, MGH SS rer. Germ. 73, 156 Anm. 107 mit zahlreichen Belegen. 844 Im Jahr 1000 pilgert Otto III. demütig barfuß; vgl. Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 45. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. NS 9, 183 f.; FSGA 9, 160 f. 845 Z. B. zum Jahr 1080 in der Vita Bennonis II. Ed. Bresslau, MGH SS rer. Germ. 56, 25: Quos in itinere parumper praecedens Osnabrugge perrexit, ubi ipse nudis pedibus et multis lacrimis ab omnibus honorifice gratissimeque receptus chirographum super decimatione, quod secum detulerat, publice in ecclesia recitari populo audiente Deoque super hoc gratias agente praecepit.

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Ritual des barfüßigen Auftretens genannt.846 Einer der ersten Belege dafür scheint die Vita des hl. Severin aus dem 5. Jahrhundert zu sein, wo es heißt: „Schuhwerk benützte er niemals, ja selbst mitten im Winter, der in jenen Gegenden grimmig kalt ist, ging er stets nur barfuß und gab so ein einzigartiges Beispiel im Erdulden. Zum Beweis für die außerordentliche Kälte kann man gewiss die Donau anführen, die oft so stark zugefroren ist, dass sie sogar Lastwagen eine sichere Überfahrt ermöglicht.“847 Insgesamt gibt es vergleichsweise viele Stellen, in denen mittelalterliche Menschen barfuß dargestellt werden.848 Viel Frost und Schnee wurde vom 6. Januar bis zum 28. März 1008 in Irland genannt.849 Auch in diesem Winter soll eine Prozession veranstaltet worden sein, die zwischen Oktober 1007 und Ostern 1008 stattfand, also vermutlich barfuß durch den Schnee inmitten der Stadt bis zur Hauptkirche des hl. Theotos führte und vom Erzbischof, allen Klerikern und dem Volk in Frieden empfangen wurde.850 In Süditalien fiel in Bari im Winter 1009 „eine große Menge Schnee, auch vertrockneten die Olivenbäume und die Fische und Vögel starben.“851 Desgleichen verzeichnen die Quedlinburger Annalen im Jahr 1009 an außergewöhnlichen Witterungserscheinungen häufige Donner und Blitze, die in der Zeit des Winters geschehen sein sollen.852

|| 846 Vita Altmanni episcopi Pataviensis, 24. Ed. Wattenbach, MGH SS 12, 236: (…) verecundia cogente, in loco Sancti Ypoliti episcopum adiit, ante cuius pedes diutissime in profunda nive nudis pedibus iacuit. 847 Eugippius, Vita S. Severini, 4. Ed. Sauppe, MGH Auct. ant. 1.2, 9; Eugippius. Ed. Noll, 64 f.: Calciamento penitus nullo utebatur: ita media hieme, quae in illis regionibus saeviore gelu torpescit, nudis pedibus semper ambulare contentus singulare patientiae dabat indicium. Ad cuius immanitatem frigoris comprobandam testem constat esse Danuvium, ita saepe glaciali nimietate concretum, ut etiam plaustris solidum transitum subministret. 848 Vgl. dazu auch Althoff, Spielregeln der Politik (1997), 243. 849 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 1008. Ed. O’Donovan, 761: Great frost and snow from the eighth of the Ides of January till Easter. Chronicum Scotorum, ad a. 1008. Ed. Hennessy, 211: Great frost and snow from the eighth of the Ides 6th of January to Easter 28 March. 850 Arnulf von Mailand, Liber gestorum recentium, 1, 19. Ed. Zey, MGH SS rer. Germ. 67, 143: Deinde nudis sicut venerant pedibus per medium civitatis ad ecclesiam maiorem sancte Theototos usque deveniunt, ab archiepiscopo et clero cunctoque recepti in pace populo. 851 Annales Barenses, ad a. 1009. Ed. Pertz, MGH SS 5, 56 f.: (…) cecidit maxima nix, ex qua siccaverunt arbores oliviae, et pisces et volatilia mortua sunt. 852 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1009. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 520; Climat. Ed. Alexandre, 338: Tonitrua et coruscationes hiemali tempore saepe fiebant. Nach Giese (Annales Quedlinburgenses, MGH SS rer. Germ. 72, 520 Anm. 1283), „sonst nicht belegt.“

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Wiederum sind es die Quedlinburger Annalen, die zum Jahr 1011 verzeichnen, dass „der Winter von ungewöhnlicher Strenge der Kälte und unbequem lang war, sodass lange Zeit das Eis von der Wärme der Sonne ungeschmolzen blieb und viele Menschen schwachen Körpers wurden.“853 Nach einer Trockenphase im Jahr 1009/1010, die den Tigris betraf, folgte im Jahr 1011 eine Kälteperiode im östlichen Iran.854 In Süditalien soll der ersten Rebellion der Normannen gegen die byzantinischen Herren im Jahr 1017 eine unvorhergesehene Kälteperiode vorausgegangen sein.855 In Benevent wird zum Jahr 1020 großer Schneefall genannt.856 Für dasselbe Jahr wird auch in den Annalen von Corbie ein strenger Winter erwähnt.857 Nach den Annalen von Clonmacnoise kam es im Jahr 1022 zu einem „wundervollen Schneefall vor dem Beginn der Schlacht von Sleve Grott.“858 Der Annalist scheint hier zwei Ereignisse im Sinne Schoves assimiliert zu haben. Zwei Jahre später, im Jahr 1024, fiel nach den Annalen von Bari viel Schnee in Süditalien.859 Herrmann von Reichenau fasste zum Jahr 1033 zusammen, dass „der Kaiser [Konrad II.] nach dem Geburtsfest des Herrn nach Burgund zog und Murten belagerte, allein infolge der Winterkälte konnte er dort nichts ausrichten, was seiner würdig war.“860 Wie schon Widukind von Korvei instrumentalisierte auch Hermann hier Witterungsereignisse, um ein sonst unverständlich erscheinendes Verhalten des Herrschers durch dessen Abhängigkeit von Witterungsereignissen zu begründen. Ausführlicher wird das Ereignis in den Gesta Konrads von Wipo beschrieben: „Kaiser Konrad [II.] feierte mit König Heinrich, seinem Sohn, das Geburtsfest des Herrn [25. Dezember 1032] in der Stadt Straßburg. Von hier aus drang er mit seinem Heeresaufgebot über Solothurn in Burgund ein, wurde nach seiner Ankunft im Kloster Peterlingen am Feste der Reinigung Mariens [2. Februar 1033] von großen und kleinen Herren des Reiches zum Herrscher von Burgund erwählt und noch am selben Tage861 zum König gekrönt. Dann belagerte er einige der

|| 853 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1011. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 530: Hiems insolita pruinarum asperitate importune longa, ita ut solis calore insolubilem multum temporis glaciem retineret, ac multa corpora hominum languida redderet. Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 110. 854 Ellenblum, Collapse of the eastern Mediterranean (2012), 49. 855 Ellenblum, Collapse of the eastern Mediterranean (2012), 51. 856 Sanctorum translationes Beneventi factae, ad a. 1020. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 573: nix magna fuit. 857 Annales Corbeienses, ad a. 1020. Ed. Prinz, 1982: Hiemps magna. 858 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1022. Ed. Murphy, 173: There fell a great wonderfull snow at this time before the battle of Sleive Grott. 859 Annales Barenses, ad a. 1024. Ed. Pertz, MGH SS 5, 57: Et hoc anno cecidit nix magna. 860 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1033. Ed. Pertz, MGH SS 5, 121; FSGA 11, 666 f.: Imperator post natalem Domini Burgundiam petiit, Murtenam obsedit; sed impediente hiemis algore, nihil inibi se dignum potuit efficere. 861 Am 2. Februar 1033 in Peterlingen (Payerne) im Schweizer Kanton Waadt.

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von Odo862 besetzten Burgen, aber das harte Winterwetter behinderte ihn damals schwer. Über diese heftige Kälte hat einer unserer Leute 100 Verse gedichtet, die er dem Kaiser widmete; sie enthalten ganz erstaunliche Dinge: wie die Pferde im Lager vor der Burg Murten863 während der Nacht festfroren, wenn sie nach der Bewegung des Tages die Hufe auf den Boden stellten, sodass sie nur mit Hilfe von Beilen und Hauen von der ringsum gefrorenen Erde losgemacht werden konnten. Einer aber, der keine Hilfe bekam, tötete sein eigenes steckengebliebenes Pferd, zog ihm von den Schenkeln nach oben das Fell ab und ließ das übrige an der Erde festgefroren stehen. Auch die Menschen nahm solcher Frost schwer mit. Junge und Alte glichen einander, alle sahen infolge der furchtbaren Eiseskälte bei Tag und Nacht weiß und bärtig aus, obwohl die Männer dort in der Mehrzahl jung und bartlos waren. Das aber war für den Kaiser noch kein Grund zum Abbruch des Kampfes.“864

Hermann nutzt den Einschub, um den Willen des Kaisers darzustellen, der selbst im Kampf gegen die Elemente nicht von seinem Vorhaben abbrach. Isoliert steht ein Eintrag in Worcester zum Winter 1039, der sehr streng gewesen sein soll.865 Die Annales Laubienses bringen die ungewöhnliche Hungersnot des Jahres 1043 mit dem vom 1. Dezember bis 1. März dauernden Frost in Verbindung.866 Die Würzburger Annalen verzeichnen zum Jahr 1044 den Eintrag, dass eine große Tierepidemie geherrscht habe und der Winter streng und schneereich gewesen sei. So beschreibt es auch Ekkehard in seiner Chronik.867 Hermann von Reichenau ergänzt dies um die Informationen, dass der harte und schneereiche Winter einen großen Teil

|| 862 Graf Odo von Blois-Champagne (um 982–1037). 863 Murten im Schweizer Kanton Freiburg. 864 Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris, 30. Ed. Bresslau, MGH SS rer. Germ. 61, 49; FSGA 11, 590; FSGA 40a, 54: Quod imperator cum filio suo Heinrico rege Burgundiam adiit Anno Domini MXXXIII. imperator Chuonradus cum filio suo rege Heinrico natalem Domini in Argentina civitate celebravit. Inde collecto exercitu per Solodorum Burgundiam intravit et veniens ad Paterniacum monasterium in purificatione sanctae Mariae a maioribus et minoribus regni ad regendam Burgundiam electus est et in ipsa die pro rege coronatus est. Deinde quaedam castella quae Uodo invaserat, obsedit, sed propter nimiam asperitatem hiemis, quae tunc fuerat, valde impediebatur. De qua nimietate frigoris quidam de nostris centenos versus fecit, quos imperatori praesentavit, in quibus tam mirandae res dicuntur, quod equi in castris circa castellum Murat, si pedes infixissent terrae, pro tempore diei aliquid moliti, per noctem ita gelati constringerentur, ut nequaquam nisi securibus et sudibus de terra in circuitu gelata evelli poruissent. Quidam vero, qui non habuit adiutorium, equum proprium ita haerentem interfecit et corium de cruribus sursum abstulit, reliquum terrae gelatae infixum dimisit. Homines quoque multum confundebantur hoc algore, erat enim una facies iuvenum et senum, omnes erant die et nocte cani et barbati propter horridum rigorem glaciei, licet plures iuvenes et imberbes fuissent ibi; et tamen vix haec causa fuit, quod caesar bella reliquit. 865 Simeon von Durham. Ed. Whitelock, 290: In this year there was a very severe winter. 866 Annales Laubienses, ad a. 1043. Ed. Pertz, MGH SS 4, 19: Fames exorta, et gelu magnum a Calendis Decembris usque Calendas Martii. 867 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1044. Ed. Pertz, MGH SS 2, 243: Pestis pecudum maxima. Hiemps dura et nivosa. Ekkehard, Chronicon universale, ad a. 1044. Ed. Waitz, MGH SS 6, 196: Pestis pecudum maxima, hiems dura fuit et nivosa.

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der Weinberge durch Kälte zugrunde richtete und der Misswuchs der Früchte eine nicht geringe Hungersnot verursacht habe.868 Die Chronik der Schotten überliefert wiederum für das Jahr 1045 viel Schnee.869 Im Jahr 1047 gab es in der englischen Diözese Durham viel Schneefall in sieben aufeinanderfolgenden Wochen, woraufhin dort auch die Flüsse zufroren.870 Dass größere Wasserkörper zufroren, wird auch andernorts für dieses Jahr erwähnt: „weil in diesem Jahr so große Kälte einfiel, dass zwischen Norwegen und Dänemark die Wölfe über das Eis liefen.“871 Das ist nicht unmöglich denn der – nicht allzu tiefe – Öresund zwischen Dänemark und Norwegen fror zuletzt im Winter 1928 auf 1929 vollständig zu. Nach mehreren irischen Chroniken kam es im Frühjahr 1047 zwischen 1. Februar und 17. März in Irland zu einem großen Kälteeinbruch mit viel Schneefall872 und auch die Angelsächsischen Chroniken verzeichnen einen strengen Winter mit einer hohen Sterblichkeit von Mensch und Tier.873 Und auch auf dem Kontinent fiel im Westen zwischen dem Rheinland und Reims eine so große Schneemenge, dass die Bäume brachen;874 eine Nachricht, die auch Sigebert von Gembloux in seiner Chronik aufgreift.875

|| 868 Vgl. dazu Kap. 4.7.2 Weinernte – gute und schlechte Jahre; Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1044. Ed. Pertz, MGH SS 5, 124, FSGA 11, 676 f.: Maxima pestis pecudum et hiems satis dura et nivosa magnam vinearum partem frigore perdidit et frugum sterilitas famem non modicam effecit. 869 Chronicum Scotorum, ad a. 1045. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 277: Great snow in this year, for which no equal has been found. 870 Annales Dunelmenses, ad a. 1047. Ed. Pertz, MGH SS 19, 508: Magna nimis nix per 7 continuatim ebdomadas terrae domibus adaequavit, qua omnia replente, etiam flumina gelu constricta, maris prohibebant accessum. 871 Annales Islandorum Regii, ad a. 1047. Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 34: (…) quod hoc anno tanta ingruerent frigora, ut inter Norvegiam et Daniam lupi per glaciem discurrerent. 872 Annals of Loch Cé, ad a. 1047. Ed. Hennessy, 47: Great snow in this year from the festival of Mary to the festival of Patrick, for which no equal was found, so that it caused a destruction of people, and cattle, and the wild animals of the sea, and of birds. Annals of Inisfallen, ad a. 1047. Ed. Mac Airt, 210 f.: Great snow in the above year from the Feast of Brigit until the Feast of Patrick, and the like of it was never heard of before or after. Annales Cambriae, ad a. 1047/[1068]. Ed. Gough-Copper (Version B), 49: Nix cecidit, et duravit a Kalendis Ianuarii usque ad festum Sancti Patricii, quam appellaverunt mangam nivem. Annals of Ulster, ad a. 1047. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 485: A great snowfall this year from the Feast of Mary in the winter 8 Dec. to the Feast of Patrick 17 March, the like of which was never experienced before, and it caused the death of many people and cattle and sea-beasts and birds. 873 Anglo-Saxon Chronicle, ad a. 1046. Ed. Swanton, 164: And after candlemas in the same year [1047] came the severe winter with frost and with snow and with all bad weather, such that there was no man alive who could remember so severe a winter as that was, both through the mortality of men and mortality of cattle; both birds and fish perished through the great cold and hunger. 874 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1047. Ed. Pertz, MGH SS 16, 732: Nix tanta in occidente cecidit, ut silvas frangeret. 875 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1047. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 359: Nix tanta in occidente cecidit, ut silvas frangeret.

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Für einen allerdings nicht näher datierbaren Winter nach 1048 ist von Johannes Zonaras Folgendes überliefert: „Als diese Botschaft dem Tyrach überbracht wurde, da war der Winter hereingebrochen, und der Istros war vom einen Ufer zum anderen in festem Eis erstarrt, sodass er zu Fuß den Fluss mit seinem ganzen Volk überschritt, auf romäisches Gebiet traf und plünderte, was vor ihm lag. (…) Doch die Patzinaken, die eine Fülle von Nahrungsmitteln, von Wein und anderen aus Honig bereiteten Getränken vorgefunden hatten und diese im Übermaß genossen, wurden von einer Darmkrankheit befallen.“876 Für das Jahr darauf berichtet Hermann von Reichenau: „Inzwischen vereinigen sich, während im Jahr 1049 eisige Kälte herrscht, einige Ritter und Fürsten aus dem Küstengebiet mit den Bischöfen von Lüttich, Utrecht und Metz und legen Dietrich in Vlaardingen einen Hinterhalt (…).“877 Insgesamt neun strenge Winter soll es nach der älteren Forschung, zwischen 1057 und 1077 gegeben haben.878 Sieben davon lassen sich bestätigen: 1059/60, 1066/67, 1067/68, 1068/69, 1071/72, 1074/75 und 1076/77. Der Wintereinbruch 1059/1060 zeigte sich extrem früh, als bereits gegen Ende September 1059 Schnee fiel: „Gegen Ende des Monats September brach der Kaiser auf und lagerte in Lobitzos [Lofça]. Als ein Platzregen losbrach und ungewöhnlich für die Jahreszeit überreichlich Schnee fiel, da ging der Großteil der Pferde zugrunde, zahlreiche Soldaten schwebten wegen der Kälte in Lebensgefahr, die Flüsse traten über die Ufer, ergossen sich über die Vorräte und rissen sie auf einmal mit sich fort, sodass dem Heer und den Lasttieren die Lebensmittel ausgingen. Als weiteres Beinahe-Unglück verfehlte eine umstürzende Eiche den Kaiser nur knapp.“879 Auch hier ist mit einer durch den plötzlich hereinbrechenden Frost entstandenen Barriere im Wasser zu rechnen, die zu einem Aufstauen des nachfließenden Wassers führte und es über die Ufer des Flusses treten ließ. Dasselbe gilt nach der Beschreibung der Quellen auch für den darauf folgenden Frühling im Jahr 1060, als in Folge des besonders strengen und schneereichen Winters, der zudem länger als üblich gedauert hatte, zahlreiche Menschen den Tod fanden. Es folgten Überschwemmungen „bisher nicht gekannten Ausmaßes“.880 Wiederum könnte die Hauptursache für die Überflutungen in einigen durch den Eisgang aufgestauten Hindernissen in den Flussläufen zu finden sein.

|| 876 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, ad a. 1048, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 106. 877 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1049. Ed. Pertz, MGH SS 5, 128; FSGA 11, 688 f.: Interea glaciali hieme suppeditante nonnulli de partibus maritimis milites et principes cum Leodiensi episcopo et Traiectensi atque Metensi congregati Theodorico in Phladirtingam insidias tendunt (…). 878 Bernhardt/Mäder, Statistische Auswertung (1987), 124. 879 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, ad a. 1059, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 125. 880 RI III, 2,3 Nr. 190. Vgl. zu den Überschwemmungen im Jahr 1060: Kap. 3.4 Überschwemmungen durch Starkniederschläge.

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Im Jahr 1063 kam nach der Tag-und-Nachtgleiche ein Frühlingsfrost, als am 21. März großer Frost und Schnee einsetzten.881 Im weiteren Verlauf des Frühjahrs kam es etwa Mitte April erneut zu einem Frühlingsfrost, bei dem viele Vögel und Vieh aufgrund eines vier Tage anhaltenden scharfen, stürmischen und schneereichen Unterwetters erfroren, das auch den größten Teil der Bäume und Weinstöcke verdarb.882 In der zweiten Fassung derselben Chronik ließ der sehr harte Winter aber nicht nur die Vögel und das Vieh erfrieren, sondern verursachte auch noch einen großen Mangel an Früchten und Wein.883 Während der Winter 1066/1067 sehr mild gewesen sein soll,884 wird der darauffolgende Jahreswechsel in Reims als ein „schrecklicher“ bezeichnet, der etwa 119 Tage vom 13. November 1067 bis 12. März 1068 gedauert habe.885 Auch der Winter 1068/1069 wird als lang und so streng beschrieben, sodass er zur Unfruchtbarkeit von Weinreben und Bäumen des Waldes geführt habe, in deren Folge eine Hungersnot ausgebrochen sei.886 Im Januar und Februar 1069 „zog König Heinrich IV. mit Unterstützung des Böhmenherzogs Vratislav II. durch die aufgrund des harten Winters gefrorenen Gewässer und Sümpfe gegen die Liutizen über die Elbe und zerstörte deren Befestigungen und heidnische Heiligtümer. Einen Großteil der Bevölkerung ließ er töten oder deportieren.“887 Hier diente der gefrorene Fluss als Mittel eines als göttlich verstandenen Eingriffs in den Konflikt. Auch in der westlichen

|| 881 Annales Augustani, ad a. 1063. Ed. Pertz, MGH SS 3, 127: Post vernale aequinoctium, id est 12. Kalendas Aprilis, frigoris et nivis inmensae importunitas. 882 Berthold von Reichenau, Chroniken, ad a. 1063. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 195; FSGA 14, 30 f.: Tempore veris, medio mense Aprilis, per quatuor dies hyems saeve, ventosa et nivosa aves et pecora frigore extinxit, arborum et vinearum maximam quoque partem perdidit. 883 Berthold von Reichenau, Chroniken, ad a. 1063. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 195; FSGA 14, 54 f.: Hiems nimis dura aves et pecora frigore extinxit necnon frugum et vini magnam penuriam effecit. 884 Annales Augustani, ad a. 1066. Ed. Pertz, MGH SS 3, 128: Hiemps lenissima. 885 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 1067. Ed. Waitz, MGH SS 13, 83: Facta est hiems horrida a festo sancti Briccii usque ad festum sancti Gregorii [13. November bis 12. März]. 886 RI III,2,3 Nr. 540. Vgl. a. Curschmann, Hungersnöte (1900), 120. Annales Weissenburgenses, ad a. 1069. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 55: Hyemps magna et aspera; Annales Laubienses continuatio, ad a. 1069. Ed. Pertz, MGH SS 4, 20: Hiems magna et aspera; Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1069. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 111; FSGA 13, 120: Silvestrium arborum eadem quae priore anno sterilitas permansit. Sed vinearum tanta fertilitas fuit, ut plerisque in locis pre multitudine vix colligi vindemia posset. 887 RI III, 2, 3 Nr. 509 ; Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1069. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 361; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 1958, 35: Fluminibus glaciali rigore constrictis, imperator Heinricus terram Lutitianorum ingressus, eos nimia cede prosternit, et terram nimium depopulatur. Die Unterstützung durch Vratislav II. nach den St. Galler Fortsetzungen Hermanns von Reichenau ad a. 1069 (RI 3,2, S. 71 Nr. 509): Rex Leuticos duce Boemie auxilium prebente invadit et eorum terram preda et igne late devastat. Annales Altahenses maiores, ad a. 1069. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 76: Terra etenim illa paganorum aquis et paludibus est plena, sed tunc, hiemis scilicet tempore, nimium erat congelata, et ideo exercitui d facta est facilis ingrediendi et egrediendi via.

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und nördlichen Region des mittleren Rheinlandes wurde der Winter 1069 als hart und rau beschrieben888 und indirekt geht ebenso Simeon von Durham auf die ungewöhnlich Kälte ein, die wohl auch im Norden von England präsent gewesen sein wird.889 Starker Frost wird von den Annales Formoselenses für das Jahr 1071 überliefert.890 Erst wieder den Winter 1074/1075 beschreibt Lampert von Hersfeld als sehr streng, durch die winterliche Dürre sei alles so stark ausgetrocknet, dass die Flüsse nicht nur an der Oberfläche zufroren, sondern ungewöhnlicher Weise völlig in Eis verwandelt zu sein schienen. Noch Ende Januar 1075, so schreibt Lampert weiter, war das Eis des Flusses Werra zu Fuß passierbar.891 Diese Angaben lassen einige weitergehende Annäherungen bezüglich der Dauer der Kälte zu.892 Die Witterung während des Übergangs des Jahres 1075 auf 1076 entsprach dann wohl den zeitgenössischen Erwartungen, weshalb sie nirgendwo mit einem Eintrag dokumentiert wurden. Der dann folgende Winter am Übergang vom Jahr 1076 auf das Jahr 1077 war extrem kalt, wie in einer großen Zahl von Quellen dokumentiert ist.893 Trotzdem hat dieses außergewöhnliche Naturereignis bislang noch keine eigenständige Betrachtung erfahren, stand es doch immer im Schatten des sogenannten Investiturstreits, dessen zentrales,894 von den Zeitgenossen instrumentalisiertes und von modernen Historikerinnen und Historikern oft rezipiertes,895 und nicht unumstrittenes Schlüsselereignis896 – der „Gang nach Canossa“ – genau in diesem Winter stattgefunden haben soll. Die Witterungszustände dieses Winters wurden von der bisherigen Forschung oft nur

|| 888 Annales Weissenburgenses, ad a. 1069. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 55: Hyems magna et asperra. Annales Laubiensium Continuatio, ad a. 1069. Ed. Pertz, MGH SS 4, 20: Hiems magna et asperra. 889 Simeon von Durham, Ed. Arnold, Rolls series 75.2, 42, Ed. Britton 45: „(…) an incident in the flight of the Northumbrians before Robert Cumin in January: (…) but a sudden snowstorm and a frost of extreme severity supervening, effectually prevented them from putting their intensions into practice.“ 890 Annales Formoselenses, ad a. 1071. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 36: Gelu magnum. 891 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1074. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 176; FSGA 13, 220 f.; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 1958, 35 mit falscher Bandangabe: Frigus erat valdissimum, et hiberna siccitate arebant omnia, in tantum ut flumina non superficietenus glacie constricta, sed tota preter solitum in glaciem conserva viderentur. (…) Fluvium glacies pedestri itinere commeabilem fecerat. 892 Der Pegelstand der Werra bei Heldra-Wanfried liegt im Mittel bei 192 cm (132 bis 385 cm). 893 Curschmann, Hungersnöte (1900), 121; Easton, Hiver (1928), 79; Britton, Meteorological Chronology (1937), 45. 894 Die große Diskussion um den Einfluss der Memorik auf den sogenannten Investiturstreit soll hier nicht aufgerollt werden, stattdessen bleibt es bei der zusammenfassenden Frage, ob mittelalterliche Autoren unter Umständen nicht Netzwerke von Interessensgruppen bilden könnten, die in ihrer Darstellung ihre Intentionen einfließen ließen. Die Beantwortung dieser oder ähnlicher Fragen kann aber nur wenig zum Wissen über das Witterungsgeschehen beitragen. Einzig der Hinweis sei an dieser Stelle gestattet, dass die Betrachtung der Reisegeschwindigkeit um eine Beachtung der Witterung ergänzt werden sollte. Vgl. Fried, Canossa (2012), 99–113. 895 Vgl. die Rezensionsserie auf „Sehepunkte“ unter: Dendorfer, Canossa – keine Wende? (2013). 896 Patzold, Gregors Hirn (2011), 11 f.; Althoff, Amtsverständnis Gregors VII. (2014), 261–276.

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sehr verkürzt dargestellt, etwa in der Art: „Wie alle Quellen versichern, war der Winter 1076/77 ungewöhnlich kalt. Eis bedeckte den Rhein; im Hochgebirge hatte es mehr als in anderen Jahren geschneit, und auch im Apennin lag Schnee.“897 Am ausführlichsten mit dem Einfluss der Witterungsaspekte auf die politischen Ereignisse hat sich bisher Golinelli befasst, allerdings hat er die Frage, „ob Heinrichs Buße real oder fingiert war“ marginalisiert.898 Zwar wird anlässlich der Überquerung der Alpen durch König Heinrich IV. zum Jahreswechsel immer wieder kurz auf die Kälte des Winters hingewiesen, aber das Außergewöhnliche des kalten Winters scheint bisher eher dem allegorischen Bereich zugerechnet worden zu sein. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass bereits zeitgenössische Chronisten die extreme Witterung als Manifestation des Willens Gottes deuteten. Die extreme Kälte des Winters 1076/1077 wurde von den intentional schreibenden mittelalterlichen Autoren als Folge der menschlichen Sündhaftigkeit dargestellt, in diesem Fall sei es der Hochmut des Kaisers gewesen, der sich gegen den Stellvertreter Christi empört habe. Dieser Topos wurde als Schablone noch ausgeweitet, denn sobald der römisch-deutsche König abgesetzt und mit Rudolf von Rheinfelden ein neuer König gewählt war, habe sich auch das Wetter wie durch Gottes spontanen Willen gebessert: „Die dicke Eisdecke, die in jenem Jahr die ganze Erde bedeckt hatte, begann am Tag der Wahl des neuen Königs zu schmelzen“, wie Bernold von Konstanz bedeutungsverheißend schreibt.899 In seiner Chronik instrumentalisiert Berthold von Reichenau Winteranfang und Frühlingsbeginn in ebenso starkem Maße und setzt die Schneedecke als trennendes Element zwischen den einzelnen Fürstenversammlungen ein: „Nach dem Ende des Fürstentages von Tribur begannen um den ersten November herum ungewöhnlich starke Schneefälle und überzogen überall die Erde mit einer weißen Decke. Es erregte große Furcht und wurde als Vorzeichen für kommendes Unheil gedeutet, dass der Schnee nicht nur in den Ländern diesseits der Alpen fiel, sondern in nie gesehener Menge auch ganz Norditalien bedeckte. Infolge der starken Kälte froren sowohl der Rhein als auch der Po zu, ganz zu schweigen von den anderen Flüssen, sodass sie den Reisenden eine Straße aus Eis boten, die den Landstraßen glich. Der Winter dauerte mit dieser strengen Kälte und dem grimmigen Frost bis zum 15. März, das heißt, von dem Tag in Tribur bis zu der Versammlung, die die Großen des Reichs in Forchheim abhielten. An diesem Tag begann der Schnee endlich, in allen Teilen unserer ganzen Landes allmählich abzunehmen und je nach Beschaffenheit der Orte unterschiedlich zu schmelzen.“900

|| 897 Goez, Kirchenreform und Investiturstreit (2000), 130. Zur neueren Literatur siehe: Goez, Papstum und Kaisertum (2009), 60; Hartmann, Investiturstreit (1996). 898 Golinelli, Mathilde und der Gang nach Canossa (1998), 186–194. 899 Vgl. Golinelli, Mathilde und der Gang nach Canossa (1998), 188. 900 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1076. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. 14, 252; FSGA 14, 118 f.: Hoc colloquio circa Kalendas Novembris finito, ilico praeter solitum praegrandis nix terras undique opprimere incepit. Haec siquidem praesagium et signum futurorum malorum non solum Cisalpinas

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Die Wahl eines neuen Königs mit dem hereinbrechenden Frühling und dem Verschwinden des alten Schnees zu verbinden, ist ein geschicktes Stilmittel und ganz klar ein Topos. Nicht zuletzt die anhand dieser Passagen verdeutlichte Instrumentalisierung macht eine überregionale Betrachtung des Witterungsgeschehens notwendig, um sich den tatsächlichen Daten von Winteranfang und -ende anzunähern, aber auch des tatsächlichen Ausmaßes der Schneemassen und des Frostes. Da nach der Darstellung Lamperts von Hersfeld die einfachen Alpenübergänge alle von politischen Gegnern Heinrichs IV. besetzt waren, musste dieser den weiteren und gefährlicheren Weg über Burgund und den Mont Cenis mit einer Passhöhe von 2083 Metern über dem Meeresspiegel nehmen. An dieser Stelle ist ein kurzer Exkurs notwendig, denn es handelt sich um denselben Pass, der auch von Titus Livius für seine Darstellung der Alpenüberquerung Hannibals genutzt wurde. Lampert, der in Bamberg – wo eine besonders intensive Livius-Rezeption901 nachweisbar ist – studiert hatte,902 verfügte über ausgezeichnete Kenntnisse von Livius' Werk Ab urbe condita, die er sich vermutlich anhand einer Abschrift des Werkes erworben hatte.903 Dadurch war er in der Lage, Livius nicht wörtlich nutzen zu müssen,904 sondern konnte die Darstellung des Alpenübergangs905 bezüglich ihrer Motivik und der inhaltlichen Funktionen auf sein Werk übertragen.906 Die strukturelle Gliederung der Textstelle bei Livius und jener bei Lampert ist sich dementsprechend in höchstem Maße ähnlich: Am Beginn beider Texte steht eine wortgewaltige Beschreibung der winterlichen Alpenlandschaft, in beiden Texten erreichen die Gruppen den Pass nur mit Hilfe von

|| partes, verum, quod potius mirabile visum est, totam Longobardiam nimietate iriaudita non parum stupefecit. Nimio quippe frigoris congelaniento Renus pariter et Eridanus, ut de fluviis caeteris taceatur, in tantum consolidati sunt, ut per longum tempus quasi per terram viam in se glacialem exhiberent cunctis itinerantibus. Sic hiemps aspera et nivosa algoris vi continuata usque in Idus Martii, scilicet a colloquio praedicto usque ad colloquium quod apud Forihcheim a regni optimatibus actum est, perduravit. Ipso denique die coepit nix per omnes terrarum nostra rum partes, diversis pro qualitate locorum liquefienda lapsibus, paulatim decrescere. Vgl. Golinelli, Mathilde und der Gang nach Canossa (1998), 186. 901 Dies ist bis heute im Bestand der Staatsbibliothek Bamberg nachweisbar: „Weniger prächtig, dafür aber deutlich älter sind die ältesten Schriftzeugnisse der Bamberger Handschriftensammlung: mehrere Pergamentfragmente eines Livius-Textes, die auf das 5. Jahrhundert datiert werden.“ Vgl. Staatsbibliothek Bamberg – Kaiser-Heinrich-Bibliothek. Titus Livius, Ab urbe condita (decas quarta, fragm.), Msc. Class. 35a, a) XXXIII, 34,9–36,5; XXXIII, 36,5–37,6. b) XXXV, 5,10–6,1; XXXV, 8,4–8,9. c) XXXIX, 36,4–36,16; XXXIX, 37,1–37,15. d) XXXIV, 29,11–29,14; XXXIV, 31,19–32,2, [S.l.] Italien, 4. Viertel 5. Jh. Online: http://bsbsbb.bsb.lrz.de/~db/0000/sbb00000099/images/ (11.11.2016). 902 Vgl. Struve, Lampert von Hersfeld (1969), 13 f., 26. 903 Vgl. Struve, Lampert von Hersfeld (1969), 26 f. 904 Rockrohr, Lambert und Livius (1885), 574, konnte in seiner Gegenüberstellung nur wenige wörtliche Übernahmen nachweisen. 905 Liv. 21, 32–38 (Titus Livius, Römische Geschichte. Ed. Klaiber, 2648–2762). 906 Vgl. Billanovich, Lamperto di Hersfeld e Tito Livio (1945), 188–190; vgl. auch Weisz, Hannibals Gang (2013), 8.

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Führern, nach beiden Darstellungen soll der Abstieg schwieriger als der Aufstieg gewesen sein. Beim Abstieg können sich die Beteiligten in beiden Fällen weder mit Händen aufrichten noch auf die Knie stützen, sondern müssen kriechen. Auch wenn bei Lampert nur wenige wörtliche Übernahmen aus Ab urbe condita erkennbar sind, kann die Beschreibung kaum als tatsächlich zeitgenössische Beobachtung gewertet werden, denn Lampert war nicht als Zeitzeuge dabei. Ebenso ist ungewiss, ob Lampert, der 1059 eine Pilgerreise nach Jerusalem unternommen hatte, seine eigenen Alpenerfahrungen hier hat einfließen lassen, da über seinen Weg nach Jerusalem nichts bekannt ist.907 Die von Lampert sehr dramatisch konstruierte Schilderung des königlichen Alpenübergangs lautet folgendermaßen: „Der Winter war äußerst streng und die sich ungeheuer weit hinziehenden und mit ihren Gipfeln fast bis in die Wolken ragenden Berge, über die der Weg führte, starrten so vor ungeheuren Schneemassen und Eis, dass beim Abstieg auf den glatten, steilen Hängen weder Reiter noch Fußgänger einen Schritt tun konnten. (…) Daher mietete er [König Heinrich IV.] um Lohn einige ortskundige und mit den schroffen Alpengipfeln vertraute Einheimische, die vor seinem Gefolge über das steile Gebirge und die Schneemassen hergehen und den nachfolgenden auf jede mögliche Weise die Unebenheiten des Weges glätten sollten. Als sie unter deren Führung mit größter Schwierigkeit bis auf die Scheitelhöhe des Berges [Mont Cenis] vorgedrungen waren, gab es keine Möglichkeit weiterzukommen, denn der schroffe Abhang des Berges war, wie gesagt, durch die eisige Kälte so glatt geworden, dass ein Abstieg hier völlig unmöglich schien. Da versuchten die Männer, alle Gefahren durch ihre Körperkraft zu überwinden: Sie krochen bald auf Händen und Füßen vorwärts, bald stützten sie sich auf die Schultern ihrer Führer; manchmal auch, wenn ihr Fuß auf dem glatten Boden ausglitt, fielen sie hin und rutschten ein ganzes Stück hinunter; schließlich gelangten sie doch unter großer Lebensgefahr in der Ebene an. Die Königin und die anderen Frauen ihres Gefolges setzten sie auf Rinderhäute, und die dem Zug vorausgehenden Führer zogen sie darauf hinab. Die Pferde ließen sie teils mithilfe gewisser Vorrichtungen hinunter, teils schleiften sie sie mit zusammengebunden Beinen hinab, von diesen aber krepierten viele beim Hinunterschleifen, viele wurden schwer verletzt, und nur ganz wenige konnten heil und unverletzt der Gefahr entrinnen.“908

|| 907 Vgl. Weisz, Hannibals Gang (2013), 2 f.; Lecheler, Lampert von Hersfeld (1992), 122 f. 908 Lampert von Hersfeld, Annalen, ad a. 1076/1077. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 286– 287; FSGA 13, 396–399: Difficulter assecuto transeundi licentiam protinus alia successit difficultas. Hyemps erat asperrima, et montes, per quos transitus erat, in inmensum porrecti et pene nubibus cacumen ingerentes ita mole nivium et glaciali frigore obriguerant, ut per lubricum precipitemque decessum nec equitis nec peditis gressum sine periculo admitterent. Sed dies anniversarius, quo rex in excommunicationem devenerat, e vicino imminens nullas accelerandi itineris moras patiebatur, quia, nisi ante eam diem anathemate absolveretur, decretum noverat communi principum sententia, ut et causa in perpetuum cecidisset, et regnum sine ullo deinceps restitutionis remedio amisisset. Igitur quosdam ex indigenis locorum peritos et preruptis Alpium iugis assuetos mercede conduxit, qui comitatum eius per abruptum montem et moles nivium precederent et subsequentibus quaqua possent arte itineris asperitatem levigarent. His ductoribus cum in verticem montis magna cum difficultate evasissent, nulla ulterius progrediendi copia erat, eo quod preceps montis latus et, ut dictum est, glaciali frigore lubricum omnem penitus decessum negare videretur. Ibi viri periculum omne viribus evincere conantes, nunc

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Es handelt sich hierbei um eine der seltenen Ausnahmen einer detaillierten Darstellung einer Alpenüberquerung im Mittelalter und genau das macht sie verdächtig. Nicht zuletzt ist sie dies dadurch, da Lampert selbst an der gesamten Reise nicht teilgenommen hat. Seine detaillierte Schilderung soll wohl die Aussage unterstreichen, der König unternehme wirklich alles, um die Aufhebung des auf ihm lastenden Bannspruchs durch Papst Gregor VII. zu erreichen.909 Dafür erschuf Lampert mit dem Bild des bergab kriechenden Königs ein Motiv, das die Demütigung Heinrichs nicht auf Canossa beschränkte, sondern bereits in die Alpen vorverlegte.910 Nimmt man an, Heinrichs Weg habe tatsächlich über den Mont Cenis geführt, dann könnte es, da der atmosphärische Temperaturgradient bei 0,6 Grad pro 100 Meter liegt, auf dem Pass mindestens zwölf Grad kälter gewesen sein, als im unterhalb liegenden Tiefland. Das führt zur Situation in Canossa und den dortigen Temperaturen. Dabei ist die Frage, wie lange sich ein Mensch barfuß bei unter Null Grad Celsius Außentemperatur mit nur wenig Schutz der Körperoberfläche im Freien aufhalten kann, gar nicht so einfach zu beantworten. Auch wenn König Heinrich IV., geboren am 11. November 1050, zum fraglichen Zeitpunkt erst 26 Jahre alt und damit biologisch wahrscheinlich auf dem Höhepunkt seiner körperlichen Leistungs- und Leidensfähigkeit war, führt es zu Problemen, einen menschlichen Körper ungeschützt sehr kalten Temperaturen auszusetzen, insbesondere über einen Zeitrahmen von drei Tagen: Es kommt zu Hypothermie, also Unterkühlung.911 Bereits Zimmermann lehnte es als „physische Unmöglichkeit“ ab, dass Heinrich drei Tage „in Kälte, Schnee und Eis“ im Burghof gestanden habe.912 Für eine dreitägige Herrscherbuße gibt es zudem in der älteren Geschichte kein Vorbild, die Darstellung soll nach Hartmann der Bekehrung des Paulus nachgestaltet sein, der ebenfalls drei Tage Buße getan habe.913 Bei einer akzidentellen Hypothermie, also einer sehr raschen Unterkühlung (Einbrechen durch Eis etc.), beträgt die Überlebenszeit bei einer Wassertemperatur von + 5°C höchstens eine (!) Stunde. Allerdings dauert es an kalter Luft, die etwa ein Grad Celsius kalt ist, ganze vier Stunden, bis die Körpertemperatur absinkt. Die Beine barfuß

|| manibus et pedibus reptando, nunc ductorum suorum humeris innitendo, interdum quoque titubante per lubricum gressu cadendo et longius volutando, vix tandem aliquando cum gravi salutis suae periculo ad campestria pervenerunt. Reginam et alias, quae in obsequio eius erant, mulieres boum coriis impositas duces itineris conductu preeuntes deorsum trahebant. Equorum alios per machinas quasdam summittebant, alios colligatis pedibus trahebant, ex quibus multi, dum traherentur, mortui, plures debilitati, pauci admodum integriincolumesque periculum evadere potuerunt. 909 Rohr, Alpenüberquerungen (2012), 14. 910 Vgl. Weisz, Hannibals Gang (2013), 10. 911 Guly, History of accidental hypothermia (2011), 122–125; Burton/Edholm, Man in a cold environment (1955), 205. Berger, Nazi Science (1990), 1435–1440. 912 Zimmermann, Canossagang von 1077 (1975), 163. 913 Hartmann, Investiturstreit (1996), 88 f.

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(nudis pedibus) in den Schnee zu stellen,914 scheint damit der begrenzende Faktor zu sein.915 In Canossa liegt die höchste Geländehöhe bei 689 Metern über der Meereshöhe, die tiefste bei 112 Metern. So sind bei einem Temperaturgradienten von 0,6 Grad pro 100 Meter bereits hier über drei Grad Temperaturunterschied möglich. Geht man im günstigsten Fall von 0 Grad Celsius in der Ebene aus, hätte es im Burghof bereits – 3 Grad. Physisch wäre also nicht mehr als ein kurzes symbolisches Stehen mit nackten Füßen im Schnee möglich. Da aber auch eine Inversionswetterlage nicht auszuschließen ist, was bedeuten würde, dass es in der Höhe deutlich wärmer wäre als in der Ebene vor dem Burgberg, hätte es auch wärmer sein können. Hinzu kommt der Hinweis von Langosch: „Obwohl in zwei Quellen das Büßen Heinrichs IV. vor Canossa mit (per-)stare ausgedrückt wurde, bezeugt es doch beide Male nicht das (Buße-)Stehen.“916 Bisher sprechen viele Punkte gegen den Ablauf des Geschehens so wie Lampert ihn dargestellt hat. Stellt man sämtliche Quellenstellen, die die Witterung zum Jahr 1076/77 thematisieren, nebeneinander, ergibt sich, dass der Winter von extremer Kälte dominiert, aber regional sehr unterschiedlich ausgeprägt war. In der gesamten dieser Arbeit zugrunde liegenden Untersuchungszeit handelt es sich hierbei, nach dem Winter 763/764, wohl um den heftigsten Extremwinter. Solche Winter kommen nur alle 300 Jahre vor, die Wahrscheinlichkeit ihrs Auftretens liegt also unter einem Prozent.917 Die Beschreibungen des Winters 1076/1077 sind dabei ungleich detaillierter als für den frühmittelalterlichen Winter des 8. Jahrhunderts. Bei einem direkten Vergleich der überlieferten Darstellungen dieser beiden Winter ist besonders auffallend, dass für 1076/1077 nur sieben Kurzeinträge in Chroniken und Annalen zu finden sind, von denen drei ins Jahr 1076 und vier ins Jahr 1077 datieren. Dem stehen fast 21 Nennungen des Winters 763/64 gegenüber.918 Ausführliche Datierungen mit Winteranfang und ende liegen für 763/764 sieben vor und für 1076/1077 etwa 15. Die folgende Tabelle zeigt jene Quellen die nur einen harten Winter vermelden, aber keine Zeitangaben enthalten.

|| 914 Arnulf von Mailand, Liber gestorum recentium, 5, 8. Ed. Zey, MGH SS rer. Germ. 67, 229: (…) ubi presidente apostolico rex nudis incedens pedibus humi prostratus post multas lacrimas promeruit veniam, suorum iuramenta fidelium pacta confirmans sub condictione iustitie faciende. 915 Der derzeitige Rekord stammt aus dem Jahr 2012, als ein Läufer barfuß fünf Kilometer in 23 Minuten und 42 Sekunden durch den Schnee ging. 916 Langosch, Lateinisches Mittelalter (1983), 58. 917 Lamb, Climate, Bd. 2 (1977), 31–34. 918 Vgl. Kap. 3.6 Extreme Winter.

Extreme Winter | 507

Tab. 46: Nennungen des Extremwinters 1076/1077 ohne Angaben der Dauer

Region, Ort

Eintrag

Champagne, Châlons

1076 Sehr harter Winter.919

valde magna

Bayern, Bamberg

1076 Der Winter war ungewöhnlich streng.920

solito graviore

Norditalien, Brescia

1076 Schwerer Winter.921

valida

Terminus

922

Ardennen, Mouzon

1077 Ein eisreiches Jahr.

Belgien, Gent

1077 Ein schwerer Winter.923

Norditalien, Formole Bayern, Würzburg

glatialis gravis

924

1077 Ein schwerer Winter.

gravis 925

1077 Der Winter war hart und schneereich.

magna, niviosa

Dahingegen dokumentieren zehn Quellen die tagesgenauen Daten von Winteranfang und -ende bzw. der Schneebedeckung. Fünf weitere Quellen liefern tagesgenaue Daten darüber, wann Flüsse zufroren und wieder auftauten oder aufbrachen. Als Fortsetzer der Chronik des Herrmann von Reichenau beschrieb Berthold von Reichenau (um 1030–1088) das Ende des Winters 1077 folgendermaßen: „An diesem Tag begann der Schnee endlich, in allen Teilen unseres ganzen Landes allmählich abzunehmen und je nach Beschaffenheit der Orte unterschiedlich zu schmelzen.“926 Dass die topographischen Besonderheiten und mikroklimatischen Situationen zu einer unterschiedlichen Dauer des Schmelzprozesses führten, erweist Berthold von Reichenau als genauen Naturbeobachter. Der Schneefall setzt je nach den regionalen mikroklimatischen Besonderheiten zu unterschiedlichen Zeiten ein. Solche Besonderheiten beeinflussen auch den thermischen und meteorologischen Frühlingseinzug oder die Blütephase von Kirsche und Apfel im Frühling, die je nach Region sehr zeitversetzt auftreten kann. Diese regionstypischen Besonderheiten sind in den bisherigen Betrachtungen der Ereignisse des Winters 1076/1077 nicht beachtet worden. Da aber alle erzählenden Quellen, die eine Vereisung der Flüsse beschreiben, jeweils ganz konkrete, tagesgenaue Daten angeben, bieten diese Quellen für den Aspekt der

|| 919 Annales S. Petri Catalaunenses, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 16, 488: Hiems valde magna. 920 Annales S. Michaelis Babenbergensis, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 5, 9: Hieme solito graviore. 921 Annales Brixinienses, ad a. 1076. Ed. Bethmann, MGH SS 18, 812: Hyems valida. 922 Annales Mosomagenses, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 3, 161: Annus glatialis. 923 Annales Blandinienses, ad a. 1077. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 26: Hiemps gravis. Annales Formoselenses, ad a. 1077. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 36: Hiemps gravis. 924 Annales Formoselenses, ad a. 1077. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 36; Climat. Ed. Alexandre, 340: Hiemps gravis. 925 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 2, 245: Hiemps magna et nivosa. 926 Berthold von Reichenau, Chroniken, ad a. 1076. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. 14, 252; FSGA 14, 118 f.: (…) ipso denique die cepit nix per omnes terrarum nostrarum partes, diversis pro qualitate locorum liqufienda lapsibus, paulatim decrescere.

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topographischen Verteilung deutlich mehr Informationen als vielleicht erwartet. So wird in den Annalen von Paderborn ebenfalls ein großer, schneereicher und ungewöhnlich langer Winter genannt, in dessen Verlauf alle Flüsse für 119 Tage vom 26. November bis 18. März zugefroren waren.927 Ein ähnlicher Eintrag ist auch in den Annalen von Iburg enthalten: Nach einer Mondfinsternis am 10. Februar 1076 wird ein langer Winter genannt, bei dem vom 26. November bis zum 18. März 1077 alle Flüsse für 113 Tage zu Eis gefroren waren.928 Diesen Eintrag hat dann später auch wortwörtlich der Annalista Saxo übernommen.929 Mit 135 Tagen deutlich länger dauerte der Winter in der Abtei Brauweiler, vom Beginn des November 1076 bis zur Mitte des März 1077 und er war so streng, dass der Rhein vereiste.930 In einigen englischen Chroniken wird nach einem Erdbeben931 am 27. März 1076 jeweils ein großer Frost genannt und eine starke Vereisung für 166 Tage, von Anfang November bis Mitte April.932 Lampert von Hersfeld selbst bietet noch vor seinem Bericht zum Jahr 1077 einen relativ ausführlichen Witterungsabriss für den Winter von 1076 auf 1077. Dieser Abschnitt bildet eine Art Einleitung in das ungewöhnliche Witterungsgeschehen, indem Lampert dem Leser bereits vorab die wichtigen Wetterinformationen liefert, noch bevor er in diesen Rahmen seine eigene Darstellung der politischen Ereignisse einsetzt. Die Darstellung des Winters entspricht dabei dem in dieser Zeit üblichen Umfang: „Die Stärke und Rauheit des Winters war in diesem Jahre so anhaltend und mit so ungewöhnlicher Strenge eingefallen, dass vom 11. November (Fest des hl. Martin) an der Rheinstrom durch eisigen Frost gebunden, beinahe bis Anfang April für Fußgänger gangbar blieb, und an den meisten Orten die Weinreben, an den Wurzeln vor Kälte ausgedörrt, gänzlich zugrunde gingen.“933 Lampert instrumentalisiert also die

|| 927 Annales Patherbrunnenses, ad a. 1076. Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1, 36: Hiemps magna et nivosa ac nimis prolixa fuit. Nam a 6 Kal. Decemb omnia flumina glacie constricta sunt usque 14 Kal. April. 928 Annales Yburgenses, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 16, 437; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 36: Eclipsis lunae 4. Idus Februarii. Hiemps prolixa. Nam 6. Kal. Decembris omnia flumina glacię constricta sunt usque 14. Kal. Aprilis. 929 Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 1077. Ed. Naß, MGH SS 37, 447; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 36: Hiems magna et nivosa ac nimis prolixa fuit. A VI kal. Decembris omnia flumina glacie constricta sunt usque XIIII kal. Aprilis. 930 Annales Brunwilarenses, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 16, 725; Climat. Ed. Alexandre, 340; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 36: Hic a Kalendis Novembris usque ad medium Martii hiemps continua et asperrima fuit, adeo ut Renus glacie concretus calcabilis meantibus extiterit. 931 Das große Erdbeben wird von anderen Chroniken auf den 22. April 1076 datiert. Chronicon Thomae Wykes, ad a. 1076. Ed. Luard, Roll series 36.4, 10; Britton, Meteorological Chronology, 1937, 45: Factus est terraemotus in Anglia decimo Kal. Maii. 932 Annales de Bermundeseia, ad a. 1076. Ed. Luard, Roll series 36.3, 425: vio, kalendas Aprilis terra tremuit. Gelu magnum. Glacies valdissima a Kalendas Novembris usque in medio mensis Aprilis. 933 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1076. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 284; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 35 mit falscher Bandangabe: Vis atque incelmentia hyemis hoc anno adeo iugis solitoque asperior inhorruerat, ut a festivitate sancti Martini Rhenus fluvius glaciali frigore

Extreme Winter | 509

Darstellung des Winters nicht in dem Maße wie Berthold in seiner Chronik, der den Winteranfang mit dem Ende des Fürstentages von Tribur und das Winterende mit der Versammlung in Forchheim einsetzen lässt. Stattdessen gibt er einen Zeitrahmen vom 11. November bis Anfang April an, aus dem sich ergibt, dass der Rhein gut 140 Tage gefroren gewesen ist. Überhaupt scheint es unstrittig zu sein, dass die großen Flüsse Europas 1076/1077 zugefroren waren.934 Genaue Angaben dazu überliefert die aus dem Kloster St. Hubert (Flandern/Belgien) stammende Vita des Abtes Theoderich: „Nach dem sehr langen und strengen Winter, in dem die größten Flüsse Galliens: die Rhône, die Loire und der Rhein, und Deutschlands: die Elbe, die Weichsel und die Donau, in Italien auch der Tiber und der König der Flüsse: der Po, durch die Kälte zufroren, für Schiffe unbefahrbar, für die Menschen, Pferde, Esel und Lastwagen wie feste Erde gangbar (…).“935 Unsicher ist, ob die hier unter den zugefrorenen Flüssen genannte Weichsel, über die der Chronist wohl kaum Informationen gehabt haben dürfte, auch betroffen war. Aufgrund der Reihenfolge der Nennung nach der geographischen Lage der Flüsse dürfte wohl eher die Weser gemeint sein.936 Diese Angaben bestätigen die in der Chronik Bertholds von Reichenau erwähnten Vereisungen der Flüsse Rhein und Po und zeigen, dass der Winter noch weit stärker war, als dies für Bertholds intendierte Schilderung überhaupt nötig gewesen wäre. Mit Hilfe der überlieferten Beschreibungen des Winters lässt sich punktuell eine Analyse der Ausbreitung der Kälte zu Winterbeginn und der Rückkehr der Wärme zum Frühlingsanfang durchführen. Der früheste genannte Winterbeginn wurde im alemannischen Kloster St. Blasien notiert: „Sehr viel Schnee hielt das ganze Königreich vom 31. Oktober des vorigen Jahres bis zum 26. März dieses Jahres fest. (…) Aber der sehr heftige Schnee, der in jenem Jahr das ganze Land bedeckte, begann schließlich bei der Wahl des neuen Königs zu schmelzen.“937 Im Kloster St. Blasien selbst dauerte die Schneebedeckung wohl 147 Tage.938 Je nach Region schwanken die Angaben für

|| constrictus pene usque ad Kalendas Aprilis pedestri itinere transmeabilis maneret, et plerisque in locis vineta, exsiccatis frigore radicibus omnio arescerent. 934 Zu den Vereisungen des Rheins vgl. Krahe, Hochwasser und Klimafluktuationen (1997). 935 Vita Theoderici abbatis Andaginensis, 26. Ed. Wattenbach, MGH SS 12, 52; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 36: Tunc post illam longissimam et asperrimam hiemem, qua Galliarum maximi fluvii Rodanus, Ligeris et Rhenus, et Germaniae Alba, Viscia et Danubius, in Italia etiam Tiberis et rex fluviorum Eridanus, gelu et frigore concreti, navibus invii, hominibus, equis, asinis et plaustris visi sunt similes terrae pervii, (…). 936 Bei Easton, Hivers (1928), 49, findet sich stattdessen ein Hinweis auf die Weser, was deutlich wahrscheinlicher ist. 937 Bernold von Konstanz, Chroniken, ad a. 1077. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 409; FSGA 14, 302–305: Maxima nix totum regnum a II. Kal. Novembris anni prioris usque in VII. Kal. Aprilis anni praesentis obtinuit. (…) Maxima autem nix, quae eo anno tamdiu totam terram obtexit, in electione novi regis resolvi tandem incepit. 938 Schneebedekung im nahen Basel: 33,3 Tage (Normalperiode 1964–1970) in Basel-Binningen, vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa. (1990), Taf. A 138.

510 | Extreme Witterungsereignisse

den Beginn des Winters zwischen 31. Oktober und 7. Dezember, also über einen Zeitrahmen von mehr als 39 Tagen. Das Winterende wird zwischen Anfang März und Mitte April 1077 datiert, schwankt also über 45 Tage. Für das Westfrankenreich ist aus dem Kloster Senon folgende Beschreibung des Winters überliefert: „Im Jahre 1077 war ein großer und ungewöhnlich strenger Winter, wie er niemals von den Alten weder gehört noch gesehen worden ist. Der Winter dauerte vom Anfang November bis zur Mitte des März. So kam es zu einem Verlust des Getreides, (…) in der Folge aber war es in dem Jahr auf der Erde so heiß und trocken, dass die Blüten vertrockneten. Trotzdem kam es zu einer Fülle an Früchten und Wein, und die Früchte konnten im Monat Juni bereits geerntet werden.“939 Auf den 135 Tage940 dauernden strengen Winter folgte also ein ungewöhnlich warmer Frühling, der das Wachstum der Früchte beschleunigte. Auch im Kloster Lobbes dauerte der „große Frost“ etwa 135 Tage lang941 von Anfang November bis Mitte März,942 noch etwas länger im benachbarten Kloster Gembloux nämlich 141 Tage943 von Anfang November bis zur Frühlings-Tag-undNachgleiche.944 Der Augsburger Annalist vermerkt zum Jahr 1076, dass „der Winter weiterhin sehr streng war und es heftig vom Anfang des Novembers bis in den April hinein schneite.“ Dies entspricht ungefähr 151 Tagen945 Schneebedeckung. Dann folgt als zweite Anomalie der Witterung der Bericht „einer längeren Trockenheit, welche die Bäume vertrocknen ließ. Daraufhin wurden auch die Früchte der Erde unfruchtbar und die Bildung des Samens blieb aus.“946 Aber auch laut den Annalen von

|| 939 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 1, 106: Anno ab incarnatione Domini 1077. facta est hiems magna et valida nimis, qualem nunquam se vidisse et audisse testantur etiam ipsi senes senio confecti. Sumpsit autem ipse hiens in Calendis Novembribus, et nullo modo cessavit, donec mediaretur Marcius. Defeccio autem tanta tritici facta est, ut vix quispiam hominum etiam semina terrae se recipere crederet. Sequenti autem anno facta est tanta ariditas et siccitas terrae, ut prata et virentia quaeque arefierent. Ubertas autem frumenti et vini facta est; Iunio mense colleccio frugum est facta. 940 Schneebedekung im nahen Lëtzebuerg: 34,4 Tage (Normalperiode 1951–1960) in Luxemburg, vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990), Taf. A 91. 941 Schneebedekung im nahen Uccle: 16,6 Tage (Normalperiode 1956–1970) bei Brüssel, vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990), Taf. A 3. 942 Annales Laubienses continuatio, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 4, 21;Climat. Ed. Alexandre, 340: Gelu permaximum a Calendis Novembris usque medium Martii. 943 Schneebedekung im nahen Uccle: 16,6 Tage (Normalperiode 1956–1970) bei Brüssel, vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990), Taf. A 3. 944 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1076. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 363: Gelu magnum á Kalendis Novembris usque ad aequinoctium vernale. 945 Schneebedekung im nahen Weißenburg: 60,2 Tage (Normalperiode 1936–1943, 1946–1958) in Bayern, vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990), Taf. A 26. 946 Annales Augustani, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 3, 129: Hiems continua asperitas, et nivium importunitas a Kalendis Novembris usque post Kalendas Aprilis, ita ut arbores arescerent; tanta deinde terrae frugum sterilitas, ut enim semen deesset.

Extreme Winter | 511

Worcester herrschten großer Frost und strenge Vereisung für 166 Tage,947 von Anfang November 1076 bis Mitte April 1077.948 Schwerster Frost wurde auch in der Region Lagny für 156 Tage,949 vom 11. November 1076 bis Ostern am 16. April 1077, beschrieben950 und im Kloster Saint-Amand-les-Eaux dauerte der sehr schwere Winter 107 Tage951 vom 13. November 1076 bis zum März, worauf eine heftige Trockenheit folgte.952 In Lüttich herrschte großer Frost für 126 Tage953 von Mitte November bis zur Tag-und-Nachtgleiche im Frühling.954 In Verdun bebte am 22. April 1076 die Erde. In diesem Ort dauerte der Winter nur 98 Tage955 vom 7. Dezember 1076 bis zum 15. März 1077 und war damit von allen Beschriebenen am kürzesten.956 Der „schreckliche Winter“ dauerte in diesem Jahr im Rheinland etwa 119 Tage vom 13. November bis zum 12. März.957 Die folgende Tabelle zeigt die Datierungsangaben für den Beginn des Schneefalls bzw. der Flussvereisungen und den Beginn des Frühlings während des Extremwinters 1076/1077. Bei der Frage, wie lange der Rhein gefroren war, geben die Quellen 135 und 140 Tage an. Diese Differenz ergibt sich wohl aus der Definition, wann ein Fluss als nicht mehr gefroren gelten kann. Gerade die aufbrechenden Eisplatten, die verdriftet werden, machen die Beantwortung dieser Frage schon für Zeitgenossen schwierig.

|| 947 Schneebedekung im nahen Birmingham: 16,4 Tage (Normalperiode 1951–1960), vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990), Taf. A 153. 948 Annales de Wigornia, ad a. 1072. Ed. Luard, 372: Gelum magnum et glacies valida a Kal. Novembris usque in medio Aprilis. 949 Schneebedekung im nahen Paris: 14 Tage (Normalperiode 1951–1960), vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990), Taf. A 70. 950 Annales Latiniacenses, ad a. 1077. Ed. Berger, BECh 38, Climat. Ed. Alexandre, 340: Validissima glaties a festo Sancti Martini usque Pascha. 951 Schneebedekung im nahen Uccle: 16,6 Tage (Normalperiode 1956–1970) bei Brüssel, vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990), Taf. A 3. 952 Annales Elnonenses maiores, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 5, 13; Ed. Grierson, 1937: Facta est hiems gravissima, incipiens Id. Nov. et durans usque ad Martium. Quam secuta est anno secundo siccitas maxima. 953 Schneebedekung im nahen Werbomont: 48,8 Tage (Normalperiode 1956–1970), vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990), Taf. A 4. 954 Annales Leodienses, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 4, 29; Climat. Ed. Alexandre, 340: Gelu magnum a medio Novembrę usque ad aequinoctium vernale. 955 Schneebedekung im nahen Lëtzebuerg: 34,4 Tage (Normalperiode 1951–1960) in Luxemburg, vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990), Taf. A 91. 956 Hugo von Flavigny, Chronicon, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 8, 414; Climat. Ed. Alexandre, 340: Anno ab incarn. Dom. 1076, 10. Kal. Mai terrae motus factus est, feria 6, luna 14, et hoc anno fuit gelu magnum a 7. Idus Decembris usque Idus Martii. 957 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 16, 732; Climat. Ed. Alexandre, 340: Hoc anno facta est hiemps horrida a festo sancti Briccii usque ad festum sancti Gregorii.

512 | Extreme Witterungsereignisse

Abb. 12: Topografische Übersicht der Winternennungen 1076/1077

Am längsten dauerte der winterliche Frost in England, wo die Flüsse 166 Tage lang von Anfang November bis Mitte April zugefroren gewesen sein sollen. Am kürzesten ist die Frostperiode in Sachsen dargestellt worden, wo die Flüsse „nur“ 113 Tage gefroren gewesen sein sollen.

Extreme Winter | 513

Tab. 47: Dauer des Extremwinters 1076/1077 in den Quellen

20.Jh.958 Schneebedeckung

Region, Ort

Beginn

Ende

Alemannien, St. Blasien959

31. Oktober

26. März

33,3

147 Tage

England, Worcester960

Anf. November Mitte April

F

166 Tage vereist

Anf. November Mitte März

34,4

135 Tage

Anf. November Mitte März

16,6

135 Tage

Anf. November 21. März

16,6

141 Tage

Westfranken, Senon961 Lothringen/Belgien, Lobbes

962

Namur/Belgien, Gembloux963 Oberschwaben, Augsburg

964

Anf. November bis April

60,2

151 Tage

Niederlothringen, Brauweiler965

Anf. November Mitte März

F

135 Tage Rhein vereist

Alemannien, Reichenau966

1. November

15. März

F

135 Tage vereist

Westfranken, Lagny967

11. November

16. April

14

156 Tage

968

Rheinland

11. November

Anf. April

F

Rheinland, Reims, Köln969

13. November

12. März

13. November

bis März

Rheinland, S.-Amand970 971

140 Tage Rhein vereist 119 Tage

16,6

107 Tage

Lothringen/Belgien, Lüttich

15. November

21. März

48,8

126 Tage

Sachsen, Paderborn, Iburg972

26. November

18. März

F

113 Tage vereist

Westfranken, Verdun973

7. Dezember

15. März

34,4

98 Tage

|| 958 Diese Spalte enthält die mittlere Schneebedeckung der Normalperiode von 1956 bis 1970 in Tagen, vgl. Kalb/Noll, Klimadaten von Europa (1990). 959 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1077. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 409; FSGA 14, 302–305. 960 Annales de Wigornia, ad a. 1072. Ed. Luard, Roll series 36.4, 372; Annales de Bermundesia, ad a. 1076. Ed. Luard, 425. 961 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 1, 106. 962 Annales Laubienses, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 4, 21;Climat. Ed. Alexandre, 340. 963 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1076. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 363. 964 Annales Augustani, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 3, 129. 965 Annales Brunwilarenses, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 16, 725. 966 Berthold von Reichenau, Chroniken, ad a. 1076. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 252. 967 Annales Latiniacenses, ad a. 1077. Ed. Berger, 30; Climat. Ed. Alexandre, 340. 968 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1076. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 284; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 35 mit falscher Bandangabe. 969 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 16, 732;Climat. Ed. Alexandre, 340. 970 Annales Elnonenses maiores, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 5, 13; Ed. Grierson, 1937. 971 Annales Leodienses, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 4, 29; Climat. Ed. Alexandre, 340. 972 Annales Patherbrunnenses ad a. 1076. Ed. Scheffer-Boichorst, 97; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 36; Annales Yburgenses, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 16, 437; Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 1077. Ed. Naß, MGH SS 37, 447; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 36. 973 Hugo von Flavigny, Chronicon, 2. Ed. Pertz, MGH SS 8, 414; Climat. Ed. Alexandre, 340.

514 | Extreme Witterungsereignisse

Anders stellt sich die Situation bei der Schneebedeckung dar. Mit 156 Tagen am längsten lag der Schnee in den westfränkischen Regionen um Lagny und mit 151 Tagen in Oberschwaben um Augsburg, jeweils bis weit in den April hinein. Am kürzesten dauerte die Schneebedeckung in nordwestfranzösischen Gebieten (98 Tage) und im angrenzenden belgischen Raum mit 107 Tagen. Insgesamt brach der Winter im Rheinland und den westlich angrenzenden Regionen erst sehr spät – zwischen Mitte November und Anfang Dezember – ein. Als Folge des Winters soll, nach der Chronik Bertholds von Reichenau, eine Hungersnot aufgetreten sein: „Weil die Erde ihre Früchte nicht hergegeben hatte und weil Räuber und Diebe durch die erwähnten Gewalttaten alles aufgezehrt hatten, entstand daraus keine geringe Hungersnot in unserem Land; sie ließ viele verschmachten und erbärmlich zugrunde gehen. In diesen Tagen wurde weder von göttlichen noch von menschlichen Gesetzesvorschriften geredet, sondern jeder lebte, so gut er konnte als sein eigener Richter und Vorstand.“974 Der folgende Winter 1077/1078 wich nicht von den Erwartungen der Zeitgenossen ab, aber bereits der nächste Frost von 1078 auf 1079 scheint wieder überdurchschnittlich gewesen zu sein. Die Chronik der Abtei Ninove in Flandern verzeichnet einen harten Winter von Anfang November usque in lentiam maiorem.975 Ganz in der Nähe in Mouzon in den Ardennen wird am 28. Dezember 1078 ein großes Unwetter mit verheerendem Sturm und Hagel genannt.976 Die Annales Beneventani berichten: „Im Winter des darauffolgenden Jahres 1079, im 7. Jahr des Papstes Gregor VII., gefror der Fluss Calore in Süditalien so stark, dass die Menschen ihn zu Fuß ohne Gefahr überqueren konnten.“977 Für die nächsten acht Jahre sind keine von den zeitgenössischen Erwartungen abweichenden Fröste überliefert. Bemerkenswert ist der Winter des Jahres 1087, der als finster dargestellt wurde und auf den „ungefähr Mitte Januar in ganz || 974 Berthold von Reichenau, Chroniken, ad a. 1077. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 290 f.; FSGA 14, 166 f.: Undique igitur huiusmodi motus per provincias omnes ab utriusque partis sectatoribus promiscue, ut in bellis solet, per totum annum illum agebantur. Unde fames non minima, et quia terra fructum suum non dederat, et quia praedictis violentiis raptores et latrones omnia consumpserant, per partes nostras effecta, multos contabescere et miserabiliter interire coegerat. Divinae pariter ut et seculares legum constitutiones nec nominabantur saltem his diebus (…). 975 Balduini Ninovensis Chronicon, ad a. 1078. Ed. Holder-Egger, 524: Anno Domini 1078. hyems asperrima invaluit atque durissima a Kal. Novembris usque in lentiam maiorem. Cuius tanta vis erat, ut diebus natalis vel quadragesime divina in ecclesiis non fierent, nisi plurimo igne accenso carbonibusque congestis, et quem calor ignis hinc coquendo exurebat, illinc frigus tollerare non poterat Perieruntque bestie, volucres et gramina; et in pascha qui sereno celo in sole estuabat, umbram intrans, frigore constringebatur. 976 Annales Mosomagenses, ad a. 1078. Ed. Waitz, MGH SS 3, 162: Hoc anno prope finem sui, scilicet 5. Kal. Ianuar. circa mediam noctem extitit maxima tempestas venti vehementis, pluviarum et grandinis, choruscationis et tonitrui magni, ita ut ventus Mosomi quatuor propugnacula magna deiecerit, et fastigia multa tectorum abstulerit, et ex residuis nullum pluviam ipsam vel grandinem tenere potuerit; et rursum orto mane eadem et terribilior ipsa nocte tempestas fuit. 977 Annales Beneventani, ad a. 1079. Ed. Pertz, MGH SS 3, 181; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 36: Gelavit flumen Calor ita, ut desuper homines calciati transirent absque periculo. et anno 7. domni septimi Gregorii papae, fluvius Carolis gelu gelatus est, ita ut homines super eum calciati ambularent.

Extreme Winter | 515

Germania eine große Überschwemmung der Flüsse folgte.“978 Diese Überflutung könnte auf zerbrochene Eisschollen der zugefrorenen Flüsse deuten, die dann zerbrachen und sich an Engstellen so verkanteten, dass natürliche Staustufen entstanden. Aus dem englischen Kloster S. Albans ist zum Jahr 1093 überliefert: „Im selben Jahre war eine so große Überschwemmung, wie sich keiner erinnern konnte, vorher gesehen zu haben. Darauf war die Erde mit den größten Flüssen derart zugefroren, dass die Flüsse den zweispännigen und den Lastwagen als Eisbrücke dienten, die, so fest wie Felsblöcke, überschritten werden konnten. Als endlich der Frost nachließ, zerbrachen die Eisstücke, die sich an der Oberfläche zusammengeballt hatten, die Mühlen mit den benachbarten Brücken und Fischteichen und Häusern mit sehr großem Schaden.“979

Bestätigt wird diese Nachricht durch ähnlich lautende Beschreibungen aus anderen Klöstern der Region: „In diesem Jahre war eine so große Überschwemmung der Gewässer aufgrund großer Regen-Unwetter, wie sich keiner erinnern konnte; und als der Winter kam, sind die Flüsse so gefroren, dass sie den Reitern und Lastwagenführern gangbar waren; als der Frost nachließ, wurden durch die Gewalt der Eisschollen die Brücken zerbrochen.“980 Schottische Chroniken nennen einen heftigen Schneefall im Jahr 1094,981 irische Quellen berichten zum Jahr 1095 davon, zusammen mit dem Hinweis auf viele dadurch erfrorene Menschen, Rinder und Vögel.982 Nachdem wohl sechs Jahre lang kein ungewöhnlicher Frost aufgetreten war, soll der Winter des Jahres 1099983 auf das Jahr 1100 wieder sehr hart gewesen sein und die anschließende „Unfruchtbarkeit der Erde“ zu einer Hungersnot geführt haben. Diese Nachricht ist vor allem für den fränkisch-südthüringischen Raum überliefert.984

|| 978 Annales Brunwilarenses, ad a. 1087. Ed. Pertz, MGH SS 16, 725: Hoc anno hiemps tenebrosa fuit, et circa medium Ianuarii maxima omnium Germaniae fluminum inundatio fuit. 979 Matthaeus Parisiensis, Historia Anglorum. Ed. Madsen, Roll series 44.1, 44; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 38: Eodem anno tanta erat pluviarum inundatio, quantam nemo se meminit praevidisse; deinde terra cum fluminibus maximis adeo induruit congelata, ut bigis et plaustris flumina transeuntibus pontes praebuerunt glacies, qui Spissitudinem molarem sunt transgressi. Resoluto tandem gelu, aquarum crustae superficiales conglomeratae molendina, cum pontibus et vivariis et domibus conterminis, dampnose nimis confregerunt. Vgl. Gottschalk, Stormvloeden (1971), 51 f. 980 Annales monasterii de Bermundeseia, ad a. 1094. Ed. Luard, Roll series 36.3, 428; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 38 f.: Hoc anno tantum aquarum diluvium, tanta tempestas imbrium, quantum nullus meminerat; et accedente hyeme fluvii ita sunt congelati, ut essent pervii equitantibus et plaustra ducentibus; resolutoque gelu, impetu glaicialium pontes effracti. 981 Chronicum Scotorum, ad a. 1094. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 305: Great snow in this year. 982 Annals of Loch Cé, ad a. 1095. Ed. Hennessy, 81: Great snow fell on the Wednesday after the calends of January, which killed a multitude of men, cattle, and birds. 983 Annales Augustani, ad a. 1099. Ed. Pertz, MGH SS 3, 135: Hiems continua, sterilitas terrae, fames valida. 984 Annales St. Albani Moguntini, ad a. 1100. Ed. Pertz, MGH SS 2, 246: Hiemps dura, et fames magna; Chronicon Sampetrinum, ad a. 1100. Ed. Stübel, 12: Anno Domini 1100 hiems dura et fames magna.

516 | Extreme Witterungsereignisse

3.6.5 Milde Winter Im Gegensatz zu besonders kalten Wintern stehen solche, die als mild (lenis, calida, humida, mollissima) gekennzeichnet wurden. Diese weichen von den sogenannten Witterungsregelfällen durch überdurchschnittlich warme Werte ab. Im Winter 800/801 soll es zu „Erdbeben in der Germania und in Gallien an den Orten am Rhein gekommen sein, auf die eine große Pest unter den Menschen und Tieren folgte, weil der Winter so mild war.“985 Nach den Annalen der Klöster Lobbes986 und Prüm war der Winter des Jahres 808 äußerst mild und ungesund.987 Die Annales regni Francorum und die Annales Xantenses schildern den Winter ebenso,988 genauso wie der Annalista Saxo.989 Ebenfalls sehr mild und bis Anfang Februar durch schönes Wetter gemäßigt war der Winter des Jahres 844.990 Im Jahr 863 soll der Winter stürmisch, veränderlich und sehr regnerisch, fast ganz ohne Eis, gewesen sein.991 Nach den Annales Augustani waren sowohl der Winter des Jahres 1056 als auch jener des Jahres 1066 sehr mild.992 „Im Jahr 1097 war der Sommer sehr fruchtbar, der Winter wahrhaft mild und ungesund, ungewöhnliche Überschwemmungen der Meere und Flüsse traten auf“,993 so Ekkehard von Aura in seiner Universalchronik. Insgesamt sieben Winter vor allem des 9. und 11. Jahrhunderts wurden in den Quellen als zu warm/mild gekennzeichnet. || 985 Annales Lobbienses, ad a. 801. Ed. Waitz, MGH SS 13, 230: In Germania quoque et Gallia quaedam loca propter Rhenum tremuerunt, et pestilentia magna hominum et peccorum propter mollitiem hiemis estitit. Annales regni Francorum, ad a. 800. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 114: Eodem anno loca quaedam circa Renum fluvium et in Gallia et in Germnia tremuerunt. Pestilentia propter mollitiem hiberni temporis facta es. 986 Annales Lobbienses, ad a. 808. Ed. Waitz, MGH SS 13, 231: Hiems mollissima atque pestilens fuit, et domnus imperator filium suum Karolum cum exercitu in partes Sclavorum direxit, qui Godefridi regis Danorum conatibus resisteret. 987 Regino von Prüm, Chronicon, ad a. 808. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 67: Hiemps mollissima et pestilentia fuit. 988 Annales regni Francorum, ad a. 808. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 125: Hiemps mollissima ac pestilens fuit in illo tempore. Annales Xantenses, ad a. 808. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 3: Eodem anno hiemps mollissima ac pestilens erat. 989 Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 808. Ed. Naß, MGH SS 37, 44: Hiemps mollissima et pestilens erat. 990 Annales Bertiniani, ad a. 844. Ed. Grat u. a., 45: Hiems mollissima usque ad Kalendas Februarii quadam temperie modificata. 991 Annales Xantenses, ad a. 862. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 20: Eodem anno hiemps turbulenta, mutabilis et pluvialis valde, ut pene absque gelu omnino, ut in sequentibus patuit in aecclesia sancti Victoris. 992 Annales Augustani, ad a. 1056. Ed. Pertz, MGH SS 3, 127: Hiemps lenissima. ebd., ad a. 1066, 128: Hiemps lenissima. 993 Ekkehard, Chronicon universale, ad a. 1097. Ed. Waitz, MGH SS 6, 209: Eo anno aestas fertilissima, hiems vero lenis et pestilens fuit; imbrium et fluminum inundationes nimis increverunt. Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 1097. Ed. Naß, MGH SS 37, 492: Eo anno estas fertilissima. Hiemps vero lenis et pestilens fuit, imbrium et fluminum inundationes nimis increverunt.

Extreme Winter | 517

3.6.6 Zusammenfassung der Winter und Frühjahrsfröste Von den in dieser Arbeit behandelten Extremereignissen gehört extreme Kälte zu den am häufigsten von den Zeitgenossen dokumentierten Ereignissen. Sie unterschieden die Winter auch nach mehreren Kategorien. Zur Unterscheidung dienten Einzelbeobachtungen, es ging darum, ob der Winter besonders schneereich war, besonders lang, besonders kalt oder ob er zum ungewöhnlichen Zufrieren von Wasserkörpern geführt hat. Auch spontane, aber kurze Frühjahrsfröste wurden dokumentiert, häufig mit dem Hinweis, dass diese zur Schädigung des Weins geführt haben. In den hier untersuchten Quellen wurden für das 6. Jahrhundert sieben Winter als besonders kalt ausgewiesen, für das 7. Jahrhundert fünf, für das 8. Jahrhundert neun Winter, für das 9. Jahrhundert 28, für das 10. Jahrhundert 18 und für das 11. Jahrhundert 27 Winter. Für vier Jahre (12. Mai sowie 15. Juni 892, 15. März 945, 7. Juli 994, 21. März 1063) ist der Einbruch von Frühjahrs-/Sommerfrösten überliefert. 17 Mal überliefert ist ungewöhnliche Vereisung von großen Wasserkörpern wie dem Schwarzen Meer/Bosporus, der Adria, dem Öresund oder großen Flüssen wie Rhein, Donau oder Elbe, aber auch kleineren Flüssen. Die beiden kältesten und längsten Winter, die von den sehr vielen Quellen überliefert wurden, sind der Winter von 763 auf 764 und der Winter von 1076 auf 1077. Sie zählen auch aufgrund der überlieferten Länge oder der Überlieferungshäufigkeit zu den Extremwintern: 709/710, 763/764, 839/840, 859/860, 913, 939/940, 975/976, 993/994, 1067/1068 sowie 1076/1077.994 Eine außergewöhnliche Kältephase scheint von 872 bis 876 in vier aufeinanderfolgenden Wintern stattgefunden zu haben, am längsten im letzten Winter dieser ungewöhnlichen Phase. Dies könnte vermutlich auf den Ausbruch eines noch nicht identifizierten Vulkanes zurückzuführen sein. Auffällig ist eine 18 Jahre dauernde Phase, von 946 bis 964, in der gemäß Überlieferungslage kalte Extremwinter ausblieben. Die folgende Tabelle zeigt die chronologische Verteilung der Extremwinter in der Untersuchungszeit. Tab. 48: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Extremwinter von 500 bis 1100 Gesamt 94 100 %

6. Jh. 7 7,5 %

7. Jh. 5 5%

8. Jh. 9 9,5 %

9. Jh. 28 30 %

10. Jh. 18 19 %

11. Jh. 27 29 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtungen von Extremwintern liegen im 9. und 11. Jahrhundert mit jeweils fast einem Drittel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. Jahrhundert überliefert. Die räumliche Verteilung der Nachrichten über

|| 994 Folgende harte Winter sollen durch Vulkanausbrüche verursacht worden sein sollen: 763/764, 821/822, 823/824, 855/856, 859/860, 874/874, 913, 939/940. Vgl. McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 878–889.

518 | Extreme Witterungsereignisse

kalte Winter zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert wird von der Region Westfranken (21) angeführt, gefolgt von Irland (17), dem Rheinland (elf), Ostfranken (neun), allgemein Mitteleuropa (acht), Byzanz (sieben), Syrien (fünf), Bayern und Mittelitalien (jeweils vier), Flandern, Burgund, England, Sachsen, Schottland und Süditalien mit jeweils drei sowie je einer Nennung in Ägypten, „ganz Europa“, Norditalien und Skandinavien. 21 Ereignisse sind in mehr als zwei Quellen überliefert, davon 17 in mehr als drei. Absolut gesehen führen die Darstellungen der Jahre 763/764 mit mehr als 40 Quellenstellen, 1076/1077 mit mehr als 15, 913 und 975/975 mit jeweils mehr als acht sowie 859/860 und 993/994 mit jeweils mehr als sechs Quellenstellen. Der Winter von 939/940 bringt es auf fünf, jener von 709/710 auf vier und die Winter 873/874, 927/928, 964/965, 994/995, 1008, 1045/1046, 1046/1047 und 1099/1100 auf jeweils drei Quellennennungen. Autoren, die sich besonders häufig für Extremwinter interessieren, sind im Vergleich zu den anderen Naturextremen nicht in demselben Maße aktiv, die Verfasser der Annales Fuldenses, des Chronicum Scotorum und der irischen Chroniken überliefern jeweils nur fünf Extremwinter, Johannes Skylitzes vier, die Verfasser der Annales Bertiniani und der Annales regni Francorum sowie Gregor von Tours jeweils drei. Acht weitere Autoren nennen noch zwei Extremwinter und weitere 32 Autoren vermerken lediglich einen. Etwa die Hälfte der überlieferten Winter wird anhand kalter Temperatur charakterisiert, etwa ein Drittel aufgrund von gefrorenem Niederschlag in Form von Schnee, der verbleibende Rest mit Hilfe anderer Winterelemente. Eine Besonderheit der Extremwinter stellt die Vereisung großer Wasserkörper dar. Diese außergewöhnliche Beobachtung wurde von den zeitgenössischen Autoren 19 Mal für ganz unterschiedliche Flüsse, Flusssysteme und Wassergebiete beschrieben. Drei Mal wird der Bosporus als gefroren beschrieben, nämlich in den Jahren 739, 754 und 764. Genauso oft wurden auch die irischen Flüsse als vereist dargestellt, so in den Wintern 934/945, 939/940 und 941/942. Im Winter 859/860 wird die Adria bei Venedig als vereist beschrieben. Der Öresund war nach verschiedenen Quellen im Jahr 1046/1047 sieben Wochen lang zugefroren. Eine Besonderheit aufgrund seiner südlichen Lage stellt die Vereisung des Flusses Calore in Benevent im Winter 1079/1080 dar. In zehn weiteren Wintern wurden unterschiedliche Flüsse genannt, die vereist gewesen sein sollen: Im Jahr 554 seien nicht näher benannte Flüsse gefroren, im Winter 814/815 die Elbe, 821/822 Rhein, Donau, Elbe und Seine, 848/849 nur die Seine, 880/881 Rhein und Main, 927/928 Themse und Havel, 1068/1069 mehrere nicht namentlich genannte Flüsse, 1074/1075 Werra und andere Flüsse, 1076/1077 viele große Flusssysteme in Europa, aber auch der Bosporus, 1093 froren mehrere ungenannte Flüsse zu. Im Gegensatz zu besonders kalten Wintern stehen solche, die als mild (lenis, calida, humida, mollissima) gekennzeichnet wurden. Diese weichen von den sogenannten Witterungsregelfällen durch als überdurchschnittlich warm empfundene Werte ab. Solche Winter sind für die Jahre 801, 808, 844, 863, 1056 1066 und 1097 belegt. Mehrfach wird in den Quellen betont, dass eine solche zu milde Witterung sehr ungesund (pestilens erat) sei.

Extreme Sommer und Trockenperioden | 519

3.7 Extreme Sommer und Trockenperioden Der Sommer ist eine durch höhere Temperaturen gezeichnete Jahreszeit. Überschreitet dabei die Verdunstung die Niederschläge, kommt es zu Trockenheit. Je höher das entstehende Gefälle sich entwickelt, umso stärker werden die Auswirkungen der Trockenheit, die schließlich in Dürrekatastrophen münden kann. Die folgenden Auflistungen geben einen klimageschichtlich ausgerichteten Überblick über die in Europa bezeugten Hitze- und Dürreperioden. Die Zusammenstellung bleibt dabei zwar zwangsläufig unvollständig, kann aber einen Eindruck vom Ausmaß vermitteln. Extrem heiße und trockene Jahre sind nicht so selten und wirkten sich im Mittelalter verheerend auf die Versorgungslage mit agrarbasierten Nahrungsmitteln aus. Wenn nach den Dürrekatastrophen keine Ernte eingefahren werden konnte, waren große Anstrengungen notwendig, um eine Hungersnot abzuwenden. Zwar konnten durch Schlachtvieh Engpässe bei der Fleischversorgung kleiner gehalten, aber kaum vollständig ausgeglichen werden. Bis zur Ernte des Wintergetreides im Folgejahr konnte es daher häufig zu mehrmonatigen Hungersnöten kommen.995 Hitzeperioden und außergewöhnliche Trockenheit (siccitas)996 standen bisher nur selten im Fokus der Forschung, wenn dann kamen sie oft nur am Rande in den Blick. Dürren und extreme Trockenheit können paradoxerweise zur Genese von Überschwemmungen beitragen. Diese können entstehen, wenn nach langen Trockenzeiten plötzlich unwetterartige Gewitterregen auftreten. Da der ausgetrocknete Erdboden kaum noch Bodenwasser enthält und die Poren mit Luft gefüllt sind, wird eine Infiltration der Niederschläge in den Boden verlangsamt. Ein erhöhter Oberflächenabfluss ist die Folge, der schnell wachsende Wasserstände hervorruft und zu Überschwemmungen führen kann.997 Für Schwarz sind „Gewitter und Trockenheit von den mittelalterlichen Menschen am engsten mit göttlichem Handeln oder dämonischen Einflüssen verbunden.“998 Die von ihm vermutete Zuordnung von Trockenheit in den apokalyptischen Kanon ließ sich nicht finden. Deshalb soll im Folgenden die Dürre als direkte Erwähnung göttlichen Handelns überprüft werden. In der Bibel wird die Dürre im alten Testament als göttliche Strafe genannt.999 In den hier gesammelten Quellen konnte jedoch kein Bezug dazu festgestellt werden. Im Jahr 507 oder 511 kam es in Norditalien zu einer Trockenheit, die Cassiodor, nachdem von ihm erwartete Schiffe aus Süditalien mit notwendigen Getreidelieferun-

|| 995 Vgl. Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 441. 996 Hollins/Dodson, Drought (2013), 189–197. 997 Vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 49 f. 998 Vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 50 f. 999 Z. B.: 2 Sam 21,1–10 oder Dtn 33,26.

520 | Extreme Witterungsereignisse

gen noch nicht eingegangen waren, dazu veranlasste, Briefe mit ironischen Anspielungen darüber zu schreiben, warum die Schiffe wohl ausgeblieben waren: „Nachdem die Trockenheit des gegenwärtigen Jahres, die lokal zu bestimmten Zeiten zu wüten pflegt, die Feldfrüchte wie eine Fehlgeburt nicht so sehr hervorbrachte, sondern in unvollkommener Übermäßigkeit niederwarf, da die Eingeweide der Erde durch übergroße Hitze ausdörrten, ist jetzt mit besonderem Eifer danach zu suchen, wonach man üblicherweise auch in der Fülle strebt.“1000 Zum Jahr 536 (1. September 535–31. August 536.) wird von einer übermäßigen Trockenheit berichtet, die das Weideland in Persien zerstörte und etwa 15.000 Sarazenen mit anderen Ethnien über die Grenze von Euphratesia durch Alamundarus vertrieben haben soll.1001 Nach Gregor von Tours „erschienen im Jahr 586 viele Zeichen; im September sah man die Bäume blühen, und viele, die schon einmal getragen hatten, trugen aufs Neue, sodass man bis zur Weihnachtszeit Obst an den Bäumen hatte. Einen Blitz sah man ferner schlangenförmig über den Himmel laufen.“1002 Fredegar berichtet über eine Überschwemmung der Flüsse in Burgund und ebenfalls von der Sichtung des Meteoriten.1003 Auch ein Jahr später, 587, sollen viele Wunderzeichen geschehen sein. „In den Weinbergen erblickten wir im Oktober, als die Weinlese vorüber war, neue Rebschösse mit missgestalteten Trauben. Auch sonst sah man an den Bäumen neues Laub und neue Früchte. Am nördlichen Himmel erschienen Lichtstrahlen. Manche wollten Schlangen aus einer Wolke haben fallen sehen. (…) Noch viele andere Zeichen traten ein, die den Tod eines Königs oder eine

|| 1000 Cassiodorus, Variae 1, 35, ad a. 507/511. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 12, 33; Briefe des Ostgotenköngs. Ed. Dinzelbacher, 102 f.: FAUSTO P̅P̅Ō THEODERICUS REX. a. 507/511 Cum siccitas praesentis anni, quae localiter certis solet desaevire temporibus, terrenis visceribus nimio calore duratis abortivos messium fetus non tam edidit quam inperfecta ubertate proiecit, maiori nunc studio quaerenda sunt quae etiam in abundantia expeti consuerunt. 1001 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 536. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 105; Chronicle. Ed. Croke, 46: Ipso namque anno ob nimiam siccitatem. pastura in Persida denegata circiter quindecim milia Saracenorura ab Alamundaro cum Chabo et Hezido fylarchis limitem Eufratesiae ingressa, ubi Batzas dux eos partim blanditiis, partim districtione pacifica fovit et inhiantes bellare repressit. Vgl. auchChronicle. Ed. Croke, 130. 1002 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 42. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 408; FSGA 3, 220 f.: Hoc anno multa signa aparuerunt; nam mense septimo arbores visi sunt floruisse, sed et multae, quae prius poma habuerant, nova dederunt, quae usque natalis dominici tempore in ipsis arboribus habitae sunt. Fulgor per caelum in modum serpentes cueurrisse visus est. 1003 Fredegar, Chronica, 4, 5. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 125: Eo anno nimia inundatio fluminum in Burgundias fuit, ut eorum terminus nimium transcenderint. (…) Eo anno signum apparuit in caelum, globus igneos decedens in terram cum scintellis et rugeto.

Extreme Sommer und Trockenperioden | 521

Landplage zu verkünden pflegen. Es gab in jenem Jahre eine spärliche Weinernte, großes Wasser, unendlich viel Regen, und die Flüsse schwollen gewaltig an.“1004

Für dasselbe Jahr ist in Irland ein heißer und trockener Sommer belegt.1005 Derselbe Eintrag wird in den Annalen von Ulster zum Jahr 589 gestellt.1006 Das Jahr 591 war in Irland von großer Dürre gekennzeichnet,1007 nach Gregor von Tours traf dies auch auf das Westfrankenreich zu: „Es herrschte eine ungeheure Dürre, die alles Grasfutter missraten ließ; daher brach eine schwere Krankheit unter den Schafen und dem Zugvieh aus, und es blieb wenig zur Nachzucht übrig, wie das der Prophet Habakuk vorhergesagt hat: ‚Die Schafe werden aus den Hürden gerissen, und es werden keine Rinder in den Ställen sein.‘1008 Und diese Seuche wütete nicht allein unter den Haustieren, sondern selbst unter dem ungezähmten Wild. Denn im Dickicht der Wälder fand man eine große Menge von Hirschen und anderen Tieren verendet. Das Heu verdarb durch starke Regengüsse und durch das Austreten der Flüsse, Feldfrüchte gab es sehr wenig, aber die Weinberge boten einen reichen Ertrag; die Eicheln kamen zwar zum Vorschein, gediehen aber nicht.“1009

Nach verschiedenen Chronisten ereignete sich im Jahr 593 eine große Trockenheit, es folgte eine Hungersnot und ein ungewöhnliches Auftreten von Heuschrecken. Auch 594 fraßen die Heuschrecken die Früchte.1010 Paulus Diaconus führt an, dass die

|| 1004 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 5. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 426; FSGA 3, 232 f.: Prodigia quoque multa dehinc apparuerunt. (…) In vineis vero mense octavo, transacta vindimia, palmites novos cum uvis deformatis aspeximus. In aliis arboribus frondes novi et nova visa sunt poma. Radii a parte aquilonis apparuerunt. Adserebant nonnulli, vidisse se serpentes ex nube delapsos. (…) Et multa alia signa apparuerunt, quae aut regis obitum adnunciare solent aut regiones excidium. Vindimia eo anno tenuis, aquae validae, pluviae inmensae, flumina quoque granditer adaucta fuerunt. 1005 Annals of Tigernach, ad a. 587. Ed. Stokes, Bd. 1, 158: And in the same year a torrid and dry summer occurred. Chronicum Scotorum, ad a. 588. Ed. Hennessy, 63: In the same year a torrid and dry summer occurred. 1006 Chronicle of Ireland (AU, AT, CS), ad a. 589. Ed. Charles-Edwards, 116: At the same time there occurred a very hot and dry summer. 1007 Annals of Inisfallen, ad a. 591. Ed. Mac Airt, 78 f.: Kl. Great drought this year. [AU 589]. 1008 Vgl. Hab 3,17. 1009 Gregor von Tours, Libri historiarum 10, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 525; FSGA 3, 398 f.: Siccitas inmensa fuit, quae omne pabulum herbarum avertit; unde factum est, ut gravis morbus in pecoribus ac iumentis invalescens parum, unde sumeretur origo, relinqueret, sicut Abbacuc propheta vaticinatus est: Deficient ab esca oves, et non erunt in praesepibus boves. Non modo enim in domesticis, verum etiam in ipsis ferarum inmitium generibus haec lues crassata est. Nam per saltus silvarum multitudo cervorum vel reliquorum animantium prostrata per invia nancta est. Foenum ab infusione pluviarum et inundatione amnium periit, segetes exiguae, vineae vero profusae fuerunt; quercorum fructus ostensi effectum non obtinuerunt. 1010 Bernold von St. Blasien, Chronik, ad a. 593. Ed. Pertz, MGH SS 5, 414: Siccitas magna et fames facta est, et insolita locustarum magnarum multitudo. Bernold von St. Blasien, Chronik, ad a. 594. Ed. Pertz, MGH SS 5, 414: Item locustarum multitudo frugibus nocuit. Hermann von Reichenau, Chronicon,

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übermäßige Trockenheit des Jahres 593 von Januar bis September dauerte und es zu einer großen Hungersnot kam.1011 Nach der Chronik von Michael dem Syrer kam es „am 10. März des Jahres 600 zu einer Sonnenfinsternis, am 2. April zu einem Erdbeben; gefolgt von einer großen Trockenheit und heftigen Winden in ganz Syrien und Palästina, dadurch wurden die Olivenkulturen und Bäume geschädigt und es folgte eine ausufernde Pest.“1012 „Im folgenden Jahr [601] fehlte der Regen, und es gab einen sengenden Wind und eine verzehrende Dürre in ganz Syrien und Palästina; die Olivenbäume und die anderen Bäume wurden ausgetrocknet. Im nächsten Jahr fielen Heuschrecken auf die Regionen Syriens hernieder, in einer solchen Zahl, die nie zuvor jemand gesehen hat, und sie zerstörten das Saatgut und die Früchte der Bäume. Nach drei Jahren bewirkten die Eier, die sie gelegt hatten, den Ruin, und die Hungersnot verschlimmerte sich aufgrund des Mangels an Nahrungsmittelreserven. (…) Als Folge dieser Züchtigungen setzten die Römer der Verfolgung der Orthodoxen und ihrer hasserfüllten Barbarei ein Ende.“1013

Schließlich gingen im Jahr 611 in derselben Region durch eine Dürre die Feldfrüchte ein, was eine katastrophale Hungersnot auslöste. In diesem Jahr ereignete sich auch eine Sonnenfinsternis.1014 Daraufhin sind für mehr als hundert Jahre keine Nachrichten zu extrem trockenen Witterungsereignissen in Europa überliefert. Erst für das Jahr 714 wird in Irland wieder eine große Dürre angegeben.1015 Fünf Jahre später melden die Annalen von Ulster für das Jahr 719 einen trockenen Sommer,1016 die Annales Cambrię dagegen für das Jahr 720,1017 jeweils ohne weitere Angaben zu Dauer oder Ausmaß. Im Jahr 734 kam es zu einer Trockenheit im Nahen Osten.1018

|| ad a. 593. Ed. Pertz, MGH SS 5, 90: Siccitas magna et fames facta est, et insolita locustarum magnarum multitudo. 1011 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 2. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 116 f.; Ed. Schwarz, 224 f.:Hoc anno fuit siccitas nimium gravis a mense Ianuario usque ad mensem Septembrium; et facta est magna penuria famis. 1012 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 153. 1013 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 153. 1014 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 154. 1015 Chronicle of Ireland (AU, CS), ad a. 714. Ed. Charles-Edwards, 189: Great drought. (…) A bright night in autumn. Annals of Tigernach, ad a. 713. Ed. Stokes, Bd. 1, 224: Siccitas magna (…) nox lucida in autumn. 1016 Chronicle of Ireland (AU, AT, CS), ad a. 719. Ed. Charles-Edwards, 193: A dry summer. 1017 Annales Cambriae, ad a. 720. Ed. Gough-Copper (Version A), 14: ebd., (Version B), ad a. 720/[749], 32: Æstas torrida. 1018 Ellenblum, Collapse of the eastern Mediterranean (2012), 28 f. Anm. 30.

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Bedas Fortsetzer verbindet 737 eine Trockenheit mit einem Herrschaftswechsel: „Im Jahr 737 machte eine übermäßige Trockenheit das Land unfruchtbar; und Ceolwulf, der auf eigenen Wunsch die Tonsur erhielt, überließ die Herrschaft Eadberht.“1019 Bereits vier Jahre später kam es, 741, laut Bedas Fortsetzer, zu einer großen Dürre im Land. Karl, König der Franken starb, und an seiner Stelle erhielten seine Söhne Karlmann und Pippin die Herrschaft.“1020 Für das Jahr darauf, 742, heißt es aus Byzanz: „Ferner gab es in manchen Gegenden große Trockenheit und Erdbeben, sodass die Berge der Wüste Saba aneinanderrückten und Dörfer von der Erde verschlungen wurden. (…) Im Juni erschien auf dem nördlichen Himmel ein Zeichen.“1021 Nach den Überlieferungssträngen der Chronik des Theophilus von Edessa gab es im Jahr 744/45 eine große Dürre und Erdbeben traten an verschiedenen Orten auf, sodass die Berge in der Wüste von Saba [Sheba in Südarabien] zusammenfielen und Dörfer von der Erde verschluckt wurden.1022 Ein anderer Überlieferungsstrang beschreibt die Dürre so: „Es gab nur wenig Regen in diesem Jahr und die Quellen und Flüsse verringerten sich; darauf kam es zu einer großen Hungersnot und es traten viele verschiedene Erdbeben auf.“1023 Die irischen Chroniken überliefern: „Nachdem im Jahr [744]/747/[748] eine so große Menge Schnee in Irland gefallen war, dass fast alle Rinder daran verendeten, kam es danach zu einer ganz ungewöhnlichen Trockenheit.“1024 Diese ungewöhnliche

|| 1019 Continuatio Bedae, ad a. 737. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 538 f.: Anno DCCXXXVII nimia siccitas terram fecit infecundum; et Ceoluulfs sua uoluntate attonsus regnum Eadberto reliquit. 1020 Continuatio Bedae, ad a. 741. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 550 f.; Simeon von Durham. Ed. Whitelock, 259: Anno DCCXLI siccitas magna terram occupavit. Karolus rex Francorum obiit, et pro eo filii eius Karloman et Pippin regnum acceperunt. 1021 Theophanes der Bekenner, ad a. 742, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 56. 1022 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 744–745. Ed. Hoyland, 241 [Theophanes]: There was much drought and earthquakes occurred in several places so that mountains were joined to one another in the desert of Saba and villages were swallowed up by the earth. 1023 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 744–745. Ed. Hoyland, 241 [Agapius]: The rains were few in this year and springs and rivers diminished; there was a great famine and there were many different earthquakes. 1024 Chronicle of Ireland (AU), ad a. 748. Ed. Charles-Edwards, 219: Snow of unusual depth, so that nearly all the cattle of almost all Ireland were destroyed, and subsequently the world was burnet up by an unusual drought. Annals of Tigernach, ad a. 747. Ed. Stokes, Bd. 1, 249: Nix insolite magnitudinis, ita ut pene pecora deleta sunt totus Hibernie, et postea insolita siccitate mundus exarsit. Annals of Clonmacnoise, ad a. 744. Ed. Murphy, 118: There was snow this yeare of wonderfull Greatness that there was in no man’s memory such seen. In so much that the cattle of Ireland for the most part Died, after which ensuing Great & anaccustomed Drowth in the world. Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 744–745. Ed. Hoyland, 241 [MSyr]: There was a scarcity of rain and there was a great famine. Cultivators and farmers were reduced to looking for work to put bread in their mouth, but there was no one at all who wanted them. There were frequent earthquakes, even in the desert of the Arabs; mountains joined

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Trockenheit ist auch für weiter südlich gelegene Gebiete in Spanien bezeugt, denn zwischen 748 und 753 soll es zu einer großen Dürre in Spanien gekommen sein.1025 Auch für das Jahr 759 überliefern irische Annalen eine große Trockenheit.1026 Im Sommer 764 kam es in Irland nach dem harten Winter zu einer großen Trockenheit, die weit über das Normale hinausging.1027 Die große Trockenheit scheint weit über die britischen Inseln verbreitet gewesen zu sein, denn es werden bei Simon von Durham viele Städte, Klöster und Dörfer aufgezählt, die plötzlich durch Feuer zerstört wurden, zum Beispiel schlug das Unglück in Stretburg, Winchester, Southampton, in der Stadt London, in York, in Doncaster und an vielen anderen Plätzen.1028 Die Dürre reichte aber anscheinend auch nach Südeuropa, wo Theophanes der Bekenner in Byzanz dokumentierte, dass „ferner eine solche Trockenheit eintrat und die Quellen versiegten.“1029 Bereits zwei Jahre darauf, 766, herrschte nach Theophanes dem Bekenner wieder „eine solche Trockenheit, dass kein Tau vom Himmel fiel und das Wasser in der Hauptstadt ganz ausging. Die Zisternen und die Schwimmbecken standen leer, es gab nicht einmal Quellwasser, das früher unaufhörlich geflossen war. Als der Kaiser [Konstantin V.] das sah, begann er die Wasserleitung des Valentinian, die bis zur Zeit des Herakleios in Gebrauch gestanden hatte und von den Awaren zerstört worden war, wieder herzustellen. Er berief dazu Facharbeiter aus den verschiedensten Gebieten; aus Asien und vom Pontus ließ er 1000 Maurer und 200 Malterer kommen, aus Griechenland und von den Inseln 500 Tonbrenner, aus Thrakien selbst 5000 Arbeiter und 200 Ziegelschläger und setzte über sie Aufsichtsbeamte und einen der Patrizier. Nachdem der Bau vollendet war, erhielt die Hauptstadt wieder Wasser.“1030

Im darauffolgenden Jahr, am 28. Juni 767, kam es in Rom zu einer großen Hitze, in deren Folge Papst Paul I. in der Kirche St. Paul vor den Mauern starb, dort auch begraben wurde.1031

|| together and villages were swallowed up. Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 744–745. Ed. Hoyland, 241 [Chron 1234]: There was a scarcity of rain and there was a famine and much pestilence. 1025 Vgl. Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 155 Anm. 36; Ṭāhā, Muslim Conquest (1989), 227. 1026 Annals of Clonmacnoise, ad a. 759. Ed. Murphy, 121: There was exceeding great drought this yeare. 1027 Annals of Tigernach, ad a. 764. Ed. Stokes, Bd. 1, 262: Nix magna iii fere nesibus (…) siccitas magna ultra modum. Chronicle of Ireland (AU), ad a. 764. Ed. Charles-Edwards, 232: An unusually great drought. 1028 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 764. Ed. Arnold, 42, Ed. Whitelock, 242: Anno eodem multae urbes monasteriaque atque villae per diversa loca, necnon et regna, repentino igne vastatae sunt, verbi gratia Stretburg, Venta civitas, Homwic, Londonia civitas, Eboraca civitas, Donacester, aliaque multa loca illa plage concussit, ut illud impleretur quod scriptum est, ‘Erit terrae motus’. 1029 Theophanes der Bekenner, Weltchronik, ad a. 764, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 81. 1030 Theophanes der Bekenner, Weltchronik, ad a. 766, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 88 f. 1031 Liber Pontificalis, 95. Paulus (757–767), 7. Ed. Duchesne, Bd. 1, 465; Eighth-century popes. Ed. Davis, 83: Hic dum in ecclesia beati Pauli apostoli aestivo tempore pro valido caloris fervore demoraretur, corporali preoccupatus egritudine, illic vitam finivit; ubi et sepultus est.

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Die große Hitze des Jahres 7721032 wird vom Verfasser der Annales regni Francorum bei der Beschreibung des Zuges Karls des Großen zu den Sachsen im Zusammenhang mit der Zerstörung des Heiligtums Irminsul genannt. Wörtlich heißt es: „Damals hielt der milde König Karl eine Versammlung in Worms und begab sich von hier erstmals nach Sachsen, eroberte die Eresburg, gelangte bis zur Ermensul, zerstörte dieses Heiligtum und brachte das Gold und Silber, das er dort fand, mit. Und es gab eine große Trockenheit, sodass es dort, wo die Ermensul stand, an Wasser fehlte. Während der vorgenannte ruhmreiche König dort zwei oder drei Tage bleiben wollte, um dieses Heiligtum gänzlich zu zerstören, und sie kein Wasser hatten, da stürzten plötzlich durch Gottes Gnade um Mittag, als das ganze Heer an einem Bachlauf ruht, ohne dass irgendjemand etwas wusste, Wasser in solcher Fülle daher, dass das ganze Heer genug hatte.“1033

Ganz ähnlich lautet der Eintrag in den Annales Tiliani,1034 in der Chronik Reginos,1035 in den Fuldaer1036 und den Metzer Annalen1037 sowie beim sogenannten Annalista Saxo.1038

|| 1032 Vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 49 f. 1033 Annales regni Francorum, ad a. 772. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 34 f.; FSGA 5, 26 f.: Tunc domnus Carolus mitissimus rex sinodum tennuit ad Warmatiam. Et inde perrexit partibus Saxoniae prima vice, Eresburgum castrum coepit, ad Ermensul usque pervenit et ipsum fanum destruxit et aurum vel argentum, quod ibi repperit, abstulit. Et fuit siccitas magna, ita ut aqua deficeret in supradicto loco, ubi Ermensul stabat; et dum voluit ibi duos aut tres praedictus gloriosus rex stare dies fanum ipsum ad perdestruendum et aquam non haberent, tunc subito divina largiente gratia media die cuncto exercitu quiescente in quodam torrente omnibus hominibus ignorantibus aquae effusae sunt largissimae, ita ut cunctus exercitus sufficienter haberet. 1034 Annales Tiliani, ad a. 772. Ed. Pertz, MGH SS 1, 220: (…) et fuit ibi magna siccitas, ita ut aquae deficerent in supradicto loco. Largiente itaque Domino medio die, cuncto exercitu quiescente, in quodam torrente Omnibus hominibus ignorantibus aquae largissimiae effusae sunt. 1035 Regino von Prüm, Chronicon, ad a. 772. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 48: Erat autem tunc siccitas magna, ita ut aqua deficeret in supra dicto loco, et dum vellet ibi rex duos aut tres dies manere, ut praedictum fanum funditus destruere posset, et aqua exercitui deesset, subito divina largiente gratia Omnibus insciis in quodam torrente aquae effusae largissimae, ita ut omnis exercitus sufficienter haberet. Destructo fano, rex super Wiseram fluvium venit, et ibi cum Saxonibus placitum habuit, et accepit 12 obsides, et reversus est in Franciam, et celebravit natalem Domini in Heristellio, et pascha similiter. 1036 Annales Fuldenses, ad a. 772. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 8: Carlus Saxoniam bello adgressus Eresburgum castrum capit et idolum Saxonum, quod vocabatur Irminsul, destruit. Ubi cum exercitus prae siccitate siti deficeret. subito in quodam torrente media die divinitus aquae effusae sunt largissimae. 1037 Annales Mettenses priores, ad a. 772. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 10, 58: Erat autem tunc siccitas magna, ita ut aqua deficeret in supra dicto loco. Sed divina pietas magnum ibi ostendit miraculum. 1038 Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 772. Ed. Naß, MGH SS 37, 18: Erat autem siccitas magna, ita ut aqua deficeret in supradicto loco (…).

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Die Annalen von Ulster überliefern erst für das Jahr darauf, also für 773, „eine ungewohnte Trockenheit und Hitze der Sonne, sodass fast sämtliches Brotgetreide missriet. Danach war ein Überfluss an Eichelmast.“1039 Nach einer Nachricht der Lorscher Annalen war der Sommer 783 „derartig heiß, dass viele Menschen durch diese Hitze ihren Geist aushauchten.“1040 Die Annales Mosellani überliefern, dass im Jahr 793 „eine große Trockenheit herrschte, trotz der Spenden an Gott und einem Übermaß an Gutem.“1041 Die Formulierung (sed tamen largiente Deo et abundantia bona) weist auf eine Wahrnehmung der Trockenheit als eine Strafe Gottes hin, obwohl sich die Zeitgenossen keiner Fehler bewusst waren.1042 Die Annales Flavianicenses et Lausonenses überliefern zum Jahr 797 die singuläre Nachricht einer Trockenheit der Flüsse und des Meeres.1043 Ein Gedicht von Theodulf, das ins Jahr 820 datiert wird, De siccitate cuiusdam fluvii könnte auf diese Ereignisse knapp zwanzig Jahre zurückliegenden Ereignisse zurückgehen.1044 Für das Jahr 823 überliefern die Regensburger Annalen einen heftigen Winter, gleichfalls eine große Trockenheit und eine schlimme Hungersnot.1045 Nithard schreibt in seinen Historia, dass der Sommer des Jahres 842 sehr kalt war und alle Früchte erst sehr spät eingebracht wurden; Herbst und Winter jedoch ihren gewöhnlichen Verlauf genommen hätten.1046 Nach den Chroniken des Klosters Cassino war im Jahr 846 „die Heiterkeit des Himmels war so groß, dass der vorgenannte Fluss austrocknete und man zu Fuß hindurchschreiten konnte.“1047

|| 1039 Chronicle of Ireland (AU), ad a. 773. Ed. Charles-Edwards, 239: An unusual drought and heat of the sun, so that nearly all bread-grain failed. Abundance of oak-mast afterwards. 1040 Annales Laureshamenses, ad a. 783. Ed. Pertz, MGH SS 1, 32: Et fuit estus tam vehementer calidus, ita ut plurimi homines de ipso calore expirarent. Annales Moselani, ad a. 783. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 497: Et fuit estus tam vehementer calidus, ita ut plurimi homines de ipso calore exspirarent. 1041 Annales Mosellani, ad a. 793. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 498: Fuit eo anno siccitas magna, sed tamen largiente Deo et abundantia bona. Datierung bei Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 50, irrtümlich zu 794, folgt hier wohl Curschmann, Hungersnöte (1900), 91. 1042 Vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 50; Curschmann, Hungersnöte (1900), 91. 1043 Annales Flaviniacenses, ad a. 797. Ed. Pertz, MGH SS 3, 151: Siccata fluminum idem maris. 1044 Theodulfi Carmina: De siccitate cuiusdam fluvii. Ed. Dümmler, MGH Poetae 1, 565 f. 1045 Annales S. Emmerammi Ratisponensis maiores, ad a. 823. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 471: Hiemps magnus, similiter siccitas grandis et famis valida. 1046 Nithard, Historiarum libri, 3, 5. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ. 44, 37; FSGA 5, 442 f.: Aestas autem in qua praefatum exactum est prelium, fuit frigida nimis, et omnes fruges persero collectae sunt; autunnus vero et hiemps naturalem ordinem peregerunt. 1047 Chronik von Montecassino, 1, 27. Ed. Hoffmann, MGH SS 34, 77: Maxima tunc erat totius celi serenitas tantaque predicti fluvii siccitas, ut pedes aliquis illum transvadare valeret. Chronica S. Benedicti Casinensis, ad a. 846. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 472; Ed. Berto, 2006: Igitur tanta tunc et caeli serenitas et terrae siccitas, ut flubium pede quisque volens pertransire posset.

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Und die Xantener Annalen schreiben zum Jahr 852: „Das Eisen der Heiden erglänzte; groß war die Sonnenhitze; und Hungersnot folgte; und das Viehfutter ging aus; und die Weide für die Schweine war überreich.“1048 Nach den Fuldaer Annalen sollen im Jahr 870 „im Wormsgau bei der Ernte infolge der ungewöhnlichen Hitze einige gestorben sein; sehr viele ertranken auch im Rhein. (…) Auch eine Rinderpest wütete auf das Schrecklichste an einigen Orten Franciens und brachte vielen einen unersetzlichen Schaden.“1049 Andere geben eine genauere Datierung der sommerlichen Trockenheit an: „In dem Jahr folgte eine große Trockenheit, die im Monat Juni begann und bis Mitte August dauerte.“1050 Weiter heißt es in dieser Nachricht von Folcwin: „Von der Sonnenfinsternis und der Ankunft der Normannen im Jahr 870. Und es herrschte eine große Trockenheit in den Monaten Mai, Juni und Juli und der Stern Komet erschien.“1051 Ein ungewöhnlich heißer Sommer wird auch für das Jahr 872 in verschiedenen Quellen für Sachsen genannt, ihm sollen zahlreiche Brände gefolgt sein.1052 Die überdurchschnittliche Temperatur dieses Sommers scheint den im darauffolgenden Sommer auftauchenden Heuschrecken die für ihre massenhafte Vermehrung notwendigen Rahmenbedingungen geboten zu haben.1053 Solche Bezugnahmen stellten bereits mittelalterliche Annalisten her: „Der Sommer 872 war heiß und im folgenden Jahr war

|| 1048 Annales Xantenses, ad a. 852. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 18; FSGA 6, 350 f.: Ferrum paganorum incanduit; nimius ardor solis, et fames subsecuta est, et pabula animalium defecerunt, et pastus porcorum exuberans. 1049 Annales Fuldenses, ad a. 870. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 72; FSGA 7, 78 f.: (…) nonnulli etiam in pago Wormacense messem colligentes, propter solis calorem solito graviorem extincti referuntur; plurimi quoque in Rheno flumine suffocati perierunt. (…) Boum quoque pestilentia in nonnullis Franciae locis inmanissime grassando multis inrecuperabile intulit damnum. 1050 Folcwini Gesta Abbatum S. Bertini Sithiensium, 74. Ed. Holder-Egger, MGH SS 13, 621: Anno quoque insecuto siccitas magna in mense accidit Iunio et usque in medio Augusto. 1051 Folcwini Gesta Abbatum S. Bertini Sithiensium, 96. Ed. Holder-Egger, MGH SS 13, 623: De eclipsi solis, et de adventu Nordmannorum. Anno post haec tertio eclipsis solis facta est 18. Kalendas Septembris 6, hora secunda; et siccitas magna in mense Maio, Iunio et Iulio; et stella cometes apparuit. Eodem anno, id est dominicae nativitatis 891, die dominico 7, post nonam pagani sunt per merita sanctorum Audomari atque Bertini et Folcwini occisi 310 in Widingahammo a castellianis sanctorum predictorum. 1052 Annales Hersfeldenses, ad a. 872, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 451: Ictu fulminis Wormatia comburitus. Aestatis fervor immanis et siccitas nimia totos pene perdidit fructus, plurimaeque domus cum hominibus et animalibus fulminibus incensae exustae sunt. Annales Hildesheimenses, ad a. 872. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Aestatis fervor inmanis et siccitas nimia totos pene perdidit fructus, plurimaeque domus cum hominibus et animalibus fulminibus incensae et exustae sunt. 1053 Zu den Heuschrecken vgl. Kap. 4.1.2 Die Heuschrecken der Jahre 873–874.

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Hunger in der Germania und Heuschrecken.“1054 Oder: „Große Hungersnot in Germania und Heuschrecken“.1055 Nach der Heuschreckenplage 874 bewirkte der folgende lange Sommer, dass das Gras dürr wurde und die Getreideernte unzulänglich war.1056 Auch im Jahr 882 kam es nach Flodoard von Reims zu einer ungewöhnlichen Trockenheit.1057 892 war ein Komet für fast 80 Tage im Schwanz des Sternbilds Skorpion zu sehen, darauf folgte den ganzen April und Mai eine sehr heiße Trockenheit.1058 Am 12. und 15. Mai zerstörten Spätfröste die Weinreben.1059 „Im Jahr 921 gab es viele Stürme in verschiedenen Orten. Vom Blitz wurden Männer getötet und Häuser verbrannt. Es war eine große Hitze im Sommer und viel Heu wurde produziert. Es war eine große Trockenheit für fast drei Monate im Juli, August und September,“ so wiederum Flodoard von Reims.1060

|| 1054 Annales Altahenses breves, ad a. 872. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, VIII: Aestas ferventissima, sequenti anno fames in Germania, locustae. Annales Altahenses maiores, ad a. 872. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 6: Aetatis fervor nimius, siccitas fruges deperdit, domus cum hominibus, pecoribus fulmine concremarunt. 1055 Annales Altahenses maiores, ad a. 873. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 6: Fames magna in Germania, locustae. 1056 Annales Bertiniani, ad a. 874. Ed. Grat, u. a.; Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 125: Aestas longa siccitatem foeni et messium inopiam reddidit. 1057 Flodoard von Reims, Historia Remensis Ecclesiae, 1, 21. Ed. Stratmann, MGH SS 36, 114: Quod ubi aggreditur perveniente iam eo cum coepiscopis et cleri plurimis ad locum, ubi pignus servabatur preciosum, cum esset magna celi serenitas, sed fervens admodum siccitas, subito se tantus effudit imber, ut totius huius superficiem terre videretur ubertim a irrigasse; ebd., 4, 41, 442 f.: Cuius dum fuisset in occursum perlatum, mox, ut simul venerunt, obnubilato celo cum magna siccitas existeret, copiosa pluviarum vis effusa est. Et dum humectarentur imbre omnium vestimenta pallia dumtaxat, que supra sanctorum prefatorum ferebantur corpora, penitus intacta manserunt a pluvia. 1058 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 892. Ed. Verdon, 68 f.: Visa est cometa in cauda Scorpii per dies ferme LXXX; quam subsecuta est validissima siccitas. 1059 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 892. Ed. Marchegay/Mabille, 7: Hoc anno visa est cometa in cauda Scorpii per dies ferme LXXX; quam subsecuta est validissima siccitas tot aprili et maio. IVo autem idus maii et XVIIo kalendas junii ita immensum gelu vineas et sigalum decoxit ut per omnem Franciam, Burgundiam et Neustriam ac partem Germaniae modicum quid colligeretur; Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 892. Ed. Marchegay/Mabille, 160 f.: Hoc anno visa est cometa in cauda Scorpii, per dies ferme LXXX; quam subsecuta est validissima siccitas tot aprili ac maio; IVo autem idus maii et XVIIo kalendas Iunii, ita immensum gelu vineas et sigalum decoxit ut per omnem Franciam, Burgundiam et Neustriam et partem Germaniae modicum quid colligeretur. 1060 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 921. Ed. Lauer, 6; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 5: Tempestates hoc anno diversis in locis plurimae, homines quoque fulmine exanimati, et domus incensae. Aestus in aestate magnus, et foeni plurimum. Siccitas ingens tribus fere continua mensibus, Iulio, Augusto atque Septembri.

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Nach irischen Annalen herrschte im Jahr 934 eine derartige Trockenheit, dass die Dänen in den Ort Inishmot kamen, um zu plündern.1061 Eine für das Jahr 956 überlieferte Trockenperiode ist nur aus einer Vita bekannt, einer Quellengattung, die hier aus methodischen Gründen weitgehend unbeachtet bleiben muss.1062 Auf den sehr regnerischen und kalten Sommer des Jahres 973 in der lothringischen Region folgte eine Hungersnot.1063 Für das Jahr 974 verzeichnen die Annalen des Klosters Corvey, der gesamte Sommer sei ungewöhnlich trocken gewesen,1064 und für das Jahr 981 vermerkt dieselbe Quelle, dass sogar das gesamte Jahr ungewöhnlich trocken gewesen sei.1065 Der Sommer des Jahres 988 wird als ungewöhnlich heiß beschrieben, nicht nur von den Annalen des Klosters Ottobeuren,1066 sondern auch von den Annalen von Hildesheim1067 und Quedlinburg.1068 Letztere ergänzen, dass viele Früchte an der Hitze zugrunde gingen, es also zu Ernteausfällen kam, woraufhin eine große Sterblichkeit unter den Menschen folgte. Auch in den Annalen von Köln wird die Trockenheit dieses Jahres überliefert.1069 Ebenso berichtet auch Lampert von Hersfeld von einer ungewöhnlichen Hitze im Sommer,1070 wie auch Sigebert von Gembloux.1071 Zusammenfassen lässt sich für das Jahr 988 also, dass es zu schweren Witterungsschäden durch

|| 1061 Annals of Clonmacnoise, ad a. 934. Ed. Murphy, 152: There was such drouth and Ise over loghs & the waters of Ireland this yeare that the Danes went to Inis Moghty [Inishmot in the barony of Slane] upon ice and spoyled and ransacked the same. 1062 Vita Iohannis Gorziensis, 132. Ed. Pertz, MGH SS 4, 375 f.: Mauri praeterea forma insolita nostros exterrentes, ita variis proludiis, quae nostris miraculo arbitrabantur, itinere nimium pulverulento, quem per se ipsa quoque temporis siccitas – nam solstitium erat aestivum – sola concitaret, ad palatium perducuntur. 1063 Annales Laubienses, ad a. 973. Ed. Pertz, MGH SS 4, 17: Aestas pluvialis et frigida, et fames subsecuta. 1064 Annales Corbeienses, ad a. 974. Ed. Pertz, MGH SS 3, 5; Ed. Prinz 1982: Hoc anno nimia siccitas facta est per totam aestatem. 1065 Annales Corbeienses, ad a. 981. Ed. Pertz, MGH SS 3, 5; Ed. Prinz 1982: Hoc anno nimia siccitas facta est per totam annum. 1066 Annales Ottenburani, ad a. 988. Ed. Pertz, MGH SS 5, 5: Aestas nimium fervida. 1067 Annales Hildesheimenses, ad a. 988. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 24: Aestatis fervor nimius ac repentinus Id. Julii usque Id. Aug. inmanissime exardescens, fruges absumpsit. 1068 Annales Quedlinburgenses, ad a. 988. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 477: Aestatis fervor immanis pene cunctos fructus consumpsit. Mox grandis mortalitas hominum subsecuta est. 1069 Annales Colonienses, ad a. 988. Ed. Pertz, MGH SS 1, 99: Tanta intemperies estatis fuit uti ex aeris inclementia complures interirent. 1070 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 988. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 46: Estatis fervor nimias. 1071 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 988. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 353: Innundatio aquarum frequens et ultra solitum ac diutina. Estas postea ferventissima et pluribus perniciosa, unde et fruges minoratae sunt.

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gewaltige Regengüsse besonders in Niederlothringen und Frankreich kam. Darauf folgten außerordentliche Hitze und Dürre von Mitte Juli bis Mitte August, was zu starken Ernteausfällen führte. Für das darauffolgende Jahr 889 sind das Auftreten vieler Krankheiten und zahlreicher Todesfälle überliefert, so in den Annalen von Reims1072 und in der Chronik Sigeberts von Gembloux.1073 Die allgemeine Beunruhigung wurde noch durch das Erscheinen von Kometen gesteigert, wie die Quedlinburger Annalen vermerken. Diesen „folgte eine große Pest unter Mensch und Vieh, besonders unter den Rindern.“1074 Im Jahr 990 wird erneut eine ungewöhnliche Hitze berichtet, die den Feldfrüchten schadete und auf die eine Seuche folgte, welche den Menschen großen Schaden zufügte,1075 so Thietmar von Merseburg. Nach den Annales necrologici Fuldenses herrschte im Jahr 990 eine so ungewöhnliche Trockenheit, dass selbst die Quellen versiegten,1076 und die Annales Hildesheimenses betonen das folgende Sterben.1077 Im Jahr 992 soll ein Komet für 80 Tage zu sehen gewesen sein und es eine große Trockenheit gegeben haben.1078 Die Hildesheimer Annalen überliefern eine Dürre im Sommer 993, „vom 24. Juni bis zum 9. November 994 fast den ganzen Sommer und den ganzen Herbst eine so ungewöhnliche Trockenheit und Hitze; sodass unzählige Früchte bei der Sonnenglut nicht einmal ihre Reife erreichten, darauf folgte eine große Kälte und viel Schnee fiel und eine große Krankheit und Sterblichkeit war bei den Menschen.“1079

|| 1072 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 989. Ed. Pertz, MGH SS 16, 731. Alii etiam pisciculos parvos de caelo pluisse ferebant. Nix nimia decidit; imber postea continuus, qui autumnalem sationem omni modo denegaret. 1073 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 989. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 353: Siccitas magna vernalis, unde et satio primitiva impedita, et fames ingens secuta est. Fertur annonam pluisse de caelo in Hasbanio. Alii etiam pisciculos parvos de caelo pluisse ferebant. Nix nimia decidit; imber postea continuus, qui autum nalem sationem omnimodo denegaret. 1074 Annales Quedlinburgenses, ad a. 989. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 477: Cometae apparuerunt, quas pestilentia subsequuta est grandis hominum et iumentorum, et maxima boum. 1075 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 18. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 152 f.; FSGA 9, 134 f.: Aestas nimia frugibus et seva mortalitas hominibus nimis nocuit. 1076 Annales necrologici Fuldenses, ad a. 990. Ed. Waitz, MGH SS 13, 206, Cod. 2: (…) siccitas nimia, ita ut etiam siccarentur fontana. 1077 Annales Hildesheimenses, ad a. 990. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 25: (…) non modica subsequebatur mortalitas hominum atque iumentorum 12. Kalend. Novembris. 1078 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis, ad a. 992. Ed. Marchegay/Mabille, 187: DCCCCXCII. Cometa visa est per dies octoginta et siccitas magna fuit. 1079 Annales Hildesheimenses, ad a. 993. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 26: Et inde a nativitate sancti Iohannis baptistae usque in 5. Id. Novembr. pene per omnem aestatem et autumnum siccitas nimia et fervor inmanis fuit; ita ut innumerabiles fruges non pervenirent ad temporaneam maturitatem propter solis ardorem; quo non modicum subsequebatur frigus, et magna nix cecidit, magnaque pestis simul et mortalitas hominum atque iumentorum evenit.

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Ähnliches berichten die Annalen von Quedlinburg zum Jahr 994: „Zuletzt kam noch am 7. Juli große Kälte und die Flüsse trockneten aus und es war so großer Regenmangel, dass in den meisten Teichen die Fische starben und auf dem Lande die meisten Bäume vollkommen verdorrten und die Früchte und der Flachs verdarben. Es folgte ein großes Sterben unter Menschen, Schweinen, Rindern und Schafen, an vielen Orten wurden die Wiesen so dürr, als wären sie von Feuer versengt. (…) Auch war in diesem Jahr große Hungersnot in mehreren Gegenden Sachsens.“1080 Schon für das nächste Jahr ist wieder, diesmal in den St. Galler Annalen, eine Trockenperiode überliefert: „Nach einem besonders harten Winter hatte die Bevölkerung im Sommer unter anhaltender Dürre zu leiden, die sogar größere Flüsse zum Versiegen brachte.“1081 Im Jahr 1006 wird für Süditalien, genauer für Benevent eine große drei Monate dauernde Trockenheit genannt.1082 Wiederum in Süditalien fiel im Jahr 1009 in Bari sehr viel Schnee, später vertrockneten die Olivenbäume und auch Fische und Vögel starben.1083 Der Sommer des Jahres 1010 war in Irland von Hitze gekennzeichnet, der Herbst jedoch früchtereich.1084 In der Chronik des Ademar heißt es zum selben Jahr: „Zu dieser Zeit gab es Zeichen in den Sternen, Schäden durch Trockenheit, ungewöhnliche Niederschläge und Epidemien und verheerende Hungersnöte, auch erschienen viele Finsternisse in Sonne und Mond und der Fluss Vienne war auf zwei Meilen um Limoges drei Nächte lang ausgetrocknet.“1085 Während einer Synode in Aachen kam es nach Sigebert von Gembloux im Jahr 1022 zu einer „großen Trockenheit und Unwettern der Luft“, unter der die Tiere und

|| 1080 Annales Quedlinburgenses, ad a. 994. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 484: Ad ultimum Non. Julli grande est factum gelu, tantaque siccitas fluminum et penuria facta est pluviarum, ut in plerisque stagnis et pisces morerentur, et in terris arbores plurimae penitus arescerent, et fruges perirent et linum. Subsequuta, quoque est grandis pestilentia hominum, porcorum, boum et ovium; prata etiam in plerisque locis ita exaruerunt, veluti igne exusta fuissent (…) Fames etiam hoc anno magna facta est pluribus in locis Saxoniae. 1081 Annales Sangallenses maiores, ad a. 995. Ed. Zingg, 184 f.: Notabilis annus etiam siccitate aeris nimia, multis pecoribus, multis mortalibus siti extinctis. Tantum enim siccabantur cuncta flumina Europae, ut pene nullum non esset vadosum. 1082 Annales Beneventani, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 3, 177: Anno 25. domni Pandolfi et 19. anno domni Landolfi filii eius, clarissima stella effulsit, et siccitas magna per tres menses fuit. 1083 Annales Barenses, ad a. 1009. Ed. Pertz, MGH SS 5, 56 f.: (…) cecidit maxima nix, ex qua siccaverunt arbores oliviae, et pisces et volatilia mortua sunt. 1084 Annals of Ulster, ad a. 1010. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 440: Aestas torrida, autumnus fructuosus. 1085 Ademar Cabannensis, Chronicon, 3, 46. Ed. Bourgain/Landes, 165: His temporibus signa in astris, siccitates noxiae, nimiae pluviae, nimiae pestes, et gravissime fames, defectiones multe solis et lunae apparuerunt, et Vinzenna fluvius per tres noctes aruit Lemovice per duo milia.

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Menschen litten.1086 Diese große Trockenheit wird auch in hagiographischen Quellen erwähnt und dort zu einer Strafe Gottes (iusto omnipotentis iudicio permittente) gemacht.1087 Im folgenden Jahr, 1023, herrschte in Irland vom 6. Januar bis in den Mai eine große Trockenheit,1088 dies entspricht einer Zeitspanne von 114 Tagen. Zwar nennen die Miracula S. Cholomanni zum Jahr 1028 eine große Trockenheit,1089 aber aus den im Kapitel zur Methodik genannten Gründen sei diese Nachricht hier lediglich genannt und ansonsten nicht weiter berücksichtigt. Die Chronica pontificum et imperatorum Basileensia überliefert zum Jahr 1050 eine große Trockenheit, die von Mai bis zur Vigil des hl. Andreas am 30. November geherrscht habe,1090 was einer Zeitspanne von 214 Tagen entspricht. Nach Adam von Bremen trat neben anderen Unglücken im Jahr 1056/57 auch eine Trockenheit auf, die zur Zerstörung von Früchten führte.1091 Die Annales Elnonenses überliefern, dass der Winter des Jahres 1076 von Mitte November bis in den März 1077 sehr hart war, was ja im Kapitel zu den Wintern bereits

|| 1086 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1022. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 355: Aquisgrani conventu regali et synodali per aliquot dies celebrato, tanta siccitas et intemperies aeris excanduit, ut multi prae nimio ardore deficerent, multa etiam animalia subito deficerent, pavimento et marmoreis columnis tanto madore sudantibus, ut aqua esse respersa crederetur á nescientibus. Gesta episcoporum Cameracensium, 3, 36. Ed. Bethmann, MGH SS 7, 480; Climat. Ed. Alexandre, 337: Sed nec oblivioni tradendum, quod per aliquot dies, dum sinodus celebraretur, tanta siccitas aeris et intemperies aestus excanduit, ut multi mortalium prae nimio ardore deficere putarentur, sed et aliquot animalia subito laberentur extincta. 1087 Ex Miraculis S. Veroli Presbyteri. Ed. Martin, 376: Nuper, peccatis nostris exigentibus, per cuncta pene quadrifidi orbis climata gemina pestis, iusto omnipotentis iudicio permittente, populos atterebat. Nam siccitas immensae tanta vis ingruebat, ut frugum tota spes colligendarum deperire inciperet: et cladis hominum tam immanis pernicies desaeviebat, ut si quis fero incolumen se collocasset, crepusculum oriens se non visurum crederet; atque mane surgens, ad vesperum se pervenire desperaret; nemoque se repentino obitu interiturum non putaret (…). Verolus noster, praedicti morbi lue depulsa, meritis admirandis grassantem mortalitatem cessara quantocius fecit. 1088 Annals of Inisfallen, ad a. 1023. Ed. Mac Airt, 190 f.: Great drought from the Epiphany until May. 1089 Miracula S. Cholomanni, 13. Ed. Waitz, MGH SS 4, 678: At postquam delata sunt ossa regi, retrolapsa est res eius; nam aeris siccitas, terrae sterilitas, fames et mortalitas regnum eius in tantum urgebant, ut penitus interire se crederent. 1090 Chronica pontificum et imperatorum Basileensia, ad a. 1050. Ed. Holder-Egger, MGH SS 31, 290: Siccitas magna fuit a Maio usque ad vigiliam sancti Andree. 1091 Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, 3, 16. Ed. Schmeidler, MGH SS rer. Germ. 2, 157: Deinde cum aliis cladibus tanta siccitas et frugum sterilitas Sueones afflixit, ut missis ad archiepiscopum legatis episcopum suum reposcerent, cum satisfactione fidem gentis pollicentes.

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ausführlich besprochen wurde, und dass daraufhin eine extreme Trockenheit geherrscht habe.1092 Diese Trockenheit1093 wird auch in anderen Quellen erwähnt,1094 in denen es heißt, dass es im Jahr 1077 nach einem extrem kalten und langen Winter zu einer extremen Trockenheit kam,1095 in deren Folge die Früchte und der Wein aber gut gediehen.1096 Die Annales Beneventani überliefern zum Jahr 1080, dass im achten Jahr des Pontifikates von Papst Gregor VII. die Quellen ausgetrocknet seien.1097 Laut den Annales Yburgenses war der Sommer des Jahres 1083 so heiß, dass in vielen Gewässern zahlreiche Fische umkamen.1098 Diese Nachricht wird auch von den Annales Ottenburani überliefert, wo es heißt, „der Sommer 1083 war so heiß, dass nicht nur die Menschen, sondern auch die Fische im Wasser starben.“1099 Nach den Annales Placentini herrschte im Jahr 1089 in Norditalien „eine große Trockenheit im gesamten Land, sodass Flüsse, Quellen und Brunnen austrockneten. Als deshalb die Kleriker und das Volk von Piacenza den Körper des heiligen Justin, welcher sich in der Kirche des heiligen Evangelisten Johannes befindet, in einer Prozession durch die Stadt trugen, führte dies durch die Gnade Gottes zu einer Fülle an Wasser.“1100

|| 1092 Annales Elnonenses maiores, ad a. 1076. Ed. Pertz, MGH SS 5, 13; Ed. Grierson, 1937: Facta est hiems gravissima, incipiens Id. Nov. et durans usque ad Martium. Quam secuta est anno secundo siccitas maxima. 1093 Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 121. 1094 Vita Theoderici Abbatis Andaginensis. Ed. Wattenbach, MGH SS 12, 52: (…) tanta longo sereno siccitas subsecuta erat, ut negatis nimia ariditate pecori pascuis, vitio aeris arentibus arvis et morientibus per omnes agros herbis, trepidarent late uno timore multarum regionum populi, timentes ne rediret illud grave saeculum, quando in servum vendito Ioseph a fratribus prae inopia famis in Aegyptum venientibus, eadem Aegyptus se vendidit Pharaoni, vel quando iubente Helia refrenatis imbribus clausisque caelis impietatem nequissimae Iezabelis toto orbi fames nuntiavit. 1095 Chronicon S. Huberti Andaginensis. Chronique. Ed. Hanquet, 98; Ed. Bethmann, MGH SS 8, 590: Hoc gelu tandem in vere remisso, tanta successit siccitas aeris, ut arentibus arvis pene desperaretur proventus messis futurae. 1096 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 1, 106: Anno ab incarnatione Domini 1077. (…) Sequenti autem anno facta est tanta ariditas et siccitas terrae, ut prata et virentia quaeque arefierent. Ubertas autem frumenti et vini facta est; Iunio mense colleccio frugum est facta. 1097 Annales Beneventani, ad a. 1080. Ed. Pertz, MGH SS 3, 181: (…) anno 8. domni septimi Gregorii papae, fontes siccati sunt. 1098 Annales Yburgenses, ad a. 1083. Ed. Pertz, MGH SS 16, 437: Aestas adeo fervida fuit, ut piscium copiosa multitudo in aquis periret. Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 1083. Ed. Naß, MGH SS 37, 471: Estas adeo fervida fuit, ut piscium copiosa multitudo in aquis periret. 1099 Annales Ottenburani, ad a. 1083. Ed. Pertz, MGH SS 5, 7: Aestatis fervor tantus, ut non solum homines sed etiam pisces in aquis perierent. 1100 Annales Placentini, ad a. 1089. Ed. Pertz, MGH SS 18, 410: Siccitas magna fuit in universa terra, ita ut flumina fontes et putei siccarentur. Et tunc clerus et populus Placentie accipientes corpus sancte Iustine quod erat in ecclesia sancti Iohannis euangeliste, portaverunt illud in circuitu civitatis, et tunc gratia Dei data est eis magna ubertas aque.

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Im Jahr 1091 trat in Mittel- und Süditalien eine so große Trockenheit auf, die sieben Monate andauerte1101, dass es bis zum Fest des heiligen Nikolaus am 6. Dezember nicht regnete.1102 Auch die Chronik der Schotten überliefert zum Jahr 1091 eine so große Hitze, an der eine große Zahl von Menschen verstorben sei.1103 Weiter im Norden, in der Stadt Prag, soll im Winter weder Schnee noch Regen gefallen sein.1104 Im Jahr darauf, 1092, trocknete der Rhein derart aus, dass er trockenen Fußes überquert werden konnte.1105 Im Jahr 1095 soll nach dem Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis eine große Trockenheit für 144 Tage, vom 25. März bis zum 16. August, geherrscht haben, welcher eine Unfruchtbarkeit der Erde folgte und ein Mangel an Brot und allen Früchten.1106 Da für diese Chronik aber eine große Abweichung von gesicherter Chronologie festgestellt werden konnte, scheint auch diese Nachricht trotz der hohen Genauigkeit der Datumsangaben eher zweifelhaft zu sein. Die Annales Sanctae Columbae aus Sens überliefern für das Jahr 1097, dass große Teile des Sommers ohne Regen gewesen seien, weil der Körper des heiligen Lupus aus der St.-Stephans-Kirche entwendet worden war. Erst nachdem er nach vielen Gebeten zurückgegeben worden war, kehrte auch der Regen zurück.1107 Der Sommer des Jahre 1098 war ebenso ungewöhnlich heiß, sodass die Weinreben mit den Trauben vertrockneten.1108 Zwei Quellen nennen Gebete und Prozessionen mit Reliquien, die zu dem Zweck durchgeführt wurden, die Trockenheit zu überwinden und Regen zu erbitten, so geschehen im Jahr 1089 in Piacenza und 1097 in Sens. Die folgende Tabelle zeigt die chronologische Verteilung von Extremsommern und Trockenperioden während der Untersuchungszeit.

|| 1101 Annales Beneventani, ad a. 1091. Ed. Pertz, MGH SS 3, 182: Siccitas magna fuit per menses septem. 1102 Annales Casinenses, ad a. 1091. Ed. Pertz, MGH SS 19, 307: Hoc anno fuit tanta siccitas, quod non pluit usque ad festum sancti Nicolai. 1103 Chronicum Scotorum, ad a. 1091. Ed. Hennessy, 303: (…) this year was the year of the heat, so that there is no reckoning the number of people whom it killed. 1104 Cosmas von Prag, Chronica Boemorum, 43. Ed. Bretholz, MGH SS rer. Germ. N. S. 2, 148: (…) in urbe Praga et in hieme neque nix neque pluvia fuit. 1105 Annales Agrippinenses, ad a. 1092. Ed. Pertz, MGH SS 16, 736: Renus siccatur, sicco pede transpediatur. 1106 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1095. Ed. Verdon, 152 f.: Eodem anno fuit magna siccitas, ab .viii. kalendas aprilis usque .xvii. kalendas septembris; quam sequuta est sterilitas terre et penuria panis et omnium fructuum. Visa et audita signa multa es sonitus aquarum sunt. 1107 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 1097. Ed. Pertz, MGH SS 1, 106 f.: Hoc anno magna pars aestatis sine pluvia fuit, et erat necessaria valde arboribus et satis. Quapropter ablatum est corpus sancti Lupi in aecclesia sancti Stephani, et receptus est cum magna devotione et lacrimis a Richerio archiepiscopo et canonicis. Nemo enim eo tempore vivebat, qui eum antea videret in ipsa aecclesia. Et laudaverunt Deum omnipotentem cantantes: O venerandum antistitem. Illo autem exeunte de aecclesia, descendit habundanter pluvia, letante clero et plebe universa. 1108 Annales Beneventani, ad a. 1098. Ed. Pertz, MGH SS 3, 183: Aestas fuit fervida plus solito, ut pro eo vites cum uvibus arescerent.

Extreme Sommer und Trockenperioden | 535

Tab. 49: Zeitliche Verteilung der Überlieferung trockener Extremsommer von 500 bis 1100 Gesamt 64 100 %

6. Jh. 6 9%

7. Jh. 3 5%

8. Jh. 17 26,5 %

9. Jh. 9 14 %

10. Jh. 12 19 %

11. Jh. 17 26,5 %

Die Schwerpunkte der insgesamt 64 überlieferten Beobachtungen von Extremsommern und extremer Trockenheit liegen im 8. und 11. Jahrhundert mit jeweils etwas über einem Viertel der Quellen, die wenigsten Beobachtungen sind für das 6. und 7. Jahrhundert überliefert, sie liegen bei jeweils unter zehn Prozent. Die 64 Sommerbeobachtungen lassen sich in folgende Nennungen unterteilen: 17 Mal große Trockenheit und 18 Mal Trockenheit, ein Mal ungewöhnliche übermäßige Trockenheit, zwei Mal Dürre, fünf Mal große Dürre und einmal anhaltende Dürre. Mehrere Quellen betonen die Hitze, eine ungewöhnliche Hitze, drei die große Hitze und drei eine Sommerhitze. Zwei Mal heißt es, der Sommer sei heiß und trocken, drei Mal ein heißer Sommer und eine heiße Trockenheit. Dabei wird der Unterschied zwischen hoher Temperatur (heiß) und großer Trockenheit deutlich. Dementsprechend erwähnen andere Autoren trockene Sommer oder Trockenheit über das ganze Jahr (981). Eine zweite Blüte wird im September des Jahres 586 genannt. Neben trockenen (hygrisch) und/oder heißen (thermisch) Sommern wurden nur zwei Sommer gegenteilig charakterisiert: ein sehr kalter Sommer ist für 842 überliefert und kalt, regnerisch sei der Sommer 973 in Belgien gewesen. Die räumliche Verteilung der überlieferten Extremsommer betrifft in hohem Maße das westfränkische Reich mit 15 Nennungen, das ostfränkische Reich mit 15 Nennungen und das dazwischenliegende Rheinland mit sieben. Irland besitzt mit elf Extremsommern ebenfalls eine relativ gute Überlieferung, wohingegen auffällt, dass im Vergleich zu anderen Ereignissen, Trockenheit auf den britischen Inseln oder in Schottland nicht erwähnt wird. Den Mittelmeerraum betreffen 12 Nennungen extremer Trockenheit in Italien, drei in Byzanz, fünf im Nahen Osten und je eine in Persien und Spanien. Elf Sommer fallen durch eine reiche Parallelüberlieferung auf: 591 (3 Quellen), 593 (3), 772 (7), 870 (2), 872 (4), 892 (3), 988 (6), 990 (3), 1076/1077 (3), 1083 (3), 1091 (4 Quellen). Neun Mal dokumentieren irische Chroniken Trockenheit und Hitze, jeweils drei Mal die Annales Beneventani, die Annales Corbeienses, Michael Syrer und Theophanes der Bekenner. Jeweils zwei Ereignisse überliefern arabische Quellen, der Fortsetzer Bedas, Flodoard von Reims und Sigebert von Gembloux sowie ausgewählte hagiographische Quellen. Weitere 26 Autoren bieten jeweils nur ein einziges Mal eine Nachricht zu einem heißen und trockenen Sommer. Die Dauer der Trockenheit wird oft nur mit Sommer (587, 719, 842, 870, 921, 973, 974, 995, 1006) angegeben, umfasst also drei Monate. In sieben Fällen sind aber auch deutlich längere Trockenphasen überliefert: Im Jahr 593 sollen es 243 Tage gewesen ein, 981 war das ganze Jahr trocken, 1023 dauerte die Trockenheit von 6. Januar bis 1. Mai, also 114 Tage. Im Jahr 994 soll es vom 24. Juni bis 9. November heiß und trocken gewesen sein, was 138 Tagen entspricht. Im Jahr 1050 dauerte die Trockenheit vom 1.

536 | Extreme Witterungsereignisse

Mai bis 30. November, was 214 Tagen entspricht. Noch länger war sie im Jahr 1091, nämlich vom 1. Mai bis 6. Dezember, was 200 Tagen entspricht. 1095 dauerte sie vom 25. März bis 16. August, also 144 Tage. Insgesamt sind weniger heiße und trockene Sommer, nämlich 62, überliefert, als extrem kalte Winter, deren Anzahl sich auf 94 beläuft. Ihr Verhältnis zueinander entspricht etwa 2 zu 3, in zeitgenössischen Quellen werden also um ein Drittel mehr Winterextreme überliefert.

3.8 Extreme in Frühling oder Herbst Im Früh- und Hochmittelalter sind aus den oben genannten Gründen Nennungen von extrem abweichenden Frühlings- oder Herbstereignissen sehr selten. Dies gilt auch für spätere Epochen und änderte sich erst in der Frühen Neuzeit.1109 Nach den Augsburger Annalen war der Herbst des Jahres 1093 regnerisch.1110 Dieselbe Quelle gibt die Witterung für das Jahr 1095 in Bayern aber noch genauer an: „Der Winter war wechselhaft, der Frühling stürmisch und trocken,1111 der Sommer günstig und der Herbst warm, überreich gediehen überall die Früchte.“1112 Im Jahr 1097 war fast der ganze Herbst sehr regnerisch.1113 Die folgende Tabelle zeigt die drei Beschreibungen der Extreme von Frühling und Herbst. Tab. 50: Überlieferung von Extremen in Frühling oder Herbst von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

1

1093

Bayern

regnerischer Herbst

Annales Augustani

2

1095

Bayern

stürmischer, trockener Frühling

Annales Augustani

3

1097

Bayern

regnerischer Herbst

Annales Augustani

Eine Zusammenfassung der Frühlings- und Herbstextreme fällt kurz aus, denn die Frühjahrsfröste werden in einem eigenen Kapitel behandelt und so bleiben hier nur noch drei Ereignisse des ausgehenden 11. Jahrhunderts übrig. Die aufgrund statistischer Daten zusammengestellten Witterungsregelfälle in Mitteleuropa zeigen, dass der Winter mit einem als „Vorwinter“ bezeichneten Hoch über Mitteleuropa beginnt,

|| 1109 Vgl. Camenisch, Endlose Kälte (2015), 248 (Frühling), 347 (Herbst). 1110 Annales Augustani, ad a. 1093. Ed. Pertz, MGH SS 3, 134: Autumnus pluviosus. 1111 Annales Augustani, ad a. 1095. Ed. Pertz, MGH SS 3, 134: Ver ventuosum et siccum. 1112 Annales Augustani, ad a. 1095. Ed. Pertz, MGH SS 3, 134: Hiems varia; commoda aestatis et autumni temperies; frugum ubique habundantia. 1113 Annales Augustani, ad a. 1097. Ed. Pertz, MGH SS 3, 135: Autumnus pene totus pluviosus.

Beschreibungen von Blutwundern | 537

das in der Regel zwischen dem 30. November und dem 2. Dezember mit kalt-trockener Witterung auftritt. Die nächste Phase, in der ein Hoch über Mitteleuropa kalt- trockene Witterung erzeugt, liegt im sogenannten Frühwinter, in der Regel zwischen dem 17. und 21. Dezember. Auf die drei Hochwinter im Januar, die jeweils durch ein Hoch über Mitteleuropa bedingt sind, folgen eine längere Tauwetterperiode zwischen 22. Januar und 12. Februar und die zwei Phasen des Spätwinters sowie die Märzwinter in drei Phasen bis 20. März.1114 Dass eine früh- oder hochmittelalterliche Quelle tatsächlich für jede Jahreszeit eine Charakterisierung anführt, wie hier die Augsburger Annalen zum Jahr 1095, ist ungewöhnlich und tritt hier das erste Mal auf. Damit kündigt sich ein Schritt in der langfristigen Entwicklung der Witterungsbeschreibung an. Bis dahin war ausschließlich dann eine Notiz gemacht worden, wenn die zeitgenössische Erwartungshaltung über- oder unterschritten wurde. Der Übergang hin zu einer regelmäßigen Beschreibung, wie sie später in Witterungstagebüchern – deren älteste aus dem 12./13. Jahrhundert überliefert sind1115 – vorgenommen wurde, zog sich zwar noch lange hin, kündigt sich hier aber erstmals an.

3.9 Beschreibungen von Blutwundern Sogenannte Blutwunder finden sich bereits im Buch Exodus bei der Beschreibung der zehn Plagen: „Mose und Aaron taten, wie ihnen der Herr geboten hatte, und Mose hob den Stab und schlug ins Wasser, das im Nil war, vor dem Pharao und seinen Großen. Und alles Wasser im Strom wurde in Blut verwandelt. Und die Fische im Strom starben und der Strom wurde stinkend, sodass die Ägypter das Wasser aus dem Nil nicht trinken konnten; und es war Blut in ganz Ägyptenland.“1116 Besonders eindrucksvoll muss dem mittelalterlichen Menschen die Verfärbung von Gewässern, des Himmels, der Niederschläge (Regen und Schnee) und der Lebensmittel mit blutroter Farbe vorgekommen sein. Die scheinbar „blutenden“ Lebensmittel wurden religiös ausgedeutet, insbesondere wenn es sich um konsekriertes Brot handelte. Köhler, der mehrere solcher Brotphänomene untersucht hat, kommt zu dem Schluss, dass sich Blutwunder an Hostien erst ab dem 12. Jahrhundert nachweisen lassen und bemerkt, dass dies „mit der Einführung der für die Kommunion benutzten Hostien im 12. Jahrhundert zusammenhängen [könnte], die als stärkereiches

|| 1114 Glaser, Klimageschichte (2008), 42 Tab. 3. 1115 Klemm, Witterungschronik (1970), 15–18. 1116 Ex 7,20–21: Feceruntque ita Moyses et Aaron, sicut praeceperat Dominus. Et elevans virgam percussit aquam fluminis coram pharaone et servis eius; quae versa est in sanguinem. Et pisces, qui erant in flumine, mortui sunt, computruitque fluvius, et non poterant Aegyptii bibere aquam fluminis; et fuit sanguis in tota terra Aegypti.

538 | Extreme Witterungsereignisse

und säurearmes Gebäck einen guten Nährboden für Bakterien bilden.“1117 Als Kleinstlebewesen, das die Ursache der blutroten Hostien darstellen könnte, wurde der Mikroorganismus mit dem bezeichnenden Namen Bacterium prodigiosum erkannt, später wurde es in Serratia marcescens umbenannt.1118 Da die Ursachen der Blutwunderbrote bei den Bakterien liegen und nicht in Witterungsphänomenen zu suchen sind, werden im Folgenden die roten Veränderungen an Hostien nicht weitergehend betrachtet. Auch blutende Steine fallen aus der Untersuchung. In einem Beitrag von Thurston aus dem Jahr 1921 findet sich solches Ereignis beschrieben: „we read in the Annals of Loch Cé that in 1033 ‚the shrine of Peter and Paul dropped blood on the altar of Patrick in Armagh while all men looked on.‘“1119 Zu solchen Erscheinungen zählen auch die Wunder der folgenden Art: „In der Zeit um 827 erschien im Ort Ane [wohl in der Nähe von Lausanne] Blut über viele Jahre bei einem großen rauen Stein.“1120 Anstatt solcher, nur lokal auftretender Blutwunder stehen im Folgenden die großräumiger wirksamen Erscheinungen von Blutregen und von blutenden Gewässern im Zentrum. Die Ursachen dieser Rotfärbungen sind sehr verschieden und wurden beim Blutregen bereits in der Antike ansatzweise richtig erkannt. Demgegenüber gaben die blutenden Gewässer aber immer wieder zu religiösen Interpretationen Anlass. Wunderzeichen aus Blut wurden mehrfach in Studien untersucht, so der Blutregen von Tatlock,1121 ein mittelalterlicher Blutstrom in Norwegen von Cohen,1122 weiterhin liegen Beiträge von Edwards,1123 sowie von McCafferty vor.1124 Eine umfassende Zusammenstellung der Blutregen und Kreuzzeichen-Erscheinung, die allerdings nur auf späterer Überlieferung basiert und ohne jede quellenkritische Einordung ist, findet sich bei Ehrenberg.1125 Im Rahmen der „Historischen Umweltdatenbank Österreichs“ (HUDBÖ) wurden auch Daten zu den historischen Blutregenereignissen gesammelt. Im Folgenden werden also ausschließlich blutfarbene Niederschläge und Stehgewässer betrachtet.

|| 1117 Köhler, Blutwunder und Wunderblutbakterien (2011), 70. 1118 Köhler, Blutwunder und Wunderblutbakterien (2011), 70. 1119 Thurston, Blood prodigies (1921), 31. 1120 Cono, Gesta Episcoporum Lausannensium. Ed. Waitz, MGH SS 24, 796: Audivi a Conone sacerdote de Anes, quod David episcopus interfectus fuit a domino de Tegerfelt – quod est iuxta Rifelt – et suis in villa de Anes, iuxta rivum qui currit per villam, iuxta quendam grossum lapidem, in quo sanguis apparuit per multos annos (…). 1121 Tatlock, Mediaeval cases of blood-rain (1914), 442–447. 1122 Cohen, Flow of Blood (2004), 26–65. 1123 Edwards, “And Blood Rained from the Sky“ (2007), 345–358. 1124 McCafferty, Bloody Rain Again! (2008), 9–15. 1125 Ehrenberg, Passat-Staub und Blut-Regen (1849), 83–89.

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3.9.1 Beschreibungen von Blutregen Heute werden für Blutregen drei Arten von Teilchentransport angegeben, die als nähere Ursache für die von mittelalterlichen Autoren beschriebenen Phänomene in Frage kommen. 1) Roter Wüstensand aus der Sahara, 2) Vulkanasche/Tephra großer Vulkanausbrüche in der Stratosphäre (die sich in Eiskernen nachweisen lässt), 3) Vulkanasche/Tephra geringer Ausbrüche, die sich in der Troposphäre zeigt und die sich durch spezielle Druckgebietskonstellationen über Europa verbreiten und sich nicht in Eiskernen nachweisen lassen.1126 Die ersten Erklärungsansätze für blutrote Niederschläge wurden bereits in der Antike und im Mittelalter gefunden. Welche Erklärungen dabei verwendet wurden, steht im Folgenden im Vordergrund. Blutregen ist ein selten auftretendes meteorologisches Phänomen, denn zum Transport einer ausreichenden Menge an aufgewirbelten Feinsedimenten aus der Sahara in Richtung Europa bedarf es eines besonders mächtigen Tiefdruckgebietes über Nordafrika. Statistisch kommt ein solches Tief am häufigsten in der Zeit um die Tag-Nacht-Gleiche am 21. März zur Ausbildung. Nachdem es sich über der Sahara aufgebaut hat, kann es über Italien, die Alpen und Deutschland bis nach Skandinavien ziehen. Als 1979 eine vereinzelte Wüstenheuschrecke (Schistocerca gregaria) in Cork gefunden wurde, fiel ihr Auftreten mit der Ablagerung von roten Sahara-Sand (red Saharan dust) im südlichen Teil der britischen Inseln zusammen.1127 Die damit verbundene mehrere Tage dauernde Wanderung der Wetterfront führt zu Regen und Schneefällen, die von den mitgeführten kleinsten Saharasanden schwarz, rot bis gelb gefärbt sein können. Die mächtigen Tiefdruckgebiete können aber auch den Weg über den Atlantik, Spanien und Frankreich nehmen und darauf über England und Norddeutschland nach Süden gegen die Alpen ziehen.1128 Sie lagern sich auf den dortigen Gletschern als blutfarbene Niederschläge ab und bilden dabei feine Schichten aus.1129 Ernst Schubert ging in seiner Zusammenfassung des Phänomens „Blutregen“ davon aus, dass „keine Rede davon sein könne, dass die Auffassung von einer göttlichen Zeichensetzung der Natur zu einem spezifisch mittelalterlichen Aberglauben gehöre, der in der Frühen Neuzeit zurückgegangen sei.“1130 Er kommt stattdessen zu dem Schluss, dass das Interesse am Blutregen zum Spätmittelalter hin abgenommen habe. Während im 12. Jahrhundert noch 15 Nachrichten überliefert worden seien, soll diese Zahl im 13. Jahrhundert auf acht und im 14. und 15. Jahrhundert auf nur noch jeweils sechs Nachrichten gesunken

|| 1126 Grattan/Pyatt, Volcanic eruptions (1999), 178. 1127 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 47. 1128 Vgl. Sperl, Blutregen (1994), 56 f. 1129 Wagenbach/Geis, Mineral dust record (1989), 543–564. 1130 Schubert, Alltag im Mittelalter (2002), 278.

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sein. Erst in der Frühen Neuzeit kam es dann zu massenweiser Spekulation über dieses Ereignis, bis die Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts die Mechanismen – großflächige Tiefdruckgebiete in der Sahara, die roten Sand aufwühlen, die in Europa die Niederschlagsformen färben – entzauberte.1131 Dies wird auch durch die Arbeiten von Christian Rohr und anderen bestätigt, die für die Zeit vom 13. bis zum 15. Jahrhundert zwischen sechs und acht Ereignisse pro Jahrhundert verzeichnen.1132 In der bereits genannten Datenbank HUDBÖ stammen nur 15 von 479 insgesamt verzeichneten Ereignissen aus der Zeit vor 1100, davon fanden vier im 11. Jahrhundert statt.1133 Wegmann betont, dass neben den mittelalterlichen Wunderberichten in Viten, Annalen und Chroniken, auch in der antiken Literatur, etwa bei Cicero1134 und Plinius1135, zahlreiche Berichte über Blutregen zu finden sind. Dabei sei der Bezug auf Gott in der antiken wie in der christlich-mittelalterlichen Literatur kennzeichnend.1136 Bereits bei Cicero ist die Beobachtung zu finden, dass eine Mischung aus Wasser und einem bestimmten Bodensubstrat wie Blut aussieht und dies mit dem Südwind herangeweht werde: „Berichte wurden dem Senat gebracht, dass es einen Regenschauer von Blut gab, dass der Fluss Atratus tatsächlich mit Blut gefüllt gewesen wäre und dass von den Statuen der Götter Schweiß getropft wäre. Zweifelst du nicht für einen Moment daran, dass Thales, Anaxagoras oder jeder andere Naturphilosoph solche Berichte glauben würden? Schweiß und Blut, da kannst Du sicher sein, kommen nur aus belebten/beseelten Körpern. Ein Effekt ähnlich wie Blut stellt sich durch die Beimischung von Wasser mit bestimmten Bodenarten ein. Und die Feuchtigkeit, die sich auf der Außenseite von Objekten bildet, wie wir es auf unseren verputzten Wänden sehen, wenn der Südwind weht, scheint Schweiß zu ähneln. Solche Erscheinungen, die in der Zeit des Krieges bei den Ängstlichen häufig und real zu sein scheinen, werden in Friedenszeiten kaum bemerkt. Darüber hinaus werden in Zeiten der Angst und der Gefahr Geschichten von Omen nicht nur leichter geglaubt, sondern sie werden häufiger erfunden.“1137

|| 1131 Büchner, Alltag und Festtag (1985), 57–74 mit Anm. 293. 1132 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 535–538. 1133 Sperl, Blutregen (1994), 60 Tab. 1. Das stärkste Auftreten von der Überlieferung von Blutregenereignissen in den Quellen ist im 17. und 19. Jahrhundert zu beobachten. 1134 Cic. Div. 2, 58. 1135 Plin. nat. 2, 147. 1136 Wegmann, Naturwahrnehmung im Mittelalter (2005), 112. 1137 Cic. Div. 2, 58. Cicero, Wahrsagung, Ed. Schäublin, 186: Sanguine pluisse senatui nuntiatum est, Atratum etiam fluvium fluxisse sanguine, deorum sudasse simulacra. Num censes his nuntiis Thalen aut Anaxagoran aut quemquam physicum crediturum fuisse? Nec enim sanguis nec sudor nisi e corpore. Sed et decoloratio quaedam ex aliqua contagione terrena maxume potest sanguini similis esse, et umor adlapsus extrinsecus, ut in tectoriis videmus austro, sudorem videtur imitari. Atque haec in bello plura et maiora videntur timentibus, eadem non tam animadvertuntur in pace; accedit illud etiam, quod in metu et periculo cum creduntur facilius, tum finguntur impunius.

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Damit sind drei zeitliche Höhepunkte der Beschäftigung mit Blutregen-Ereignissen und ihrer Verschriftlichung auszumachen: a) in der römischen Republik zu Zeiten Ciceros, b) im 11./12. Jahrhundert und c) in der Frühneuzeit. Wegmann vermutet, dass als erster nachantiker Autor, der eine rationale Erklärung des Problems angestrebt hat, ein namentlich nicht bekannter Mönch aus dem Zisterzienserkloster Great Coggeshall (Essex) im 13. Jahrhundert zu gelten habe.1138 Wie weiter unten gezeigt wird, fand eine umfangreiche Auseinandersetzung mit dem Blutregen bereits zu Beginn des 11. Jahrhunderts am englischen Herrscherhof statt. Die chronologische Verteilung der Nennung von Blutregen-Erscheinungen in der hier behandelten Zeit vom 6. bis 11. Jahrhundert lässt sich wie folgt zusammenfassen: Im 6. Jahrhundert werden zwei Ereignisse genannt, im 7. Jahrhundert und 8. Jahrhundert jeweils eins, im 9. Jahrhundert drei, im 10. Jahrhundert zwei und im 11. Jahrhundert wiederum drei Ereignisse. Im Detail wurden diese Blutregen wie folgt beschrieben: So soll, nachdem im Jahr 580 „in Paris Blut aus den Wolken geflossen ist, eine Pest gefolgt sein und ein ungeheures Sterben“, wie Hermann von Reichenau vermerkt.1139 Genaueres hielt Gregor von Tours hierzu fest: „Im Gebiet von Paris floss wirkliches Blut aus einer Wolke nieder und fiel vielen Leuten auf das Gewand und befleckte es so, dass sie vor Abscheu ihre eigenen Kleider nicht mehr tragen mochten. Diese Wunderzeichen erschienen an drei Orten im Gebiet jener Stadt. Im Gebiet von Senlis [in Nordfrankreich] fand ein Mann, als er am Morgen aufstand, sein Haus im Inneren mit Blut bespritzt. Es war aber in diesem Jahre eine große Seuche unter dem Volke, verschiedene Krankheiten, Frieseln, Blattern und Ausschlag brachten einer großen Zahl Menschen den Tod. Von denen aber, die sich in Acht nahmen, kamen viele davon. Wir hörten auch, das zu Narbonne in diesem Jahr die Drüsenpest heftig wütete, sodass es keinen Aufschub gab, wenn jemand von ihr ergriffen wurde.“1140

|| 1138 Ex Radulfi abbatis de Coggeshale Historia Anglicana, ad a. 1223. Ed. Liebermann/Pauli, MGH SS 27, 358: Terre motus factus est in Italia, ita quod quedam civitates, id est [Brixia cum aliis quibusdam tribus], subverse sint et absorte cum habitatoribus suis. (…) Per diem integrum in Italia in plerisque locis sabulum minutum e nubibus pluendo cecidit, quod collectum et in aqua missum speciem sanguinis petendebat atque in pluribus locis pro admiratione deportatum est, quod effusionem humani sanguinis portendere dicunt. 1139 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 580. Ed. Pertz, MGH SS 5, 89: Parisius sanguis de nubibus fluxit. Pestilentia et mortalitas ingens facta. 1140 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 14. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 284; FSGA 3, 32 f.: Parisiaco vero terminum verus sanguis ex nube defluxit et super vestimenta multorum hominum caecidit et ita tabe maculavit, ut ipsi propria indumenta horrentes abnuerunt. Tribus enim locis in termino civitatis illius hoc prodigium apparuit. In Silvanectinse vero terreturio hominis cuiusdam domus, cum ille mane surgerit, sanguine respersa ab intus apparuit. Magna tamen eo anno lues in populo fuit; valitudinis variae, milinae. cum pusulis et vissicis, quae multum populum adficerunt mortem. Multi tamen, adhibentes studium, evaserunt. Audivimus enim eo anno in Narbonensem urbem inguinarium morbum graviter desevire, ita ut nullum esset spatium, cum homo correptus fuisset ab eo.

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Blutregen wird hier erstmals von Gregor von Tours in eine charakteristische Reihe mit anderen Unglücksfällen, vor allem mit Epidemien, gestellt. Zehn Jahr später heißt es in der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus: „Es gab damals, 591, einen Winter so kalt, wie ihn kaum einer zuvor erlebt hatte. Auch fiel in der Gegend der Bretonen – eines rätischen Stammes im heutigen Tirol – blutiger Niederschlag aus den Wolken und mitten im Wasser des Reno in der Emilia-Romagna floss ein Bächlein von Blut.“1141 Erst fast 90 Jahre später heißt es in den angelsächsischen Chroniken erneut, dass es im Jahr 685 „einen blutfarbenen Regen in Britannien gegeben habe und Milch und Butter in Blut verwandelt wurde. Und Lothar, der König von Kent starb.“1142 Dasselbe Ereignis könnte, wieder einmal mit abweichender Jahresangabe (zu 689), in der Chronik der Schotten für Leinster (Lagenia), der östlichen Provinz Irlands, genannt sein.1143 Und ebenso auf dasselbe Ereignis könnten sich die verschiedenen irischen Quellen beziehen, die allerdings sehr unterschiedliche Datierungen anführen: So soll im Jahr 6881144 oder 689 blutfarbener Regen in Britannien gefallen sein, und in Irland kam es zu einem Phänomen, dass so wirkte, als hätten sich Milch und Butter in Blut verwandelt.1145 Vielleicht im selben Jahr, von den Annalen aber ins Jahr 690 datiert, wird ein ähnliches Ereignis genannte, bei dem es einen blutfarbenen Schauer, wiederum in Leinster, gab. Butter soll sich in Klumpen von Blut und in (flüssiges) Blut verwandelt haben. Als drittes ungewöhnliches Ereignis soll ein Wolf mit menschlicher Stimme gesprochen haben, was alle erschreckt haben soll.1146 Vielleicht abermals bezogen auf dasselbe Ereignis, aber in das Jahr 693 datiert, wurde ein Blutregen in Leinster, der drei Tage und drei Nächte lang wie in Strömen floss.1147 Zwischen 685 und 693 fiel also mindestens ein Mal blutfarbener Regen in Leinster, einer Provinz im Osten Irlands, aber auch in Britannien.

|| 1141 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 4. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 117; Ed. Schwarz, 224 f.: Fuit autem tunc hiems frigida nimis, qualem vix aliquis prius recolebat fuisse. In regione quoque Brionum sanguis de nubibus fluxit; et inter Reni fluvii aquas rivulus cruoris emanavit. 1142 Tatlock, Mediaeval cases of blood-rain (1914), 444: „There was a bloody rain in Britain. And milk and butter were turned to blood. And Lothere, king of Kent, died.“ 1143 Chronicum Scotorum, ad a. 689. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 111: Bloody rain fell in Lagenia. 1144 Annals of Clonmacnoise, ad a. 688. Ed. Murphy, 110: It raigned Blood in Leinister this yeare. Butter was turned into the colour of blood, & a wolf was seene and heard speak with humane voice. 1145 Annales Cambriae, ad a. 689. Ed. Gough-Copper (Version B), 30: Pluvia sanguinea cecidit in Britannia, et in Hybernia, lac et butirum uersa sunt in sanguinem. 1146 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 690. Ed. O’Donovan, 296: It rained a shower of blood in Leinster this year. Butter was there also turned into lumps of gore and blood, so that it was manifest to all in general. The wolf was heard speaking with human voice, which was horrific to all. 1147 Annals of Tigernach, ad a. 692. Ed. Stokes, Bd. 1, 213: A shower of blood in Leinster, so that it was like streams for the space of three days and three nights.

Beschreibungen von Blutwundern | 543

Als im Jahr 786 im Bereich des Klosters Lorsch viele Wunderzeichen erschienen, war darunter auch jenes Zeichen des Kreuzes, das häufig auf der Kleidung der Menschen erschien.1148 Die Lorscher Annalen berichten von Blut, welches aus der Erde und vom Himmel geflossen sei.1149 Dieselbe Nachricht wird auch in anderen Quellen genannt.1150 Allerdings wird in den Annalen des Klosters Ottobeuren nur vom Himmel kommendes Blut erwähnt.1151 In der Chronik der Schotten werden zum Jahr 811 Kuchen erwähnt, die sich in Blut verwandelt haben sollen und aus denen Blut geflossen sein soll, wenn man sie anschnitt.1152 Etwas über 50 Jahre später soll es am 8. Mai 839 anlässlich der Weihe der Basilika des hl. Michael in Ravenna blutfarbenen Niederschlag gegeben haben.1153 Dabei wird es sich wohl um von Saharasand gefärbten Regen gehandelt haben, was bedeuten würde, dass über Nordafrika ein Tiefdruckgebiet ausgebildet war. „Im Jahr 860 war der Winter sehr hart, ungewöhnlich lang und den Feld- und Baumfrüchten sehr schädlich. Zudem soll an sehr vielen Orten blutroter Schnee gefallen sein“, wie die Fuldaer Annalen zu berichten wissen.1154 „Blutschnee“ kann zwei unterschiedliche Ursachen haben, entweder liegt eine Verfärbung des Schnees aufgrund einer Massenvermehrung einzelliger, rotgefärbter Algen, sogenannter Schneealgen (Chlamydomonas) vor, die zur sogenannten Kryoflora gehören. Diese vermehren sich während der Sommermonate aber ausschließlich in Hochgebirgen und Polargebieten.1155 Man könnte zunächst analog zur Erscheinung des Jahres 839 annehmen, dass der in Mitteleuropa beobachtete blutfarbene Schnee durch roten Staub aus nordafrikanischen Wüsten gefärbt worden wäre. Dabei hätten die Schneeflocken

|| 1148 Vgl. Kap. 4.7.1 Kreuze auf der Kleidung. 1149 Chronicon Laurissense breve, ad a. 786. Ed. Schnorr von Carolsfeld (NA 36, 1911): Per Idem [vero] tempus multa signa apparuerunt, inter quae signum crucis in vestimentis hominum frequentissime apparuit; sanguis etiam e terra ac de coelo perhibetur fluxisse. 1150 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 786. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 335: Sanguis de caelo et terra profluxit. Annales Hildesheimenses, ad a. 786. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 13: Per idem tempus multa signa apparuerunt, inter que signum crucis in vestimentis hominum frequentissime apparuit; sanguis et e terra ac de caelo perhibetur fluxisse. 1151 Annales Ottenburani, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 5, 2: Signum crucis in vestimentis apparuit, et sanguis de coelo profluxit. 1152 Chronicum Scotorum, ad a. 811. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 127: This was a year of prodigies. (…) It was in it, also cakes were converted into blood and blood used to flow from them when being cut. 1153 Agnelli Liber Pontificalis Ecclesiae Ravennatis, 172. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Lang. 1, 389: Igitur tempore illo, die 7. mense Madii dedicatio basilicae sancti Michaelis, hic Ravennae pluit sanguinem. 1154 Annales Fuldenses, ad a. 860. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 54; FSGA 7, 60 f.: Hibernum tempus asperum nimis et solito prolixius erat frugibusque et arborum proventibus pernoxium; nix quoque sanguinulenta in plerisque locis cecidisse reperta est. 1155 Czygan, Blutregen und Blutschnee (1970).

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den Sand im Fall aufgenommen und als Niederschlag die charakteristische rote Färbung abgelagert. Aber der Winter des Jahres 860 war für ein Tiefdruckgebiet über Afrika viel zu kalt und so konnte kein Saharasand verdriftet werden. Den Grund für die Verfärbung des Schnees könnte daher eher vulkanische Tephra bilden, die sich nach dem Ausbruch eines Vulkans in der Atmosphäre befand.1156 Irische Annalen überliefern zum Jahr 863, dass es zur Zeit des Königs Áed Findliath, dem König von Ailech (862–879), Blut geregnet habe.1157 Die schottischen Chroniken berichten von einem Blutregen im Jahr 878 in Keenaght (Ciannachta).1158 Andere Quellen schildern, dass es im Jahr 874 in Brixen drei Tage und drei Nächte Blut aus dem Himmel geregnet habe.1159 Die älteste erhaltene venezianische Chronik gibt zwar nur ungefähr die Zeit (circa haec tempore), dafür aber ein genaues Tagesdatum an: „etwa zu dieser Zeit, am 22. Mai, regnete es in der nördlichen Adria Blut aus den Wolken.“1160 In diesem Fall deutet das Datum des Blutregens1161 auf die genannte besondere und selten auftretende Witterungslage über Nordafrika. Wie bereits für das Jahr 878 berichten die schottischen Chroniken auch zum Jahr 898 von einem Blutregen in Keenaght (Ciannachta).1162 Erst etwa 50 Jahre später im Jahr 954 wird wiederum ein Ereignis genannt, nachdem sich erneut im Monat Mai blutfarbener Regen über den Feldarbeitern ergossen habe1163 und dauerte weitere 50 Jahre, bevor das Phänomen „Blutregen“ erneut auftrat. So enthalten erst viel später verschriftliche isländische Sagas zum Jahr 1001 (Brennu-Njalssaga) und zum Jahr 1014 (Eyrbyggja-Saga) ebenfalls Hinweise auf Blutregen.1164 Das Phänomen „Blutregen“ hat bereits im 11. Jahrhundert Herrscher intensiv beschäftigt: Eine hohe innere Ergriffenheit und die Suche nach einer Erklärung zeigt ein Brief von Herzog Robert I. von der Normandie (1002/10–1035) im Jahre 1027.1165 Nach || 1156 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 884–886. 1157 Annals of Clonmacnoise, ad a. 863. Ed. Murphy, 141: In this king’s time it Raigned blood. 1158 Chronicum Scotorum, ad a. 878. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 167: It rained a shower of Blood, which was found in lumps of gore and blood on the plains in Ciannachta, as Dumha-na-n Deisi especially. Vgl. Tatlock, Some mediaeval cases of blood-rain (1914), 446. 1159 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 874. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 341: In Italia Brixae tribus diebus ac noctibus sanguis de caelo pluisse narratur. Ex summa Honorii, ad a. 874. Ed. Wilmans, MGH SS 10, 129: Tunc et in Italia tribus diebus et tribus noctibus sanguis de caelo pluisse narratur. Flores temporum. Ed. Holder-Egger, MGH SS 24, 235: Eo tempore. aput Brisiam Ytalie tribus diebus sanguis de nubibus fluxit et pluit. 1160 Johannes Diaconus, Chronicon venetum. Ed. Pertz, MGH SS 7, 21: Circa haec tempora mensis Madii die 22. sanguis de nubibus pluit. 1161 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 52, vgl. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 123. 1162 Chronicum Scotorum, ad a. 898. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 177: A shower of blood was shed in Ard-Ciannachta. 1163 Romoald, Annales, ad a. 954. Ed. Arndt, MGH SS 19, 399: Eodem quoque anno mense Maio sanguis pluit super operarios. 1164 Tatlock, Mediaeval cases of blood-rain (1914), 446 f. Vgl. Jónnson, Brennu-Njalssaga (1908). 1165 Fichtenau, Lebensordnungen (1984), 418 f.

Beschreibungen von Blutwundern | 545

einem Blutregen fragte Herzog Robert bei Gelehrten über die Bedeutung dieses Phänomens an, zwei Gutachten sind erhalten, die durch den Abt von Fleury, Gauzlin, und durch Bischof Fulbert von Chartres erstellt wurden. Der Bischof referierte, bei welchen Autoren er Nachrichten von einem derartigen Phänomen gefunden hatte, und sah ein öffentliches Unglück kommen, dass aber durch Bekehrung der Sünder abgewendet werden könnte. Der Abt wurde konkreter: Blutregen bedeutet Krieg oder Bürgerkrieg. Es scheint sich um eine wirkliche Zeitanschauung gehandelt zu haben, unabhängig von Stand und Bildung, sie kommt schon im Brief des Königs zum Ausdruck, der in den Antworten bestätigt erhielt, was sicherlich auch am Hofe geglaubt wurde.1166 Fulbert von Chartres erklärte im späten Juni 1027 Herzog Robert, was es bedeute, wenn es Blut regne, anhand einer Stelle bei Gregor von Tours.1167 Es dauerte noch einmal über 60 Jahre, bevor es zum Jahr 1091 heißt: „In deutschen Gebieten regnete es Fleisch und Blut, und es fielen Kröten und Fische vom Himmel, wie viele glaubwürdige Männer gesehen zu haben bezeugten. In Schwaben bei Zwiefalten an der Donau schien Blut aus Broten zu fließen, und alle diese Dinge sollten, wie von den meisten Frommen geglaubt wurde, etwas Neues im Königreich ankündigen.“1168 Die genannten merkwürdigen Ereignisse deuten auf die Folgen der Einwirkung eines Tornados hin. Blutregen als meteorologisches Phänomen, das besondere atmosphärische Zustände erfordert, kommt nur selten vor. In der Untersuchungszeit zwischen 500 und

|| 1166 Letters and Poems of Fulbert of Chartres, Nr. 125. Ed. Behrends, 224–227: Pio regi R(oberto) F(ulbertus) humilis episcopus omnia fidelia. Sacra uestra monitus sum inquirere festinanter et scribere uobis siqua historia sanguinem pluisse referat, et si factum fuit, quid futurum portenderit. Liuium, Valerium, Orosium, et plures alios huius rei relatores inueni; de quibus ad presens solum Gregorium Turonensem episcopum testem esse productum sufficat, propter auctoritatem religionis suae. Ait ergo Gregorius idem in sexto libro historiarum, capitulo xiiii: Hacentus Gregorius Turonensis. Liquet igitur ex hac et ex supramemoratis historiis quod pluuia sanguinis publicam stragem futuram esse portendat. Quod autem nuper huiusmodi cruorem in quadam parte regni uestri pluisse auistis, et quod ille cruor ubi supra petram uel super carnem hominis ceciderat, ablui non poterat, ubi autem super lignum ceciderat, facile abluebatur, per hoc tria genera hominum significata esse uidentur: per lapidem impii, per carnem fornicarii, per lignum uero (quod neque durum est ut lapis, neque molle ut caro) illi qui neque impii sunt neque fornicarii. Cum ergo uenerit super illam gentem cui portenditur gladius siue pestilencia designata per sanguinem, si antea duri et molles non fuerint mutati in melius, morientur perpetualiter in sanguine suo. Medii uero per angustiam mortis uel aliter poterunt liberari, pro arbitrio secrestissimi atque presentissimi iudicis. Vale, pissime rex. 1167 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 14. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 284; FSGA 3, 32 f. 1168 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1091. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 492; FSGA 14, 384 f.: In Teutonicis partibus caro cum sanguine pluvit, et bufones cum piscibus e celo ceciderunt, ut multi probabiles viri se vidisse testati sunt. In Alemannia ad Aquam duplicem prope Danubium sanguis de panibus effluere videbatur; quae singula aliquid novi in regno portendere a quampluribus etiam religiosis credebantur.

546 | Extreme Witterungsereignisse

1100 sind zu folgenden Jahren Beschreibungen von Blutregen oder Blutschnee überliefert: 580, 591, 685-693, 786, 839, 860, 863, 874, 878, 898, 954 und 1027. Die relevanten Tiefdruckgebiete über der Sahara werden etwa um die Tag-Nachtgleiche am 21. März ausgebildet. Drei Mal sind für Blutregenereignisse in Italien genauere Daten überliefert: 8. Mai 839, 22. Mai 874 und Mai 954. Für diese drei Daten lässt sich ein massives Tiefdruckgebiet über Nordafrika rekonstruieren. Die Erklärung des Blutregens mit in hohen Schichten der Atmosphäre transportiertem Saharasand, der dann mit dem Regen herabregnet und diesen rot erscheinen lässt, war bereits in der Antike gefunden worden. Die zeitliche Verteilung der hier genannten 16 Beobachtungen von Blutregenereignissen und anderen mit Blut in Verbindung stehenden Naturereignissen sieht folgendermaßen aus: Tab. 51: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Blut-(regen-)Ereignisse von 500 bis 1100 Gesamt 16 100 %

6. Jh. 3 18 %

7. Jh. 1 6%

8. Jh. 1 6%

9. Jh. 6 37 %

10. Jh. 1 6%

11. Jh. 4 25 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtungen liegen im 9. Jahrhundert mit über einem Drittel und im 11. Jahrhundert mit genau einem Viertel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7., 8. und 10. Jahrhundert überliefert. Insgesamt scheint das Phänomen „Blutregen“ zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert im Schnitt nur alle 40 Jahre vorgekommen oder zumindest dokumentiert worden zu sein, was in Bezug auf die 600 Jahre Untersuchungszeit bei 15 Vorkommen einer Quote von 2,5 Prozent entspricht. Das Wissen um diese Erklärung war aber nicht allgemein verbreitet, weshalb das Phänomen, als es 1027 in England beobachtet wurde, dort als Vorzeichen ernst genommen wurde. Dies zeigt der Brief Herzog Roberts I., in dem er bei zwei Gelehrten anfragt, was es mit dem Phänomen auf sich habe. Er verdeutlicht, dass der Blutregen als solcher von den Zeitgenossen sehr ernst genommen wurde. Dem Blutregen als atmosphärischem Großereignis, welches eine bestimmte Druckgebietskonstellation erfordert, stehen die kleinräumigen Verfärbungen von Gewässern gegenüber, die durch das Auftreten von Bakterien oder Algen oder durch eisenhaltige Verbindungen erfolgen; solche sind für die Jahre 591, 1014 und 1092 überliefert. Der Eintrag in den Annales Fuldenses zum Jahr 860 könnte instrumentalisiert worden sein, denn zum einen fehlt die Parallelüberlieferung, zum anderen und das ist gewichtiger, fällt aufgrund der Begleiterscheinungen in besagtem Jahr der Saharasand als Erklärung wohl weg und es muss auf einen vulkanischen Ursprung verwiesen werden. Da dies der einzige Fall wäre, und zudem die Nennung in die Zeit fällt, in der die Autoren der Annales Fuldenses sich in der Ereigniswiedergabe stark

Beschreibungen von Blutwundern | 547

an der Offenbarung des Johannes orientieren,1169 könnte die Beschreibung ein falsch datiertes Ereignis wiedergeben. Tab. 52: Überlieferte Blut-(regen-)Ereignisse von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Beschreibung

BR1

580

Francia, Paris

Blut aus Wolke Epidemie folgt

Gregor von Tours

BR2 591

Tirol

Blut aus Wolke harter Winter

Paulus Diaconus

BR3 591

Emilia-Romagna

Blut im Fluss

Eisen/Bakterien Paulus Diaconus

BR4 685–693

Irland, Leinster

Blutregen

Saharasand

Ostfranken

Himmel / Erde Bakterien

[zahlreich > 4]

BR6 08.05.839

Italien, Ravenna

Blutregen

Saharasand

Lib. pontif. Ravennatis

BR7 860

Rheinland

Blutschnee

Tephra?

Ann. Fuldenses

BR8 863

Irland

Blutregen

?

Iri. Ann. (AC)

BR9 22.05.874

Brixen

Blutregen

Saharasand

Sigebert von Gembloux

BR5

786

mögl. Ursache

Quellen

Iri. Ann. (CS, FM)

BR10 878

Schottland

Blutregen

?

Chronicum Scotorum

BR11 898

Schottland

Blutregen

?

Chronicum Scotorum

BR12 05.954

Italien, Salerno

Blutregen

Saharasand

Romoald

BR13 1001/1014

Island?

Blutregen

?

isländ. Sagas

BR14 1014

Sachsen

Blutsee

Bakterien/Eisen Thietmar v. Merseburg

BR15 1027

England

Blutregen

Saharasand

BR16 1092

Ungarn, Theiß

blutfarb. Fluss Eisen/Bakterien Bernold von Konstanz

Fulbert von Chartres

3.9.2 Beschreibungen blutroter Seen und Gewässer Als natürliche Ursache blutiger Gewässer kommen dabei in Frage: Eisen oder Bakterien. Köhler gab zuletzt an, dass diese durch Mikroorganismen verursacht worden seien, die roten Farbstoff bilden.1170 Im Fall stehender Gewässer kann es vor allem durch die einzellige Alge Euglena sanguinea zu einer Rotfärbung kommen.1171

|| 1169 Vgl. Kapitel 5.1.6 Die Folie der Topoi des Fuldaer Annalisten. 1170 Köhler, Blutwunder und Wunderblutbakterien (2011), 50. 1171 Köhler, Blutwunder und Wunderblutbakterien (2011), 49.

548 | Extreme Witterungsereignisse

Gregor von Tours berichtet: „Im Jahr 585 verwandelte sich auf einer Insel, die ganz nahe bei der Stadt Venedig liegt, das Wasser eines großen und fischreichen Teiches eine Elle tief in Blut. Eine unzählige Menge von Hunden und Vögeln versammelte sich dann viele Tage lang dort, leckte das Blut auf und ging am Abend gesättigt fort.“1172 Eine Ursache nennt er nicht, aber es könnte sich durchaus um eine Algenblüte der Rotalge (Rhodophyceae) handeln. Nach aktuellen Untersuchungen machten solche Algen (vor allem Ulva rigida) früher einen hohen Betsandteil unter den Makroalgen in der Lagune von Venedig aus. Erst in den letzten 40 Jahren kam es zu einem Anwachsen der Chlorophycae.1173 Zum Jahr 764 wird in irischen Quellen ohne weiteren Kommentar oder Einordnung „ein blutiger Strom überall in Irland“ genannt.1174 Da der Strom überall auftritt, kann eine punktuelle Verunreingung mit Eisenverbindungen ausgeschlossen werden. Damit dürfte ein massenhaftes Auftreten von Rotalgen wahrscheinlicher sein. Als die Äbtissin Hathui von Gernrode am 4. Juli 1014 starb,1175 wurde dieses Ereignis von Thietmar folgendermaßen wiedergegeben: „Ihren Tod kündigten folgende Zeichen an: Der Teich, welcher nach Osten vor dem Orte liegt [wohl der heute sogenannte Osterteich] erschien am Tag vor ihrem Tod bis zum Mittag rot wie Blut und darauf verwandelte sich seine Farbe in Grün.“1176 Die Beschreibung lässt auf eine Algenblüte zunächst mit roten Algen (Rhodophyceae) schließen, die später von grünen Algen (Chlorophycae) verdrängt wurden. Nach der Chronik Bernolds von St. Blasien ereigneten sich im Jahr 1092 in Ungarn viele Prodigien, unter anderem „floss der Fluss Theiß drei Tage lang blutrot.“1177 Insgesamt wäre künftig zu untersuchen, bei welchen Witterungsverhältnissen es zu einer Explosion der Algenblüte, also einer massenhaften Vermehrung von Phytoplankton kommt.

|| 1172 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 25. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer Merov. 1.1, 389 f.; FSGA 3, 192 f.: In alia vero insola, quae est proxima civitate Veneticae, erat stagnum validum piscibusque refertum, quod in unius ulnae altitudine conversum est in cruore; ita per dies multus congregata canum atque avium inaestimabilis multitudo, sanguinem hoc lambens, satiata redibat in vesperum. 1173 Sfriso/Pavoni, Macroalgae and phytoplankton (1994), 1–14; Lasserre/Marzollo, Venice Lagoon Ecosystem (2000), 148 f. 1174 Chronicle of Ireland, ad a. 764. Ed. Charles-Edwards (AU), 232: A bloody flux throughout Ireland. Annals of Tigernach, ad a. 764. Ed. Stokes, Bd. 1, 262: A flux of blood in all Ireland. 1175 Vgl. RI II, 4 Nr. 1850a: „Heinrich überträgt der Äbtissin Adelheid von Quedlinburg das Nonnenkloster Gernrode, dessen Äbtissin Hathui am 4. Juli 1014 verstorben war.“ 1176 Thietmar von Merseburg, Chronik, 7, 3. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 402; FSGA 9, 35 f.: Huius obitum signa prenuntiabant ista. Vivarium, quod in orientali parte urbis est positum, usque in mediam diem apparuit sanguineum et post viridi colore est variatum. 1177 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1092. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 496; FSGA 14, 388 f.: In Ungaria his temporibus multa prodigia contigerunt, ut audivimus. (…) Fluvius quoque Thizaha per triduum sanguineus fluxit.

4 Auswirkungen und Folgen In den vorangegangenen Kapiteln standen zunächst die astronomisch, gravitativ und tektonisch verursachten Naturereignisse im Vordergrund, die einen mehr oder weniger starken Einfluss auf das Witterungs- und Klimasystem des Planeten Erde haben. Im dritten Kapitel lag der Fokus auf den daraus resultierenden Witterungsereignissen, die von den mittelalterlichen Zeitgenossen nicht beeinflusst werden konnten, aber unmittelbar Einfluss auf deren Leben nahm. Wie gezeigt werden konnte, wurden in den Quellen der hier behandelten Epoche nur die extremsten Witterungsereignisse dokumentiert. Die unterschiedlichen Witterungsextreme führten in der Folge einerseits zu verschiedenen Gefährdungen, für welche die Zeitgenossen die verschiedenen Begriffe von Plagen verwendet haben, andererseits zu den viel selteneren Gunstsituationen. Mit den Folgen des Einflusses der Rahmenbedingungen auf das nähere Umfeld der Menschen können teilweise die Individuen selbst, teilweise nur die Gesellschaft als Ganzes umgehen. Im Anschluss daran werden zunächst die Plagen durch Heuschrecken und andere Tiere betrachtet, dann die durch die schlechte Witterung ausgelösten Hungersnöte und erhöhte Sterblichkeit bei Tieren und Menschen aufgrund unterschiedlicher Ursachen, weiterhin die epidemischen Pilzvergiftungen und die (ungeklärten) Erscheinungen von Kreuzen auf der Kleidung. Am Ende dieses Kapitels stehen Nachrichten über Weinernten, die im Spätmittelalter eine wichtige Funktion bekamen im Vordergrund und zum Abschluss werden noch die von den Zeitgenossen als „gute Jahre“ bezeichneten zeitlichen Abschnitte beleuchtet. Nach Klärung und Zusammenführung aller dieser Phänomene, die wiederum Folgen anderer natürlicher Erscheinungen sind, geht es dann im fünften Kapitel um die früh- und hochmittelalterlichen Bewältigungsstrategien der bisher dargestellten Naturereignisse.

4.1 Beschreibungen von Heuschreckenplagen Das Buch Exodus enthält bei der Beschreibung der zehn Plagen an achter Stelle die Heuschrecken in Ägypten: „Des Morgens führte der Ostwind die Heuschrecken her. Und sie kamen über das ganze Ägyptenland und ließen sich nieder an allen Orten in Ägypten, so viele, dass zuvor desgleichen nie gewesen ist, noch hinfort sein wird. Denn sie bedeckten das Land und verfinsterten es. Und sie fraßen alles Kraut im Lande auf und alle Früchte auf den Bäumen, die der Hagel übriggelassen hatte, und

https://doi.org/10.1515/9783110572490-004

550 | Auswirkungen und Folgen

ließen nichts Grünes übrig an den Bäumen und am Kraut auf dem Felde in ganz Ägyptenland.“1 Auch in der Offenbarung des Johannes werden, als während der fünften Posaune der Abgrund geöffnet wird, Heuschrecken erwähnt, die über die Erde herfallen.2 Daneben haben natürlich auch antike Autoren Heuschrecken und ihr plagenartiges Auftreten beschrieben und gedeutet.3 Plagen von Tieren beeinflussen das Leben der Menschen vor allem, wenn von ihnen, wie bei den Heuschrecken, eine Bedrohung der Nahrungsgrundlage ausgeht. Dann werden sie als Naturereignisse im weiteren Sinne von den betroffenen Menschen als Katastrophe erlebt: „Aussagen über ‚Heuschrecken in Mitteleuropa‘ lösen heute eher ungläubiges Erstaunen aus. Tatsächlich waren Heuschrecken im Brandenburg des 18. Jahrhunderts ein häufiger und gefürchteter Fraßschädling.“4 Der Forschungsstand zu Heuschrecken5 (locustae) ist – wie zu erwarten – inhomogen. Einige allgemeine Werke beginnen bei den biblischen Darstellungen. Für die Antike gibt es eine Reihe von Untersuchungen,6 deren chronologisch letzte sich mit der Heuschreckenplage am Übergang vom 5. zum 6. Jahrhundert befasst.7 Während das Früh- und Hochmittelalter besonders in Bezug auf Irland8 oder das 11. und 12. Jahrhundert ausgewertet wurden,9 gibt es zum Spätmittelalter mehrere Fallstudien, so etwa für Zypern im Jahr 135110 oder für Tirol.11 In der diachronen Überschau scheinen besonders die trockenen Perioden zur Ausbreitung von Heuschreckenzügen in Mitteleuropa geführt zu haben. Rohr zählt Züge des 6. und 9. Jahrhunderts auf, dann wieder mit einer besonders hohen Frequenz solche im 14. Jahrhundert (1310, 1338– 1341, 1364, 1366), im 15. Jahrhundert (1477, 1480) und im 16. Jahrhundert (1540, 1547), danach scheinen sie erst wieder zwischen 1690 und 1694 auf.12 In seiner Aufstellung über die Tiere im Mittelalter fügt Delort auch ein Kapitel über Wanderheuschrecken

|| 1 2. Mose 10,13–15: Et mane facto, ventus urens levavit locustas; quae ascenderunt super universam terram Aegypti et sederunt in cunctis finibus Aegyptiorum innumerabiles, quales ante illud tempus non fuerant nec postea futurae sunt. Operueruntque universam superficiem terrae, et obscurata est terra. Devoraverunt igitur omnem herbam terrae et, quidquid pomorum in arboribus fuit, quae grando dimiserat; nihilque omnino virens relictum est in lignis et in herbis terrae in cuncta Aegypto. 2 Offb 9,3: Et de fumo exierunt locustae in terram, et data est illis potestas, sicut habent potestatem scorpiones terrae. 3 Gossen, Heuschrecken (1913), 1381–1386. 4 Hermann/Sprenger, Landesverderbliche Übel (2011), 351. 5 Weber, Heuschrecke (1988), 1231–1250; Hünemörder, Heuschrecken (1989), 2197 f.; Weinstein, Insect Hazards (2013), 540–542. 6 Beavis, Insects and other Invertebrates (1988), 62–78; Graszl, Heuschreckenplagen (1998), 439–447. 7 Beyer, Chronik einer Zeit der Not (2005), 87–92. 8 Camuffo/Enzi, Locust Invasions (1991), 43–73. Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 37–53. 9 Cushing, “Locustae“ and dangerous men (2005), 740–757. 10 Jennings, Origins of the locust problem (1987), 315–325; Jennings, Locust problem (1988), 279–313. 11 Rohr, Heuschreckenplagen (2009), 20–25. 12 Rohr, Wahrnehmung (2010), 2.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 551

ein und nennt dort ihr Auftreten in den Jahren 560, 584 bis 589, 591 und 592, 873, 941, 1031, 1195, 1242, 1337, 1353, 1374 sowie 1472 bis 1478.13 Damit Heuschrecken zur Plage werden können, müssen relativ warme Bedingungen von über 24°C (nach anderen Angaben reichen bereits 20°C als mittlere Temperatur im Juni) und komplexe meteorologische Bedingungen herrschen.14 Die Fruchtbarkeit der Heuschreckenweibchen ist bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent am höchsten.15 Aufgrund rezenter Beobachtungen im 19. und 20. Jahrhundert sind die in Mitteleuropa vorkommenden Heuschrecken einerseits dem Typ Locusta migratoria migratoria zuzuordnen, andererseits ist die in Nordeuropa und dem Mittelmeerraum beobachtete Art Schistocerca gregaria, die sogenannte „Wüstenheuschrecke“ heimisch.16 Andere Arten, wie die in Nordwesteuropa auftretende Locusta migratoria rossica und der in Südeuropa und im Mittelmeerraum vorkommende Calliptamus italicus sind vergleichsweise klein und neigen nicht zum Wandern.17 Solche nicht wandernden Arten wurden aber bereits von den Zeitgenossen zur vergleichenden Betrachtung der massenhaft auftretenden Heuschrecken heranzogen.18 Das Auftreten von Wanderheuschrecken in Europa kann aufgrund von drei Arten erfolgen: Der Unterfamilie Cryptanthacridinae der Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria), der Unterfamilie Gomphocerinae der Marokkanischen Wanderheuschrecke (Dociastaurus maroccanus) und der Unterfamilie Oedipodinae der Gattung der Europäischen Wanderheuschrecke (Locusta migratoria). Die ursprünglichen Verbreitungsgebiete der ersten beiden Arten sind die trockenen Gebiete Nordafrikas, der Mittelmeerregion bis nach Zentralasien, dabei erreichen sie bei ihren Zügen auch Spanien und Italien. Das Verbreitungsgebiet von Locusta migratoria liegt in weniger trockenen Gebieten und reicht vom Nigerbecken über die gesamte Zone zwischen den Wendekreisen, von Südostasien, Australien bis nach Neuseeland.19 In Mitteleuropa tritt besonders die Unterart Locusta migratoria migratoria in großen Schwärmen auf, die vor allem über drei Hauptwege von ihren Ruheplätzen nach Europa gelangen; über einen nördlichen Weg aus dem Inneren Russlands, auf einem zweiten Weg vom Norden des Karpaten-Bogens, von Bessarabien bis in die polnische Tiefebene und auf

|| 13 Delort, Elefant (1987), 177. 14 Vgl. World Meteologocical Organization: http://www.wmo.ch/agm/Meetings/milc-geneva/mtgreport-MILC.pdf (17.8.2006); McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 886 Anm. 63. 15 Delort, Elefant (1987), 187 f. 16 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 46. 17 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 45 f. 18 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 2. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 116 f.; Ed. Schwarz, 224 f.: Hoc anno fuit siccitas nimium gravis a mense Ianuario usque ad mensem Septembrium; et facta est magna penuria famis. Venit quoque et magna locustarum magnitudo in territorium Tridentinum, quae maiores erant quam ceterae locustae; et mirum dictum, herbas paludesque depastae sunt, segetes vero agrorum exigue contigerunt. Sequenti quoques anno pari nihilominus modo adventarunt. 19 Delort, Elefant (1987), 189 f.

552 | Auswirkungen und Folgen

einem dritten Weg ausgehend von den Feuchtgebieten am Schwarzen Meer über das Donautal.20 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass drei Arten von Wanderheuschrecken in Europa auftreten können. Am wahrscheinlichsten ist das Auftreten der europäischen Wanderheuschrecke. Ihre Herkunftsgebiete liegen in den angrenzenden Landmassen, entweder in Nordafrika oder in der eurasischen Kontaktzone. Dementsprechend sind mehrere Zugwege möglich. Das explosionsartige Auftreten von Heuschrecken in Mitteleuropa setzt eine besondere witterungstechnische Situation an deren Ruheplätzen voraus. Für das in der hier behandelten Untersuchungszeit mehr als zehn Mal gesichert nachweisbare Auftreten von plagenartigen Heuschreckenschwärmen sind einerseits Wüstenheuschrecken21 aus Westafrika und andererseits Wanderheuschrecken aus dem Donaudelta22 als Ursachen auszumachen. Methodische Schwierigkeiten bereitet jedoch die sichere Aussage darüber, welche Heuschreckenart welches Gebiet heimgesucht hat. Im Allgemeinen wird von der Europäischen Wanderheuschrecke (locusta migratoria) ausgegangen, die in warmen und trockenen Klimaten auftritt und etwa zwei bis sechs Zentimeter groß wird. Bei einer Flughöhe von bis zu 200 Metern erreichen diese Insekten Fluggeschwindigkeiten von 12 bis 18 km/h. Sie ernähren sich von sämtlichen Pflanzenteilen, auch von Rinde und holzigen Zweigen. Pro Tag können sie bis zum Doppelten ihres Eigengewichtes aufnehmen. Im Lebensrhythmus von Heuschrecken gibt es zwei Erscheinungsformen, die jeweils hormonell gesteuert sind. Während der Solitärphase leben die Tiere über Jahre hinweg allein. Demgegenüber steigt ihre Zahl in der Gregärphase sprunghaft an und die Tiere schließen sich zu Schwärmen von bis zu zwei Milliarden Individuen zusammen. Diese etwa zwölf Quadratkilometer großen Schwärme werden in ihrer Zugrichtung vor allem von den herrschenden Winden beeinflusst. Die jüngeren flügellosen Tiere bilden die Hüpferschwärme, die älteren geflügelten Tiere die Luftschwärme. Bei heißem und nicht zu feuchtem Wetter legen die Heuschrecken ihre Eier im Boden ab, aus denen im Folgejahr Larven schlüpfen, die wiederum zu Heuschecken herangewachsen, die Plage erneuern und verlängern. Bei schlechter Witterung, besonders bei starkem Regen und Kälte, verschwinden die Schwärme relativ schnell wieder.23 Das Auftreten der gefürchteten Wanderheuschrecken wurde jedoch nur von einigen mittelalterlichen Zeitgenossen mit der in der Bibel beschriebenen ägyptischen Plage verglichen. Häufiger scheint ihnen wohl der im Buch Joel enthaltene Bericht über Heuschrecken vor Augen gewesen zu sein.24 Vergleichsweise oft sind metapho-

|| 20 Delort, Elefant (1987), 190–193. 21 Baron, Achte Plage (1975), 34, 103 f. 22 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 49: „(…) the most later locusts incursions into western Europa were West Pontian.“ 23 Delort, Elefant (1987), 187 f. 24 Rohr, Wahrnehmung (2010).

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 553

rische Bezüge auf Heuschrecken zu finden, deren schwarm- und überfallartiges Auftreten sich wohl besonders für literarische Vergleiche eignete. Die moderne Forschung hat sich bisher überwiegend mit den antiken und spätmittelalterlichen Quellenstellen beschäftigt, die früh- und hochmittelalterlichen sind noch weitgehend unbearbeitet.25 Das plötzliche Auftreten der Insektenschwärme war für die mittelalterlichen Menschen unerwartet. Dies resultierte in der Deutung darin, dass entweder Kriegsmetaphorik oder biblische Schilderungen bemüht wurden. Rohr hat fünf Stellen identifiziert, deren ausführliche Schilderung als Vorbild für die Darstellung von Heuschrecken in mittelalterlichen Annalen und Chroniken gedient haben. Zunächst war dies natürlich die Schilderung der ägyptischen Plagen im Buch Exodus.26 Diese lange Passage wurde in Psalm 104 (105) folgendermaßen zusammengefasst: „Er sandte Finsternis, und es ward Nacht, damit sie seinen Worten nicht widerstreben möchten. Er verwandelte ihre Gewässer in Blut und tötete ihre Fische; ihr Land wimmelte von Fröschen bis in die Gemächer ihrer Könige. Er sprach; und es kamen Fliegenschwärme, Mücken in alle ihre Grenzen. Er gab ihnen Hagel statt Regen, Feuerflammen auf ihr Land; und er schlug ihre Weinstöcke und Feigenbäume und zerbrach die Bäume in ihrem Land. Er sprach; da kamen Heuschrecken und Käfer ohne Zahl, die fraßen alles Kraut im Lande und verzehrten ihre Feldfrüchte.“ 27 Aufgrund seiner Anschaulichkeit wurde dieser Psalm noch häufiger wörtlich oder sinngemäß übernommen als die ausführliche Darstellung im 2. Buch Mose.28 In dem bereits genannten Buch Joel29 finden sich die genauen Beschreibungen der physischen Merkmale der Tiere, die dann in den mittelalterlichen Quellen fast wörtlich wiedergegeben wurden.30 Die apokalyptische Schilderung bei Joel führte zu einer Verbindung der Heuschrecken mit den apokalyptischen Reitern in der Offenbarung des Johannes.31 Der Vergleich der Heuschrecken mit den Kriegern einer Armee findet sich dort beim Erschallen der fünften Posaune.32

|| 25 Hünemörder, Heuschrecken (1989), 2197 f. 26 2. Mose 10,3–19. Darauf nehmen andere Stellen Bezug wie das Buch der Weisheit 16,9. 27 Ps 104 (105), 28–36: Misit tenebras et obscuravit, et restiterunt sermonibus eius. Convertit aquas eorum in sanguinem et occidit pisces eorum. Edidit terra eorum ranas in penetralibus regum ipsorum. Dixit, et venit coenomyia et scinifes in omnibus finibus eorum. Posuit pluvias eorum grandinem, ignem comburentem in terra ipsorum. Et percussit vineas eorum et ficulneas eorum et contrivit lignum finium eorum. Dixit, et venit locusta et bruchus, cuius non erat numerus, et comedit omne fenum in terra eorum et comedit fructum terrae eorum. 28 Rohr, Wahrnehmung (2010), 4. 29 Joel 1,2–2, 11. 30 Rohr, Wahrnehmung (2010), 3 f. 31 Offb 6,1–8; vgl. Rohr, Wahrnehmung (2010), 5. 32 Offb 9,1–11.

554 | Auswirkungen und Folgen

Delort ging davon aus, dass die zum Jahr 558/560 genannte Schilderung zweier Heuschreckenschwärme in einer Art Schlacht bei Gregor von Tours einer realen Begebenheit entsprang. Jedoch rückt die häufig im Zusammenhang mit dem Auftreten dieser Tiere belegte Metaphorik aus dem Bereich des Kriegswesens diese Perzeption in die Nähe anthropomorphisierender Naturdeutungen.33 Anlässlich der Schilderung der Schlacht, die im Jahr 558 in der Bretagne zwischen König Chlothar und seinem Sohn Chramm stattfand, verwendete Gregor, der die Bücher I–IV in den Jahren 573 und 575,34 also mit mindestens 15 Jahren Abstand zum Geschehen geschrieben hat, einige Bibelzitate35 und ließ unmittelbar vor der Darstellung der Schlacht zwei Heuschreckenschwärme aufeinandertreffen: „Damals erschienen auch zwei Heuschreckenschwärme, welche über Clermont und Limoges kamen, und, wie man erzählt, in die Ebene von Romagnat36 zogen, wo sie miteinander in Kampf gerieten und sich schwer schädigten.“37 Diese Schilderung scheint sinnbildlich und anthropomorphisierend für die Heere von Vater und Sohn zu stehen und muss nicht auf tatsächliche Heuschreckenschwärme hinweisen. Auch in späteren Zeiten wird das Verhalten von Heuschrecken von unterschiedlichen Augenzeugen mit einem Kriegsheer verglichen.38 So übertrug etwa Regino von Prüm in seiner Darstellung des Heuschreckeneinfalls des Jahres 873 in einem minuziös durchgeführten Vergleich seine Heer- und duces-Vorstellungen sowie seine militärisch-politischen Erfahrungen auf die Schilderung der Heuschreckenplage.39 Ähnliche Perzeptionen finden sich auch in der Chronik Fulchers von Chartres und in zahlreichen weiteren späteren Beispielen.40 Ihren Ursprung dürfte diese Deutung in der Darstellung im Buch Joel haben, in dem das „Verwüsterheer am Tag des Herrn“ geschildert wird:

|| 33 Wegmann, Naturwahrnehmung im Mittelalter (2005), 82 f. 34 Anton, Gregor von Tours (1989), 1679–1682. 35 2. Sam 18; Ps 80,15; Ps 43,1; 3. Mos 19,15. 36 Dép. Puy-de-Dôme, in der Nähe von Clermont. 37 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 20. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 153; FSGA 1, 222–225: Tunc duae acies locustarum apparuerunt, quae per Arvernum atque Limovicium transeuntes, ut ferunt, Romaniacum campum venerunt, in quo, proelium inter se actum, maxime sunt conlisae. 38 Weidner, Wanderweg (1986), 49: „Ihre Gesamtheit wird mit einem Kriegsheer verglichen, das aus vielen Abteilungen zusammengesetzt ist, die in verschieden großen Abständen hintereinander herfliegen. Zuerst kam ein dicker Schwarm als die ‚Avantgarde‘, dann folgte das andere Heer als wie das ‚Corpus’ und endlich das dritte wie eine ‚Arrieregarde‘. An den folgenden Tagen kamen unterschiedliche nachgeflogen, die man ‚Troß‘ oder ‚Meroden‘ nennen könnte.“ 39 Wegmann, Naturwahrnehmung im Mittelalter (2005), 83. 40 Fulcher von Chartres, Historia, 60, 2. Ed. Hagenmeyer, 2, 602 f.: (…) deinde Maio mense advolaverunt in terram Hierosolymitanam locustarum infinita multitudo, ampulius solito devorantes tam vineas quam segetes necton arbores omnigenas, quas videretis acurate ad morem exercitus hominum per vias, tanquam consilio provido prolocutas, ordinate procedi. Et facta expeditione sua diurna, aliae pedites, aliae vero volantes, hospitium sibi communiter eligebant. Consumptis itaque herbis viridibus et arborum corrosis corticibus, tam bruci quam locustae catervatim abierunt. Vgl. Epp, Fulcher von Chartres (1990), 114; weitere Beispiele: Wegmann, Naturwahrnehmung im Mittelalter (2005), 83 f.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 555

„Stoßt in die Posaune zu Zion und blaset Lärm auf meinem heiligen Berge, dass alle Bewohner des Landes erzittern; denn der Tag des Herrn kommt, er ist nahe, ein finsterer und dunkler Tag, ein bewölkter und neblichter Tag. Wie Morgenrot breitet sich über die Berge aus ein großes, mächtiges Volk, desgleichen von Ewigkeit her nicht gewesen ist und auch in künftigen Zeiten nicht mehr sein wird. Fressendes Feuer geht vor ihm her und hinter ihm her eine lodernde Flamme: ist das Land wie der Garten Eden vor ihm gewesen, hinter ihm ist es eine öde Wüste; und man kann ihm nicht entrinnen! Wie Rosse sehen sie aus, und wie Reiter rennen sie. Wie rasselnde Kriegswagen kommen sie über die Berge her, wie eine Feuerflamme, welche prasselnd das Stroh verzehrt, gleich einem mächtigen Heer, das zum Kampf gerüstet ist. Vor ihm erzittern die Völker, alle Angesichter verfärben sich. Wie Helden laufen sie, wie Krieger ersteigen sie die Mauer, jeder geht seines Weges, und keiner kreuzt des anderen Pfad. Keiner drängt den andern, jeder geht seine eigene Bahn; zwischen die Lanzen stürzen sie sich und lassen sich nicht aufhalten. Sie laufen in die Stadt, rennen auf der Mauer, erklimmen die Häuser, steigen wie Diebe zum Fenster hinein. Vor ihnen erbebt die Erde, der Himmel zittert, Sonne und Mond kleiden sich in Trauer, und die Sterne verlieren ihren Schein. Und der Herr lässt seine Stimme hören vor seinem Kriegsvolk her; denn sehr groß ist sein Heerlager und gewaltig sind, die seinen Befehl vollstrecken. Ja, groß ist der Tag des Herrn und sehr schrecklich; wer kann ihn ertragen?“41

Im Liber Pontificalis werden zum Jahreseintrag 452 die heranziehenden Feinde mit unzähligen Heuschrecken verglichen.42 Und auch bei Otto von Freising liest man, dass die im Jahr 955 Mitteleuropa heimsuchenden ungarischen Reiterheere nach Art der Heuschrecken über das Land gezogen wären.43 In einem Brief Kaiser Ludwigs II. (Ks. 855–875) von Italien an den oströmischen Kaiser Basileios I. (Ks. 867–886) in Konstantinopel, der im Frühjahr oder Sommer 871 von Anastasius bibliothecarius verfasst wurde und im Chronicon Salernitanum überliefert ist,44 zieht Ludwig – zwei

|| 41 Joel 2,1–11: Canite tuba in Sion, ululate in monte sancto meo; conturbentur omnes habitatores terrae, quia venit dies Domini, quia prope est. Dies tenebrarum et caliginis, dies nubis et turbinis; quasi aurora expansa super montes populus multus et fortis: similis ei non fuit a principio, et post eum non erit usque in annos generationis et generationis. Ante faciem eius ignis vorat, et post eum exurit flamma. Quasi hortus Eden terra coram eo, et post eum solitudo deserti; neque est quod effugiat eum. Quasi aspectus equorum aspectus eorum, et quasi equites sic current. Sicut sonitus quadrigarum super capita montium exsiliunt, sicut sonitus flammae ignis devorantis stipulam, velut populus fortis praeparatus ad proelium. A facie eius cruciabuntur populi, omnes vultus candentes. Sicut fortes currunt, quasi viri bellatores ascendunt murum; unusquisque in viis suis graditur, et non declinant a semitis suis. Unusquisque fratrem suum non coarctat, singuli in calle suo ambulant, per media tela prorumpunt sine intermissione. Urbem ingrediuntur, in murum discurrunt, domos conscendunt, per fenestras intrant quasi fur. A facie eius contremuit terra, moti sunt caeli, sol et luna obtenebrati sunt, et stellae retraxerunt splendorem suum. 42 Agnelli Liber Pontificalis ecclesiae Ravennatis, ad a. 452. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Lang. 1, 300: Cum ab ora Ravennatum properasset, ut eam eversam et eius habitatores telis interemisset, atque illius hostes ut multitudo locustarum per sablonosa loca fusa iacerent, die uno et altero indutus et circumfultus arma bellica, pectusque suum ambone tegebat, cristatus capite, cum exercitu gradiebat. 43 Otto von Freising, Chronica, 6, 20. Ed. Hofmeister, MGH SS rer. Germ. 45, 281; FSGA 16, 463: Ungarorum gens sevissima cum innumera multitudine erupit ac totam terram more locustarum operiens ad Licum usque contra urbem Augustensem (…) pervenit. 44 Rep. Font. 2, 222.

556 | Auswirkungen und Folgen

Jahre vor dem Auftreten des großen Heuschreckeneinfalls 873 in Europa – eine Parallele zu dem Verhalten von Heuschrecken.45 Neben diese metaphorische Verwendung des überfallartigen Auftretens von Heuschrecken treten die tatsächlichen Ereignisse, bei denen Heuschrecken als unmittelbare Bedrohung der Ernte beobachtet und beschrieben wurden. Konkret finden sich solche Beschreibungen im 5. Jahrhundert, als vom 1. September 455 bis zum 31. August 456 ein unzähliger Heuschreckenschwarm die Ernten in Phrygien zerstört haben soll.46 Als nächstes folgt eine Beschreibung eines Heuschreckeneinfalls zwischen 472 und 542 in Nordafrika, welcher in der Lex Visigothorum genannt wurde, als während der vom 18. Juli bis 18. August angesetzten Erntezeit in der Provinz Karthago vom 18. Juli bis 1. August beständig Zerstörungen angerichtet wurden, ebenso bei der Weinernte vom 17. September bis 18. Oktober.47 Bemerkenswert ist, dass Isidor die Darstellung der Heuschrecken vergleichsweise überraschend kurz hält und nicht auf biblische Bezüge eingeht: „Die Heuschrecke (locusta) [heißt so], weil sie so lange Beine hat wie eine Lanze, woher die Griechen auch sowohl die Landheuschrecke als auch die Wasserheuschrecke (= Krabben) (eine Krebsart) nennen.“48 Ein identischer Eintrag findet sich bei Hrabanus (De rerum naturis 8, 7). Eine ausführliche Schilderung von Heuschrecken enthält auch die Vita des heiligen Severin: „Ein andermal wieder hatte sich im Gebiet desselben Kastells ein Schwarm von Heuschrecken, Vernichtern der Feldfrucht, niedergelassen und verwüstete alles mit den verderblichen Beißwerkzeugen. In ihrer Bestürzung über dieses Unglück wandten sich alsbald die Presbyter und alle übrigen Ortsbewohner mit dringenden Bitten an den heiligen Severin und sprachen: „Wir bitten zur Befreiung von dieser schrecklichen Plage um die erprobte Hilfe deiner Gebete, deren gewaltigen Einfluss beim Herrn wir unlängst anlässlich des großen Wunders kennen gelernt haben, als die Kerzen durch Himmelsmacht entzündet wurden.“ Er aber sprach gar fromm zu ihnen: ‚Habt ihr nicht gelesen, was Gott dem sündigen Volk durch den Propheten befohlen hat: ‚Heiligt ein Fasten, ruft das Volk zusammen, versammelt die Gemeinde‘, und so weiter? Erfüllt also in würdiger Weise, was ihr nur lehrt, damit ihr dem augenblicklichen Unheil schnell ent-

|| 45 Ludovici II. Imperatoris epistola ad Basilium I. Imperatorem Constantinopolitanum missa (MGH Epp. 7, 391): Vestri autem sicut bruchi prae multitudine apparentes et sicut locustae primum impetum dantes, eo ipso quo conatum suum in prima fronte monstraverunt, pusillanimitate superati protinus infirmati sunt et more locustarum repente quidem salierunt, (…). 46 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 456. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 86; Chronicle. Ed. Croke, 22: VIIII. Varanae et Iohannis: His consulibus innumera lucustarum agmina fructum Phrygiae vastaverunt. 47 Leges Visigothorum, 2, 1, 12 (ad a. 470–542), Ed. Zeumer, MGH LL nat. Germ. 1, 59 f.: (…) Necnon et pro messivis feriis a XV. kalendas Augustas usque ad XV. kalendas Septembres, in Cartaginensi vero provincia propter locustarum vastationem adsiduam XV. kalendas Iulias usque in kalendas Augustas messivas ferias precipimus observandas et propter vindemias colligendas a XV. kalendas Octobres usque ad XV. kalendas Novembres. 48 Isidor, Etymologiarum libri, 12, 8. Ed. Lindsay, Bd. 2, 9; Isidor, Enzyklopädie. Ed. Möller, 489: Locusta, quod longis pedibus sit uelut hasta, unde et eam Greci tam maritimam, quam terrestrem hastago appellant.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 557

kommt. Es soll aber niemand auf sein Feld hinausgehen, als ob er durch die menschlichen Bemühen den Heuschrecken Einhalt gebieten könnte, damit Gotte Unmut nicht noch mehr herausgefordert wird.‘ Darauf beten alle in der Kirche Psalmen, bis auf einen armen Mann, der seinen kleinen Acker vor den Heuschrecken zu schützen versucht. Genau dessen kleines Stück wird dann von den Heuschrecken leergefressen, worauf Severin den Mann ermahnt und eine allgemeine Spendenaktion aufruft, um den Mann für ein Jahr mit Lebensmitteln zu versorgen.“49

4.1.1 Heuschreckenplagen im 6., 7., 8. und 9. Jahrhundert Bereits in der Chronik des Josua Stylites wird über das Jahr 498 geschildert: „Ein Beweis der Gerechtigkeit Gottes kam zu uns zu dieser Zeit, um uns anzuhalten, unsere Schlechtigkeiten zu korrigieren. Im Monat Mai dieses Jahres als der Tag anbrach des Festes der gottlosen Heiden, kam eine überwältigende Menge an Heuschrecken von Süden her in unser Land. Sie zerstörten aber nichts in diesem Jahr, sondern legten

|| 49 Eugippius, Vita Severini, 12, 1–3. Ed. Mommsen, MGH SS rer. Germ. 26, 23–25; Eugippius, Leben. Ed. Noll, 74–77: Alio rursus tempore in finibus eiusdem castelli locustae, frugum consumptrices, insederant copiose, noxiis morsibus cuncta vastantes. Tali ergo peste perculsi mox presbyteri ceterique mansores S. Severinum summis precibus adierunt dicentes: 'Ut tantae plagae auferatur atrocitas, orationum tuarum experta suffragia postulamus, quae magno dudum miraculo in accensis caelitus cereis multum apud dominum valere conspeximus'. Quos ipse religiosius allocutus: 'Non legistis', ait, 'quid auctoritas divina peccanti populo praeceperit per prophetam: "Convertimini ad me in toto corde vestro, in ieiunio et fletu" et post pauca: "Sanctificate", inquit, "ieiunium, vocate coetum, congregate ecclesiam", et cetera, quae sequuntur? Explete itaque dignis operibus, quae docet, ut malitiam facile praesentis temporis evadatis; nullus sane ad agrum exeat, quasi humana locustas sollicitudine vetiturus, ne divina amplius in dignatio provocetur'. Nec mora, omnibus in ecclesia congregatis unusquisque in ordine suo psallebat ex more. Omnis aetas et sexus, quae etiam voce non poterat, precem deo fletibus offerebat, eleemosynae fieri non cessabant, quicquid bonorum operum praesens necessitas exigebat, sicut famulus dei praeceperat, implebatur. Omnibus igitur huiuscemodi studiis occupatis quidam pauperrimus opus dei coeptum deserens ad agrum propriae segetis invisendi causa, quae perparva inter aliorum sata iacebat, egressus est totoque anxius die locustarum nubem impendentem qua potuit exturbavit industria moxque ecclesiam communicaturus intravit, sed segetem eins exiguam, multis vicinorum circumdatam frugibus, locustarum densitas devoravit. Quibus ea nocte ab illis finibus exterminatis imperio divino probatum est, quanti valeat fidelis oratio. Mane quippe sancti operis temerator atque contemptor rursus ad agrum suum male securus egrediens eum locustarum sub pernicie funditus invenit abrasum et omnium circumquaque sationes integras vehementer admirans ad castellum luctuosa vociferatione revertitur, cumque id, quod acciderat, indicasset, ad huiuscemodi videndum cuncti exiere miraculum, ubi quasi ad lineam regularem contumacis hominis segetem locustarum morsus ostenderant. Tunc omnium vestigiis provolutus intercessionibus eorum delicti sui veniam fusa lamentatione poscebat. Ob quam rem monendi occasionem homo dei reperiens docebat universos, ut omnipotenti domino discerent oboe dire, cuius imperiis obtemperant et locustae. Pauper vero praedictus flebiliter allegabat non posse se mandatis oboedire de cetero, si nulla sibi spes, qua viveret, remansisset. Tunc ergo vir dei ceteros allocutus: 'Iustum est', inquit, 'ut, qui proprio supplicio humilitatis vobis et oboedientiae dedit exemplum, liberalitate vestra anni praesentis alimenta percipiat'. Collatione itaque fidelium et correptus homo pauperrimus et ditatus didicit, quantum dispendii incredulitas inferat, quantum beneficii suis cultoribus conferat divina largitio.

558 | Auswirkungen und Folgen

ihre Eier in unser Land in nicht geringer Menge. Nachdem sie ihre Eier im Untergrund abgelegt hatten, geschah ein schreckliches Erdbeben und es ist klar, dass dies geschah, um die Menschen aufzuwecken von ihren Sünden abzulassen, in denen sie feststeckten, damit sie künftig nicht mehr mit Hunger und Epidemien geschlagen würden.“50 Zum Jahr darauf, 499, berichtet die Chronik weiter: „Im Monat März dieses Jahres kamen die Heuschrecken aus dem Untergrund. Zunächst, als sie nur krabbeln konnten, fraßen sie in allen arabischen Gebieten und ganz Rasʿain und Tella und Edessa. Aber nachdem sie fliegen konnten, vergrößerten sie ihren Radius bis an die Grenze nach Assyrien, zum Mittelmeer und sie wandten sich auch nach Norden, so weit wie die Grenzen nach Ortave.“ Die Chronik führt eine Geschichte um ein von den Heuschrecken angegriffenes menschliches Baby an. Die Schilderung fährt mit Hunger und dem Ansteigen der Kornpreise fort.51 Die Beschreibung des Heuschreckeneinfalls im Jahr 582/583 fällt mit dem Beginn der Weltgeschichte des Pseudo-Dionysius von Tell Mahre zusammen.52 Ein Auftreten von Heuschrecken in Europa 583 beschreibt auch Gregor von Tours, der sie die iberische Halbinsel heimsuchen lässt: „Die Heuschrecken zogen in diesem Jahr aus der Carpetanischen Provinz, welche sie fünf Jahre verwüstet hatten, der großen Heerstraße folgend, in eine andere benachbarte Provinz. Sie nahmen der Länge nach einen Raum von 150 Meilen, der Breite nach von 100 Meilen ein [ca. 150 bis 225 km].“53 Das entspricht einer Fläche von über 33.750 km2. Bei 4–8 Mio. Heuschrecken pro Quadratkilometer ergäbe sich eine Größenordnung von 130 bis 270 Milliarden Individuen. Gregor ergänzt zum folgenden Jahr 583/584: „Gesandte des Königs Chilperich kehrten aus Spanien heim und erzählten, dass die Carpetanische Provinz [am oberen Tajo um Toledo] schrecklich von Heuschrecken verwüstet worden sei, kein Baum, kein Weinstock, kein Busch, keine Feldfrucht, nichts Grünes sei übrig geblieben, das die Heuschrecken nicht zugrunde gerichtet hätten.“ Im Weiteren wird eine Epidemie

|| 50 Joshua the Stylite, Chronicle, ad a. 507. Ed. Wright, Nr. 33, 23: A proof of God's justice was manifested towards us at this time, for the correction of our evil conduct; for in the month of Iyar (May) of this year, when the day arrived for the celebration of that wicked heathen festival, there came a vast quantity of locusts into our country from the south. They did not, however, destroy or harm anything in this year, but merely laid their eggs in our country in no small quantity. After their eggs were deposited in the ground, there were terrible earthquakes in the land; and it is clear that they took place to awaken the people out of the sin in which they were plunged, that they might not be (further) chastised by famine and pestilence. 51 Joshua the Stylite, Chronicle, ad a. 507. Ed. Wright, Nr. 38, 28 f. 52 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 157. 53 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 44. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 316; FSGA 3, 78 f.: Locustae quoque de Carpitania provintia, quam per quinque vastaverant annos, hoc anno progressae ageremque publicum tenentes, ad aliam se provinciam, quae huic vicina erat provinciae, contulerunt. Quorum spatium in centum quinquaginta extenditur milibus longitudo, latitudo vero in centum milibus terminatur.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 559

beschrieben, die besonders Narbonne und die Stadt Albi betraf und wiederholt aufgetreten war.54 Paulus Diaconus beschreibt in seiner Historia Langobardorum eine Heuschreckenplage in den Jahren 590 und 591 in der Region um Trient: „In diesem Jahr herrschte eine übermäßige Trockenheit von Januar bis September und es kam zu einer großen Hungersnot. Auch wurde das Gebiet von Trient durch starkes Auftreten von Heuschrecken heimgesucht, die größer waren als die gewöhnlichen Heuschrecken. Erstaunlicherweise fraßen sie Gras- und Moorflächen kahl, rührten aber die Saaten auf den Feldern kaum an. Im folgenden Jahr traten sie noch einmal in gleichem Umfang auf.“55 Drei Besonderheiten stechen in dieser Schilderung hervor: die Fressgewohnheiten, die gegenüber den dem Autor bekannten Heuschrecken auffällige Größe und die Mitteilung, dass sie im Jahr danach erneut auftraten. Die Heuschreckenplage des Jahres 590/59156 wird auch in den verschiedenen Überlieferungen der Chronik von Theophilus von Edessa genannt. Dort wird bei Agapius berichtet, nach einer ganzen Reihe von Unglücksberichten (Sonnenfinsternis, Erdbeben, Hitze und Starkregen) seien auch die Heuschrecken erschienen, in einer Zahl wie sie nie zuvor gesehen worden sei und dass sie das ganze Jahr geblieben seien. Es folgen die Nennungen eines verheerenden Erdbebens und schwerer Schneefälle.57 Die Überlieferung bei Michael Syrus nennt ebenfalls die Sonnenfinsternis, ein Erdbeben sowie eine Epidemie. Im folgenden Jahr [591] habe das Ausbleiben von Regen dazu geführt, dass zusammen mit dem heißen Wind die Oliven- und anderen Bäume austrockne-

|| 54 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 33. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 304; FSGA 3, 58 f.: Legati principis Chilperici de Hispaniis regressi, nuntiaverunt, provintiam Carpitaniam graviter a locustis fuisse vastatam, ita ut non arbor, non vinea, non silva, non fructus aliqui aut quicquam viride remaneret, qui non a locustis everteretur. (…) Per loca enim lues vastabat, sed maximae apud urbem Narbonensim validius desaeviebat, et iam tertio anno, quod ibidem adpraehenderat et requieverat; populique revertentes a fuga, iterum morbo consumpti sunt. Nam et Albigensis civitas maximae ab hoc inquomodo laborabat. 55 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 2. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 116 f.; Ed. Schwarz, 224 f.: Hoc anno fuit siccitas nimium gravis a mense Ianuario usque ad mensem Septembrium; et facta est magna penuria famis. Venit quoque et magna locustarum magnitudo in territorium Tridentinum, quae maiores erant quam ceterae locustae; et mirum dictum, herbas paludesque depastae sunt, segetes vero agrorum exigue contigerunt. Sequenti quoques anno pari nihilominus modo adventarunt. 56 Vgl. Beyer, Chronik (2005), 87–92. 57 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 590–591. Ed. Hoyland, 52: „[Agapius] A great plague befell man in this year; then a strong gale assailed them. The following year, AG 903, in the month of March, in the middle of the day, there was an eclipse of the sun and on the same day there was an earthquake. In year 14 of Maurice there was a heat so intense that it scorched the trees, the grapes, the vines and all vegetation. In year 16 of his reign the rain was so heavy that many settlements were drowned together with their residents and animals. Then there appeared locusts in number like of which had never been seen before and they remained the whole year, eating and destroying. In year 17 of his reign there was a violent earthquake and a heavy snowfall.“

560 | Auswirkungen und Folgen

ten. Im darauffolgenden Jahr [592] seien Heuschrecken über ganz Syrien und Palästina gekommen, so viele wie nie zuvor gesehen worden waren, diese zerstörten die Ernten und die Früchte an den Bäumen. Im nächsten Jahr verursachten die Eier, die sie gelegten hatten den Ruin und die Hungersnot war schlimm aufgrund des Fehlens von Vorräten.58 Diese Angaben decken sich mit einem Eintrag in der Bernoldschronik, in der zu den Jahren 593 und 594 eine Abfolge von Trockenheit und Heuschrecken erwähnt wird, auf die im Jahr darauf erneut eine Heuschreckenplage folgte.59 In der nordafrikanischen Provinz Karthago sollen Heuschrecken im Jahre 642 zwischen dem 18. Juli und dem 1. August aufgetreten sein.60 Im Jahr 676/677 erschien an einem Samstag nach einer großen Epidemie in Ägypten ein Zeichen am Himmel. Und es folgte eine große Plage von Heuschrecken in Syrien und Mesopotamien.61 Auch für das Jahr 680 wurde ein Heuschreckeneinfall in Syrien überliefert.62 Als Gründe für das vermehrte Auftreten von Heuschreckenschwärmen vermutet Beyer eine Überweidung der Jezira.63 Es folgt in Syrien eine Phase von über 100 Jahren, in der etwa 15 Ereignisse mit einem Bezug zu Heuschrecken genannt werden.64 Im Mai des Jahres 714 traten nach Michael dem Syrer Heuschrecken in Syrien auf.65 Derselbe Autor überliefert für das Jahr 721 das Auftreten von Heuschrecken und Pest in Syrien,66 das auch in der Chronik des Bar-Hebraeus

|| 58 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 590–591. Ed Hoyland, 52: „[MSyr] There was an eclipse of the sun and there was darkness, on 10 March from third to the sixth hour. On 2 April there was a violent earthquake; many cities and regions were destroyed and their inhabitants buried; the earth boiled and cracked. There was plague and tumours; in the Imperial City there was severe plague. The following year the rain failed and there was a scorching wind and an intense dryness in all Syria and Palestine such that the olives and other trees became desiccated. The next year locusts descended on the land of Syria in numbers the like of which had never been seen before; they destroyed the crops and the fruits of the trees. After three years the eggs that they had deposited caused ruin and the famine was made worse by the lack of resources.“ 59 Bernold von St. Blasien, Chronicon, ad a. 593. Ed. Pertz, MGH SS 5, 414: Siccitas magna et fames facta est, et insolita locustarum magnarum multitudo. Item locustarum multitudo frugibus nocuit. 60 Leges Visigothorum, 2, 1, 12. Ed. Zeumer, MGH LL nat. Germ. 1, 59: (…) Necnon et pro messivis feriis a XV. kalendas Augustas usque ad XV. kalendas Septembres, in Cartaginensi vero provincia propter locustarum vastationem asiduam a XV. kalendas Iulias usque in kalendas Agustas messivas ferias precipimus observandas et propter vindemias colligendas a XV. kalendas Octobres usque ad XV. kalendas Novembres. 61 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 676–677. Ed. Hoyland, 169 [Theophanes]: „A plague occurred in Egypt. A sign appeared in the sky on a Saturday. There was a great plague of locusts in Syria and Mesopotamia.“ 62 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 157. 63 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 158 mit Anm. 59. 64 Beyer, Heuschreckenplagen (2000), 68. 65 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 157. Vgl. Brock, Chronicle of Disasters (1993), 46. 66 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 157.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 561

genannt wird.67 Wieder ist es Michael der Syrer, der in seiner Chronik zum Jahr 750/751 das Auftreten von Heuschrecken und anderen Insekten in Syrien aufzeichnete,68 diese haben wohl eine Hungersnot ausgelöst.69 Auch in den Jahren 763 und 766 erschienen Heuschrecken in Syrien.70 Ausführlicher ist der Eintrag in derselben Chronik zum Jahr 785: „Im Frühjahr erschienen fliegende Heuschrecken; die gesamte Jezira wimmelte von ihnen. Nachdem sie alles Getreide und Gemüse gefressen hatten, legten sie ihre Eier über in den Ebenen und auf den Bergen ab. Nach nur einem Monat begann die neue Generation auf dem Boden kriechend mit ihrem Zerstörungswerk; dieser Kahlfraß betraf besonders die Region Edessa, Sarug und Reš Kepha. Nach dem Befall der Jezira wandten sich die Schwärme nach Westen (Syrien) und vernichteten zunächst die Getreidefelder und danach Wein- und Baumkulturen. Es folgte eine Hungersnot, in den nächsten drei Jahren, die die Preise für Brot, Wein, Olivenöl und Gemüse in die Höhe trieb.“71

Nach Beyer deutet die kurze Inkubationszeit auf die sogenannte Wüstenheuschrecke (schistocerca gregaria) hin, worauf Michael Syrus durch die Verwendung der Bezeichnung kalbaita-Heuschrecke hinweise.72 Im Frühjahr des Jahres 804 wiederum zerstörten Heuschrecken die gesamte Ernte in Syrien73 und bis zum Jahr 809 wurden fast jährlich entsprechende Beobachtungen in diesem Gebiet notiert.74 Nachdem im Jahr 829/830 oder 830/831 heftiger Hagelschlag die Feldfrüchte zerstört haben soll, vernichteten Heuschreckenschwärme die Weinstöcke und Olivenpflanzungen.75 Und ein Jahr darauf fraßen die Insekten fast den gesamten Bestand an Nutzpflanzen: Feldfrüchte, Weinstöcke und Bäume.76 Von September 841 bis August 842 werden nach Schreiner „sonst nirgends überlieferte“ Heuschreckenschwärme in Sizilien in einer byzantinischen Kleinchronik genannt.77 Allerdings erwähnt auch Michael Syrer zum Jahr 842 Heuschrecken: „Nach einem kalten und trockenen Winter ging die Saat bis April nicht auf. Doch als es endlich zu regnen begann, zerstörte Hagel die Mehrzahl der Felder in der Jezira und im

|| 67 Bar Hebraeus, Chronography, ad a. 721. Ed. Budge, 109: „There was a scarcity of crops. After one year the locust came and destroyed the crops. After two years there was a pestilence caused by the disease of tumours.“ 68 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 157 69 Chronique de Michel le Syrien, Ed. Chabot, 52 f.; Chronicle of Zuqnin, Ed. Harrak, 186 f. 70 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 158. 71 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 158. 72 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 158 Anm. 54. 73 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 158. 74 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 158. 75 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 158. 76 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 158. 77 Byzantinische Kleinchroniken. Ed. Schreiner, Bd. 2, 98: „Das Naturereignis ist nur aus der Kleinchronik bekannt.“

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Westen (Syrien). Die Heuschrecken wandten sich danach den späten Gewächsen, z. B. der Baumwolle und anderen Feldfrüchten zu und vernichteten diese.“78 Die bisher genannten Sichtungen von Heuschrecken beschränkten sich weitgehend auf den Bereich des Nahen Ostens um Syrien. Diese quellenbedingte Konzentration auf eine Region änderte sich 873, als ein europaweit beobachteter Heuschreckeneinfall stattfand, der von den üblichen Mustern ihres Auftretens in den südlicheren, mediterranen bis subtropischen Klimazonen deutlich abwich.

4.1.2 Heuschreckenplagen der Jahre 873/874 Als im Jahr 873 große Heuschreckenschwärme über Europa hinwegzogen, wurde deren Erscheinen in zahlreichen Quellen dokumentiert.79 Dabei wurde das Auftreten der Heuschrecken oft nur beiläufig erwähnt, wohingegen der folgende extreme Winter 873/74 häufig weitaus ausführlicher beschrieben wurde.80 Im Vergleich mit anderen Ereignissen wurde diese Heuschreckenplage von den Chronisten häufig überliefert. Dabei enthalten die etwa 20 zeitgenössischen Nachrichten über die Plage sehr unterschiedliche Details. Einige Chronisten haben ihre ganz persönlichen Beobachtungen in ihre Darstellung einfließen lassen. Drei Punkte lassen sich für diese schreibenden Augenzeugen bei der Dokumentation der Heuschrecken als maßgeblich herausfiltern: 1) die Zugrichtung der Tiere, 2) die Datierung ihres Auftretens sowie 3) die Möglichkeiten ihrer Bekämpfung. Auffällig selten wurde von diesen Autoren jedoch ein Bezug zur biblischen Heuschrecken-Plage hergestellt. Eine solche Bezugnahme scheint also nicht ein quasi automatischer Reflex gewesen zu sein. Das Ausgreifen eines solchen Heuschreckenschwarmes über den tropisch/subtropischen Klimabereich hinaus in gemäßigtere Regionen ist ungewöhnlich und erforderte eine besondere witterungstechnische Konstellation über Afrika und Europa. Dabei erreichen besonders viele warme Luftmassen aus dem Bereich der Sahara das europäische Festland. Im Gefolge dieser Luftströme werden häufig Aerosole mitgeführt, die sich dann über den gemäßigteren Breiten abregnen und den mittelalterlichen Zeitgenossen durch ihre besondere meist rötliche Färbung als „Blutregen“ auffallen. In den Quellen spricht für die Annahme einer solchen besonderen Witterung in diesem Zusammenhang explizit das von mehreren Autoren genannte Auftreten von sogenanntem „Blutregen“ für drei Tage und Nächte in Brescia in Norditalien.81 Ob der in anderen Quellen angegebene Blutregen im Bereich der nördlichen Adria, der am 22. Mai

|| 78 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 158. 79 Curschmann, Hungersnöte (1900), 100 f. 80 Pfister u. a., Winter air temperature variations (1998), 542; McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 886 f. 81 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 52; Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 123.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 563

stattgefunden haben soll, für den aber nur ungefähr das Jahr angegeben wurde, sich auf dasselbe Ereignis bezieht, ist nicht auszuschließen.82 Die Nachrichten zum Wettergeschehen des Jahres 872, dem Jahr vor dem Auftreten der Heuschreckenplage, erwähnen einen sehr trockenen und heißen Sommer. Die Temperaturdifferenzen in dem Jahr scheinen insgesamt sehr groß gewesen zu sein. Die Chroniken beschreiben verheerende Sommergewitter, die bis zum Brand von Teilen der Stadt Worms führten. So heißt es in den Xantener Annalen: „Im selben Jahre [872] richtete die feindliche Wirkung von Gewittern und Regengüssen und Hagel dem Menschengeschlecht ungeheuren Schaden an Feldfrüchten und Gebäuden an. Ein Blitzschlag hatte in Worms einen Brand entzündet.“83 Ganz ähnlich berichten die (rekonstruierten) Hersfelder Annalen.84 Auch für den Autor der Annales Altahenses war der Sommer 872 trocken. Er stellte noch einen Bezug zum Folgejahr her, in dem er „Hunger in der Germania“ und das Auftreten der Heuschrecken nennt.85 Ebenso vermerkte der Verfasser der Annales Stabulenses, der Winter des Jahres 872 sei hart gewesen und es hätte eine Überschwemmung sowie Erdbeben gegeben. Darüber hinaus seien in einigen Orten Heuschrecken aufgetreten.86 Insgesamt am ausführlichsten und detailliertesten beschrieb der Fuldaer Annalist die Situation des Jahres 872 mit den folgenden Worten: „Die ganze Sommerzeit war durch Hagel und mannigfaches Unwetter sehr verderblich. Denn der Hagel vernichtete an sehr vielen Orten die Früchte; auch drohten schreckliche Donner und Blitze fast täglich den Sterblichen mit Untergang, durch deren heftige Schläge wurden, wie man erzählt, Menschen und Zugvieh an verschiedenen Orten getötet und in Asche verwandelt. Auch der Dom des hl. Petrus zu Worms wurde von dem himmlischen Feuer verzehrt und die Mauern vollständig niedergeworfen.“87 Dieser Bericht spiegelt die starken Sommergewitter wider, aber auch die große Hitze, welche die Brandgefahr signifikant erhöht. Der hier

|| 82 Iohannes Diaconus, Chronicon Venetum. Ed. Pertz, MGH SS 7, 21: Circa haec tempora mensis Madii die 22. sanguis de nubibus pluit. 83 Annales Xantenses, ad a. 872. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 31; FSGA 6, 366–369: Eodem anno infestatio tonitruorum et ymbrium atque grandium humano generi nocuit nimium in frugibus et aedificiis. 84 Annales Hersfeldenses, ad a. 872, in: Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 451: Ictu fulminis Wormatia comburitus. Aestatis fervor immanis et siccitas nimia tots olo perdidit fructus, plurimaeque domus cum hominibus et animalibus fulminibus incensae exustae sunt. 85 Annales Altahenses breves, ad a. 872. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, VIII: Aestas ferventissima, sequenti anno fames in Germania, locustae. 86 Annales Stabulenses, ad a. 872. Ed. Waitz, MGH SS 13, 42: (…) hyems gravissima, aquarum inundatio, terrae motus, in quibusdam locis pestilentia locustarum. 87 Annales Fuldenses, ad a. 872. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 76 f.; FSGA 7, 86 f.: Omne tempus aestivum grandinibus variisque tempestatibus pernoxium extitit; nam grando plurima loca frugibus devastavit; horrenda etiam tonitrua et fulmina pene cotidie mortalibus interitum minabantur, quorum ictibus praevalidis homines et iumenta in diversis locis exanimata et in cinerem redacta narrantur. Domus quoque sancti Petri apud Wormatiam igne caelesti consumpta est et muri penitus eversi.

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erwähnte Hagel deutet auf spezielle Windsysteme, denn zu dessen Genese sind bis in höhere Schichten der Stratosphäre reichende Wolkenformation erforderlich, in denen die Hagelkörner immer wieder nach oben gewirbelt werden, wobei sie sich jedes Mal vergrößern, bis sie durch ihren Zuwachs an Eigengewicht auf die Erde niedergehen. Auch die geschilderten Blitze deuten auf ausnehmend heftige Gewitterwolken hin. Die dargestellte Witterungslage verweist auf höhere Durchschnittstemperaturen, welche wiederum als Bedingung für die Auslösung einer Heuschreckenplage notwendig sind. Der darauffolgende Winter am Übergang des Jahres 872 auf 873 wurde in Köln als sehr schneereich dokumentiert.88 Aufgrund der notwendigen Kombination der besonderen klimatischen Bedingungen traten in Mitteleuropa während des Früh- und Hochmittelalters Heuschreckenplagen etwa einmal in 60 Jahren auf. Die bisher umfangreichste Untersuchung zur Plage des Jahres 873 stellt eine sprachwissenschaftliche Studie von David Thornton dar.89 In der folgenden Untersuchung wurden die relevanten Quellenbelege chronologisch und geographisch sortiert. Daraus resultieren dann die Hauptzugrichtungen der Insektenschwärme. Bis zur stärkeren Entwässerung und Trockenlegung des Donaudeltas am Schwarzen Meer lässt sich bei den späteren, vor allem in der Neuzeit belegten Heuschreckeneinfällen immer dieses Gebiet als Herkunftsort der Schwärme nachweisen.90 Der heiße Sommer des Jahres 872 scheint die Brutbedingungen für die Heuschrecken deutlich verbessert und zu einem massiven Anwachsen der Population geführt zu haben. Aus ihrem pontischen Ursprungsgebiet zogen die stark vergrößerten Schwärme dann auf drei Hauptrichtungen gen Westen: zum einen entlang der Donau, zum anderen südlich entlang der Alpen und zum dritten über den Balkan und das adriatische Meer nach Süditalien. Als scheinbar sehr früh sticht eine Nachricht aus St-Maurice-de-Rotherens und eine ähnliche in den Annales Lausannenses heraus. In letzterer heißt es: „Und in diesem Jahr am 16. August 868 flogen unermessliche Haufen von Heuschrecken durch Gallien, darauf folgte so viel Schnee, wie niemand in der Gegend sich erinnern konnte, gesehen zu haben.“91 Der paläographische Befund dieser Stelle spricht jedoch für eine Zugehörigkeit zum Jahr 873.92 Damit wäre die Quellenstelle nicht als

|| 88 Annales Colonienses, ad a. 872. Ed Pertz, MGH SS 1, 98: Nix valida. Unsicher ist allerdings, ob es sich dabei um den Winter 871/872 oder 872/873 handelt. 89 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 47–49. 90 Ingrisch/Köhler, Heuschrecken Mitteleuropas (1998), 164. 91 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 868. Ed. Marchegay/Mabille, 6: Et ipso anno, XVIo Kalendas septembris, locustarum immensa congeries per Gallias pervolavit, quas subsecuta est tanta nivium vis quanta nulla aetate in nostris regionibus visa refertur; Annales Lausannenses. Ed. Waitz, MGH SS 24, 779: Anno Domini 868, 12. Kal. Aprilis cecidit in Burgundia nix magna, et fuit fames valida. Anno 7. post locustarum immissio immanis fuit. 92 DCCCLXVIII und DCCCLXXIII ähneln sich graphisch in großem Maße. Eine Verlesung bzw. ein Abschreibfehler wäre möglich.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 565

singuläre Nennung eines sonst nicht bekannten Auftretens von Heuschrecken im Jahr 868 zu behandeln, sondern würde sich in den Rahmen der sonstigen verfügbaren Quellen einfügen. Sehr ähnlich lautet denn auch eine Nachricht aus der Chronik des Klosters von Anjou: „Am 19. August 873 flogen unermessliche Haufen an Heuschrecken durch Gallien, darauf folgte so viel Schnee, wie niemand in der Gegend sich erinnern konnte, gesehen zu haben.“ Darüber hinaus werden ein 25 Tage lang sichtbarer Kometen sowie schließlich das Auftreten einer Hungersnot in der Francia, in Burgund und Aquitanien, mit einem Hinweis auf Anthropophagie, genannt.93 Demgegenüber wurde in den Annalen der Abtei St-Bénigne in Dijon zum Jahr 873 kommentarlos die „Ankunft der Heuschrecken“94 verzeichnet. Im beginnenden Jahr 873 soll es zunächst zu einer Hungersnot und dann zu einer plaga novi generis gekommen sein. Am ausführlichsten wurde diese Plage in den Fuldaer Annalen zum Jahre 873 geschildert, wo es heißt: „In diesem Jahre kam es zu einer gewaltigen Hungersnot in ganz Italien und Germanien und viele sind Hungers gestorben. Zur Zeit aber der neuen Früchte hat eine Plage ganz neuer Art, die zum ersten Mal unter dem Stamme der Franken sichtbar wurde, das germanische Volk infolge seiner Sünden nicht wenig betroffen. Heuschrecken, Würmern ähnlich, mit vier Flügeln und sechs Füßen kamen vom Osten her und bedeckten wie Schnee die gesamte Oberfläche des Landes, wo sie alles, was auf Äckern und Wiesen grün war, verzehrten. Sie hatten ein breites Maul, einen langen Magen und zwei steinharte Zähne, mit denen sie die zähesten Baumrinden zu zernagen vermochten. Ihre Länge und Dicke war etwa eines Mannes Daumen, ihre Menge so groß, dass sie bei Mainz in einer Stunde des Tages 100 Juchert95 Feldfrüchte abfraßen.96 Wenn sie aber flogen, verhüllten sie eine Meile weit die ganze Luft dergestalt, dass den auf der Erde Stehenden kaum der Glanz der Sonne sichtbar blieb. Einige von ihnen schlug man an verschiedenen Orten tot und es fand sich, dass sie ganze Ähren mit Körnern und Granen in sich hatten. Als die einen nach Westen abgezogen waren, kamen wieder neue dazu, und zwei Monate hindurch boten sie mit ihrem Flug fast täglich den Zuschauenden ein schreckliches Schauspiel. Es wird erzählt, in Italien, im Gau von Brescia habe es drei Tage und drei Nächte Blut vom Himmel geregnet.“97

|| 93 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 873. Ed. Marchegay/Mabille, 159 f.: Hoc anno Karlomannus, filius Karoli regis, oculis mulctatus est; et ipso anno, XIVo kalendas septembris, locustarum immensa congeries per Gallias pervolavitm quas subsecuta est tanta vis nivium quanta nulla aetate in nostris regionibus vias refertur. In Francia vero cometes apparuit diebus XXV, et fames exstitit horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam: ita ut non essent qui sepelirent cadavera morientium, sed et invicem homines manducarent. 94 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 873. Ed. Pertz, MGH SS 5, 38: Adventus locustarum. 95 Ein Joch entspricht ca. 2500 bis 6000 m2 oder 25 bis 60 Ar, in Süddeutschland ungefähr 3500 m2. 96 3500 m2 x 4–8 Mio. Heuschrecken pro Quadratkilometer bei je 1 Zeitstunde. 97 Annales Fuldenses, ad a. 873. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 79 f.; FSGA 7, 90 f.: Eodem anno facta est fames valida per universam Italiam atque Germaniam, et multi inedia consumpti sunt. Tempore vero novarum frugum novi generis plaga et prima in gente Francorum visa Germanicum populum peccatis exigentibus non mediocriter afflixit. Nam vermes quasi locustae quatuor tennis volantes et sex pedes habentes ab oriente venerunt et universam superficiem terrae instar nivis opuerunt cuncta, quae in agris et in pratis erant viridia, devastantes. Erant autem ore lato et extenso intestino duosque habebant dentes

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Der am Niederrhein zu verortende Verfasser der Xantener Annalen schrieb über die Versuche, die Heuschrecken zu bekämpfen: „Hernach aber, Mitte August [873], erhob sich die alte Plage der Ägypter, das ist ein unzählbarer Schwarm Heuschrecken, wie aus dem Korb ausfliegender Bienen, ganz neu von Osten her durch unsere Länder, welche in der Luft fliegend einen feinen Ton wie kleine Vögelchen von sich gaben. Und wenn sie sich erhoben, konnte man kaum den Himmel wie durch ein Sieb sehen. An sehr vielen Orten nun zogen die Hirten der Kirchen und die ganze Geistlichkeit ihnen mit Reliquiaren und Kreuzen entgegen, unter Anrufung von Gottes Erbarmen, dass er diese Plage von ihnen abwendete. Doch nicht überall, aber stellenweise, richteten sie Schaden an.“98

Ein ähnlich langer Eintrag, aber völlig unabhängig von dem Verfasser der Fuldaer Annalen, findet sich in der Chronik Reginos von Prüm, wo zum Jahr 873 die folgenden Beobachtungen Eingang fanden: „Im Jahr der göttlichen Menschwerdung 873 verwüstete eine unermessliche Menge von Heuschrecken, die im August von Osten her erschien, fast ganz Gallien. Sie waren größer als andere Heuschrecken und hatten sechs Flügelpaare. In wunderbarer Weise flogen sie wie Abteilungen eines Heerlagers in getrennten Scharen durch die Lüfte oder, wenn sie sich zur Erde niederließen, schlugen sie so ihr Lager auf. Die Führer gingen mit wenigen dem Heere um eine Tagesreise vorauf, als wollten sie für Plätze sorgen, die der Menge angemessen wären. Um die neunte Stunde ließen sie sich nieder, wo am Vortag ihre Führer angelangt waren, und bewegten sich nicht eher fort, als bis die Sonne wieder aufging; dann brachen sie rottenweise auf, sodass man an den kleinen Geschöpfen die Manneszucht des Krieges wahrnehmen konnte. Sie näherten sich von den Saaten, die von ihnen so abgefressen wurden, als wären sie von einem ungeheuren Gewitter vernichtet. Die Länge der Tagesreise erstreckte sich bei ihnen auf vier bis fünf Meilen. Sie gelangten aber, indem sie so die Oberfläche der Erde bedeckten, bis zum bretonischen Meere, in welches sie nach Gottes Willen durch einen heftigen Wind hineingetrieben, auf die hohe See fortgerissen und versenkt wurden. Durch die Flut aber und das Zurückströmen der Ozeane an Land geworfen, erfüllten sie die Seegestade und zwar in solcher Häufung, dass sie berghoch zusammengeschichtet waren; durch ihren Gestank und ihre Fäulnis wurde die Luft verpestet

|| lapide duriores, quibus tenacissimas arborum cortices corrodere valebant. Longitudo et grossitudo illarum quasi pollex viri; tantaque erant multitudinis, ut una hora diei centum iugera frugum prope urbem Mogontiam consumerent. Quando autem volabant, ita totum aerem per unius miliarii spatium velabant, ut splendor solis in terra positis vix appareret; quarum nonullae in diversis locis occisae spicas integras cum granis et aristis in se habuisse repertae sunt. Quibusdam vero ad occidentem profectis supervenerunt aliae, et per duorum mensium curricula pene cotidie suo volatu horribile cernentibus praebuere spectaculum. In Italia in pago Brixiensi tribus diebus et tribus noctibus sanguis de caelo pluisse narratur. 98 Annales Xantenses, ad a. 873. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 33; FSGA 6, 370 f.: Postea vero mediante mense Augusto antiqua Egiptiorum plaga, id est locustarum innumerabilis turma more apium de alveo exeuntium, ab oriente nova exorta est per terras nostras, quae in aere volitantes, vocem subtilem velut aviculi parvi dantes. Et dum elevarentur, caelum vix velut per cribram intueri potuit. In plerisque locis vero pastores ecclesiarum et omnis clerus cum kapsis et crucibus occurrerunt eis misericordiam Dei implorantes, ut defenderet eos ab hac plaga. Non tamen ubique, sed per loca nocuerunt.

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und erzeugte daraus für die Umwohnenden eine furchtbare Seuche, an der viele den Tod fanden.“99

Wegmann interpretiert diese Stelle als minuziösen Vergleich: Der Abt von Prüm habe in seiner Darstellung des Heuschreckeneinfalles von 873 seine Heer- und duces-Vorstellungen aufgrund seiner militärisch-politischen Erfahrungen auf die Heuschrecken übertragen.100 Die Anklänge von Reginos Text sind aber wohl vielmehr der Offenbarung des Johannes entnommen: „Und die Heuschrecken sehen aus wie Rosse, die zur Schlacht gerüstet sind.“101 Dass Reginos Darstellung des Heuschreckensterbens im Meer ein spätantikes Vorbild gehabt haben könnte, scheint nicht unwahrscheinlich. So heißt es im liber de prodigiis von Julius Obsequens102 in Anlehnung an Titus Livius, im Jahr 123/5 v. Chr. „erschien mit einem ungeheuren Heuschreckenschwarm in Afrika, der vom Wind ins Meer geworfen und von den Wellen angeschwemmt in Kyrene mit unerträglichem Gestank und tödlicher Ausdünstung eine schwere Viehseuche verursachte; und es wird überliefert, dass 800.000 Menschen durch die Seuche umkamen.“103 Allerdings weist Reginos Schilderung außer der inhaltlichen Ähnlichkeit sprachlich keinerlei Analogien hierzu auf. Entweder hat der Prümer Abt die Heuschreckenhaufen also selbst gesehen oder davon verlässliche Kunde bekommen. Es wäre auch denkbar, dass er tatsächlich sein angelesenes Wissen durch zeitgenössische Berichte ergänzt hat. Eine ganze Reihe von Quellen soll Reginos Heuschreckendarstellung als Vorbild genommen haben: So dürften die Eintragungen in den zwischen 980 und 1024 entstandenen Jahrbüchern von Einsiedeln,104 nach denen unzählig viele Heuschrecken

|| 99 Regino von Prüm, Chronica, ad a. 873. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 105: Locustarum inaestimabilis multitudo mense Augusto ab oriente veniens totam pene pervastavit Galliam. Quae maiores erant quam caeterae locustae habebantque sena alarum remigia, et, mirum dictu, ut castrorum acies distinctis ordinibus per aera ferebantur vel terrae incumbentes castra metabantur. Duces cum paucis exercitum itinere unius diei preibant, quasi loca apta multitudini provisuri. Circa horam nonam, ubi duces pridie venerant, insidebant, nec a loco occupato movebantur, quousque sol suum representaret ortum, tunc per turmas suas proficiscebantur, ut in parvis animalibus disciplinam militarem cerneres. Segetibus vescebantur, quae ab eis ita depastae sunt, ut quatuor aut quinque milibus extendebatur. Pervenerunt autem usque ad mare Brittannicum superficiem terrae cooperientes, in quo Deo volente violento ventorum flatu inpulsae atque in profundum absportatae dimersae sunt. Aestu vero atque refusione oceani reiectae littora maritima repleverunt tantaque congeries facta est, ut ad instar montium cumulatae coacervarentur: ex earum foetere ac putredime aer corruptus diram pestem finitimis genera vit, ex qua multi perierunt. 100 Wegmann, Naturwahrnehmung im Mittelalter (2005), 83. 101 Offb 9,7: Et similitudines locustarum similes equis paratis in proelium. 102 Vgl. Schmidt, Osequens (1972), 225. 103 Iulius Obsequens, liber prodigiorum. Ed. Pohlke, 30: (…) apparuit locustarum ingenti agmine in Africa, quae a vento in mare deiectae fluctibusque eiectae odore intolerabili Cyrenis mortiferoque vapore gravem pestilentiam fecerunt pecori; hominumque DCCC milia consumpta tabe proditum est. Vgl. Delort, Elefant (1987), 179. 104 Rep. Font. 2, 289.

568 | Auswirkungen und Folgen

im Monat August [873] von Osten kamen und fast ganz Gallien verwüsteten,105 aufgrund der gleichlautenden Formulierung des Eingangssatzes auf der Chronik Reginos beruhen. In Einsiedeln wurde in einer anderen Chronik zum Jahr 874 überliefert, unschätzbar viele Heuschrecken seien von Osten nach Gallien gekommen und hätten das Land verwüstet.106 Auch die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verschriftlichten Annalen des Klosters St. Trudpert im Schwarzwald,107 sollen auf Regino zurückgehen. Hier wurden der Eingangssatz und die Darstellung des Untergangs der Heuschrecken an der Küste Britanniens zusammengefasst.108 Eine größere Gruppe von Annalen, die in benachbarten Orten tradiert wurden, ohne das deren Verfasser selbst Augenzeugen gewesen wären, bilden die Annalen von Hersfeld, Hildesheim, Niederaltaich und Quedlinburg.109 Dort wird erwähnt, dass nach einer großen Hungersnot viele Heuschrecken gekommen seien. Ähnlich kurz sind auch die Einträge in den Annalen von St-Vaast d’Arras110 und von Prüm 874: „Unschätzbar viele Heuschrecken verwüsteten ganz Gallien.“111 Der zum Jahr 874 gestellte Eintrag in den Annales Magdeburgenses, wonach unzählige Heuschrecken fast ganz Gallien verwüstet hätten, scheint sich jedenfalls an Reginos Darstellung zu orientieren.112 Die Annales S. Edmundi verbinden zwar die Einsetzung von Papst Johannes VIII.113 (vor 852–882), des ersten frühmittelalterlichen Papstes, der im Amt eines || 105 Annales Heremi 1, ad a. 873. Ed. von Planta. MGH SS rer. Germ. 78, 176: Locustarum inaestimabilis multitudo mense augusto ab oriente veniens totam pene pervastavit Galliam. Annales Heremi 2, ad a. 874. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 253: Locustarum inestimabilis multitudo ab oriente in Gallias venit terramque devastavit. Quaere hoc signum in anteriori parte pitacioli. 106 Annales Einsidlenses, ad a. 874. Ed. Pertz, MGH SS 3, 140: Locustarum inestimabilis multitudo ab oriente in Gallias venerunt terramque devastaverunt. In der neuen Ausgabe (Ed. von Planta. MGH SS rer. Germ. 78, S. 279) findet sich diese Stelle nicht mehr, sondern nur in den Annales Heremi 1 und 2. 107 Rep. Font. 2, 330. 108 Annales S. Trudperti, ad a. 873. Ed. Pertz, MGH SS 17, 287: Innumerabilis locustarum multitudo totam devastavit Galliam, que cum in Britannicum mare, vento impellente cecidissent, oceani refluxione reiecte instar moncium circa litora iacebant. 109 Annales Quedlinburgenses. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 306: „Die Dresdener Handschrift bricht fol. 16r im Jahresbericht zu 873 ab mit: DCCCLXXIII. Fames magna invaluit in Germania, et incredibilis multitudo etc. (S. 451 Z. 13). Ableitungen der verlorenen Annales Hersfeldenses: Annales Altahenses maiores. Ed. Giesebrecht/Von Oefele,MGH SS rer. Germ. 4, 6: Fames magna in Germania, locustae. Annales Hildesheimenses. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Fames magna invaluit in Germania, et incredibilis multitudo locustarum venit. Aus den Hildesheimer Annalen sind die beiden verloren gegangenen Schlußworte locustarum venit zu erschließen, die deswegen auch in die Edition aufgenommen wurden. 110 Annales Vedastini, ad a. 874. Ed. Pertz, MGH SS 2, 40: Karolus rex Andegavis civitate Nortmannos obsedit, sed pessimorum consilio acceptis obsidibus inlesos abire permisit. In illis etiam diebus plaga locustarum facta. 111 Annales Prumienses, ad a. 874. Ed. Holder-Egger, MGH SS 15.2, 1291: [Lo]custarum inestimabilis [mult]itudo totam pervastavit [Galli]am. 112 Annales Magdeburgenses, ad a. 874. Ed. Pertz, MGH SS 16, 140: 34. Locustarum inestimabilis multitudo totam pene vastavit Galliam. 113 Plathow, Johannes VIII. (1992), 203 f.; Herbers, Päpstin Johanna (1988), 174–194.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 569

gewaltsamen Todes verstarb, mit dem Auftreten der Heuschrecken in der Gallia, als Jahr geben sie jedoch 874 an; Johannes VIII. wurde allerdings am 13. Dezember 872 zum Papst gekrönt.114 Hermann von Reichenaus Chronik nimmt wiederum Bezug auf die Heuschrecken im Jahr 873.115 Auch bei Otto von Freising wird zum Jahr 873 das Auftauchen unzähliger Heuschrecken, mit sechs Flügeln (senas alas habens) erwähnt, die von Osten nach Gallien und weiter bis zum Meer von Britannien kamen, wo sie vom Sturm niedergestreckt wurden und an den Stränden Gestank verbreiteten.116 Kürzer, aber in ähnlicher Weise berichtet auch Ekkehard von Aura in seiner Chronik. Er übernimmt die Darstellung der Gestalt der Tiere (sechs Flügel, sechs Beine und zwei steinharte Zähne). Nach ihm soll die folgende Hungersnot bis zu einem Drittel der Menschen das Leben gekostet haben.117 Ebenso berichten die Annales Fuldenses zum Jahresausklang 874: „In diesem Jahre wurde durch Hunger und Pest, die in ganz Gallien und Germanien wüteten, fast der dritte Teil des Menschengeschlechtes vertilgt.“118 Die Angaben über das Aussehen der Heuschrecken, die Verwüstung Galliens und der Tod eines Drittels datiert in das Jahr 874, findet sich auch in den Vorlagen der isländischen Annalen und in weiteren auf den Annalen beruhenden Zusammenstellungen.119

|| 114 Annales S. Edmundi, ad a. 874, in: Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 124: Johannes papa. Locuste Galliam depolud mundi innumerabiles. 115 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 873. Ed. Pertz, MGH SS 5, 107: Fames magna facta est. Tanta multitudo inauditae magnitudinis locustarum ab oriente gregatim more exercituum veniens, has pertransit regiones, ut per duos continuos menses saepe radios solis per unius spacium miliarii volitantes obnubilarent, et in una hora, quicquid in centum vel amplius iugeribus viride invenerant, depascerentur, et postremo in mare vento actae et fluctu reiectae, foetore corrupto aere, non modicam gignerent pestilentiam. In pago Italiae Brixiense sanguis tribus noctibus pluisse fertur. 116 Otto von Freising, Chronica, ad a. 873. Ed. Hofmeister, MGH SS rer. Germ. 45, 267: Non multo post elapso tempore locusta innumerabilis, ceteris locustis maior ac senas alas habens, ab oriente veniens Gallias operit depastisque ubique segetibus tandem in mari Britannico resedit. Ubi a vento raptae ac in salo mersae postque mari exestuante ad litus in inmensum cumulum actae vicinas fetore regiones corrupere. 117 Ekkehard, Chronicon. Ed. Waitz, MGH SS 6, 173: Plurimus exercitus locustarum senas alas sexque pedes et duos dentes lapide duriores habentium Galliam vastant, sequiturque fames tam valida, ut pene terciam partem hominum consumpserit. 118 Annales Fuldenses, ad a. 874. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 83; FSGA 7, 96 f.: Hoc anno fame et pestilentia per universam Galliam et Germaniam grassantibus pene tercia pars humani generis consumpta est. 119 Ex Annalibus Islandicis, ad a. 874. Ed. Waitz, MGH SS 29, 255: In Italia narratur, et multus exercitus locustarum senas alas sexque pedes et duos dentes lapide duriores, habentium Galliam vastant. Sequiturque famestam valida, ut pene terciam partem hominum consumpserit. Flores temporum. Ed. Holder-Egger, MGH SS 24, 235: Item in Gallia locuste apparuerunt alas habentes et 6 pedes et duos dentes lapidibus duriores. Turmatim autem volantes, una die per 4 miliaria herbas et arbores devastabant usque ad mare Britanicum; ubi flatu ventorum submerse et rursum fervore maris ad litus reiecte putruerunt. Inde aere corrupto, tam pestilens morbus secutus est, ut fere tercia pars illorum hominum interiret.

570 | Auswirkungen und Folgen

Während aus Corvey die Nachrichten vorliegen, dass in diesem Jahr am 8. April 873 die Fundamente von drei Türmen in Corvey vom ehrwürdigen Abt Adalgar (856– 876) neu gelegt wurden, weiterhin eine große Menge Schnee fiel und viele „wunderbare“ Heuschrecken kamen,120 berichten die Pöhlder Annalen über staunenswerte Dinge, die sich im Jahr 873 ereigneten: die vielen Heuschrecken, die viele Teile der Welt bedeckt hielten und viel Getreide gefressen hätten.121 Steine, die im Jahr 873 vom Himmel gefallen sein sollen, das Auftreten unzähliger Heuschrecken und Epidemien werden in anderen Annalen genannt.122 Der Eintrag zu den Heuschreckeneinfällen von 873/874 in den Regensburger Annalen scheint sich wiederum stark auf die Fuldaer Annalen als Vorlage zu beziehen. In den verschiedenen Fassungen der Regensburger Quellen wird der Blutregen in Oberitalien einmal mit drei, einmal mit vier Tagen angegeben, während als Datierung das Jahr 874 geboten wird.123 Folcwin ließ in seiner Darstellung auf die große Trockenheit von Anfang Juni bis Mitte August die Heuschrecken folgen. Nach ihm seien später in diesem Jahr noch die Normannen erschienen und im folgenden Jahr 874 habe es großes Sterben bei den Menschen und eine große Epidemie gegeben.124 Nach dem Verfasser der Gesta des Bischofs Petrus von Neapel traten die Heuschrecken auch in Teilen Kampaniens und am stärksten im Gebiet von Neapel (poet.

|| 120 Corveyer Annalen, ad a. 873. Ed. Pertz, MGH SS 3, 3; Ed. Prinz, 1982: Hoc anno fundamenta trium turrium posita in Corbeia nova a venerabili Adalgario abbate 6. Id. Aprilis, feria quarta. Item inundatio nimia et locustarum prodigiosa multitudo. 121 Annales Palidenses, 33. Ed. Pertz, MGH SS 16, 59: Res miranda et nimis stupenda contigit, ut multitudo locustarum, qualium liber Exodi mentionem facit, per plurimas terrarum partes tam dense consederunt, ut superficiem terre cooperirent et frugibus multum nocive existerent. 122 Heirici monachi S. Germani Autisi odorensis Annales breves, ad a. 873. Ed. Waitz, MGH SS 13, 80: Lapides pergrandes de caelo corruunt, locustarum ingens congeries apparuit, pestilentia inaudita excanduit. 123 Annalium Ratisponensium supplementum, ad a. 874. Ed. Baethgen, MGH SS 30.2, 746: Germanicum populum afflixit plaga magna scilicet quasi locustarum adeo fruges ledencium, ut una hora diei C iugera consumerentur ab eis. Tunc in pago Brixensi III diebus et III noctibus sanguis de caelo pluisse narratur; Annales Ratisbonenses, ad a. 874. Ed. Wattenbach, MGH SS 17, 582: Hiemps asperrima et ultra solitum prolixa. In illis diebus Germanicum populum afflixit plaga vermium quasi locustarum adeo ut fruges ledentium ut una hora diei centum iugera consumerentur ab eis. Tum in Italia in pago Brixiensi tribus diebus et quatuor noctibus sanguis de celo pluisse narratur. 124 Folcwini Gesta Abbatum S. Bertini Sithiensium, 74. Ed. Holder-Egger, MGH SS 13, 621: Anno quoque insecuto siccitas magna in mense accidit Iunio et usque in medio Augusto; et post venit locustarum innumera multitudo, virides herbas annonasque consumentes. Nordmanni quoque eodem anno Andegavis perveniunt multosque puniunt; sed a Francis obsessi, datis obsidibus, se quoque dedere. 77. De fame et pestilentia hominum. In ipso anno [incarnationis Domini 874.] facta est fames magna et mortalitas hominum per pestilentiam permaximam. Vinum autem extitit habundanter; annoque insecuto ignis globus maximus in aurora diei de aethere est lapsus, itemque stella cometes apparuit 6. Idus Iunii.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 571

Parthenope) auf.125 Der Autor des Catalogus regum Langobardorum et ducem Beneventanorum beschrieb das Auftreten der Heuschrecken auch für die benachbarten Regionen Kalabrien, Apulien, Samnium126 sowie andere Regionen Italiens und brachte es mit dem Erscheinen eines Kometen in Verbindung.127 Als Herkunftsgebiet der Heuschrecken des Jahres 873/874 kann aufgrund der überlieferten Ausbreitungsrichtung und in Anlehnung an die Argumente von Thornton die sogenannte „West Pontian outbreak region“ vermutet werden.128 Darunter werden das westliche Pontosgebiet, also das Delta der Donau in Rumänien, das südliche Moldawien und die südliche Ukraine verstanden, bis hin zur Südküste des Schwarzen Meeres. Die generelle Zugrichtung der Schwärme im Jahr 873 wird in einem großen Teil der zeitgenössischen Quellen von Osten nach Westen angegeben. Vereinzelt haben moderne Autoren die Richtung allerdings umgedreht und in Spanien beginnen lassen.129 Zuletzt ist der Weg über das Donautal beschrieben worden, an der Leitha soll ein Zweig nach Norden abgezweigt sein.130 Die Annales Bertiniani verzeichnen für das Jahr 873 die Nachricht „Während der Belagerung von Angers wurde Karl aus nicht unsicherer Quelle benachrichtigt, eine große Menge Heuschre-

|| 125 Petri Gesta episcoporum Neapolitanorum. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 436: Huius namque temporibus tanta locustarum densitas in Campaniae partibus, et maxime in hac Parthenopensi territorio, exorta est, ut non solum segetes, sed etiam arborum folia et hortorum holera viderentur esse consumpta. Qua peste omnes accolae nimio terrore perculsi, utpote famis penuria se interire credentes, praedictum praesulem Athenasium adierunt, ut speciale consilium eis praeberet et Dominum exinde supplicaret. Quorum precibus ocius et humiliter parens, consilium salutiferum cum eis iniit, ut ieiuniis atque elemosinis Dominum exorantes, in honorem beati Iuliani martyris uno die basilicam construerent et missarum sollemnia pro tali peste illic communiter celebrarent, sicut de tali clade audierat in (…). 126 Samnium (oskisch Safinim) war eine Landschaft in den südlichen Apenninen, umgeben von den Landschaften Latium im Norden, Lucania im Süden, Campania im Westen und Apulia im Osten. Die Hauptstadt der Region war Maluentum, das heutige Benevent. 127 Catalogus regum Langobardorum et ducem Beneventanorum. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 495: Prius tamen quam ista contingerent, temporibus Gaideris et Radelchis seu Aionis principum, ingens locustarum multitudo invasit Calabriam Apuliamque et Samnium et quasdam partes Italiae. Dehinc postquam iam dictus Ursus puer principari ceperat, stella cometes terribiliter longis effulsit crinibus per dies aliquot. 128 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 46. 129 Gribbin/Gribbin, Kinder der Eiszeit (1994), 168 f.: „Im Jahr 873 zogen beispielsweise riesige Heuschreckenschwärme, die sich in der trockenen Hitze gewaltig vermehrt hatten, von Spanien hoch nach Deutschland.“ 130 Delort, Elefant (1987), 193: „Der (…) Weg führt ins Herzen Europas; er nimmt das Donautal bis zu den Alpen und zum Rhein-, Rhône- und Romanchetal und den Schweizer Seen. Auf der Höhe der Leitha zweigt ein Ast ab, der ins Innere des Böhmischen Vierecks führt und von dort in die Main-Rhein-Rinne und in die Moselebene. Es ist zweifelsfrei der Weg, den die große Invasion von 873 genommen hat.“

572 | Auswirkungen und Folgen

cken habe sich von Germanien aus über Gallien und besonders über Spanien hin verbreitet, sodass diese mit der ägyptischen Plage zu vergleichen war.“131 Da der dritte Teil er Annalen, also von 862 bis 882 von Erzbischof Hinkmar von Reims (806–882) geschrieben wurde und diese Quelle „sehr die Interessen und Wertungen des Verfassers“ widerspiegelt,132 ist der hier angeführte Vergleich mit der ägyptischen Plage auffällig. Vor allem auch deswegen, weil Hinkmar über die Geschehnisse in Angers berichtet, die er in Begleitung des Königs erlebte, während er über die Heuschrecken nur aus der Ferne erfahren hatte, ohne selbst Augenzeuge gewesen zu sein. Dafür spricht zudem die Ankunft der Heuschrecken in Reims am 16. August.133 Auch der unbekannte Autor der Annalen des Klosters St-Vaast scheint unter den Teilnehmern von Karls Belagerungszug in Angers gewesen zu sein, denn er berichtet: „Im Jahre des Herrn 874 belagerte König Karl die Normannen in der Stadt Angers, aber auf schlechtester Menschen Rat ließ er sie, nachdem er Geiseln von ihnen erhalten hatte, ungekränkt abziehen. Zu jener Zeit kam auch eine Heuschreckenplage über das Land.“134 Die Datierung der angegebenen erstmaligen Wahrnehmung der Heuschreckenplage im Jahr 874 in den Quellen ist nur scheinbar ungefähr die Mitte des Monats August. Denn auffällig häufig sind die Aufzählungen mit genauen Tagesdaten versehen. Diese weichen allerdings um mehrere Tage voneinander ab. Eine oberflächliche Betrachtung legt eine ungefähre Angabe „Mitte August“ nahe. Werden aber die Orte der Klöster, in denen die genauen Tagesdaten überliefert wurden, samt der Daten auf eine Karte übertragen, klärt sich der Zugweg der Heuschrecken fast taggenau. Der Verfasser der Fuldaer Annalen berichtet vom Auftreten der Heuschrecken gerade in der Zeit, als die neuen Früchte wuchsen (tempore vero novarum frugum). Dieser Zeitraum ist je nach Pflanze allerdings sehr unterschiedlich. Allgemein lassen sich hier vielleicht die Monate Juli und August annehmen. Das erstmalige Auftreten der Heuschreckenschwärme wurde von Regino von Prüm und den Xantener Annalen für die Mitte des Monats August (vero mediante mense Augusto) angegeben; das gilt also für Kontinentaleuropa nördlich der Alpen. Unmittelbar in den angrenzenden Regionen südlich der Alpen beschrieb Andreas von Bergamo ein Auftreten von Heuschrecken

|| 131 Annales Bertiniani, ad a. 873. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 124; Ed. Grat u. a.: Karlo vero residente secus Andegavis civitatem, non incerta relatione nunciatur. Multitudo siquidem locustarum per Germaniam Gallias, maxime autem in Hispaniam adeo se effudit, ut Aegyptiacae plagae potuerit comparari. 132 Rep. Font. 2, 255. 133 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 873. Ed. Waitz, MGH SS 13, 82: Transierunt locustae Remis 17. Kalendas Septembris. In crastino autem fuit densa nebula valde. 134 Annales Vedastini, ad a. 874. Ed. Pertz, MGH SS 2, 196; FSGA 6, 290 f.: Karolus rex Andegavis civitate Nortmannos obsedit, sed pessimorum consilio acceptis absidibus inlesos abire permisit. In illis etiam diebus plaga locustarum facta est.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 573

ebenfalls für Mitte August. Er verwies dabei auf ein Wort Salomons.135 Deren Zugrichtung ergibt sich aus der Reihenfolge der Nennung von fünf Städten: zunächst im Nordosten Vicenza, dann etwas westlich davon Brescia, südwestlich davon Cremona, nordwestlich Lodi und zum Schluss auch das nordwestlich gelegene Mailand. Damit ist klar, dass nach dieser Chronik die Heuschrecken nicht aus Süditalien oder Nordafrika herangezogen sind, sondern aus östlicher Richtung kamen. Bereits Thornton dachte statt einer Herkunft aus Süditalien eher an ein Heranströmen aus der nordöstlichen Region Europas.136 Versucht man die einzelnen Beobachtungen nördlich und südlich der Alpen zu synchronisieren, ergibt sich folgendes Bild: Die ersten Nennungen sind für das südliche Rheinland anzunehmen. In Reims und in Saint-Maurice-de-Rotherens wurde das erste Erscheinen der Heuschrecken mit dem 16. August angegeben,137 in Anjou mit dem 18. August und die Verfasser der Annalen aus den Klöstern St-Amand-lesEaux und St-Vaast gaben den 19. August an, an dem „viele Heuschrecken (…) von Osten nach Westen durch die Luft fliegen gesehen wurden, welche wie aus dem Nichts erschienen.“138 Der Verfasser der Fuldaer Annalen gibt für die Dauer des Heuschreckenzuges zwei Monate an. Daher ist wohl an mehr als nur eine Welle des Auftretens zu denken.139 Die Heuschrecken wanderten vier bis fünf Meilen (acht bis zehn Kilometer) und ließen sich dann von der neunten Stunde (15 Uhr) bis zum nächsten Sonnenaufgang zum Fressen nieder.

|| 135 Andreas von Bergamo, Historia, 17. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 229: Eodem anno evoluto, multa signa monstrata sunt. Vinum quomodo vindemiatum et intra vascula misso, statim turbulentus, qui dicitur versio, fuit. In ipsa pascha Domini per arbores vel reliquia folia et loca parebat quasi terra pluvisset. Seguenti autem 4. Non. Magi proina caecidit, multe vites in planis locis seu in vallibus palmites cum uva siccaverunt, similiter et silves tenerrimum cum sua folia aride facte sunt. Sequenti autem mense Agust. [!] multarum locustarum advenit de Vicentina patibus in finibus Bresiana [Brixianis], deinde in Cremonensis finibus; inde vero perrexerunt in Laudensis partibus, sive etiam in Mediolanensis. Erat enim unates pergentibus, sicut Salomon dixit: ‘Locustas regem non habent, set per turmas ascendunt’. Devastaverunt enim multa granas minutas, id est milio vel panico. Completi ann. centisimo ex co Francorum gens italia ingressi sunt, ann. domni Hludovici imperatori 23. et mensis 4, ind. 6 finita. Ingrediente 7. ind., hoc est ann. Incarnatione domini nostri Ihesu Christi octogenti 73 transacti. 136 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 48. 137 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 48. 138 Annales Elnonenses maiores, ad a. 873. Ed. Pertz, MGH SS 5, 12; Annales. Ed. Grierson, 147: 14. Kal. Sept. multitudo locustarum visa est per aerem volitare, quanta nunquam apparuit, a partibus orientis tendens in occidentem. 139 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 49.

574 | Auswirkungen und Folgen

Tab. 53: Überlieferung des Heuschreckenauftretens von 873/84

Nr.

Datierung

H873-1

Region, Ort

Quellen

[Juli–E. Aug.]

Mainz

Ann. Fuldenses

H873-2

~15. August

Xanten

Ann. Xantenses

H873-3

August

Prüm

Ann. Prumiensibus

H873-4

August

Prüm

Regino von Prüm

H873-5

August

Westfranken

Ann. Heremi 1 und 2

H873-6

[kein Datum]

Hersfeld

Ann. Hersfeldenses

H873-7

[kein Datum]

Hildesheim

Ann. Hildesheimen.

H873-8

[kein Datum]

Weingarten

Ann. Weingartenses

H873-9

Mitte August

St-Bertin

Folcw. Gesta Abb. S. Bertini

H873-10

16. August

Reims

Ann. S. Dionysii Remenses

H873-11

17. August

Anjou

Chr. Rain. S-Mauricii Andeg.

H873-12

[kein Datum]

Dijon

Ann. S. Benigni Divionensis

H873-13

[kein Datum]

Lausanne

Ann. Lausannenses

H873-14

19. August

St-Amand-les-Eaux

Ann. Elnonenses

H873-15

19. August

St-Vaast

Ann. Vedastini

H873-16

19. August

St-Amand-les-Eaux

Ann. de Saint-Amand

H873-17

19. August

Anjou

Chron.Vindocinense

H873-18

[kein Datum]

Gallia, Gembloux

Sigebert von Gembloux

H873-19

August

Vicenza, Brescia, Cremona, Lodi, Mailand Andreas v. Bergamo

H873-20

Apulien, Samnium, Kalabrien

Catal. regum Langobard.

H873-21

Kampanien und Neapel

Gesta ep. Neapolitan.

H873-22

Brescia Blutregen

Ann. Ratisbonenses

H873-23

mare Britanicum

Ann. S. Trudperti

H873-24

Irland

[verschiedene]

Spanien

[verschiedene]

H873-25

[kein Datum]

Die Wandergeschwindigkeit von Heuschrecken wird von der modernen Wissenschaft mit fünf bis maximal 150 Kilometer am Tag bei einer Geschwindigkeit von 15 bis 20 Kilometer pro Stunde abgegeben. Nach Reginos Zeugnis gelangte ein Teil der

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 575

Schwärme bis an das britannische Meer, wurde dort vom Wind auf das Meer hinaus verfrachtet und verendete auf dem Wasser. Die Windrichtung müsste demnach von Ost nach West gewesen sein. Dabei ist zu beachten, dass es rezente Beobachtungen gibt, nach denen Heuschreckenschwärme durch spezielle Windkonstellationen von Afrika nach Brasilien über den Atlantik verdriftet werden können.140

Abb. 13: Topografische Übersicht der Nennungen von Heuschrecken 873/874 (vgl. Tab. 53)

Mit lautem Lärm wurde versucht, die Schwärme zu vertreiben oder zumindest aufzuscheuchen. Die Weiterentwicklung dieser Methode führte im Spätmittelalter zum Glockenläuten gegen die Heuschrecken. Das Problem als solches wurde dadurch aber einfach nur transloziert. Der Verfasser der Annales Xantenses zog im Gegensatz zu jenem der Fuldaer Annalen und zu Regino von Prüm eine Verbindung zur alttestamentarischen Plage. Sein letzter Satz, nach dem die Heuschrecken nicht überall, sondern stellenweise Schaden anrichteten, könnte auf eine bereits fortgeschrittene

|| 140 Vgl. Lovejoy/Mullen/Sword u. a.: Ancient trans-Atlantic flight (2006), 767–774.

576 | Auswirkungen und Folgen

Phase im Leben der Heuschrecken hinweisen, bei der sich der Schwarm durch die Befruchtung der weiblichen Individuen und die darauf erfolgende Eiablagerung immer weiter verkleinert. Während der Eiablage scheint die Fresslust gering zu sein. Im ausgehenden 9. Jahrhundert ist noch für zwei weitere Jahre, 890 und 896, in mehreren Annalen das Erscheinen von Heuschrecken überliefert. In der Chronica S. Benedicti wird zum Jahr 890 überliefert, die Heuschrecken hätten Kalabrien, Apulien, Samnium und weitere Teile Italiens heimgesucht. Daraufhin sei im Sternbild Kleiner Bär ein Komet erschienen.141 Zum Jahr 889/890 nennt auch Cosmas von Prag in seinem Chronicon Heuschrecken.142 Nach walisischen Quellen sind im Jahr 896 Heuschrecken aufgetreten; diese könnten zwar nach Thornton den Ereignissen im Jahr 873 zugordnet werden, allerdings sei dies nicht gesichert.143

4.1.3 Heuschreckenplagen im 10. und 11. Jahrhundert „Im Jahr 925 war das Bulgarenvolk von einer großen Hungersnot und Heuschreckenplage überkommen worden, die Menschen und Feldfrüchten sehr zusetzte und sie verderben ließ“, so Johannes Skylitzes.144 Ungefähr für das Jahr 1031 berichtet Johannes Zonaras: „Als eine Hungersnot Kappadokien, Armeniakon und Paphlagonien quälte und wieder die Heuschrecken den Osten verwüsteten, wurden viele genötigt, ihre Heimat zu verlassen; diese richtete der Herrscher durch Geldspenden wieder auf und überredete sie, in ihr Land zurückzukehren. Als sich Erdbeben ereigneten, wurden die Hospitäler arg mitgenommen sowie Byzanz gegenüberliegende Asyle, die von alters her als Wohnstätte für die Epileptiker und die Leprakranken bestimmt waren. Der Kaiser erneuerte auch diese und kümmerte sich um die geborstene Leitung, die das Wasser in die Hauptstadt führte.“145 Als bemerkenswerte Beobachtung lässt sich ein Ausbleiben weiterer Heuschreckenschwärme über Europa im gesamten 10. und 11. Jahrhundert festhalten –

|| 141 Chronica S. Benedicti, ad a. 890. Ed. Pertz, MGH SS 3, 202: Prius tamen quam ista contingerent, temporibus Gaideris et Radelchis seu Aionis principum, ingens locustarum multitudo invasit Calabriam Apuliamque et Samnium et quasdam partes Italiae. Dehinc postquam iam dictus Ursus puer principari coeperat, stella cometes terribiliter longis effulsit crinibus per dies aliquot. 142 Cosmas von Prag, Chronicon Boemorum, 1, 2. Ed. Bretholz, MGH SS rer. Germ. N. S. 2, 5 f.: Ferae silvarum innumerae ceu maris harenae, vel quot sunt stellae in aethere, nec ab ullo perterritae errabant per devia terrae, et bestiarum gregibus vix sufficiebat tellus. Ad numerum locustarum aestate per arva saltantium, vix poterant aequiparare armenta iumentorum. 143 Thornton, Locusts in Ireland? (1996), 51–53. 144 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Rhomanos Lakapenos 18, in: Byzanz. Ed. Thurn, 261. 145 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 581, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 68.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 577

lediglich im Jahre 1085 wurden im Westfrankenreich ungewöhnlich viele Heuschrecken gesehen.146 Delort erwähnt noch einen Heuschreckenschwarm, der sich in den ältesten russischen Chroniken findet. Danach kamen Schwärme aus dem inneren Russlands am 26. August 1094 und am 28. August 1095 in die Gegend um Kiew. Dabei haben die „Insekten wie eine Schicht den Boden [bedeckt] und alles Gras und die Hirse verschlungen.“147 In den verschiedenen Quellen werden allegorische Vergleiche angestellt, etwas sei in Art der Heuschrecken (more locustarum) geschehen148 oder wie die Heuschrecken (instar locustarum).149 Solche Vergleiche gibt es aus dem 8. Jahrhundert,150 sie begegnen im 9. Jahrhundert151 und gehen auf eine Formulierung im Buch der Richter

|| 146 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1085. Ed. Verdon, 146 f.: Anno MLXXXV locustarum multitudines vise sunt insolito. 147 Delort, Elefant (1987), 191 f. 148 Landulfi Historia Mediolanensis, 2, 25. Ed. Bethmann/Wattenbach, MGH SS 8, 62: De quo quidam ex nostris, primo cum regis exercitus innumerabilis more locustarum terram cooperiens circumveniret, scutis ambabus partibus ordinatis, incolumis quasi volando sese deiecit. Ex Theodrici historia de antiquitate Regum Norwagiensium, 24 (ad a. 1043). Ed. Waitz, MGH SS 29, 250: Dum haec agerentur, Wandali, quos nos materna lingua vocamus Windir, – gens pagana et Deo inimica, silvestris et inculta, vivens raptu –, qui semper quidem rapinis solebant infestare Daciam, tunc tamen precipue occasionem nacti de inquietudine regni, incredibili multitudine advecti sunt in Daciam, operientes faciem terrae more locustarum. 149 Ruperti Chronicon, 18 (ad a. 1018). Ed. Wattenbach, MGH SS 8, 268: Cunctis actutum instar locustarum fugientibus, multisque adversariorum hinc inde peremptis, dux ipse Godefridus ab hostibus captivatur. Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1075. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 218; FSGA 13, 288 f.: Saxones, qui sibi stultissime persuaserant, spacium illud, quo a rege aberant, vix ab equite expedito, nedum ab exercitu, sarcinis aliisque impedimentis implicato, uno die transmitti posse, nihil minus quam regem eo die ad se perventurum suspicabantur; ideoque vana securitate resoluti, omne studium ab armis ad curam corporum verterant; cum repente conspicantur caelum pulvere obtenebratum, exercitum, super arenam maris innumerabilem, totam adiacentis campi latitudinem instar locustarum occupasse, et fere iam emenso quod in medio erat spacio, ad ipsa castra opprimenda, nisi maturent egredi, citato paululum gradu properare. Inopinata re trepidi, et se invicem inertiae, quod hostem non praevidissent, incusantes, protinus sublatis in caelum vocibus conclamant, arma rapiunt, portis prorumpunt. 150 Erchemperti Historia Langobardorum Beneventanorum, ad a. 787. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 235: Super Beneventum autem Gallico exercitu [perveniente], predictus Arichis viribus quibus valuit primo fortiter restitit, postremo autem, acriter preliantibus, universa ad instar locustarum radice tenus corrodentibus, magis civium saluti quam liberorum affectibus consulens, geminam sobolem vice pigneris iam dicto tradidit cesari, hoc est Grimoaldum et Adelchisam, simulque cunctum thesaurum suum. 151 Chronicon Salernitanum, 93. Ed. Pertz, MGH SS 3, 514: Agareni quippe omnes simul sunt denuo congregati, et protinus per Beneventanas Salernitanasque fines peragrant; quicquid repperiri poterant, ad instar plurimarum locustarum demoliunt, multosque homines necant, uxores liberosque eorum duxerunttivi, vix paucis evadentibus, qui per tutissima castra et iuga montium fugerunt.

578 | Auswirkungen und Folgen

6, 5 (et instar locustarum universa complebant, innumera multitudo hominum) zurück.152 Auch bei Otto von Freising findet sich dieser Vergleich, als er die ungarischen Reiterheere, die 955 Mitteleuropa heimsuchten, mit den Heuschrecken verglich, die über das Land zogen.153 Ähnliches findet sich auch in den Annales Osterhovenses zum Jahr 955.154 Andere nutzen eine Formulierung aus dem Buch Joel,155 nach der, das was die Heuschrecken übrig lassen, die Raupen fressen.156 Im 11. Jahrhundert verwendete Lampert von Hersfeld ähnliche Formulierungen bei der Schilderung der Geschwindigkeit eines heranrückenden Heeres: „Da sehen sie [die Sachsen] plötzlich, wie sich der Himmel von einer Staubwolke verdunkelt und ein Heer, unzählbarer als der Sand am Meer,157 sich über die ganze Weite des anliegenden Feldes wie ein Heuschreckenschwarm158 ergossen hat (…).“159 Auch bei Johannes Zonaras findet sich zu einem nicht genau datierten Jahr vor 1099 ein Eintrag mit einem Heuschreckenvergleich: „Danach brach das Volk der Franken vom Westen auf und gelangte zur Kaiserstadt, um von da nach dem Osten überzusetzen; ein göttliches Zeichen hatte deren Bewegung vorausgesagt. Denn eine ungeheure Zahl von Heuschrecken, die aus dem Westen stammten, gliche im Flug den Wolken und verdunkelte die Sonne. Sie flogen durch die Hauptstadt und ihre Umgebung, eilten nach Osten und kamen dort zur Ruhe.“160 Gerade die unüberschaubare Anzahl wurde als allegorischer Vergleich genutzt. Die chronologische Verteilung dieser 22 Beobachtungen sieht folgendermaßen aus:

|| 152 Ri 6,5: „(…) denn wenn sie mit ihren Herden und Zelten heranzogen, kamen sie so zahlreich wie Heuschreckenschwärme, so daß sie selbst und ihre Kamele nicht zu zählen waren; und wenn sie eingedrungen waren, verheerten sie das Land.“ 153 Otto von Freising, Chronica, 6, 20. Ed. Hofmeister, MGH SS rer. Germ. 45, 281: Anno ab incarnatione Domini DCCCCLV Ungarorum gens sevissima cum innumera multitudine erupit ac totam terram more locustarum operiens ad Licum usque contra urbem Augustensem (…) pervenit. 154 Annales Osterhovenses, ad a. 955. Ed. Wattenbach, MGH SS 17, 539: Ungarorum gens sevissima totam terram more locustarum operiens, ad Licum usque contra urbem Augustensem pervenit, cui Deo dignus sacerdos Ulricus tunc temporis presidebat sub Ottone I. inperatore. 155 Joel 1,4: Residuum erucæ comedit locusta, et residuum locustæ comedit bruchus, et residuum bruchi comedit rubigo. 156 Arnulfi Gesta, 16 (ad a. 1059). Ed. Bethmann/Wattenbach, MGH SS 8, 21 f.: Qui cum esset laycus, quasi fraternae gratia pietatis opus sibi praesumpsit indebitum, Arialdi verbis adeo credulus, ut quos frater flagellis ceciderat, ipse percutiat scorpionibus, et residuum locustae comedat bruchus, ad placitum, si quae sunt clericorum peccata diiudicans. Dum ergo laicus iudicat, clericus tantum vapulat. 157 Vgl. Jer 15,8: „Ihrer Witwen sind mehr geworden als des Sandes am Meer“ (super arenam maris). 158 Vgl. Ri 6,5: „(…) denn sie kamen samt ihrem Vieh und ihren Zelten herauf wie eine große Menge Heuschrecken.“ 159 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1075. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 218; FSGA 13, 288 f.: (…) cum repente conspicantur caelum pulvere obtenebratum, exercitum, super arenam maris innumerabilem, totam adiacentis campi latitudinem instar locustarum occupasse (…). 160 Vgl. Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 742 f., in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 168.

Beschreibungen von Heuschreckenplagen | 579

Tab. 54: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Heuschrecken von 500 bis 1100 Gesamt 22 100 %

6. Jh. 5 23 %

7. Jh. 3 14 %

8. Jh. 5 23 %

9. Jh. 5 23 %

10. Jh. 1 5%

11. Jh. 3 14 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung liegen im 6., 8. und 9. Jahrhundert mit jeweils fast einem Viertel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 10. Jahrhundert überliefert. Tab. 55: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Heuschreckenplagen von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Quellen

HS1

498–500

Syrien, Edessa

Theophilus von Edessa Gregor von Tours

HS2

583

Spanien

HS3

590–591

Trientiner Land

Paulus Diaconus

HS4

593/594

Syrien, Palästina

Theophilus v. Edessa, Bernold v. St. Blasien

HS5

599–601

Italien, Rom

Gregor d. Große

HS6

18.07–01.08.642

Nordafrika

Lex Visigothorum

HS7

665–666

Syrien, Edessa

Theophilus von Edessa

HS8

680

Syrien

Byz. Kleinchroniken

HS9

714

Syrien

Michael d. Syrer

HS10

721

Syrien

Michael d. Syrer, Bar-Hebraeus

HS11

750/751

Syrien

Michael d. Syrer

HS12

763 u. 764

Syrien

Michael d. Syrer

HS13

785

Syrien

Michael d. Syrer

HS14

804–809

Syrien

Michael d. Syrer

HS15

829–831

Syrien

Michael d. Syrer

HS16

841–842

Sizilien

Byz. Kleinchroniken

HS17

873–874

Mittel-/Nordeuropa

[zahlreiche: > 22]

HS18

889/890

weitere Teile Italiens

Chronica S. Benedicti, Cosmas von Prag

HS19

925

Bulgarien

Johannes Skylitzes

HS20

1031

Syrien

Johannes Zonaras

HS21

1085

Westfrankenreich

Chronicon S.-Maxentii Pictavensis

HS22

1094/1095

Russland, Kiew

russ. Chroniken

580 | Auswirkungen und Folgen

Abb. 14: Heuschrecken in Europa vom 6. bis 9. Jahrhundert (vgl. Tab. 54)

Aus den 22 Ereignissen ragt jenes von 873–874 weit heraus. Mehr als 20 Quellen erwähnen die Heuschrecken in Mitteleuropa, die sich in drei Zügen vom Donaudelta am Schwarzen Meer über die Donau, den Rhein aufwärts bis nach England ausbreiteten, ein zweiter Schwarm zog über Norditalien bis nach Spanien und ein dritter über die Adria nach Mittelitalien. Sieht man von diesem außergewöhnlichen Ereignis ab, sind die Nachrichten über Heuschrecken vor allem auf den Nahen Osten beschränkt. Zwölf Mal werden Heuschreckenschwärme in Syrien dokumentiert, sieben davon von Michael dem Syrer. Ansonsten war der weitere Mittelmeerraum betroffen: vier Mal Italien, Nordafrika, Spanien, Bulgarien und Russland. Im Westfrankenreich wird noch einmal im Jahr 1085 vom Chronicon S. Maxentii Pictavensis ein Auftreten von Heuschrecken erwähnt. Da diese Stelle aber völlig ohne Parallelüberlieferung blieb, erscheint ihre Faktizität zweifelhaft. Insgesamt bleibt das Heuschreckenjahr 873–874 als außergewöhnliches, aber sehr gut dokumentiertes Ereignis.

Beschreibungen anderer Tierplagen | 581

4.2 Beschreibungen anderer Tierplagen Während Heuschrecken über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg wiederholt als Plagen auftraten, sind andere Tierarten nur episodisch als Plage aufgetreten. Ratten werden nicht nur in der Geschichtswissenschaft mit der Ausbreitung der Pest im 14. Jahrhundert in Verbindung gebracht, sondern symbolisieren geradezu die Ausbreitung des Schwarzen Todes. Daneben ist aber auch das Auftreten andere Säugetiere in großer Zahl bekannt, nämlich der Wölfe. Sie kamen, falls sie einen Durchschlupf fanden, sogar bis in das ummauerte Areal der Städte, wie die Stadtchroniken von Parma und Vicenza mehrfach berichten.161 Dabei sind Wölfe traditionell in ihrer Bedeutung gar nicht so schlecht besetzt: Schon die Zwillinge Romulus und Remus, die die Stadt Rom gegründet haben sollen, wurden laut Legende von einer Wölfin gesäugt und aufgezogen. Aber auch Bären, Mäuse, Schlangen oder Fliegen können die Menschen als Plagen heimsuchen, insbesondere, wenn sie in größeren Gruppen auftreten. Nach Hermann von Reichenau sei zu der Zeit, als König Theoderich den Aquädukt in Ravenna fertigen ließ, Erzbischof Mamertus von Vienne gegen Wölfe, Bären und andere Plagen vorgegangen;162 problematisch ist, dass der Eintrag zum Jahr 501 gestellt wurde, Mamertus hingegen bereits 477 verstarb. Gregor von Tours berichtet zum Jahr 580: „Zu derselben Zeit kam zu Poitiers ein Wolf aus den Wäldern und drang durch das Tor in die Stadt ein; man schloss die Tore, jagte ihn innerhalb der Stadtmauern und tötete ihn.“163 Und zum Jahr 582 schreibt er: „In demselben Jahr zeigten sich abermals manche Wunderzeichen: in die Mauern der Stadt Bordeaux kamen Wölfe, zerrissen Hunde und zeigten nicht einmal vor den Menschen Furcht.“164 Zum Jahr 585 berichtet Gregor von Tours von einem Abwehrzauber gegen Plagen: „Man erzählt sich aber, diese Stadt [Paris] sei von alters her gleichsam geweiht gewesen, sodass dort das Feuer keinen Schaden anrichten und keine Schlange und Ratte sich zeigen konnte. Kurz zuvor aber hatte man, als man eine Kloake an der Brücke reinigte und den Kot aus derselben fortschaffte, darin eine eherne Schlange und Ratte gefunden. Da sie fortgenommen worden waren, erschienen dort

|| 161 Golinelli, Mathilde und der Gang nach Canossa (1998), 187. 162 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 501. Ed. Pertz, MGH SS 5, 85: Theodericus rex aquaeductum Ravennae fecit. His temporibus sanctus Mamertus Viennensis archiepiscopus virtutibus claruit, qui propter luporum et ursorum inmanitatem aliasque plagas triduanas ante ascensionem Domini letanias primus instituens, Domini misericordiam plagarumque cessationem promeruit. 163 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 41. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 248; FSGA 3, 356 f.: Eo tempore apud Pectavensem civitatem lopus ex silvis veniens, per portam ingressus est; clausisque portis, infra murus ipsius urbis obpressus, occisus est. 164 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 21. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 289; FSGA 3, 38 f.: Haec in hoc anno iteratis signa apparuerunt: (…) infra muros vero Burdegalensis oppiai ingressi lupi canes deforaverunt, nequaquam hominem metuentes.

582 | Auswirkungen und Folgen

fortan unzählige Ratten und Schlangen, und die Stadt fing an durch Feuersbrünste zu leiden.“165 Zwei Jahre später, 587, geschahen nach Gregor von Tours viele Wunderzeichen: „(…) Manche wollten Schlangen aus einer Wolke haben fallen sehen.“166 Dies könnte auf eine tornadoartige Wettersituation hindeuten.167 Für das Jahr 591 erwähnt Gregor „einen Mann aus dem Gebiet von Bourges, der eines Tages in den Wald ging, um Holz für irgendeine Arbeit zu fällen; dort überfiel ihn, wie er dies später selbst erzählte, ein Fliegenschwarm, und zwei Jahre lang blieb er infolgedessen seiner Sinne beraubt; (…).“168 In einem anderen Werk bietet Gregor einen frühen Nachweis für „Fliegen, die Wespen genannt werden.“169 Paulus Diaconus berichtet zum Jahr 604 von „einem überaus kalten Winter, wodurch die Weinstöcke fast allerorten erfroren. Auch um das Getreide stand es schlecht, es wurde teils von den Mäusen gefressen, teils durch Befall mit dem Getreidebrand unbrauchbar.“170 Im Jahr 665/666 „trat eine Epidemie unter den Einwohnern von Ägypten und Palästina auf. Die Mäuse wurden so zahlreich, dass es in Syrien zu einer großen Hungersnot kam.“171 In einer anderen Überlieferung desselben Ereignisses heißt es, dass nachdem ein ungewöhnlicher Komet vom 28. August bis zum 26. Oktober an jedem Morgen erschien, die Ratten in Syrien und Phönizien zahlreich geworden seien und

|| 165 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 33. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 402 f.; FSGA 3, 210 f.: Agebant enim, hanc urbem quasi consecratam fuisse antiquitus, ut non ibi incendium praevaleret, non serpens, non gliris apparuisset. Nuper autem, cum cuniculum pontis emundaretur et coenum, de quo repletum fuerat, auferretur, serpentem gliremque aereum repperierunt. Quibus ablatis, et glires ibi deinceps extra numerum et serpentes apparuerunt, et postea incendia perferre coepit. 166 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 5. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 426; FSGA 3, 232 f.: Prodigia quoque multa dehinc apparuerunt. (…) Adserebant nonnulli, vidisse se serpentes ex nube delapsos. 167 Siehe dazu Kap. 3.3 Orkane, Windhosen und Tornados. 168 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 25. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 517; FSGA 3, 384–386: Quidam enim ex Biturigo, ut ipse postmodum est professus, dum saltus silvarum in gressus ligna caederet explendam operis cuiusdam necessitatem, muscarum eum circumdedit examen, qua de causa per biennium amens est habitus (…). 169 Gregor von Tours, Liber vitae partum, 10, 1. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 1.2, 256: Quodam vero die dum cum reliquis in segitem, culmis incisis, manipulos colligaret, examen miserabilium atque saevarum muscarum, quas vulgo vespas vocant, repperiunt. 170 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 29. Ed. Bertham/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 126; Ed. Schwarz, 236 f.: Fuit autem tunc hiems frigida nimis et mortuae sunt vites pene in omnbibus locis. Messes quoque partim vastatae sunt a muribus, partim percussae uredine evanuerunt. 171 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 665–666. Ed. Hoyland, 161 [Agapius]: Plague occurred among the people in Egypte and Palestine. Mice were numerous in Syria with the result that a great famine occurred there.

Beschreibungen anderer Tierplagen | 583

die Ernte zerstört hätten, was zu einer großen Lebensmittelknappheit führte. Im darauffolgenden Jahr traten auch noch Heuschrecken auf.172 678/679 sollen sich Ratten in der gesamten syrisch-libanesischen Mittelmeerküste übermäßig vermehrt und das Saatgetreide vernichtet haben, was zu einer großen Hungersnot führte.173 Für das gesamte 8. Jahrhundert konnte keine Quellenstelle gefunden werden, die eine Plage durch andere Tiere als Heuschrecken dokumentiert. Im Westfrankenreich sind erst ab dem Jahr 800 wieder mehrere Quellenstellen überliefert, in denen Wölfe als Plage genannt wurden. In den wiederholten Landgüterverordnungen (kurz vor 800) Karls des Großen (Capitulare de villis et curtis imperialibus) werden in Kapitel 69 Bestimmungen zum Umgang mit Wölfen erlassen: „Jederzeit soll man uns melden, wie viele Wölfe jeder Amtmann erlegt hat, und soll uns ihre Felle zusenden. Im Mai soll man die jungen Wölfe aufspüren und fangen, mit Hilfe von Gift, Wolfsangeln, Gruben und Hunden.“174 In das Jahr 812 datiert die Bestimmung: „Über die Häufigkeit des Vorkommens von Wölfen ist uns jederzeit zu berichten und dabei anzugeben, wie viele jeder Jäger erlegt hat. Die Felle sind als Belege einzusenden. Im Mai nach der Wurfzeit soll man die jungen Wölfe aufspüren und sie mit Gift und Fangeisen unschädlich machen, oder sie in Gruben fangen oder mit Hunden hetzen.“175 Als Karl der Große am 22. März 813 Bischof Frothar das Bistum Toul (813–848) übertrug, bekam letzterer den Auftrag, aktiv gegen die Wolfsplage vorzugehen. In den maximal zehn Monaten, die bis zum Tod Karls am 28. Januar 814 zur Verfügung standen, kam der Bischof diesem Auftrag weisungsgerecht nach. Über sein Vorgehen berichtete er Karl in einem Brief: „Eure einst von Gott geschenkte, allumfassende Fürsorge hat die Herde der heiligen Kirche meinen Händen anvertraut unter der Bedingung, dass ich den Angriffen der eindringenden Wölfe entgegentrete und sie mit allen mir verfügbaren Mitteln zusammendränge und töte. Da aber bis jetzt noch nicht der Zeitpunkt gekommen ist, über diesen Kampf Rechenschaft abzulegen, teile ich Eurer Weisheit als Zwischenbericht mit, wie viele leibhaftige Wölfe ich bis zum tödlichen Ausgang bekämpft habe. Seit ihr mir jenes Bistum anvertraut habt, habe ich in euren Forsten 240 Wölfe getötet; ich sage‚ich habe getötet‘, weil sie auf meinen Befehl hin und aufgrund || 172 Theophilus of Edessas’ Chronicle, ad a. 665–666. Ed. Hoyland, 161 [MSyr]: An awesome comet appeared every morning from 28 August to 26 October, sixty days in all. The rats became numerous in Syria and Phoenicia and destroyed the crops, causing a great food shortage. The following year there were locusts. 173 Beyer, Singuläre Naturkatastrophen (2007), 157. 174 Capitulare de villis et curtis imperialibus, 69. MGH Capit. 1, 89; FSGA 31, 58; FSGA 40a, 64 f.: De lupis omni tempore adnuntient, quantos unusqisque conpraehenderit et ipsas pelles nobis preasentare faciant; et in mense Maio illos lupuellos perquirant et conpraehendant, tam cum pulvere et hamis quamque cum fossis et canibus. 175 Capitulare de villis et curtis imperialibus, 69. MGH Capit. 1, 89; Landgüterverordnung. Ed. Fleischmann, 32 und 60: De lupis omni tempore nobis adnuntient, quantos unusquisque conprahehenderit et ipsas pelles nobis praesentare faciant; et in mense maio illos lupellos perquirant et conpraehendat, tam cum pulvere et hamis quamque cum fossis et canibus.

584 | Auswirkungen und Folgen

meiner listigen Planung gefangen wurden.“176 Die Zahl von 240 getöteten Wölfen scheint sehr hoch und wohl eher einem Topos zu entsprechen, aber sie ist für das 9. Jahrhundert nicht ungewöhnlich, wie eine Stelle in den Annales Bertiniani zum Jahr 846 zeigt: „Während des ganzen Winters bis fast zu Anfang des Mai herrschte ein heftiger Nordwind zum Schaden der Saaten und Weingärten. Im unteren Gallien fielen eindringende Wölfe mit größter Frechheit die Menschen an; und auch in Aquitanien, hieß es, taten sich fast an die dreihundert in Rudeln zusammen, zogen so auf der Straße geschlossen einher und setzten denen, welche sie angreifen wollten, einmütigen und heftigen Widerstand entgegen.“177 Zwölf Jahre später ereignete sich im Jahr 858 im Gau von Sens eine Geschichte, nach der am Tage des Herrn, als der Priester in der Kirche der heiligen Porcaria178 die Messe las, plötzlich ein Wolf in die Kirche gekommen sein soll, durch sein Umherlaufen das anwesende Volk verwirrte, dasselbe bei den Frauen wiederholte und schließlich wieder verschwand.179 Einige Chroniken aus der Region an der Loire überliefern, dass „am 12. Mai 965, in den größten Teilen des Reiches, in fast allen Orten, in denen sich Kirchen befinden, Feuer ohne Wind, Gewitter oder Sturm vom Himmel fiel und Menschen und Tieren schadete. Und in diesen Orten erschienen Dämonen in der Form von Wölfen, deren Gemecker gleich den Ziegen (ad imitationem caprearum balantes) nachts zu hören war.“180 In einer anderen Quelle werden diese Nachrichten zum 12. Mai 966 angege-

|| 176 Frotharii ep. Tullensis epistolae, Nr. 1 und 32. MGH Epp. 5, 277; FSGA 40b, 64 f.: Vestra dudum largissima a Deo data providentia ovile sanctae ecclaesiae ita manibus meis cummisit, ut inruentium luporum morsibus contrairem eosque pariter quanta valuissem virtute conprimerem atque necarem. Sed quia adhuc de eodem cetamine tempus rationem reddendi non est, referam tamen interim vestrae industriae, in nece luporum corporalium qualiter decertavi. Postquam enim illud episcopium mihi commendastis, interfeci in vestris forestibus lupos CCXL, interfeci dico, quia me iubente et ingenuante capti fuerunt. 177 Annales Bertiniani, ad a. 846. Ed. Grat u. a., 51; FSGA 6, 68 f.: Ventus aquilo per totam hiemem usque ad ipsa fere Maii mensis initia acerrimus segetibus et vineis incumbit. Luporum incursio Inferiorum Galliae partium homines audentissime devorat, sed et in partibus Aquitaniae in modum exercitus usque ad trecentos ferme conglobati et per viam facto agmine gradientes, volentibusque resistere fortiter unanimiterque contrastare feruntur. 178 St. Palladia und Porcaria (8. Okt.), zwei Jungfrauen, welche zu Auxerre in Frankreich verehrt werden. Die hl. Porcaria zog sich in die zwischen Auxerre und Sens liegenden Waldungen zurück, in welchen sie mehrere Jahre als Einsiedlerin zubrachte und im Rufe der Heiligkeit starb. Ihre Einsiedelei wurde später in eine Kirche verwandelt. Das Fest dieser heiligen Jungfrauen wird alljährlich am 8. Oktober mit einer Commemoration in der Diözese Auxerre gefeiert. 179 Annales Bertiniani, ad a. 858. Ed. Grat u. a., 76; FSGA 6, 94 f.: In pago Senonico in ecelesia sanctae Porcariae die dominico celebrante missas presbytero, lupus subito introiens plebemque adsistentem discurrendo perturbans, tandem inter feminas identidem faciens, disparuit. 180 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 965. Ed. Marchegay/Mabille, 163: Hoc anno, IVo idus maii, in maxima parte hujus regnis, in omnibus fere villis in quibus ecclesiae sunt, coelestis ignis

Beschreibungen anderer Tierplagen | 585

ben, allerdings verweist die Quelle nur auf Dämonen, ohne ihnen die Form eines Wolfes zu geben.181 Nach einer dritten Überlieferung sollen die Dämonen im Jahr 969 zu Weihnachten erschienen sein.182 Gemäß der Überlieferung diverser Chroniken soll Gott seinen Zorn über eine nicht erbrachte Sühneleistung im Jahr 1012 in Form einer Mäuseplage offenbart haben: Ein Ritter, der Besitzungen des hl. Clemens183 entfremdet und eine Sühneleistung dafür abgelehnt hatte, „wurde eines Tages in seinem Gemach von zahllosen Mäusen angefallen. Er suchte sie zunächst mit einem Knüppel abzuwehren, dann ging er mit dem bloßen Schwert gegen sie an, hatte aber keinen Erfolg; da schloss man ihn auf seine Bitte in eine frei an einem Strick hängende Kiste ein. Als daraufhin draußen die Plage ein Ende nahm und er wieder befreit werden sollte, fand man ihn tot von anderen Mäusen zernagt. So wurde allen Zeitgenossen und Nachfahren offenbar, dass ihn nur der rächende Zorn Gottes um seines Verbrechens willen vernichtet hat.“184 In den Vorlagen der Annales Islandorum wurde zum Jahr 1047 eine so große Kälte beschrieben, „dass zwischen Norwegen und Dänemark die Wölfe über das Eis liefen.“185 Bernold überliefert in seiner Chronik zum Jahr 1094, dass sich „in den deutschen Gebieten viele Prodigien zeigten. Denn Menschen erhängten sich, und auch Wölfe fraßen viele. Und man zweifelte nicht, dass dies durch das Strafgericht geschah, weil sie das göttliche Gesetz vernachlässigt und sich nicht gefürchtet hatten, durch die Exkommunikation besudelt zu werden.“186

|| sine vento et tonitru ac turbine, non hominem neque pecus laedens, cecidit; et in quibusdam locis daemones in forma luporum, ad imitationem caprearum balantes, apparuerunt et nocte auditi sunt. 181 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis, ad a. 966. Ed. Marchegay/Mabille, 186: Hoc anno, IVo idus maii, in maxima parte hujus regni, in omnibus fere villis in quibus ecclesiae sunt, coelestis ignis sine vento ac turbine, non hominem neque pecus laedens, cecidit; et in quibusdam locis daemones apparuerunt. 182 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis, ad a. 969. Ed. Marchegay/Mabille, 186: Mille anni a Nativitate Christi. Locis [quibusdam] daemones apparuerunt. 183 Der Ort wurde unterschiedlich identifiziert, nach den Annales Quedlinburgenses, ad a. 1012. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 534 bei Köln. Nach der Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 1012. Ed. Naß, MGH SS 37, 326 in Bodenfelden an der Weser. 184 Thietmar von Merseburg, Chronik, 6, 82. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 372; FSGA 9, 330 f.: Quidam vero miles, cum bona sancti Clementis vi tolleret et inde rectum facere noluisset, in una dierum a muribus intra cubiculum inpugnatur ineffabilibus. Qui primo fuste arrepto eos prohibere temptans posteaque evaginato eos aggressus gladio et sic nil proficiens, arca quadam, ut ipse rogavit, includitur ac in medium fune suspenditur; et cum exterius haec plaga sedaret hicque liber solvi debuisset, ab aliis usque ad mortem corrosus invenitur. Tunc cunctis presentibus et postea venientibus manifestum fit, quod hunc ira Dei vindex predicti facinoris sola consumpsit. 185 Annales Islandorum Regii, ad a. 1047. Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 34: (…) quod hoc anno tanta ingruerent frigora, ut inter Norvegiam et Daniam lupi per glaciem discurrerent. 186 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1094. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 512; FSGA 14, 405 f.: In Teutonicis partibus multa prodigia facta sunt. Nam et homines se ipsos suspenderunt, et lupi multos manducaverunt. Et hoc ex divina ultione factum non dubitabatur, eo quod legem divinam neglexissent et excommunicatione maculari non timuissent.

586 | Auswirkungen und Folgen

Im Vergleich zu den Heuschreckenplagen wurde das plagenartige Auftreten anderer Tierarten in der Zeit von 500 bis 1100 nur selten überliefert. Nur sieben Mal wurde in den untersuchten Quellen abseits von Heuschrecken auf Tierplagen Bezug genommen. Tab. 56: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Tierplagen von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Art der Plage

Quellen

TP-1.

585

Westfranken, Paris

Schlangen und Ratten

Gregor von Tours

TP-2.

587

Unbekannt

Schlangen

Gregor von Tours

TP-3.

591

Westfranken, Bourges

Fliegenschwarm

Gregor von Tours

TP-4.

665–666

Syrien, Edessa

Ratten

Theophilus von Edessa

TP-5.

800[–814]

Westfrankenreich

Wölfe

Capitulare de villis

[800–]814

Westfrankenreich

Wölfe

Frotharii episcopi Tullensis epistolae

846

Westfrankenreich

Wölfe

Annales Bertiniani

TP-6.

Auffallend selten – insgesamt nur zwei Mal (585, 665/666) wurden Ratten genannt, die in anderen geschichtlichen Epochen eine außerordentliche Rolle unter den Tierplagen einnehmen. Auch Schlangen wurden nur bei Gregor von Tours für die Jahre 585 und 587 genannt. Hinzu kommt noch ein Fliegenschwarm im Jahr 591, ebenfalls in der Frankengeschichte Gregors von Tours. Zu einer erstaunlich großen Plage scheinen in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts die Wolfsrudel angewachsen zu sein. In Kapitularien wurden Maßnahmen zu ihrer Dezimierung angedeutet und in einem Brief Bischof Frothars von Toul (813– 847/848), der ausdrücklich die Aufgabe bekommen hatte, sich des Problems anzunehmen, wurde dazu auch Stellung genommen. Eine Rudelgröße von 300 Individuen drückt, ganz unabhängig davon, ob die Zahl übertrieben ist oder nicht, einen großen Handlungsbedarf für die Zeitgenossen aus. Auch bei Wölfen scheut sich Berthold von Reichenau nicht davor, sie für seine mahnende Darstellung des Jahres 1094 gegen die Gefahren der Exkommunikation heranzuziehen. Das größte Interesse zeigte dabei Gregor von Tours. Warum nachfolgende Autoren, deren Darstellung ja oftmals ähnlich lautet, im Falle der Tierplagen so zurückhaltend waren, kann hier nicht eindeutig beantwortet werden und wäre in künftigen Detail-Untersuchungen zu klären.

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 587

4.3 Lebensmittelknappheit und Hungersnöte Das Wirtschaftsleben der mittelalterlichen Agrargesellschaft war von der Aussaat bis zur Ernte in besonderem Maße von den jeweiligen Witterungsumständen abhängig.187 Die Lebensmittelproduktion war die Grundlage der mittelalterlichen Wirtschaft und des Wohlstandes.188 Den großen Themenbereichen Lebensmittelknappheit,189 Hungersnöte190 und Hungerkatastrophen (inopia/egestas, fames/penuria) im Früh- und Hochmittelalter hat man sich bisher von verschiedenen Seiten genähert. Eine grundlegende und allgemeine Übersicht zu den entsprechenden Mitteleuropa betreffenden Quellen der Zeit vom 8. bis 13. Jahrhundert hat Curschmann bereits im Jahre 1900 vorgelegt.191 Diese ältere Analyse deutlich erweiternd, hat Tim Newfield zuletzt die Hungersnöte in der Zeit von 750 bis 950 analysiert.192 Die Hungersnöte und Krankheiten am Übergang von Spätantike zum Frühmittelalter, im byzantinischen Reich hat Stathakopoulos bearbeitet.193 Mit der Kurpfalz steht zwar eine andere Region im Mittelpunkt, wurde aber auf einer ähnlichen Grundfrage aufbauend von Linz untersucht.194 All diesen Studien ist ihre schriftliche Quellenbasis gemein. Demgegenüber bieten aber auch archäologische Reihenuntersuchungen mittlerweile einige Erkenntnismöglichkeiten. Für Südgriechenland im 5. und 6. Jahrhundert195 sowie für Kreta im 7. bis 12. Jahrhundert hat Bourbou entsprechende Studien vorgelegt.196 Zum Spätmittelalter haben Fouquet und Zeilinger im Sammelband zu Katastrophen ein Kapitel „Nicht nur eine ungnädige Natur: Hunger“ verfasst.197 Das Auftreten von Hunger, einer Hungersnot oder gar einer Hungerkatastrophe ließ sich aufgrund verschiedener Ursachen oft nicht verhindern. In Mitteleuropa ist erst seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts die Gefahr von Hungerkatastrophen durch eine Sicherstellung einer allzeit gewährleisteten Versorgung ursächlich gebannt worden. Hunger kann durch einen Mangel an genießbaren Nahrungsmitteln verursacht werden. Dieser Mangel wiederum kann aus verschiedenen Ursachen resultieren: a) Ernteverlust durch schädigenden Witterungseinfluss wie Hagel, Regenüberfluss oder Trockenheit; b) Ernteverlust durch Raub, Diebstahl und Verheerung;

|| 187 Rohr, Extreme Naturereignisse (2007), 421. 188 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 865. 189 Epperlein, Bäuerliches Leben (2003), 16–30. 190 Thoen, Hungersnöte (1991), 220–222. 191 Curschmann, Hungersnöte (1900). 192 Newfield, Contours of Disease and Hunger (2010). 193 Stathakopoulos, Famine and Pestilence (2004). 194 Linz, Hungersnöte im Mittelalter (2005), 83–87. 195 Bourbou, Health patterns (2003), 303–313. 196 Bourbou, Health and disease (2010). 197 Fouquet/Zeilinger, Katastrophen (2011), 74–83.

588 | Auswirkungen und Folgen

c) Ernteverlust durch epidemische Erkrankungen wie Schimmel, Mutterkorn etc.; d) Verlust der pflanzlichen und/oder tierischen Notreserven. Beim Schlachtvieh ist zwischen gewaltsamer Wegführung durch Feinde und unkontrolliertem Absterben aufgrund von Mangel oder Epidemien zu unterscheiden. Die Zeitgenossen führten Ernteund Schlachtviehverlust aber auch auf agrarischen Schadenszauber und Wetterzauberei zurück; diese Vorstellungen müssen bei der Betrachtung der in den Quellen überlieferten Informationen über die Ursachen der Hungersnöte beachtet werden.

4.3.1 Hungersnöte im 6. und 7. Jahrhundert Am Beginn der chronologischen Betrachtung der Erwähnung von Mangelerscheinungen, die zu Hunger führen können, steht ein vergleichsweise unspektakulärer Bericht von Marcellinus Comes zum Jahr 524198 über die Verknappung von Öl, was der Bevölkerung aber eine schwere Not gebracht haben soll.199 Ellenblum führt in seiner Zusammenstellung im Jahr 515–516 einen Mangel an Lebensmitteln im Nahen Osten auf.200 Ob diese Verknappung zu einer Hungersnot geführt hat, wird aber nicht deutlich. Nach dem Verfasser der Vita des Silverius im Liber Pontificalis war im Jahr 536 der Hunger so groß, dass selbst Wasser bezahlt werden musste, weil keine Quellen zur Entlastung vorgesehen waren. Der Autor überlieferte weiter, dass die „Hungersnot überall in der Welt so groß gewesen sei, dass Datius, der Bischof von Mailand, in seinem Bericht offen erzählt habe, dass im Distrikt von Ligurien Frauen ihre eigenen Kinder aus Armut und Hunger gegessen hätten; einige dieser Frauen, berichtet er, sind Mitglieder seiner eigene Kirche ….“201 Weitere Einträge zum Hunger, wieder mit intentionalen Hinweisen darauf, dass Eltern ihre eigenen Kinder gegessen hätten, enthält der Liber Pontificalis für die Zeit von 537 bis 555 und von 549 bis 550.202 Nach den Annalen von Clonmacnoise war im Jahr 543 in Irland das Brot sehr knapp.203

|| 198 1. Sept. 523 bis 31. Aug. 524. 199 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 524. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 102; Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 42: His cons. inopia olei magnam penuriam in populum inportavit. Vgl. auch, Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 123. 200 Ellenblum, Collapse (2012), 28 Anm. 30. 201 Liber Pontificalis, 60. Silverius (536–537), 5. Ed. Duchesne, Bd. 1, 291; Book of pontiffs. Ed. Davis, 56: Intra civitatem autem grandis famis ut aqua venundaretur pretio, nisi nympharum remedius subvenisset. (…) Eodem tempore tanta famis fuit per universum mundum ut Datius episcopus civitatis Mediolanae relatio ipsius hoc evidenter narravit eo quod in partes Lyguriae mulieres filios suos comedissent penuriae famis; de quas retulit ecclesiae suae fuisse ex familia. Über das Motiv des Anthropophagie als Topos vgl. Kap. 5.1.5. 202 Liber Pontificalis, 91. Vigilius (537–555), 4, 7. Ed. Duchesne, Bd. 1, 297 f.: «Famis tua tecum! mortalitas tua tecum!» (…) et facta est famis in civitate Romana ut etiam natos suos vellent comedere. 203 Annals of Clonmacnoise, ad a. 543. Ed. Murphy, 78: Bread was very scarce this yeare.

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 589

Die Chronik von Zuqnin nennt in den Jahren von 546 bis 554 eine achtjährige Hungersnot in der Stadt Amida,204 deren topographischer Nachfolger das heutige türkische Diyarbakır am rechten Tigrisufer in Südostanatolien ist. Paulus Diaconus vermerkte zum Jahr 569: „Die Römer hatten damals nicht die Kraft zum Widerstand, weil die unter Narses ausgebrochene Pest in Ligurien und Venetien sehr viele Opfer gefordert hatte und nach jenem von mir erwähnten Jahr des Überflusses [568] eine unsägliche Hungersnot ausbrach, die ganz Italien in Mitleidenschaft zog.“205 Diese Nachricht scheint Hermann von Reichenau in seiner in späterer Zeit kompilierten Chronik ins Jahr 570 datiert zu haben, nach ihm soll eine ungeheure Hungersnot über Italien gekommen sein, gefolgt von einer Epidemie.206 „Als schließlich in Rom in den Tagen von Papst Benedikt (575–579) eine Hungersnot ausbrach, weil die Langobarden alles Land ringsum verwüstet hatten, ließ dieser große Mengen Getreides mit Schiffen aus Ägypten bringen und linderte diese Not energisch und voller Mitgefühl.“207 Der Autor der Liber Pontificalis überlieferte dasselbe Ereignis zum Jahr 578: „Zu dieser Zeit fiel der Stamm der Lombarden in ganz Italien ein, und die folgende Hungersnot war so extrem, dass eine große Anzahl von befestigten Städten den Lombarden übergeben wurden, um ihre Not und ihren Hunger zu lindern. Als der fromme Kaiser Justinian [II.] erkannte, dass Rom von Hunger und Sterblichkeit bedroht war, sandte er nach Ägypten und ließ Schiffe beladen mit Korn nach Rom senden; so war es, dass Gott sich gnädig zeigte mit dem Land Italien.“208 Eine ähnlich lautende Nachricht, allerdings zum Jahr 568, enthalten die Gesta episcoporum Neapolitanorum.209 Im Mittelmeerraum herrschte in der Zeit 581–582

|| 204 Chronicle of Zuqnin. Ed. Harrak, 116 f. 205 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 2, 26. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 86 f.; Ed. Schwarz, 176 f.: Nec erat tunc virtus Romanis, ut resistere possint, quia et pestilentia, quae sub Narsete facta est, plurimos in Liguria et Venetiis extincxerat, et post annum, quem diximus fuisse ubertatis, fames nimia ingruens universam Italiam devastabat. 206 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 570. Ed. Pertz, MGH SS 5, 89: Ingens etiam fames post ubertatem Italiam, pestilentia attritam, invasit. 207 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 3, 11. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 98; Ed. Schwarz, 194–197: Denique et cum Roma temporibus Benedicti papae vastantibus omnia per circuitum Langobardis famis penuria laboraret, multa milia frumenti navibus ab Aegypto dirigens eam suae studio misericordiae relevavit. 208 Liber Pontificalis, 64. Benedict I. (575–579), 1. Ed. Duchesne, Bd. 1, 308; Book of pontiffs. Ed. Davis, 62: Eodem tempore gens Langobardorum invaserunt omnem Italiam, simulque et famis nimis, ut multitudo castrorum se tradidissent Langobardis ut temperare possent inopiae famis. Et dum cognovisset Iustinianus piisimus imperator quia Roma periclitaretur fame et mortalitate, misit in Egyptum et oneratas naves frumento transmisit Romae; es sic misertus est Deus terrae Italiae. 209 Petri Gesta episcoporum Neapolitanorum, 20. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 412: In sequenti vero gens Langobardorum totam invasit Italiam, simulque et famis nimia, ut etiam multitudo castrorum se tradidissent Langobardis, ut temperarent inopiae famis, cum essent ab incarnatione Domini quingenti sexaginta et octo anni elapsi.

590 | Auswirkungen und Folgen

eine große Knappheit an Lebensmitteln, besonders in Konstantinopel.210 Nach Hermann von Reichenau wurden im Jahr 581 die Notleidenden in Rom durch Getreidelieferungen von außen unterstützt.211 Aus diesen Quellen wird deutlich, dass es in den 570er und 580er Jahren noch gut möglich war, Getreidelieferungen aus Ägypten zur Milderung von Lebensmittelknappheit in anderen mediterranen Regionen zu nutzen. Gregor von Tours erwähnt zum Jahr 585 eine große Hungersnot in fast ganz Gallien. Er vermerkt auch die erfinderischen Gegenmaßnahmen: „Und viele buken aus Traubenkernen und Haselblüten Brot, manche auch aus getrockneten und zu Staub zermahlenen Wurzeln des Farnkrautes, denen sie etwas Mehl beimischten. Viele schnitten die grüne Saat ab und taten damit dasselbe. Es gab ferner viele, die gar kein Mehl mehr hatten und daher allerhand Kräuter ausrissen und aßen; von deren Genuss schwollen sie an und starben. Eine große Zahl siechte damals aus Mangel dahin und kam um. Zu jener Zeit zogen die Kaufleute das Volk gewaltig aus, da sie den Scheffel Getreide oder das Halbmaß Wein212 kaum für ein Drittelstück [eines Goldstückes] verkauften. Arme Leute ergaben sich der Knechtschaft, um nur ein wenig Nahrung zu erhalten.“213 In dieselbe Zeit fällt ein weiterer ausführlicher Bericht zu einer Hungersnot, der wiederum von Gregor von Tours stammt: „Zu der Zeit des Bischofs Sidonius von Mainz214 bedrängte eine große Hungersnot das Burgunderland. Das Volk zerstreute sich nach allen Seiten und niemand bot den Armen Nahrung dar; da soll ein gewisser Ecdicius, ein Mann von Senatorenrang und ein Verwandter des Sidonius, im Vertrauen auf Gott Großes ausgerichtet haben. Als nämlich die Hungersnot überhand nahm, schickte er seine Diener mit Pferden und Wagen durch die benachbarten Städte, dass sie alle zu ihm brächten, die vom Mangel heimgesucht würden. Und jene zogen aus und brachten so viele Arme sie nur finden konnten, in sein Haus; dort ernährte er sie die ganze Zeit der Teuerung hindurch und rettete sie so vom Hungertode. Es waren ihrer, wie viele sagen, mehr als 4000 beiderlei Geschlechts. Als aber die gute Zeit zurückkehrte, sorgte er dafür, dass ein jeder wieder fortgefahren wurde und an seinen Ort zurückkehrte. Und als sie fort waren. Erschallte ihm eine Stimme vom Himmel, die sprach: ‚Ecdicius, Ecdicius, weil du dies getan, wird es dir und deinem

|| 210 Ellenblum, Collapse (2012), 28 Anm. 30. 211 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 581. Ed. Pertz, MGH SS 5, 89: Ipse imperator cum Italia et ipsa Roma bello Langobardorum, pestilentia et insuper fame graviter laboraret, naves frumento onustas Romam misit, et annonae copiam populo subministravit. 212 Der römische Modius entsprach 8,454 Litern. 213 Gregor von Tours, Libri historiarum, 7, 45. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 365; FSGA 3, 152 f.: Magna hoc anno famis paene Gallias totas obpressit. Nam plurimi uvarum semina, flores avellanorum, nonnulli radices herbae filicis arefactas redactasque in pulvere, admiscentes parumper farinae, panem conficiebant. Multi enim herba segitum decidentes, similiter faciebant. Fuerunt etiam multi, quibus non erat aliquid farinae, qui diversas colligentes herbas et comedentes, tumefacti deficiebant. Plurimi enim tunc ex inaedia tabescentes, mortui sunt. Graviter tunc negutiatores populum spoliaverunt, ita ut vix vel modium annonae aut semodium vini uno triante venundarent. Subdebant pauperes servitio, ut quantulumcumque de alimenta porregerent. 214 Sidonius starb nach 580; vgl. Sauser, Sidonius (1995), 30 f.

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 591

Samen nimmer an Brot fehlen; denn du bist gehorsam gewesen meinen Geboten und hast meinen Hunger gestillt, da du Arme speistest.‘“

Dieser Ausführung Gregors von Tours lagen ältere Berichte zugrunde, denn er merkte weiter an: „Auch der heilige Patiens,215 Bischof von Lyon, erwies bei jener Hungersnot dem Volk in ähnlicher Weise Gutes. Wir haben darüber noch jetzt einen Brief des heiligen Sidonius, worin er ihn mit großer Beredsamkeit lobt.“216 Gregor von Tours hielt weiterhin zum Jahr 591 fest: „In Gallien suchte die oft genannte Seuche die Provence von Marseille heim. Die Gebiete von Angers, Nantes und Le Mans litten unter großer Hungersnot. Damit hebt sich allererst die Not an,217 wie der Herr im Evangelium sagt: ‚Es werden sein Pestilenz und teure Zeit und Erdbeben hin und wieder,218 und es werden sich erheben falsche Christi und falsche Propheten, die Zeichen und Wunder tun, dass sie auch die Auserwählten verführen‘219; wie solches alles in dieser Zeit geschehen ist.“220 Gregor beschreibt einerseits relativ detailliert das Ausbreitungsgebiet, andererseits bietet er eine unmittelbare Verbindung zum Neuen Testament. Nach Paulus Diaconus war der Winter des Jahres 604 überaus kalt und die Weinstöcke erfroren fast allerorten. Auch um das Getreide stand es schlecht, es wurde teils

|| 215 Patiens starb vor dem 11. September 494; vgl. Vielberg, Mönchsbischof von Tours (2006), 90. 216 Gregor von Tours, Libri historiarum, 2, 24. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 69 f., FSGA 2, 108 f.: Sed tmpore Sidoni episcopi magna Burgundiam famis oppressit. Cumque populi per diversas regiones dispergerentur, nec esset ullus qui pauperibus alemoniam largeretur, Ecdicius quidam ex senatoribus, huius propinquos, magnam tunc rem in Deo confisus fecisse perhibitur. Nam invaliscente fame, misit pueros suos cum equitibus et plaustris per vicinas sibi civitates, ut eos qui hac inopia vexabantur sibi adducerent. At illi euntes, cunctus pauperes, quodquod invenire potuerunt, adduxerunt ad domum eius, ibique eos per omnem tempus sterelitates pascens, ab interitu famis eximit. Fueruntque, ut multi aiunt, amplius quam quattuor milia promiscui sexus. Adveniente autem ubertate, ordinata iterum evectionem, unumquemque in loco suo restituit. Post quorum discessum vox ad deum e caelis lapsa pervenit, dicens: ‚Ecdici, Ecdici, quia fecisti rem hanc, tibi et simine tuo panis non deerit in sempiternum, eo quod obaudieris verbis meis et famem meam refectione pauperum saciaberis’. (…) Sed et sanctos Patiens Lugdunensis episcopus simile huic in ipsa fame populis prestetisse per hibetur benefitium. Extat exinde hodieque apud nos beati Sidoni epistola, in qua eum declamaturiae conlaudavit. 217 Vgl. Mt 24,8. 218 Vgl. Mt 24,7. 219 Vgl. Mt 13,22. 220 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 25. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 517; FSGA 3, 384 f.: At in Galliis Masiliensim provintiam morbus saepe nominatus invasit. Andecavos, Namneticos atque Cenomanicos valida famis oppressit. Initia sunt enim haec dolorum iuxta illud quod Dominus ait in euangelio: Erunt pestilentiae et fames et terrae motus per loca; et exurgent pseudochristi et pseudoprophetae et dabunt signa et prodigia in caelo, ita ut electos in errore mittant, sicut praesenti gestum est tempore.

592 | Auswirkungen und Folgen

von den Mäusen gefressen, teils durch Befall mit dem Getreidebrand unbrauchbar.221 Obwohl hier die Ernte und die Ernteaussichten alles andere als rosig dargestellt werden, bleibt ein Hinweis auf eine Hungerkatastrophe aus. Einen solchen bringt erst der Verfasser der Vita des Sabinian im Liber Pontificalis zu den Jahren 604 bis 606, in dem er eine ernste Hungersnot in Rom schildert. „Deshalb wurde Frieden mit den Lombarden geschlossen und man befahl, die kirchlichen Kornspeicher zu öffnen und Korn in den Handel zu bringen für einen Solidus 30 Modii Weizen.“222 Diese Maßnahmen, die auf umfangreiche kirchliche Vorratsspeicherung und unmittelbaren Markteingriff deuten, reichten anscheinend aus, um eine weitere Katastrophe abzuwenden. Der Liber Pontificalis überliefert darüber hinaus für die Zeit zwischen 608 und 615 eine sehr ernste Hungersnot, gefolgt von einer Epidemie und einer Überflutung. In jedem Fall fanden alle diese Ereignisse vor dem Jahr 618 statt, denn für den August dieses Jahres ist ein großes Erdbeben überliefert, auf welches eine Katastrophe unter den Menschen gefolgt sei, nämlich eine Heimsuchung mit Schorf/Krätze, sodass niemand seine eigenen Verstorbenen habe erkennen können.223 Gerade die letzte Formulierung erinnert stark an einen Topos, den der Autor hier benutzt haben könnte. In der modernen Zusammenstellung von Ellenblum findet sich basierend auf arabischen Quellen zum Jahr 619, eine Missernte im Nahen Osten224 sowie eine Trockenheit in Oberägypten im Jahr 645.225 Für 679/680 erfahren wir von Paulus Diaconus: „Damals ereignete sich im Laufe der achten Indiktion eine Mondfinsternis. Auch trat fast zur gleichen Zeit eine Sonnenfinsternis ein, etwa um die zehnte Stunde des 3. Mai. Kurz darauf folgte eine verheerende Seuche über drei Monate hinweg, nämlich Juli, August und September, und die Zahl der Sterbenden war so groß, dass selbst Eltern mit ihren Kindern und Brüdern mit ihren Schwestern paarweise aufgebahrt in Rom zu Grabe getragen wurden. In derselben Weise entvölkerte die Seuche auch Pavia, sodass auf dem Markt und in den Gassen der Stadt, weil alle Einwohner sich in die Berge oder andere Gegen geflüchtet hatten, Büsche und Unkraut zu wachsen begannen.“226

|| 221 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 29. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 126; Ed. Schwarz, 236 f.: Fuit autem tunc hiems frigida nimis et mortuae sunt vites pene in omnbibus locis. Messes quoque partim vastatae sunt a muribus, partim percussae uredine evanuerunt. 222 Liber Pontificalis, 67. Sabinian (604–606), 1. Ed. Duchesne, Bd. 1, 315; Book of pontiffs. Ed. Davis, 64: Eodem tempore fuit famis in civitate Romana gravis. Tunc facta pace cum gente Langobardorum et iussit aperire horrea ecclesiae et venumdari frumenta per solidum unum tritici modios XXX. 223 Liber Pontificalis, 69. Boniface IV. (608–615), 1. Ed. Duchesne, Bd. 1, 317; Book of pontiffs. Ed. Davis, 64: Huius temporibus famis, pestilentiae et inundationes aquarum gravissime fuerunt. 224 Ellenblum, Collapse (2012), 28 Anm. 30. 225 Ellenblum, Collapse (2012), 28 Anm. 30. 226 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 6, 5. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 166; Ed. Schwarz, 306 f.: His temporibus per indictionem octavam luna eclypsin passa est. Solis quoque eclypsis eodem paene tempore, hora diei quasi decima, quinto nonas Maias effecta est. Moxque subsecuta gravissima pestis est tribus mensibus, hoc est Iulio, Augusto et Septembrio; tantaque fuit multitudo

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 593

Totale Eklipsen des Mondes sind für den 23. Dezember 679227 sowie den 17. Juni 680 nachgewiesen.228 Eine Sonnenfinsternis im selben Zeitraum fand am 13. Juli 679 gegen 13:45 Uhr (TD) statt.229 Weiter heißt es bei Paulus Diaconus: „Dann erhielt jemand in einer Offenbarung die Eingebung, dass die Seuche nicht erlöschen werde, bevor in der Kirche des hl. Petrus, die ‚Ad Vincula‘ heißt, ein Altar des hl. Märtyrers Sebastian errichtet würde. Das geschah, und nach Übertragung der Reliquien des hl. Märtyrers Sebastian aus der Stadt Rom hörte diese Seuche auf, sobald in der genannten Kirche der Altar aufgestellt war.“230 Ob die genannte Hungersnot identisch ist mit jener zeitgleichen in Thessaloniki in den Jahren 676 bis 678,231 ist beim derzeitigen Quellenbefund unklar. Im Jahr 680 wurde nach dem „Chronicle 754“ Spanien von einer verheerenden Hungersnot heimgesucht.232 Überhaupt kam es in den achtziger Jahren des 7. Jahrhundert (683/84, 686/687 oder 693) nach den unterschiedlichen Überlieferungen von Theophilus auch in Syrien zu einer so großen Hungersnot, sodass viele in das römische Reich flüchteten.233 Es wurde angemerkt, dass die Menschen jede Art von Tieren, selbst unreine, aßen. Während der strengen Hungersnot sei der Preis für Getreide stark gestiegen – auf drei Goldstücke für ein Pfund Getreide. Die Menschen hätten Brot aus Linsen, Erbsen, Gerste und anderem Getreide gegessen.234 Im Jahr 695 habe es laut den irischen Annalen in Irland eine so schlimme Hungerkatastrophe aufgrund von Lebensmittelknappheit gegeben, dass Männer und

|| morientium, ut etiam parentes cum filiis atque fratres cum sororibus bini per feretra positi apud urbem Romam ad sepulchra ducerentur. Pari etiam modo haec pestilentia Ticinum quoque depopulata est, ita ut cunctis civibus per iuga montium seu per diversa loca fugientibus in foro et per plateas civitatis herbae et frutecta nascerentur. 227 Saroszyklus 84: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0679-12-23T.gif (10.5.2016). 228 Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0601-0700/LE0680-06-17T.gif (10.5.2016). 229 Saroszyklus 105: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0601-0700/679-07-13.gif (10.5.2016). 230 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 6, 5. Ed. Bethmann/Waitz,MGH SS rer. Lang. 1, 166; Ed. Schwarz, 308 f.: Tunc cuidam per revelationem dictum est, quod pestis ipsa prius non quiesceret, quam in basilicas beati Petri quae ad Vincula dicitur sancti Sebastiani martyris altarium poneretur. Factumque est, et delatis ab urbe Roma beati Sebastiani martyris reliquiis, mox in iam dicta basilica altarium constitutum est, pestis ipsa quievit. 231 Malingoudis, Hungersnot in Thessalonike (1990). 232 Chronicle of 754, 37. Conquerors and Chroniclers. Ed. Wolf, 126: At this time a serious famine ravaged Spain. 233 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 686. Ed. Hoyland, 179 [Theophanes]: There was a famine and a great plague in Syria. There was a famine in Syria and many men migrated to the Roman country. Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 686. Ed. Hoyland, 179 [Agapius]: There befell people severe famine and plague. 234 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 686. Ed. Hoyland, 179) [MSyr]: There was a famine on the earth so severe that men ate beasts, including all the unclean animals. There was a cruel famine, during which the grain prices rocketed throughout Syria, to the point that wheat was sold at one modius for three gold coins. Men ate bread made of lentils, peas, barley and other grain.

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Frauen sich gegenseitig gegessen hätten.235 Dieser Ausdruck von Anthropophagie ist natürlich eine Übertreibung und als Topos schnell erkennbar.236

4.3.2 Hungersnöte im 8. Jahrhundert Zu Beginn des 8. Jahrhunderts ist für das Jahr 706 eine Hungersnot im Nahen Osten überliefert.237 Zwei Jahre darauf, 708, findet sich in der Kirchengeschichte des Beda Venerabilis folgender Eintrag über eine Hungersnot: „Denn drei Jahre lang vor seiner [Bischof Wilfrid von York] Ankunft im Lande war in jenen Gegenden kein Regen gefallen, und so befiel eine sehr schwere Hungersnot das Volk und brachte es rücksichtslos um. So wird berichtet, dass oft 40 oder 50 durch Hunger entkräftete Männer zu einem Steilhang oder zur Küste des Meeres gingen und aus Verzweiflung mit ineinander gefassten Händen alle zugleich sprangen, um entweder durch den Sturz umzukommen oder von den Fluten verschlungen zu werden. An dem Tag aber, an dem dieser Stamm die Taufe des Glaubens empfing, fiel leichter, aber ergiebiger Regen; die Erde begann wieder zu blühen, und mit den grünenden Äckern kam wieder ein üppiges und fruchtbares Jahr.“238

An anderer Stelle schreibt Beda an Bischof Wilfrid von York (634–709/710):239 „Denn als der Bischof in das Land [Sussex] kam und dort die große Hungersnot sah, lehrte sie der Bischof auch, sich durch Fischen Nahrung zu verschaffen. Das Meer und die Flüsse hatten nämlich Fische im Überfluss, der Stamm hatte aber, nur mit Ausnahme des Aalfangs, keine Kenntnis vom Fischen. Nachdem die Männer des Bischofs die Aalnetze von überall her eingesammelt hatten, legten sie diese im Meer aus, und mit Hilfe der göttlichen Gnade fingen sie gleich dreihundert Fische verschiedener Art.240 Nachdem sie diese in drei Teile geteilt hatten, gaben sie hundert den Armen, hundert denen, von welchen sie die Netze bekommen hatten, hundert behielten sie für den eigenen Gebrauch. Durch diese Wohltat gewann der Bischof die Herzen aller ganz für

|| 235 Annals of Clonmacnoise, ad a. 695. Ed. Murphy, 111: There was such famine and scarcity in Ireland for three years together, that men and women died eat one another for want. 236 Siehe dazu Kap. 5.1.5 Topos: Anthropophagie. 237 Ellenblum, Collapse (2012), 28 Anm. 30. 238 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 4, 13. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 356–359: Siquidem tribus annis ante aduentum eius in prouinciam nulla illis in locis pluuia ceciderat, unde et fames acerbissima plebem inuadens impia nece prostrauit. Denique ferunt, quia saepe XL simul aut L homines inedia macerati procederent ad praecipitium aliquod siue ripam maris, et iunctis misere manibus, pariter omnes aut ruina perituri, aut fluctibus obsorbendi deciderent. Uerum ipso die, quo baptisma fidei gens suscepit illa, descendit pluuia serena, sed copiosa, refloruit terra, rediit uiridantibus aruis annus laetus et frugifer. 239 Grosz-Albenhausen, Wilfrith (1998), 1174–1178. 240 Die Geschichte vom ungewöhnlichen und reichen Fischfang im Neuen Testament wird bei Lk 5,4–9 und Joh 21,6 erwähnt.

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sich, und sie begannen nach der Predigt dessen, durch dessen Dienst sie irdische Güter genossen, bereitwilliger auf die himmlischen zu hoffen.“241 Auch im Liber Pontificalis wird zum Jahr 708 eine Hungersnot genannt: „In seiner [Constantinus’] Zeit war eine dreijährige Hungersnot in Rom, aber danach gab es eine solche Produktivität, dass die Pracht den früheren Mangel und die Trockenheit vergessen machte.“242 Laut der Zusammenstellung von Ellenblum gab es im Jahr 715 einen großen Mangel im Nahen Osten.243 In den verschiedenen Ausgaben der Chronik des Theophilus von Edessa wird eine Epidemie in Ägypten und Syrien im Jahr 733 genannt, auf die im Oktober ein Komet gefolgt sei.244 Für das Jahr 734 ist eine Trockenheit im Nahen Osten überliefert245 und im Jahr 745 kam es dort zu einer durch Kälte ausgelösten Hungersnot.246 Ein Jahr später, 746, kam es in Spanien zu einer Hungersnot. Wörtlich heißt es: „Im sechsten Jahr der Herrschaft Konstantins247 in der Ära 788, am Sonntag, den 5. April 750, schien es allen Einwohnern von Córdoba, welche die Sonne beobachteten, als gäbe es der ersten, zweiten und teilweise der dritten Stunde drei Sonnen, die in einer wunderbaren Weise schienen und übergingen in einen Halbmond von smaragdgrünem Feuer. Vom Moment ihres Erscheinens an streckten Racheengel mit einer unerträglichen Hungersnot all jene nieder, die durch die Gnade Gottes im Land Spanien lebten.“248 Auch zum Jahr 752 wird, diesmal in der Chronik des Klosters || 241 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 4. 13. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 358: Nam et antistes, cum uenisset in prouinciam tantamque ibi famis poenam uideret, docuit eos piscando uictum quaerere. Namque mare et flumina eorum piscibus abundabant, sed piscandi peritia genti nulla nisi ad anguillas tantum inerat. Collectis ergo undecumque retibus anguillaribus, homines antistitis miserunt in mare, et, diuina se iuuante gratia, mox cepere pisces, diversi generis trecentos. Quibus trifariam diuisis, centum pauperibus dederunt, centum his, a quibus retia acceperant, centum in suos usus habebant. Quo beneficio multum antistes cor omnium in suum conuertit amorem, et libentius eo praedicante caelestia sperare coeperunt, cuius ministerio temporalia bona sumserunt. Vgl. Nonn, Quellen zur Alltagsgeschichte (2007), 79 f. 242 Liber Pontificalis, 90. Constantinus (708–715), 1. Ed. Duchesne, Bd. 1, 389; Book of pontiffs. Ed. Davis, 91: (…) cuius temporibus in urbe Roma famis facta est magna per annos III; post quem tanta fuit ubertas ut fertilitatis copia praereritae sterilitatis inopiam oblivioni mandaret. 243 Ellenblum, Collapse (2012), 28 f. Anm. 30. 244 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 733. Ed. Hoyland, 231 [Theophanes]: There was a plague in Syria and many people died. A fiery sign that gave forth light appeared in the sky. Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 733. Ed. Hoyland, 231 [Agapius]: There was a severe plague in Palestine and Egypt. There appeared in the sky something like a sword of fire in October. Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 733. Ed. Hoyland, 231) [MSyr]: There was an outbreak of plague. 245 Ellenblum, Collapse (2012), 28 f. Anm. 30. 246 Ellenblum, Collapse (2012), 28 f. Anm. 30. 247 Konstantin V. (718–775), byzant. Kaiser ab 741. Damit ergibt sich ein bisher ungelöstet chronologisches Problem mit der Datierung, denn der 5. April 750 ist ein Sonntag, die Summe der Jahre 741 plus sechs ergibt aber das Jahr 746/7 und nicht 750. 248 Chronicle of 754, 92. Conquerors and Chroniclers. Ed. Wolf, 156: In the sixth year of Constantine’s rule, in the era 788 [750], on Sunday, the nones of April, during the first, second, and part of the third hours, with all the citizens of Córdoba watching, three suns, shining in a wondrous manner and fading

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Moissac in Südwestfrankreich, eine entsetzliche Nahrungsmittelknappheit in Spanien genannt.249 Diese Quelle könnte im 10. Jahrhundert im Kloster Ripoll in Katalonien aus älteren Vorlagen zusammengestellt worden sein.250 Nach der Überlieferung der irischen Annalen kam es im Jahr 756 zu „einer großen Lebensmittelknappheit und zu einem Überfluss an allen Früchten der Bäume in Irland.“251 Drei Jahre später, 759, wird von einer anderen irischen Quelle eine Hungersnot erwähnt: „Zu Beginn seiner [des Nealle Frassagh]252 Regierung kam es zu einer großen Hungersnot in allen Königreichen.“253 Die Formulierung ist sehr nah an biblischen Textvorbildern angelehnt, so heißt es bei Lukas (4,25) „und eine große Hungersnot herrschte im ganzen Lande“.254 In denselben Kontext könnte auch die Anmerkung im Decretum Vermeriense (758–768?) bezüglich des Selbstverkaufs aufgrund von Hunger gehören: „(…) wenn nicht [ein Mann] vom Mangel gezwungen durch Hunger sich [selbst] verkauft habe, und dieser selbst beschlossen habe, und vom Preis seines Mannes vom Hunger befreit gewesen sei (…).“255 Ähnliche Hilflosigkeit drückt sich in anderen Maßnahmen aus, zu denen die Zeitgenossen in diesen Phasen des Hungers Zuflucht nahmen, wie etwa der Landflucht, die aus zwei auf den Beginn des Jahres 802 datierenden Verordnungen in den fränkischen Kapitularien abgeleitet werden kann.256 Am Ende des 8. und zu Beginn des 9. Jahrhunderts kam es zu drei außergewöhnlichen Hungersnöten, die zwei Besonderheiten aufweisen. Zum einen waren sie in ihrem Ausmaß ungewöhnlich und setzten den Zeitgenossen extrem zu, zum anderen ereigneten sie sich in der Regierungszeit Karls des Großen, eines Herrschers, der über

|| into a crescent of emerald fire, were seen. From the moment of their appearance, avenging angels laid low with an intolerable famine all those who by the grace of God lived in the land of Spain. 249 Chronicon Moissiacense, ad a. 752. Ed. Pertz, MGH SS 1, 294: Dira fames tunc Spaniam domuit. 250 Newfield, Contours of disease (2010), 419, Nr. 17. 251 Annals of Clonmacnoise, ad a. 756. Ed. Murphy, 120: There was great scarcity of victuals this yeare and abundance of all manner of the fruites of trees. 252 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 759. Ed. O’Donovan, 362: Nealle Frassagh, son of King Ferall, began his reign immediately after the Death of King Donell, and raigned seven years. 253 Annals of Clonmacnoise, ad a. 759. Ed.Murphy, 121: There was a Great famine throughout all the kingdome in the beginning of his raigne. 254 Lk 4,25: (…) cum facta est fames magna in omni terra. 255 Decretum Vermeriense, Nr. 16. MGH Capit. 1, 39 f.: (…), nisi pro inopia fame cogente se vendiderit, et ipsa hoc consenserit, et de precio viri sui a fame liberata fuerit (…). 256 Capitulare missorum generale, Nr. 30. MGH Capit. 1, 96 f.: De his quos vult domnus imperator, Christo propitio, pacem defensionem habeant in regno suo, id sunt qui ad suam clementiam festinant, aliquo nuntiare cupientes sive ex christianis sive ex paganis, aut propter inopia vel propter famem suffragantia quaerunt, ut nullus eos sibi servitio constringere vel usurpare audeant neque alienare neque vindere; sed ubi sponte manere voluerint, sub defensione domni imperatoris ibi habeant subfragia in sua elymosina. Si quis hoc transgredere praesumpserit, sciant se exinde damnum pati vitam praesumptiosus dispositum iussa domnum imperator. Vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 71.

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vielfältige Möglichkeiten der Reaktion und Dokumentation verfügte, weshalb wir vermutlich auch so gut über diese drei Hungerextreme informiert sind. Zu Beginn der 770er-Jahre wurden zwei Hungersnöte in weit voneinander entfernten Regionen dokumentiert. So im Jahr 772 in Irland, für das die dortigen Chroniken überliefern, dass sich in diesem Jahr die Epidemie unter den Rindern fortsetzte und auch der große Mangel an Vorräten unter den Menschen.257 Die zweite große Region, für welche Hunger überliefert ist, stellt das Gebiet in Syrien um Edessa dar. Hierzu berichten die verschiedenen Handschriften der Chronik des Theophilus von Edessa. In einer Überlieferung wird dramatisch angemerkt, die Steuerbelastung sei so hoch geworden, dass die Menschen die Toten ausgegraben, gekocht und gegessen hätten. Hunde seien geschlachtet, geröstet und auf dem Markt verkauft worden. Silbermünzen verschwanden und das Leid nahm zu, bis schließlich auch noch eine Epidemie die Menschen heimgesucht habe.258 In einer anderen Überlieferung derselben Chronik wird die Hungersnot nicht auf einen Mangel an Getreide zurückgeführt, sondern damit begründet, dass die Menschen keine Silbermünzen mehr zur Verfügung gehabt hätten. Für eine ganze Silbermünze hätte man einen Bullen oder einen Esel bekommen, fünf Maßeinheiten Weizen oder zehn Liter Wein. Jungen und Mädchen seien schon für fünf Silberstücke zu erwerben gewesen.259 Der Chronist ist hier aber offenbar nur vom geringen Preis und nicht vom Sklavenhandel als solchem entsetzt.260 Die Verkäufer wurden aber, so eine andere Überlieferung, mit Wölfen gleichgesetzt und die schreckliche Hungersnot habe die ganze Welt betroffen.261 Drei große Hungersnöte suchten an der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert das Westfrankenreich in einem Abstand von zwölf oder 13 Jahren heim: Vom Jahr 779 auf

|| 257 Annals of Clonmacnoise, ad a. 772. Ed. Murphy, 123: The Murren of the Cowes in Ireland still continued, and which was worse Great scarcity and penurie of victuals amongue men continued. 258 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 771–772. Ed. Hoyland, 307 [Theophanes]: People’s tribulations increased and the became so hard pressed that some of them excavated graves, exhumed bodies, cooked and ate them. Dogs were slaughtered, roasted and sold in the markets. Silver coin disappeared from the hands of men and they met with such trials as cannot be described. And to make things even worse bouts of plague carried them off. 259 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 771–772. Ed. Hoyland, 307 [MSyr]: And there was an oppressive famine, not for reason of lack of wheat, but for the reason that no one had a silver coin left: there was no work for the poor and the churches and monasteries had been despoiled and the houses plundered. The price of a bull or a donkey was a whole silver coin, as also for five measures of wheat or ten litres of wine; boys and girls would fetch five silver coins. 260 Vgl. McCormick, Origins of the European Economy (2007). 261 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 771–772. Ed. Hoyland, 308 [Chron 1234]: In addition, there was a great famine and pestilence in his days. Men were perishing (so fast) that there was no one to do the burying. Wolves went about and devoured many men. One had to pay a whole silver coin for a donkey or a bull or three or four sheep or two or three handfuls of wheat, for this harsh famine was (everywhere) in the world.

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780, dann von 792 auf 793262 und schließlich von 805 auf 806.263 Diese Hungersnöte gingen teilweise, wie 779 in der Francia, mit Bevölkerungsverlusten einher. Die Hungersnot von 779264 ist in einigen Quellen, die alle eine zusammenhängende Textgruppe südwestdeutscher Klöster um das Kloster Lorsch bilden,265 näher aufgeführt. Für diese Hungersnot hat sich sogar eine obrigkeitliche Anweisung erhalten, das sogenannte zweite Kapitular von Herstal, welches von Mordek ausgewertet wurde. Seiner Interpretation ist prinzipiell zuzustimmen,266 einzig bezüglich der Ausbreitung in Francia muss angemerkt werden, dass in diesem Fall keine Quelle aus dem Großraum Loire oder Reims die Hungersnot erwähnt, sondern eine südfranzösische, denn die Vita des heiligen Benedikt von Aniane berichtet zum Jahr 779, dass sich eine Menge ausgehungerter Armer vor den Toren des Klosters versammelte, um Essen bat und jeden Tag bis zur neuen Ernte mit Schaf- und Rindfleisch gespeist wurde.267 Montanari, schreibt dazu, dass dies „einige Jahrhunderte später undenkbar gewesen“ wäre,268 aber das würde uns hier zu weit weg führen. Die Hungersnot von 779/780 scheint sich überwiegend in südfranzösischen Gebieten ereignet zu haben und zwar in solchen, durch die Karl der Große mit seinem Heerestross auf dem (Rück-)Weg nach Worms hindurchzog. Dies könnte erklären, warum Begleiter des Herrschers nach ihrer Rückkehr nach Lorsch und in andere rheinländische Klöster ihre Beobachtungen der Hungersnot mit in Francia gekennzeichnet haben. Auf den 20. Februar 781 wird ein Kapitular datiert, in dem es um Regelungen geht, die indirekt auf Folgen von Hunger hinweisen könnten.269

|| 262 Vgl. Gestrich, Hungersnöte (2004), 233–243. Strank/Schultheis, Landgüterverordnung Karls des Großen (2008), 11–13. Verhulst, Karolingische Agrarpolitik (1992), 175–189. 263 Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 89. 264 Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 90. 265 Annales Alamannici, ad a. 779. Untersuchungen. Ed. Lendi, 156: fames magna et mortalitas in Frantia. Annales Alamannici (Codex Modoetiensis), ad a. 779. Untersuchungen. Ed. Lendi, 156: fames magna et mortalitas in Frantia. Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 779. Ed. Naß, MGH SS 37, 23: Fames mortalitasque Franciam vastavit [nachgetragen von anderer Hand]. Annales Mosellani, ad a. 779. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 497: Fames vero magna et mortalitas fuit in Francia; et domnus rex sedit in Wormacia. Annales Laureshamenses, ad a. 779. Ed. Pertz, MGH SS 1, 31: Fames vero magna et mortalitas fuit in Francia; et domnus rex sedit in Wormacia. Annales Mellicenses, ad a. 778. Ed. Wattenbach, MGH SS 9, 495: Fames et mortalitas Franciam vestat. Annales Sangallenses maiores, ad a. 779. Ed. Zingg, 150 f.: Fames magna et mortalitas in Francia. Annales Alamannici continuatio, ad a. 779. Ed. Pertz, MGH SS 1, 40: Fames magna, et mortalitas in Francia. 266 Mordek, Karls des Großen zweites Kapitular (2005), 1–52; Curschmann, Hungersnöte (1900), 90. 267 Vgl. Montanari, Hunger und Überfluss (1999), 433 und 438 Anm. 48. 268 Montanari, Hunger und Überfluss (1999), 64. 269 RI I Nr. 233: „c. 1. kassirung der cartulae obligationis, durch welche freie sich mit weib und kind in knechtschaft gegeben. 2. einschätzung des damals verkauften guts nach dem wert, den es hatte, antequam nos hic cum exercitu introissemus, kassirung der wegen der hungersnot um zu geringen preis abgeschlossenen verkäufe.“

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Fast genau zehn Jahre später kam es erneut zu einer große Hungersnot in der Francia, die zum Jahr 791 überliefert wurde,270 diesmal in einer ganz anderen Annalengruppe als 779/780. Bereits zum Vorjahr wird sie in den Annales Flaviacenses genannt.271 Als Ursache für diese Hungersnot ist von McCormick u. a. ein Vulkanausbruch vorgeschlagen worden und tatsächlich ist in Italien in den Jahren 787/788 der Vesuv ausgebrochen, allerdings mit einem überschaubaren VEI von +3.272 Dieser Ausbruch hat auch Niederschlag in den Quellen gefunden, wie im Bericht des griechischsprachigen Reisenden Gregor, der auf dem Weg zum Kaiser nach Rom im Jahr 788 die Eruption des Vesuvs beobachtet hat.273 Die Hungersnot könnte aber auch auf andere Ursachen zurückzuführen sein. Die Annales Mosellani beschreiben die Hungersnot im Jahr 792 als sehr heftig und scheuen auch nicht den Rückgriff auf den Topos der Anthropophagie.274 Die meisten Quellen stellen die Hungersnot aber erst zum Jahr 793. Curschmann verbindet diese mit einem Kapitular Karls des Großen von 794.275 Die Annales Laureshamenses überliefern zu 793, dass die Heerfahrt der jungen Könige Pippin und Ludwig missglückte; sie drangen verwüstend in die Provinz Benevent vor und eroberten dort eine Burg. Doch auch hier wütete eine so schlimme Hungersnot, dass man sogar in der Fastenzeit genötigt war, Fleisch zu essen.276 Dies klingt stark nach einer versuchten Ausrede, um den Fleischkonsum in der Fastenzeit nachträglich zu legitimieren. Genauere Informationen über das Verbreitungsgebiet der Hungersnot bietet ein Eintrag im Chronicon Moissiacense, in dem Italien, Burgund, Gothien (Septimanien),

|| 270 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 791. Ed. Waitz, MGH SS 13, 719: Fuit fames maxima in Francia. Annales S. Germani minors, ad a. 791. Ed. Pertz, MGH SS 4, 3: Fuit fames maxima in Frantia. Annales Mosellani, ad a. 791. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 498: Caepit autem eodem anno statim tempore messis tanta famis esse, quae qualiter, vel quousque excreverit, sequentis anni describit ordo. Die von Curschmann, Hungersnöte (1900), 91 Anm. 1, gedeuteten Überlegungen zur Datierung der Ann. S. Germani minores greifen kaum, denn die Annales Mosellani haben zu allen drei Jahren, 791, 792 und 793, Einträge zu Hungersnöten. 271 Annales Flaviniacenses, ad a. 790. Ed. Pertz, MGH SS 3, 151: Famis exoritur. 272 Siebert/Simkin/Kimberly, Volcanoes (2007), 51, Nr. 0101-02: Vesuvius: Start Date: 787 AD Oct 15 ± 45 days Stop Date: 788 AD Jan 15 ± 45 days, VEI: 3. 273 McCormick, Origins (2007), 17. 274 Annales Mosellani, ad a. 792. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 498: Famis vero, quae anno priori caepit, in tantum excrevit, ut non solum alias immundicias, verum etiam, peccatis nostris exigentibus, ut homines homines, fratres fratres ac matres filios comedere coegit. 275 Curschmann, Hungersnöte (1900), 90 f. 276 Annales Laureshamenses, ad a. 793. Ed. Pertz, MGH SS 1, 35: Et in ipso hieme transmisit rex duos filios suos Pippinum et Hluduwicum cum hoste in terra Beneventana; et facta est ibi famis validissima, et super populum illum quem ibi inventus est, et super exercitum qui advenerat, ita ut aliquanti nec ipsam quadringensimam se ab esu carnium abstinere poterant. Sed et famis valida in Burgundia et per aliqua loca in Francia incumbebat, ita ut multi ex ipsa fame mortui fuissent.

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Provence und einige Gegenden der Francia genannt werden277 sowie eine Nachricht in den Annales Laureshamenses, in der Benevent, Burgund und andere Orte der Francia erwähnt werden.278 Die Hungersnot von 793 ist daneben auch in anderen Quellen genannt,279 insbesondere aber die Ausrede über ihre Heftigkeit, dass man selbst in der Fastenzeit Fleisch essen musste, wurde vom Annalista Saxo wieder aufgegriffen.280 Der Konsum von Fleisch als Maßnahme in der Not, wenn pflanzenbasierte Ernährungsmöglichkeiten erschöpft sind, ist die übliche Maßnahme, die hier aber mit dem Abstinenzgebot der Fastenzeit zusammentrifft. Dass die Schwierigkeiten in der landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion lagen, beschreiben die Zusätze zu den Annales Salisburgenses ausdrücklich.281 Im Jahr darauf, 794, wurde in Frankfurt ein Kapitular erlassen, mit dem die Preise für Getreide, nach dem neu eingeführten allgemeinen Scheffel, und für Brot festgelegt wurde. Weiterhin erging ein Befehl an die königlichen Lehensleute, keinen ihrer Hörigen Hungers sterben zu lassen und erst den Überschuss zu verkaufen.282 In die Lebensbeschreibung Ludwigs des Frommen übernahm der „Astronomus“ genannte Autor für das Jahr 796 einen Eintrag über Maßnahmen zur Entschärfung der wirtschaftlichen Belastung: „Wieder im Besitz dieser Höfe, gab der König [Ludwig] unverzüglich einen Beweis seiner Klugheit und offenbarte gleichzeitig seine angeborene Mildtätigkeit. Denn er bestimmte hinsichtlich

|| 277 Chronicon Moissiacense, ad a. 793. Ed. Pertz, MGH SS 1, 300: Et in ipsa hieme transmisit rex Karolus duos filios sous Pippinum et Ludovicum com hoste in terra Beneventana; et facta est ibi fames validissima super populum illum qui ibi inventus est, et super exercitum qui advenerat, ita ut aliquanti nec ipsa quadragesima se ab esu carnium abstinere potuissent. Sed et famis valida in Italia et Burgundia, et per aliqua loca in Francia incumbebat, necnon in Gothia et in Provincia erat famis valida, ita ut multis ex ipsa fame mortui fuissent. 278 Annales Laureshamenses, ad a. 793. Ed. Pertz, MGH SS 1, 35: (…) et facta es ibi famis valdissima, et super populum illum quem ibi inventus est, et super exercitum qui advenerat, ita ut aliquanti nec ipsam quadringensimam se ab esu abstinere poterant. Sed et famis valida in Burgundia et per aliqua loca in Francia incumbebat, ita ut multi ex ipsa fame mortui fuissent. 279 Annales S. Quintini Veromandensis, ad a. 793. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 501: Fames valida. 280 Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 793. Ed. Naß,MGH SS 37, 33: Fuitque fames valida, ita ut nec in XLma a carnibus abstineretur. 281 Annalium Salisburgensium Additamentum, ad a. 793. Ed. Wattenbach, MGH SS 13, 237: Horribile portentum in Francia visum est. Inmensi aggeres de omni genere granorum atque frumenti inventi sunt cumulati. Unde si aliquod iumentum gustasset, moriebatur. Farina inde facta sub manibus disparuit. 282 Synodus Franconofurtensis, Nr. 28, ad a. 794. MGH Capit. 1, 73 f.: De vero anona publica domni regis, si venundata fuerit, de avena modius II pro denario, ordeo den. I, sigalo den. II, frumento modius denar. III. Et qui nostrum habet beneficium, diligentissime praevideat, quantum potest Deo donante, ut nullus ex mancipiis ad illum pertinentes beneficium famen moriatur; et quod superest illius familiae necessitatem, hoc libere vendat iure praescripto. ebd., 76: Ut decimas et nonas sive census omnes generaliter donent qui debitores sunt ex beneficia et rebus ecclesiarium secundum priorum capitularium domni regis; et omnis homo ex sua proprietate legitimam decimam ad ecclesiam conferat. Experimento enim didicimus in anno quo illa valida famis inrepsit, ebullire vacuas anonas a daemonibus devoratas et voces exprobrationis auditas; vgl. RI I Nr. 325, 28.

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des Winterlagers, dass ihn von vier Orten – nämlich von den Pfalzen Doué, Chasseneuil, Angeac und Ebreuil – jeder erst nach Ablauf von drei Jahren wieder aufnehmen sollte. Diese Güter brachten, wenn man nur in jedem vierten Jahr zu ihnen zurückkehrte, genügend Ertrag für den Unterhalt des Königs. Als dies aufs Klügste geordnet war, verbot er, vom Volk weiterhin Getreidelieferungen für das Heer, foderum genannt, einzufordern. Und obwohl die Kriegsleute dies mit Murren aufnahmen, hielt er es als Mann der Barmherzigkeit, da er die Bedürftigkeit der Gebenden und die Grausamkeit der Nehmenden und zugleich beider Notlage bedachte, dennoch für besser, die Seinen aus eigenen Mitteln zu unterstützen als zuzulassen, dass seine Leute wegen der Menge des [abzuliefernden] Getreides in Not gerieten. Zur selben Zeit erließ er den Leuten von Albig in seiner Freigebigkeit einen drückenden Tribut, den sie in Wein und Getreide zu entrichten hatten. Er hatte damals Meginar bei sich, den ihm der Vater geschickt hatte, einen weisen und tatkräftigen Mann, der wusste, was einem König Nutzen und Ehre bereitete. Diese Maßnahmen sollen dem König, seinem Vater, so sehr gefallen haben, dass er das Gleiche tat, auch in Francien die Getreideabgaben für das Heer verbot und anderes mehr zu verbessern befahl; dem Sohne wünschte er Glück und gutes Gelingen.“283

4.3.3 Hungersnöte im 9. Jahrhundert An der weitverbreiteten Hungersnot, die am Ende des Jahres 805 begonnen und das ganze Jahr 806 gedauert haben soll,284 ist erstaunlich, dass zwar in mehreren obrigkeitlichen Reaktionen in Form von Kapitularien Bezug genommen wird, die Hungersnot aber in keiner chronikalischen Quelle Erwähnung findet. In den Kapitularien wird nur ausgesagt:285 „Für den Fall, wenn es zu Hungersnot, Unglück, Seuche, Unwetter oder sonstigem Unheil kommt, dass man dann nicht auf eine Verfügung von uns wartet, sondern umgehend die Barmherzigkeit Gottes erfleht. Und zur Hungersnot in diesem Jahr: dass ein jeder die Seinigen unterstützt, so gut er kann, und seine Ernte nicht

|| 283 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 7. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 304–307: Quibus receptis, rex et prudentiae suae monstravit continuo documentum et misericordie, que sibi genuina probatur, patefecit affectum. Nam ordinavit, qualiter in quattuor locis hiberna transigeret, ut tribus annis exactis, quarto demum anno hiematurum se quisque eorum susciperet locus, Theotuadum scilicet palatium, Cassinogilum, Andiacum et Eurogilum; que loca, quando quartum redigebatur ad annum, sufficientem regio servitio exibebant expensam. Quibus prudentissime ordinatis, inhibuit a plebeis ulterius annonas militares, quas vulgo foderum vocant, dari. Et licet hoc viri militares egre tulerint, tamen ille vir misericordiae considerans et prebentium penuriam et exigentium crudelitatem simul et utrorumque perditionem, satius iudicavit de suo subministrare suis, quam sie permittendo copiam rei frumentarię suos inretiri periculis. Quo tempore Albigenses tributo, quo in dando vino et annona gravabantur, sua liberalitate relevavit. Habebat m autem n tunc temporis Meginarium secum, missum sibi a patre, virum sapientem et strenuum gnarumque utilitatis et honestatis regie. In tantum autem regi patri hec placuisse dicuntur, ut hac imitatione stipendiariam in Frantia interdiceret annonam militarem dari, et alia plurima corrigi iuberet, congratulans felicibus filii profectibus. 284 Curschmann, Hungersnöte (1900), 91 f. Verhulst, Karolingische Agrarpolitik (1965), 175–189. Jörg, Besänftigung göttlichen Zorns (2010), 38–51. 285 Vgl. RI I Nr. 413.

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allzu teuer verkauft; und dass keinerlei Lebensmittel außerhalb unseres Reiches verkauft werden.“286 Einzig die Wendung in praesenti anno de famis inopia weist explizit auf eine Hungersnot hin.287 Auch in einem Kapitular des Jahres 806, das Instruktionen für Königsboten enthält, geht es um die Regelungen von Wucher bei Getreide288 und um Maßnahmen bezüglich der Hungersnot.289 Gleiches gilt für das Jahr 807,290 als Karl der Große Bischof Ghaerbaldus von Lüttich anwies, im Falle von Missernten, Hungersnöten, Extremwetter, Epidemien und Heideneinfällen dreimal ein dreitägiges Fasten abzuhalten.291 Genauer heißt es zu den Erleichterungen der Heerfahrtpflicht: „Denkschrift, mit der wir wegen der Hungersnot festlegen, wie man im Land jenseits der Seine Heeresfolge leisten muss. 1. Zuvörderst: Alle, die Lehen innehaben, müssen gegen den Feind ziehen. 2. Jeder Freie, der fünf Hufen besitzt, hat ebenso am Feldzug teilzunehmen; wer vier Hufen hat, ist ebenso verpflichtet; desgleichen der, der drei Hufen hat. Wo aber zwei angetroffen werden, von denen jeder zwei Hufen besitzt, soll einer den anderen ausrüsten; und wer von beiden besser geeignet ist, der soll am Feldzug teilnehmen. Und wo zwei angetroffen werden, von denen der eine zwei Hufen, der andere eine Hufe besitzt, sollen sie sich in gleicher Weise zusammentun und einer den anderen ausrüsten; und wer besser geeignet ist, soll am Feldzug teilnehmen. Wo aber drei angetroffen werden, von denen jeder eine Hufe besitzt, sollen zwei den dritten ausrüsten, von denen soll der am besten Geeignete am Feldzug teilnehmen. Von jenen aber, die eine halbe Hufe besitzen, sollen jeweils fünf den sechsten ausrüsten. Wenn aber so Arme angetroffen werden, die weder Hörige noch eigenen Landbesitz, aber doch (beweglichen Besitz) im Wert von (…) innehaben, so sollen jeweils fünf den sechsten ausrüsten (…). Und einem jeden von diesen, die gegen den Feind ziehen, sollen fünf Solidi von den vorgenannten Armen, die keinen

|| 286 Capitulare missorum in Theodinis villa datum secundum, generale, Nr. 44. MGH Capit. 1, 122 f.; FSGA 40a, 80 f.: Capitulare missorum in Theodonis villa datum secundum, generale. 4. De hoc si evenerit fames, clades, pestilentia, inaequalitas aeris vel alia qualiscumque tribulatio, ut non expectetur edictum nostrum, sed statim depraecetur Dei misericordia. Et in praesenti anno de famis inopia, ut suos quisque adiuvet prout potest est suam annonam non nimis care vendat; et ne foris imperium nostrum vendatur aliquid alimoniae. 287 Curschmann, Hungersnöte (1900), 91. 288 Vgl. RI I Nr. 417. 289 Vgl. RI I Nr. 420. 290 Curschmann, Hungersnöte (1900), 92 f; vgl. RI I Nr. 431. 291 Karoli ad Ghaerbaldum episcopum epistola, Nr. 124. MGH Capit. 1, 244 f.: Necessitates vero quas supra nos dicturos esse proxisimus, inter ceteras (quas tamen hac vice commemorare necessarium non duximus, haec sunt denique: conpertum habemus per fideles nostros, qui nobis de singulis regni nostri partibus haec nuntiaverunt, quod insolito more et ultra consuetum ubique terrae sterelitas esse et famis periculum imminere videtur, aëris etiam intemperis frugibus valde contraria, pestilentia quoque per loca, et paganorum gentium circa marcas nostras sedentia bella continua, multa praeterea quae et nunc enumerare longum est et nobis experimento possunt esse notissima, si recordare volumus, qualia incommoda singulis diebus propter merita nostra sentiamus. Vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 99.

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Landbesitz haben, zu den Kosten beigesteuert werden. Und wegen dieses Schiedsspruches darf niemand seinen Herren verlassen.“292

Auch für das Jahr 809 wird eine Hungersnot in Aachen vermutet,293 weil in einem Kapitular Karls des Großen darauf Bezug genommen wird. Ebenso wird für 813 aufgrund eines Kapitulars von einer Hungersnot ausgegangen.294 Wiederum ist auffällig, dass Erwähnungen in annalistischen oder chronikalischen Quellen, die sonst Hungersnöte überliefern, in diesen Jahren fehlen. Erst bei Andreas von Bergamo (um 875) ist wieder eine Hungersnot (fames) für das Jahr 810 in Italien überliefert.295 Diese könnte mit der Rinderseuche in diesem Jahr zusammenhängen, zu der zahlreiche Nachrichten vorliegen. In die Regierungszeit Karls des Großen fielen die schon besprochenen Hungersnöte in den Jahren 772, 779, 793, die ihre Überlieferung in Annalen und Chroniken gefunden haben. Etwa ab 802, besonders zwischen 805 und 807, reagierte Karl verstärkt auf Katastrophen wie Hungersnöte, Mangel, Epidemien und Viehseuchen in Form von Kapitularien. Auffällig ist, dass die von der älteren Forschung aufgrund dieser Erlasse angenommenen Hungersnöte (fames) der Jahre 805 und 806 in den Annalen und Chroniken keinerlei Widerhall gefunden haben. Dieser Befund macht es unwahrscheinlich, dass in den genannten Jahren Hungersnöte stattgefunden haben.

|| 292 Karoli magni Capitularia, Nr. 48. MGH Capit 1, 134 f.; FSGA 40b, 20 f.: Memoratorium qualiter ordinavimus propter famis inopiam, ut de ultra Sequane omnes exercitare debeant. 1. In primis quicumque beneficia habere videntur, omnes in hostem veniant. 2. Quicumque liber manos quinque de proprietate habere videtur, similiter in hostem veniat; et qui quatuor mansos habet, similiter faciat; qui tres habere videtur, similiter agat. Ubicumque autem inventi fuerint duo, quorum unus habeat duos mansos habere videtur, unus alium praeparare faciat; et qui melius ex ipsis potuerit, in hostem veniat. Et ubi inventi fuerint duo, quorum unus habeat duos mansos et alter habeat unum mansum, similiter se sociare faciant et unus alterum praeparet; et qui melius potuerit, in hostem veniat. Ubicumque autem tres fuerint inventi, quorum unusquisque mansum unum habeat, duo tercium praeparare faciant; ex quibus qui melius potest, in hostem veniat. Illi qui dimidium mansum habent, quinque sextum praeparare faciant. Et qui sic pauper inventus fuerit qui nec mancipia nec propriam possessionem terrarum habeat, tamen in praecio valente (…), quinque sextum praeparent; (…). Et uniuscuique ex ipsis qui in hoste pergunt fiant coniectati solidi quinque a supradictis pauperioribus qui nullam possessionem habere videntur in terra. Et pro hac consideratione nullus suum seniorem dimittat. 293 Vgl. RI I Nr. 443. 294 Vgl. RI I Nr. 481. 295 Andreas von Bergamo, Historia 5. Ed. Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 224: Qui cum esset penuriae famis Italiae preucupata, subito ut Bernardo regum accepit, dignitatem ubertatemque advenit et sic fuit dum ipse regnavit.

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Nach den Kölner Annalen war das Jahr 822 von einer schlimmen Hungersnot gekennzeichnet,296 die auch die Annalen des Klosters St-Bénigne in Dijon297, die Annalen der Klöster Rouen298, St. Emmeram (823)299 und der Abtei Bury St. Edmund in England erwähnen.300 Die für die Anlage der Annalen des 1174 gegründeten Klosters Kolbatz in Westpommern benutzten älteren Vorlagen dokumentieren 822 ebenfalls eine schlimme Hungersnot.301 Gleiches gilt für das Kloster St. Peter und Maria in Lund, einem der ältesten Klöster in Dänemark. Auch die für die dortigen Annalen benutzen Vorlagen enthielten zum Jahr 822 den Eintrag einer sehr schlimmen Hungersnot.302 824 soll erneut eine Hungersnot stattgefunden haben. „Der Kaiser aber verschob, weil noch immer eine schwere Hungersnot herrschte, die gegen die Bretagne vorgesehene Unternehmung bis zum Anfang des Herbstes“,303 berichten die fränkischen Reichsannalen. Nach der Vorlage der Annales Lundenses war im Jahr 848 die Hungersnot sehr schlimm und die Sterblichkeit bei den Menschen hoch,304 auch im Folgejahr 849 herrschten weiterhin Hungersnot und Sterben der Menschen sowie eine Epidemie bei den Tieren.305 Im Jahr 850 trat eine große Hungersnot in den Gebieten rechts des Rheins auf.306 In den Annales Fuldenses heißt es dazu: „In diesem Jahr drückte schwere Hungersnot die Völker der Germania, vornehmlich die um den Rhein wohnenden; denn ein Scheffel Getreide wurde in Mainz für zehn Sekel Silber verkauft.“307 Nach der Chronik Sigeberts von Gembloux herrschte im Jahr 851 eine schwere Hungersnot in der Germania.308 Die Annales Xantenses überliefern zum Jahr 852: „Das Eisen der Heiden erglänzte; groß war die Sonnenhitze; und Hungersnot folgte; und das Viehfutter ging

|| 296 Annales Colonienses, ad a. 822. Ed. Pertz, MGH SS 1, 98: Fames valida. 297 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 822. Ed. Pertz, MGH SS 5, 39: Fames valida. 298 Annales Rotomagenses, ad a. 822. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 40: Fames valida. 299 Annales sancti Emmerammi maiores, ad a. 823. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 741: Hiemps magnus; similiter siccitas grandis et famis valida. 300 Annales S. Edmundi, ad a. 822. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 122: Fames valida. 301 Annales Colbazenses, ad a. 822. Ed. Arndt, MGH SS 19, 713; Ed. Kroman, 7: Fames ualida. 302 Annales Lundenses, ad a. 822. Ed. Kroman, 37: Hoc anno fames ualida fuit. 303 Annales regni Francorum, ad a. 824. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 165; FSGA 5, 138 f.: (…) imperator vero iter, quod Brittaniam facere paraverat, propter famem, quae adhuc praevalida erat, usque ad initium autumni adgredi distulit. Vgl. auch RI I Nr. 790b. 304 Annales Lundenses, ad a. 848. Ed. Kroman, 39: Hoc anno fuit fames ualida et magna mors hominum. 305 Annales Lundenses, ad a. 849. Ed. Kroman, 39: Item fames et mortalitas hominum et pestis animalium. 306 Vgl. RI I Nr. 1396a. 307 Annales Fuldenses, ad a. 850. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 40; FSGA 7, 40 f.: Eodem d anno gravissima fames Germaniae populos oppressit, maxime circa Rhenum habitantes; nam unus modius de fruniento Mogontiaci vendebatur decem siclis argenti. 308 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 851. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 340: Fames valida Germaniam attrivit, ut etiam pater filium suum devorare voluerit; quo tempore Rabanus archiepiscopus multam pauperibus benivolentiam exhibuit.

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aus; und die Weide für die Schweine war überreich.“309 Der Verfasser derselben Annalen schrieb zum Jahr darauf [853]: „So groß war die Hungersnot in Sachsen, dass viele sich von Pferdefleisch ernährten.“310 Laut verschiedener Annalen herrschte im Jahr 861 eine große Hungersnot.311 Andere Annalenwerke, wie die Jahrbücher aus Hildesheim listen diese erst für 862 und kombinieren sie mit einer großen Sterblichkeit.312 Der später kompilierende Annalista Saxo gibt eine die Germania und andere Teile Europas betreffende Hungersnot ebenfalls für das Jahr 862 an.313 Nach der Chronik des Johannes Skylitzes herrschte im Jahr 864 [852–867] eine Hungersnot: „Erst als eine heftige Hungersnot über das Bulgarenland hereingebrochen war und nichts mehr dagegen half, rief der Zar den Christengott, über den er durch Theodorus und die eigene Schwester Unterricht erhalten hatte, um Hilfe an. Genau dies zu tun, veranlasste er auch sein ganzes Volk. Sie wurden von der Hungersnot erlöst, und so traten sie zum rechten Glauben über.“314 Diese Hungersnot weitete sich daraufhin weiter nach Süden aus, denn Johannes Skylitzes schreibt weiter [zu 864–867]: „Besonders bewunderten sie ihn aus folgender Ursache: Die Erde brachte damals überhaupt keinen Ertrag, der Hunger peinigte die Leute von Thessaloniki und die Umwohner. Alle sahen eine düstere Zukunft vor sich: auswandern aus der Heimat oder Tod vor Hunger und aus Mangel am Notwendigsten. Leon tröstete sie zunächst über die Not hinweg. Dann nannte er ihnen einen ganz bestimmten Termin, den ihm eine ganz bestimmte Sternkonstellation empfahl, an dem sie das Samengut der Erde anvertrauen sollten. Er erzielte damit einen solchen Bodenertrag, dass er den Anwohnern über viele Jahre hinweg ausreichte.“315

Hier zeigt sich vor allem im ersten Eintrag eine massive christlich-orientierte Instrumentalisierung.

|| 309 Annales Xantenses, ad a. 852. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 18; FSGA 6, 350 f.: Ferrum paganorum incanduit; nimius ardor solis, et fames subsecuta est, et pabula animalium defecerunt, et pastus porcorum exuberans. 310 Annales Xantenses, ad a. 853. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 18; FSGA 6, 352 f.: Fames magna in Saxonia, ita ut multi equis alerentur. 311 Annales Alamannici, ad a. 861. Untersuchungen. Ed. Lendi, 178: fames valdissima. Annales Alamannici (Codex Turicensis), ad a. 861. Untersuchungen. Ed. Lendi, 178: fames valdissima. Annales Formoselenses, ad a. 861. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 35: Fames valdissima. 312 Annales Hildeheimenses, ad a. 862. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Fames magna et morbus in Germania et in aliis partibus Europae. Annales Altahenses breves, ad a. 862. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS 4, VIII: Morbus in Germania. 313 Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 942. Ed. Naß, MGH SS 37, 79: Fames magna et morbus in Germania et in aliis Europe partibus fuit. 314 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Michael 7, in: Byzanz. Ed. Thurn, 124. 315 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte, Michael 15, in: Byzanz. Ed. Thurn, 139 f.

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Im Jahr 868 kam es zu Überschwemmungen und Hungersnot per totam Germaniam et Galliam.316 Nach dem Eintrag in den Annales Xantenses erging zur Herbstzeit 868 „ein Edikt der Könige, dass allgemein ein dreitägiges Fasten gehalten werde, weil der Schrecken von Hungersnot und Pest drohe und ein starkes Erdbeben in den Reichen war.“317 Die Annales Xantenses ergänzen: „Und hernach zur Sommerzeit folgte in vielen Provinzen eine heftige Hungersnot, vornehmlich in Burgund und Gallien, wo eine große Menge Menschen eines bitteren Todes starb, sodass Menschen Menschenleiber gegessen haben sollen. Aber auch von Hundefleisch sollen sich einige ernährt haben.“318 Die Fuldaer Annalen schildern, ebenfalls zu demselben Jahr, eine auf verschiedene Plagen folgende „große Hungersnot nebst gewaltigem Sterben des Menschengeschlechtes in ganz Germanien und Gallien.“319 Insgesamt habe der starke Hunger sowohl die Germania als auch andere Provinzen Europas heimgesucht.320 Über diese Hungerkatastrophe hat bereits Curschmann einiges zusammengestellt.321 Der Chronist Hugo charakterisierte sie mit den folgenden Worten: „während der Regierungszeit Lothars (II., 855–869)322 gab es im Land der Franken, sowohl in Gallien wie auch in Burgund, eine schwere Hungersnot, ein Sterben der Menschen und eine Viehseuche. Diese wütete nach dem gerechten Urteil Gottes im Volke so sehr, dass viele sich gezwungen sahen, ihre Heimat zu verlassen und in andere Länder auszuwandern, worauf viele Orte der Francia nur noch wenige Einwohner hatten.“323 Migration als eine mögliche Folge von Hungersnöten wird von den mittelalterlichen Autoren öfter erwähnt. Am ausführlichsten ist dies in den Annales S. Columbae Senonenis der Fall, hier wird zunächst das Erscheinen eines Kometen erwähnt, der die Hungerkatastrophe ankündigte. Diese betraf fast das ganze fränkische Reich, am stärksten aber Aquitanien und Burgund. Der Topos, das so viele Menschen starben, || 316 Vgl. RI I Nr. 1473. 317 Annales Xantenses, ad a. 869. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 26; FSGA 6, 362 f.: Deinde autumnali tempore exiit edictum regibus, ut ieiunium triduanum generaliter observaretur, inminente terrore famis, pestilentiae, et terrae motus magnus per regna; ita ut desperatio humanae vitae plurimis accidit. 318 Annales Xantenses, ad a. 869. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 26; FSGA 6, 362 f.: Et postea aestivo tempore fames acerrima in multis provintiis subsequitur, maxime in Burgundia et Gallia, in quibus magna multitudo hominum acerbam sustinuit mortem, ita ut homines hominum corpora comedisse feruntur. Sed et canum carnibus aliqui vesci dicuntur. 319 Annales Fuldenses, ad a. 868. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 67; FSGA 7, 72 f.: Hanc plagam fames etiam magna cum ingenti pernicie humani generis per totam Germaniam et Galliam secuta est. 320 Annales Hildesheimenses, ad a. 868. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Fames valida et vehemens tam Germaniam quam ceteras Europae provincias nimium afflixit. 321 Curschmann, Hungersnöte (1900), 98 f. 322 Epperlein, Bäuerliches Leben (2003), 30 führt irrtümlich die Herrschaftsdaten Ks. Lothars I. an. 323 Hugo von Flavigny, Chronicon, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 8, 355: Lotahrii regis tempore facta est in terra Francorum et Galliae et Burgundiae fames valida, et mortalitas hominum, et pestis animalium. Quae sic iusto Dei iudicio in populum desevit, ut multi patriam desesere et ad terras alias cogerentur demigrare, adeo ut multae urbes Franciae raro incolerentur habitatore.

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dass sich kaum noch Lebende gefunden hätten, um die Toten zu begraben, wird gleich zu Beginn der Schilderung angeführt. Daraufhin nennt der Annalist 56 Tote an einem Tag in der Stadt Senon. Mit einem Hinweis auf Menschenfresserei folgt ein weiterer Topos.324 In den Hildesheimer Annalen wird dann eine Überschwemmung 865 aufgelistet, an die sich eine witterungsbedingte Verknappung der Früchte angeschlossen habe.325 Diese Nachricht lässt sich nicht so einfach ignorieren, denn auch in England wird für das Jahr 866 eine Hungersnot erwähnt.326 Die Annalen des Klosters Niederaltaich nennen im Jahr 867 eine Reihe von Katastrophen: zunächst einen Sturm, auf den ein Komet folgte, dann eine Hungersnot und schließlich eine Epidemie.327 Zum selben Jahr wird auch in den Hildesheimer Annalen ein Sturm erwähnt, der mit seiner Wucht viele Gebäude zerstört haben soll.328 Die Hungersnot hat nur noch der Annalenschreiber in Limoges zum Jahr 867 eingereiht,329 alle anderen stellen sie zum Jahr 868. Eine ähnliche Reihenfolge von Katastrophen, wie sie aus dem Kloster Niederaltaich zu 867 überliefert ist – Sturm, Komet, Hunger, Epidemie –, gab, etwas ausführlicher, der Verfasser der Fuldaer Annalen zum Jahr 868 an: „In diesem Jahr war einige Nächte hindurch ein Komet sichtbar; auch schwollen die Quellen und Flüsse durch übergroße Regenmengen an und richteten in verschiedenen Orten an Früchten und Gebäuden einen nicht geringen Schaden an. Auf diese Plage folgte auch große Hungersnot nebst gewaltigem Sterben des Menschengeschlechts durch ganz Germanien und Gallien.“330 In den Annales Formo-

|| 324 Annales S. Columbae Senonenis, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 1, 103: Cometes apparuit circa 4. Kal. Febr. dies circiter 25. primo sub temone minoris Arcturi. Deinde progressa est pene usque ad triangulum. Extitit eo anno fames et mortalitas inaudita per totum fere inperium Francorum, sed maxime per Aquitaniam et Burgundiam, ita ut prae multitudine morientium non essent, qui sepelirent. Nam Senonis civitate inventi sunt uno die 56 homines mortui. Inventi sunt etiam ea tempestate in eodem pago masculi et femine pro nefas! homines alios occidisse et comedisse. 325 Annales Hildeheimenses, ad a. 865. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Subitaneum diluvium et vehemens grando fruges assumpsit. 326 Annales Rotomagenses, ad a. 866. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 41: Fames valida. 327 Annales Altahenses breves, ad a. 867. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS 4, VIII: Ventus; sequenti cometa, fames, pestilentia. 328 Annales Hildeheimenses, ad a. 867. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Ventus ingens cum turbine multa edificia stravit. 329 Annales Lemovicenses, ad a. 867. Ed. Pertz, MGH SS 2, 251: Fames valida. 330 Annales Fuldenses, ad a. 868. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 67; FSGA 7, 72 f.: Eodem anno stella cometes per aliquot noctes apparuit; fontes quoque et flumina propter nimiam imbrium inundationem crescendo intumuerunt et per diversa loca in frugibus et aedificiis damnum fecere non modicum. Hanc plagam fames etiam magna cum ingenti pernicie humani generis per totam Germaniam et Galliam secuta est.

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selenses wird zum Jahr 868, das Erscheinen eines Kometen, eine schlimme Hungersnot und ein Sterben unter den Menschen in der Nachricht kombiniert.331 In den alemannischen Annalen findet sich dieselbe Aufstellung, ergänzt um ein Sterben unter den Tieren.332 Eine kurze Chronik aus Anjou gibt die Länge der Sichtbarkeit des Kometen mit 20 Tagen an und ergänzt nur die schlimme Hungersnot.333 Andere Annalen, wie die von Köln, Bury St. Edmund in England oder St-Bénigne in Dijon verzeichnen ausschließlich die große Hungersnot,334 jene aus Hildesheim ergänzen noch den Raum.335 Die Vorlage der im Kloster Kolbatz in Pommern geschriebenen Annalen enthielt zum Jahr 868 ebenfalls eine „schlimme Hungersnot“336 und zum Folgejahr 869 „weiterhin eine Hungersnot und ein Sterben von Menschen und Tieren.“337 Auffälligerweise wird hier derselbe Wortlaut wie zum Jahr 822 verwendet. Ganz ähnlich wurde diese Kombination von Ereignissen zum Jahr 869 im Kloster Bury St. Edmund und im Kloster St. Swithun in Winchester in England sowie im Kloster St-Bénigne in Dijon festgehalten.338 Zum Folgejahr, 870, berichten die Fuldaer Annalen „im Wormsgau bei der Ernte seien infolge der ungewöhnlichen Hitze einige gestorben und sehr viele im Rhein ertrunken. (…) Auch eine Rinderpest wütete aufs Schrecklichste an einigen Orten der Francia und brachte vielen unersetzlichen Schaden.“339 Der ungewöhnlich heiße

|| 331 Annales Formoselenses, ad a. 868. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 35: Stella cometis. Fames acerrima et mortalitas hominum. 332 Annales Alamannici, ad a. 868. Untersuchungen. Ed. Lendi, 180: Stella cometis fames acerrima et mortalitas hominum et animantium; Annales Alamannici (Codex Modoetiensis), ad a. 868. Untersuchungen. Ed. Lendi, 180: Stella cometis fames acerrima et mortalitas hominum et animantium. 333 Breve Chronicon Sancti Florentii Salmurensis, ad a. 868. Ed. Marchegay/Mabille, 184: Cometes magna visa fuit diebus viginti; et fames horribilis fuit eodem anno. 334 Annales Colonienses, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 1, 98: Fames valida; Annales S. Edmundi, ad a. 868. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 123: Nicholaus papa. Fames valida; Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 5, 38: Fames valida. 335 Annales Hildesheimenses, ad a. 868. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Fames valida et vehemens tam Germaniam quam ceteras Europae provoncias nimium afflixit. Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 868. Ed. Naß, MGH SS 37, 86: Fames valida et vehemens tam Germaniam quam ceteras Europe provincias nimium afflixit. 336 Annales Colbazenses, ad a. 868. Ed. Arndt, MGH SS 19, 713; Ed. Kroman, 7: Fames ualida. 337 Annales Colbazenses, ad a. 869. Ed. Arndt, MGH SS 19, 713; Ed. Kroman, 7: Item fames et mortalitas hominum et animalium. 338 Annales S. Edmundi, ad a. 869. Ed. Liebermann, 123: Adrianus papa. Item fames et mortalitas maxima hominum. Annales Wintonienses, ad a. 869. Ed. Liebermann, 65: Obiit Nicholaus papa. Facta est fames valida; Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 869. Ed. Pertz, MGH SS 5, 38: Item fames valida, et mortalitas hominum et pestis animalium. 339 Annales Fuldenses, ad a. 870. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 72; FSGA 7, 78 f.: (…) nonnulli etiam in pago Wormacense messem colligentes, propter solis calorem solito graviorem extincti referuntur; plurimi quoque in Rheno flumine suffocati perierunt. (…) Boum quoque pestilentia in nonnullis Franciae locis inmanissime grassando multis inrecuperabile intulit damnum.

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 609

Sommer wird auch im Kloster Niederaltaich dokumentiert, allerdings erst zum Jahr 872.340 Im darauffolgenden Jahr sei es zu einer Hungersnot aufgrund der Heuschrecken gekommen, die ja für 873 tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind.341 Für den 17. August 873 wird das Auftreten der Heuschrecken genannt, dann die 25 Tage dauernde Sichtbarkeit des Kometen und schließlich das Auftreten von Hunger in der Francia, Burgund und Aquitanien mit einem Hinweis auf Anthropophagie.342 Auch in Anjou wurde Ähnliches notiert.343 Das hier angegebene Jahr ist, wie weiter oben bereits geschildert, allerdings nicht mit „868“ (dccclxviii), sondern mit „873“ (dccclxxiii) aufzulösen.344 Auch die Hildesheimer und Quedlinburger Annalen erwähnten zum Jahr 873 in der Germania eine große Hungersnot.345 In den Annales Bertiniani wurde zum Jahr 874 verzeichnet, dass aufgrund des langanhaltenden Sommers das Gras dürr gewesen und die Getreideernte unzulänglich ausgefallen sei.346 Zwei ebenfalls westfränkische Chroniken geben für 875 Hungersnöte im ganzen Reich Karls II. des Kahlen an.347 In Angers ergänzte man zu dieser Nachricht noch das Erscheinen eines Kometen und eine Sonnenfinsternis am 28. Oktober 875.348 Eine Sonnenfinsternis fand an diesem Datum allerdings nicht statt, eine teilweise Sonnenfinsternis (Saroszyklus 113) ereignete sich am 11. Januar 875. Die nächste totale Sonnenfinsternis über dem Westfrankenreich – und die wird hier auch

|| 340 Annales Altahenses breves, ad a. 872. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS 4, VIII: Aestas ferventissima; sequenti anno fames in Germania, locustae. 341 Vgl. ausführlich das Kap. 4.1.2 Die Heuschrecken der Jahre 873–874. 342 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 873. Ed. Marchegay/Mabille, 159 f.: (…) et ipso anno, XIVo kalendas septembris, locustarum immensa congeries per Gallias pervolavitm quas subsecuta est tanta vis nivium quanta nulla aetate in nostris regionibus vias refertur. In Francia vero cometes apparuit diebus XXV, et fames exstitit horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam: ita utnon essent qui sepelirent cadavera morientium, sed et invicem homines manducarent. 343 Chronica Rainaldi archidiaconi Sancti Mauricii, ad a. 868. Ed. Marchegay/Mabille, 6: In Francia cometes apparuit diebus XXV, et fames exstitit horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam, ita ut non essent qui sepelirent cadavera morientium sed se invicem homines manducarent. 344 Siehe Kap. 4.1.2 Heuschreckenplage der Jahre 873/874. 345 Annales Hildesheimenses, ad a. 873. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Fames magna invaluit in Germania, et incredibilis multitudo locustarum venit. Annales Quedlinburgenses, ad a. 873. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 450: Fames valida et vehemens tam Germaniam quam caeteras Europae provincias nimium afflixit. Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 873. Ed. Naß, MGH SS 37, 93: Fames magna invaluit in Germania. 346 Annales Bertiniani, ad a. 874. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 1257; Ed. Grat u. a.; FSGA 6, 232– 234: Aestas longa siccitatem foeni et messium inopiam reddidit. 347 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 875. Ed. Marchegay/Mabille, 7: Fames valida per universum Karoli regnum incubuit. 348 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 875. Ed. Marchegay/Mabille, 160: Fames valida per universum Karoli regnum incubuit. Cometa visa est mense julio, et eclipsis fuit solis Vo kalendas novembris.

610 | Auswirkungen und Folgen

gemeint sein – fand am 29. Oktober 878 statt.349 So wurde es auch in den Fuldaer Annalen zum Jahr 878 gegen Ende festgehalten: „Eine Mondfinsternis trat am 15. desselben Monats ein,350 in der letzten Stunde der Nacht; auch die Sonne war am 29. Oktober nach der 9. Stunde eine halbe Stunde lang so verdunkelt, dass die Sterne am Himmel sichtbar waren und alle glaubten, die Nacht breche herein.351 Eine Rinderpest wütete aufs fürchterlichste in der Germania, besonders um den Rhein; auf dieses Unglück folgte ein nicht geringes Sterben der Menschen.“352 Statt einer Hungersnot werden hier eine Tierseuche und ein Sterben von Menschen genannt. Im Jahr darauf, 876, soll eine schlimme Hungersnot das ganze Königreich der Franken heimgesucht haben.353 Nach seiner Beschreibung des Winters am Beginn des Eintrags zu 880354 dokumentierte der Fuldaer Annalist am Ende desselben Jahreseintrags: „In diesem Jahr hatte im Wormsgau, im Niddagau und an den meisten Orten von Ludwigs Reich durch Missernte und Mangel an allen Dingen das germanische Volk nicht wenig zu leiden.“355 Gleich zu Anfang des Folgejahres, 881, fuhr er mit der Schilderung des Winters fort: „Der Winter war sehr ausgedehnt und den Tieren verschiedener Art sehr schädlich. Denn in Frühlingszeit noch starr von Eiseskälte, verweigerte die Erde den Tieren die gewohnte Weide und sie kamen vor Hunger und Kälte größtenteils um, auch wegen der Missernte des vorigen Jahres.“356 Für das Jahr 882 ergänzte er dann:

|| 349 Saroszyklus 115: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/878-10-29.gif (16.2.2016). 350 Mondfinsternis am 15. Oktober 878, um 5.08 Uhr über Mitteleuropa, Saroszyklus 89: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCLEmap/0801-0900/LE0878-10-15T.gif (29.2.2012). 351 Totale Sonnenfinsternis am 29. Oktober 878, gegen 15 Uhr über Mitteleuropa, Saroszyklus 115: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0801-0900/878-10-29.gif (29.2.2012). 352 Annales Fuldenses, ad a. 878. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 92; FSGA 7, 108 f.: Eclipsis lunae facta est in Idibus eiusdem mensis, ultima hora noctis; sol quoque in IIII. Kal. Novembris post horam nonam ita obsucratus est per dimidiam horam, ut stellae in caelo apparerent et omnes sibi noctem imminere putarent. Boum pestilentia in Germania immanissime grassata est, maxime circa Rhenum; quam cladem non mediocris hominum mortalitas secuta est. 353 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 876. Ed. Verdon, 66 f.: Fames valida per omne regnum Franciae incubuit. 354 Annales Fuldenses, ad a. 880. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 94; FSGA 7, 110 f.: Hiems aspera et solitio proxilior; nam Rhenus et moenus fluvii glaciali rigore constricti longo tempore se calcabiles praebuerunt. 355 Annales Fuldenses, ad a. 880. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 96; FSGA 7, 114 f.: Hoc anno in Wormacense et in Nitense et in plurimis locis regni Hludowici sterilitas frugum et omnium rerum penuria Germanicum populum non mediocriter afflixit. 356 Annales Fuldenses, ad a. 881. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 96; FSGA 7, 114 f.: Hibernum tempus valde prolixum et animalibus diversi generis pernoxium. Nam tellus verno tempore glaciali rigore constricta animalibus solita negavit pascua, et illa fame et frigore maxima ex parte perierunt, etiam propter sterilitatem anni prioris.

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 611

„In jenen Tagen, als die Baiern heimkamen, brach eine große und schreckliche Pest in ganz Baiern aus, sodass man häufig zwei Leichen in ein Grab legte.“357 Richer von Reims überlieferte zum Jahr 888: „Nachdem aber der Feind [Seeräuber] vertrieben war, brach eine große Hungersnot aus, weil das Land während dreier Jahre nicht bebaut worden war. Da wurde des Maß Getreide, davon sechzehn auf einen Scheffel gehen, zu zehn Drachmen, ein Huhn zu vier Drachmen, ein Schaf zu drei Unzen und ein Rind zu elf Unzen verkauft. Wein war gar nicht feil, da die Weinberge überall zerstört, und kaum noch etwas davon übrig geblieben war. Der König ließ nun Burgen an den Orten erbauen, die den Angriffen der Seeräuber ausgesetzt waren, und legte Besatzungen hinein. Er selbst zog mit seinem Heere nach Aquitanien, mit der Absicht, nicht eher zurückzukehren, als bis das das obenerwähnte Maß Getreide zu zwei Drachmen, ein Huhn zu einem Denar, ein Schaf zu zwei Drachmen und eine Kuh zu drei Unzen feil sein würde.“358

Der folgende Winter des Jahres 889359 war laut Fuldaer Annalen „rau und zog sich mehr als gewöhnlich in die Länge. Noch im März sollen an einigen Orten fünf Tage hindurch Schnee in der Tiefe von einem Fuß gewesen sein. Woraufhin in Baiern ein sehr großer Mangel an Wein entstand und die Schafe sowie die Bienen zu Grunde gingen.“ Der letzte Satz wurde laut Bearbeiter Friedrich Kurze am Rand der Handschrift ergänzt.360 Weiterhin führte dieselbe Quelle zu diesem Jahr aus: „Eine schwere Zeit brach nun wieder in diesem Jahre herein. Denn das italienische Hustenfieber ergriff sehr viele, Überschwemmungen wuchsen mehr als gewöhnlich an, Fehden im eigenen Volk erschütterten ringsum die Gegenden, Pest hier und da und unvermutete Hungersnot drückte übermäßig schwer. Da aber der Hagel die Feldfrüchte zerschlagen hatte, litten die Menschen jämmerlichen Mangel an Getreide. Aber unter anderem sah man ein schreckliches Wunderzeichen im Lande der Thüringer. Wasser stürzte vom Himmel, nicht, wie es im Regen pflegt, tropfenweise herabzufallen, sondern zu Haufen wie ein Gießbach, und in drei Dörfern wurden

|| 357 Annales Fuldenses, ad a. 882 (HS v. Altaich). Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 109; FSGA 7, 134 f.: In illis diebus redeuntibus Baiowariis domum magna et inmanis pestilential in tota Baiowaria excrevit, ita ut sepe duo cadavera in unum tumulum sepelirentur. 358 Richer von Saint-Remi, Historia, 1, 5. Ed. Hoffmann, MGH SS 38, 42: Quibus repulsis, fames valida subsecuta est cum triennio terra inculta remanserit. Iam enim mensura frumenti quę sedeties ducta modium efficit, decem dragmis venibat. Gallinatius quoque quatuor dragmis. Ovis vero tribus unciis, atque vacca iabo tollebatur. Vini nulla coemptio erat, cum vinetis ubique succisis, vix eius aliquid habebatur. Rex interea per loca, quę piratis irruentibus aditum prebebant, munitiones exstruit, ac in eis militum copias ponit. Ipse in Aquitanię partes secedens. Non ante se rediturum proponens quam supradicta modii frumentarii mensura, duabus dragmis veniret. Gallinatius vero denario, atque ovis duabus itidem dragm(is) vacca vero tribus unciis venumdaretur. 359 Curschmann, Hungersnöte (1900), 103. 360 Annales Fuldenses, ad a. 889 (HS v. Altaich). Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 125–127; FSGA 7, 160–163: Hiemps aspera et lus solitum prolixa extenditur, ita ut mense Mart. nix in quibusdam locis per V dies mensuram in profundo unum pedem habere viseretur. Inde per Baiowariam maxima penuria vini facta, oves et apes perditae.

612 | Auswirkungen und Folgen

in einem Augenblick die Häuser fortgerissen und 300 Leichen sammelte man, die der Schwall des Wassers aufs Feld fortgerafft hatte.“361

Für das Jahr 892 dokumentieren die Annalen von St-Vaast, dass „eine große Hungersnot und Unfruchtbarkeit des Landes gekommen sei, sodass die Bewohner des Landes wegen zu großen Hungers ihre Heimatorte verließen. (…) Als die Normannen auf dem Rückweg von Laon sahen, dass das ganze Reich unter der Hungersnot litt, verließen sie zum Herbst die Francia und fuhren über das Meer.“362 Auch hier wird wieder Migration von Bevölkerungsteilen infolge einer Hungersnot erwähnt. Drei Jahre später, 895, soll wiederum nach den Fuldaer Annalen „eine große Hungersnot im ganzen Land Baiern ausgebrochen sein, sodass man an sehr vielen Orten vor Hunger starb.“363 Fünf Quellen überliefern zum Ende des 9. Jahrhunderts im selben Wortlaut eine große Hungersnot, die viele Menschenleben forderte. Ein Würzburger Chronist und der Annalista Saxo stellen die Nachricht zum Jahr 898364, Ekkehard von Aura zu 899.365 Auch die Schreiber der Annalen von Köln und von Böhmen vermerken für das Jahr 899 in Böhmen und im Rheinland eine große Hungerkatastrophe.366 Einen Mangel an Brot listet auch die Chronik der Schotten kurz zum Jahr 899 auf.367 Doch können diese Quellen nicht als die fehlenden Belege für den von McCormick/Dutton/Mayewski

|| 361 Annales Fuldenses, ad a. 889 (HS v. Altaich). Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 125–127; FSGA 7, 148 f.: Grave igitur tempus hoc anno incanduit. Nam Italica febris tussiendo perplurimos vexabat, inundationes aquarum plus solito excrevere, civilia bella circumquaque regiones conquassantur, pestilentia sparsim ac fames inopinata ultra modum incubuit. Grandine vero contritis frugibus mortales inopiam frugum cum miseria patiuntur. Sed inter alia execrabile prodigium in regione Thuringorum visum est. Namque e celo aqua, non ut solet pluvia stillatim descendere, sed coacervatim quasi fluens torrens irruit, per tres villas uno momenti ictu evulsis aedificiis, ter centum cadavera mortuorum inpulsione aquarum campo deiecta colligebantur. 362 Annales Vedastini, ad a. 892. Ed. Pertz, MGH SS 2, 206; FSGA 6, 324 f.: Indeque fames valida et sterilitas terrae nobis invasit, ita ut accolae terrae prae magnitudine famis sua relinquerent loca. (…) Nortmanni vero a luvanio regressi, videntes omne regnum fame atteri, relicta Francia tempore autumni mare transierunt. 363 Annales Fuldenses, ad a. 895 (HS v. Altaich). Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 125–127; FSGA 7, 160–163: Fames valida per universam Baioariorum provinciam excrevit, ita ut per plurima loca inedia morte consumerentur. 364 Ekkehard, Chronicon Wirziburgense, ad a. 898. Ed. Waitz MGH SS 6, 28: Magna fames homines se invicem comedere persuasit; Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 898. Ed. Naß, MGH SS 37, 121: Magna fames homines se invicem comedere coegit. 365 Ekkehard, Chronicon universale, ad a. 899. Ed. Waitz, MGH SS 6, 173: Magna fames homines se invicem comedere persuasit. 366 Annales Colonienses maximi, ad a. 899. Ed. Pertz, MGH SS 17, 738: Magna fames homines se invicem comedere peruasit; Annales Gradicenses, ad a. 899. Ed. Wattenbach, MGH SS 17, 645: Magna fames homines se invicem comedere persuasit. 367 Chronicum Scotorum, ad a. 899. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 177: Failure of bread.

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 613

rückprognostizierten Vulkanausbruch in der Zeit von 900 bis 902 angesehen werden,368 denn die Hungersnot liegt hier vor dem vermuteten Ausbruch.

4.3.4 Hungersnöte im 10. Jahrhundert Im Jahr 910 „kam es zu einer großen Hungersnot im ganzen Frankenreich“369, so eine Quelle aus Senon. Ein nicht genau datierter Eintrag in der Chronik des Ademar von Chabannes könnte sich auf ein Witterungsereignis im Jahr 913 beziehen: „(…) Sieben Jahre lang wurde ebendieser [Alduinus]370 mit einer körperlichen Schlaffheit bestraft, und unter seinem Volk grassierte eine derart schwere Hungersnot, dass, was bis jetzt nicht bekannt geworden war, einer aus dem Volk einen anderen aussuchte, um ihn zu verschlingen, und viele mit der Waffe anderer töteten, um sich nach Sitte der Wölfe mit Menschenfleisch zu ernähren. Durch diese Nöte veranlasst, gab Alduinus im Jahr vor seinem Tod das wertvolle Holz an Charroux371 (…); und bald endete die Plage, und er selbst starb nach einem Jahr und wurde am 27. März neben seinem Vater bestattet.“372 Der Autor instrumentalisierte hier in hohem Maße Hungersnot und Anthropophagie um seine Abneigung gegen den Grafen auszudrücken. Die kleinen Annalen des Klosters St. Germain(-des-Prés) in Paris verzeichnen für das Jahr 919 zwar ein Gewitter, bei dem die Früchte der Bäume zerstört wurden,373 geben dies aber nicht als Grund für Hunger an. Erst in irischen Annalen wird aus dem Jahr 919 ein Jahr des Mangels und des Hungers.374

|| 368 McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 890. 369 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 910. Ed. Pertz, MGH SS 1, 104: Et sequenti anno fames maxima fuit in tota Gallia. 370 Alduinus, Sohn des Grafen Vulgrimnus von Angoulême (886–916), hatte eine Kreuzreliquie unrechtmäßig in seinem Besitz. 371 Das 785 vom Grafen Roger von Limoges gegründete Benediktinerkloster Charroux liegt im Dép. Vienne im Südwesten von Frankreich. 372 Ademar Cabannensis. Chronicon. Ed. Bourgain/Landes, 3, 23; Ed. Chavanon, 145; FSGA 40a, 82 f.: (…) Per annos vero septem langore corporis multatus est ips, et in populo ejus ita fames vehementissima grassata est, ut, quod actenus incompertum fuit, de vulgo unus alterum ad devorandum exquireret, et multi alios ferro perimentes, carnibus more luporum humanis vescerentur. Quibus actus Aluduinus neccesitatibus, uno ante mortem suam anno remisit Carrofo pretiosum lignum (…); et mox cessavit plaga; et ipse post annum defunctus VI kal. april. juxta patrem tumulatus est. 373 Annales S. Germani minors, ad a. 919. Ed. Pertz, MGH SS 4, 3: Tempore vespertino facta est tempestas valida, quae non solum fruges ad nichilum redeit et arbores radicitus evulsit, sed et animalia et homines in locis quibusdam interfecit, cuius lapides tante ferebantur magnitudinis esse, ut aliquanti ova anserum sua magnitudine superarent. 374 Annals of Inisfallen, ad a. 919. Ed. Mac Airt, 147: A year of scarcity and hunger.

614 | Auswirkungen und Folgen

„In der zweiten Hälfte des Jahres 936 litt König Hugos Heer vor Rom an Hunger und wurde von einer Pferdeseuche heimgesucht.“375 Ob dies aber eine auf eine allgemeine Hungersnot hinweist, scheint eher fraglich. Die in verschiedenen Chroniken für die Jahre 939 und 940 angegebenen Hungersnöte,376 wurden von zeitgenössischen Autoren wie Liudprand von Cremona mit dem Erscheinen eines Kometen kombiniert.377 Bei Widukind folgt eine Hungersnot auf den schweren Winter 939/940.378 Diese Darstellungen gelten in naturwissenschaftlichen Studien oft als Beleg für Folgen des Eldgjá-Ausbruchs zwischen 938 und 940. Nach den St. Galler Annalen war das ganze Jahr 940 trocken und arm an Getreide,379 jedoch wird auch hier keine Verbindung zu Hunger oder anderen Folgen hergestellt. Das Erscheinen eines Kometen und eine darauf folgende Hungersnot wird in verschiedenen westfränkischen Annalen zum Jahr 941 erwähnt,380 bei Flodoard von Reims jedoch zum Jahr 942, wo es heißt: „Eine große Hungersnot wütete im ganzen Frankenreich und in Burgund und eine so verheerende Rinderseuche, dass fast kein Tier auf dem Land erhalten blieb.“381 Andere westfränkische Quellen wie die Annalen von Saint-Quentin berichten die Katastrophe nur kurz mit einem Wort: „Hungersnot.“382 Zwei weitere westfränkische Annalen listen das Erscheinen des Kometen wie auch die darauffolgende Hungersnot erst zum Jahr 943 auf, und zwar mit demselben Wortlaut.383 Der als Annalista Saxo bekannte Kompilator kombinierte die Hungersnot mit dem harten Winter und datierte sie ebenfalls in das Jahr 943.384 Seine Darstellung beruht wohl auf dem Bericht Widukinds von Korvei.

|| 375 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 936. Ed. Lauer, 64; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 28: Hugo rex Italiae Romam nisus capere, afflicto exercitu suo fame et equorum interitu. 376 RI I, 3, 3 Nr. 1908; Curschmann, Hungersnöte (1900), 105. 377 Liudprand von Cremona, Antapodosis, 5, 2. Ed. Chiesa, 124; FSGA 8, 450 f.: Sed et in Italia octo continuis noctibus mirae magnitudinis cometa apparuit nimiae proceritatis igneos es sese radios fundens, subsecuturam non multo post famem portedens, quae magnitudine sui miserevastabat Italiam. 378 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 26. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 89; FSGA 8, 112 f.: Necem ducum asperrima hiemps hiememque secuta fames validissima. 379 Annales Sangallenses maiores, ad a. 940. Ed. Zingg, 168 f.: Annus durus et defiens fructus. 380 Annales Laubienses, ad a. 941. Ed. Pertz, MGH SS 4, 16: Cometes apparuit et fames subsecuta; Annales Leodienses, ad a. 941. Ed. Pertz, MGH SS 4, 16: Cometes apparuit. Et fames subsecuta; Annales Parchenses, ad a. 941. Ed. Pertz, MGH SS 16, 599: Cometes apparuit et fames subsecuta. 381 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 942. Ed. Lauer, 85; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 37: Fames magma per totam Franciam et Burgundiam, mortalitas quoque maxima boum grassata est in tantum, ut valde pauca huiusmodi animalia in his remanserint terris. 382 Annales S. Quintini Veromandensis, ad a. 942. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 507: Fames. 383 Annales S. Bonifacii, ad a. 943. Ed. Pertz, MGH SS 3, 118: Stella cometes apparuit, et fames subsecuta est; Annales Lobienses, ad a. 943. Ed. Waitz, MGH SS 13, 234: Stella cometes apparuit, et fames subsecuta est. 384 Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 943. Ed. Naß, MGH SS 37, 164: Hiemps asperrima fuit, quam secuta est fames validissima.

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 615

Für das Jahr 945 gab Romoald in seinen Annalen an, es sei in diesem Jahr zu einer so schlimmen Hungersnot im Königreich der Franken gekommen, dass das Pfund Getreide für 24 Schilling verkauft worden sei.385 Mit dieser genauen Preisangabe steht diese Nachricht im 10. Jahrhundert singulär da. Es lässt sich aber mit jenen aus dem 9. Jahrhundert vergleichen. Eine wohl irrig datierte Angabe findet sich in der Vorlage der Isländischen Annalen. Dort heißt es zum Jahr 954, dass über Italien ein großer Komet erschienen sei, der eine darauffolgende Hungersnot vorangezeigt habe.386 Die Kombination eines Kometen, der einer Hungerkatastrophe vorangeht, scheint eher auf die in den Jahren 942/943 verwendeten Nachrichten zurückzugehen. Vier singuläre Nachrichten folgen: Zunächst wird in den St. Galler Annalen, wie schon 940 das Jahr 959 als zu trocken charakterisiert, was in vielen Regionen zu einem Ernteausfall geführt habe, woraufhin viele hungern mussten.387 Dann nennt die Chronik der Schotten für das Jahr 962 eine große Hungersnot, einen Kälteeinbruch und einen Mangel an Getreide.388 Die irischen Annalen verzeichnen für das Jahr 963 einen unerträglichen Hunger, sodass die Väter ihre Kinder verkauft hätten.389 Als viertes wird in der Chronik der Schotten der Eintrag des Jahres 962 für das Jahr 964 wiederholt, diesmal wird erst die große Knappheit erwähnt, es folgen Kälte und Mangel an Getreide.390 Für Italien werden zum Jahr 963 ein großer Mangel sowie eine Hungersnot genannt.391 Dieselbe Quelle erwähnt auch eine Hungersnot im Jahr 964.392 Eine Hungersnot hat wohl auch in England in den 970er-Jahren stattgefunden. Die genaue Datierung ist jedoch schwierig. Zunächst geben die Annales Wintonienses das Jahr 972 an. Sodann berichten drei Quellen vom Tod Ottos I. und der Machtüber-

|| 385 Romoald, Annales, ad a. 945. Ed. Arndt, MGH SS 19, 399: Et ipso anno facta est fames valida per totum regnum Francorum ita ut modius frumenti venundaretur 24 solidos. 386 Ex annalibus Islandicis, ad a. 954. Ed. Waitz, MGH SS 29, 256: In Italiam cometa mire magnitudinis apparuit, prefigurans famam, que secuta est. 387 Annales Sangallenses maiores, ad a. 959. Ed. Zingg, 174 f.: Annus durus, et in multis regionibus deficiens fructus, et multi fame perierunt. 388 Chronicum Scotorum, ad a. 962. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 215: Great famine, and cold, and scarcity of corn. 389 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 963. Ed. O’Donovan, 687: An intolerable famine in Ireland, so that the father used to sell his son and daughter for food. 390 Chronicum Scotorum, ad a. 964. Ed. Hennessy, 185: Great scarcity and cold and dearth of corn. 391 Benedicti Chronicon, ad a. 963. Ed. Pertz, MGH SS 3, 718: Coepit deiuque crescere multe inopie Italico regno, pestilentie famis igne gladiôque vastante Italia; boves, vaccas in terra corrúerent, redacta est terra in solitudine, magis magisque famis valida pullularent. 392 Benedicti Chronicon, ad a. 964. Ed. Pertz, MGH SS 3, 718: Facta ingens famis in Romanos ignem et gladium, sicut scriptum est: Sola vexatio daret intellectum etiam et auditu. [Jes 28,19] (…) Et necessitate compulsi, compreenderunt Benedictus papa, et in manus imperatoris illum dederunt; et dicebat ad altérutrum: Melius est, ut iste solus moriatur pro omnibus, ut liberemur anime nostre a cruciatus famis.

616 | Auswirkungen und Folgen

nahme durch Otto II.; demnach hätte die Hungersnot England im Jahre 973 heimgesucht. Andererseits wurde die Hungersnot in diesen Quellen zum Jahr 976 gestellt.393 Die bereits erwähnten Annalen von Winchester enthalten allerdings sowohl für 972394 als auch für 976 einen Eintrag über eine Hungerkatastrophe in England. Die Nachricht zu den Ottonen wird zwar falsch ins Jahr 976 eingeordnet,395 es könnte sich aber um eine falsche Zuordnung eines tatsächlich stattgefundenen Ereignisses handeln. Als davon unabhängige Quelle nennen die Annales Laubienses zum Jahr 973 einen regnerischen und kalten Sommer und eine darauffolgende Hungersnot.396 Aber auch die Hungersnot des Jahres 976 findet Bestätigung und eine genaue Datierung in einem Eintrag in den angelsächsischen Chroniken, wo es heißt: „Und hier folgte Edward [der Märtyrer], Edgars Sohn, im Königtum. Und unmittelbar nach der Erntezeit in diesem Jahr erschien ein Komet397 und darauf folgten eine große Hungersnot und sehr vielfältige Störungen im englischen Volk.“398 Die Hungersnot wird in den untersuchten Quellen also einerseits mit einem Herrschertod – 973 starb Kaiser Otto I. –, andererseits mit dem Erscheinen eines Kometen verbunden,399 wobei die genaue Zuordnung zu einem Jahr den Chronisten offenbar nicht so wichtig war oder wir das dahinterstehende Konzept nur schwer erkennen können. Wahrscheinlich gab es zwei Hungersnöte, eine im Jahr 973 und im Jahr 976, was zu den verwirrenden Quellenangaben geführt haben könnte. Auch von Januar bis April 984 soll es zu einer Hungersnot in Lothringen, vor allem in der Umgebung von Toul, gekommen sein.400 Nach dem Chronicon Suevicum ereignete sich 985 eine große Hungersnot.401 Im Jahr 987 kam es im Herbst und zu Beginn des Winters zu schweren Wetterschäden,

|| 393 Annales Cicestrenses, ad a. 976. Geschichtsquellen. Ed.Liebermann, 89: Ottho obiit; er regnavit Ottho filius ejus. Et magna fames fuit in Anglia; Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 976 (Abingdon MS). Ed. Swanton, 122: Here in this year was the great famine in the English race. Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 976. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 132: Fames valida Angliam invasit. 394 Annales Wintonienses, ad a. 972. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 69: Hic fuit magna Fames in Anglia. 395 Annales Wintonienses, ad a. 976. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 70: Hic fuit fames in Anglia. (Oto) obiit et regnat Oto filius ejus. 396 Annales Laubienses, ad a. 973. Ed. Pertz, MGH SS 4, 17: Aestas pluvialis et frigida, et fames subsecuta. 397 Der Komet war 975 sichtbar, vgl. Kap. 2.2 Kometen. 398 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 975 (Worchester MS). Ed. Swanton, 121: And here Edward, Edgar’s son, succeeded to the kingdom; and then immediately in harvest time in that same year, the star comet appeared, and than the following year came a great famine and very manifold disturbance throughout the English race. 399 Annales Cicestrenses, ad a. 975. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 83: Hic cometes apparruit et obiit rex Edgar. 400 RI II, 3 Nr. 956z, aufgrund von Widrici Vita S. Gerardi, 8. Ed. Waitz, MGH SS 4, 496. 401 Chronicon Suevicum universal, ad a. [980–990]. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 69: Fames facta est magna. Bonifacio 137 papa post unum mensem fogato [gest. 985].

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 617

besonders im Westen des Reiches; wobei Stürme und Regengüsse zu Überschwemmungen402 an Rhein und Mosel führten403 und den Verkehr unterbrachen. Die Gefahr einer Hungersnot404 wurde in einigen Regionen im Westen zu einer realen Hungersnot.405 Nach Quellen aus Sachsen,406 dem Allgäu und Böhmen407 folgte im Jahr 988 auf einen unvorteilhaften Sommer408 eine verheerende Hungersnot. Obwohl für den Herbst des Jahres 989 schwere Wetterschäden im Rheingebiet und in Nordfrankreich überliefert sind, die aufgrund großer Trockenheit im Frühjahr, außerordentlicher Hitze im Sommer und eines schlechten Herbstes entstanden, folgten daraus nur Krankheiten bei Mensch und Tier, während Hungersnöte hier nicht genannt werden.409 In den Regesta Imperii wurde zusammengefasst, dass es 992 zu „Witterungsschäden, teilweise Vernichtung der Ernte, daher Hungersnot in einzelnen Teilen Deutschlands und Italiens“410 gekommen sei. Die Augsburger Annalen vermelden aber nur eine drei Jahre währende große Hungersnot, während die Annalen aus Bari eine große Hungersnot in ganz Italien mitteilen.411 Im Jahr darauf, 993, kam es zu schweren Witterungsschäden, zuerst hemmte eisige Kälte den Anbau, dann folgten außerordentliche Hitze und Trockenheit; diese dauerte in den mitteldeutschen Gebieten vom 24. Juni bis zum 9. November, daran

|| 402 Annales Hildesheimenses, ad a. 987. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 24: Aque quoque exundabant; nihilominus et ventus plura edificia stravit; Annales Quedlinburgenses, ad a. 987. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 477: Et in proxima hyeme aquae nimium innundaverunt et ventus ingens multa aedificia stravit; Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 8. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 152: In hieme aqua inundans et ventus ingens multum nocuit. 403 Annales Colonienses, ad a. 987. Ed. Pertz, MGH SS 1, 99: Rheni ac Mosellae fluminum innundatio insolita. 404 Vgl. RI II, 3 Nr. 998Ia. 405 Chronicon Suevicum universale, ad a. 987. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 69: Fames facta est magna; Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 987. Ed. Pertz, MGH SS 5, 117, FSGA 11, 652 f.: Fames magna hoc anno facta. 406 Annales Quedlinburgenses, ad a. 988. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 477: Aestatis fervor immanis pene cunctos fructus consumpsit. Mox grandis mortalitas hominum subsecuta est. Annales Hildesheimenses, ad a. 988. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 24: Aestatis fervor nimius ac repentinus Id. Iulii usque Id. Aug. inmanissime exardescens, fruges absumpsit. 407 Annales Gradicenses, ad a. 988. Ed. Wattenbach, MGH SS 17, 645: Fames magna facta est. Ind. 1. 408 Annales Ottenburani, ad a. 988. Ed. Pertz, MGH SS 5, 5: Aestas nimium vervida. 409 Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 107; RI II, 3 Nr. 1016c. 410 Vgl. RI II, 3 Nr. 1077a. 411 Annales Augustani, ad a. 992. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Fames magna per tres annos; Annales Barenses, ad a. 992. Ed. Pertz, MGH SS 5, 56: Facta est fames magna per omnem Italiam.

618 | Auswirkungen und Folgen

schloss sich ein früher, kalter und schneereicher Winter an.412 Die Missernte dieses Jahres rief, glaubt man Thietmar von Merseburg, eine Hungersnot hervor.413 Auch im Jahr 994 folgte auf einen frühen Einbruch winterlicher Kälte, die insgesamt von Anfang November 993 bis in den Mai 994 andauerte, eine große Trockenheit, aufgrund derer viele Flüsse versiegten und eine Hungersnot entstand.414

4.3.5 Hungersnöte im 11. Jahrhundert Die Hungersnot im Jahr 1001415 ist in Deutschland und Italien jeweils nur einmal belegt.416 Eine sehr lange und räumlich weit ausgreifende Hungersnot fand in den Jahren 1005 und 1006 statt.417 Bereits für den Beginn des Jahres 1005 sind hierzu Nachrichten aus dem steirischen Kloster Admont418 erhalten, später in Quellen aus Köln419, Schwaben,420 dem Kloster Reichenau421 und Augsburg.422 In England konnte sich niemand

|| 412 Vgl. RI II, 3 Nr. 1110d. 413 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 19. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 154; FSGA 9, 134 f.: In sequenti anno in galli cantu primo lux ut dies ex aquilone effulsit et unam sic manens hora m, undique celo interim rubente, evanuit. Fuere nonnulli, qui dicerent eodem anno vidisse tres soles et lunas tres ac stellas invicem pugnasse (…) Fames quoque valida nostras oppressit regiones. Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 107. 414 Annales Quedlinburgenses, ad a. 994. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 484 f.: Hiems durissima 3. Non. Novembr. exorta, usque 3. Non. Maii stetit, rarissimis intermissa diebus. Deinde pestiferis et frigidis flantibus ventis, noctibus plurimis pro rore hibernum cecidit frigus. Ad ultimum Non. Julli grande est factum gelu, tantaque siccitas fluminum et penuria facta est pluviarum, ut in plerisque stagnis et pisces morerentur, et in terris arbores plurimae penitus arescerent, et fruges perirent et linum. Subsequuta, quoque est grandis pestilentia hominum, porcorum, boum et ovium; prata etiam in plerisque locis ita exaruerunt, veluti igne exusta fuissent (…) Fames etiam hoc anno magna facta est pluribus in locis Saxoniae. Annales Corbeienses, ad a. 994. Ed. Pertz, MGH SS 3, 5: Valida hiems et fames magna. Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 994. Ed. Naß, MGH SS 37, 259: Fames etiam hoc anno magna facta est plurimis in locis Saxonie. Thietmar von Merseburg, Chronicon, 4, 19. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 154; FSGA 9, 134 f.: pestilencia cum fame (…) ingruit. Vgl. RI II, 3 Nr. 1132b. 415 RI II, 3 Nr. 1435e. 416 Annales Masciacenses, ad a. 1001. Ed. Pertz, MGH SS 3, 170: Famis valida. Romualdi Salernitani Chronicon, ad a. 1001. Ed. Garufi, 173: Fames valida Italiam optinuit. 417 Curschmann, Hungersnöte (1900), 109 f. 418 Annales Admuntenses, ad a. 1005. Ed. Wattenbach, MGH SS 9, 574: Fames magna facta est. 419 Annales Coloniensies, ad a. 1005. Ed. Pertz, MGH SS 1, 99: Fames valida. 420 Chronicon Suevicum universale, ad a. 1005. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 69: Fames magna facta est. 421 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1005. Ed. Pertz, MGH SS 5, 118, FSGA 11, 657 f.: Fames magna facta est. 422 Annales Augustani, ad a. 1005. Ed. Pertz, MGH SS 3, 124: Fames magna facta est.

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 619

an eine so schlimme Hungersnot erinnern423 und in Irland verließen die Ulaid ihr Land und migrierten innerhalb der Insel.424 Simeon von Durham ergänzte die Nachricht über die Hungersnot um eine vorangehende sehr große Dürre,425 weshalb die Dänen nach längerer Zeit der Ruhe nach Hause zurückgekehrt seien. Indirekt wird diese Hungersnot auch in Schottland erwähnt, denn für das folgende Jahr, 1006, wird dort die Rückkehr des guten Wetters und des Essens im Winter beschrieben, sodass dann „Laubwerk und Bärlauch wuchsen“426 und die Hungersnot in der Region beendeten, eine andere Edition dieser Quelle ordnet die Nachricht zum Jahr 1004 ein.427 Im gleichen Jahr, 1005, kam es auch in Ägypten zu einem unzureichenden Anstieg des Nils, was eine Hungersnot verursachte. Auch 1007 und 1008 blieb der Nilstand vergleichsweise niedrig und die Hungersnot hielt bis 1009 an.428 In den zum Jahr 1006 überlieferten Berichten über die Hungersnot in europäischen Quellen scheint sich ihr Verbreitungsgebiet deutlich erweitert zu haben. So sind Nachrichten aus Lothringen,429 Utrecht, dem Rheinland,430 Sachsen,431 Südfrankreich, aber auch Schottland auf uns gekommen. Die Hungersnot und die mit ihr verbundene Sterblichkeit habe, nach Sigebert von Gembloux, der wohl die Annalen von Reims und Köln benutzt hat, den ganzen Erdkreis ergriffen und war so schlimm, dass die Lebenden kaum hinterherkamen, die Verstorbenen zu bestatten.432 Hier wird wieder ein Topos eingesetzt. Für Sigebert und seine Zeitgenossen anscheinend wenig verwunderlich war dann auch das Auftauchen einer Leuchterscheinung am Himmel, die über drei Monate

|| 423 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 1005. Ed. Swanton (Peterborough MS, Canterbury MS), 136: Here in this year there was the great famine throughout the Englisch race, such that no-one ever remembered one so grim before. 424 Annals of Inisfallen, ad a. 1005. Ed. Mac Airt, 176 f.: The Ulaid abandoned their land on account of scarcity and scattered throughout Ireland. 425 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 1005. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 139: Hoc anno dura magnaque fames Angliam invasit. Quadpropter rex Danorum Suanus Danubiam revertitur, post non longum tempus reversurus. 426 Chronicum Scotorum, ad a. 1006. Ed. Hennessy, 209: A return of calm and good weather and food in this winter so that foliage and wild garlic grew then. 427 Chronicum Scotorum, ad a. 1004. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 243: Return of peace and fair weather, and of food, in this winter, in which the foliage and wild garlic grew. 428 Ellenblum, Collapse (2012), 46. 429 Annales Parchenses, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 16, 601: Fames valida, apparente longo tempore comete. 430 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 16, 731: Fames et mortalitas tam graviter per totum orbem invaluit, ut tedio sepeliendi vivi obruerentur cum mortuis. 431 Annales Hildesheimenses, ad a. 1006. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 29: Fames valida pene in universa terra. 432 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1006. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 354: Fames et mortalitas iam graviter per totum orbem invaluit, ut tedio sepelientium vivi adhuc spiritum trahentes obruerentur cum mortuis.

620 | Auswirkungen und Folgen

sichtbar war und als Komet gedeutet wurde.433 Ein fast identischer Eintrag zum Jahr 1006 nach dem Muster „Schlimme Hungersnot, während für lange Zeit ein Komet erschien“ liegt in mehreren Annalen flandrischer Klöster vor.434 Diese müssen aber, da die Einträge sicherlich voneinander abhängig sind, als eine singuläre Beobachtung angesehen werden, die mehrfach überliefert wurde. Ebenfalls aus einem flandrischen Kloster, aus Sint-Truiden, stammt ein weiterer, aber deutlich ausführlicher formulierter Eintrag.435 „Vom Erscheinen eines Kometen, vom Hunger und vom Sterben“ berichtet Alpert von Metz. Dazu heißt es: „Drei Jahre nachdem der König zur Macht gelangt war, erschien ein schrecklicher Komet, der Flammen ausstrahlte im südlichen Teil des Himmels. Im darauffolgenden Jahr ereignete sich eine schwere Hungersnot und eine große Sterblichkeit auf dem ganzen Erdkreis, sodass an vielen Orten die vielen Toten nicht mehr vor dem Lebensende der Überlebenden bestattet werden konnten.“436 Nach den Annalen von Clonmacnoise herrschte im Jahr 1009 ein so großer Mangel an Getreide und Lebensmitteln in Irland, dass eine Maßeinheit (hoope) für nicht weniger als fünf Schrot verkauft wurde, die alle zu einem Penny kamen.437 Aber auch in Italien wurde für das Jahr 1009 die Nachricht einer Hungersnot überliefert.438 Der erst im 12. Jahrhundert schreibende Annalista Saxo erwähnte für das Jahr 1009 eine Hungersnot in Sachsen und ordnete diese Nachricht in seinem Werk zwischen Ereignissen ein, die sich auf den 24. April und den 5. Juni 1009 datieren lassen.439

|| 433 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1005. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 354: Cometes horribili specie flammas huc illucque iactans, in australi parte visus est. 434 Annales Marchianenses, ad a. 1006. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 613: Fames valida, apparente longo tempore comete; Annales Floreffiensis, ad a. 1006. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 622: Fames valida apparente longo tempore comete; Annales Leodienses, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: Fames valida, apparente longe tempore comete; Annales Laubienses, ad a. 1006. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: Fames maxima fuit, apparente longo tempore comete. 435 Rudolf, Gesta abbatum Trudonensium, 1, 1. Ed. Koepke, MGH SS 10, 229: Cum ex sterilitate terrae, aiunt, fames aliquando eius tempore accidisset, concurrebat ad elimosinam fratrum omnis sexus et aetas importune et miserabiliter. 436 Alpert von Metz, De Diversitate temporum, 1, 6. Ed. Pertz, MGH SS 4, 704: 6. De viso comete, et fame, et mortalitate. Post hinc triennium quam rex in solium regni sublimatus est, commetes horribili specie flammas hac illacque iactans, in australi parte coeli visus est. Sequenti anno fames et mortalitas gravissima per totum orbem factae sunt, ita ut in multis locis prae multitudine mortuorum et taedio sepelientium vivi adhuc spiritum trahentes, vi qua poterant renitentes, cum mortuis obruerentur. 437 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1009. Ed. Murphy, 169: There was a great scarcity of Corne and victuals this yeare in Ireland, in soe much that a hoope was sold for no less than five groates which came to a penny for every barren. 438 Cronica Apostolicorum et imperatorum Basileensia, ad a. 1009. Ed. Holder-Egger, MGH SS 31, 289: Et fames valida fuit. 439 Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 1009. Ed. Naß, MGH SS 37, 314: In diebus illis in Saxonia maxima fames fuerat.

Lebensmittelknappheit und Hungersnöte | 621

Mehrere Nachrichten über eine Hungersnot in Italien,440 besonders in der Gegend um Salerno, lassen sich zu 1011 finden.441 Im Jahr 1012 verkam zwar in Irland die Getreideernte,442 aber eine Hungersnot wurde nicht erwähnt. Die Annalen des Klosters Ceccano in Mittelitalien überliefern für das Jahr 1013 zunächst eine Sonnenfinsternis, dann eine Hungersnot.443 Da die Sonnenfinsternis am 14. Januar 1013 (Saroszyklus 86) stattfand, gibt es kaum einen Grund, an der Nachricht über die Hungersnot zu zweifeln, selbst nicht aufgrund ihrer singulären Überlieferung. Eine vereinzelte Nachricht über Hunger enthalten die Corveyer Annalen, nach der im Jahr 1025 eine große Hungersnot geherrscht habe, an der viele gestorben seien, darüber hinaus kam es zu einer Epidemie.444 Die Annalen von Lausanne erwähnen zum Jahr 1031 großen Hunger.445 Für dieselbe Zeit berichtet Johannes Zonaras von einer erstaunlichen Begebenheit, als der Kaiser in Konstantinopel eine durch Hunger ausgelöste Migration größerer Bevölkerungsteile aufhalten konnte und die Menschen mit Geldzahlungen zur Rückkehr bewegte. Wörtlich heißt es da: „Als eine Hungersnot Kappadokien, Armeniakon und Paphlagonien quälte und wieder die Heuschrecken den Osten verwüsteten, wurden viele genötigt, ihre Heimat zu verlassen; diese richtete der Herrscher durch Geldspenden wieder auf und überredete sie, in ihr Land zurückzukehren.“446 Dies ist eine der seltenen Nachrichten über einen hungerinduzierten Migrationsstrom im Früh- und Hochmittelalter. Als erfolgreiche Gegenmaßnahme werden Geldzahlungen genannt. Schon Curschmann hatte herausgestellt, dass sich eine regionsübergreifende „große allgemeine Hungersnot in Frankreich, Italien (…) und im ganzen Westen Deutschlands“ zwischen den Jahren 1044 bis 1048 eingestellt habe.447 Sie begann aber laut den Quellen offenbar bereits im Jahr 1040 und hat, wie Romoald vermerkt, als länger

|| 440 Annales Casinenses, ad a. 1011. Ed. Pertz, MGH SS 19, 305: Sol defecit, et fames valida fuit. 441 Romoald, Annales, ad a. 1011. Ed. Arndt, MGH SS 19, 402: Suo quidem tempore fuit pessima fames. 442 Annals of Inisfallen, ad a. 1012. Ed Mac Airt, 183: A great foreigner in the above year, and much of the corn crop was abandoned. 443 Annales Ceccanenses, ad a. 1013. Ed. BethmannMGH SS 19, 281: Ind. 11 solis defectus est, et fames valida fuit. 444 Annales Corbeienses, ad a. 1025. Ed. Pertz, MGH SS 3, 5: Fames maxima, in tantum ut plurimi fame morerentur; insuper et pestilentia maxima. 445 Annales Lausannenses, ad a. 1031. Ed. Waitz, MGH SS 24, 780: Fames valida fuit in terra anno domini 1031. 446 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 581, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 68. 447 Curschmann, Hungersnöte (1900), 117 f.

622 | Auswirkungen und Folgen

andauernde Hungersnot weite Teile Europas über sieben Jahre kontinuierlich heimgesucht.448 Die sieben Jahre erinnern natürlich an die biblische Plage und können daher ein Topos sein. Eine große Ausdehnung in zeitlicher wie räumlicher Hinsicht ist aber unverkennbar. Nach den Annalen von Saint-Germain-des-Prés in Paris habe die Hungerphase erst 1042 begonnen.449 Die Episode dieser längeren Hungerperiode wurde für das Jahr 1042 im Frankenreich mit einer unerhörten Sterblichkeit in Verbindung gebracht.450 Vor allem die Jahre 1043 bis 1045 sowie 1048 scheinen stark von Hunger gekennzeichnet gewesen zu sein. Der Verfasser der Annales Laubienses brachte die ungewöhnliche Hungersnot 1043 mit dem vom 1. Dezember bis 1. März dauernden Frost451 in Verbindung,452 andere Quellen aus Anjou nennen Gallien als am stärksten betroffene Region.453 Hermann von Reichenau bemerkte in seiner Kompilation, dass im Jahr 1043 ein regnerischer Sommer einen Mangel an Getreide und Wein verursacht habe.454 Nach der Chronik des Cosmas von Prag starb im Jahr 1043 ein Drittel der Menschen an Hunger.455 Auch die Annales Cicestrenses führen ein großes Sterben der Menschen an.456 Das bei Cosmas angegebene Drittel der Bevölkerung scheint auf die Apokalypse zurückzugehen. Eine Hungersnot im Jahr 1044 wird in Quellen aus flandrischen Klöstern,457 wie in westfränkischen Klöstern,458 in letzteren teilweise um die Nachricht von einem großen Sterben ergänzt.459 Auch spätere Nachrichten

|| 448 Romoald, Annales, ad a. 1040. Ed. Arndt, MGH SS 19, 403: Quo tempore fames valida fuit in Italia atque in Gallia per septem continuos annos. 449 Annales S. Germani minores, ad a. 1042. Ed. Pertz, MGH SS 4, 4: Tempus famis incoepit. 450 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 1042. Ed. Marchegay/Mabille, 166: Hoc anno fames fuit miserabilis per totam Galliam, quae maximam plebis partem inaudito mortium genere consumpsit. 451 Vgl. Kap. 3.6.4 Kalte Winter des 11. Jahrhunderts, besonders 1076/1077. 452 Annales Laubienses, ad a. 1043. Ed. Pertz, MGH SS 4, 19: Fames exorta, et gelu magnum a Calendis Decembris usque Calendas Martii. 453 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 1043. Ed. Marchegay/Mabille, 11: Fames fuit miserabilis per totam Galliam. Chronicae Sancti Albini Andegavensis in unum congestae, ad a. 1043. Ed. Marchegay/Mabille, 24: MXLIII. quo anno fuit fames mira et memorabilis per Galliam. 454 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1043. Ed. Pertz, MGH SS 5, 124; FSGA 11, 676 f.: Aestas pluviosa frugum et vindemiarum penuriam efficit. 455 Cosmas von Prag, Chronicon Boemorum, ad a. 1043. Ed. Bretholz, MGH SS rer. Germ. N. S. 2, 100: Anno dominice incarnationis MXXXXIII. tanta fames fuit in Boemia, ut tercia pars populi interiret fame. 456 Annales Cicestrenses, ad a. 1043. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 90: Mortalitas hominum. 457 Annales Parchenses, ad a. 1044. Ed. Pertz, MGH SS 16, 602: Fames valida; Annales Floreffienses, ad a. 1044. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 623: Fames valida. Benedictus papa. [Papst Benedikt wurde 1044 abgesetzt]. Annales Leodienses, ad a. 1044. Ed. Pertz, MGH SS 4, 19: Fames pervalida. 458 Chronicon S. Sergii Andegavensis, ad a. 1044. Ed. Marchegay/Mabille, 136: (…) Quo anno processit fames miserabilis et famosissima per totam Galliam; Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis, ad a. 1044. Ed. Marchegay/Mabille, 188: Hoc anno fuit fames in Gallia. 459 Chronique de Saint-Maxient, ad a. 1044. Ed. Verdon, 122 f.: Anno MXLIIII fuit magna fames grandisque mortalitas, ita ut si homo aliquis saciatus pergeret quingentos passus iterum mox esuriret et desideraret manducare; itaque saciatus moriebatur aut vix evadebat mortis periculum.

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kompilierenden Charakters überliefern eine große Hungersnot, die Galliam et Germaniam heimgesucht habe.460 Die angelsächsischen Chroniken berichten, im Jahr 1044 habe eine sehr große Hungersnot in ganz England geherrscht und Korn sei so teuer gewesen, wie sich niemand erinnerte, so habe ein Scheffel Weizen 60 Pence gekostet und mehr.461 Vor allem auf den britischen Inseln entstandene Quellenwerke bieten vergleichsweise genaue Angaben zu Preisentwicklungen in Mangelzeiten. 1045 scheint die Hungersnot im Reich bereits ganze Landstriche entvölkert zu ha462 ben und sie breitete sich weiter aus, was sich in einem stärkeren Niederschlag in irischen und englischen Quellen zum Jahr 1045 äußert, und zwar nicht etwa nur bezüglich der die Inseln betreffenden Ereignisse – sie sprechen natürlich auch von einer „universalen Vergeltung in Irland, bei der die Ernten vernichtet wurden“463 –, sondern eben auch der kontinentalen Situation. Denn die irischen Annalen berichten von Mangel und großer Armut im Frankenreich und einer damit einhergehenden beinahen Auslöschung der Städte Köln und Rouen.464 Zu diesem Jahr weiß die Chronik der Schotten auch von einer durch die Hungersnot ausgelösten Migration der Ultonians zu berichten,465 welche ihr Land verließen und nach Luighne466 gingen.467 Für die Jahre 1046 und 1047 sind keine Berichte über Hunger überliefert. Erst das Jahr 1048 wird in italienischen Annalen wieder mit einer Hungerkatastrophe in Verbindung gebracht.468 Aufschlussreich sind die Nachrichten für das Jahr 1053, denn obwohl in diesem wie im vorangegangenen Jahr ein großer Mangel an Feldfrüchten eintrat, wie Hermann von Reichenau schildert, erwähnt er keine daraus resultierende Hungersnot.469

|| 460 Lamberti parvi Annales, ad a. 1044. Ed. Pertz, MGH SS 16, 646: Fames valida; Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1044. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 358: Fames valida Galliam et Germaniam profligat. 461 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 1045. Ed. Swanton, 164: And in this year was a very great famine over all the land of the English, and corn as dear as any man remembered before, so that the sester of wheat went to 60 pence and even further. 462 Annales Altahenses maiores, ad a. 1045. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 39: Deo iuvante fecisset, si non fame populi prohibitus fuisset, quae tam valida erat per totum regnum eiusdem anni temporibus, ut grandes vici plerique vacuis remanerent, reeuntibus habitatoribus. Vgl. Epperlein, Bäuerliches Leben (2003), 30. 463 Annals of Inisfallen, ad a. 1045. Ed. Mac Airt, 208 f.: Universal retribution in Ireland in the above year, and the crops were destroyed. 464 Annals of Tigernach, ad a. 1045. Ed. Stokes, Bd. 2, 384: Dearth and great poverty in France, and the almost total devastation of Cologne and Rouen. 465 Einwohner der nordöstlichen Region „Ulster“. 466 Region im Nordwesten der irischen Insel. 467 Chronicum Scotorum, ad a. 1045. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 277: A great famine came amongst the Ultonians, so that they left their country and went into Luighne. 468 Annales Beneventani, ad a. 1048. Ed. Pertz, MGH SS 3, 179: Fuit fames valida in omnem terram cum multa desolacione hominum et bestiarum pre siccitate et frigore. (…) nix magna et fames quinquenna. 469 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1053. Ed. Pertz, MGH SS 5, 133, FSGA 11, 704 f.: Et hoc et superiore anno frugum penuria facta est non modica.

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Allerdings wird in südlichen Regionen Italiens wie Bari eine große Hungersnot in diesem Jahr erwähnt.470 Für das Folgejahr, 1054, melden die Würzburger Annalen kurz, dass eine große Hungersnot geherrscht habe, ohne nähere Informationen oder Details zu überliefern.471 Zwei Jahre später, im Jahr 1056, erwähnen zwei süddeutsche Chroniken472 und eine norddeutsche Quelle473 mit wortgleicher Formulierung eine Hungersnot in vielen Provinzen des Reiches. In der Chronik Bertholds von Reichenau wird in den Jahren von 1059 bis 1061 jeweils eine Hungersnot festgehalten, in deren unmittelbarer Folge viele Menschen starben.474 Dagegen findet sich die Verbindung zwischen einer Hungersnot und einer großen Sterblichkeit in den Augsburger Annalen nur zum Jahr 1060.475 Zwar stammen diese Nachrichten ausschließlich aus Quellen oberdeutscher Provenienz; doch betont der Schreiber der Annales Altahenses zum Jahr 1059 ebenfalls ausdrücklich, dass sich die geschilderten Naturereignisse über das ganze deutsche Reich (per Teutonicum regnum) erstreckt hätten.476 Auch nach der Chronik Bernolds von St. Blasien raffte im Jahr 1061 eine große Hungersnot viele Menschen dahin.477 Im Folgejahr setzte sich diese Hungersnot fort,478 zudem forderte eine Epidemie wiederum zahlreiche Todesopfer.479 Auch kam es am 8. Februar 1061 zu einem Erdbeben mit Blitz und

|| 470 Annales Barenses, ad a. 1053. Ed. Pertz, MGH SS 5, 59: Et hoc anno fuit magna fames. 471 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1054. Ed. Pertz, MGH SS 2, 244: Fames magna fuit. 472 RI III, 2, 3 Nr. 88: „Infolge einer Hungersnot herrschen in weiten Teilen des Reiches Mangel und Elend.“ Ekkehard, Chronicon Wirziburgense, 17. Ed. Waitz, MGH SS 6, 31: Fames multas provincias afflixit. Egestas et penuria undique praevaluit. Multa mala tunc temporis facta sunt. Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1056. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 182; FSGA 14, 47 f.: Fames multas provincias afflixit. 473 Annales Hildesheimenses, ad a. 1056. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 47: Fames multas provincias afflixit. Egestas et penuria undique prevaluit. Multa mala tunc temporis facta sunt. 474 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1060. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 186, 188, 190; FSGA 14, 48–51: 1059. Hoc anno magna mortalitas hominum facta est; (…) 1060. Et hoc anno sicut in priori mortalitas multos extinxit. (…) 1061. Magna fames multos occidit. Vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 119 f. 475 Annales Augustani, ad a. 1060. Ed. Pertz, MGH SS 3, 127: Fames et mortalitas magna. 476 Annales Altahenses maiores, ad a. 1059. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 55: Hoc anno frumenti et vini satis abundans copia in Baioaria fuit, sed gravis pestilentia hominum animaliumque per totam provinciam grassabatur. 477 RI III, 2, 3 Nr. 237; Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1061. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 190; FSGA 14, 26 f.: Magna fames multos consumpsit. Berthold von Reichenau (Zweite Fassung), ad a. 1061. Chroniken. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 190; FSGA 14, 24 f.: Magna fames multos ocidit. 478 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1062. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 391; FSGA 14, 284 f.: His temporibis fames magna fuit. 479 RI III, 2, 3 Nr. 278.

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Donner und eine todbringende Seuche habe viele ausgelöscht.480 Unstrittig ist somit eine länger andauernde Phase von Nahrungsmittelknappheit in süddeutschen Regionen, die teilweise Todesopfer zur Folge hatten. Ähnliches gilt für den Spätsommer des Jahres 1068, als ein Unwetter Unfruchtbarkeit an Weinreben und Obstbäumen verursacht haben soll.481 Die Folgen einer Hungersnot wurden aber nur in der St. Galler Fortsetzung der Chronik Hermanns von Reichenau geschildert.482 Auch im Jahr 1069 soll ein langer und strenger Winter483 zur Unfruchtbarkeit von Weinreben und Waldbäumen geführt haben,484 in deren Folge eine Hungersnot ausgebrochen sei.485 Eine schlimme Hungersnot im Jahr 1069 wird aber einzig und ohne weitere Ortsangaben in den Augsburger Annalen erwähnt.486 Zwar nennt auch Simeon von Durham eine schlimme Hungerkatastrophe, die ganz England und besonders Northumbrien betroffen habe, aber diese soll ursächlich auf Angriffe der Normannen zurückgegangen sein.487 Die Ursache einer Hungerkatastrophe musste also nicht immer Nahrungsmangel sein, genauso wenig, wie sich unbedingt eine erhöhte Sterblichkeit als Folge einstellen musste. Im Mittelmeerraum wird für die Jahre 1073 und 1074 ein Getreidemangel bei Johannes Zonaras488 erwähnt: „Da zur der Zeit dieses Kaisers großer Mangel an Getreide herrschte, sodass kein ganzer Scheffel für ein Nomisma gegeben wurde, sondern um ein Pinakion weniger, wurde die allgemeine Notlage dem Kaiser zum Beinamen, weshalb dieser Herrscher bis heute so genannt wird; keiner wird ihn nämlich

|| 480 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1061. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 193 f.; FSGA 14, 28 f.: VI. Idus Februarii terraemotus, fulgura et tonitrua facta sunt. Pestilentia et mortalitas subsecuta multos extinxit. 481 Annales Weissenburgenses, ad a. 1068. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 53: Aque invaderunt. Magna et ante inaudita sterilitas vini et pomi facta est. Identischer Eintrag in: Annalium Laubiensium Continuatio, ad a. 1068. Ed. Pertz, MGH SS 4, 20: Aque invaderunt. Magna et ante inaudita sterilitas vini et pomi facta est. 482 RI III, 2, 3 Nr. 498; vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 120. 483 Annales Weissenburgenses, ad a. 1069. Ed. Holder-Egger, SS rer. Germ. 38, 55: Hyemps magna et aspera. 484 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1069. Ed. Holder-Egger, SS rer. Germ. 38, 111: Maxima eo anno vinearum omniumque silvestrium arborum sterilitas fuit. 485 RI III, 2, 3 Nr. 540; vgl. Curschmann, Hungersnöte (1900), 120. 486 Annales Augustani, ad a. 1069. Ed. Pertz, MGH SS 3, 128: Fames valida. 487 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 1069. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 188: Normannis Angliam vastantibus, in Nothimbria et in quibusdam aliis provinciis anno praecedenti, sed praesenti et subsequenti fere per totam Angliam, maxime per Northymbriam, et per contiguas illi provincias, adeo fames praevaluit, ut homines humanas, equinas, caninas, et catinas carnes, et quicquid usus abhorret, cogente inedia comederent. 488 Vgl. Maltese, Zonaras, Johannes (1998), Sp. 673 f.

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anders kennen, außer wenn er vom ‚Parapinakos‘ spricht.“489 Zum selben Jahr, 1074, heißt es weiter: „Als aber die Barbaren den Osten verwüsteten und alles, was sie antrafen, mit dem Schwert niedermachten, flohen die Bewohner Asiens und begaben sich nach Konstantinopel. Da nun niemand für die Bedürfnisse der Allgemeinheit sorgte (der Kaiser war ja mit seinen Studien beschäftigt und lernte von Psellos, Jamben zu verfassen), bedrückte Getreidemangel die Leute in der Stadt. Um aber das tragische Ereignis deutlicher zu beschreiben: Das Unglück bestand in einer richtigen Hungersnot, nach der die Pest kam, durch die sich wiederum so häufige, aufeinanderfolgende Todesfälle ereigneten, dass die Lebenden nicht imstande waren, die Toten zu begraben. Sie waren nämlich so zahlreich, dass oftmals viele auf einer Bahre hinausgetragen wurden und viele auf den Straßen unbestattet liegenblieben. Daher war alles von Trauer erfüllt, sowohl aus diesem Grund als auch, weil die Untertanen durch ungerechte Steuern bedrückt wurden.“490 Hier drückt sich starke Kritik des Autors Johannes Zonaras an dem von ihm nicht geschätzten Kaiser Michael VII. Dukas (reg. 1067, fakt 1071–1078) aus: Während die Barbaren wüten und es infolgedessen zu einer Hungersnot, zu Migration und einer Epidemie kommt, ist der Herrscher mit Dichtung beschäftigt. Zudem erinnert der Bericht an die oben bereits geschilderten Probleme des Getreidemangels zu Zeiten der Kaiser Nikephoros Phokas (963–969) und Basileios I. (867–886), die Johannes Skylitzes festhielt. In der Chronik der Schotten wird für das Jahr 1073,491 in irischen Annalen im Jahr 1076 eine große Lebensmittelknappheit genannt, die sich über das ganze Jahr fortsetzte, was der Annalist von Clonmacnoise um eine religiöse Verfolgung in Clonvickenose ergänzte.492 Zehn Jahre später ist auch für Italien eine religiöse Begründung für das Auftreten einer Hungersnot belegt, wenn auch nur durch einen süddeutschen Autor. Nach der Chronik Bernolds von St. Blasien suchte im Jahr 1085 eine so große Hungersnot fast ganz Italien heim, die besonders unter den Exkommunizierten gewütet habe, sodass die Menschen nicht allein jegliches Unreine, sondern sogar Menschenfleisch aßen; dieser Hungersnot folgte ein so unerhörtes Sterben, dass nicht ein Drittel der Menschen übrig blieb; da es aber an Bauern fehlte, wurde der größte Teil des Landes zur Einöde.493 Exkommunizierten wurde hier – vom Autor – in literarischer Form nicht

|| 489 Vgl. Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 712, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 150; ebd., 192 Anm. 712/1: „1 ‚Scheffel’ (gr. medimnos = modios), der ca. 307,6 l entsprach, teilte sich in vier Pinakia zu je ca. 76,9 l; (…) 1 l Weizen wiegt ca. 800 g, 1 l Roggen oder Gerste ca. 700 g.“ 490 Vgl. Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 714, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 151. 491 Chronicum Scotorum, ad a. 1073. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 293: A scarcity of food in this year. 492 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1076. Ed. Murphy, 181: There was great scarcity of victuals this year. The scarcity of victuals continued for this yeare, ther was alsoe a great persecution of all the houses of religion belonging to Clonvickenose. 493 Bernold von Konstanz, Chroniken, ad a. 1085. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 446– 456; FSGA 14, 344–347: Nam totam pene Italiam, in qua potissimum excommunicati furebant, tam

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nur mit Hunger bedacht, sondern sie hätten sich seiner Meinung nach so weit von Gott und seinen Geboten entfernt, dass sie zu Anthropophagen wurden. Stärker kann eine religiöse Abstempelung literarisch kaum sein. Auch Chroniken aus der Region an der Loire berichten von einer starken Hungersnot im Jahr 1085,494 ebenso Annalen italienischer Klöster,495 während die Annalen von Pisa das Jahr 1086 nennen.496 Im Jahr 1090 suchte plötzlich eine große Hungersnot viele Gegenden heim, obwohl keine große Unfruchtbarkeit des Bodens vorangegangen war.497 Hier scheint Bernold von St. Blasien etwas ratlos die Katastrophe zu dokumentieren, denn andernorts angewandte Ursache-Folge-Reihungen funktionierten in dem Fall nicht. „Als im Jahr 1092 in ganz Sachsen eine große Hungersnot herrschte, zwang diese selbst die Fürsten des Landes, zeitweilig in andere Gegenden zu ziehen. Deshalb konnte auch eine allgemeine Versammlung nicht stattfinden, welche die Fürsten Schwabens mit den Sachsen abhalten wollten“, kommentiert er die Ereignisse von 1092.498 Nach irischen Annalen kam es im Jahr 1094 zu großen Unbilden der Witterung in Irland, was zu Lebensmittelknappheit führte,499 wohingegen die Annalen von Verona überliefern, dass im Jahr 1095 überall Hunger geherrscht habe.500 Zwar erwähnen die angelsächsischen Chroniken zum Jahr 1095 sehr ungünstiges Wetter, aber keinen Hunger.501 Dass es ohne Landwirtschaft schwierig war, zu überleben, macht ein hagiographischer Text in Bezug auf die Hungersnot von 1095 mit den Worten penuria panis, exiguitas panis, inopia panis deutlich.502 Auch Sigebert von Gembloux

|| magna fames obtinuit, ut homines non tantum immunda quaeque, sed etiam humanam carnem manducarent; quam famem tam inaudita mortalitas subsecuta est, ut nec tercia pars hominum remaneret, sed deficiente colono maxima pars terrae in solitudinem redacta est. 494 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis, ad a. 1085. Ed. Marchegay/Mabille, 189: Fames valida. 495 Annales Ceccanenses, ad a. 1085. Ed. Bethmann, MGH SS 19, 281: Fames et mortalitas maxima fuit. Annales Casinenses, ad a. 1085. Ed. Pertz, MGH SS 19, 305: Fames et mortalitas maxima fuit. 496 Annales Pisani, ad a. 1086. Ed. Pertz, MGH SS 19, 239: Et eodem anno valida fames, maxima mortalitas fuit fere per totam Italiam. 497 Bernold von Konstanz, Chroniken, ad a. 1090. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 482; FSGA 14, 374 f.: Hoc anno magna fames multas regiones repente afflixit, quanvis non magna sterilitas terrae praecesserit. 498 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1092. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 494 f.; FSGA 14, 386 f.: Magna fames totam Saxoniam occupavit, quae et principes illius provinciae in alias regiones eo anno ad tempus discedere coegit. Unde et generalis conventus fieri non potuit, quem principes Alemanniae cum Saxonibus habere voluerunt. 499 Annals of Loch Cé, ad a. 1094. Ed. Hennessy, 81: Great inclemency of the weather in all Erinn, from which grew scarcity. 500 Annales Veronenses breves, ad a. 1095. Ed. Pertz, MGH SS 19, 2: In anno 1095 fuit fames valida in universo. 501 Anglo-Saxon Cronicles, ad a. 1095. Ed. Swanton, 232: This same year also there was very unseasonable weather; and therefore all the earth-crops ripened all too moderately throughout all this land. 502 Montanari, Hunger und Überfluß (1999), 64.

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nahm diese Hungersnot in seine Chronik auf, verband sie aber auch noch mit Nachrichten über andere Naturereignisse wie Sturmwinde oder Erdbeben.503 Nach einer anderen französischen Chronik kam es im November 1097 in der Region um Anjou zu einer großen Verderbnis der Saaten, teilweise durch Würmer, teilweise durch Regen504 und die Flüsse schwollen an.505 Allerdings wird in diesem Zusammenhang keine Hungersnot erwähnt. Laut den Augsburger Annalen führte der fortdauernde Winter des Jahres 1099 zu einer Unfruchtbarkeit der Erde und dies wiederum resultierte in einer großen Hungersnot.506 Eine solche wird auch von den Annalen von Loch Cé für ganz Irland genannt.507

4.3.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse Hunger kann verschiedene Ursachen haben. Er resultiert oft aus Nahrungsmittelknappheit, die wiederum durch Krieg, Viehepidemien oder Ernteausfälle ausgelöst werden kann. Ernteausfälle können ihrerseits auf sehr unterschiedliche Gründe zurückzuführen sein: auf zu wenig oder zu viel Regen, zu hohe oder zu kalte Temperaturen, also auf eine Abweichung von den optimalen Wuchsbedingungen der für den Konsum angebauten Pflanzen. Besonders in Norditalien versuchte man durch den Anbau von Pflanzen mit möglichst unterschiedlichen Wuchsvoraussetzungen auf diese Unwägbarkeiten der Witterung zu reagieren. Dennoch muss Hunger nicht zwangsläufig zum Tod führen. Von einer optimalen abwechslungsreichen Ernährung bis hin zum Tod sind unterschiedliche Formen von Mangelernährungserscheinungen möglich. Eine hohe Sterblichkeit ist erst Ausdruck außergewöhnlich extremer Formen von Nahrungsmittelknappheit. Auch können Pflanzen zwar ganz normal gedeihen, aber durch den Befall mit Krankheitserregern ungenießbar und sogar toxisch werden. Solche Beispiele sind Mutterkornvergiftungen oder anderer Pilzbefall bei

|| 503 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1095. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 367: Fames diu concepta validissime ingravatur, et fit annus calamitosus, multis fame laborantibus et pauperibus per furta et incendia ditiores graviter vexantibus. Cum valido ventorum turbine etiam terraemotus factus est media nocte, 4. Idus Septembris. 504 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1097. Ed. Verdon, 156 f.: (…) et fuit magna nebulatio frumentorum in mense maio. 505 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1097. Ed. Verdon, 158 f.: (…) Mense novembri fuit magna perdicio seminum, partim ex vermibus, partim ex pluviis; et flumina creverunt magna et castella et vicos et homines necaverunt maxime pedites. 506 Annales Augustani, ad a. 1099. Ed. Pertz, MGH SS 3, 135: Hiems continua, sterilitas terrae, fames valida. 507 Annals of Loch Cé, ad a. 1099. Ed. Hennessy, 85: Great famine throughout all Erinn in this year.

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den Pflanzen. Auf den Topos der immer wieder von den Annalisten bemühten „Anthropophagie“ wird in einem eigenen Kapitel eingegangen. Die Ursache einer Hungerkatastrophe muss nicht immer Nahrungsmangel sein, genauso wenig wie sich ein Massensterben als Folge einstellen muss. In den Quellen finden sich Einträge, die eine Hungerkatastrophe trotz unauffälliger Ernte nennen, etwa im Jahr 1090, oder solche, die von einer Vernichtung der Saat berichten, ohne dass sich eine Hungerkatastrophe eingestellt hätte, wie im Jahr 1097. Die mittelalterlichen Autoren, die sich zum Thema Hunger äußern, allen voran Bernold von St. Blasien, nutzten Hungernöte auch im Sinne ihrer Intentionen. So lässt etwa Bernold im 11. Jahrhundert Hunger und Unglück überwiegend die Exkommunizierten treffen. Bei der zeitlichen Verteilung der 88 Beobachtungen zu Hungererscheinungen, die in der folgenden Tabelle veranschaulicht wird, ist zu beachten, dass es sich dabei um eine Mindestzahl von Nachrichten handelt, denn mehrere große Hungerereignisse wurden in Gruppen zusammengefasst, die teilweise bis zu acht Jahre umfassen können. Tab. 57: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Hungerkatastrophen von 500 bis 1100 Gesamt 88 100 %

6. Jh. 10 11 %

7. Jh. 5 6%

8. Jh. 13 15 %

9. Jh. 20 23 %

10. Jh. 17 20 %

11. Jh. 23 26 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung liegen im 9. und 11. Jahrhundert mit jeweils fast einem Viertel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. Jahrhundert überliefert. Von den 88 Ereignissen, die im Zusammenhang mit Hunger stehen, sind 69 nur als Hungersnot (fames) deklariert. Da in der Josefsgeschichte im Alten Testament (Genesis 37–50) ausführlich eine siebenjährige Hungersnot dargestellt wird, stehen die in den untersuchten mittelalterlichen Quellen genannte dreijährige Hungersnot von 708 bis 710 und zwei jeweils achtjährige Hungerphasen (546–554, 1040–1048) zumindest im Verdacht, sich darauf zu beziehen und einen Topos zu nutzen. Die Schilderung der achtjährigen Hungersnot der Jahre von 1040 bis 1048 fassen Mitteilungen von über 20 parallel überlieferten Quellenstellen aus diesen acht Jahren zusammen. Jeweils eine Hungersnot wurde als kriegsbedingt, aufgrund von Brotknappheit oder als göttliche Strafe dargestellt. Nur drei Mal wird ausdrücklich Lebensmittelknappheit als Ursache genannt. Einmal wird die Hungersnot durch die Erwähnung von Pferdefleischkonsum charakterisiert, drei Mal wird der Topos der Anthropophagie bemüht. Es sind aber auch hoheitliche Maßnahmenkataloge für den Fall einer Hungersnot überliefert. Diese gehen oft über ein reines Fasten hinaus. Nur drei Hungersnöte sollen Migrationsbewegungen ausgelöst haben, die aber durch herrscherliche Gegenmaßnahmen wieder rückgängig gemacht werden konnten.

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Was die topographische Verteilung der Hungersnöte betrifft, so sind die meisten für Kontinentaleuropa überliefert: in „Mitteleuropa“ über 30, dazu im Rheinland sechs, in Sachsen vier und in Bayern drei Hungersnöte. 18 Nachrichten im Zusammenhang mit Hunger liegen allein für Italien vor. Bei den insularen Erwähnungen von Hungererscheinungen führt Irland mit elf Nennungen, in Britannien sind fünf und in Schottland zwei Hungersnöte überliefert. Im Mittelmeerraum abseits von Italien haben sich sieben diesbezügliche Nachrichten zum Nahen Osten erhalten, drei zu Konstantinopel, drei zu Spanien und eine zu Bulgarien. Bei einer Nachricht heißt es recht allgemein, der Hunger habe multas regiones getroffen.508 Für insgesamt 24 Hungersnöte konnten mehr als zwei Quellenstellen gefunden werden, welche die jeweilige Hungersnot erwähnen. Vier Mal wurde eine Hungersnot nur in arabischen Quellen genannt, zwei Mal in hagiographischen Texten und ein Mal in einem Kapitular. Autoren von zehn Texten erwähnen mehr als eine Hungersnot: Jeweils zwei finden sich in den Annalen von Loch Cé, den Annales Xantenses, bei Bernold von Konstanz, in „Chronicle 754“, bei Gregor von Tours, Johannes Zonaras sowie Theophilus von Edessa. Der Autor der Annales Fuldenses nannte drei Hungersnöte, jener der Annalen von Clonmacnoise fünf und die Verfasser der einzelnen Einträge im Liber Pontificalis sogar sechs. In den 32 übrigen Texten wird nur ein einziges Mal eine Hungersnot erwähnt.

4.4 Epidemische Erkrankungen bei Menschen Als sechste der zehn Plagen erwähnt das Buch Exodus: „Und sie nahmen Ruß aus dem Ofen und traten vor den Pharao, und Mose warf den Ruß gen Himmel. Da brachen auf böse Blattern an den Menschen und am Vieh, sodass die Zauberer nicht vor Mose treten konnten wegen der bösen Blattern; denn es waren an den Zauberern ebenso böse Blattern wie an allen Ägyptern.“509 Unter einer Epidemie versteht man ein zeitlich und örtlich gehäuftes Auftreten einer Infektionskrankheit innerhalb einer menschlichen oder tierischen Vergesellschaftung. Besonders die zeitliche Häufung des Auftretens der Individualinfektion macht dabei den Unterschied zu endemischen Krankheiten aus, die wie die Lepra oder Elephantiasis chronologisch kontinuierlicher erscheinen.

|| 508 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1090. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 482; FSGA 14, 374 f.: Hoc anno magna fames multas regiones repente afflixit, quanvis non magna sterilitas terrae praecesserit. 509 2. Mose 9,10–12.

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In der Untersuchungszeit wurden über Epidemien beim Menschen häufiger Nachrichten überliefert als über Tierseuchen. Je nach Art der Epidemie und des zeitgenössischen Umgangs mit ihr510 gibt es verschieden weit ausgeführte wissenschaftliche Vorarbeiten. Im Folgenden werden vier Gruppen unterschieden: a) Epidemien beim Menschen, darunter besonders die sogenannte Justinianische Pest, zu der bisher die meisten Untersuchungen angestellt wurden; b) das sogenannte „Heilige Feuer“, das ab dem ausgehenden 11. Jahrhundert als „Antoniusfeuer“ bezeichnet wurde und auf eine Vergiftung mit Alkaloiden des Mutterkorns hinweist; c) Epidemien bei Tieren, vor allem bei vierbeinigen Nutztieren, wie Rindern und Pferden, sowie d) die sogenannten „Kreuze auf der Kleidung“, eine noch ungeklärte Erscheinung, die aber von den Zeitgenossen oft im Zusammenhang mit epidemischen Erkrankungen dokumentiert und überliefert wurde. Teilgebiete der Erforschung epidemischer Erkrankungen gehören zu den klassischen Forschungsfeldern von Althistorikern und Mediävisten.511 Dabei galt der Erforschung der sogenannten Justinianischen Pest (541–770)512 und des sogenannten Schwarzen Todes (1348–1352)513 erhöhte Aufmerksamkeit. Der allgemeine Kontext wurde schon früh in übergreifenden Darstellungen zu den Krankheiten parallelisiert, wie etwa in Heinrich Haesers historisch-pathologischer Untersuchung der Geschichte der Volkskrankheiten.514 Bereits der Begriff „Pest“ für Seuche (lat. pestis) bezeichnet vor der Neuzeit nicht wie gegenwärtig eine Krankheit sui generis wie die Beulenpest,515 vielmehr erfassen die mittelalterlichen Menschen mit Begriffen wie pestis, Pestilenz, „pestilenzisches Fieber“ etc. unterschiedliche Krankheiten – epidemische Krankheiten schlechthin – die sie begrifflich nicht genau voneinander schieden. Solche epidemischen Erkrankungen516 konnten neben der eigentlichen Pest, die Ruhr, Pocken,517 Windpocken und Masern sein,518 im Spätmittelalter auch Englischer Schweiß, Syphilis, Fleckfieber, Grippe, Milzbrand und andere.519 Ein vielzitierter Satz des Arztes Galen macht klar, was in der Spätantike und im Frühmittelalter unter pestis verstanden wurde, nämlich: „wenn zur gleichen Zeit zugleich viele erkranken und der größere Teil der Kranken umkommt.“ (Quando simul eodem tempore plures aegrotant, et aegrotantium

|| 510 Horden, Disease, dragons and saints (2008), 45–76. 511 Fouquet/Zeilinger, Katastrophen (2011), 103–126. Keil, Seuchenzüge (1986), 109–128. 512 Vgl. Meier, Pest (2005). 513 Vgl. Bergdolt, Pest (2006); Bergdolt, Schwarze Tod (1994); Benedictow, Black Death (2006). 514 Haeser, Historisch-pathologische Untersuchungen (1839). 515 Bulst/Keil/Leven, Pest (1993), 1915–1921. 516 Winkle, Geißeln der Menschheit (2014). 517 Schlotter, Geschichte der Lepra (1966). 518 Fossel, Geschichte der epidemischen Krankheiten (1903), 736–901. 519 Sieglerschmidt, Bevölkerungsgeschichte (2004), 278–281.

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maior pars interimitur).520 Als Ausnahmekrankheiten wurden die Lepra521 und die Elephantiasis522 in der zeitgenössischen Wahrnehmung erkannt und in den Quellen als dementsprechend geschildert. Beide erfuhren aber nur äußerst selten epidemische Verbreitung. Wie die Pest war die hochkontagiöse Viruserkrankung der Pocken (variola) kaum mit Sicherheit von anderen Erkrankungen zu unterscheiden. Als gefürchtete Kinderkrankheit hat sie aber Alleinstellungsmerkmale. Der Terminus variola wurde erstmals in der Chronik des Marius von Avenches (2. H. 6. Jh.) für eine nicht identifizierbare Epidemie verwendet.523 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Seuchen im hier untersuchten Zeitraum kaum losgelöst von hagiographischen Quellen und Darstellungen von Heilungswundern analysiert werden können.524 Aufgrund der in der Einleitung (Kap. 1.3.2) erfolgten Einschränkungen aufgrund methodischer Probleme mit dieser Quellengruppe wird auch im Folgenden darauf verzichtet.

4.4.1 Epidemien beim Menschen im 6. Jahrhundert Gleich zu Beginn der Untersuchungszeit sind mehrere Epidemien unter der Bezeichnung „Justinianische Pest“ zusammengefasst worden.525 Dabei handelt es sich um eine zur Zeit des oströmischen Kaisers Justinian (527–565) ausgebrochene Pandemie, die in den Jahren 541/542 vom ägyptischen Pelusion ihren Ausgang genommen hatte. Sie kehrte mehr oder weniger periodisch in unregelmäßigen Abständen wieder, bis sie nach dem verheerenden Ausbruch vor 746/748 verschwand und etwa ab 770 nicht mehr in Quellen auftauchte. Für einen Großteil dieser Ausbrüche wird angenommen, dass es sich um eine Form der Pest gehandelt habe. Die „Justinianische Pest“ wurde von der Geschichtswissenschaft bereits in mehreren Studien untersucht, aktuell sind entsprechende Analysen von Lester Little,526 Karl-Heinz Leven,527 besonders aber von

|| 520 Zitiert bei Rodenwaldt, Pest in Venedig (1953), 208 und bei Schretter, Pest in Tirol (1982), 587. 521 Keil, Aussatz (1980), 1249–1257. 522 Elephantiasis ist eine durch chronische Lymphstauung hervorgerufene extreme Vergrößerung von Körperteilen, abhängig von der Ursache überwiegend der unteren Gliedmaßen, dabei können sich große Wülste entwickeln. Unter deren Druck quillt die Haut so auf, dass tiefe, eiternde Wunden entstehen, die zu einer Blutvergiftung führen können. Vgl. Földi/Földi, Lymphödem und verwandte Krankheiten (2009), 18–20. Ein derartiges Beispiel findet sich in den Annalen Flodoards von Reims zum Jahr 954, siehe dazu weiter unten, wo eine Lymphstauung durch einen Sturz vom Pferd ausgelöst wurde. 523 Leven, Pocken (1995), 29 f. 524 Rohr, Naturerscheinungen (2003), 69. 525 Allen, Justinianic Plague (1979), 5–20. 526 Little, Plague and the End of Antiquity (2007). 527 Leven, „Justinianische“ Pest (2011), 215–249.

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Mischa Meier528 zusammengestellt worden. Zu den Untersuchungen der „Justinianischen Pest“ kann das folgende Kapitel nichts Grundlegendes beitragen, weshalb hier auf die aktuellste Ausführung zu dieser Thematik von Mischa Meier verwiesen wird.529 Hier sollen lediglich die historiographischen Nennungen der Pest den Rahmen bilden, in dem die später in den Quellen genannten Epidemien verortet werden. Mit der „Justinianischen Pest“ beschäftigen sich aber auch zwei naturwissenschaftliche Forschungsrichtungen: Zum einen wurde von der Vulkanologie wiederholt versucht, das mehrfache Auftreten der Pestepidemien mit den Ausbrüchen großer Vulkane in Verbindung zu bringen. Die Ausbrüche der Jahre 536 und 540 sollen dabei einen derart massiven Einfluss auf die Entwicklung des Klimas genommen haben, dass in der Folge die Pest aufgetreten sei.530 Als geeignete Kandidaten werden das Vulkansystem Rabaul in Indonesien, aus dem der spätere Vulkan Krakatau hervorging531 sowie die Ausbrüche des Ilopango in El Salvador diskutiert.532 Daneben beschäftigen sich auch die Paläogenetiker mit den Erregern der „Justinianischen Pest“. Als Probenreservoir dienten archäologische Funde aus dem Reihengräberfeld von Aschheim-Bajuwarenring, die allerdings keinen wesentlichen Erfolg brachten.533 Erst seit 2011 konnten an archäologisch erschlossenen menschlichen Überresten aus London Stämme von Yersinia pestis erfolgreich nachgewiesen werden.534 Bevor nun die Quellenstellen, die der „Justinianischen Pest“ zugeordnet werden, aufgelistet werden, lohnt es sich jedoch einen Blick auf die irischen und schottischen Quellen zu werfen, denn diese verzeichnen für die 540er/550er Jahre bemerkenswert häufig Epidemien. So wird in der Chronik der Schotten für das Jahr 541 eine Belefeth genannte Epidemie genannt, zum Jahr 551 eine nicht näher bezeichnete Epidemie und zum Jahr 554 eine Samhtrusg genannte Epidemie.535 In irischen Annalen erfahren wir von einer Irish Blefeth genannten Epidemie für das Jahr 546, einer als Boy Connell bezeichneten Krankheit für das Jahr 550 und einer ebenfalls Sawthrust genannten Krankheit im Jahr 552.536 Im Oktober 541 trat dann laut den Autoren der byzantinischen Kleinchroniken eine pestartige Krankheit in Konstantinopel auf, die von den

|| 528 Meier, Justinianische Pest (2005), 86–107, 396–400; Meier, Prokop, Agathias (2004), 281–310. 529 Meier, ‚Justinianic Plague‘ (2016), 267–292. 530 Vgl. Bilich, Climate Change (2007). 531 Antoniou/Sinakos, Sixth-century plague (2005), 1–4. 532 Dull u. a., Ilopango TBJ Eruption (2010). 533 Gutsmiedl, Justinianische Pest (2005), 199–208. 534 Bos u. a., Genome of Yersinia pestis (2011), 506–510; Bos u. a., Yersinia pestis (2012), e49803; Harbeck u. a., Yersinia pestis DNA (2013), e1003349; Wagner u. a., Yersinia pestis (2014), 319–326. 535 Chronicum Scotorum, ad a. 541. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 47: A great mortality which is called Belefeth (…); ebd., ad a. 551, Rolls series 46, 51: A great mortality, i.e Crom Conaill in which this Saints died; ebd., ad a. 554 (Rolls series 46, 51: The plague which is called the Samhtrusg. 536 Annals of Clonmacnoise, ad a. 546. Ed. Murphy, 79: The was a great mortality wch was called Irish Blefeth; ebd., ad a. 550, 83 f.: The Great Pestelence called the Boy Connell began, of which these saints Dyed Finnya mc (…) dyed; ebd., ad a. 552, 84: This year there grew a sickness called the Sawthrust.

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Zeitgenossen als neuartig angesehen wurde. Insgesamt wird also während der Regierungszeit Justinians viermal von einer pestartigen Seuche berichtet: in den Jahren 532, 541, 555 und 558. Im Hinblick auf die Pest des Jahres 541 berichtet Prokop in den Anecdota, dass auch der Kaiser daran erkrankte.537 Zwei Jahre darauf, vom 1. September 542 bis 31. August 543, verheerte nach Marcellinus Comes eine große Epidemie Italien, ebenso waren der Orient und Illyrien von der Krankheit betroffen.538 Sie war so schlimm, dass nach der Chronik von Zuqnin die Weizenfelder von Syrien bis Thrakien im Jahr 543/544 wegen der Pest ungeerntet blieben.539 Im Jahr 564 sollen – nach der viel späteren Kompilation Hermanns von Reichenau – eine Pest und ein großes Sterben ganz Italien und Ligurien verheert haben.540 Diese Pest habe zusammen mit den vorangegangenen Kriegen Bevölkerung und militärische Kontingente in Italien reduziert und so die rund drei Jahre (568) später erfolgte Landnahme der Langobarden erleichtert.541 Irische Annalen erwähnen zum Jahr 569 das Auftreten der Lepra,542 die sich aber nicht epidemisch ausgebreitet hat. Paulus Diaconus führt in einer zum Jahr 570/571 gebotenen Beschreibung einer Epidemie Symptome an, wie geschwollene Lymphknoten und hohe Fieberschübe, die auf Formen der vom Erreger Yersinia pestis ausgelösten Pest hinweisen könnten: „Ein volles Jahr danach aber begannen in der Leistengegend der Menschen bzw. an anderen recht empfindlichen Stellen die Drüsen wie Nüsse oder Datteln anzuschwellen. Darauf folgte rasch unerträglich hohes Fieber, das bei dem Befallenen nach drei Tagen zum Tode führte. Wer aber den Dreitageszeitraum überstanden hatte, der konnte damit rechnen, dass er am Leben bleiben würde. (…) Doch trat diese Seuche nur innerhalb Italiens auf; bis an die Grenze alemannisch und bayerisch besiedelter Gebiete ausschließlich bei den Romanen.“543

|| 537 Byzantinische Kleinchroniken. Ed. Schreiner, Bd. 2, 76. 538 Marcellinus Comes, Chronicon, ad a. 536. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 107; Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 50: Mortalitas magna Italiae solum devastat, Orientem iam et Illyricum peraeque attritos. Vgl. auch Chronicle of Marcellinus. Ed. Croke, 135. 539 Chronicle of Zuqnin. Ed. Harrak, 100. 540 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 564. Ed. Pertz, MGH SS 5, 88: His temporibus inmensa pestilentia et mortalitas totam Italiam, et maxime Liguriam, incredibiliter vastavit. 541 Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 362, Anm. 161. 542 Annals of Clonmacnoise, ad a. 569. Ed. Murphy, 89: Diseases of the Leaprosie did abound and knobbes this year. 543 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 2, 4. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 74; Ed. Schwarz, 158 f.: 4. Huius temporibus in provincia praecipue Liguriae maxima pestilentia exorta est. Subito enim apparebant quaedam signacula per domos, hostia, vasa vel vestimenta, quae si quis voluisset abluere, magis magisque apparebant. Post annum vero expletum coeperunt nasci in inguinibus hominum vel in aliis deligatioribus locis glandulae in modum nucis seu dactuli, quas mox subsequebatur febrium intolerabilis aestus, ita ut in triduo homo extingueretur. Sin vero aliquis triduum transegisset, habebat spem vivendi. (…) Et haec quidem mala intra Italiam tantum usque ad fines gentium Alamannorum et Baioariorum solis Romanis acciderunt.

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Ähnliches berichtet Bischof Marius von Avenches und erwähnt dabei erstmals den Begriff „variola“.544 Noch umfangreicher ist die Schilderung zum Ausbruch der Pest im Jahr 571 bei Gregor von Tours: „Als aber die Pest heranzog, richtete sie unter dem Volke in jener ganzen Gegend eine solche Verheerung an, dass man nicht erzählen kann, wie viele Tausende daran umgekommen sind. Denn als es an Särgen und Brettern zu fehlen anfing, begrub man in einer Grube zehn und selbst mehr beieinander. Es wurden an einem Sonntage in der Kirche des heiligen Petrus allein dreihundert Leichen gezählt. Der Tod überfiel die Menschen ganz plötzlich. Nachdem sich in den Weichen oder unter der Achsel eine schlangenförmige Geschwulst gebildet hatte, wurde der Mensch von dem Gifte derselben so schnell ergriffen, dass er schon am zweiten oder dritten Tage den letzten Atem aushauchte. Auch die Besinnung raubte die Kraft jenes Giftes dem Menschen. Damals starb auch der Priester Cato. Denn, während viele sich vor der Seuche geflüchtet hatten, verließ er niemals seinen Platz, begrub die Toten und las für jeden eine Messe. Dieser Priester war überhaupt ein Mann von großer Menschlichkeit und nahm sich der Armen sehr an; und ich glaube, dies war für ihn, wenn etwa in ihm Hochmut war ein Heilmittel. Bischof Cautinus kehrte, nachdem er aus Furcht vor der Krankheit an vielen Orten herumgezogen war, nach der Stadt zurück; da befiel ihn dasselbe Geschick, und er starb am Karfreitag. Zu derselben Stunde auch sein Vetter Tetradius. Damals wurden auch Lyon, Bourges, Chalon und Dijon durch die Seuche sehr entvölkert.“545

Johannes von Biclaro erwähnt in seiner Chronik in drei aufeinanderfolgenden Jahren das Auftreten einer Krankheit beim Kaiser und einer Epidemie beim Volk: „Im Jahr 573 wurde Kaiser Justin II. [520–578]546 von einer ernsten Krankheit getroffen. Einige dachten, seine Erkrankung sei das Ergebnis einer Bewegung des Gehirns, andere

|| 544 Marii episcopi Aventicensis chronica, ad a. 570. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 238; Ed. Arndt, 14: Hoc anno morbus validus cum profluvio ventris et variola Italiam, Galliamque valde afflixit et animalium bubula per loca suprascripta maxime interierant. Vgl. Haagen, Viruskrankheiten des Menschen (1974), 2052. 545 Gregor von Tours, Libri historiarum, 4, 31. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 165 f.; FSGA 2, 238 f.: Iam vero adveniente ipsa clade, tanta strages de populo per totam regionem illam facta est, ut nec numerare possit, quantae ibidem ceciderunt legiones. Nam cum iam sarcofagi aut tabulae defecissent, decim aut eo amplius in unam humi fossam sepeliebantur. Numerati sunt autem quadam dominica in una beati Petri basilicam tricenta defunctorum corpora. Erat enim et ipsa mors subita. Nam nascente in inguene aut in ascella vulnus in modum serpentis, ita e interficiebatur homo ille a veneno, ut die altera aut tercia spiritum exalaret. Sed et sensum vis illa veneni auferebat ab homine. Tunc et Cato presbiter mortuos est. Nam cum de hac lue multi fugissent, ille tamen populum sepeliens et missas viritim dicens, numquam ab eo loco discessit. Hic autem presbiter multae humanitatis et satis dilectur pauperum fuit; et credo, haec causa ei, si quid superbiae habuit, medicamentum fuit. Cautinus autem episcopus cum diversa loca, hanc cladem timens, circuisset, ad civitatem regressus est; et haec incurrens, parasciven passiones dominicae obiit. Nam ipsa hora et Tetradius, consubrinus eius, mortuus est. Tunc et Lugdunum, Bitorex, Cabillonum atque Divione ab hac infirmitate valde depopulatae sunt. 546 Rosen, Iustinus II. (1999), 778–801.

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dachten an ein Ärgernis von Dämonen.“547 Die Deutung der Krankheit als böser Dämon stammt von Johannes von Ephesos, der den Wahnsinn des Kaisers als göttliche Strafe für dessen Religionspolitik ansah.548 Johannes von Biclaro berichtet weiter, in der königlichen Stadt sei eine tödliche Pest ausgebrochen, an der tausende Menschen starben.549 Erst als Tiberios I. [† 582] Caesar wurde (ab 578), sei die Pest aus der königlichen Stadt verschwunden.550 Gregor von Tours überlieferte zum Jahr 580 einen ausführlichen Bericht über verschiedene Krankheitssymptome, die eine Interpretation mit der Ruhr (dysenterie) nahelegen: „Auf diese Wunderzeichen folgte eine sehr schwere Seuche. Denn als die Könige schon wieder haderten und sich abermals zum Bruderkriege rüsteten, breitete sich eine ansteckende Krankheit (morbus) fast durch alle gallischen Länder aus. Die Erkrankten hatten heftiges Fieber mit Erbrechen und einen gewaltigen Nierenschmerz; auch Kopf und Genick waren ihnen schwer. Der Auswurf war von gelber Farbe oder aber grün. Viele behaupteten, der Grund sei ein verborgenes Gift. Die ungebildeten Leute aber nannten die Krankheit die inneren Blattern (pusulas); dies ist nicht ganz ungereimt, denn wenn an den Schultern oder Schenkeln Schröpfköpfe gesetzt wurden, kamen Blasen heraus und brachen auf, und durch das Auslaufen der Wundjauche wurden viele gerettet. Aber auch Kräuter, die Vergiftungen heilen, halfen, als Trank eingegeben, sehr vielen. Und zuerst befiel diese Krankheit, die im Monat August ausbrach, die Kinder und raffte sie fort.“551

|| 547 Johannes von Biclaro, Chronik 25. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 213; Conquerors and Chroniclers. Ed. Wolf, 63: Iustinus imperator gravi infirmitate concutitur, quae infirmitas ab aliis quidem cerebri motio, ab aliis daemonum vexatio putabatur. 548 Kirchengeschichte des Johannes von Ephesus, 3, 2–5. Ed. Schönfelder, 94: „Und diese kamen über ihn durch einen bösen Dämon, der plötzlich in ihn fuhr und ihn erfüllte. Dieser beherrschte ihn grausam und machte ihn furchtsam, geradezu als ein Beispiel für die Bösartigkeit der Dämonen. Denn schlagartig zerstörte er seinen Verstand, und seine Seele wurde zugleich erregt und verfinstert, und sein Leib war sichtbaren und unsichtbaren Qualen und Foltern und grauenvoller Agonie ausgeliefert.“ 549 Johannes von Biclaro, Chronik, 26. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 213; Conquerors and Chroniclers. Ed. Wolf, 63: In regia urbe mortalitas inguinalis plagae exardescit, in qua multa milia hominum vidimus defecisse. 550 Johannes von Biclaro, Chronik, 34. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 214; Conquerors and Chroniclers. Ed. Wolf, 64: Huius Tiberii Caesaris die prima in regia urbe inguinalis plaga sedata est. 551 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 34. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 239 f.; FSGA 2, 342 f.: Sed haec prodigia gravissima lues est subsecuta. Nam et discordantibus reges a et iterum bellum civile parantibus, desentericus morbus paene Gallias totas praeoccupavit. Erat enim his qui patiebantur valida cum vomitu febris renumque nimius dolor; caput grave vel cervix. Ea vero quae ex ore proiciebantur colore croceo aut certe viridia erant. A multis autem adserebatur veninum occultum esse. Rusticiores vero coralis hoc pusulas nominabant; quod non est incredibile, quia missae in scapulis sive cruribus ventosae, procedentibus erumpentibusque visicis, decursa saniae, multi liberabantur. Sed et herbae, quae venenis medentur, potui sumptae, plerisque praesidia contulerunt. Et quidem primum haec infirmetas a mense Augusto initiata, parvulus aduliscentes arripuit lectoque subegit.

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Gregor führt hier drei wichtige Elemente zur Einschätzung der Krankheit an, die hohe Kindersterblichkeit, den Beginn der Symptome im August und die starken Nierenschmerzen der Betroffenen. Gerade die beschriebenen starken Nierenschmerzen können durch andauernden Flüssigkeits- und Elektrolytverlust zu Beeinträchtigungen des Zentralnervensystems, zu Nierenversagen und Kreislaufkollaps führen, und somit lebensbedrohlich werden. Gregor instrumentalisiert die Krankheit in seiner weiteren Darstellung: „Nach dem Tod seiner Söhne hielt sich Chilperich während des Oktobers 580 voll Trauer mit seiner Gemahlin in dem Forst von Cuise [Compiègne] auf. Damals schickte er seinen Sohn Chlodovech auf Betreiben der Königin nach Berny-Rivière, damit nämlich auch er von dieser Seuche dahingerafft werden sollte. Denn die Krankheit, die seine Brüder getötet hatte, wütete in diesen Tagen dort noch stark; aber er nahm keinen Schaden.“552 Daraus lässt sich eine Dauer der Epidemie von August bis mindestens Oktober ablesen, was der klassischen Pest entspräche. Zum Jahr 581/582 vermerkt die Frankengeschichte: „Es war aber in diesem Jahre eine große Seuche unter dem Volke; verschiedene Krankheiten, mit Bläschen und Ausschlag (milinae cum pusulis et vissicis) brachten einer großen Zahl Menschen den Tod. Von denen aber, die sich in Acht nahmen, kamen viele davon. Wir hörten auch, dass zu Narbonne in diesem Jahre die Drüsenpest (inguinarium morbum) heftig wütete, sodass es keinen Aufschub gab, wenn jemand von ihr ergriffen wurde. Auch der Bischof Felix von Nantes wurde von dieser Seuche ergriffen und begann schwer zu erkranken.“553 Es ist vorgeschlagen worden, diese tödliche, mit Bläschen und Pusteln einhergehende Epidemie statt mit der Pest treffender mit Pocken (variola) zu identifizieren.554 Eine schwere Seuche unter dem Volke nach einer Mondfinsternis am 5. April 581 erwähnte Gregor auch an anderer Stelle.555 Im nächsten Kapitel beschreibt er, dass Bischof Felix von Nantes ebenfalls von dieser Seuche ergriffen wurde. Er versuchte daraufhin, seinen Neffen zu seinem Nachfolger zu machen, während er selbst aber noch lebte, wogegen sich Gregor in heftiger Weise ausspricht. Bei Bischof Felix, dem

|| 552 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 39. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 245 f.; FSGA 2, 352 f.: Igitur post mortem filiorum Chilpericus rex mense Octobrio in Cothiam silvam plenus luctu cum coniuge resedebat. Tunc Chlodovechum, filium suum, Brinnacum, faciente regina, transmisit, ut scilicet et ipse ab hoc interitu deperiret. Graviter ibi his diebus morbus ille, qui fratres interficerat, seviebat; sed nihil ibidem incommodi pertulit. 553 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 14. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 283–285; FSGA 3, 32 f.: Magna tamen eo anno lues in populo fuit; valitudinis variae, milinae cum pusulis et vissicis, quae multum populum adficerunt mortem. Multi tamen, adhibentes studium, evaserunt. Audivimus enim eo anno in Narbonensem urbem inguinarium morbum graviter desevire, ita ut nullum esset spatium, cum homo correptus fuisset ab eo. Felix vero episcopus Namneticae civitatis in hac valitudine corruens, graviter aegrotare coepit. 554 Leven, Pocken (1995), 29 f. 555 Gregor von Tours, Libri historiarum, 5, 41. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 248; FSGA 3, 356 f.: Gravis autem lues in populo subsecuta est.

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es bald besser zu gehen schien, „bildete sich an den Schienbeinen von den schlechten Säften ein Ausschlag. Da er nun ein stark ziehendes Pflaster von spanischen Fliegen (cataplasmar) legte, fingen die Schienbeine an zu eitern, und er starb […] in einem Alter von siebzig Jahren.“556 Derselbe überliefert zum Jahr 584, dass im „zehnten Jahr seiner Amtsführung in der Stadt Albi die Drüsenpest (inguinario morbo) überhand nahm; der größte Teil des Volkes daran starb.“557 Weiterhin berichtet er, dass im Jahr 586 eine schlimme Seuche die Provence verheerte.558 Das Jahr 588 nimmt bei Gregor von Tours den vordersten Platz in Bezug auf die Schilderung epidemischer Krankheiten und ihrer Folgen ein. Nicht weniger als vier Mal kommt er hier auf Epidemien zu sprechen, die er in immer neue Kontexte einbettet. Die Serie beginnt im Jahr 587/588 mit der ausführlichen Beschreibung einer ruhrartigen Krankheit (morbus desentericus), welche die Stadt Metz heimsuchte: „Und als wir in diesen Tagen zu einer Zusammenkunft mit dem König Guntram I. [532–592]559 reisten, trafen wir auf dem Wege bei der Stadt Reims einen Bürger von Poitiers namens Wiliulf, der infolge einer Krankheit an heftigem Fieber litt. Er reiste sehr hinfällig von Reims ab, und als er mit seinem Stiefsohn in das Gebiet von Paris gekommen war, starb er in dem Hofe von Rueil560, nachdem er sein Testament gemacht hatte. Auch der Knabe wurde von dieser Krankheit befallen und starb; beide wurden in das Gebiet der Stadt Poitiers gebracht und dort begraben.“561 Bemerkenswert hinsichtlich der Streckenlänge von, je nach Route, 350 bis 400 Kilometern – wenn auch nicht ungewöhnlich –, ist der Transport der Toten zurück nach Poitiers. Dafür sind mindestens elf bis 14 Transporttage zu veranschlagen. Je nach Witterung macht diese eine spezielle Präparierung der sterblichen Überreste notwendig, was unter Umständen zu Komplikationen führen kann.562

|| 556 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 14. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 285; FSGA 3, 32–35: Felix vero episcopus Namneticae civitatis in hac valitudine corruens, graviter aegrotare coepit. (…) Sed postquam febris discessit, tibiae eius ab humore pusulas emerserunt. Tunc cantaredarum cataplasmam nimium validam ponens, conputrescentibus tibiis, anno episcopatus sui XXXIII, aetate septuagenaria vitam finivit. 557 Gregor von Tours, Libri historiarum, 7, 1. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 326; FSGA 3, 94 f.: (…) in quo, ut opinor, decimo anno cum agerit, invalescente apud Albiensem urbem inguinario morbo et maxima iam parte de populo illo defuncta (…) apud villam Rigoialinsim. 558 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 39. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 406; FSGA 3, 216 f.: Gravis tunc Provinciam ipsam lues debellata est. 559 Bauer, Gunthramn (1999), 218 f. 560 Rueil-Malmaison liegt 14 km nordwestlich von Paris, jedoch weder auf dem direkten Weg nach Reims noch nach Poitiers. 561 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 13. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 428; FSGA 3, 250 f.: Graviter tunc morbus desentericus apud Metensim saeviebat urbem. His diebus nos, dum ad occursum regis properaremus, Wiliulfum civem Pectavum plenum febre, hoc morbo laborantem, in via offendimus, id est ad Remensim urbem. De qua profectus valde exinanitus, cum ad urbem Parisiacam cum filio uxoris suae venisset, apud villam Rigoialinsim, facto testamento, defunctus est. Puer vero, qui et ipse ab hoc langere tenebatur, obiit; et sic pariter in urbis Pectavae delati termino, tumolati sunt. 562 Schmitz-Esser, Leichnam im Mittelalter (2014), 187–190.

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Im Jahr 588 lässt Gregor König Guntram I. verlautbaren: „Ich kann mein Heer nicht nach Italien senden und ohne Not dem Tode preisgeben. Denn eine schreckliche Seuche (gravissima lues) verheert jetzt Italien.“563 Hier wird als Herkunftsregion der Epidemie Italien genannt. Den weiteren Weg in die Gebiete nördlich der Alpen zeichnet Gregor ebenfalls nach: „Es wurde dazumal bekannt, dass Marseille von der Drüsenpest (luae inguinaria valde) schwer heimgesucht wurde, und diese Krankheit sich schnell bis zu dem Dorf Saint-Symphorien d’Ozon im Gebiet von Lyon ausgebreitet hatte. Deshalb bedachte der König gleich wie ein guter Priester die Mittel, durch welche die Wunden des sündigen Volkes geheilt werden könnten, und befahl dem Volk, sich in der Kirche zu versammeln und mit der größten Andacht Bittgebete abzuhalten; er gebot allen, nichts anderes als Gerstenbrot und reines Wasser zu genießen und unablässig bei den Vigilien zugegen zu sein. Und dies wurde auch damals gehalten. Drei Tage hindurch, während seine Almosen noch reichlicher flossen, als gewöhnlich, betete er in so banger Sorge für sein Volk, dass er schon damals nicht nur für einen König, sondern zugleich für einen Bischof des Herrn gehalten wurde; denn er setzte alle seine Hoffnung auf das Erbarmen des Herrn und warf die Gedanken, die in ihm aufstiegen, auf Gott, der sie, wie er von ganzem Herzen glaubte, zu einem guten Ende hinausführen würde.“564 Gregor beschreibt also, dass sich die Epidemie das Rhônetal hinauf bis in die südlichen Vororte von Lyon ausbreitete, und er benennt auch die vom König ergriffenen Maßnahmen, die sich überwiegend in Gebet, Diät und Almosen erschöpften. An einer dritten Stelle nahm Gregor von Tours den weiteren Faden der Schilderung der Ereignisse zum Jahr 588 mit neuen Details erneut auf: „Da ich oben erzählt habe, dass die Stadt Marseille damals von einer sehr schlimmen Krankheit heimgesucht wurde, so will ich doch ausführlicher erzählen, wie schwere Leiden sie erduldete. (…) Inzwischen war ein Schiff aus Spanien mit den üblichen Handelswaren im Hafen von Marseille eingelaufen und hatte unglücklicherweise den ansteckenden Keim dieser Krankheit mit sich gebracht. Als nun viele Bürger Verschiedenes von dem Schiffe kauften, brach sofort in einem Hause, das von acht Seelen bewohnt war, die Krankheit aus, die Bewohner wurden von ihr

|| 563 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 20. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 440; FSGA 3, 268 f.: Respondit rex: 'Non', inquid, 'possum in Italiam exercitum meum dirigere, ut ultro eos morti tradam. Gravissima enim lues Italiam nunc devastat'. 564 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 21. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 441 f.; FSGA 3, 270 f.: Nam tunc ferebatur, Masiliam a luae inguinaria valde vastare et hunc morbum usque ad Lugdunensim vicum Octavum nomine fuisse caeleriter propalatum. Sed rex acsi bonus sacerdus providens remedia, qua cicatrices peccatoris vulgi mederentur, iussit omnem populum ad eclesiam convenire et rogationes summa eum devotione celebrare et nihil aliud in usu vescendi nisi panem ordeacium cum aqua munda adsumi, vigiliisque adesse instanter omnes iobet. Quod eo tempore ita gestum est. Per triduum enim ipsius elimosinis largius solito praecurrentibus, ita de cuncto populo formidabat, ut iam tunc non rex tantum, sed etiam sacerdus Domini putaretur, totam spem suam in Domini miseratione transfundens et in ipso iactans cogitationes, quae ei superveniebant, a quo eas effectui tradi tota fidei integritate putabat.

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hingerafft, und das Haus starb ganz aus. Doch verbreitete sich die verzehrende Seuche nicht sofort über alle Häuser, sondern brach einige Zeit ab und erfasste dann erst die ganze Stadt, gleichwie ein Feuer, das in ein Saatfeld geworfen wird. Dennoch kehrte der Bischof in die Stadt zurück, hielt sich mit den wenigen, die damals bei ihm ausharrten, in den Mauern der Kirche des heiligen Victor auf und flehte dort, solange die Pest in der Stadt wütete, unablässig mit Beten und Wachen die Barmherzigkeit Gottes an, doch endlich dem Verderben ein Ende zu machen und das Volk wieder in Ruhe und Frieden leben zu lassen. Die Plage hörte dann gut zwei Monate auf; als aber das Volk zu sorglos zur Stadt zurückkehrte, brach die Krankheit abermals aus, und es starben jetzt die, welche zurückgekehrt waren. Die Stadt wurde auch in der Folge noch vielfach von diesem verheerenden Übel heimgesucht.“565

Bemerkenswert ist das angegebene Herkunftsgebiet der Krankheit, Spanien. Die Quellenstelle enthält zudem den nur selten erwähnten demographischen Wert für eine Haushaltsgröße von acht Personen. Als Maßnahmen gegen die Krankheit werden hier Beten und Wachen empfohlen. Auch in einem zum Jahr 580 gestellten Bericht Gregors nehmen die epidemischen Folgen und Auswirkungen einen großen Platz ein. Er zitiert dafür einen Brief, in dem sich Papst Gregor I. zur Seuche äußerte: „Die Strafen Gottes, geliebte Brüder, welche wir schon zu fürchten hatten, bevor sie über uns kamen, müssen und um so mehr in Sorge versetzen, da gegenwärtig und wir sie an uns selbst erfahren. Das Tor zur Bekehrung soll uns der Schmerz öffnen, und die Strafe, welche wir leiden, soll die Härtigkeit unseres Herzens erweichen; wie es beim Propheten vorhergesagt ist: ‚Das Schwert reiche bis an die Seele’.566 Siehe, das ganze Volk wird von dem Schwert des himmlischen Zorns getroffen und einer nach dem anderen von plötzlichen Tode dahingerafft; und es geht nicht ein langes Siechtum dem Tode vorher, sondern der Tod, wie ihr sehet, ereilt die Menschen vor dem Siechtum. Wen die Seuche trifft, der wird dahingerafft, ehe er sich zur Reue und Buße bekehren kann.“567

|| 565 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 22. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 442; FSGA 3, 727 f.: Nam superius diximus, Massiliensis urbis contagio pessimo aegrota quanta sustenuerit, altius replecare placuit. (…) Interea navis ab Hispania una cum negutio solito ad portum eius adpulsa est, qui huius morbi fomitem secum nequiter deferebat. De qua cum multi civium diversa mercarentur, una confestim domus, in qua octo animae erant, hoc contagio interfectis habitatoribus, relicta est vacua. Nec statim hoc incendium lues per domus spargitur totas; sed, interrupto certi temporis spatio ac velut in segetem flamma accensa, urbem totam morbi incendio conflagravit. Episcopus tamen urbis accessit ad locum et se infra basilicae sancti Victoris saepta contenuit cum paucis, qui tunc cum ipso remanserant, ibique per totam urbis stragem orationibus ac vigiliis vacans, Domini misericordiam exorabat, ut tandem cessante interitu populo liceret in pace quiescere. Cessit vero haec plaga valde minsibus duobus, cumque iam securus populus redisset ad urbem, iterum succedente morbo, qui redierant sunt defuncti. Sed et multis vicibus deinceps ab hoc interitu gravata est. 566 Jer 4,10: (…) et ecce pervenit gladius usque ad animam. 567 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 1. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 479; FSGA 3, 324 f.: Oportet, fratres karissimi, ut flagella Dei, quae metuere ventura debuemus, saltim praesentia et experta timeamus. Conversionis nobis aditum dolor aperiat, et cordis nostri duritiam ipsa quam patimur poena dissolvat; ut enim profeta teste praedictum est, 'pervenit gladius usque ad animam'. Ecce! etenim cuncta plebs caelestis irae mucrone percutitur, et repentina singuli caede vastantur; nec langor

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Wie schon bei seiner Darstellung der Epidemie des Jahres 588 ist Gregor auch hier bemüht, die ergriffenen Hilfsmaßnahmen, die ganz überwiegend liturgischer Art sind, genau zu beschreiben: „Und als er so gesprochen hatte, versammelte er die Scharen der Geistlichen und befahl ihnen, drei Tage lang Psalmen zu singen und die Barmherzigkeit Gottes anzurufen. Von der dritten Stunde des Tages [8–9 Uhr] an zogen dann die Chöre unter Psalmengesang von beiden Seiten zur Kirche und riefen durch die Straßen der Stadt: Kyrie Eleison! Es erzählte unser Diakon, der zugegen war, dass damals im Verlauf einer Stunde, während das Volk die Stimme im Gebet zum Herrn erschallen ließ, achtzig Menschen zu Boden gestützt und gestorben seien. Doch der künftige Bischof hörte nicht auf das Volk zu ermahnen, es solle im Gebet nicht nachlassen.“568

Alle Beobachtungen, die ihm geeignet erschienen, eine zweite Seuche, die in Italien herrschte, zu erklären sind in seiner folgenden Darstellung enthalten: „Eine Epidemie (morbus etiam desenteriae) suchte jedoch das königliche Heer in Italien schwer heim, da die Luft ungesund und seine Leute nicht daran gewöhnt waren, und viele starben an dieser Krankheit. Als aber Wind auftrat und Regen fiel, kühlte die Luft sich ein wenig ab und brachte den Kranken Genesung.“569 Thematisch findet hier eine Mischung mit der Malaria statt. An anderer Stelle erklärte er, dass die Städte Viviers und Avigon von einer Epidemie (lues inguinaria) schwer heimgesucht wurden.570 Zwei Jahre darauf, 592, soll nach Bedas Chronik Konstantinopel von vielen Katastrophen heimgesucht worden sein, zunächst von einem großen Heer der Sarazenen, später von Hungersnot, Kälte und Pest (pestilentia).571 Genauere Angaben zu Art oder Symptomen der Krankheit macht er aber nicht.

|| mortem praevenit, sed langoris moras, ut cernitis, mors praecurrit. Percussus quisque ante rapitur, quam ad lamenta paenitentiae convertatur. 568 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 1. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 481; FSGA 3, 326 f.: Haec eo dicente, congregatis clericorum catervis, psallere iussit per triduum ac depraecare Domini misericordiam. De hora quoque tertia veniebant utrique chori psallentium ad eclesiam, clamantes per plateas urbis Kyrie eleison. Asserebat autem diaconus noster, qui aderat, in unius horae spatio, dum voces plebs ad Dominum supplicationis emisit, octoaginta homines ad terram conruisse et spiritum exalasse. Sed non distitit sacerdos dandus praedicare populo, ne ab oratione cessarent. 569 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 3. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 485; FSGA 3, 332 f.: Morbus etiam desenteriae graviter exercitum adficiebat, eo quod aeris incongrue insuetique his hominibus essent, ex quo plerique interierunt. Commoto autem vento et data pluvia cum paulisper refrigiscere aer coepit, in infirmitate salubritatem contulit. 570 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 23. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 515; FSGA 3, 382 f.: Vivariensim Avennicamque urbem graviter lues inguinaria devastavit. 571 Bedae Chronica maiora, ad a. 592. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 13, 320 f.: Sarraceni cum inmenso exercitu Constantinopolim venientes triennio civitatem obsident, donec civibus multa instantia ad deum clamantibus plurimi eorum fame frigore pestilentia perirent ac sic pertaesi obsidionis abscederent.

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Um die Wende des 6. zum 7. Jahrhundert, von 598–601, hat sich im mediterranen Gebiet Südfrankreichs und Norditaliens ein epidemischer Ausbruch zugetragen. Dabei soll es nach der Beschreibung Fredegar, in der Region um Marseille und in den übrigen Städte der Provence im Jahr 598/99 zum Ausbruch einer Seuche, die Glandularia genannt wurde, gekommen sein.572

4.4.2 Epidemien beim Menschen im 7. Jahrhundert Für das Jahr 600 hielt Paulus Diaconus fest: „In der Folgezeit wütete erneut eine verheerende Seuche (pestis) in Ravenna und unter der Bevölkerung der Küstenstriche. Und im Jahr darauf dezimierte ein großes Sterben die Einwohnerschaft von Verona.“573 Er berichtet auch, dass in den Jahren von 615 bis 618 Rom von einer Epidemie krätzeartiger Hauterkrankungen (clades scabearum) heimgesucht wurde, „sodass niemand seine Verstorbenen wegen der übermäßig aufgedunsener Schwellung hätte identifizieren können.“574 Welche Krankheit auch immer hier dahinterstand, es war jedenfalls nicht die Pest, denn bei dieser schwellen die Lymphknoten an, die Gesichter bleiben aber im Allgemeinen identifizierbar. Auffallend ist das lange Ausbleiben von Nachrichten über pestartige Epidemien für die folgenden fast 40 Jahre. Erst das Chronicum Scotorum überliefert jeweils ein großes Sterben in Irland für die Jahre 661 und 663,575 wobei nicht klar ist, ob es sich bei der Ursache um die Pest handelte. Da aber zum Jahr 664 ausführlicher von Beda eine Epidemie berichtet wurde, bei der es sich um die Pest (pestilentiae lues) gehandelt haben könnte, ist dies nicht unwahrscheinlich. Der angelsächsische Gelehrte berichtet, dass die Epidemie (pestilentiae lues) zuvor schon die südlichen Gebiete Britanniens entvölkert hatte, auch das Land der Northumbrier, nun verwüstete sie mit schrecklichem Unheil weit und breit und brachte eine große Zahl Menschen um. Diese Seuche bedrängte auch

|| 572 Fredegar, Chronik, 4, 17. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 128: Eo anno cladis glandolaria Marsilia et reliquas Provinciae civitates graviter vastavit. Eo anno aqua caldissima in laco Duninse, quem Arola flumenis influit, sic validae aebullivit, ut multitudinem pissium coxisset. 573 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 14. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 121; Ed. Schwarz, 230 f.: Subsequenti tempore rursum Ravennam et eos qui circa ora maris erant pestis gravissima vastavit. Sequenti quoque anno mortalitas valida populos Veronensium attrivit. 574 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 45. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 135; Ed. Schwarz, 252 f.: Eo tempore magnus Romae terrae motus factus est, magnaque tunc fuit inundatio aquarum. Post haec fuit clades scabearum, ita ut nullus potuisset mortuum suum agnoscere propter nimium inflationis tumorem. 575 Chronicum Scotorum, ad a. 661. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 99: A great mortality in Hibernia. ebd., ad a. 663, Rolls series 46, 101: A mortality in which four Abbots of Bennchair perished (…).

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die Insel Irland mit demselben Unheil.576 Gerade der letzte Satz macht es wahrscheinlich, dass die im Chronicum Scotorum zum Jahr 661 und 663 genannten Sterben diesem Auftreten der Pest auf den angelsächsischen Inseln und Irland zuzuordnen sind. Die Bedeutung, welche die Epidemie des Jahres 590 für Gregor von Tours hatte, hatte jene im Jahr 664 für Beda Venerabilis. In nicht weniger als sechs Stellen seiner Historia hat er Ereignisse im Umfeld dieses extremen Krankheitsausbruch ausgeführt. Wie Gregor versucht auch Beda der Hilflosigkeit seiner Zeitgenossen im Umgang mit der Seuche im Jahr 664 liturgische Maßnahmen zu begegnen. So ließ er Bischof Acca sagen: „In der Zeit der Pest, die Britannien und Irland mit weit verbreitetem Verderben verwüstete, wurde vom Unheil dieser Seuche unter anderem ein Gelehrter aus dem Volk der Iren ergriffen, ein Mann, der zwar durch das Studium der Schriften gelehrt war, aber auf die Sorge um sein ewiges Heil überhaupt keine Mühe und Anstrengung verwendete. […] Und ohne Zögern antwortete er, dass er fest daran glaube. Dann segnete ich Wasser, legte einen Span des genannten Eichenholzes hinein und gab es dem Kranken zu trinken. Und unverzüglich begann er, sich besser zu fühlen, wurde von der Krankheit gesund und lebte dann noch lange Zeit […].“577

An anderer Stelle berichtet er ebenfalls vom Erfolg des christlichen Gebetes, den er so realistisch wie möglich zu kontextualisieren versucht: „Es ereignete sich, dass er, als er zufällig in einer Seuchenzeit in dieses Kloster kam, sich dort ansteckte und an einer Krankheit des Körpers starb. […] Sie wurden bereitwillig von ihren Brüdern und Glaubensgenossen aufgenommen und starben dort alle, als die Seuche der erwähnten Pest auftrat, mit Ausnahme eines kleinen Jungen, von dem feststeht, dass er durch die Gebete seines Vaters vor dem Tode bewahrt wurde.“578 Diesen christlichen Bemühungen, die zumindest in seiner Darstellung erfolgreich waren, stellt Beda dann die vergeblichen, da heidnischen Anstrengungen gegenüber:

|| 576 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 3, 27. Ed. Spitzbart, Bd. 1, 298 f.: Eodem autem anno dominicae incarnationis DCLXIIIIo, (…) quo etiam anno subita pestilentiae lues, depopulatis prius australibus Brittaniae plagis, Nordanhymbrorum quoque prouinciam corripiens, atque acerba clade diutius longe lateque desaeuiens, magnam hominum multitudinem strauit. 577 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 3, 13. Ed. Spitzbart, Bd. 1, 243–245: ‘Tempore,’ inquit, ‘mortalitatis, quae Brittaniam Hiberniamque lata strage uastauit, percussus est eiusdem clade pestis inter alios scolasticus quidam de genere Scottorum, doctus quidem uir studio litterarum, sed erga curam perpetuae suae saluationis nihil omnino studii et industriae gerens. (…) ‘Tum benedixi aquam, et astulam roboris praefati inmittens obtuli egro potandum. Nec mora, melius habere coepit, et conualescens ab infirmitate, multo deinceps tempore uixit; totoque ad Deum corde et opere conuersus, omnibus, ubicumque perueniebat, clementiam pii Conditoris et fidelis eius famuli gloriam praedicabat.’ 578 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 3, 23. Ed. Spitzbart, Bd. 1, 276 f.: (…) ut ad ipsum monasterium tempore mortalitatis adueniens, tactus ibidem infirmitate corporis obiret. (…) Qui libenter a suis fratribus et conmilitonibus suscepti, omnes ibidem superueniente praefatae pestilentiae clade defuncti sunt, excepto uno puerulo, quem orationibus patris sui a morte constat esse seruatum.

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„In dieser Zeit [664] standen an der Spitze des Landes der Ostsachsen nach Swithhelm, von dem wir oben gesprochen haben, die Könige Sighere und Sebbi, wenn sie auch selbst dem König der Mercier, Wulfhere, untertan waren. Als dieses Land dann vom Unheil der oben erwähnten Seuche heimgesucht wurde, fiel Sighere mit seinem Teil des Volkes nach Ablegung der Sakramente des christlichen Glaubens von Gott ab. Da der König selbst und die meisten aus Volk und Adel dieses Leben liebten und das zukünftige nicht suchten und auch nicht an dessen Bestand glaubten, begannen sie Tempel, die vernachlässigt worden waren, wiederherzustellen und Götzenbilder zu verehren, als ob sie damit vor der Seuche geschützt werden könnten. […] und freuten sich, den Namen Christi, dem sie widersprochen hatten, zu bekennen, da sie lieber bei ihm im Glauben an die Auferstehung sterben als unter Götzen im Schmutz des Unglaubens leben wollten.“579

Als chronologischen Fixpunkt seiner Einordnung verwendete Beda mehrfach die Sonnenfinsternis des Jahres 664 – die erste „genuin englisch“580 dokumentierte Eklipse – für die als Zeitpunkt der 1. Mai 664 gegen 17:00 Uhr (TD) berechnet wurde, wobei der Kernschatten genau über England verlief.581 Die Epidemie fand also nach dem 1. Mai 664 statt und noch vor dem Tod des sechsten Bischof von Canterbury, Deusdedit, am 14. Juli. „Als der Priester Wigheard nach Rom kam, dessem apostolischen Stuhl zu jener Zeit Vitalian582 vorstand, und dem genannten apostolischen Papst den Grund seiner Reise dargelegt hatte, wurden kurz darauf sowohl er selbst als auch fast alle Gefährten, die mit ihm gekommen waren, von einer überraschenden Pest (pestilentia) hinweggerafft.“583 Nachdem Beda hier zunächst also den Tod kirchlicher Würdenträger erwähnt hat, kommt er an anderer Stelle auch auf die weltlichen Opfer der Epidemie zu sprechen: „Eorcenberht, König der Kenter starb, und Colman kehrte mit den Iren zu den Seinen zurück, und die Pest kam, und Chad und Wilfrid

|| 579 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 3, 30. Ed. Spitzbart, Bd. 1, 308 f.: Eodem tempore prouinciae Orientalium Saxonum post Suidhelmum, de quo supra diximus, praefuere reges Sigheri et Sebbi, quamuis ipsi regi Merciorum Uulfheri subiecti. Quae uidelicet prouincia cum praefatae mortalitatis clade premeretur, Sigheri cum sua parte populi, relictis Christianae fidei sacramentis, ad apostasiam conuersus est. Nam et ipse rex et plurimi de plebe siue optimatibus, diligentes hanc uitam, et futuram non quaerentes, siue etiam non esse credentes, coeperunt fana, quae derelicta erant, restaurare, et adorare simulacra, quasi per haec possent a mortalitate defendi. (…) aperirent ecclesias, ac nomen Christi, cui contradixerant, confiteri gauderent, magis cum fide resurrectionis in illo mori, quam in perfidiae sordibus inter idola uiuere cupientes. Quibus ita gestis, et ipsi sacerdotes doctoresque eorum domum rediere laetantes. 580 Schove/Fletscher, Chronology (1987), 128–131. 581 Saroszyklus 97: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/5MCSEmap/0601-0700/664-05-01.gif (31.3.2016). 582 Vitalianus († 672), Papst 657–672. Vgl. Pulsfort, Vitalian (1997), 1515–1517. 583 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 4, 1. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 316 f.: Anno memorato praefatae eclypsis et mox sequentis pestilentiae (…) Deusdedit VIus ecclesiae Doruuernensis episcopus obiit pridie Iduum Iuliarum. (…) Qui ubi Romam peruenit, cuius sedi apostolicae tempore illo Uitalianus praeerat, postquam itineris sui causam praefato papae apostolico patefecit, non multo post et ipse, et omnes pene qui cum eo aduenerant socii, pestilentia superueniente deleti sunt.

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wurden zu Bischöfen der Northumbrier geweiht.“584 Das große Sterben des Jahres 664 wird auch in irischen Annalen genannt, deren Nachricht könnte aber auch ihren Ursprung in der Darstellung Bedas haben.585 Nach den Annalen von Bury S. Edmund kam es 669 zu einem großen Sterben.586 Theophilus von Edessa erwähnt in seiner Chronik zum Jahr 676/677 gleich drei große Ereignisse, zunächst eine Epidemie, die Ägypten heimsuchte, dann ein Zeichen am Himmel und eine große Heuschreckenplage in Syrien und Mesopotamien.587 Nach der Chronik der Schottentrat im Jahr 676 eine sehr schwere Lepraerkrankung auf, die mit dem Begriff Bolgach bezeichnet wurde.588 Den Beginn eines vor allem Kinder betreffenden Sterbens stellten irische Annalen zu 678, schottische Quellen zum Oktober 679. Diese Epidemie soll auch im Jahr 680 fortgedauert haben.589 Nach der im Liber Pontificalis enthaltenen Vita des Agatho kam es im Jahr 680 „am 18. Tag des Juni in der 8. Indiktion [680] zu einer Mondfinsternis. Weiterhin gab es in den Monaten Juli, August und September eine große Sterblichkeit in Rom, viel ernster als es aus anderen Pontifikaten berichtet wird, sodass Eltern mit ihren Kindern sowie Brüder mit ihren Schwestern in Paaren auf Bahren zu den Gräbern gebracht wurden. Danach kam es zu Verwüstungen in den Vororten und befestigten Städten rundum.“590 Auch hier können wir nicht auf die Ursache des Sterbens schließen. Im Jahr 688 soll die Pest (bubonic plague) gnadenlos Opfer gefordert haben.591

|| 584 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, 5, 24. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 540 f.: Anno DCLXIIII eclypsis facta; Earconberct rex Cantuariorum defunctus, et Colman cum Scottis as suos reuersus est; et pestilentia uenit; et Ceadda ac Uilfrid Nordanhymbrorum ordinantur episcopi. 585 Annals of Clonmacnoise, ad a. 664. Ed. Murphy, 106 f.: There was great mortality through the whole kingdom which began in Moyith the first of August this yeare; ebd., 107: The mortality continued still. 586 Annales S. Edmundi, ad a. 669. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 119: Agatho papa. Eclipsis lune. Mortalitas gravissima. 587 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 676–677. Ed. Hoyland, 169 [Theophanes]: A plague occurred in Egypt. A sign appeared in the sky on a Saturday. There was a great plague of locusts in Syria and Mesopotamia 588 Chronicum Scotorum, ad a. 676. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 107: A very serve leprosy, which is called “Bolgach“. 589 Annals of Clonmacnoise, ad a. 678. Ed, Murphy, 109: Here beginneth the mortality of Children. Chronicum Scotorum, ad a. 679. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 107: Beginning of the mortality of the children in the month of October. ebd., ad a. 680, Rolls series 46, 107: Mortality of children. 590 Liber Pontificalis, 81. Agatho (678–681), 16. Ed. Duchesne, Bd. 1, 350; Book of pontiffs. Ed. Davis, 76: Huius temporibus, indictione VIII, luna eclypsin pertulit mense iunio, die XVIII. Similiter et mortalitas maior atque gravissima subsecuta est mense suprascripto, iulio, augusto, septembri, in urbe Roma, qualis nec temporibus aliorum pontificum esse memoratur; ut etiam parentes cum filiis atque fratres seu sorores binati per lecta ad sepulchra deducerentur. Postmodum vero foras circumquaque suburbana et castra devastare non cessavit. 591 Chronicle of 754, 41. Conquerors and Chroniclers. Ed. Wolf, 127: Moreover bubonic plague spread mercilessly at this time.

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Eine von 696 bis 698 dauernde dreijährige Hungersnot und eine Epidemie sollen 698592 oder 700 bis 702 so schlimm gewesen sein, dass die Menschen einander aufgegessen hätten.593 Im Jahr 705 trat eine Epidemie einer Baccach genannten Erkrankung, die mit Durchfall (dysentrie) einherging, in Irland auf.594

4.4.3 Epidemien beim Menschen im 8. und 9. Jahrhundert Nach den unterschiedlichen Überlieferungssträngen der Quelle des Theophilus von Edessa soll im Jahr 700 eine so große Epidemie geherrscht haben, dass ein Drittel der Weltbevölkerung daran verstarb.595 Diese hohe Zahl ist der Apokalypse des Johannes entnommen, wo während der Sechsten Posaune596 ein Drittel der Menschheit getötet wird und sich die übrigen dennoch nicht bekehren wollen. Über die Ereignisse des Jahres 717 in Konstantinopel berichtet der Liber Pontificalis: „Währenddessen nahm der unaussprechliche Agareni Konstantinopel für zwei Jahre ein, aber Gott war gegen ihn und eine größere Zahl dort starb durch Hungersnöte und Krieg und sie fielen zurück in Verwirrung, dann wurde Leo Kaiser. Es wird gesagt, dass von der Stadtbevölkerung 300.000 beiderlei Geschlechts und jeden Alters durch Lebensmittelmangel und Pest getötet wurden.“597 Dazu hielt auch Paulus Diaconus fest: „Im gleichen Zeitraum gingen die Sarazenen mit unübersehbarer Streitmacht gegen Konstantinopel vor, schlossen es ein und belagerten es drei Jahre hindurch, bis sie – die Einwohner flehten inständig zum Herrn – durch Hunger, Kälte, Kriegshandlungen und Seuchen dezimiert wurden und so entmutigt von der Belage-

|| 592 Chronicum Scotorum, ad a. 696. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 113: Famine and pestilence prevailed during three years in Hibernia, to that degree that man ate man. 593 Annals of Ulster, ad a. 700–702. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 159–161: Famine and pestilence prevailed in Ireland for three years, so that man ate man. Annals of Tigernach, ad a. 700–702. Ed. Stokes, Bd. 1, 216: Hunger and pestilence for three years in Ireland so that a man would eat a man. 594 Chronicum Scotorum, ad a. 705. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 117: The plague which is called the Baccach, whith dysentery in Hibernia. 595 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 700. Ed. Hoyland, 193 [Theophanes]: There was a great plague. ebd., 193 [MSyr]: There was a great plague to the extent that a third of the people of the world wiped off the face of the earth. 596 Offb 9,13-21. 597 Liber Pontificalis, 91. Gregor II. (715–731), 11. Ed. Duchesne, Bd. 1, 402; Eighth-century popes. Ed. Davis, 9: Illis interea diebus Constantinopolim biennio est a nec dicendis Agarensis obessa. Sed Deo eis contrario maxima illic eorum parte fame ac bello interempta confusi recesserunt, Leone principe. Nam et eiusdem civitatis populum recenta dictum est milia diversae aetatis fuissent vastatum pestilentiae.

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rung ließen. (…) In Konstantinopel aber starben 300.000 Einwohner an einer Epidemie.“598 Die in beiden Quellen erwähnte Zahl von 300.000 Epidemieopfern erscheint sehr hoch, da die geschätzte Einwohnerzahl für Konstantinopel zwischen dem 6. und dem 12. Jahrhundert wohl zwischen 100.000 und 400.000 Einwohnern lag. Nach den Überlieferungen der Chronik des Theophilus von Edessa kam es im Jahr 725/726 zu einem schweren Epidemieausbruch in Syrien und Mesopotamien, bei der die Menschen unter verschiedenen Pusteln und Geschwüren zu leiden hatten.599 Theophanes der Bekenner überliefert zum Jahr 733 „eine Seuche in Syrien, an der viele starben.“600 Vom September 745 bis zum Sommer 748 soll eine Seuche in Konstantinopel gewütet haben: „In der 14. Indiktion [ab Sept. 745] kam, nach Theophanes, die Krankheit von Italien zu den griechischen Inseln und ergriff in der 15. Indiktion auch die Hauptstadt.“601 Der Fortsetzer der Chronik Bedas vermerkte zum Jahr 759, dass in Aethelwalds602 zweiten Regierungsjahr (760) „große Drangsal durch Sterblichkeit entstand und fast zwei Jahre lang blieb, denn es wüteten verschiedene grausame Krankheiten, vor allem eine ruhrartige Seuche“.603 Als Ende der sogenannten „Justinianischen Pest“ wird in der Literatur bisher die Zeit um das Jahr 770 angegeben. Aber auch danach traten im Mittelalter weiterhin Epidemien auf, von denen jedoch nicht angenommen wird, dass sie durch einen Pesterreger (Yersinia pestis) ausgelöst wurden. Die vom 9. bis 11. Jahrhundert auftretenden Epidemien könnten auf andere Erkrankungen wie Ruhr oder Pocken zurückgehen, aber auch auf Mangelerkrankungen durch Hunger bzw. Vitamin-C-Mangel wie Skorbut verursachten. In Irland kam es im Jahr 783 nach irischen Annalen zu einer allgemeinen Erkrankung, die Kawagh genannt wurde.604

|| 598 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 6, 47. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 181; Ed. Schwarz, 332 f.: Hoc etiam tempore eadem Sarracenorum gens cum inmenso exercitu veniens, Constantinopolim circumdedit ac continuo per triennium obsedit, donec, civibus multa instantia ad Deum clamantibus, plurimi eorum fame et frigore, bello pestilentiaque perirent, ac sice pertaesi obsidionis abscederent. (…) Intra Constantinopolim vero trecenta milia hominum pestilentia interierunt. 599 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 725–726. Ed. Hoyland, 226 [Theophanes]: There was a plague in Syria. ebd., 226 [Agapius]: There was a severe plague in Syria; various pustules and ulcers afflicted people. ebd., ad a. 725–726, 226 [MSyr]: There was a deadly outbreak of plague in many lands, especially Mesopotamia. 600 Theophanes der Bekenner, ad a. 733, in:Bilderstreit. Ed. Breyer, 47. 601 Byzantinische Kleinchroniken. Ed. Schreiner, Bd. 2, 86. 602 Æthelwald Moll, Kg. v. Northumbria 759–765. Vgl. Keynes, Kings of Northumbria (2001). 603 Continuatio Bedae, ad a. 759. Ed. Spitzbart, Bd. 2, 1982, 550 f.; Simeon von Durham. Ed. Whitelock, 260: (…) cuius secundo anno magna tribulatio mortalitas uenit et duobus ferme annis permansit, populantibus duris ac diuersis egritudinibus, maxime tamen dysentriae languore. 604 Annals of Clonmacnoise, ad a. 783. Ed. Murphy, 126: There was a Generall Disease in the kingdom this yeare called the Kawagh.

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Im Jahr 801 trat nach Erdbeben und Krieg im fränkischen Reich in der Rheingegend eine pestilentia magna unter den Menschen und Viehherden mit großer Mortalität auf,605 so die Annales Lobienses.606 Nach irischen Annalen herrschte im Jahr 803 eine große Epidemie im ganzen Königreich, nach der schottischen Chronik war dies im Jahr 806 der Fall.607 Der Verfasser der Annales Weissenburgenses berichtet, dass Fulda 807 von einem schweren Sterben heimgesucht wurde, ohne allerdings Ursachen zu nennen.608 Das Chronicum Scotorum überliefert zum Jahr 814 „eine große Bedrängnis und eine schwere Krankheit.“609 823 soll laut den Annales Fuldenses die Ernte zerstört worden sein, worauf eine Epidemie und ein großes Sterben der Menschen folgten.610 Wiederum ist es das Chronicum Scotorum, das zum Jahr 825 eine große Epidemie in Irland unter den Alten und Gebrechlichen erwähnt. Hinzu kamen eine Hungersnot und ein Mangel an Brot, was zu Plünderungen führte.611 Zum Jahr 836 berichtet der sogenannte Astronomus in seiner Vita Hludowici, dass „der Auftrag des Kaisers nicht ausgeführt werden konnte, weil eine Fieberkrankheit ausbrach, der Wala erlag und die Lothar auf das Krankenlager warf und ihn längere Zeit schwächte.“612 Zum folgenden Jahr vermerkte derselbe Autor: „Es ist schrecklich zu berichten, was für ein Sterben um diese Zeit das Volk befiel, welches Lothar gefolgt war. Binnen Kurzem [72 Tage], vom 1. September bis zum Fest des heiligen Martin [11. November], starben folgende seiner Adeligen: der frühere Bischof Jesse von Amiens, Bischof Elias von Troyes, Abt Wala von Corbie, Matfried, Hugo [von Tours], Lambert [von Nantes], Gottfried und dessen gleichnamiger Sohn, Graf Agimbert von Perthois und der ehemalige königliche Jägermeister Burgarit; Richard entging knapp dem Tode, starb aber bald darauf auch. Durch ihr

|| 605 Laubender, Seuchen-Geschichte (1811), 16; Eichbaum, Grundriss (1885), 46; Newfield, Contours (2010), 198 f. 606 Annales Lobienses, ad a. 801. Ed. Waitz, MGH SS 13, 230: In Germania quoque et Gallia quaedam loca propter Rhenum tremuerunt, et pestilentia magna hominum et peccorum propter mollitiem hiemis estitit. 607 Annals of Clonmacnoise, ad a. 803. Ed Murphy, 129: There was a great pestilence all ouer the kingdome this yeare. Chronicum Scotorum, ad a. 806. Ed. Hennessy, 125: Great pestilence in Erinn this year. 608 Annales Weissenburgenses, ad a. 807. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 21: Mortalitas maxima facta est in Fulda. Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 807. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 20: Mortalitas maxima facta est in Fulda. 609 Chronicum Scotorum, ad a. 814. Ed. Hennessy, 129: great tribulation and heavy disease. 610 Annales Fuldenses, ad a. 823. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 23: Et in multis regionibus [fruges] grandinis vastatione deletae atque in quibusdam locis simul cum ipsa grandine veri lapides atque ingentis ponderis decidere visi. Domus quoque de caelo tactae hominesque ac cetera animalia passim fulminum ictu praeter solitum crebro exanimata dicuntur. Secuta est ingens pestilentia atque hominum mortalitas magna. 611 Chronicum Scotorum, ad a. 825. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 133: A great pestilence in Hibernia among the old and infirm. Great famine and scarcity of bread. 612 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 55. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 506 f.: Sed ne mandatum imperatoris ad effectum perduceretur, morbus febrisque intercessit, et Uualam quidem rebus humanis abduxit, Hlotharium vero lectulo diciens maximo tempore languere fecit.

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Hinscheiden wurde, wie es hieß, das Frankenreich seines Adels beraubt, seine Stärke wie durch das Zerschneiden der Sehnen zerstört und seine Klugheit vernichtet. Indem er sie wie durch ein zweimal wütendes Schwert zugrunderichtete, zeigte Gott, wie heilsam und klug es ist, auf seine Worte zu achten, die er selbst gesprochen hat: ‚Der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit, der Starke rühme sich nicht seiner Stärke, der Reiche rühme sich nicht seines Reichtums.‘613 Wer aber könnte genug des Kaisers Haltung bewundern, die Mäßigung, welche er durch Gottes Gnade bewahrte? Als er nämlich vom Sterben erfuhr, frohlockte er nicht, noch höhnte er über den Tod seiner Feinde, sondern schlug sich an die Brust und bat Gott mit tränenerfüllten Augen und unter tiefen Seufzern, ihnen gnädig zu sein.“614

Zum Jahr 842 erwähnen die Fragmente des Chronicon Fontanellense ein schweres Husten, an dem viele gestorben seien.615 Die Xantener Annalen überliefern zum Jahr 857 für die niederrheinischen Gebiete: „Es wütete eine große Plage mit Anschwellungen und Blasen unter dem Volk und raffte es durch eine abscheuliche Fäulnis hinweg, sodass Glieder sich ablösten und vor dem Tode abfielen. Eine große Plage an Eiterbeulen verbreitete sich unter den Leuten und raffte sie in abscheulicher Fäulnis hin, sodass die Glieder vor dem Tode abstarben und abfielen.“616 Nach den Annales S. Benigni aus Dijon fand 869 suchte erneut eine große Hungersnot die Francia heim, woraufhin eine Sterblichkeit unter den Menschen sowie eine Seuche bei den Tieren folgte.617 Fast wortgleich lautet der Eintrag in den Annalen

|| 613 Jer 9,23. 614 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 56. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 512–515: Ea tempestate quanta lues mortalis populum, qui Hlotharium secuti sunt, invaserit, mirabile est dictu. In brevi enim, a kalendis septembribus usque ad missam sancti Martini, hii primores eius vita excesserunt: Iesse olim Ambianensis episcopus, Helias Trecassine urbis episcopus, Uuala Corbeiensis monasterii abbas, Matfridus, Hugo, Lanbertus, Godefridus, itamque filius eius Godefridus, Agimbertus comes Pertensis, Burgaritus quondam prefectus venatoribus regalibus; sed et Richardus vix evasit, non post multum et ipse moritur. Hii enim errant, quorum recessu dicebatur: Francia nobilitate orbata, fortitudine quasi nervis succisis evirata, prudential hiis obuentibus adnullata. Sed illis in morem bini seviensis subrutis ostendit Deus, quam salubre sit quamque sobrium observare, quod ex eius ore probatur procedere: Non glorietur, inquiens, sapiens in sapientia, nec fortis in fortitudine sua, nec dives in divitiis suis. Sed et imperatoris animum quis miretur digne, quanta hunc temperantia divina gubernaverit clementia? Etenim hoc suscepto nuncio, nec in se exultavit, nec morti inimicorum insultavit, sed pugno pectore tunso lacrimisque oculis oppletis, Deum illis propitium fieri cum ingenti gemitu precatus est. 615 Fragmentum Chronici Fontanellensis, ad a. 842. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Secuta est tussis validissima, de qua multi mortui sunt. 616 Annales Xantenses, ad a. 857. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 18; FSGA 6, 352 f.: Plaga magna vesicarum turgentium grassatur in populo et destabili eos putredine consumpsit, ita ut mebra dissoluta ante mortem deciderent. 617 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 869. Ed. Pertz, MGH SS 5, 38: Item fames valida, et mortalitas hominum et pestis animalium.

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des Klosters Kolbatz, sodass die Annales S. Benigni Divionensis wohl zu den Vorlagen der Annales Colbazenses gezählt werden dürfen.618 Der Verfasser der Annales Fuldenses überliefert zum Jahr 874, dass „durch Hunger und Pest, die in ganz Gallien und Germanien wüteten, fast der dritte Teil des Menschengeschlechts vertilgt wurde.“619 Dass dieser Bericht wohl nicht ohne Übertreibung ist,620 scheint angesichts der ausbleibenden Parallelüberlieferung wahrscheinlich. Zum einen ist die Hungerkatastrophe eben in keiner anderen Quelle enthalten, lediglich in den Annales Bertiniani wurde zum Jahr 874 verzeichnet, der lange Sommer habe bewirkt, dass das Gras dürr wurde und die Getreideernte unzulänglich gewesen sei.621 Ein Fortdauern einer Hungersnot, die aber nur Teile des Ostfrankenreiches betroffen habe und durch die Heuschreckenzüge des Vorjahres ausgelöst worden sei,622 wie Curschmann vermutete, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Die Nachricht über den Tod eines Drittels der Bevölkerung ist ein Topos, den der frühmittelalterliche Annalist an dieser Stelle gezielt verwendet.623 Zuvor hatte Theophilus von Edessa zum Jahr 700 von ebenso vielen Toten gesprochen, später nannte erst Cosmas von Prag zum Jahr 1074 wieder diese hohe Zahl.624 Eine Sterberate von rund 30 Prozent wurde und wird in der Literatur zum sogenannten Schwarzen Tod ebenfalls immer wieder angegeben, ist aber selbst dort nicht unumstritten.625 Die Annales Fuldenses berichten auch zum Ende des Jahres 877 von drei Epidemien: Genannt werden zunächst das „italienische Fieber“ (febris Italica) und eine Augenkrankheit, die das germanische Volk, besonders die Rheinländer befallen hätte. Weiterhin sei dem aus Italien heimziehenden Heere Karlmanns eine gewaltige Seuche gefolgt, als deren Krankheitsbild Husten genannt wird. Dies könnte auf Tuberkulose hindeuten.626 Das sogenannte italienische Fieber trat nach Heinrich Haeser in

|| 618 Annales Colbazenses, ad a. 869. Ed. Kroman, 7: Item fames et mortalitas hominum et pestis animalium. 619 Annales Fuldenses, ad a. 874. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 83; FSGA 7, 96 f.: Hoc anno fame et pestilentia per universam Galliam et Germaniam grassantibus pene tercia pars humani generis consumpta est. 620 Kulischer/Kulischer, Kriegs- und Wanderzüge (1932), 86 Anm. 109. 621 Annales Bertiniani, ad a. 874. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ 5, 125; FSGA 6, 232–234: Aestas longa siccitatem foeni et messium inopiam reddidit. 622 Curschmann, Hungersnöte (1900), 100–103. 623 Vgl. dazu Kap. 5.1.6 Die Folie der Topoi des Fuldaer Annalisten. 624 Cosmas von Prag, Chronicon Boemorum, ad a. 1043. Ed. Bretholz, MGH SS rer. Germ. N. S. 2, 100: Anno dominicae incarnationis MXXXXIII. Tanta fames fuit in Boemia, ut tercia pars populi interiret fame. 625 Nohl, Der schwarze Tod (1924), 40; Vasold, Die Pest (2003), 11, 115–118, 122 f. gibt die Zahl der Pesttoten mit zehn Prozent an. 626 Annales Fuldenses, ad a. 877. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 90; FSGA 7, 106 f.: In hoc anno febris Italica dolorque oculorum Germanicum populum graviter vexavit, maxime circa Rhenum habitantes; pestilentia quoque ingens secuta est exercitum Carlmanni de Italia redeuntem, ita ut plurimi tussiendo spiritum exalarent.

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den Jahren 876, 877, 888 und 927 auf.627 Er fasste dazu die drei in den Fuldaer Annalen getrennt genannten Erkrankungen zu einer Krankheit zusammen. Der Annalist, und diesem folgend später Hermann von Reichenau,628 hatte jedoch die Symptome nacheinander aufgezählt, ohne sie sprachlich miteinander in Verbindung zu setzen. Der in den Annales Fuldenses zum Jahr 882 überlieferte Bericht, wonach „im Verlauf von so vielen Tagen Belagerung zur Sommerzeit das so große Heer in Folge der Verwesung der Gefallenen von Krankheit ergriffen und mit Ekel erfüllt wurde, und die Eingeschlossenen unter ähnlichen Beschwerden zu leiden hatten,“629 bezieht sich auf eine durch Belagerung und Krieg verursachte Krankheit. Welche Epidemie hier ausgebrochen war, lässt sich mangels Beschreibung der Symptome der Krankheit nicht rekonstruieren. Und wieder war es der Verfasser der Fuldaer Annalen, der zu 889 vermerkte: „Eine schwere Zeit brach nun wieder in diesem Jahre herein. Denn das italienische Hustenfieber ergriff sehr viele, Überschwemmungen wuchsen mehr als gewöhnlich an, Fehden im eigenen Volk erschütterten ringsum die Gegenden, Pest hie und da und unvermutete Hungersnot drückte übermäßig schwer. Da aber der Hagel die Feldfrüchte zerschlagen hatte, litten die Menschen jämmerlichen Mangel an Getreide.630

4.4.4 Epidemien beim Menschen im 10. Jahrhundert Zwar gibt das Chronicum Scotorum für das Jahr 906 eine große Sterblichkeit an,631 erwähnt aber keine Hungerkatastrophe, sodass vielleicht eher von einer Epidemie ausgegangen werden muss. Nach irischen Annalen grassierte im Jahr 917 eine schwere Seuche in Irland, nach den schottischen im Jahr 920.632 Ekkehard erwähnt in den Casus S. Galli zum Jahr 917 das „italienische Fieber“.633

|| 627 Haeser, Historisch-pathologische Untersuchungen (1839), 107 f. 628 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 877. Ed. Pertz, MGH SS 5, 107: Febris italica, tussis et color oculorum. 629 Annales Fuldenses, ad a. 882. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 97–100; FSGA 7, 132 f.: Igitur per tot dies obsidens tam magnus exercitus, aestivo in tempore propter putredinem cadentium hominum aegritudine correptus ac pertsus est. Nec minus inclusi simili molestia premebantur. 630 Annales Fuldenses, ad a. 889. Ed. Kurze, MGH SS 7, 119 f.; FSGA 7, 148 f.: Grave igitur tempus hoc anno incanduit. Nam Italica febris tussiendo perplurimos vexabat, inundationes aquarum plus solito excrevere, civilia bella circumquaque regiones conquassantur, pestilentia sparsim ac fames inopinata ultra modum incubuit. Grandine vero contritis frugibus mortales inopiam frugum cum miseria patiuntur. 631 Chronicum Scotorum, ad a. 906. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 181: A year of mortality. 632 Annals of Clonmacnoise, ad a. 917. Ed. Murphy, 147: There reigned a great plague in Ireland this yeare. Chronicum Scotorum. Ed. Hennessy, ad a. 920, 193: Great pestilence in Hibernia. 633 Ekkehardi IV Casuum s. Galli Contiunatio, ad a. 917. Ed. von Arx, MGH SS 2, 89: Parvo autem post tempore, confectus italica febre, cruce non exacta diem obiit [anno 913]

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Flodoard von Reims berichtet zum Jahr 924, dass „die Ungarn, welche die Gothia geplündert hatten, von einer Seuche heimgesucht wurden, die Durchfall verursachte und ein Anschwellen des Kopfes; und nur wenige überlebten.“634 Wiederum ist es Flodoard, der in seinen Annalen zu einem Sonntagmorgen im März 927 feurige Schlachtenreihen am Himmel über Reims schildert. Auf dieses Zeichen soll sofort eine Seuche mit Fieber und Husten gefolgt sein, aufgrund welcher in der Germania und Gallia viele starben.635 Fieber und Husten deuten hier auf Tuberkulose. Nach der schottischen Chronik starb im Jahr 933 Gothfried, König der Fremden an einer sehr schmerzhaften Erkrankung.636 Flodoard von Reims überliefert zum Jahr 934: „Über Reims wurde kurz vor Sonnenaufgang am 14. Oktober eine Linie von Feuer am Himmel gesehen, die in verschiedene Richtungen lief, auch Feuerschlangen und eiserne Speere wurden im Himmel gesehen. Eine Epidemie folgte kurz darauf, unter der die Menschen mit verschiedenen Beschwerden litten. Bei Adelmarus, einem Diakon aus Verdun, der ermattet und krank war, sah man, wie sein Geist ihn verließ, aber bevor er auf eine Bahre gelegt wurde, kehrte er zurück. Er erhob sich, als sei er niemals krank gewesen. Er bezeugte, mehrere Orte des Gebets und der Labsal gesehen zu haben und als er zu einem Ort der Strafe verurteilt wurde, wurde er durch das Gebet der Gottesmutter und die Fürbitte des gesegneten Martin in sein Leben zurückgeschickt, um Buße zu tun.“637 Eine ähnliche Beschreibung findet sich auch bei Richer von Reims, nach der im Jahr 934 „über Reims feurige Heerscharen am Himmel gesehen wurden und blutrote Flammen schossen wie Wurfspeere oder wie Schlangen durch die Luft. Es brach auch bald darauf [935] eine ansteckende Krankheit aus, die sich durch Blattern am menschlichen Körper kundtat, und an der unzählige Menschen starben. Und nicht lange danach verstarb auch der König [Rudolf v. Burgund]638. Denn da während des Herbstes melancholische Zustände bei den Kranken überhand

|| 634 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 924. Ed. Lauer, 26; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 12: Hungari qui Gothiam vastabant, pestem quandam perpessi, dapitum inflatione ac dissinteria pene cuncti, paucis evadentibus, nuntiantur esse consumpti. 635 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 927. Ed. Lauer, 37; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 16: Acies igneae Remis in caelo mense Martio mane quadam die dominica visae; cui signo pestis e vestigio successit, quasi febris et tussis, quae mixta quoque mortalitate in cunctas Germaniae Galliaeque gentes irrepsit. 636 Chronicum Scotorum, ad a. 933. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 201: Gothfried, King of the Foreigners, died of a most grievous disease. 637 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 934. Ed. Lauer, 59; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 24 f.: Igneae Remis in caelo acies visae sunt discurrere, et quasi serpens igneus, et quaedam iacula ferri pridie Idus Octobris mane ante lucis exortum. Mox subsecuta est pestis, diversis afficiens humana corpora morbis. Diaconus quidam Virdunensis nomine Adelmarus langore depressus, spiritum visus est amisisse; sed antequam feretro imponeretur, reversus, ita surrexit validus, ut sibi nihil videretur aegritudinis fuisse perpessus. Qui se diversa suppliciorum vel refrigerii loca vidisse testatur, seque ipsum loco poenali deputatum, Dei vero genitricis precibus, beato quoque Martino intercedente, ad agendam poenitentiam praesenti vitae redditum. 638 König Rudolf von Burgund (vor 890–936) verstarb am 14. Januar 936 in Auxerre.

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nahmen, lag auch der König den ganzen Herbst hindurch darnieder an der Cacocexie [Kacherie], was man als einen allgemeinen Krankheitszustand des Körpers bezeichnen kann, und da die bösen Säfte überhand nahmen, verließen ihn seine Kräfte, und er schied aus diesem Leben.“639

Nach den Annalen von Clonmacnoise sollen die Pocken im Jahr 947 ganz Irland heimgesucht haben.640 Andere irische Annalen dokumentieren eine Seuche zum Jahr 949, die überwiegend bei Fremden ausgebrochen sei. Dabei fällt auf, dass eine ähnliche, auf Fremde beschränkte Epidemie641 in Schottland im Jahr 1015/16 aufgetreten sein soll.642 Auch von Elefantiasis lesen wir bei Flodoard zum Jahr 954: „König Ludwig […] verließ Laon und ging nach Reims, wo er sterben wollte. Bevor er den Fluss Aisne erreichte, erschien ein Wolf vor ihm. Er gab seinem Pferd die Sporen, um ihn zu verfolgen, stürzte vom Pferd und wurde schwer verletzt nach Reims gebracht. Dort lag er lange krank darnieder. Die Krankheit der Elefantiasis befiel ihn, die seinen Körper verzehrte, sodass er starb und [im Kloster] des hl. Remigius begraben wurde.“643 Auch im Jahr 956 verbreitete sich, laut Flodoard von Reims eine Seuche über die Germania und Francia, an der viele ernsthaft krank wurden und starben. Erzbischof Robert von Trier, Baldericus [Bischof von Liège] und zwei andere Bischöfe starben unmittelbar an dieser Seuche.644 Auch der Fortsetzer der Chronik Reginos von Prüm erklärt zum Jahr 956, dass in dieser Zeit eine schwere Seuche alle Teile des Königreiches heimsuchte und Unzählige starben, auch Ruodbertus, der Erzbischof von Trier und Hadamarus, der Fuldaer Abt.645 || 639 Richer von Saint-Remy, Historiae, 1, 65. Ed. Hoffmann, MGH SS 38, 96: Hac quoque tempestate, ignee Remis in celo acies vise, et flamme sanguinee, quasi iacula aut serpents, discurrere. Mox quoque subiit et pestis, papulis erysipilatis innumeros enecans. Nec multo post et Regis defectus subsecutus. Nam cum autumnali tempore melancholia in patientibus redundaret, cacocexia, quod Latini malam corporis habitudinem dicunt, toto autumno detentus est. 640 Annals of Clonmacnoise, ad a. 947. Ed. Murphy, 156: The pox ran over all Ireland this yeare. 641 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 949. Ed. O’Donovan, 667: Great lues and bloody flux among the foreigners of Ath-cliath. 642 Chronicum Scotorum, ad a. 1015/16. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 252: A disease of the legs among the foreigners, and a plague of rats among the foreigners and the Laigin. 643 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 954. Ed. Lauer, 138; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 58 f.: Ludowicus rex egressus Lauduno, Remensem, velut ibi moraturus, repetit urbem. Antequam vero ad Axonam fluvium perveniret, apparuit ei quasi lupus praecedens; quem admisso insecutus equo, prolabitur, graviterque attritus Remos defertur, et protracto langore decubans, elefantiasi peste perfunditur. Quo morbo confectus, diem clausit extremum, sepultusque est apud sanctum Remigium. 644 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 956. Ed. Lauer, 142; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 62: Moxque pestilentia super Germaniam omnemque Galliam effusa, interiere nonnulli, plures gravi sunt langore confecti. Rotbertus Trevirensis episcopus, et Baldericus, et duo alii episcopi ex ea peste sine mora defuncti sunt. 645 Adalbert, Continuato regionis, ad a. 956. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 168 f.: Ea tempestate gravis per omnes regni partes pestilentia grassabatur, quae innumeram populi multitudinem passim extinxit, ex qua Ruodbertus, archiepiscopus Treverensis, et Hadamarus, abbas Fuldensis, obierunt.

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Im Jahr 962 wütete in Angelsachsen eine Krankheit (faercwelam) so stark, dass dies zum Anlass für den Erlass eines sehr kirchenfreundlichen Gesetzes genutzt wurde.646 Darin heißt es im Prolog: „Hier in dieser Urkunde ist kundgetan, wie König Eadgar [943/944–975] beriet, was zur Besserung [dienen] könnte bei dem plötzlichen Sterben, welches sein Volk sehr quälte und weithin über sein Gebiet verminderte.“647 In Reaktion auf die schwere Erkrankung großer Bevölkerungsteile wurde der Kirchenzehnt wieder eingeführt, „dass derartiges Unglück verdient sei durch Sünden und durch Ungehorsam gegen Gottes Gebote, und hauptsächlich durch die Entziehung jener Pflichtabgabe, welche Christenmenschen Gott in ihren Zehntgeldern leisten sollen.“648 Der Fortsetzer der Chronik des Prümer Abtes berichtet zum Jahr 964 von einer Epidemie und einem Sterben, welche das Heer heimgesucht hätten. Daran starben Erzbischof Heinrich I.649 von Trier, Abt Gerricus von Würzburg und Herzog Gottfried I.650 von Niederlothringen sowie viele weitere Adelige und Nichtadelige (nobilium quam ignobilium).651 Als Kaiser Otto II. (Otto imperator iunior) im Jahr 977 in Böhmen große Teile des Landes verwüstete, wurde sein Heer von einer schweren Krankheit (lues dissenterie) heimgesucht.652 Das Chronicum Scotorum überliefert zum Jahr 985 Nachrichten über eine „magische“ Sterblichkeit bei den Bewohnern Ostirlands, die von Dämonen gebracht worden sei.653 Eine Nachricht zum selben Ereignis, aber mit einer Datierung zu 986 liefern

|| 646 Gesetze der Angelsachsen. Ed. Liebermann, Bd. 2, 608. 647 Gesetze der Angelsachsen. Ed. Liebermann, Bd. 1, 207: In huius litterature continentur serie, quemadmodum rex inclitus Eadgar diligenter cepit perquirere et inuestigare, quid ad remedium ualeret incommoditati publice, morti scilicet subitanee, que suam longe latéque patriam uexabat graui peste. 648 Gesetze der Angelsachsen. Ed. Liebermann, Bd. 1, 207: Et uisum est sibi et cunctis obtimatibus regni sui, ob diuinorum transgressionem mandatorum contingere huius euentum rei, et maxime quod homines, uere fidei agnitionem habentes, Deo persoluere recusabant rerum suarum decimationes. 649 Heinrich I. († 3. Juli 964 in Rom), Ebf. v. Trier 956–964. Vgl. Ries, Heinrich I. (1969), 402 f. 650 Gottfried I. (* 940/945; † Sommer 964 in Rom), Hzg. v. Niederlothringen 959–964. Vgl. Reindel, Gottfried (1964), 661. 651 Adalbert, Continuato regionis, ad a. 964. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 174: Nam tanta exercitum eius pestis et mortalitas invasit, ut vix vel sanus quis a mane usque ad vesperam, vel a vespera usque ad mane se victurum speravit. Ex qua pestilentia obierunt Heinricus, archiepiscopus Treverensis, et Gerricus, abbas Witzenburgensis, et Godefridus, dux Lothariensis, aliorumque innumera multitudo, tam nobilium quam ignobilium. Tandem miseratione divina pestilantia cessante, imperator in Liguriam pervenit, ibique autumnali tempore pace et otio vacans, se venationibus exercitavit. 652 Annales Altahenses maiores, ad a. 977. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 13: Lues autem dissenterie exercitum multum vastabat. 653 Chronicum Scotorum, ad a. 985. Ed. Hennessy, 231: A magical colic was brought on by Demons in the east of Erinn, which caused a great mortality of people; and they were plainly before men’s eyes.

Epidemische Erkrankungen bei Menschen | 655

die späten Annals of the Four Masters, die von einer über- oder außernatürlichen Krankheit sprechen.654 Zum Jahr 993 wird erneut von einer Mortalität in Irland berichtet.655 Die Hildesheimer Annalen überliefern eine ungewöhnliche Trockenheit und Hitze für die Zeit vom 24. Juni bis zum 9. November 993, die fast den ganzen Sommer und den ganzen Herbst dauerte. Unzählige Früchte hätten bei der Sonnenglut nicht einmal ihre Reife erreicht, danach folgte eine große Kälte und es fielen große Schneemengen und eine große Krankheit und Sterblichkeit kam über die Menschen.656

4.4.5 Epidemien beim Menschen im 11. Jahrhundert Die zum Jahr 1007 von den St.-Galler Annalen erwähnte Erkrankung, an der viele Menschen starben,657 findet sich auch in der Geschichte Venedigs des Johannes Diaconus (940/5–1018).658 Im Jahr 1009 wurde Mitteleuropa nach den Quedlinburger Annalen von einer Krankheit und einem großen Sterben heimgesucht.659 Nach irischen Annalen trat in Irland zwischen dem 1. November 1011 und Mai 1012 eine Epidemie auf.660 Simeon von Durham vermerkte, dass viele Dänen von der

|| 654 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 986. Ed. O’Donovan, 721 : Preternatural sickness was brought on by demons in the east of Ireland, which caused mortality of men plainly before men’s eyes. 655 Chronicum Scotorum, ad a. 991. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 235: A great mortality at Cluainmuc-Nois. 656 Annales Hildesheimenses, ad a. 993. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 26: Et inde a nativitate sancti Iohannis baptistae usque in 5. Id. Novembr. pene per omnem aestatem et autumnum siccitas nimia et fervor inmanis fuit; ita ut innumerabiles fruges non pervenirent ad temporaneam maturitatem propter solis ardorem; quo non modicum subsequebatur frigus, et magna nix cecidit, magnaque pestis simul et mortalitas hominum atque iumentorum evenit. 657 Annales Sangallenses Maiores, ad a. 1007. Ed von Arx, MGH SS 1, 81: Pestilentia gravis, quae subitanea morte populum late vastabat. 658 Johannes Diaconus, Chronicon Venetum, ad a. 1007. Ed. Pertz, MGH SS 7, 36: Eodem itaque tempore stella cometis, cuius indicium humanum semper pronunciat flagicium, in meridiano climate apparens, quam maxima per omnes Italiae seu Veneciae fines pestilentia subsecuta est. 659 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1009. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 528: Pestilentia et mortalitas graviter secutae sunt. 660 Annals of the kingdom if Ireland, ad a. 1011. Ed. O’Donovan, 765: A great malady, namely, lumps and griping, at Ard-Macha, from Allhallowtide till May, so that a great number of the seniors and students died, together with Ceannfaeladh of Sabhall, bishop, anchorite, and pilgrim; Maelbrighde Macan-Ghobhann, lector of Ard-Macha; and Scolaighe, son of Clercen, a noble priest of Ard-Macha. These and many others along with them died of this sickness. Chronicum Scotorum, ad a. 1010. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 247 f.: A great malady, viz., boils and colic, in Ard-macha, from Allhallowtide till May, so that it killed a great number of seniors and students, and their Bishop, i.e. Cennfaeladh of the Sabhall.

656 | Auswirkungen und Folgen

Epidemie betroffen gewesen seien.661 Im selben Jahr wurde auch Mitteleuropa von einer schweren Epidemie mit unerhörter Sterblichkeit heimgesucht, die Klöster, Burgen und Städte verwüstet habe.662 Im Jahr 1021 war das Heer nach den Würzburger Annalen von einem großen Sterben betroffen.663 Nach der Überlieferung der Annales Cicestrenses zeigte sich im Jahr 1032 Feuer und es trat eine Epidemie unter den Menschen auf.664 Die Annales Augustani überliefern zum Jahr 1038: „Als der Kaiser […] die Gegenden jenseits Roms durchzogen hatte und von dort längs der Küste des adriatischen Meeres zurückmarschierte, befiel im Juli eine ungeheure Seuche das Heer und raffte sehr viele ohne Unterschied der Person hinweg.665 Weiter oben wurde eine in der Zeit von 1040 bis 1048 grassierende Hungersnot dargestellt, in deren Gefolge viele Menschen aufgrund der Mangelerscheinungen starben.666 Nach den auf anderen Vorlagen beruhenden Annalen des Klosters Kolbatz fand im Jahr 1042 ein großes Sterben unter den Menschen statt.667 Auch die Chronik der Schotten überliefert für dieses Jahr eine auf einen Konflikt folgende Seuche, durch die viele Menschen und Tiere starben.668 In der Chronik des Cosmas von Prag wird erwähnt, dass im Jahr 1043 so viele Menschen an Hunger starben, dass ein Drittel der Menschen betroffen gewesen sei,

|| 661 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 1011. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 143: Interea ira Dei in homicidam populum desaeviens, ex eis duo milia per diros internorum cruciatus prostravit. Caeteri quoque simili modo percussi a fidelibus commonentur ut pontifici satisficant. Sed differunt. Praevaluit interim clades, et nunc denos, nunc vicenos, nunc plures absumpsit. 662 Annales Quedlinburgenses, ad a. 1011. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 530: Pestilentia et mortalitas inaudita tempesta ubique gentium monasteria, castella et oppida devastantes, desaeviunt. 663 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1021. Ed. Pertz, MGH SS 2, 242: (…) et mortalitas magna facta est in exercitu. 664 Annales Cicestrenses, ad a. 1032. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 90: Ignis ostenditur, et pestis hominum fuit. 665 Annales Augustani, ad a. 1038. Ed. Pertz, MGH SS 3, 125: Imperatore de Ultraromanis partibus reduente, pestilentia exercitum invasit, in qua Heinrici regis uxor cum multis periit. Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1038. Ed. Pertz, MGH SS 5, 123; FSGA 11, 672 f.: Imperator cum Ultraromanas partes peragrasset indeque per Adriatici maris oras remearet, mense Iulio ingens exercitum pestilentia invasit et plurimos passim extinxit. 666 Vgl. Kap. 4.3.5 Hungersnöte im 11. Jahrhundert. 667 Annales Colbazenses, ad a. 1042. Ed. Arndt, MGH SS 19, 714; Ed. Kroman, 8: Mortalitas magna hominum. 668 Chronicum Scotorum, ad a. 1042. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 275: Cluain-muc-Nois was plundered by the Conmaicne; but God and Ciaran inflicted vengeance on them therefor, viz., the unkown plague, so that the greater part of their people and cattle were killed.

Epidemische Erkrankungen bei Menschen | 657

was dem oben bereits erwähnten Topos entspricht.669 Die Annales Cicestrenses geben hierzu immerhin ein großes Sterben der Menschen an.670 Zu 1044 berichten irische Annalen von einer schrecklichen und unbekannten Epidemie in der Diözese von St. Queran, die alle Kleriker ungewöhnlich schnell sterben ließ.671 Hermann von Reichenau hielt in seiner kompilierten Chronik zum 1046 fest, dass „der König [Heinrich III.] das Weihnachtsfest in Sachsen zu Goslar feierte und dort ein großes Sterben allenthalben viele hinwegraffte.“672 Ähnliches überliefern die Annales S. Albani Moguntini zum Osterfest des Jahres 1099 in Regensburg.673 Zum Jahr 1059 wurde zwar in Bayern eine reichliche Ernte von Getreide und Wein verzeichnet, aber auch Seuchen in verschiedenen Gegenden des Reiches674 und darüber hinaus in Schottland675 forderten Opfer unter Mensch und Vieh.676 So berichtet die Chronik Bertholds von Reichenau: „In diesem Jahr kam es zu einem großen Sterben unter den Menschen und zu einer Seuche beim Vieh.“677 Und im Jahr 1060, „wie schon im vorhergehenden, löschte die Sterblichkeit viele Menschen aus. Der Winter, der ziemlich hart und schneereich und länger als gewöhnlich war, schadete dem Getreide und den Reben sehr.“678

|| 669 Cosmas von Prag, Chronicon Boemorum, ad a. 1043. Ed. Bretholz, MGH SS rer. Germ. N. S. 2, 100: Tanta fames fuit in Boemia, ut tercia pars populi interiret fame. 670 Annales Cicestrenses, ad a. 1043. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 90: Mortalitas hominum. 671 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1044. Ed. Murphy, 177: For which outrages committed upon the clergie of St. Queran God horribly plagued them, with a strange unknown disease, that they died soe fast of that infection, that theire townes, howses and Derie [i.e. their winterages for cattle, perhaps from the Irish dair, an enclosure] places were altogether wast without men or cattle in soe much that at last they were Driuen to grunt in honor of St. Queran the abbey lands of o’Roircks sonne (…) 672 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1046. Ed. Pertz, MGH SS 5, 125; FSGA 11, 680 f.: Rex natale Domini in Saxonia apud Goslare celebravit. Magna mortalitas multos passim extinxit. 673 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1099. Ed. Pertz, MGH SS 2, 246: Imperator pascha Radisponae celebravit, ubi isdem diebus magna mortalitas facta est. 674 Annales Altahenses maiores, ad a. 1059. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 55: Hoc anno frumenti et vini satis abundans copia in Baioaria fuit, sed gravis pestilentia hominum animaliumque per totam provinciam grassabatur. 675 Chronicum Scotorum, ad a. 1059. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 285: Great disease in Laighen, viz., the Bolgach and the treaghit, which caused a great destruction of people throughout Laighen. 676 RI 3, 2, 3 Nr. 183. 677 Berthold von Reichenau, Chroniken, ad a. 1059. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 186; FSGA 14, 24 f.: Hoc anno magna mortalitas hominum et pestis pecorum facta est. Berthold von Reichenau (Zweite Fassung), Chroniken, ad a. 1059. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 186; FSGA 14, 48 f.: Hoc anno magna mortalitas hominum facta est. 678 Berthold von Reichenau, Chroniken, ad a. 1060. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 188; FSGA 14, 26 f.: Et hoc anno, sicut priori, mortalitas multos extinxit. Hyems satis dura et nivoas et plus solito

658 | Auswirkungen und Folgen

1062 kam es, wieder gemäß der Chronik „am 8. Februar zu einem Erdbeben sowie zu Blitz und Donner. Eine todbringende Seuche löschte viele Menschen aus, und es herrschte eine große Hungersnot.“679 Zwei Jahre später berichtet Johannes Zonaras, dass nach dem Einfall von 60.000 Skythen Kaiser Konstantinos Dukas zu lange zögerte: „Da aber wurde ihm der Untergang dieses Volkes gemeldet. Denn als es von einer Seuche befallen und dadurch sehr übel zugerichtet wurde, überfielen die Patzinaken und die angrenzenden Bulgaren das kranke Volk und vernichteten es völlig, wobei kaum die Anführer mit wenigen den Istros zu überqueren vermochten. Das Ganze aber war eine Strategie der Macht Gottes; denn als der Kaiser in jeder Hinsicht verzweifelte, nahm er seine Zuflucht zur Gottheit, bat sie unter Tränen und mit zerknirschtem Herzen und rief sie um Hilfe an.“680 Es folgten ein Erdbeben und ein Komet.681 Das Chronicum Scotorum überliefert für das Jahr 1081 ein großes Sterben bei Menschen und Tieren.682 Nach den Würzburger Annalen wurde Rom im Jahr 1083 von König Heinrich IV. erobert und eine große Epidemie fand statt.683 Dieselbe Quelle nennt auch zum Jahr 1092 eine große Epidemie unter Menschen und Tieren684 sowie 1094 erneut eine große Epidemie in Gallien und Germanien, die auch in weiteren Quellen Niederschlag fand.685 In der Chronik Bernolds von Konstanz heißt es ebenfalls zum Jahr 1094: „Aber es starben auch noch unzählige andere Priester in deutschen Gebieten, welche ihre Pfarrkinder in der großen Gefahr desselben Sterbens verließen. Das äußerst große Sterben wütete nämlich überall so sehr, dass in einem Dorf mehr als 1500 Menschen gezählt wurden, die innerhalb von sechs Wochen verstorben waren. Anderswo aber starben an einem Tag in einem Dorf

|| prolixa frumenti vinique maximum attulit damnum. Berthold von Reichenau (Zweite Fassung), Chroniken, ad a. 1060. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 188; FSGA 14, 50 f.: Et hoc anno sicut in priori mortalitas multos extinxit. 679 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1062. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 193 f.; FSGA 14, 52 f.: VI. Idus Februarii terremotus, fulgura et tonitrua facta sunt. Pestilentia et mortalitas subsecuta multos extinxit et fames magna facta est. 680 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 678 f., in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 129 f. 681 Vgl. 1064 als Endzeiterwartungsjahr in Kap. 5.1.1 Topos: Endzeiterwartung. 682 Chronicum Scotorum, ad a. 1081. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 295: A great mortality of men and cattle in this year. 683 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1083. Ed. Pertz, MGH SS 2, 245: Roma capta est a Heinrico rege, et pestilentia magna facta est. 684 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1092. Ed. Pertz, MGH SS 2, 246: Pestilentia magna hominum et pecorum facta est. 685 Annales Hildesheimenses, ad a. 1094. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 49: Pestilentia magna facta est. Annales Rosenveldenses, ad a. 1094. Ed. Pertz, MGH SS 16, 101: Pestilencia magna facta est. Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1094. Ed. Pertz, MGH SS 2, 246: Pestilentia magna facta est. Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1094. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 366: In Gallia et Germania gravis hominum mortalitas facta est.

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mehr als vierzig. Selbst die Friedhöfe der Kirchen füllten sich so sehr mit Gräbern, dass die Menschen ihre Toten dort nicht bestatten konnten. Deshalb wurde an sehr vielen Orten außerhalb des Friedhofs eine sehr große Grube ausgehoben, und dort warfen alle ihre Toten hinein. Dieses Sterben aber suchte nicht allein die Deutschen heim, sondern ringsumher auch Frankreich, Burgund, und Italien; jedoch schien es den Weisen nicht so entsetzlich. Denn die größte Menge schied mit Buße und Beichte und in löblichem Ende, weil die von der Krankheit Ergriffenen im Voraus wussten, dass es ihnen nach einigen Tagen bevorstehe. Denn fast alle Erkrankten bereiteten sich auf ihren sicheren Tod vor, was zu anderer Zeit kaum einige heilige Männer tun konnten. Sogar die Überlebenden versuchten, sich von weltlichen Eitelkeiten, das heißt von Possen, Wirtshäusern und allen überflüssigen Dingen dieser Art, fernzuhalten, und hörten nicht auf, zur Beichte und Buße zu eilen und sich den Priestern zu empfehlen. Daher starb die größte Menge bei diesem Sterben sehr löblich.“686

Hierin zeigen sich wieder seine Vorstellungen von einem guten Tod im Gegensatz zum Schicksal von Exkommunizierten. Im Jahr 1094 kam es „in Bayern zu einem so großen Sterben, dass in der Stadt Regensburg innerhalb von zwölf Wochen 8.500 Tote gezählt wurden; aber auch andere Provinzen suchte dasselbe Sterben heim, doch nicht so wie in Bayern. In den deutschen Gebieten zeigten sich viele Prodigien: Menschen erhängten sich und Wölfe fraßen viele. Und man zweifelte nicht, dass dies durch das Strafgericht geschah, weil sie das göttliche Gesetz vernachlässigt und sich nicht gefürchtet hatten, durch die Exkommunikation besudelt zu werden.“687 Die Zahl von 8.500 Toten ist natürlich zu hoch gegriffen. Für das 11. Jahrhundert würde dies eine enorme Sterblichkeitsrate, beinahe 100 Prozent, in Regensburg voraussetzen. Die Einwohnerschaft Regensburgs betrug zu Beginn des 15. Jahrhunderts nach der

|| 686 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1094. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 514 f.; FSGA 14, 406 f.: Sed et alii innumerabiles presbiteri in Teutonicis partibus obierunt, qui suos parroechianos in magno periculo eiusdem mortalitatis dimiserunt. Nam adeo maxima mortalitas usquequaque grassabatur, ut in una villa plus quam mille quinquaginta homines infra sex epdomadas mortui numerarentur. Set et in una die et in una villa plus quam quadraginta alicubi mortui sunt. Ipsa quoque cimiteria aeclesiarum adeo sepulturis impleta sunt, ut homines ibi mortuos suos sepelire non potuerint. Unde in pluribus locis facta praegrandi fossa extra cimiterium, omnes suos mortuos in illam coniecerunt. Haec autem mortalitas non solum Teutonicos, set et Franciam, Burgundiam, Italiam usquequaque vexabat; quae tamen sapientibus non adeo detestanda videbatur. Nam maxima multitudo cum penitentia et confessione et probabili fine discesserunt, quem infirmitate detenti sibi post aliquot dies proventurum praescierunt. Quippe omnes pene infirmi ad certitu dinem obitus sui se praeparaverunt, quod alio tempore vix aliqui sancti facere potuerunt. Ipsi etiam superstites a secularibus vanitatibus, id est a iocis, a tabernis et aliis huiusmodi superfluis abstinere studuerunt, et ad confessionem et penitentiam currere, seque sacerdotibus commendare non cessaverunt. Unde maxima multitudo eadem mortalitate satis probabiliter obiere. 687 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1094. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 512; FSGA 14, 405 f.: In Baioaria magna mortalitas grassabatur, adeo ut in Ratisponensi civitate infra XII septimanas VIII milia D illa mortalitate intercepti numerarentur; sed et alias provincias eadem mortalitas afflixit, non tamen adeo ut Baioariam. In Teutonicis partibus multa prodigia facta sunt. Nam et homines se ipsos suspenderunt, et lupi multos manducaverunt. Et hoc ex divina ultione factum non dubitabatur, eo quod legem divinam neglexissent et excommunicatione maculari non timuissent.

660 | Auswirkungen und Folgen

Untersuchung von Froneck gerade mal zwischen 8.000 und 9.000 Personen.688 Hier geht es Bernold wieder um eine literarische Bestrafung von Exkommunizierten. Irische Annalen schildern für die Zeit von August 1094 bis Mai 1095 eine verheerende Epidemie in Irland. Diese habe die Provinzen und Ländereien entvölkert. Erstmals seit dem 6./7. Jahrhundert sei wieder eine so schlimme Epidemie aufgetreten.689 Schließlich feierte Kaiser Heinrich IV. das Osterfest des Jahres 1099 in Regensburg, wo zu jener Zeit ein großes Sterben herrschte, wie die Annalen von Würzburg überliefern.690 Den Kaiser scheint dies aber nicht an einem Aufenthalt in der Stadt gehindert zu haben.

4.4.6 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse Folgende Zwischenergebnisse können in Bezug auf die Erwähnung epidemischer Krankheiten zwischen 500 und 1100 festgehalten werden: Insgesamt liegen 91 Nachrichten vor, die sich folgendermaßen zeitlich verteilen: Tab. 58: Zeitliche Verteilung der Überlieferung Epidemien von 500 bis 1100 Gesamt 91 100 %

6. Jh. 23 25 %

7. Jh. 9 10 %

8. Jh. 7 8%

9. Jh. 16 18 %

10. Jh. 15 16 %

11. Jh. 21 23 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtungen liegen im 6. und 11. Jahrhundert mit jeweils fast einem Viertel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 8. Jahrhundert überliefert. Epidemische Erkrankungen lassen sich nur bedingt mit Naturereignissen in Verbindung bringen und dies spiegelt sich auch in den Quellen wider. Bei einer allgemeinen Schwächung des Körpers und seiner Widerstandkraft durch äußere Faktoren, wie harter Witterung oder Mangelerscheinungen, können sich Krankheitserreger leichter gegen die körpereigene Imunabwehr durchsetzen. Wenn dies bei vielen Menschen der Fall ist, kann es zur Epidemie kommen.

|| 688 Forneck, Regensburger Einwohnerschaft (2000), 21 f. 689 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1094. Ed. Murphy, 186: There was a great mortality and pleauge all over Europe this yeare, in soe much that its Depopulated great provinces and contryes, there was not such pestilence in this Kingdome since the death of the sons of King Hugh Slane (that died of the Disease called Boye Konneall [550 und 664] until the present year, of which disease the ensueing noblemen with infinite numbers of meaner sort died. Annals of Loch Cé, ad a. 1095. Ed. Hennessy, 81: A great pestilence in Erinn, which killed a large multitude of people, from calends of August to the May following, viz. :—it was called a ‘mortal year.’ 690 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1099. Ed. Pertz, MGH SS 2, 246: Imperator pascha Radisponae celebravit, ubi isdem diebus magna mortalitas facta est.

Epidemische Erkrankungen bei Menschen | 661

Von den insgesamt 91 aus dem Früh- und Hochmittelalter überlieferten Beschreibungen epidemischer Erkrankungen betreffen etwa ein Viertel (23) das 6. Jahrhundert. Dies liegt wohl vor allem an der sogenannten „Justinianischen Pest“, die von 541 bis 770 unregelmäßig, aber in wiederholter Weise auftat. Während auf das 7. und 8. Jahrhundert jeweils unter zehn Prozent (9, 7) der überlieferten Nachrichten zu epidemischen Krankheiten entfallen, steigt diese Zahl der Nachweise für das 9. und 10. Jahrhundert auf 16 bis 18 Prozent (16, 15) an und erreicht im 11. Jahrhundert mit 23 Prozent (21) fast wieder ein Viertel, also den im 6. Jahrhundert erzielten Wert. Zur Parallelüberlieferung ist anzumerken, dass die Epidemien lediglich in zwei Fällen in vier (598–601) bzw. sechs (1094–1095) unterschiedlichen Quellen überliefert sind. Weitere wurden in zwei Quellen (541, 552/3, 615–618, 803/6, 934, 956, 1007, 1042, 1059–1060) dokumentiert, die ganz überwiegende Zahl hingegen nur ein Mal. Der im Jahr 587/588 in Italien und in Marseille aufgetretene morbus desentericus hat einen nachhaltigen Eindruck bei Gregor von Tours hinterlassen, denn er ging vier Mal auf dieses Ereignis ein. Überhaupt gehört Gregor zu jenen Autoren, die sich am stärksten für epidemische Krankheiten interessiert haben, insgesamt erwähnte er acht Einzelereignisse. Auch die Autoren des Chronicum Scotorum und irischer Annalen signalisierten mit 15 und 12 Nennungen von Erkrankungen epidemischen Ausmaßes ein starkes Interesse. Auf sie folgen die Annales Fuldenses mit sieben sowie die Annales S. Albani Moguntini sowei die byzantinischen Kleinchroniken mit jeweils vier Nennungen. Auch Theophilus von Edessa und Paulus Diaconus überliefern jeweils vier Epidemien, während Flodoard von Reims und Beda Venerabilis samt Fortsetzer sowie die Autoren einzelner Papstviten des Liber Pontificalis jeweils drei Mal Krankheiten erwähnen. Die folgenden Werke enthalten je zwei Nennungen von Epidemien: die Annales Altahenses und Quedlinburgenses, die Chroniken Bertholds und Hermanns von Reichenau sowie die Fortsetzer Reginos. Weitere 23 Autoren erwähnen jeweils einmal eine epidemische Krankheit. Auffälliger Weise überliefern die Annales regni Francorum überhaupt nichts zu Krankheiten. Die räumliche Verteilung von Krankheitsnennungen erstreckt sich über Irland (20), Italien (13), Westfranken (15) mit Burgund (2), Schottland (8), Britannien (5), über Konstantinopel (9), Syrien (4) bis Illyrien (1) und Ägypten (1). In Mitteleuropa waren das Ostfrankenreich neun Mal, das Rheinland und Bayern fünf Mal, Schwaben vier Mal sowie Böhmen drei Mal betroffen. Die in den Quellen verwendeten Bezeichnungen für Krankheiten sind höchst unterschiedlich: So wird allgemein ein großes Sterben (magna mortalitas oder mortalitas hominum) 14 Mal erwähnt, allgemein eine Epidemie zwölf Mal und die sogenannte „Julianische Pest“ acht Mal. Mit dem Begriff pestilentia neun Mal, wozu noch vier Mal pestilentia magna, zwei Mal pestilentia gravis und vier weitere Male nur pestis vorkommt. Hinzu treten zwei Nennungen von pestilentia mit Fieber und Husten und zwei Mal lues teilweise näher beschrieben als lues dissenterie, lues inguinaria, lues mortalis, pestilentiae lues. Auch das italienische Fieber wird drei Mal genannt. Mehrere Krankheitsbegriffe sind immerhin zwei Mal überliefert: Belefeth, Bolgach, dysentriae

662 | Auswirkungen und Folgen

und morbus. Sämtliche anderen Begriffe finden sich dagegen nur ein Mal, weshalb eine sichere Zuordnung zu rezenten Krankheitsbildern nicht möglich ist: Boy Connell, clades scabearum, dolor oculorum, faercwelam, Glandularia, Kawagh, magical colic, morbus desentericus, plaga magna vesicarum turgentium, Sawthrust, Samhtrusg, tussis validissima. Auch eine pockenartige Kinderseuche wurde genannt. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass für epidemische Erkrankungen auffallend viele verschiedene Begriffe in den Quellen Verwendung fanden. Aber nicht bei allen Krankheiten handelte es sich tatsächlich um ansteckende epidemische Erkrankungen.

4.5 „Heiliges Feuer“ – Kontamination mit Pilzsporen Die als ignis sacer („feu sacré“, „fuoco sacro“, „heiliges Feuer“)691 bekannte Erkrankung des Ergotismus, die bis zum Tode führen kann, wird durch den Konsum eines hauptsächlich auf Roggenähren schmarotzenden Schlauchpilzes (Mutterkorn, Claviceps purpurea) ausgelöst,692 dessen überwinterndes Dauermyzel (Sklerotium) einen harten schwarzvioletten, hornförmigen Körper ausbildet, welcher stark wirkende Alkaloide enthält.693 Erst seit dem 11. Jahrhundert wird die durch den Konsum dieser Alkaloide verursachte Vergiftung als „Antoniusfeuer“ bezeichnet.694 Über Jahrhunderte hinweg wurde die Vergiftung als epidemische Krankheit angesehen, die zwar sehr weit verbreitet auftrat, aber nicht zu den Epidemien gehört.695 Über 40 Arten der Mutterkornpilze sind heute nachgewiesen, diese können etwa 400 verschiedene Gras- und Getreidearten befallen. Besonders gut gedeiht der Mutterkornpilz aber auf Roggen. So tritt das ignis sacer durch die freigesetzten Ergotalkaloide vor allem in Regionen und zu Zeiten auf, in denen überwiegend Roggen angebaut und verzehrt wurde. Aus Zeiten und Gegenden mit überwiegendem Weizenanbau sind deshalb keine Vergiftungserscheinungen bekannt.696 Der Mutterkornpilz benötigt feucht-kühle Frühsommer und Sommer mit verlängerten Blütezeiten des Getreides.697 Folgt auf einen trockenen und kalten Winter ein feuchtwarmes Frühjahr und ein kurzer, heißer Sommer, kann es zu gehäuftem Auftreten dieser Pilze kommen. In Zeiten mangelhafter Getreidever-

|| 691 Mischlewski, Grundzüge der Geschichte (1976), 22–25. 692 Von französisch ergot = Mutterkorn; auch bezeichnet als Kriebelkrankheit, Kornstaupe, Antoniusfeuer, Fliegendes Feuer, Heiliges Feuer, Höllisches Feuer, Krampfsucht, ziehende Seuche. Vgl. die Zusammenfassung bei Wickersheimer, „Ignis sacer“ – Bedeutungswandel (1960), 160–169. 693 Dilg, Mutterkorn (1993), 976. 694 Aichinger, Feuer des heiligen Antonius (2008). 695 Vgl. Jankrift, Epidemien im Hochmittelalter (2005), 129 f. 696 Vgl. Bauer, Antonius-Feuer (1973). 697 Hanebeck, Antonius (2011), 76.

„Heiliges Feuer“ – Kontamination mit Pilzsporen | 663

sorgung wurden erstaunlich große Mengen des Mutterkorns mitvermahlen und kamen so in das Mehl. Noch bei Massenerkrankungen des 17. und 18. Jahrhunderts betrug der ermittelte Anteil von Mutterkorn am Gesamtvolumen des zu Mehl vermahlenen Getreides ein Achtel bis ein Viertel, in besonderen Fällen sogar ein Drittel. Vergleichbare Zahlen dürften für das Mittelalter anzunehmen sein. In Zeiten, in denen Cerealien die Hauptgrundlage der Ernährung, besonders für die Herstellung von Brot, Brei oder Fladen bildete und in denen die Nahrungsmittelreserven nur gering waren, wurde die neue Ernte zeitnah verarbeitet, weshalb auch die toxische Wirkung des Ergotamins sehr stark war.698 Diese beruht auf den darin enthaltenen Alkaloiden, die ein breites Wirkungsspektrum darbieten. Der Schlauchpilz Claviceps purpurea Tulasne entwickelt sich in einem dreistufigen Zyklus, der vom Pilz über die Ausbildung von Sporen zum Sklerotium, dem eigentlichen Mutterkorn reicht. Anhand der Symptome werden zwei Ausformungen der Krankheit unterschieden, der Ergotismus gangraenosus (Mutterkornbrand) und der Ergotismus convulsivus (Kriebel- oder Kribbelkrankheit).699 „Das Vorherrschen jeweils der einen oder anderen Krankheitsform wird aus heutiger Sicht auf Vitaminmangel zurückgeführt.“700Aufgrund einer chronischen Mutterkorn-Intoxikation kann es zu dauerhafter Gefäßverengung mit Akren-Nekrosen und dem Absterben der Gliedmaßenenden kommen.701 Die Forschungsliteratur zu Mutterkorn/Ergotismus ist sehr zahlreich, im deutschsprachigen Raum haben außer den bereits in den Anmerkungen genannten noch Sidler,702 Kothe/Kothe,703 Nöldecke704 und Friesz705 zur Thematik publiziert. Eine systematische Übersicht über die ihm bekannt gewordenen Epidemien von Ergotismus bietet Hirsch in seinem Handbuch der Pathologie von 1860, in dem er für die Zeit von 591 bis 1100 18 Vorkommen auflistet.706 Nur drei der dort untersuchten Quellen können als „zeitgenössisch“ deklariert werden, alle anderen entstammen überwiegend neuzeitliche Zusammenstellungen. Die erste bei Hirsch genannte Ergotismus-Epidemie soll auf einen Eintrag in der Frankengeschichte Gregors von Tours zurückgehen, in dem es zum Jahr 591 heißt: „In Gallien suchte die oft genannte Seuche die Provence von Marseille heim. Die Gebiete

|| 698 Mischlewski, Antoniusfeuer (1989), 253. 699 Mischlewski, Antoniusfeuer (1989), 250 f. 700 Hanebeck, Antonius (2011), 24. 701 Hanebeck, Antonius (2011), 72. 702 Sidler, Mutterkorn (1954), 5–30. 703 Kothe/Kothe, Heilige Feuer (1996), 80–114. 704 Nöldeke, Wetzrillen (2009), 49–51. 705 Frieß, Heilige Feuer (2012), 239–286. 706 Hirsch, Handbuch der historisch-geographischen Pathologie Bd. 1 (1860), 458 verzeichnet: 591, 857, 922, 945, 993, 994, 996, 999, 1039, 1041, 1042, 1085, 1089, 1092, 1094/5, 1099.

664 | Auswirkungen und Folgen

von Angers, Nantes und Le Mans litten unter großer Hungersnot. Damit hebt sich allererst die Not an,707 wie der Herr im Evangelium sagt: ‚Es werden sein Pestilenz und teure Zeit und Erdbeben hin und wieder‘708 und ‚es werden sich erheben falsche Christi und falsche Propheten, die Zeichen und Wunder tun, dass sie auch die Auserwählten verführen‘709; wie solches alles in dieser Zeit geschehen ist.“710 Es heißt dann weiter: „In diesem Jahr im Monat April suchte eine schreckliche Seuche das Volk sowohl im Gebiet von Tours als auch von Nantes heim. Wenn einer erkrankte, litt er erst eine kurze Zeit an Kopfschmerzen und gab nicht lange danach den Geist auf. Als man unter großem Fasten und Kasteiungen Bettage anstellte und reichlich den Armen spendete, wandte sich der Zorn Gottes und das Übel wurde gelindert.“711 Und schließlich ergänzte Gregor noch: „Es herrschte eine ungeheure Dürre, die alles Grasfutter missraten ließ; daher brach eine schwere Krankheit unter den Schafen und dem Zugvieh aus, und es blieb wenig zur Nachzucht übrig, wie das der Prophet Habakuk vorhergesagt hat: ‚Die Schafe werden aus den Hürden gerissen, und es werden keine Rinder in den Ställen sein.‘712 Und diese Seuche wütete nicht allein unter den Haustieren, sondern selbst unter dem ungezähmten Wild. Denn im Dickicht der Wälder fand man eine große Menge von Hirschen und anderen Tieren verendet. Das Heu verdarb durch starke Regengüsse und durch das Austreten der Flüsse, Feldfrüchte gab es sehr wenig, aber die Weinberge boten einen reichen Ertrag; die Eicheln kamen zwar zum Vorschein, gediehen aber nicht.“713 Die Erwähnung der Wildtiere, die genauso unter

|| 707 Mt 24,8: (…) haec autem omnia initia sunt dolorum. 708 Mt 24,7: Consurget enim gens in gentem, et regnum in regnum, et erunt fames et terrae motus per loca. 709 Mk 13,22: Exsurgent enim pseudochristi et pseudoprophetae et dabunt signa et portenta ad seducendos, si potest fieri, electos. 710 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 25. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 517; FSGA 3, 384 f.: At in Galliis Masiliensim provintiam morbus saepe nominatus invasit. Andecavos, Namneticos atque Cenomanicos valida famis oppressit. Initia sunt enim haec dolorum iuxta illud quod Dominus ait in euangelio: Erunt pestilentiae et fames et terrae motus per loca; et exurgent pseudochristi et pseudoprophetae et dabunt signa et prodigia in caelo, ita ut electos in errore mittant, sicut praesenti gestum est tempore. 711 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 525; FSGA 3, 398 f.: Hoc anno mense secundo tam in Turonico quam in Namnetico gravis populum lues adtrivit, ita ut modico quisque aegrotus capitis dolore pulsatus animam funderet. Sed factae rogationes cum grandi abstinentia et ieiunio, sociatis etiam elemosinis, averso divini furoris impetu mitigatum est. 712 Hab 3,17: Ficus enim non florebit, et non erit fructus in vineis; mentietur opus olivae, et arva non afferent cibum; abscissum est de ovili pecus, et non est armentum in praesepibus. 713 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 525; FSGA 3, 398 f.: Siccitas inmensa fuit, quae omne pabulum herbarum avertit; unde factum est, ut gravis morbus in pecoribus ac iumentis invalescens parum, unde sumeretur origo, relinqueret, sicut Abbacuc propheta vaticinatus est: Deficient ab esca oves, et non erunt in praesepibus boves. Non modo enim in domesticis, verum etiam in ipsis ferarum inmitium generibus haec lues crassata est. Nam per saltus sil-

„Heiliges Feuer“ – Kontamination mit Pilzsporen | 665

der Krankheit zu leiden gehabt hätten, wie die Haustiere, spricht als Beobachtung für eine äußere, nicht auf menschliches Fehlverhalten zurückgehende Epidemie. Mischlewski bezweifelt, dass es sich bei den Ereignissen, die Gregor von Tours für 591 beschreibt, um Ergotismus handelt, die Angaben scheinen – nicht nur – ihm für eine genaue Zuweisung zu vage,714 insbesondere, weil kein Hinweis auf das charakteristische Kribbeln oder ein Zusammenhang mit der Ernährung erwähnt wird. Im Jahr 857 kam es nach den Xantener Annalen zu einer plaga magna. Diese wurde von Jedwillat als Ergotismus gedeutet.715 Dies lässt sich durchaus begründen, denn die Quelle beschreibt: „Eine große Plage an Eiterbeulen verbreitete sich unter den Leuten und raffte sie in abscheulicher Fäulnis hin, so daß die Glieder vor dem Tode abstarben und abfielen.“716 Den heute bekannten Symptomen der Kriebelkrankheit kommt dies ziemlich nahe. Auch die in den Annalen Flodoards von Reims enthaltene Darstellung zum Jahr 945 zeigt die bei Ergotismus beobachteten Symptome und deren typische Charakteristika: „Im pagus Paris und auch in verschiedenen anderen pagi wurden Männer an den verschiedenen Gliedmaßen mit Wunden von Feuer geschlagen. Allmählich brannten sie ab bis am Ende der Tod ihre Bestrafung beendete. Einige der Betroffenen suchten die Plätze der Heiligen auf und entkamen so der Quälerei. Viele wurden in Paris geheilt in der Kirche der Maria, der heiligen Gottesmutter [Notre-Dame de Paris]. All jene, die dorthin kamen, waren sicher, dass sie von ihren Leiden gerettet wurden. Herzog Hugo [der Große] gab ihnen Essen in täglichen Rationen. Einige wünschten nach Hause zurückzukehren, aber dort begann das Feuer wieder und sie kehrten zur Kirche [Notre-Dame] zurück und wurden wieder von ihren Leiden befreit.“717

Typisches Symptom ist das Brennen in den Gliedern, charakteristisch aber auch die Schilderung, nach der die Betroffenen, wenn sie durch Einnahme anderer Nahrung

|| varum multitudo cervorum vel reliquorum animantium prostrata per invia nancta est. Foenum ab infusione pluviarum et inundatione amnium periit, segetes exiguae, vineae vero profusae fuerunt; quercorum fructus ostensi effectum non obtinuerunt. 714 Mischlewski, Antoniusfeuer (1989), 251 Anm. 12. 715 Jedwillat, Studie (1993), 32. 716 Annales Xantenses, ad a. 857. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 18; FSGA 6, 352: Plaga magna vesicarum turgentium grassatur in populo, et detestabili eos putredine consumpsit, ita ut menbra dissoluta, ante mortem deciderent. 717 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 945. Ed. Lauer, 100; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 43: In pago Parisiacensi, necnon etiam per diversos a circumquaque pagos, hominum diversa membra ignis plaga pervaduntur, quaeque [sensim] exusta consumebantur, donec mors tandem finiret supplicia. Quorum quidam, nonnulla sanctorum loca petentes, evasere tormenta; plures tamen Parisius in aecclesia sanctae Dei genitricis Mariae sanati sunt, adeo ut quotquot illo pervenire potuerint, asserantur ab hac peste salvati; quos Hugo quoque dux stipendiis aluit cotidianis. Horum dum quidam vellent ad propria redire, extincto refervescunt incendio, regressique ad aecclesiam liberantur.

666 | Auswirkungen und Folgen

geheilt waren, bei ihrer Rückkehr in den heimischen diätischen Kontext erneut erkrankten. Dies ist ein deutliches Argument für die Deutung der Krankheit als Ergotismus, deren Ursache ja im aktiven Verzehr der Pilze liegt. Auch der Eintrag zum Jahr 994 in der Chronik Ademars von Chabannes lässt sich als Beobachtung von Symptomen des Ergotismus deuten: „In dieser Zeit herrschte eine feurige Pest über dem Limousin, die Körper der Männer und Frauen wurden von zahlreichen unsichtbaren Feuern gepeinigt.“718 Diese Epidemie soll in Aquitanien und im Limousin 40.000 Menschen dahingerafft haben.719 Die Zusammenstellungen zu diesem Thema enthalten für die hier zu betrachtende Epoche fünf weitere Ereignisse: 912 soll die Île-de-France schwer von Ergotismus heimgesucht worden sein,720 922 das südwestliche Frankreich und Spanien; 944 soll die Krankheit in Aquitanien, im Limousin und in benachbarten Provinzen aufgetreten sein, sodass mehr als 40.000 Leute starben. Als die Bischöfe Aquitaniens in feierlicher Prozession die Gebeine des heiligen Martialis721 durch das Land trugen, soll die Seuche verschwunden sein. Ob sie im Jahr 999 tatsächlich in Spanien, namentlich im Königreich Leon in Erscheinung trat, 722 ist fraglich. All diese Erwähnungen sind unsicher, die Epidemien der Jahre 912 und 922 scheinen nicht durch zeitgenössische Quellen belegt werden zu können, zum Jahr 945 gibt es zwar die genannte Beschreibung von Flodoard, die aber keine 40.000 Toten beinhaltet. Dass diese Zahl zudem auch für das Jahr 994 in Anspruch genommen wird, macht ihre Angabe nicht glaubhafter. Zum Jahr 1089 ist vom später schreibenden Sigebert von Gembloux (um 1030– 1112) eine eindrückliche Schilderung einer schweren Ergotismus-Epidemie in Lothringen überliefert, für deren man Abwendung die Kraft der Reliquien des heiligen Antonius vertraute: „Es war ein Seuchenjahr, besonders im westlichen Teil Lothringens, wo viele, deren Inneres das heilige Feuer verzehrte, an ihren zerfressenen Gliedern verfaulten, die schwarz wie Kohle wurden. Sie starben entweder elendig oder sie setz-

|| 718 Ademar Cabannensis, Chronicon, 3, 35. Ed. Bourgain/Landes, 157: His temporibus pestilentia ignis super Lemovicinos exarsit. Corpora enim virorum et mulierum supra numerum invisibili igne depascebantur, et ubique planctus terram replebat. 719 Bauer, Antonius-Feuer (1973), 35: Plaga ignis super corpora Aquitanorum desaevit, et mortui sunt plus 40 millia hominum ab eadem pestilentia. Ideo (…) Episcopi Aquitaniae adunati Lemovicas, levaverunt corpus S. Martialis Apostoli, et in Montem gaudii transtulerunt; et exinde pridie Nonas Decembris tumulo suo restituerunt, et cessavit pestilentia ignis. (…) Desaeviebat eodem tempore clades pessima in hominibus, ignis scilicet occultus, qui quod cumque membrorum arripuisset, exurendo truncabat a corpore: Plerosque etiam in spatio unius noctis huju ignis consumpsit exustio. 720 Jankrift, Epidemien im Hochmittelalter (2005), 131. 721 Sauser, Martialis (1999), 942. 722 Schmidt, Jahrbücher Bd. 1 (1834), 303.

„Heiliges Feuer“ – Kontamination mit Pilzsporen | 667

ten ein noch elenderes Leben fort, nachdem die verfaulten Hände und Füße abgetrennt waren. Viele aber wurden von nervösen Krämpfen gequält.“723 Die beschriebenen Symptome sprechen ganz klar für eine extreme Ausprägung von Ergotismus. Bestätigt werden die Angaben Sigeberts durch die Annales Leodiensis, die für das Jahr 1089 eine „schreckliche Pest und ein vielgestaltiges Brennen“ dokumentieren.724 Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: Für das Auftreten von Ergotismus ist ein gutes Gedeihen des schmarotzenden Schlauchpilzes (Claviceps purpurea) notwendig. Diese Pilzarten benötigen einen trockenen, kalten Winter, ein feucht-warmes Frühjahr und einen feucht-kühlen Frühsommer, der zu verlängerten Blütezeiten des Getreides führt, sowie einen kurzen und heißen Sommer, um besonders gut zu gedeihen. Dieser Witterungsgang ist jedoch nicht die Regel. Weiterhin kommt hinzu, dass der Pilz hauptsächlich auf Roggenähren auftritt. Für künftige Untersuchungen wäre zunächst zu klären, wie sich der Anbau der unterschiedlichen Getreidearten über Europa ausbreitete. Montanari bringt das Auftreten von ErgotismusEpidemien mit einem Missbrauch von Getreide in Zusammenhang. Das ist nicht von der Hand zu weisen, denn erst der vermehrte Anbau von Roggen ergab die prinzipielle Möglichkeit der Ausbreitung von Mutterkorn. Mit der Änderung der Ernährungslage und –gewohnheiten änderte sich auch die Häufigkeit und Intensität des Auftretens von Ergotismus.725 Für den Antoniterorden, der im Jahr 1095 in St-Didier-laMothe (Saint-Antoine-l’Abbaye) in der Dauphiné gegründet worden war, bildete die Bekämpfung des „Antoniusfeuers“ die Grundlage zur Errichtung von 370 Hospitälern. Erst die „Entdeckung“ des Zusammenhangs zwischen mit Mutterkornpilzen infiziertem Getreide und dem „Antoniusfeuer“ im Jahre 1597 führte zu einem deutlichen Rückgang der Epidemien. Als gesicherte, in zeitgenössischen Quellen zu ermittelnde Epidemien von Ergotismus können für die Untersuchungszeit nur die vier Einträge von 857, 945, 994 und 1089 angesehen werden, die allesamt dem niederrheinisch-lothringischen Raum zuzuordnen sind.

|| 723 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1089. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 366: Annus pestilens, maxime in occidentali parte Lotharingiae, ubi multi sacro igne interiora consumente computrescentes, exesis membris instar carbonum nigrescentibus, aut miserabiliter moriuntur, aut manibus ac pedibus putrefactis truncati, miserabiliori, vitae reservantur, multi vero nervorum contractione distorti tormentantur. Vgl. Bauer, Antonius-Feuer (1973), 37; Mischlewski, Grundzüge (1976), 22; Mischlewski, Antoniusfeuer (1989), 251. 724 Annales S. Iacobi Leodiensis, ad a. 1089. Ed. Pertz, MGH SS 16, 639: Pestilentia terribilis et multiplex ardentium. Annales Formoselenses, ad a. 1089. Ed. Bethmann, MGH SS 5, 36: Pestilentia ignearia ingrassata est. 725 Montanari, Hunger und Überfluss (1999), 56 geht ohne konkrete Quellenangaben von Ergotismus-Fällen den Jahren 1042, 1076, 1089 und 1094 aus.

668 | Auswirkungen und Folgen

Tab. 59: Zeitliche Verteilung der Überlieferung von Ergotismus von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

MK1

591

MK2

857

MK3

945

Reims

Ergotismus

Flodoard von Reims

MK4

994

Limousin

Ergotismus

Ademari Historiarum

MK5

1089

Lothringen

Ergotismus

[zahlreich > 3]

Region, Ort

Bemerkung

Quellen

Westfranken, Tours

[zweifelhaft]

Gregor von Tours

Niederrhein

Ergotismus

Ann. Xantenses

Dies könnte – unter Berücksichtigung der Quellenarmut der Epoche – darauf hindeuten, dass in diesem Gebiet mehr Roggen angebaut wurde als in Ostfranken, England, Irland, Schottland oder auch Italien. Die „stürmische Ausdehnung des Roggenbaus“ im 8. bis 10. Jahrhundert726 ist also hinsichtlich ihrer tatsächlichen räumlichen Diffusion und sozialen Differenzierung – so durfte sich etwa Königin Edgitha einer Weizen-Diät erfreuen727 – in künftigen Studien weitergehend zu untersuchen. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass im niederrheinisch-lothringischen Raum wohl mehr Roggen angebaut wurde, diese Roggenbestände wiederum häufiger von Mutterkornpilzen befallen waren und deren Konsum dann zur Ausbreitung des Ergotismus beitrug. Der Verzehr derart befallenen Getreides führt zu Vergiftungen, die den Zeitgenossen wie epidemische Erkrankungen erscheinen mussten. Der Zusammenhang zwischen Konsum und Erkrankung war in der Untersuchungszeit nicht bekannt, dass aber eine andere Diät zum Verschwinden der Vergiftungserscheinungen führen konnte, wurde bemerkt. Bis zum Ende des 11. Jahrhunderts scheint sich der Anbau und Verzehr von Roggen weiter verbreitet zu haben, denn der 1095 gegründete Antoniterorden reagierte durch eine auf Tierprodukten basierende Diät auf den Ergotismus und konnte so Erfolge gegen die Krankheit erzielen.

4.6 Epidemien bei Tieren Die fünfte der zehn überlieferten Plagen im Buch Exodus im Alten Testament beschreibt Tierseuchen: „Wenn du dich weigerst und sie weiter aufhältst, siehe, so wird die Hand des Herrn kommen über dein Vieh auf dem Felde, über die Pferde, Esel, Kamele, Rinder und Schafe, mit sehr schwerer Pest. Aber der Herr wird einen Unterschied machen zwischen dem Vieh der Israeliten und dem der Ägypter, dass nichts sterbe von allem, was die Israeliten haben. Und der Herr bestimmte eine Zeit und sprach: ‚Morgen wird der Herr solches an dem Lande tun.‘ Und der Herr tat es am

|| 726 Behre, Ernährung im Mittelalter (1998), 73. 727 Meller/Schenkluhn/Schmuhl, Königin Editha (2012).

Epidemien bei Tieren | 669

andern Morgen; da starb alles Vieh der Ägypter, aber von dem Vieh der Israeliten starb nicht eins.“728 Die Tierseuchen trafen die Menschen in zweierlei Hinsicht: Zum einen dezimierten sie die viehbasierten Nahrungsgrundlagen der Bevölkerung in bedrohlichem Maße, bildeten aber auch für die Menschen unmittelbar eine Bedrohung, da viele Tierkrankheiten, die sogenannten Zoonosen, auf den Menschen übergreifen könnten.729 Zum anderen war der Ausfall von Zugtierbeständen aufgrund von Seuchen besonders gefürchtet, weil dies zu einer massiven Beeinträchtigung des Ackerbaus führte. In der Folge kam es wiederholt zu Ernteausfällen, Missernten und Hungersnöten.730 Diese Tierbestände konnten aufgrund der verendeten Individuen oft nicht als Nahrungsreserve genutzt werden. Chronologische Aufstellungen zu Tierseuchen im Mittelalter bieten die Arbeiten von Laubender,731 Eichbaum,732 Bühlmann,733 Fröhner734 sowie Jedwillat.735 So hat etwa Eichbaum 26 epidemische Ereignisse zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert aufgelistet, allerdings ohne jeglichen Hinweis auf die von ihm herangezogenen Quellen. Seine Quellen konnten aber zu einem Großteil identifiziert werden (vgl. Tab. 86). Einzig Jedwillat, der in seiner Zeittafel für das 6. bis 13. Jahrhundert 34 Viehseuchenzüge in Europa nennt, hat ausschließlich zeitgenössische Quellen benutzt und auch angegeben.736 Auch Newfield geht in seinen Beitrag zu Krankheiten und Hunger im karolingischen und frühottonischen Europa detailliert auf die Problematik von Viehseuchen ein,737 ebenso in Artikeln über die Rinderseuche von ca. 940738 und „HumanBovin Plague in the Early Middle Ages“.739 Die Ausführungen in den Quellen betreffen vor allem Pferde, Rinder und Bienen, aber auch Hunde, Wildtiere und Schweine.740

|| 728 2. Mose 9,2–7: Quod si adhuc renuis et retines eos, ecce manus Domini erit super possessionem tuam in agris, super equos et asinos et camelos et boves et oves, pestis valde gravis; et distinguet Dominus inter possessiones Israel et possessiones Aegyptiorum, ut nihil omnino pereat ex his, quae pertinent ad filios Israel. Constituitque Dominus tempus dicens: ‘Cras faciet Dominus verbum istud in terra’. Fecit ergo Dominus verbum hoc altera die, mortuaque sunt omnia animantia Aegyptiorum; de animalibus vero filiorum Israel nihil omnino periit. 729 Hanebeck, Antonius (2011), 93. 730 Jedwillat, Studie (1993), 14. 731 Laubender, Seuchen-Geschichte (1811). 732 Eichbaum, Grundriss (1885), 46 f. 733 Bühlmann, Beitrag zur Geschichte (1916). 734 Froehner, Kulturgeschichte der Tierheilkunde (1952–1954). 735 Jedwillat, Studie (1993), 32–34. 736 Hanebeck, Antonius (2011), 95. 737 Vgl. Newfield, Contours (2010), 362–405. 738 Newfield, Domesticates (2015), 95–126. 739 Newfield, Human-Bovin Plague (2015), 1–38. 740 Hanebeck, Antonius (2011), 93.

670 | Auswirkungen und Folgen

Einzelne Krankheiten sind dabei auch ausführlich bezüglich ihrer Geschichte untersucht worden, wie etwa die Maul- und Klauenseuche.741 Die Nachrichten über Epidemien bei Tieren lassen sich in solche, die tatsächliche Krankheiten von meist nicht näher bezeichneten Tieren und solche über Massentiersterben, die auf andere Ursachen zurückzuführen sind, unterteilen. Derartige Krankheitsursachen können so verschieden sein wie ein Mangel an Heu oder ein Ascheregen in der Umgebung eines ausbrechenden Vulkans. Jedwillat konnte bei der Auswertung von Berichten über Hungersnöte, Epidemien und Tierseuchen in karolingischen Annalen feststellen, dass zunächst das Vieh stirbt und erst dann der Mensch, dass also die tierischen Erkrankungen mithin den menschlichen möglicherweise vorangehen.742 Die mittelalterlichen Menschen unterschieden das Nutzvieh in für den landwirtschaftlichen Einsatz geeignete Tiere und solches, das zum Verzehr geeignet war. Eine Besonderheit stellen die in einem Kapitular zum Jahr 797 erwähnten Preise von Rindern dar: für einen Ochsen quadrimus erhielt man zwei Solidi, für in der Landwirtschaft einsetzbare Ochsen 2,5 Solidi, für einen guten Ochsen drei Solidi und für eine Kuh mit Kalb 2,5 Solidi.743 Sämtliche Tiere, egal, ob zum Verzehr geeignet oder nicht, bilden ein Reservoir für Rohmaterialien wie Knochen, Horn, Fasern, Sehnen, Haut und Talg. Die Gesundheit der Tiere war also stark verflochten mit der menschlichen Gesundheit, Wirtschaft, bis hin zur Politik und zur gesellschaftlichen Entwicklung.744 Newfield hat kürzlich für die folgenden Jahre überregionale Epidemien bei Tieren aufgelistet: 569–570, 809–810, 939–942 und 986–988. Insgesamt bietet er 87 Nachweise für tierische Epidemien sowie Zoonosen und analysiert diese.745 Er wies auch daraufhin, dass Rinder, die vom Blitz getroffen werden, fast nie in den Quellen genannt werden, wahrscheinlich, weil niemand das Ereignis beobachtet hat. Anhand moderner Beobachtungen zeigt sich aber, dass größere Herden Opfer von Blitzen werden können, so wurden etwa im Juli 2013 in Saskatchewan/Kanada 18 Rinder, im April 2014 in Los Rios/Chile 45 Rinder und im Juli desselben Jahres in Pennsylvania (USA) 45 Rinder durch Blitzschlag getötet.746 Solche Opferzahlen lassen sich für das Mittelalter nicht ausschließen, wenn Rinderherden auf exponierten Stellen weideten. Bei Verlusten an Nutztieren ist also nicht zwangsläufig von Epidemien auszugehen, vielmehr müssen auch Blitzschläge oder der Raub von Rindern747 in Betracht gezogen werden.

|| 741 Boese, Beitrag zur Geschichte der MKS (2000). 742 Jedwillat, Studie (1993), 29. 743 Leges Saxonum. Ed. von Richthofen/von Richthofen, MGH LL 5, Nr. 4, 12: bos quadrimus = 2 solidi (i. e. solidi minores) / bos arator = 2,5 solidi / bos bonus = 3 solidi / vacca cum vitulo = 2,5 solidi. 744 Newfield, Domesticates (2015), 96. 745 Newfield, Domesticates (2015), 98–102. 746 Newfield, Domesticates (2015), 103. 747 Vgl. dazu Kap. 5.2.2 Vieh- und Ernteraub als militärisches Mittel.

Epidemien bei Tieren | 671

4.6.1 Epidemien bei Tieren im 6. und 7. Jahrhundert Im Sommer 550 soll nach Agathias in der Region Bellano am Fuße der Alpen ein fränkisch-alemannisches Heer an einer Krankheit zugrunde gegangen sein.748 Die Seuche wurde vermutlich von erkrankten einheimischen Hunden der Region auf die von den Kriegern mitgeführten Kampfhunde und von diesen auf die Menschen übertragen. Aufgrund der sehr präzisen Symptomatik (Wahnsinn, Krämpfe, Speichelfluss, Strabismus, Fieber, Raserei bis zur Automutilation, aber auch stillen Formen der Krankheit mit geistiger Klarheit bis zum Tode) und der hundertprozentigen Letalität dürfte – nach Jedwillat – wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Tollwutepidemie auszugehen sein.749 Für das Jahr 570, zu dem Bischof Marius von Avenches über eine verlustreiche Hornviehseuche im Frankenreich und in Italien berichtet,750 vermutet Jedwillat das Auftreten einer Rinderpest.751 Eine von Gregor von Tours zum Jahr 582/583 erwähnte Erkrankung von Vieh findet sich in den bisherigen Aufstellungen zum Thema nicht. Er schrieb: „Auf dieses Unglück folgte eine Viehseuche, sodass kaum ein einziges Stück Vieh übrig blieb und es etwas Besonderes war, wenn man einen Jungstier oder eine Färse sah.“752 Im Jahr 591 dokumentierte Gregor von Tours erneut eine Viehseuche: „Es herrschte eine ungeheure Dürre, die alles Grasfutter missraten ließ; daher brach eine schwere Krankheit unter den Schafen und dem Zugvieh aus, und es blieb wenig zur Nachzucht übrig, wie das der Prophet Habakuk vorhergesagt hat: ‚Die Schafe werden aus den Hürden gerissen, und es werden keine Rinder in den Ställen sein.‘753 Und diese Seuche wütete nicht allein unter den Haustieren, sondern selbst unter dem ungezähmten Wild. Denn im Dickicht der Wälder fand man eine große Menge von Hirschen und anderen Tieren verendet. Das Heu verdarb durch starke Regengüsse und durch das Austreten der Flüsse, Feldfrüchte gab es sehr wenig,

|| 748 Agathias, Histories, 2, 3.1-8. Ed. Frendo, 34 f. 749 Jedwillat, Studie (1993), 30 und 32. 750 Marii episcopi Aventicensis chronica, ad a. 570. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 11, 238; Ed. Arndt, 14: Hoc anno morbus validus cum profluvio ventris et variola Italiam, Galliamque valde afflixit et animalium bubula per loca suprascripta maxime interierant. Vgl. Brunner, Medizin und Krankenpflege (1922), 149. 751 Laubender, Seuchen-Geschichte (1811), 16, Jedwillat, Studie (1993), 32. 752 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 31. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 301; FSGA 3, 54 f.: Subsecutus est morbus pecorum hanc cladem, ita ut vix vel initium remaneret novumque esset, si aliquis aut iuvencum viderit aut cerneret buculam. 753 Hab 3,17: Ficus enim non florebit, et non erit fructus in vineis; mentietur opus olivae, et arva non afferent cibum; abscissum est de ovili pecus, et non est armentum in praesepibus.

672 | Auswirkungen und Folgen

aber die Weinberge boten einen reichen Ertrag; die Eicheln kamen zwar zum Vorschein, gediehen aber nicht.“754

Moderne Forscher stellen diese Seuche als Folge der großen Dürre dar und vermuten Milzbrand.755 In einer in der Region um Wien überlieferten Quelle wird für das Jahr 599 ein ungewöhnliches Sterben von Rindern beschrieben.756 Das Ereignis findet sich bisher nicht in wissenschaftlichen Zusammenstellungen. Erst wieder für das Jahr 671 ist ein ähnliches Ereignis dokumentiert. So vermerken die angelsächsischen Chroniken ein großes Vogelsterben,757 von dem der Editor der Quelle, Swanton, annahm, es sei eher mit großer Kälte als mit Krankheiten zu begründen.758 Allerdings gibt keine Quelle eine längere Kälteperiode oder überhaupt einen Hinweis auf außergewöhnliche Temperaturen an, sodass vielleicht doch von einer epidemischen Krankheit ausgegangen werden sollte. Auch in anderen Quellen wurde das Sterben verzeichnet, sie ergänzen, es habe am Meer und an Land einen sehr üblen Geruch vom verwesenden Aas kleinerer und größerer Vögel gegeben.759 Für das Jahr 684 wird in irischen Quellen eine generelle „Sterblichkeit aller Tiere über die gesamte Welt für eine Zeit von drei Jahren, sodass nicht eines von tausend Tieren jeglicher Art entkam“,760 überliefert. Die Angabe von einer 0,1 prozentigen Überlebenschance jeglicher Tiere scheint aber doch sehr stark übertrieben. Bezöge sich die Angabe auf Vögel und Säugetiere, wäre es in der Folge vermutlich zu einem übermäßigen Auftreten von Insekten gekommen. Da jedoch ebenfalls in irischen

|| 754 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 525; FSGA 3, 398 f.: Siccitas inmensa fuit, quae omne pabulum herbarum avertit; unde factum est, ut gravis morbus in pecoribus ac iumentis invalescens parum, unde sumeretur origo, relinqueret, sicut Abbacuc propheta vaticinatus est: Deficient ab esca oves, et non erunt in praesepibus boves. Non modo enim in domesticis, verum etiam in ipsis ferarum inmitium generibus haec lues crassata est. Nam per saltus silvarum multitudo cervorum vel reliquorum animantium prostrata per invia nancta est. Foenum ab infusione pluviarum et inundatione amnium periit, segetes exiguae, vineae vero profusae fuerunt; quercorum fructus ostensi effectum non obtinuerunt. 755 Vgl. Laubender, Seuchen-Geschichte (1811), 16; Eichbaum, Grundriss (1885), 46; Jedwillat, Studie (1993), 32. 756 Fasti Vindobonensis priores, ad a. 599. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 9, 305: (…) fuit boum nimia mortalitas. 757 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 671. Ed. Swanton, 34 f.: Here there was the great mortality of birds. 758 Vgl. Anglo-Saxon Cronicles. Ed. Swanton, 34 Anm. 7: „Such mortality is likely to have been the result of extreme cold rather than disease, cf. anna. 1046 C.“ 759 The Chronicle of Aethelward, ad a. 671. Ed. Campbell, 19 f.: Itaque post decursu anni unius facta est auium magna ruina, ita ut et in mare et in aridia spurcissimus foetor uideretur tam de minutis auibus quam de maioribus. 760 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 684. Ed. O’Donovan, 292: A mortality upon all animals in general, throughout the whole world, for the space of three years, so that there escaped not one out of the thousand of any kind of animals.

Epidemien bei Tieren | 673

Quellen ein ungewöhnliches Sturmereignis geschildert wird, könnte das vielleicht für den Tod der Tiere mitverantwortlich sein.761 Anfang Februar 694 brach in Irland eine Seuche unter den Rindern aus,762 die sich auch im nächsten Jahr fortsetzte,763 und auch in der Chronik der Schotten genannt wurde.764 Nach dieser Episode wird von anderen irischen Quellen für die Zeit von 699765 bis 701766 das Auftreten einer tödlichen Infektionskrankheit (murrain) beim Vieh erwähnt. Insbesondere die Nennung derselben Orts-767 und Zeitangaben (1. Februar) könnte darauf hindeuten, dass es sich bei beiden Nennungen um dasselbe Ereignis handelt. Dies macht aber die absolute chronologische Zuweisung nicht einfacher.

4.6.2 Epidemien bei Tieren im 8. und 9. Jahrhundert Von dieser dreijährigen Krankheitsepisode scheint sich aber eine zweite zu unterscheiden, denn auch im Jahr 707 oder 708 ist es wohl erneut zu einer Infektionskrankheit unter den Rindern gekommen.768 Nach Aufzeichnungen aus dem Kloster St. Gallen starben im Jahr 715 Menschen und Rinder gleichermaßen.769 Theophilus von Edessa beschreibt für die Region Syrien in seiner Chronik zum Jahr 725/726 eine große Epidemie unter den Stieren, Stuten und allen vierbeinigen Tieren. Darüber hinaus habe eine große Pest alle Regionen in Syrien heimgesucht.770

|| 761 Vgl. dazu Kap. 3.2 Winde und Stürme. 762 Annals of Clonmacnoise, ad a. 694. Ed. Murphy, 111: A great morren of cowes throughout all England. 763 Annals of Clonmacnoise, ad a. 695. Ed. Murphy, 111: The same morren of cowes came into Ireland next year and began in Moyhrea in Teaffa. 764 Chronicum Scotorum, ad a. 696. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 113: A mortality broke out, among cows in Hibernia, on the Kalends of February, in Magh Treagha, in Teathbha. 765 Chronicle of Ireland, ad a. 699. Ed. Charles-Edwards (AU, CS), 174: A murrain of cattle in the land of the English. Annals of Tigernach, ad a. 699. Ed. Stokes, Bd. 1, 216: Bouina straghes in Saxonia. 766 Chronicle of Ireland, ad a. 701. Ed. Charles-Edwards (AU, AT, CS), 176: The cattle plague. Annals of Tigernach, ad a. 701. Ed. Stokes, Bd. 1, 217: A mortality of cattle. 767 Chronicle of Ireland, ad a. 700. Ed. Charles-Edwards (AU, CS), 175: The cattle plague broke out in Ireland on the kalends of February in Mag Trego in Tethbae. Annals of Tigernach, ad a. 700. Ed. Stokes, Bd. 1, 216: A cow mortality lit up in Ireland on the kalends of February in the Magh Trego in Teffia. 768 Chronicum Scotorum, ad a. 704 (richtig 707). Ed. Hennessy, 117: A great cow mortality again raged; Chronicle of Ireland, ad a. 708. Ed. Charles-Edwards (AU, AT), 183: The murrain of cows raged again. 769 Excerpta Sangallensia, ad a. 715. Ed. Mommsen, MGH Auct. ant. 9, 336: (…) et fuit hominum et boum nimia mortalitas. 770 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 725–726. Ed. Hoyland, 318 [Chron 819]: There was a great pestilence among bulls, mares and all four-legged animals. There was a great plague in all the regions of Syria.

674 | Auswirkungen und Folgen

Auch in arabischen Chroniken wird dieses Ereignis zum selben Jahr mit überliefert; es habe in Syrien eine schwere Epidemie sogar Pferde und Rinder geplagt.771 In einem Brief von Papst Zacharias an Bonifatius vom 4. November 751 ist die Anweisung enthalten, infizierte Tiere, wohl mit Tollwut oder Rotz, zu isolieren oder in einer Grube zu verscharren.772 Darin kann ein erstes Zeugnis „seuchenpolizeilichen“ Charakters gesehen werden. Der Papst verweist auch auf die Existenz eines umfangreichen Strafenkatalogs für die Missachtung der angeordneten Maßnahmen, was auf ein hohes Maß an Konsequenz bei der Durchsetzung schließen lässt.773 In den Jahren 770 bis 772 scheint es in Irland erneut zu einer großen Seuche unter den Rindern gekommen zu sein, die von den Zeitgenossen Moylegarrow genannt wurde und nur eine von mehreren Plagen in den genannten Jahren gewesen sein dürfte.774 Im Jahr 791 kam es zu einer sehr verlustreichen Pferdeseuche (equorum lues) im Heer Karls des Großen.775 Jedwillat deutete diese in seiner Studie als Rotz, Brustseuche oder Influenza. Er schloss Milzbrand als Ursache nachvollziehbar „differentialdiagnostisch“ aus.776 Andere Studien schlugen keine Erklärungsansätze vor.777 Im Jahr 801 trat nach einem Erdbeben und einem Krieg im fränkischen Reich eine mit großer Mortalität einhergehende Epidemie auf, welche Menschen und Tiere gleichermaßen befiel.778 Beschrieben wurde sie in den Annales Lobienses, wo es nur kurz heißt, in der Rheingegend der Germania und Gallia herrschte eine pestilentia magna unter den Menschen und Viehherden.779

|| 771 Theophilus of Edessa’s Chronicle, ad a. 725–726. Ed. Hoyland, 226, Anm. 634: “Ibn Khayyat, 350: ‘In that year there was a severe plague in Syria, even afflicting horses and cattle.’ 772 Brief von Papst Zacharis an Bonifatius, Nr. 87. MGH Epp. sel. 1, 197 f.; FSGA 4b, 296 f.: De animalibus autem, qui a furentibus id est rabidis lupis et canibus fuerint lacerati, oportet ea a ceteris separari, ne furentes et mordentes cetera coinquinentur. Quodsi pauca sunt, ut supra diximus, in fovea proicienda sunt. 773 Hanebeck, Antonius (2011), 102; Jedwillat, Studie (1993), 31. 774 Annals of Clonmacnoise, ad a. 770. Ed. Murphy, 123: There raigned many diseases in Ireland this yeare. A Great Morren of Cows came over the whole kingdom, called Moylegarrow; Annals of Clonmacnoise, ad a. 772. Ed. Murphy, 123: The Murren of the Cowes in Ireland still continued, and which was worse Great scarcity and penurie of victuals amongue men continued. 775 Annales regni Francorum, ad a. 791. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 89/91: Facta est haec expeditio sine omni rerum incommodo, praeter quod in illo, quem rex ducebat, exercitu tanta equorum lues exorta est, ut vix decima pars de tot milibus equorum remansisse dicatur. 776 Jedwillat, Studie (1993), 31 f. 777 Vgl. Eichbaum, Grundriss (1885), 46; Newfield, Contours (2010), 196 f. 778 Laubender, Seuchen-Geschichte (1811), 16; Eichbaum, Grundriss (1885), 46; Newfield, Contours (2010), 198 f. 779 Annales Lobienses, ad a. 801. Ed. Waitz, MGH SS 13, 230: In Germania quoque et Gallia quaedam loca propter Rhenum tremuerunt, et pestilentia magna hominum et peccorum propter mollitiem hiemis estitit.

Epidemien bei Tieren | 675

Für das Jahr 808 melden die Weissenburger Annalen ein großes Rindersterben.780 Im Winter 809/810781 kam anscheinend ein großes Tiersterben aus dem Osten und setzte sich im Westen fort. Auch später trat es immer wieder auf. Diese Krankheit dürfte als Rinderpest anzusehen sein.782 Von den Provianttieren des Heeres Karls des Großen, das 810 an Weser und Elbe stand, soll kein einziges am Leben geblieben sein.783 Die entsprechenden Einträge in den Annales regni Francorum, den Annales Fuldenses und bei Regino von Prüm lauten: „Auf diesem Feldzuge brach eine so heftige Rinderseuche aus, dass fast kein einziges Stück Vieh für ein so zahlreiches Heer am Leben blieb, sondern alle bis auf das letzte zugrunde gingen; und nicht allein hier, sondern in allen dem Kaiser unterworfenen Ländern wütete unter dieser Tierart die Seuche in furchtbarster Weise.“784

Notker berichtet in seinen Gesta Karoli vom Misslingen diesbezüglicher Maßnahmen Karls: „Jedenfalls misslangen alle seine [Karls des Großen] Versuche, sodass, um das Unglück des ganzen Heeres an einem Beispiel zu zeigen, bei der Mannschaft des Abtes in einer Nacht fünfzig Paar Ochsen als Opfer einer plötzlichen Seuche gezählt wurden.“785

|| 780 Annales Weissenburgenses, ad a. 808. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 21: Maxima mortalitas bovum. 781 Chronicon Moissiacense, ad a. 809. Ed. Pertz, MGH SS 1, 309: In illo anno venit mortalitas magna animalium ab oriente, et pertran siit usque in occidentem. Et celebravit pascha apud Aquis palatium Karolus imperator. Vgl. Eichbaum, Grundriss (1885), 46. 782 Jedwillat, Studie (1993), 32 deutet es als Rinderpest. 783 Newfield, Contours (2010), 199–203. 784 Annales regni Francorum, ad a. 810. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 132; FSGA 5, 96 f.: Tanta fuit in ea expeditione boum pestilentia, ut pene nullus tanto exercitui superesset, quin omnes usque ad unum perirent; et non solum ibi, sed etiam per omnes imperatori subiectas provincias illius generis animalium mortalitas inmanissime grassata est; Annales Fuldenses. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, ad a. 810, 18: Tanta fuit in ea expeditione boum pestilentia, ut pene nullus tanto exercitui superesset, quin omnes usque ad unum interirent; et non solum ibi, sed etiam per omnes imperatori subiectas provincias illius generis animalium mortalitas immanissime grassata est; Regino von Prüm, Chronicon, ad a. 810. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 70: Tanta fuit in ea expeditione boum pestilentia, ut pene nullus tanto exercitui superesset, quin omnes usque ad unum perirent; et non solum ibi, sed etiam per omne imperium huius generis animalia perierunt. 785 Notker der Stammler, Taten Kaiser Karls des Großen, 2, 13. Ed. Haefele, MGH SS rer. Germ. N. S. 12, 76; FSGA 7, 406 f.: (…) illius temptamenta in irritum deducta sunt, in tantum, ut ad incommoda totius exercitus comprobanda de unius abbatis copiis in una nocte quinquaginta boum paria repentina peste numerarentur extincta. Eichbaum, Grundriss (1885), 46 gibt irrtümlich „Einhards Annalen“ statt Notkers Gesta als Quelle an. Dieser Fehler findet sich auch in RI I, Nr. 450.

676 | Auswirkungen und Folgen

Auch andere Annalen erwähnen die Rinderseuche diesen Jahres786 als ganz Europa betreffend.787 Im Jahr 820 bewirkten Missernten und Hungersnöte, die auf einen milden Winter 788 819 und Überschwemmungen folgten, dass sich die kritische Wirtschaftssituation von 810 im Frankenreich in verschärfter Weise wiederholte.789 Die Annales regni Francorum berichten dazu: „In diesem Jahr, 820, hatten die anhaltenden Regengüsse und die überaus feuchte Luft große Übel im Gefolge. Unter Menschen und Vieh wütete weit und breit eine Seuche mit solcher Heftigkeit, dass es kaum einen Landstrich im ganzen Frankenreich gab, der von ihr verschont geblieben wäre. Auch Getreide und Gemüse gingen bei dem fortwährenden Regen zugrunde und konnte entweder nicht eingeholt werden oder es verfaulte in den Scheunen. Nicht besser stand es mit dem Wein, der in diesem Jahr einen höchst spärlichen Ertrag gab und dabei noch wegen des Mangels an Wärme herb und sauer wurde.“790

Auch die Annales Fuldenses erwähnen zum Jahr 820 anhaltende Regengüsse und eine Epidemie unter den Rindern.791 Nithard dokumentierte einen strengen Winter 842/843 und das Auftreten nicht näher beschriebener Viehseuchen.792 Jedwillat listet dieses Ereignis in seiner Aufstellung der Tierseuchen auf, während Newfield hierin keine Seuche unter Tieren sieht.793

|| 786 Annales Maximiniani, ad a. 810. Ed. Waitz, MGH SS 13, 24: Magna et inmensa mortalitas animalium tunc contigit. Annales Xantenses, ad a. 810. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 4: et magna mortalitas boum et aliorum animalium erat in ipso anno. Annales Altahenses maiores, ad a. 810. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 4: Mortalitas boum. 787 Chronicon Laurissense breve, ad a. 810. Ed. Pertz, MGH SS 1, 121; Ed. Schnorr von Carolsfeld (NA 36, 1911): Mortalitas bovum maxima pene in tota Europa, nec non et hominum plurimorum, et Hruothruda filia imperatoris et Pippinus filius eius. Annales Hildesheimenses, Nr. 42. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 15: Mortalitas boum maxima poene in tota Europa necnon et hominum plurimorum. 788 Annales Altahenses maiores, ad a. 819. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS 20, 784: Pestis magna boum hoc anno. 789 Jedwillat, Studie (1993), 32; Newfield, Contours (2010), 203 f. Eichbaum, Grundriss (1885), 46. 790 Annales regni Francorum, ad a. 820. Ed. Pertz/Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 154; FSGA 5, 124 f.: Hoc anno propter iuges pluvias et aerem nimio humore resolutum magna incommoda contigerunt. Nam et hominum et boum pestilentia tam inmane longe lateque grassata est, ut vix ulla pars totius regni Francorum ab hac peste inmunis atque intacta posset inveniri. Frumenta quoque et legumina imbrium adsiduitate corrupta vel colligi non poterant vel collecta conputrescebant. Vinum etiam, cuius parvus proventus eodem anno fuit, propter caloris inopiam acerbum m et insuavefiebat. 791 Annales Fuldenses, ad a. 820. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 22: Propter nimietatem pluviarum aere corrupto hominum et boum pestilentia longe lateque ita grassata est, ut vix ulla pars regni Francorum ab hac peste inmunis posset inveniri. Fruges quoque vel colligi non poterant vel collecta putruerunt. Vinum etiam propter caloris in opiam acerbum et insuave fiebat. 792 Nithard, Historiarum libri, 4, 6. Ed. Müller MGH SS rer. Germ. 44, 49: Fuit autem eadem hiemps praefrigida nimis ac diuturna, langoribus insuper habundans nec non et agriculturae peccorique apibusque satis incongrua. 793 Newfield, Contours (2010), 204.

Epidemien bei Tieren | 677

Er belegt dies mit einem Hinweis auf das Fragmentum Chronicon Fontanellensis zum Jahr 842, nach dem „ein Husten folgte, an dem viele gestorben sind.“794 Deshalb läge hier eine Verwechslung vor, die Seuche habe nur Menschen, nicht aber Tiere betroffen.795 In fünf Annalen wurde zum Jahr 860 ein fast identisch lautender Eintrag eines langen Winters und einer hoher Sterblichkeit der Tiere gemacht,796 nämlich in den Annalen von St. Gallen, Weissenburg, Weingarten, Lobbes und Köln. Dies könnte auf eine Ausbreitung der Epidemie entlang des Rheins hindeuten oder aber auf eine Abhängigkeit dieser Werke aus Klöstern entlang des Rheins voneinander.797 Ein ähnlich unkonkreter Befund ist zum Jahr 868 festzustellen: „Der Stern Komet. Schlimme Hungersnot und großes Sterben bei Menschen und Tieren.“798 Die Annales S. Benigni Divionensis vermerken zum folgenden Jahr 869 ebenfalls nur sehr allgemein: „Erneut große Hungersnot und eine Sterblichkeit unter den Menschen sowie eine Seuche bei den Tieren.“799 Dieser Eintrag scheint die Vorlage der folgenden in den Annalen des Klosters Kolbatz zum Jahr 869 enthaltenen Nachrichten gewesen zu sein: „Weiterhin Hungersnot und Sterben der Menschen und eine Epidemie bei den Tieren.“800 Dieser Eintrag wiederum ist wohl identisch mit jener Quellenstelle, welche dem Eintrag in den Annalen von Lund zugrunde liegt, die dort allerdings zum Jahr 849 gestellt wurde.801 Dem schloss sich auch Eichenbaum an.802 Die Tierseuche fand aber wohl 869/870 statt,803 denn auch in den Fuldaer Annalen

|| 794 Fragmentum chronici Fontanellensis, ad a. 842. Ed. Pertz, MGH SS 2, 302: Secuta est tussis validissima, de qua multi mortui sunt. 795 Newfield, Contours (2010), 204. 796 Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis prima, ad a. 860. Ed. Pertz, MGH SS 1, 50: Hiems magna, et mortalitas animalium. Annales Weissenburgenses, ad a. 860. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 29: Hiemps magna et mortalitas animalium; identisch Annales Sangallenses maiores, ad a. 860. Ed. von Arx, MGH SS 1, 76, Annales Laubienses, ad a. 860. Ed. Pertz, MGH SS 4, 14, Annales Colonienses brevissimi, ad a. 860. Ed. Pertz, MGH SS 1, 97. 797 Auch erwähnt bei: Newfield, Contours (2010), 205. 798 Annalium Alamannicorum continuatio Sangallensis prima, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 1, 51: Stella cometis. Fames acerrima, et mortalitas hominum et animantium [!]; Annales Weingartenses, ad a. 868. Ed. Pertz, MGH SS 1, 66: Stella cometis. Fames accerima, et mortalitas hominum et animalium; Annales Sangallenses maiores, ad a. 868. Ed. von Arx, MGH SS 1, 76: Stella cometis. Fames validissima, et mortalitas hominum et animantium. 799 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 869. Ed. Pertz, MGH SS 5, 38: Item fames valida, et mortalitas hominum et pestis animalium. 800 Annales Colbazenses, ad a. 869. Ed. Kroman, 7: Item fames et mortalitas hominum et pestis animalium. 801 Annales Lundenses, ad a. 849. Ed. Waitz, MGH SS 29, 197: Item fames et mortalitas hominum et pestis animalium. 802 Eichbaum, Grundriss (1885), 46: „849 Verheerende Seuche unter den Rindern in Frankreich.“ 803 Eichbaum, Grundriss (1885), 46: „In Frankreich seuchenartiges Hinsterben aller Haustiergattungen, ebenso 870“; Auch Newfield, Contours (2010), 206 f. verzeichnet die Jahre 869/870.

678 | Auswirkungen und Folgen

heißt es zum Jahr 870: „In dem Wormsgau sollen auch bei der Ernte infolge der ungewöhnlichen Hitze einige gestorben sein; sehr viele ertranken auch im Rhein. (…) Auch eine Rinderpest wütete aufs Schrecklichste an einigen Orten Franciens und brachte vielen einen unersetzlichen Schaden.“804 Im Jahr 873/4 soll es nach den Annales S. Dionysii Remenses zu einem Sterben vieler Rinder und Schafe gekommen sein.805 Im Jahr 877 soll eine Epidemie unter den Rindern aufgetreten sein,806 die auch in der Chronik des Sigebert von Gembloux aufgeführt wird.807 Folgt man den Fuldaer Annalen, so wütete im Jahr 878 eine Rinderpest auf das Fürchterlichste in Germanien, besonders um den Rhein und nach diesem Unglück kam es zu einem nicht geringen Sterben der Menschen.808 Diese Nachricht ist zum Jahr 878 auch in der Frankengeschichte des Petrus Bibliothecarius enthalten: „Eine Rinderpest in Germania, der eine Seuche bei den Menschen folgte. Bei den Slaven, Dalmatinern, Soaven und Böhmen genauso.“809 Jedwillat und Newfield übernehmen das Ereignis in ihre Listen.810 Wieder sind es die Annales Fuldenses, die zum Anfang des Jahres 887 angeben, dass „der Winter hart und ausgedehnter als sonst war. Auch wütete eine Pest unter den Rindern und Schafen übermäßig in Franken, dergestalt, dass fast keine Tiere dieser Art übrig blieben.“811 Newfield stellte heraus, dass dies der einzige Eintrag in den Annales Fuldenses sei, der auf ein Phänomen in der Francia und nicht in der Germania hinweisen würde.812 Im Jahr 894 wurden in Italien Menschen und Pferde von einer tödlichen Seuche heimgesucht, die Kaiser Arnulf dazu zwang, im Jahr 895 mit der fränkischen Armee

|| 804 Annales Fuldenses, ad a. 870. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 70–72; FSGA 7, 78 f.: (…) nonnulli etiam in pago Wormacense messem colligentes, propter solis calorem solito graviorem extincti referuntur; plurimi quoque in Rheno flumine suffocati perierunt. (…) Boum quoque pestilentia in nonnullis Franciae locis inmanissime grassando multis inrecuperabile intulit damnum. Vgl. a. Jedwillat, Studie (1993), 32. 805 Annales S. Dionysii Remenses, ad a. 873. Ed. Waitz, MGH SS 13, 82: Extitit talis super terram nix qualem nemo memorantur se vidisse. Unde et de bobus et de ovibus magna pars periit. 806 Ex Summa Honorii, ad a. 877. Ed. Wilmanns, MGH SS 10, 130: Boum pestilentia magna contigit. 807 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 877. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 342: Ingruente in Germania pecorum pestilentia, dum canes undique collecti cadaveribus incumberent, ita disparuerunt, ut nec vivi nec mortui reperirentur. 808 Annales Fuldenses, ad a. 878. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 92; FSGA 7, 108 f.: Boum pestilentia in Germania immanissime grassata est, maxime circa Rhenum; quam cladem non mediocris hominum mortalitas secuta est. 809 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 878. Ed. Pertz, MGH SS 1, 418: Boum pestilentia in Germania, quam clades hominum secuta est. Slavi, Dalmatae, Soavi, Bohemi idem sunt. Vgl. Newfield, Contours (2010), 207; Eichbaum, Grundriss (1885), 46; Jedwillat, Studie (1993), 32. 810 Jedwillat, Studie (1993), 32; Newfield, Contours (2010), 208. 811 Annales Fuldenses, ad a. 887. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 105; FSGA 7, 128 f.: Hiems aspera et solito proxilior; boum quoque et ovium pestilentia supra modum grassata est in Francia, ita ut pene nulla eiusdem generis animalia reliquerentur. 812 Newfield, Contours (2010), 208, Anm. 641; Eichbaum, Grundriss (1885), 46.

Epidemien bei Tieren | 679

eiligst über die Alpen aus Italien zu fliehen.813 Als Erkrankungen der Pferde sind entweder Rotz oder Milzbrand vorgeschlagen worden.814 Im darauffolgenden Jahr 896 soll nach einer sechsmonatigen Hitze und Dürre in Europa eine allgemeine Seuche ausgebrochen sein, der besonders Ochsen, Schafe und Schweine zum Opfer fielen.815 Der Verfasser der Fuldaer Annalen vermerkte dazu am Beginn des Eintrags zum Jahr 896: „Nun wurde das ganze Heer durch gewaltige Stürme, unaufhörliche Regengüsse und unmäßige Überschwemmungen auf den Hängen der Berggipfel aufgehalten, irrte allenthalben umher und kam nur mit Mühe hindurch. Daher entstand auch eine heftige Seuche unter den Pferden und sie nahm, durch die Schwierigkeit des Marsches gesteigert, ungewöhnlich zu, sodass fast das ganze Heer sein Gepäck in ungewohnter Weise auf Ochsen fortschaffte, die nach Art der Pferde gesattelt waren.“816

Als Ursache ist Milzbrand in Betracht gezogen worden.817

4.6.3 Epidemien bei Tieren im 10. und 11. Jahrhundert Auch in Irland finden sich indirekte Hinweise auf Tierseuchen, so soll das Jahr 900 insgesamt sehr regnerisch gewesen und daraufhin viele Rinder Opfer einer Hungerkatastrophe geworden sein.818 Auch für 909 überliefern irische Quellen eine Rinderseuche.819 Im Jahr 917 sei es zu einem Sterben von Rindern und Vögeln in Irland gekommen, sodass der Gesang einer Amsel oder einer Drossel in diesem Jahr kaum zu hören war.820 || 813 Vgl. RI I, 3, 3 Nr. 1754: „(Charta (Or.), Piacenza, Arch. capitolare della cattedrale, Cass. 4, Donazioni a S. Giustina, Nr. 21. -- Unediert.).“ 814 Laubender, Seuchen-Geschichte (1811), 17; Eichbaum, Grundriss (1885), 47; Jedwillat, Studie (1993), 32. 815 Laubender, Seuchen-Geschichte (1811), 17; Newfield, Contours (2010), 208 f.; Eichbaum, Grundriss (1885), 46. 816 Annales Fuldenses, ad a. 896. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 127 f.; FSGA 7, 164 f.: Igitur propter nimiam intempestatem aeris et immoderatam effusionem imbrium et ultra modum inundationibus aquarum omnis exercitus per divexa moncium cacumina impediti sunt, passim errando laboriose pervagatus. Unde etiam maxima pestilencia equorum et plus solitum propter difficultatem itineris aggravando excrevit, ita vero, ut totus pene exercitus supellectile suum inconsueto more per sellatos more equitum boves trahebant. 817 Jedwillat, Studie (1993), 33. 818 Chronicle of Ireland, ad a. 900. Ed. Charles-Edwards (AU, CS), 343: A rainy year. Great scarcity affected the cattle. 819 Chronicle of Ireland, ad a. 909. Ed. Charles-Edwards (AU, CS, AClon), 347: A murrain of cows. 820 Annals of Inisfallen, ad a. 917. Ed. Mac Airt, 146 f.: A mortality of cattle and birds, such that the sound of a blackbird or a thrush was scarcely heard that year.

680 | Auswirkungen und Folgen

Als König Hugo I. (um 887–947) in der zweiten Hälfte des Jahres 936 mit seinem Heer vor Rom stand, litt dieses unter Hunger und wurde obendrein von einer Pferdeseuche heimgesucht.821 Bereits die ältere Forschung hat für die Jahre „940–942 eine Seuche in Frankreich, im letzten Jahre auch in Deutschland bei den Wiederkäuern“822 festgestellt. Diese wurde von Newfield auf der Basis von zehn Quellenstellen als eine Phase von „livestock mortalities“ auf die Jahre 939 bis 942 ausgedehnt.823 Entsprechende Quellenangaben lassen sich aber noch bis zum Jahr 943 feststellen. Zudem mangelte es auch nicht an Versuchen, diese Sterblichkeit mit den Folgen eines (Teil-)Ausbruches des Vulkans Eldgjá in Verbindung zu bringen.824 Doch betrachtet man die Quellen näher: Die Annales Colonienses verzeichnen bereits zum Jahr 939(/940) einen „strengen Winter und eine Tierseuche“ in Mitteleuropa.825 Dies findet sich auch im Chronicon Suebvicum,826 ebenso bei Hermann von Reichenau827 und als weitere Quelle nennen die Annales capituli Cracoviensis in dem Jahr eine mortalitas iumentorum.828 Im Jahr 941 wird dann in St. Gallen erstmals ein merkwürdiges Zeichen genannt, das dem Sterben der Rinder vorangegangen sein soll.829 Widukind präzisierte das Zeichen und berichtet von einem Kometen, auf den zunächst eine Überschwemmung und dann eine Seuche bei den Rindern folgten.830 Die Nachricht ist bei Widukind allerdings nachträglich eingeschoben, was sich an der Kombination aus unterschiedlich datierten Ereignissen erkennen lässt. Besonders zahlreich ist die Überlieferung zum Jahr 942, die Kometen und eine Epidemie bei Rindern verbindet. Eine Gruppe von drei Annalen im süddeutschenschweizerischen Raum enthält folgenden Eintrag: „Ein Komet wurde 14 Nächte lang gesehen und es kam eine ungeheure Viehseuche.“831 Fast wortgleich findet sich diese || 821 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 936. Ed. Lauer, 64; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 37: Hugo rex Italiae Romam nisus capere, afflicto exercitu suo fame et equorum interitu. Vgl. auch RI I, 3, 3 Nr. 1754. 822 Eichbaum, Grundriss (1885), 47. 823 Newfield, Contours (2010), 210–213. 824 Vgl. McCormick/Dutton/Mayewski, Volcanoes (2007), 888 f. 825 Annales Colonienses, ad a. 939. Ed. Pertz, MGH SS 1, 98: Hiemps valida et mortalis animalium. 826 Chronicon Suevicum universale, ad a. 940. Ed. Bresslau, MGH 13, 6: Hiemps valida et mortalitas animalium facta. 827 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 940. Ed. Pertz, MGH SS 5, 113; FSGA 11, 636 f.: Hiems saeva hoc anno facta, et pestis animalium subsecta. 828 Annales capituli Cracoviensis, ad a. 940. Ed. Röpell/Arndt, MGH SS 19, 585: Mortalitas iumentorum. 829 Annales Sangallenses maiores, ad a. 941. Ed. Zingg, 168 f.: Signum mirabile apparuit in caelo, et mortalis boum fuit. 830 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 32. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH rer. Germ. 60, 94; FSGA 8, 116 f.: Sed cometas inundatio nimia inundationemque boum pestilencia subsecuta est. 831 Annales Einsidlensis, ad a. 942. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 186: Sidus simile comete per XIIII noctes visum manifestius est et inmensa mortalitas boum. Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 942. Ed. Pertz, MGH SS 5, 114; FSGA 11, 638 f.: Cometa per noctes 14 visa et imensa animalium pestilentia facta.

Epidemien bei Tieren | 681

Nachricht auch bei Hermann von Reichenau und in den Annales Heremi.832 Eine ähnliche Kombination von Ereignissen, aber mit einer um eine ganze Woche auf 21 Tage erhöhten Sichtbarkeit des Kometen findet sich im Westfrankenreich an der Loire: „Kometen erschienen im Monat Oktober für 21 Tage, darauf folgte eine Rinderseuche.“833 Dagegen gab Flodoard für das Jahr 942 keine Kombination von Tierepidemien und Kometen an, stattdessen sind bei ihm die geographischen Angaben am genauesten: „Es war eine große Hungersnot in ganz Frankreich und Burgund, gefolgt von einer so großen Rinderseuche, dass nur ganz wenige Tiere überlebten.“834 Drei weitere westfränkische Quellen bilden eine Gruppe, die ebenfalls sehr genaue Raumangaben macht und erwähnt, „in ganz Germanien, Franken, Burgund und Italien verheerte eine Pest die Rinder, welche von Gott nicht vermindert wurde.“835 Diese Quellengruppe überliefert das Ereignis übereinstimmend zum Jahr 943. Wie ist diese Überlieferungslage zu deuten? Der Winter von 939 auf 940 scheint streng gewesen zu sein, zu einer Tierseuche und damit einhergehend auch zu einer partiellen Hungersnot geführt zu haben. Die Ausbreitung der Tierseuche dürfte sich auf das mittlere Rheinland beschränkt haben. Die topographische Diffusion der Rinderepidemie verlief Richtung Süden und erreichte 941 St. Gallen. Gleichzeitig könnte sie sich über Sachsen Richtung Osten ausgedehnt haben, wo Widukind sie ebenfalls 941 dokumentiert. Die diesbezüglichen Quellen setzen als ankündigendes Zeichen die Sichtung eines Kometen vor die Epidemie. Dann scheint die Diffusion unaufhaltsam weiter in Richtung Westen und Süden also ins Westfrankenreich, nach Burgund und Italien, vorangeschritten zu sein, wo Fälle überwiegend für das Jahr 942 dokumentiert wurden. Zum Jahr 951 melden irische Annalen ein Sterben unter den Bienen,836 ohne auf weitere Umstände einzugehen und auch im Jahr 955 sollen viele Rinder aufgrund von Krankheiten, die durch einen großen Frost und viel Schnee verursacht worden waren,

|| 832 Adalberti Continuatio Reginonis, ad a. 942. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 50, 162, FSGA 8, 202 f.: Sidus simile cometae per XIIII noctes visum et immensa mortalitas boum secuta est. Annales Heremi 1 (AH 1) und 2 (AH 2), ad a. 942. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 186 und 264: Sidus simile cometȩ per XIIII noctes visum manifestius est et inmensa mortalitas boum. 833 Breve Chronicon Sancti Florentii Salmurensis, ad a. 942. Ed. Marchegay/Mabille, 186: Cometes apparuit mense octobri per viginti unum dies, quem pestis boum subsecuta est. 834 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 942. Ed. Lauer, 85; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 37: Fames magna per totam Franciam et Burgundiam, mortalitas quoque maxima boum grassata est in tantum, ut valde pauca huiusmodi animalia in his remanserint terris. 835 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 943. Ed. Verdon, 90 f.: In sequenti anno, subsequta est pestis boum ingens per totam Germaniam, Franciam, Burgundiam, Italiam, que diu non tenuit. Chronica Rainaldi archidiaconi Sancti Mauricii, ad a. 943. Ed. Marchegay/Mabille, 9: In sequenti anno subsecuta est pestis boum ingens per totam Germaniam, Franciam, Burgundiam et Aquitaniam; Italiam quae non diu tenuit. Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 943. Ed. Marchegay/Mabille, 162: In sequenti anno subsecuta est pestis boum ingens per totam Germaniam, Franciam, Burgundiam et Aquitaniam; Italiamque non diu tenuit. 836 Annals of Ulster, ad a. 951.Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 397: A mortality of bees.

682 | Auswirkungen und Folgen

verendet sein.837 Eine schottische Quelle gibt dieselben Ursachen einer Rinderepidemie an, aber für das Jahr 959.838 Ebenfalls in der Chronik der Schotten ist für das Jahr 961 eine große Rinderseuche überliefert.839 Diese mäßige Überlieferungslage für 961 fällt um so mehr auf, vergleicht man sie mit der Quellenlage zur Rinderseuche in den Jahren 986 und 987. Nach den Annalen von Clonmacnoise begann im Jahr 981 eine Seuche unter den Rindern um sich zu greifen, die in Irland Moylegarie genannt wurde.840 Erst wieder vier Jahre später nennen die schottischen Annalen zum Jahr 985 den Beginn des Sterbens der Rinder (Maelgarbh), wie es bis dahin nicht vorgekommen sei.841 Nach den angelsächsischen Chroniken begann die große Epidemie unter dem Vieh in England842 im Jahr 986. Diese in irischen Quellen mit dem Terminus Maelgarbh bezeichnete Krankheit trat im selben Jahr auch in Irland auf.843 Nach Simeon von Durham traten 987 zwei Epidemien auf, ein Fieber unter den Menschen und eine Seuche unter den Tieren, die im Englischen scitta genannt wurde, auf Latein aber fluxus intraneorum.844 Erst zwei Jahre später nennen die Annales Quedlinburgenses zum Jahr 989 das Erscheinen eines Kometen auf den eine große Pest unter Menschen und Vieh, besonders unter den Rindern, folgte.845 Das Erscheinen der Kometen wird zur Stunde der

|| 837 Annals of Clonmacnoise, ad a. 955. Ed. Murphy, 157: There was a great Dearth of cattle this year, and many diseases generally raigned over all Ireland by reason of the great frost and snow, which procured the Intemperature of the ayre. 838 Chronicum Scotorum, ad a. 959. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 213 f.: A great mortality brought upon cattle, by snow and distemper. 839 Chronicum Scotorum, ad a. 961. Ed. Hennessy, 214 f: Cattle suffered a great plague, with snow and diseases. 840 Annals of Clonmacnoise, ad a. 981. Ed. Murphy, 160: This yeare began the morren of Cowes called in Ireland the Moylegarie. 841 Chronicum Scotorum, ad a. 985. Ed. Hennessy, 231: Commencement of the cow mortality, i.e. the Maelgarbh, the same which had not come before. 842 Anglo-Saxon Chronicles, ad a. 986. Ed. Swanton (Abingdon MS), 125: Here the king did for the bishopric at Rochester; and here the great pestilence among cattle first came to England. 843 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 986. Ed. O’Donovan, 721: The commencement of the great murrain of cows, i.e. the strange Maelgarbh, which had never come before. Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 986. Ed. O’Donovan, 721: An army was led by Maelseachlainn into Leinster, whence he carried off a great spoil of cows. 844 Simeon von Durham, Historia Regum, ad a. 987. Ed. Arnold, Rolls Series 75.2, 133 f.: Hoc anno duae retro seculis Anglorum genti incognitae pestes, scilicet febris hominum, et lues animalium quae Anglice “scitta“ vocatur, Latine autem fluxus intraneorum dici potest, totam Angliam plurimum vexaverunt, et clade pervalida tam homines afficiendo quam animalia penitus consumendo per omnes fines Angliae inedicibiliter desaevierunt. Vgl. Eichbaum, Grundriss (1885), 47. 845 Annales Quedlinburgenses, ad a. 989. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 477: Cometae apparuerunt, quas pestilentia subsequuta est grandis hominum et iumentorum, et maxima boum.

Epidemien bei Tieren | 683

Vesper im August angeben,846 nach anderen Quellen am 10. August.847 Die Epidemien dürften also nach dem August 989 aufgetreten sein. Für die Jahre von 992 bis 995 wurde eine Phase von Epidemien bei Menschen und Tieren in Mitteleuropa rekonstruiert.848 Nach einem kalten langen Winter und einem im Jahr 992 folgenden „dürren, trockenen Sommer, in dem viel Mehltau fiel, verdarben die Früchte. Dadurch kam es in Sachsen und fast ganz Mitteleuropa zu einem großen Viehsterben.“849 Irische Annalen überliefern für das Jahr 993 „ein großes Sterben der Menschen, des Viehs und der Bienen überall in Irland.“850 Nach den Annales Quedlinburgenses begann am 3. November 993 „ein überaus strenger Winter, der, nur von wenigen Tagen unterbrochen, bis zum 5. Mai 994 anhielt. Darauf wehten verderbliche und kalte Winde und in sehr vielen Nächten fiel statt des Taus winterlicher Frost. Zuletzt kam noch am 7. Juli große Kälte und die Flüsse trockneten aus und es war so großer Regen, dass in den meisten Teichen die Fische starben und auf dem Lande die meisten Bäume vollkommen verdorrten und die Früchte und der Flachs verdarben. Es folgte auch ein großes Sterben unter Menschen, Schweinen, Rindern und Schafen; an vielen Orten wurden die Wiesen so dürr, als wären sie von Feuer versengt.“851 Jedwillat sieht die Ursache des Sterbens, insbesondere der Klauentiere,

|| 846 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 989. Ed. Pertz, MGH SS 5, 41: In mense Aug. hora vespertina cometae visae sunt in occidente. 847 Annales Sangallenses maiores, ad a. 989. Ed. Zingg, 182 f.: Stella cometes apparuit clara natali sancti Laurentii. 848 Eichbaum, Grundriss (1885), 47 nennt irrtümlich ignis sacer. Vgl. Laubender, Seuchen-Geschichte (1811), 17; Jedwillat, Studie (1993), 33. 849 Annales Hildesheimenses, ad a. 994. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 26: Et inde a nativitate sancti Iohannis baptistae usque in 5. Id. Novembr. pene per omnem aestatem et autumnum siccitas nimia et fervor inmanis fuit; ita ut innumerabiles fruges non pervenirent ad temporaneam maturitatem propter solis ardorem; quo non modicum subsequebatur frigus, et magna nix cecidit, magnaque pestis simul et mortalitas hominum atque iumentorum evenit. 850 Annals of Ulster, ad a. 993. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 423: A great mortality of people, cattle, and bees throughout Ireland this year. 851 Annales Quedlinburgenses, ad a. 994. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 484 f.: Hiems durissima III. Non. Novemb. exorta usque III. No. Maii stetit rarissimis intermissa diebus. Deinde pestiferis et frigidis flantibus ventis noctibus que plurimis pro rore hibernum cecidit frigus. Ad ultimum Non. Iulii grande est factum gelu, tantaque siccitas fluminum et penuria facta est pluviarum, ut in plerisque stagnis et pisces morerentur, et in terris arbores plurimae penitus arescerent, et fruges perirent et linum. Subsequuta quoque est grandis pestilentia hominum, porcorum, boum et ovium, prata etiam d in plerisque locis ita exaruerunt, veluti igne exusta fuissent; Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 994. Ed. Naß MGH SS 37, 258: Hiemps durissima III idus a Novembris exorta usque III idus Mai fuit rarissimis intermissa diebus, deinde pestiferis et frigidis flantibus ventis noctibus plurimis pro rore hibernum cecidit frigus, ad ultimum non. Iulii grande factum est gelu tantaque siccitas fluminum et penuria facta est pluviarum, ut in plerisque stagnis et pisces morerentur et in terris arbores plurime penitus arescerent et fruges perirent et linum. Subsecuta quo que est grandis pestilentia hominum, porcorum, boum et ovium, prata etiam in plerisque locis ita exaruerunt, veluti igne exusta fuissent.

684 | Auswirkungen und Folgen

in Milzbrand.852 Nach den Annales Quedlinburgenses dauerte die Krankheit der Schweine und Rinder auch im Jahr 995 noch an.853 Erst im Jahr darauf findet sich kein weiterer diesbezüglicher Eintrag mehr. Für Italien wurde der Winter des Jahres 1009 als dermaßen streng und trocken dargestellt, dass darunter besonders die Olivenbäume, die Fische und das Geflügel zu leiden hatte.854 Das Sterben von Fischen und Vögeln scheint hier aber nicht auf eine Epidemie, sondern auf die extrem schlechten Witterungsbedingungen zurückzuführen zu sein. Danach ist für mehr als 25 Jahre keine Epidemie bei Tieren mehr überliefert. Erst die Annales Altahenses teilen für das Jahr 1035 mit, dass in Bayern ein unerhörtes Sterben der Tiere und Verenden der Bienen geherrscht habe.855 Zu Epidemien in England und Schottland, die sowohl Menschen wie auch Tiere betroffen haben, kam es in den Jahren 1041 und 1042.856 Da bereits die Zeitgenossen von einer unbekannten Seuche schrieben und auch keine Symptome mitgeteilt haben, ist bisher hierzu kein Deutungsvorschlag gemacht worden. Nach den Würzburger Annalen trat im Jahr 1044 eine große Epidemie unter den Haustieren auf.857 Eine Tierseuche soll auch 1048 in England geherrscht haben,858 die aber nicht überprüft werden konnte. Nach den Annalen des irischen Klosters Inisfallen gab es 1057 zwar einen Überfluss an Mast(eicheln), aber eine tödliche Infektionskrankheit (murrain) trat beim Vieh auf, bei Schweinen und weiteren (Haus-)Tieren.859

|| 852 Jedwillat, Studie (1993), 33. 853 Annales Quedlinburgenses, ad a. 995. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 489: Commune damnum in pestilentia porcorum et boum omnem Germaniam vexat. 854 Annales Barenses, ad a. 1009. Ed. Pertz, MGH SS 5, 56 f.: Cecidit maxima nix, ex qua siccaverunt arbores olivae, et pisces et volatilia mortua sunt. 855 Annales Altahenses maiores, ad a. 1035. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 20: Inaudita mortalitas animalium et defectio apium aomnem Baioariam multum afflixit. Vgl. Jedwillat, Studie (1993), 33. 856 Eichbaum, Grundriss (1885), 47: „Tierseuche 1041 in England“. Chronicum Scotorum, ad a. 1042. Ed. Hennessy, 275: Cluain-muc-Nois was plundered by the Conmaicne; but God and Ciaran inflicted vengeance on them therefor, viz., the unkown plague, so that the greater part of their people and cattle were killed. 857 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1044. Ed. Pertz, MGH SS 2, 243: Pestis pecudum maxima. Hiemps dura et nivosa. Eichbaum, Grundriss (1885), 47. 858 Eichbaum, Grundriss (1885), 47: „1048 Tierseuche in England.“ 859 Annals of Inisfallen, ad a. 1057. Ed. Mac Airt, 216 f.: Abundance of mast in the above year, and a murrain of cattle, pigs, etc.

Epidemien bei Tieren | 685

Zum Jahr 1059 wird ein großer Überschuss an Getreide und Wein in Bayern erwähnt, aber auch eine schwere Epidemie bei Mensch und Tier, die alle Provinzen betraf.860 Auch Bernold von Reichenau bestätigt diese Nachricht zum Jahr 1059 in seiner Chronik: „In diesem Jahr kam es zu einem großen Sterben unter den Menschen und einer beträchtlichen Seuche unter dem Vieh.“861 In seiner Chronik teilte er auch mit, dass im Frühjahr 1063, Mitte April, ein vier Tage anhaltendes scharfes, stürmisches und schneereiches Unterwetter Vögel und Vieh vernichtete und den größten Teil der Bäume und Weinstöcke verdarb.862 Hier ist der Tod der Tiere aber wiederum nicht auf eine Epidemie, sondern auf extremen Frühjahrsfrost zurückzuführen. Eichbaum zählte eine Tierseuche im Frankenreich im Jahr 1085 auf und weitere in England 1086, 1087 sowie in Lothringen 1089, allerdings gibt er seine Quellenbasis nicht preis, weshalb diese Ereignisse nicht verifiziert werden können.863 Für das Jahr 1092 ist in mehreren voneinander unabhängigen Quellen eine große Epidemie (pestilentia magna) unter Mensch und Vieh in Mitteleuropa überliefert.864 Die Tierseuche könnte sich laut Eichbaum und Jedwillat zu einer ganz Europa betreffenden Epidemie in den Jahren 1092 bis 1094 entwickelt haben, wobei sich diese Überlegungen aufgrund fehlender Quellenangaben nicht verifizieren lassen.865 Als zu Beginn des Jahres 1095 in Irland übermäßig viel Schnee fiel, starben dadurch viele Menschen, Rinder und Vögel. Auch hier war keine epidemische Krankheit, sondern extrem kalte Witterung für das Verenden der Tiere verantwortlich.866 Als letztes Ereignis sei hier noch ein ungewöhnliches Sterben der Tiere in England im Jahr 1103867 erwähnt, auch wenn es über den Untersuchungszeitrahmen leicht hinausreicht.

|| 860 Annales Altahenses maiores, ad a. 1059. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 55: Hoc anno frumenti et vini satis abundans copia in Baioaria fuit, sed gravis pestilentia hominum animaliumque per totam provinciam grassabatur. Vgl. Jedwillat, Studie (1993), 33; Eichbaum, Grundriss (1885), 47. 861 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1059. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 186; FSGA 14, 24 f.: Hoc anno magna mortalitas hominum et pestis pecorum facta est. 862 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1063. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 195; FSGA 14, 30 f.: Tempore veris, medio mense Aprilis, per quatuor dies hyems saeve, ventosa et nivosa aves et pecora frigore extinxit, arborum et vinearum maximam quoque partem perdidit. 863 Eichbaum, Grundriss (1885), 47: „1086, 1087 Tierseuche in England (…) 1089 Tierseuche (ignis sacer) in Lothringen“. 864 Annales Hildesheimenses, ad a. 1092. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 49: et pestilentia magna hominum et pecorum facta est. Annales Rosenveldenses, ad a. 1092. Ed. Pertz, MGH SS 16, 101: Pestilencia magna hominum et pecorum. Annales S. Albani Moguntini, ad a. 1092. Ed. Pertz, MGH SS 2, 246: Pestilentia magna hominum et pecorum facta est. 865 Eichbaum, Grundriss (1885), 47. Jedwillat, Studie (1993), 33. 866 Annals of Loch Cé, ad a. 1095. Ed. Hennessy, 81: Great snow fell on the Wednesday after the calends of January, which killed a multitude of men, cattle, and birds. 867 Annales Rotomagenses, ad a. 1103. Ed. Liebermann, 47: Mortalitas animalium nimia.

686 | Auswirkungen und Folgen

4.6.4 Zusammenfassung und Zwischenergebnisse Die zeitliche Verteilung der insgesamt 55 Beobachtungen zur Überlieferung von Tierseuchen im Früh- und Hochmittelalter sieht folgendermaßen aus: Tab. 60: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Epidemien bei Tieren von 500 bis 1100 Gesamt 55 100 %

6. Jh. 5 9%

7. Jh. 3 5,5 %

8. Jh. 5 9%

9. Jh. 13 23,5 %

10. Jh. 15 27 %

11. Jh. 14 25 %

Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtungen liegen im 10. und 11. Jahrhundert mit jeweils einem Viertel, die wenigsten Beobachtungen sind für das 7. Jahrhundert überliefert. Die 55 Epidemien bei Tieren wurden mit mehr als einem Viertel am häufigsten aus dem 10. Jahrhundert überliefert, gefolgt vom 9. und 11. Jahrhundert, wo die Nennungen ebenfalls fast ein Viertel erreichen. Zu beachten ist aber, dass die Nachrichten über Tierseuchen insgesamt nur etwa halb so oft überliefert wurden wie Epidemien beim Menschen. Am häufigsten wurden Epidemien bei Tieren in Irland (16), Schottland (3) und Britannien (5) erwähnt. Elf Mal betreffen Nachrichten das Westfrankenreich, acht Mal Italien und sieben Mal das Ostfrankenreich, dazu kommen vier kleinräumige Nennungen in Bayern und jeweils drei im Rheinland und in der Bodenseeregion. Vereinzelte Meldungen sind für Syrien, Lothringen und Burgund überliefert. Obwohl in die Aufstellung sechs Ereignisse aufgenommen wurden, deren Quellen fraglich bleiben müssen, schien diese Aufnahme gerechtfertigt, da sie in der Literatur nicht aufgeführt wurden. Sehr zahlreich ist die Überlieferung in Bezug auf Tierepidemien in den Jahren 809 bis 810 mit elf Nachrichten, 860 mit fünf, 868–870 mit sieben, 877–878 mit vier, 939–942 mit zwölf, 943 mit drei, 993–995 mit fünf und 1092–1094 mit vier Nachweisen. Die häufigsten Nennungen von Tierepidemien enthalten insulare Quellen, wie irische Chroniken mit zehn, das Chronicum Scotorum mit fünf und die angelsächsischen Chroniken mit zwei Einträgen. In festländischen Quellen fallen die jeweils drei Nachrichten in den Annales regni Francorum und den Annales Fuldenses sowie jeweils zwei in den Annales Quedlinburgenses und bei Berthold von Reichenau auf. Gregor von Tours verzeichnet ebenfalls nur zwei Mal Tierkrankheiten. In 16 weiteren Quellen werden epidemische Erkrankungen bei Tieren nur jeweils ein Mal erwähnt. Von den Epidemien sind unterschiedliche Tierarten betroffen, am häufigsten Rinder, Schafe und Pferde. Zur Terminologie ist festzuhalten, dass 14 Mal allgemein von Tierseuchen die Rede ist (mortalitas animalium, pestilentia pecorum). Am häufigsten erwähnt wird die Rinderseuche (boum pestilentia, pestilentia maxima boum, boum nimia mortalitas, maxima mortalitas bovum), die allein 17 Mal vorkommt. In Kombination mit anderen Tieren kommen Rinder- und Vogelsterben zwei Mal, weiterhin Rinder und Schafe (bobus et ovibus periit, boum et ovium pestilentia) ebenfalls

Beschreibungen weiterer Folgen | 687

zwei Mal vor. Irische Quellen führen für die Rinderkrankheiten folgende Begriffe auf: Maelgarbh, Moylegarie, Moylegarrow, murrain, scitta. Im nordeuropäischen Bereich sind Rinderseuchen häufig überliefert, so in Irland für die Jahre 909 (bouina mortalitas), 917 (mortality of cattle) und 986 (great murrains of cattle, Maelgarbh), in Schottland für 961 (cattle suffered a great plague, with snow and diseases) und 986 (cattle plague maelgarb). In Mitteleuropa werden Rinderseuchen für den Winter 941 (boum pestilentia) bzw. 942 (pestilentia et mortalitas boum) genannt. Das Schafsterben (pestis pecudum maxima), für das der Milzbrand verantwortlich gemacht wird, wurde zwei Mal aufgeführt. Weiterhin erwähnen die Quellen Hornviehseuchen und Erkrankungen der Huftiere, wofür zwei Mal Tollwut als Erklärung vorgeschlagen wurde. Pferdeseuchen (equorum lues, maxima pestilencia equorum) wurden vier Mal aufgeführt. Zwei Mal sind Frühjahrsfrost als Auslöser für ein Fisch- und Vogelsterben (aves et pecora frigore) angegeben worden, was zwar nicht auf eine wirkliche Krankheit hindeutet, von den Zeitgenossen aber in Unkenntnis tatsächlicher Ursachen, so gedeutet werden konnte. Ein weiteres Vogel- sowie ein Bienensterben wurde (951) in Irland erwähnt. Neben diesen epidemischen Folgen konnten Naturereignisse zu weiteren Auswirkungen führen, die im Folgenden dargestellt werden.

4.7 Beschreibungen weiterer Folgen 4.7.1 Kreuze auf der Kleidung Eine außergewöhnliche Erscheinung ist das wiederholte Auftreten von Kreuzen auf der Kleidung (cruces in vestibus). Die Ausbreitung des Phänomens scheint sich über eine längere Zeit hingezogen zu haben. In den Jahren 746 traten Kreuze auf der Kleidung in Byzanz auf. In einem Eintrag zum Jahr 768 werden die Zeichen in England genannt.868 Diesen jeweils singulären Nennungen stehen dagegen mehrere Nachrichten zu derartigen Erscheinungen in den Jahren 784 bis 787 und, mit einem Abstand von 170 Jahren, wieder von 956 bis 960 mit einer weiten Verbreitung über ganz Mitteleuropa, gegenüber. Dann scheinen solche Zeichen für über 500 Jahre nicht mehr aufgetreten zu sein und wurden erst um das Jahr 1500 wieder beschrieben. Gerade zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde dieses Phänomen häufig in Flugschriften erwähnt, auch der Maler Albrecht Dürer soll diese Zeichen beobachtet und beschrieben haben.869 Die Häufigkeit dieser Ereignisse pro Jahr scheint damit bei 0,5 Prozent zu liegen, das heißt, in einem Zeitrahmen von etwa 200 Jahren kommt es einmal vor. In || 868 Annales Rotomagenses, ad a. 768. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 38: Signum crucis in vestibus. 869 An der Philipps-Universität Marburg läuft (Stand: 2015) ein Dissertationsprojekt über diese Kreuzeserscheinungen um 1500 auf Basis der Flugschriften.

688 | Auswirkungen und Folgen

der hier untersuchten Zeit sind, wie schon angeklungen, drei große Phasen zu unterscheiden: im 6., 8. und 10. Jahrhundert. Dazu kommen zwei kurze Nennungen. Das Phänomen von plötzlich auf der Kleidung erscheinenden Kreuzzeichen wird zum Jahr 565 erstmals in der Kirchengeschichte des Nikephoros Kallistos Xanthopoulos,870 der allerdings erst von 1268/1274 bis nach 1328 wirkte, genannt: „Kleine Markierungen erschienen an den Türen und außerhalb ihrer Häuser, auf ihren Mantel und auf dem Geschirr; eine Art weiße Kruste einer besonderen Abscheidung aus der Luft, an den Wänden oder Wohnungen, oder Tau auf Gras, wie feuchter Schimmel.“871 Zum Jahr 570 beschreibt auch Paulus Diaconus das Phänomen: „In seinen Tagen brach im Gebiet vor allem Liguriens eine verheerende Seuche aus. Plötzlich nämlich erschienen gewisse Zeichen an Häusern, Türen, Gefäßen und Kleidern, die sich bei jedem Versuch, sie wegzuwaschen, nur noch hartnäckiger zeigten.“872 In dem wohl zeitgenössischen Bericht Gregors von Tours zum Jahr 587 werden ausschließlich Gefäße genannt, die mit Zeichen bemalt gewesen seien: „Es geschahen damals viele Wunderzeichen. In manchen Häusern fand man die Gefäße mit ich weiß nicht was für Zeichen bemalt, die man auf keine Weise weder auskratzen noch wegwischen konnte. Dieses Wunder nahm auf dem Gebiet der Stadt Chartres seinen Ausgang; es verbreitete sich dann durch das Gebiet von Orléans bis nach dem von Bordeaux und übersprang keine Stadt, die dazwischen lag.“873 Diese drei Beispiele nennen Kreuze, die auf Gegenständen erscheinen. Erstmals auf der Kleidung werden die Kreuze im Jahr 746 erwähnt. Einen sehr ausführlichen Bericht zum Auftreten von Kreuzen auf der Kleidung zeichnete Theophanes der Bekenner zu diesem Jahr auf. Darin nennt er in größerer Zahl zeitlich synchron mit den Kreuzen auftretende Begleiterscheinungen: „In diesem Jahre gab es am 18. Januar um 10 Uhr vormittags ein großes Erdbeben in Palästina, dem Jordanlande und in ganz Syrien. Viele Tausende, ja sogar unzählige Menschen kamen dabei

|| 870 Gentz/Winkelmann, Kirchengeschichte (1966), 248–266. 871 Fleming, Animal Plagues (1871), 39: „While the plague was at its height Nicephorus describes a strange fact. ‚Certain little marks appeared on the doors and outside of their houses, on their garment, and on their utensils; some white crusts of a peculiar deposition from the air adhered to all things as damp moulds do on the walls or dwellings, or dew on grass.‘ Nicephorus. Historia ecclesiastica.“ Vgl. Nicephorus Callistus, Historia ecclesiastica. Ed. Migne, 1114B. 872 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 2, 4. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 74; Ed. Schwarz, 158 f.: Huius temporibus in provincia praecipue Liguriae maxima pestilentia exorta est. Subito enim apparebant quaedam signacula per domos, hostia, vasa vel vestimenta, quae si quis voluisset abluere, magis magisque apparebant. 873 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 5. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 416; FSGA 3, 230 f.: Prodigia quoque multa dehinc apparuerunt. Nam vasa per domus diversorum signis, nescio quibus, caraxata sunt, quae res nullo umquam modo aut eradi potuit aut deleri. Inceptum est autem hoc prodigium e ab urbis Carnotinae territurio; et veniens per Aurilianensem, usque Burdegalensem terminum peraccessit, non praetermittens ullam urbem, quae fuit in medio.

Beschreibungen weiterer Folgen | 689

um, Kirchen und Klöster stürzten ein, besonders in der Wüste nahe der heiligen Stadt [Jerusalem]. Im selben Jahre starben viele an der Pest, die von Sizilien und Kalabrien ihren Ausgang nahm und sich wie ein Feuer während der ganzen 14. Indiktion auf Monobasia (Monemvasia), Griechenland und den angrenzenden Inseln ausbreitete. Das war eine warnende Strafe für den gottlosen Konstantin V. [741–775] und schob für einige Zeit sein Wüten gegen die heiligen Kirchen und verehrungswürdigen Bilder auf,874 wenn er auch wie einst Pharao unverbesserlich blieb. Diese Beulenpest ereilte in der 15. Indiktion die Kaiserstadt (Byzanz).“

Nach dieser Vorgeschichte, die Schilderungen von Erdbeben und Pest enthält, folgen die Nachrichten über außergewöhnliche Zeichen: „Auf den Mänteln der Leute und auf den heiligen Kirchengewändern und Velen [Vorhängen] begannen plötzlich, ohne dass man sehen konnte, wie es zuging, viele kleine Kreuzchen, wie mit Ölfarbe gemalt, zu entstehen. Über dieses Zeichen war Trauer und große Verwirrung unter den Menschen. Ein von Gott verhängter Wahnsinn erfasste nicht nur die Leute in der Stadt, sondern auch in der Umgebung, und richtete sie unbarmherzig zugrunde. Viele Menschen hatten Erscheinungen, und in der Ekstase glaubten sie, mit fremden und riesigen Gestalten umzugehen, die sie, so schien es ihnen, als alte Bekannte ansprachen und die sich mit ihnen unterhielten. Sie zeichneten ihre Worte auf und erzählten es nachher einander. Sie sahen diese auch in ihre Häuser kommen, wobei sie einen Teil der Hausbewohner töteten, die anderen mit dem Schwerte verwundeten. Das meiste von dem, was sie erzählten, traf auch so ein, wie sie es gesehen hatten. Im Frühling der 1. Indiktion steigerte sich die Pest noch mehr und nahm im Sommer derart überhand, dass ganze Häuser ausstarben und keine Totengräber aufzutreiben waren. In dieser Not erdachte man folgendes: Man befestigte vier Körbe an die Sättel der Tragtiere, legte Bretter darüber und trug so die Toten hinaus, ebenso schichtete man sie auf Wagen übereinander. Da schon alle Friedhöfe in und vor der Stadt und sogar die ausgetrockneten Zisternen und Gruben mit Toten angefüllt waren, wurden nicht nur die meisten Weingärten aufgegraben, sondern auch die Gärten innerhalb der alten Mauern für die Bestattung von Menschen herangezogen. Aber auch das reichte nicht aus. Während dergestalt jedes Haus vom Unglück heimgesucht wurde, weil die Herrscher in gottloser Weise die heiligen Bilder beseitigt hatten, fuhr die Flotte der Araber unvermutet von Alexandria nach Cypern aus, wo die byzantinische Flotte lag.“875

Dieser Bericht stimmt in grundlegenden Motiven mit dem Eintrag in einer byzantinischen Kleinchronik eines anonymen Autors überein: „Und zur selben Zeit begann von Sizilien und Kalabrien her eine pestartige Seuche und griff wie ein Feuer auf Griechenland und die Inseln über. Sie erfasste auch Konstantinopel und brachte Trugbilder mit in ihrem Gefolge. Und es starb eine so große Menge an dieser Krankheit, dass Bretter, die man an Pferde band, die Toten davontragen, und, als die Maulesel ermüdeten, auch Wägen beladen und die Toten auf diese Weise weggebracht wurden. Und nie Gesehenes zeigte sich an den heiligen Gewändern: Kreuze aus Öl in großer Zahl, und Trugbilder kamen über viele

|| 874 Vgl. zum byzantinischen Bilderstreit: Brubaker/Haldon, Byzantium (2011). 875 Theophanes der Bekenner, ad a. 746, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 64.

690 | Auswirkungen und Folgen

Menschen. So geschah es, dass ganze Häuser geschlossen wurden und es niemanden gab, der die Toten bestatten konnte.“876

Dieser Bericht könnte auch auf der Darstellung von Theophanes beruhen, da die dort enthaltenen charakteristischen Textteile, wenn auch gekürzt, hier enthalten sind. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Kreuze auf Mänteln, Kirchengewändern und Vorhängen erschienen, dass es viele kleine Kreuzchen waren und dass sie wirkten, als wären sie mit Ölfarbe gemalt worden. Ein Autor des 6. Jahrhunderts nutzte den Schimmelpilz, um eine Erklärung zu geben. Dies könnte für eine eher naturalistische Deutungsmöglichkeit des Phänomens sprechen. Mit dieser Deutung wären dann auch bestimmte witterungstechnische Bedingungen verknüpft, die zur Bildung einer solch charakteristischen Schimmelausbreitung beitragen würden. Andere Autoren betonen wiederum einen Zusammenhang mit dem Auftreten der Pest. Die für das Jahr 768 in England genannten Kreuzzeichen, die auf der Kleidung erschienen877 – signum crucis in vestibus – ähneln jenen, die in den Jahren 784 bis 787 geschildert werden so stark, dass sie vielleicht diesen zugeordnet werden müssen. Die in der nächsten Phase erwähnten Kreuze auf der Kleidung, traten in den Jahren von 784 bis 787 auf. Als dann im Jahr 786 wieder das „Zeichen des Kreuzes auf der Kleidung“ erschien, scheint dies einen großen Eindruck auf die Menschen gemacht zu haben, denn die Nachricht ist über 25 Mal in zahlreichen Annalen überliefert worden. Dabei fällt der große geographische Rahmen der Nennungen auf, vom Kloster Montecassino im Süden über Marseille an der Mittelmeerküste bis nach Huntingdon in England im Norden und die Vorlagen der Annalen des südschwedischen Klosters Lund. Im Westen erscheinen Nachrichten im Kloster Moissac nördlich der Pyrenäen, im Osten in Hersfeld und Salzburg. Probleme bereitet aber die chronologische Abfolge der Meldungen. Drei frühe Nennungen finden sich für das Jahr 781 in Montecassino, für 784 Gent und Elmare und für das folgende Jahr 785 im Kloster Reichenau und in Marseille. Diese fünf Nachrichten könnten sich aber, wie der Großteil weiterer Nachrichten, auf das Jahr 786 beziehen, in dem diese Nachricht in zehn Annalenwerken am häufigsten überliefert wurde.

|| 876 Byzantinische Kleinchroniken, 1, 17. Ed. Schreiner, Bd. 3, 15. 877 Annales Rotomagenses, ad a. 768. Geschichtsquellen. Ed. Liebermann, 38: Signum crucis in vestibus.

Beschreibungen weiterer Folgen | 691

Tab. 61: Überlieferung von Kreuzen auf der Kleidung von 781 bis 787

Jahr

Region (Ort )

Quelleneintrag

781

Italien, Montecassino

Hoc anno signum crucis in vestimentis hominum visum est, et sanguis e coelo in terram fluxit.878

784

Flandern, Gent

Signum crucis in vestibus.879

784

Flandern/Zeeland, Elmare Signum crucis in vestibus hominum apparuit.880

785

Bodensee, Reichenau

Cruces in vestibus apparuerunt.881

785

Südfrankreich, Marseille

Apparuerunt (…) et signum + in vestimentis hominum.882

786

[Burgund, Dijon]

Signum crucis in vestibus.883

786

[Burgund, Dijon]

Signum crucis in vestibus.884

786

Bayern, Ottobeuren

Signum crucis in vestimentis apparuit, et sanguis de coelo profluxit.885

786

[Niederhein]

Signum crucis in vestibus hominum apparebat.886

786

Bayern/Kärnten, Salzburg Signum crucis apparuit in vestimentis hominum.887

786

Schweiz, Lausanne

Cruces apparuerunt.888

786

Schweiz, St. Gallen

Crucis in vestibus apparuerunt.889

786

Rheinland, Köln

et cruces apparuerunt in vestibus.890

786

Burgund, Dijon

Signum crucis in vestibus.891

787

S-Amand-les-Eaux

Et ista signa + apparuerunt super homines.892

787

Hennegau, Lobbes

Et ista signa + apparuerunt super homines.893

787

S-Amand-les-Eaux

cruces apparuerunt.894

|| 878 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 781. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417. 879 Annales Blandinienses, ad a. 784. Ed. Pertz, MGH SS 5, 22. 880 Annales Elmarenses, ad a. 784. Ed. Grierson, 80. 881 Annales Augienses, ad a. 785. Ed. Pertz, MGH SS 1, 67. 882 Annales S. Victoris Massilienses, ad a. 785. Ed. Pertz, MGH SS 23, 2. 883 Annales Colbazenses, ad a. 786. Ed. Arndt, MGH SS 19, 713; Ed. Kroman, 7. 884 Annales Lundenses, ad a. 786. Ed. Waitz, MGH SS 29, 196; Ed. Kroman, 36. 885 Annales Ottenburani, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 5, 2. 886 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 786. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 335. 887 Annales Iuvanenses minores, ad a. 786. Ed. Bresslau, MGH SS 30.2, 735. 888 Annales Flaviniacenses, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 3, 151. 889 Annales Sangallenses breves, ad a. 786. Ed. von Arx/Pertz, MGH SS 1, 64. 890 Annales Colonienses, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 97. 891 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 5, 38. 892 Annales S. Amandi Continuatio altera, ad a. 787. Ed. Pertz, MGH SS 1, 12. 893 Annales Laubacenses continuatio altera, ad a. 787. Ed. Pertz, MGH SS 1, 13. 894 Annales S. Amandi brevissimi, ad a. 787. Ed. Waitz, MGH SS 13, 38.

692 | Auswirkungen und Folgen

Eine etwas ausführlichere Schilderung bietet der Bericht Lamperts von Hersfeld zum Jahr 786: „Und Karl kam nach Italien. Viele Wunderzeichen wurden gesehen. Das Zeichen des Kreuzes erschien auf der Kleidung der Menschen, und Blut floss vom Himmel auf die Erde.“895 Hier wird das Ereignis mit Blutregen in Verbindung gebracht. Einen inhaltlich ähnlichen Eintrag mit der Kombination von Kreuzzeichen und „Blut aus Himmel und Erde“ bringen die ebenfalls auf Lampert zurückgehenden Annales Weissenburgenses.896 Auch in den verschiedenen Überlieferungen der Annalen von Lorsch wird zum Jahr 786 der Eintrag zu den Kreuzerscheinungen mit anderen Ereignissen wie Blutregen oder einem großen Sterben kombiniert,897 aber auch mit Polarlichtern.898 Zudem wurde das fließende Blut nicht nur aus der Erde, sondern auch vom Himmel zur Erde dokumentiert.899 In der Benediktinerabtei St-Pierre in Moissac in der im Südwesten gelegenen französischen Region Midi-Pyrénées wurden die Kreuze zum Jahr 786 ebenfalls dokumentiert: „In diesem Jahr im Monat Dezember erschienen die schrecklichen Heerscharen [Polarlichter] im Himmel wie sie noch nie in unserer und der vorherigen Zeit erschienen sind. Und es erschienen die Zeichen des Kreuzes auf der Kleidung der Menschen und nicht wenige erzählten, wie sie Blut regnen gesehen hätten […] und später folgte ein großes Sterben.“900 Aber auch im Norden Englands wurde von Heinrich von Huntingdon dazu ein Eintrag überliefert: || 895 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 786. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 18: Et Karolus ad Italiam venit. Multa quoque visa sunt prodigia. Signum enim crucis in vestimentis hominum apparuit, et sanguis e caelo terraque profluxit. 896 Annales Weissenburgenses, ad a. 786. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 19: Sanctus Lullus archiepiscopus obiit; [cui Richolfus successit]. Et Karlus ad Italiam venit. Multa quoque visa sunt prodigia. Signum enim crucis in vestimentis hominum apparuit, et sanguis de caelo terraque profluxit. 897 Annales Laureshamenses, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 33: Inde proficiscens Carlus rex perrexit in Italiam. Multa etiam referuntur signa apparuisse eodem anno; signum enim crucis in vestimentis hominum apparuit, ac sanguinem de terra ac de coelo profluere, nec non et alia multa signa apparuerunt; unde pavor ingens ac timor in populo salubriter inruit, ita ut se multi Et sex dies ante natale Domini tonitrua et fulgura immensa apparuerunt, ita ut concussit in Widli, et per totam Franciam auditum fuit, et multi homines interfecti fuerunt; etiam aves coeli ab ipso tonitruo occisi sunt. Et arcus coeli in nubibus apparuit per noctem. Et postea vero mortalitas magna fuit, et Lullus archiepiscopus migravit ad hac luce. 898 Annales Laureshamenses, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 33: Eo anno mense December apparuerunt acies terribili in coelo tales, quales numquam antea apparuerunt nostris temporibus; nec non et signa crucis apparuerunt in vestimentis hominum, et nonnulli sanguinem dixerunt se videre pluere: unde pavor ingens et metus in populo irruit, ac mortalitas magna postea secuta est. Et Lullus archiepiscous obiit. 899 Chronicon Laurissense breve, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 118; Ed. Schnorr von Carolsfeld (NA 36, 1911): Per Idem [vero] tempus multa signa apparuerunt, inter quae signum crucis in vestimentis hominum frequentissime apparuit; sanguis etiam e terra ac de coelo perhibetur fluxisse. 900 Chronicon Moissiacense, ad a. 786. Ed. Pertz, MGH SS 1, 298: Eo anno mense Decembri apparuerunt acies terribiles in coelo, quales numquam nostris temporibus nec antea apparuerunt, necnon et signa crucis apparuerunt in vestimentis hominum, et nonnulli sanguinem dixerunt se videre pluere; unde pavor ingens et metus in populo irruit, ac mortalitas magna postea secuta est.

Beschreibungen weiterer Folgen | 693

„Im darauffolgenden Jahr, welches das Jahr 786 war, erschien das Zeichen des Kreuzes auf der Kleidung, ein Wunder das von Menschen jeden Alters berichtet wird.“901 Eine Späte Nennung dieser Erscheinung ist in den Salzburger Annalen verzeichnet. Der zum Jahr 797 datierte Eintrag nennt „verschiedene Vorzeichen in Bayern, Kreuze erschienen auf der Kleidung.“902 Danach wird das Zeichen für 150 Jahre nicht in den Quellen erwähnt. In einer dritten Phase finden sich Nachrichten über Kreuze auf der Kleidung in den Jahren 956 bis 960. In der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts trat das Zeichen der Kreuze auf den Textilien erneut auf, ohne dass die zeitgenössischen Chronisten dieses Ereignis jedoch mit dem nur etwa 150 Jahre zuvor bereits sehr ähnlich beschriebenem Phänomen in Verbindung gebracht hätten. Die Datierung der Erscheinung schwankt zwischen 956 und 960, was möglicherweise auf die zeitliche Ausbreitung eines epidemischen oder witterungsbedingten Phänomens hinweisen könnte. Für 956 sind Nachrichten von Kreuzen, die auf der Kleidung der Menschen erscheinen, aus Flandern überliefert;903 zum folgenden Jahr (957) aus der böhmischen Region904 und aus Dijon905; noch ein Jahr später, zu 958 datieren die Meldungen aus süddeutschen,906 schweizerischen907 und (süd-)rheinländischen Gebieten908. Insgesamt könnte dies auf eine Ausbreitung des Phänomens von Norden nach Süden über eine Zeitspanne von drei Jahren hindeuten. Dieser Annahme widersprechen jedoch Einträge zum Jahr 959. Zu diesem Jahr wurden weiter im Norden, in Corvey, nachträglich Nachrichten in die Chroniken eingefügt, nach denen „das Zeichen des heiligen

|| 901 Ex Henrici Huntingdoniensis Archidiaconi historia Anglorum, ad a. 786. Ed. Pauli, MGH SS 13, 149: Anno vero sequente, qui est annus gratiae septingentesimus octogesimus sextus, apparuit signum crucis in vestibus; quod dictu et auditu seculis omnibus videri potest mirabile. 902 Annalium Salisburgensium Additamentum, ad a. 797. Ed. Wattenbach, MGH SS 13, 237: Varia prodigia in Wavaria acciderunt. Cruces in vestimentis apparuerunt. Item quadam die in magna aeris serenitate diversa genera lignorum cadebant ex aere in campum iuxta ficum Funsinga. 903 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 956. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 350: Prodigiosa res multos terret et á vitiis coercet, notis crucis in veste plurimorum apparentibus, quorundam autem vestibus quasi lepra sordentibus. 904 Annales Gradicenses, ad a. 957. Ed. Wattenbach, MGH SS 17, 645: Cruces in vestibus hominum apparentur. 905 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 957. Ed. Pertz, MGH SS 5, 40: Cruces apparuerunt in vestibus. 906 Annales Ottenburani, ad a. 958. Ed. Pertz, MGH SS 5, 4: Signum crucis in vestimentis apparuit; Chronicon Suevicum universale, ad a. 950–960. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 68: Cruces in vestibus apparuerunt. 907 Annales Einsidlensis, ad a. 958. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 265: Cruces in vestibus apparuerunt; Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 958. Ed. Pertz, MGH SS 5, 115; FSGA 11, 642 f.: Nonnullis hominibus signa crucis investibus apparent. 908 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 958. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 38: Signum crucis in vestimentis apparuit. Annales Weissenburgenses, ad a. 958. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 39: Signum crucis in vestimentis apparuit. Chronicon Suevicum universale, ad a. 950–960 [958]. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 68: Cruces in vestibus apparuerunt.

694 | Auswirkungen und Folgen

Kreuzes auf der Kleidung der Menschen und auf den Körpern“ erschien.909 In den Würzburger Annalen wird ein entsprechender Vermerk erst zum Jahr 960 gelistet.910 Dies scheint aber angesichts der anderen Belege deutlich zu spät zu sein. Ein Steinkreuz auf dem Marktplatz von Trier trägt auf seiner Rückseite eine Inschrift, die besagt: „Zum Gedenken an die Zeichen des Kreuzes, welche vom Himmel her auf die Menschen kamen. Im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 958, im zweiten Jahr seines Pontifikats.“911 Diese Inschrift ist wohl erst im 15. Jahrhundert angebracht worden, als das Kreuz vom ehemaligen Bannkreuz des Erzbischofs Heinrich I. (956–964)912 „zu einem Erinnerungsmal für den angeblichen Kreuzregen im Jahre 958, den man aus den verschiedensten Quellen kennen konnte“, umgedeutet wurde.913 In spätmittelalterlicher Zeit ist also zumindest einmal eine Rezeption der Kreuzerscheinungen des 10. Jahrhunderts nachzuweisen. Versuche, das Phänomen religiös zu erklären, bietet Widukind von Korvei: „Als das Blutbad unter den Barbaren beendet war [Vergil, Aeneas 9, 242],914 erschienen in diesem Jahre seltsame Dinge, nämlich das Zeichen des Kreuzes an den Kleidern vieler Leute. Dieser Anblick erfüllte die meisten mit heilsamer Furcht, sodass sie Unglück befürchteten und großenteils Buße taten für ihre Sünden. Einige erklärten es für Male des Aussatzes an Kleidern, weil ein anschließender Aussatz viele Sterbliche dahingerafft hat. Die Weiseren aber verkündeten, dass das Zeichen des Kreuzes Wohlergehen und Sieg bedeutet habe, und diesen stimmen auch wir getreulich zu.“915 Auch erkrankte König Otto I., der von Widukind schon als Kaiser bezeichnet wird, an der Krankheit, genas aber wieder.916 Einen konstruierten Zusammenhang zwischen dem Kreuzzeichens und gleichzeitig auftretenden epidemischen

|| 909 Annales Corbeienses, ad a. 959. Ed. Pertz, MGH SS 3, 4: Hoc anno signum sanctae crucis in vestimentis hominum et in corporibus. Annales Altahenses maiores, ad a. 958. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 8: Signum crucis in vestibus. 910 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 960. Ed. Pertz, MGH SS 2, 242: Crucis in vestibus apparuerunt. 911 DI 70 Trier (bis 1500), Nr. 48 (Inschriften der Stadt Trier. Ed. Fuchs, 89): Ob memoriam signorum crucis quae caelitus super homines venerant anno dominicae incarnationis dcccclviii anno vero episcopatus sui secundo. 912 Leopold von Eltester, Heinrich I. (Erzbischof von Trier) (1880), 623. 913 Inschriften der Stadt Trier. Ed. Fuchs, 90 deutet das Ereignis als „meteorologisches Phänomen ähnlich dem Blutregen, obgleich keine Quelle über rötliche Farbe der Kreuze berichtet.“ 914 Gemeint ist wohl die Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955. 915 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 3, 61. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 136 f.; FSGA 8, 166 f.: Paracta caede barbarorum, eo anno prodogiosae res apparuere, notae scilicet crucis in vestimentis plurimorum. Quibus visi, plurimi salubri timore perclusi, adversa formidabant; idemque vitia multa ex parte emendaverunt. Fuerunt et qui lepras vestium inter pretarentur, eo quod subsequens lepra multos mortales corrumperet. Sapientiores autem signum crucis salutem victoriamque prefigurasse predicabant, quibus et nos fidelem assensum prebemus. 916 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 3, 62. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 137; FSGA 8, 166 f.: Eo tempore imperator et ipse aegrotare coepit, sed meritis sanctorum, quibus fidele iugiter a obsequium prebet, maximeque patrocinio incliti martyris Viti, cui aperuit os suum, de infirmitate convalescit e et mundo ut sol lucidissimus post tenebras ad omnem decorem et delicias condonatur.

Beschreibungen weiterer Folgen | 695

Krankheiten konnte Widukind wohl aus seinem religiösen Grundverständnis heraus nicht gelten lassen. Nach Thietmar von Merseburg, der allerdings 50 Jahre nach den Ereignissen schrieb, „leuchtete im Jahre darauf [958] höchst wunderbar das Zeichen des heilbringenden Kreuzes auf den Kleidern der Menschen, aber auch sehr beklagenswert: Wer es würdig aufnahm, dem brachte es Glück, den Spöttern jedoch Schaden.“917 Es ist nicht auszuschließen, dass er in seiner Darstellung frühere Nennungen wie jene Widukinds von Korvei rezipierte. Zusammenfassend lassen sich die folgenden Zwischenergebnisse festhalten: Beim Vergleich der drei Ereignishorizonte von Kreuzzeichen, die 746 im Nahen Osten, von 784 bis 787 in Europa und von 956 bis 960 ebenda erschienen, fällt auf, dass als Begleiterscheinungen des Auftretens der Kreuze häufiger epidemische Krankheiten genannt werden, weniger häufig Blutregen. Für die Kreuze auf der Kleidung bieten sich mehrere Erklärungsansätze an. Ein erster Vorschlag wird vom erst im 13. Jahrhundert schreibenden Nikephoros geliefert, er deutet sie als eine Art weißer Schimmel, der überwiegend Gegenstände befiel und beim Wegwischen – vermutlich mit Wasser – nur umso stärker erschien. Die drei zeitnahen Beschreibungen dieser Phänomene, die aus dem 6. Jahrhundert erhalten sind, könnten auf derartige Weise zu erklären sein. Im 8. Jahrhundert wird dann ein zeitgleich mit den Kreuzzeichen auftretender Blutregen genannt. Auch könnte eine natürliche Ursache vorliegen, denn der Blutregen könnte auf eine rotblühende Alge, die sogenannte Blutregenalge (Haematococcus pluvialis), zurückgehen, wie sie auch rezent in Indien beobachtet werden konnte.918 In der dritten großen Phase der Erscheinungen von Kreuzen auf Kleidung werden als Begleiterscheinungen epidemische Erkrankungen erwähnt, die eine Ähnlichkeit mit Lepra gezeigt haben sollen. Mögliche religiöse Deutungen könnten auf zeitliche Zusammenhänge der Erscheinungen mit innerchristlichen Reformbewegungen untersucht werden, im Rahmen derer die Kreuze als Symbole heimlich angebracht worden sein könnten. Dafür wäre aber ein Nachweis entsprechender zeitgenössischer Gruppierungen im 6., 8., 10. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu erbringen, der eher unwahrscheinlich erscheint.

|| 917 Thietmar von Merseburg, Chronik, 2, 35. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 82–86; FSGA 9, 72 f.: Dehinc in quarto eiusdem numeri anno signum salutiferae crucis in vestimentis hominum mirabiliter et magis miserabiliter elucens digne accipientibus profuit et irridentibus nocuit. 918 Vgl. Suseela/Toppo, Haematococcus pluvialis (2006), 1602 f.

696 | Auswirkungen und Folgen

Tab. 62: Überlieferung der Kreuze auf der Kleidung von 956 bis 960

Jahr Region (Ort )

Quellenbegriffe

956 Niederrhein, Gembloux

notis crucis in veste plurimorum apparentibus, quorundam autem vestibus quasi lepra sordentibus919

957 Böhmen

Cruces in vestibus hominum apparentur920

957 Burgund, Dijon

Cruces apparuerunt in vestibus.921

958 Bayern, Ottobeuren

Signum crucis in vestimentis apparuit.922

958 Steiermark, Admont

Cruces in vestibus apparuerunt.923

958 Schweiz, Einsiedeln

Cruces in vestibus apparuerunt.924

958 Schweiz, Reichenau

Nonnullis hominibus signa crucis investibus apparent.925

958 Westfranken, Weissenburg Signum crucis in vestimentis apparuit.926 958 Sachsen, Hersfeld

Signum crucis in vestimentis apparuit.927

958 Schwaben

Cruces in vestibus apparuerunt.928

959 Sachsen, Korvei

signum sanctae crucis in vestimentis hominum et in corporibus.929

959 Bayern, Altheim

Signum crucis in vestibus.930

960 Bayern, Würzburg

Crucis in vestibus apparuerunt.931

Einige Vorschläge für mögliche Erklärungsmodelle der Kreuze auf der Kleidung wurden hier gemacht, es überwiegen die naturbasierten Erklärungsmodelle. Auffallend ist jedoch, dass keine besonderen Formen von Niederschlägen oder Temperaturen in diesem Zusammenhang dokumentiert wurden und eine eindeutige zeitgenössische Ursachenzuweisung fehlt. Letztlich muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen bleiben, welche Ursache den Kreuzen auf der Kleidung zugrunde liegt. Als bisher nicht zufriedenstellend identifizierbares Ereignis sind die „Kreuze auf der Kleidung“ in

|| 919 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 956. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 350. 920 Annales Gradicenses, ad a. 957. Ed. Wattenbach, MGH SS 17, 645. 921 Annales S. Benigni Divionensis, ad a. 957. Ed. Pertz, MGH SS 5, 40. 922 Annales Ottenburani, ad a. 958. Ed. Pertz, MGH SS 5, 4. 923 Annales Admuntenses, ad a. 958. Ed. Wattenbach, MGH SS 9, 574. 924 Annales Einsidlensis, ad a. 958. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 265. 925 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 958. Ed. Pertz, MGH SS 5, 115; FSGA 11, 642 f. 926 Annales Weissenburgenses, ad a. 958. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 39. 927 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 958. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 38. 928 Chronicon Suevicum universale, ad a. 950–960 [958]. Ed. Bresslau, MGH SS 13, 68. 929 Annales Corbeienses, ad a. 959. Ed. Pertz, MGH SS 3, 4. 930 Annales Altahenses maiores, ad a. 958. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 8. 931 Annales S. Albani Moguntini, ad a. 960. Ed. Pertz, MGH SS 2, 242.

Beschreibungen weiterer Folgen | 697

mehreren vereinzelten Nachrichten und in drei großen Phasen von 500 bis 1100 nachzuweisen: 565 in Byzanz, 570 in Ligurien, 587 in Westfranken, 746 im Nahen Osten sowie von 784 bis 787 und von 956 bis 960 in Mitteleuropa. Als Begleiterscheinungen der Kreuze werden verschiedentlich epidemische Krankheiten, aber auch Blutregen genannt. Tab. 63: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Kreuze auf der Kleidung von 500 bis 1500

Nr.

Zeit

Region

Quellen

Begleiterscheinungen

Kr.-1

565

Byzanz

Nikephoros Xanthopoulos

Pest

Kr.-2

570

Ligurien

Paulus Diaconus

Häuser, Gefäße, Kleider

Kr.-3

587

Chartres, Orléans, Bordeaux

Gregors von Tours

Gefäße, topographische Ausbreitung

Kr.-4

746

Byzanz

Theophanes d. Bekenner

wie mit Ölfarbe gemalt

Kr.-5

768

England

Ann. Rotomagenses

--

Kr.-6

784–787

europaweit

[zahlreich > 18 Quellen]

Blutregen

Kr.-7

956–960

europaweit

[zahlreich > 13 Quellen]

wie Lepra, auf den Körpern

--

um 1500

europaweit

u.a. Albrecht Dürer

Während die ersten Nennungen von Nikephoros Xanthopoulos und von Paulus Diaconus nicht zeitgenössisch sind und nur ein punktuelles Auftreten erwähnen, beschreibt Gregor von Tours eine großräumige topographische Diffusion des Phänomens von Chartres über Orléans nach Bordeaux. Den detailliertesten Bericht lieferte Theophanes der Bekenner zum Jahr 746, der die kleinen Kreuze wie mit Ölfarbe gemalt, beschrieb. In den mehr als 18 europaweit anzutreffenden Nennungen von 784 bis 787 wird als Begleiterscheinung auch Blutregen genannt, während in der von 956 bis 960 reichenden Phase, in der diese Erscheinung europaweit in mehr als 13 Quellen überliefert sind, wurden körperliche Begleiterscheinungen wie Lepra geschildert. Obwohl die Kreuze noch einmal um 1500 europaweit beobachtet wurden, unter anderem von Albrecht Dürer, ist bisher keine überzeugende Identifizierung des Phänomens gelungen.

698 | Auswirkungen und Folgen

4.7.2 Weinernte – gute und schlechte Jahre Die Auswertungen der Zeitreihen von Weinernten gehören zu den klassischen Methoden der spätmittelalterlichen932 und frühneuzeitlichen Witterungsanalyse.933 Da solche Informationen ab dem ausgehenden Mittelalter zunehmend jahrgangsweise zur Verfügung stehen,934 bietet sich dies an. Für das Früh- und Hochmittelalter ist diese Dichte an Nachrichten aber aufgrund der schlechteren Überlieferungslage nicht gegeben. Nur vereinzelt finden sich Hinweise auf Wein (vinum), Weinreben (vitis) oder Weinernte (vindemia) in den Quellen. Der Einsatz von Wein im sakralen Kontext wird häufig in Heiligenlegenden und Mirakelberichten verarbeitet – als Beispiel sei der heilige Wigbert genannt935 – allerdings kaum in Verbindung mit der Witterung. In Annalen und Chroniken dagegen erscheinen Hinweise auf den Wein überwiegend im Kontext von Witterungsphänomenen, besonders wenn sich diese negativ auf das Pflanzenwachstum auswirkten, wie dies vor allem bei überraschend auftretenden Frühjahrsfrösten der Fall ist, die für die noch jungen Weinreben sehr schädlich sein können. Auffälligerweise sind jedoch nicht im Zusammenhang mit allen Frühjahrsfrösten auch Schäden an den Reben dokumentiert, was auf unterschiedlich intensive Kältephasen hinzudeuten scheint. Allgemein kann angemerkt werden, dass der Zeitpunkt der Rebenblüte in einem Normaljahr von der Maitemperatur abhängt. Durch sehr warme Witterung im März oder April kann der Blühbeginn aber schon früher einsetzen. Ein Vergleich der Blüh- mit den Weinlesedaten der Frühneuzeit hat ergeben, dass gemeinhin auf eine frühe Blüte eine frühe Weinlese folgt und eine späte Blütephase häufig auch mit einer späten Lese zusammenhängt.936 Im Rahmen klimahistorischer und agrarhistorischer Forschung ist der Verschiebung der Weinanbaugrenze eine Funktion als Anzeiger von Klimaänderungen zugewiesen worden. So soll von ihrer Verschiebung nach Norden ein allgemeiner Trend zur Erwärmung, von einer Verschiebung nach Süden ein allgemeiner Trend der Abkühlung abzulesen sein. Allerdings wurde dabei die Qualität des Weines außer Acht gelassen. Denn auch in kühleren Klimaten lassen sich zwar Weintrauben heranziehen, diese ergeben aber nur einen sehr sauren Wein. Saure Weine können allerdings, wie es in Quellen auch oft erwähnt wird, mit Honig oder Gewürzen gesüßt und schmackhafter gemacht werden. Gerade weil Wein als ein wesentlicher Bestandteil während der kirchlichen Zeremonie notwendig ist, sagt dies wenig über die Qualität des Weines aus und noch we-

|| 932 Clemens, Witterung und Wein (2009), 125–148. 933 Pfister, Fluktuationen der Weinmosterträge (1981). 934 Müller, Geschichte des badischen Weinbaus (1953); Wunderer, Weinbau und Weinbereitung (2001). 935 Beispielsweise das Weinwunder des hl. Wigbert, vgl. Wunder, Wigberttradition (1969), 169–171. 936 Pfister, Wetternachhersage (1999), 39.

Beschreibungen weiterer Folgen | 699

niger über die natürliche Anbaugrenze. Der hohe sakrale Bedarf an Wein – ungeachtet seiner Qualität – macht ihn als Proxy weitgehend unbrauchbar. Deshalb ist die Weinanbaugrenze in Bezug auf Klimaveränderungen auch nur sehr begrenzt aussagefähig. Betrachten wir nun – in chronologischer Reihenfolge – die in den Quellen überlieferten Nachrichten zu Wein. Gregor von Tours hielt in seiner Frankengeschichte fest: „In Gallien waren in diesem Jahr, 584, viele wunderbare Erscheinungen, und es kamen schwere Zeiten über das Volk. Im Monat Januar blühten die Rosen; und um die Sonne sah man einen großen Ring, in allerlei Farben spielend, wie er sich beim Regen in dem Regenbogen am Himmel zu zeigen pflegt. Der Reif tat den Weinbergen großen Schaden; dann folgte ein Hagelwetter und verheerte die Weinberge und Saatfelder an sehr vielen Orten; was der Hagel verschont hatte, kam durch eine ungeheure Dürre um; der Ertrag war in manchen Weinbergen sehr gering, in anderen fehlte er ganz, sodass die Menschen mit Gott hadernd, die Türen der Weinberge öffneten und die Herden hineintrieben, und die Verblendeten wünschten sich selbst das Unheil herbei und sprachen: ‚Niemals soll in alle Ewigkeit in diesen Weinbergen wieder eine Rebe wachsen.‘ Die Obstbäume brachten dagegen, nachdem sie schon im Monat Juli getragen hatten, im Monat September abermals Früchte. Wiederholt griff auch eine Viehseuche um sich, sodass kaum ein Stück übrig blieb.“937

Der an ungewöhnlichen Witterungsereignissen interessierte Gregor von Tours schildert für das Frühjahr 588 starke Regengüsse und Schneefall zu einem Zeitpunkt, als die Bäume und Weinberge schon grünten. Der daraufhin einsetzende Frost vernichtete die Reben in den Weinbergen sowie die übrigen Früchte, die bereits zu blühen angesetzt hatten. Die Kälte schildert er als so groß, dass sogar die Schwalben bei dem starken Frost starben. Seine Vorliebe für genaue Naturbeobachtung findet ihren Ausdruck auch in folgender Schilderung: „Auch das war wunderbar, dass, wo sonst der Frost niemals Schaden angerichtet hatte, er damals alles zugrunde richtete und gerade da nicht hinkam, wo er sonst Verheerungen verursachte.“938 Diese Beschreibung könnte auf eine inverse Wetterlage hindeuten.

|| 937 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 44. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 316; FSGA 3, 78 f.: Hoc anno multa prodigia apparuerunt in Galliis, vastationisque multae fuerunt in populo. Nam Mense Ianuario rosae visae sunt; circa solem quoque circulus magnus apparuit, diversis coloribus mixtus, ut solet in illo caelestis iris ambitu, pluvia discendente, monstrari. Proina graviter vineas exussit; tempestas etiam subsecuta vineas segetsque per plurima loca vastavit; residuum quoque grandinis siccitas inmensa consumpsit, exiguusque fructus in aliquibus viniis visus, in aliis vero nullus, ita ut irati contra Deum homines, patifactis aditibus viniarum, pecora vel iumenta intromitterent, noxias sibi immixcentes miseri prae ces atque dicentes: ‘Numquam in his viniis palmis nascatur in sempeternum!’ Arboris vero, quae mense Iulio poma protulerant, mense Septembre fructus alios ediderunt. Morbus pecorum iteratis invaluit, ita ut vix quicquam remaneret. 938 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 17. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 431; FSGA 3, 254 f.: Eo anno verno tempore pluviae validae fuerunt, et cum iam vel arbores vel vineae fronduissent, nix decidua cuncta operuit. Subsequente d quoque gelu tam palmitis vinearum quam reliqui ostensi fructus incensi sunt. Tantusque rigor fuisse visus est, ut etiam erundines alites, quae de externis regionibus

700 | Auswirkungen und Folgen

Paulus Diaconus überliefert: „Auch im Jahr 604 war der Winter überaus kalt und die Weinstöcke erfroren fast allerorten; um das Getreide stand es schlecht, es wurde teils von den Mäusen gefressen, teils durch Befall mit dem Getreidebrand unbrauchbar.“939 Für die folgenden 240 Jahre ist keine Quellenstelle mehr zum Verhältnis von Wein und Witterung auf uns gekommen. Erst die Annales Bertiniani vermerken zum Winter 845/846, dass dieser durch einen bis fast Anfang des Mai herrschenden Nordwind gekennzeichnet war, der viel Schaden bei den Saaten und den Weingärten anrichtete.940 Fünfzig Jahre später soll ein Frühjahrsfrost am 12. März und am 15. April 891 den Wein im Westfrankenreich vernichtet haben.941 Auch im darauf folgenden Jahr 892 zerstörte, nachdem den ganzen April und Mai über eine große Trockenheit geherrscht hatte, ein extremer Frosteinbruch am 12. Mai und 15. Juni den Wein und Roggen (sigalum) in ganz Francien, Burgund, Neustrien und Teilen der Germania.942 Wiederum ein Jahr danach, 893, war „der Winter rau und zog sich mehr als gewöhnlich in die Länge, sodass man noch im März an einigen Orten fünf Tage hindurch Schnee in der Tiefe von einem Fuß sah. Daher entstand in Bayern ein sehr großer Mangel an Wein; Schafe und Bienen gingen zu Grunde.“943

|| venerant, vi algores extinguerentur. Illud etiam admirabile fuit, quod, ubi numquam gelu nocuit, tunc omnia abstulit et ibi, ubi consueverat laedere, non accessit. 939 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 4, 29. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 126; Ed. Schwarz, 236 f.: Fuit autem tunc hiems frigida nimis et mortuae sunt vites pene in omnbibus locis. Messes quoque partim vastatae sunt a muribus, partim percussae uredine evanuerunt. 940 Annales Bertiniani, ad a. 846. Ed. Grat u. a., 51; FSGA 6, 68 f.: Ventus aquilo per totam hiemem usque ad ipsa fere Maii mensis inita acerrimus segetibus et vineis incumbit. 941 Annales Nivernenses, ad a. 891. Ed. Waitz, MGH SS 13, 89: In isto anno fuit glacies, qui coxit vineas sub die 4. Id. Mar. et sub die 17. Kal. Maii. 942 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 892. Ed. Verdon, 68 f.: Visa est cometa in cauda Scorpii per dies ferme LXXX; quam subsecuta est validissima siccitas, toto aprili et maio. IV° autem idus maii et XVII° kalendas julii, ita immensa gelu vineas et sigalum decoxit ut per omnem Franciam, Burgundiam, Neustriam ac partem Germaniae modicum quid colligeretur. Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 892. Ed. Marchegay/Mabille, 7: Hoc anno visa est cometa in cauda Scorpii per dies ferme LXXX; quam subsecuta est validissima siccitas tot aprili et maio. Ivo autem idus maii et XVIIo kalendas junii ita immensum gelu vineas et sigalum decoxit ut per omnem Franciam, Burgundiam et Neustriam ac partem Germaniae modicum quid colligeretur. Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 892. Ed. Marchegay/Mabille, 160 f.: Hoc anno visa est cometa in cauda Scorpii, per dies ferme LXXX; quam subsecuta est validissima siccitas tot aprili ac maio; IVo autem idus maii et XVIIo kalendas junii, ita immensum gelu vineas et sigalum decoxit ut per omnem Franciam, Burgundiam et Neustriam et partem Germaniae modicum quid colligeretur. 943 Annales Fuldenses, ad a. 893. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 123; FSGA 7, 156 f.: Hiemps aspera et plus solitum prolixa extenditur, ita ut mense Mart. nix in quibusdam locis per V dies mensura in profundo unum a pedem habere viseretur. [Am Rand hinzugefügt.] Inde per Baiowariam maxima penuria vini facta, oves et apes perditae.

Beschreibungen weiterer Folgen | 701

Fast 30 Jahre später, im Jahr 919, gab es nach Flodoard von Reims keinen Wein im pagus Reims oder zumindest viel zu wenig.944 Für das Jahr 928 hielt derselbe Autor fest, dass die Traubenernte bereits im Monat August fast beendet war, was auf eine geringe Ernte hindeuten könnte.945 Am 29. April 944 reichte der Frost eines Tages, um die Weinreben in der Region Anjou durch Kälte zu zerstören.946 In der Fortsetzung der Annalen des Flodoard von Reims wird das Jahr 977 als gutes Weinjahr mit großem Überfluss und billigen Preisen erwähnt.947 Zu Beginn des Jahres 1044 trat eine sehr heftige Viehseuche auf und ein ziemlich harter und schneereicher Winter richtete einen großen Teil der Weinberge durch Kälte zugrunde. Der Misswuchs der Früchte verursachte eine nicht geringe Hungersnot, folgt man Hermann von Reichenau.948 Im Jahr 1046 kam es zu einem großen Überfluss an Wein und Gemüse, so Rudolf Glaber.949 Nach der Chronik Bertholds von Reichenau verdarben am 25. April 1057 unermessliche Schneemassen und starker Raureif einen großen Teil der Weinreben.950 Derselbe Autor erwähnt, dass in den Jahren 1059 und 1060 ein großes Sterben viele Menschenleben forderte. Der Winter, der ziemlich hart, schneereich und länger als gewöhnlich war, schadete dem Getreide

|| 944 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 919. Ed. Lauer, 1; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 3: Anno incarnationis domini nostri Ihesu Christi 919 cecidit Remis grando mirabilis, ovum gallinae superans magnitudine; quae vero distendebatur in latitudine, occupabat medium palmae. Sed et grandior per alia quaedam loca visa est cecidisse. Hoc anno nihil vini in pago Remense a nisi parum admodum fuit. 945 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 928. Ed. Lauer, 43; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 18: Vindemiae pene peraguntur infra mensem Augustum. 946 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 944. Ed. Verdon, 90 f.: Tercio vero anno, iii. kalendas mai, vinee exuste sunt a gelu. Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 944. Ed. Marchegay/Mabille, 162: Tertio vero anno vineae combustae sunt a gelu. Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 944. Ed. Marchegay/Mabille, 9: Tertio vero anno, IIIo kalendas maii, vineae exustae sunt gelu. 947 Flodoard von Reims, Annales continuatio ad a. 977. Annales. Ed. Lauer, 164: Ipso anno tempore vindemiae magna fuit copia vini, in tantum ut non amplius pro uno vini modio venditores nisi aut quinque aut quattuor seu tres denarios ab emptoribus accipiebant. 948 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1044. Ed. Pertz, MGH SS 5, 124; FSGA 11, 676 f.: Maxima pestis pecudum et hiems satis dura et nivosa magnam vinearum partem frigore perdidit et frugum sterilitas famem non modicam effecit. 949 Rodulfus Glaber, Historiarum libri, 5, 2. Ed. Prou, 60: Sequenti igitur anno, id est quadragesimo sext post millesimum, facta est per loca magna vini fertilitas et leguminum. 950 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1057. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 183; FSGA 14, 24 f.: VII. Kalendas Maias immensitas nivis et peruniae magnam partem vinearum perdidit.

702 | Auswirkungen und Folgen

und den Weinreben sehr.951 Dagegen hatte im Jahr 1059 Bayern eine reichliche Ernte an Getreide und Wein zu verzeichnen.952 Drei Jahre später vernichtete Mitte April 1063 ein vier Tage anhaltendes, scharfes, stürmisches und schneereiches Frühjahrsunwetter Vögel und Vieh und verdarb den größten Teil der Bäume und Weinstöcke.953 Lampert von Hersfeld vermerkte in einem Eintrag zum Jahr 1069 eine große Unfruchtbarkeit der Weingärten und aller Waldbäume.954 Zum folgenden Jahr 1070 schrieb Lampert: Die Unfruchtbarkeit der Waldbäume blieb die gleiche wie im vorigen Jahr. Aber der Ertrag der Weinberge war so groß, dass man an vielen Orten die gewaltige Menge des Herbstes kaum zusammentragen konnte.955 Im weiter oben bereits näher beleuchteten Winter des Jahres 1076/1077, der nach Lampert so rau und andauernd und mit so ungewöhnlicher Strenge eingefallen war, dass vom 11. November an der Rheinstrom durch eisigen Frost gebunden, beinahe bis Anfang April für Fußgänger gangbar blieb, gingen an den meisten Orten die Weinreben, an den Wurzeln von der Kälte ausgedörrt, gänzlich zugrunde.956 Für das folgende Jahr 1077 überliefern die im Kloster der heiligen Columba in Senon überlieferten Annalen, dass es in diesem Jahr heiß und trocken war, was zu einem großen Ertrag an Getreide und Wein führte, der zudem schon im Monat Juni gesammelt werden konnte.957 Etwa 20 Jahre später zeigte sich in Benevent das Gegenteil: Der Sommer des

|| 951 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1060. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 188; FSGA 14, 26 f.: Et hoc anno, sicut priori, mortalitas multos extinxit. Hyems satis dura et nivoas et plus solito prolixa frumenti vinique maximum attulit damnum. 952 Annales Altahenses maiores, ad a. 1059. Ed. von Gieserecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 55: Hoc anno frumenti et vini satis abundans copia in Baioaria fuit. 953 Berthold von Reichenau, Chronik, ad a. 1063. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 195; FSGA 14, 30 f.: Tempore veris, medio mense Aprilis, per quatuor dies hyems saeve, ventosa et nivosa aves et pecora frigore extinxit, arborum et vinearum maximam quoque partem perdidit. Berthold von Reichenau, Chronik (Zweite Fassung), ad a. 1063. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 195; FSGA 14, 54 f.: Hiems nimis dura aves et pecora frigore extinxit necnon frugum et vini magnam penuriam effecit. 954 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1069. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 111; FSGA 13, 120 f.: Maxima eo anno vinearum omniumque silvestrium arborum sterilitas fuit. 955 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1070. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 118; FSGA 13, 132 f.: Silvestrium arborum eadem quae priore a anno sterilitas permansit. Sed vinearum tanta fertilitas fuit, ut plerisque in locis pre multitudine vix colligi vindemia posset. 956 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1076. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 284; Quellentexte. Ed. Weikinn, Bd. 1.1, 35 (mit falscher Bandangabe): Vis atque incelmentia hyemis hoc anno adeo iugis solitoque asperior inhorruerat, ut a festivitate sancti Martini Rhenus fluvius glaciali frigore constrictus pene usque ad Kalendas Aprilis pedestri itinere transmeabilis maneret, et plerisque in locis vineta, exsiccatis frigore radicibus omnio arescerent. 957 Annales S. Columbae Senonensis, ad a. 1077. Ed. Pertz, MGH SS 1, 106: Sequenti autem anno facta est tanta ariditas et siccitas terrae, ut prata et virentia quaeque arefierent. Ubertas autem frumenti et vini facta est; Iunio mense colleccio frugum est facta.

Beschreibungen weiterer Folgen | 703

Jahres 1098 „war so ungewöhnlich heiß, dass die Weinreben mit den Trauben vertrockneten.“958 Im Jahr 1100 war es dann erneut ein Frühjahrsfrost, dessen Einbruch am 22. April die Weinreben vernichtete.959 Tab. 64: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Weinernten von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

W1

584

Westfranken

W2

Frühjahr 588

Westfranken

FJF zerstört Wein

W3

Winter 604

Norditalien

Winter schlecht für Wein Paulus Diaconus

W4

Mai 846

Lotharingien

FJF zerstört Wein

Ann. Bertiniani

W5

12.3./15.4.891

Westfranken

FJF zerstört Wein

Ann. Nivernenses

W6

12.5./15.6.892

Francia, Burgund

FJF zerstört Wein

Chron. S.-Maxentii Pictav.

W7

5 Tage, 3.893

Rheinland, Bayern

FJF zerstört Wein

Ann. Fuldenses

W8

919

Westfranken, Reims

kein Wein, viel zu wenig

Flodoard von Reims

W9

08.928

Westfranken, Reims

Weinernte im August

Flodoard von Reims

W10 29.04.944

Westfranken, Anjou

FJF zerstört Wein

Chron. S.-Maxentii Pictav.

W11 977

Westfranken, Reims

Gutes Weinjahr

Flodoard von Reims

W12 Winter 1044

Bodenseeregion

schneereicher Winter

Hermann von Reichenau

W13 1046

Mitteleuropa

Überfluss an Wein

Rodulf Glaber

W14 25.04.1057

Bodenseeregion

FJF zerstört Wein

Berthold von Reichenau

W15 1059/1060

Bodenseeregion

Winter schlecht für Wein Ann. Altah., Bert. v. Reich.

W16 4 Tage, 4.1063

Bodenseeregion

FJF zerstört Wein

Berthold von Reichenau

W17 1069

Sachsen, Hersfeld

Unfruchtbarkeit

Lampert von Hersfeld

W18 1070

Sachsen, Hersfeld

Überfluss an Wein

Lampert von Hersfeld

W19 1076/1077

Sachsen, Hersfeld

Winter schlecht für Wein Lampert von Hersfeld

W20 1077

Westfranken, Sens

Überfluss an Wein

W21 Sommer 1098

Mittelitalien

Trockenheit zerstört Wein Ann. Beneventani

W22 22.04.1100

Westfranken, Anjou

FJF zerstört Wein

Bemerkung

Quellen Gregor von Tours Gregor von Tours

Ann. S. Columbae Senon.

Chron. S.-Maxentii Pictav.

|| 958 Annales Beneventani, ad a. 1098. Ed. Pertz, MGH SS 3, 183: Aestas fuit fervida plus solito, ut pro eo vites cum uvibus arescerent. 959 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1100. Ed. Verdon, 174 f.: Tercio decimo kalendas mai fuit combustio gelu, in vineis maxime et aliis seminibus.

704 | Auswirkungen und Folgen

Die Tabelle 64 fasst die chronologischen Nachrichten über den Wein zusammen und macht deutlich, wie selten solche Nachrichten im Frühmittelalter im Vergleich zum Spätmittelalter dokumentiert wurden. Die geschilderten Zusammenhänge von Witterung und Wein beziehen sich überwiegend auf die Vernichtung der Weinernte. Am häufigsten geschah dies nämlich in fast der Hälfte der Fälle (588, 846, 891, 892, 893, 944, 1057, 1063, 1100), durch Frühjahrsfröste. Auffälligerweise sind jedoch nicht im Zusammenhang mit allen Nennungen von Frühjahrsfrösten (868, 945, 994, 1063) auch Schäden an den Reben überliefert, was auf unterschiedlich intensive Kälte oder Inversionswetterlagen hindeuten könnte. Einige Großwetterlagen, wie im Jahr 1063, waren in ihren Folgen unterschiedlich, während etwa der Frühjahrsfrost am 21. März in Bayern zu keinen Schäden führte, kam es drei Wochen später weiter südwestlich in der Gegend um den Bodensee zu vier Frosttagen, die sich negativ auf die Weinernte auswirkten. Bemerkenswert sind auch die drei aufeinanderfolgenden Jahre von 891 bis 893, in denen in ganz unterschiedlichen Regionen Frühjahrsfröste auftraten. Demgegenüber resultierten warme Frühlingstemperaturen oft in guten Weinernten (928, 977, 1046, 1070, 1077). Zu große Hitze konnte jedoch auch die Trauben vernichten, so im Jahr 1098. Die beschriebenen Weinregionen weichen nur wenig von den rezenten Anbaugegenden ab, lediglich Sachsen (Hersfeld) bildet hier eine Ausnahme. Die Dokumentationen zur Weinernte bildet im Spätmittelalter eine der wichtigsten Quellengrundlagen, um Proxydaten für die Witterungs- und Klimarekonstruktion zu erhalten. Diese Quellengruppe setzt langsam ab dem 11. Jahrhundert ein. Im Frühund Hochmittelalter sind Nennungen zu Witterung und Wein deutlich seltener, insgesamt sind nur 22 überliefert. Die geschilderten Zusammenhänge beziehen sich dabei überwiegend auf die Vernichtung oder Verminderung der Weinernte. Aber auch andere Witterungsereignisse zerstörten die Reben, so in den Jahren 604 (Winter), 919, 1044 (Winter), 1059/60 (Winter), 1069 (Unfruchtbarkeit), 1076/77 (Winter), 1098 (Trockenheit im Sommer). Von den 22 insgesamt überlieferten Nachrichten mit Bezug zu Wein sind aber ein Viertel (5) auch positiver Natur, sie vermelden eine gute Weinernte, so in den Jahren 928, 977, 1046, 1070 und 1077. Die Regionen in denen über Wein berichtet wurde, liegen alle in Mitteleuropa, elf Mal wurden Orte im westfränkischen Reich genannt, sechs Mal in der Bodenseeregion, in Bayern und im Rheinland, drei Mal in Sachsen, zwei Mal in Nord- und Mittelitalien und einmal in Lothringen. Festzuhalten ist, dass in der untersuchten Zeit aus weiter nördlich liegenden Regionen keine einzige Nachricht in Bezug auf Wein überliefert ist. Dies fällt auf, da die Verschiebung der Weinanbaugrenze nach England hier zu Nennungen in den Quellen hätte führen sollen. Mehrere Autoren zeigen ein ausgeprägtes Interesse am Wein. Je drei Nachrichten bezüglich Wein nennt der Autor des Chronicon St-Maxentii Pictavensis (nur im Zusammenhang mit negativen Auswirkungen von Frühjahrsfrösten), Flodoard von Reims, Lampert von Hersfeld und Berthold von Reichenau. Zwei Mal erwähnt Gregor von

Beschreibungen weiterer Folgen | 705

Tours Nachrichten, die Wein betreffen. Neun Autoren überliefern jeweils nur eine entsprechende Nachricht: Rodulf Glaber, Paulus Diaconus, Hermann von Reichenau sowie die Verfasser der Annales S. Columbae Senonensis, Annales Nivernenses, Annales Fuldenses, Annales Bertiniani, Annales Beneventani und der Annales Altahenses. Tab. 65: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Weinereignisse von 500 bis 1100 Gesamt 22 100 %

6. Jh. 2 10 %

7. Jh. 1 5%

8. Jh. 0 0%

9. Jh. 4 20 %

10. Jh. 3 15 %

11. Jh. 11 50%

Der Schwerpunkt der 22 Beobachtungen liegt im 11. Jahrhundert, gar keine Beobachtungen sind für das 8. Jahrhundert überliefert. Der Befund, dass im 7. und 8. Jahrhundert Nachrichten zu Wein in der Überlieferung fast zur Gänze fehlen, ist vermutlich der Quellenarmut dieser beiden Jahrhunderte geschuldet.

4.7.3 Gute Jahre voller Überfluss Die früh- und hochmittelalterlichen Quellen sind jedoch nicht nur voll schlimmer und außergewöhnlich negativer Ereignisse, sondern manchmal, wenn auch nicht allzu häufig, ist ihnen ebenso ein besonders gutes Jahr mit Überfluss und besonderer Fruchtbarkeit (magna fertilitas) eine Meldung wert. Besonders wichtig scheint den Chronisten die Schweinemast mit Eicheln und Nüssen gewesen zu sein.960 Überdurchschnittlich häufig wird davon berichtet, besonders in der irischen und schottischen Überlieferung. Neben der durch landwirtschaftliche Tätigkeit erzeugten pflanzlichen Nahrung bildeten Schweine durch ihre mit wenig Futteraufwand zu erreichende Energieanreicherung in Form von Speck eine wichtige Grundlage der Ernährung. Der Eichelmast kam dabei eine wichtige Versorgungsrolle zu, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden kann. Stattdessen sollen die Jahre im Zentrum der Untersuchungen stehen, die in den historiographischen Quellen als gut, ertragreich oder sogar mit Überfluss charakterisiert werden. Jahre mit Überfluss dienen vor allem als Kontrastfolie zu schlechten Jahren. Die Darstellung guter Jahre fand daher auch in hagiographischen Quellen Eingang, als Beispiel sei hier nur die Vita Sancti Heriberti erwähnt, der von 999 bis 1021 Erzbischof von Köln war, in der es heißt, „das in diesem Jahr der Überfluss an Früchten sehr groß war.“961 Die erste diesbezügliche Nachricht in einem historiographischen Werk findet sich in der Historia Langobardorum des Paulus Diaconus zum Jahr 568. „In diesem

|| 960 Regnath, Schwein im Wald (2008). 961 Lantbert von Deutz, Vita S. Heriberti, Lectio 8. Ed. Vogel, MGH SS rer. Germ. 73, 166: (…) et eiusdem anni frugum fertilitas immensa fuit.

706 | Auswirkungen und Folgen

Jahr fiel im Winter zu Jahresbeginn so viel Schnee im Flachland, wie er sonst nur mitten in den Alpen vorzukommen pflegt. Im darauffolgenden Sommer war die Fruchtbarkeit aber so groß, dass es hieß, selbst die Ältesten könnten sich nicht erinnern, so etwas je erlebt zu haben.“962 Dabei könnte es sich aber auch um eine beabsichtigte Instrumentalisierung handeln, da zum 1. April 568 die Landnahme der Langobarden in Norditalien begann. Bis Ende des Jahres waren die größeren norditalienischen Städte weitgehend kampflos in langobardische Hände geraten. Paulus Diaconus hätte dann die Ankunft der Langobarden mit der Ankunft des Überflusses verbunden. Ein ganz außergewöhnliches Jahr muss 722 gewesen sein, denn es wird in sieben Annalenwerken als Zeit überaus großer Fruchtbarkeit (fertilitas) beschrieben,963 so in den Annales Petaviani,964 den Annales Laureshamenses,965 den verschiedenen Fassungen der Annales Alamanici,966 den Annales Nazariani,967 den Annales Altahenses,968 den St. Galler969 sowie den Reichenauer Annalen,970 darüber hinaus in den Annalen Lamperts von Hersfeld971 bzw. dessen Annales Weissenburgenses.972 Formulierungen über ähnlich gute Jahre werden erst wieder für 1282973 und 1381974 in den Quellen genannt, die aber außerhalb unserer Betrachtungszeit liegen. Das Jahr 756 wird in irischen Annalen einerseits mit einem Mangel an Lebensmitteln charakterisiert, andererseits mit einem großen Überfluss an Früchten der

|| 962 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 2, 10. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 78; Ed. Schwarz, 164 f.: Hoc anno superiori hieme tanta nix in planitie cecidit, quanta in summis Alpibus cadere solet; sequenti vero aestate tanta fertilitas extitit, quanta nulla aetas adseveratur meminisse. 963 Curschmann, Hungersnöte (1900), 89. 964 Annales Petaviani, ad a. 722. Ed. Pertz, MGH SS 1, 7: Fuit fertilitas magna. 965 Annales Laureshamenses, ad a. 722. Ed. Pertz, MGH SS 1, 24: Magna fertilitas. 966 Annales Alamanici, ad a. 722. Ed. Pertz, MGH SS 1, 24: Magna fertilitas; Annales Alamannici (Codex Turicensis), ad a. 722. Untersuchungen. Ed. Lendi, 148: magna fertilitas; Annales Alamannici (Codex Modoetiensis), ad a. 722. ebd., 148: magna fertilitas. 967 Annales Nazariani, ad a. 722. Ed. Pertz, MGH SS 1, 25: Magna fertilitas. 968 Annales Altahenses maiores, ad a. 722. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 1: Magna fertilitas anni. 969 Annales Sangallenses maiores, ad a. 722. Ed. Zingg, 144 f.: Magna fertilitas. 970 Annales Heremi 2, ad a. 722. Ed. von Planta, MGH SS rer. Germ. 78, 237: Magna fertilitas. 971 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 722. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 10; FSAG 13, 14 f.: Magna fertilitas facta est. 972 Annales Weissenburgenses, ad a. 722. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 11: Magna fertilitas facta est. 973 Cronica fratris Salimbene de Adam ordinis Minorum, ad a. 1282. Ed. Holder-Egger, MGH SS 32, 511: Et non fuit isto anno plenitudo annue messis quantum ad frumentum, sed quantum ad eas segetes, quas agricole minuta appellant, maxima fertilitas fuit, scilicet de panico, de milio, de milica, de faxiolis et de rapis. Vinum abundanter fuit, sed in multis locis tempestas vineas devastavit. 974 Chronicon Moguntinum, ad a. 1381. Ed. Hegel, MGH SS rer. Germ. 20, 49: Eo tempore fuit fertilitas temporalium, vini, frumenti et omnium bonorum temporalium (…).

Beschreibungen weiterer Folgen | 707

Bäume,975 was auf eine für Bäume optimale Witterungssituation hinweist. Dieselben Annalen beschreiben 759 als ein Jahr, in dem es einen sehr großen Überschuss an Getreide gegeben habe.976 Und für das Jahr 833, überliefern sie einen so großen Überschuss an Nüssen und Eicheln, dass die Bäche von den herabfallenden Früchten derart überfüllt gewesen seien, dass die Menschen auf fast trockenen Füssen darüber gehen konnten.977 Nach Flodoard von Reims wurde im Jahr 920 „rings um die Stadt Reims Honig auf den Spitzen des Getreides gefunden und Blumen in großen Bäumen und in bereits gesammelten Früchten.“978 Aufgrund des Vergleichs mit Honig, scheint es sich nicht um einen bösartigen Pilzbefall gehandelt zu haben. Was da wie Honig war, entzieht sich aber mangels weiterer Quellen unserer Kenntnis. Das Jahr 977 wurde von Flodoards Fortsetzer als gutes Weinjahr – er nennt bereits Weinpreise – beschrieben.979 In Irland kam es im Jahr 985 zu einem Überfluss an Eicheln, der bis zum Ende des nächsten Jahres, 986, dauerte und die Basis für eine üppige Schweinemast bildete.980 Im Jahr 1011 berichten die Annalen von Inisfallen in Irland von einem Überfluss an Nüssen,981 ebenso im Jahr 1038, wobei der Annalist betont, dass die Schweine davon fett geworden wären.982 Im Jahr 1046 gab es im westfränkischen Reich großen Überfluss an Wein und Hülsenfrüchten.983 In Byzanz war im Jahr 1055/56 Kaiserin Theodoras III. (um 985–1056) Alleinherrschaft vom Glück begünstigt, denn es heißt, sogar die Jahreszeiten seien

|| 975 Annals of Clonmacnoise, ad a. 756. Ed. Murphy, 120: There was great scarcity of victuals this yeare and abundance of all manner of the fruites of trees. 976 Annals of Clonmacnoise, ad a. 759. Ed. Murphy, 121: (…) then a Great shower of Silver fell from heaven, whereat the K. Greatly Rejoyced, and yet (said he) Thias is not the thing that can Deliuer us from this famine and eminent Danger, with that he fell to his Prayer againe, then a second shower of heavenly honey fell, and the the K. said with Great thanksgiving as before, wth that ye third shower fell of pure wheat, which soe that there was such plenty and abundance of wheat, that it was thought yt it was able to maintaine manye kingdoms. 977 Annals of Clonmacnoise, ad a. 833. Ed. Murphy, 136: There was abundance of nuts and akornes this year, and were soe plenty that in some places where shallow Brookes runn under the Trees men might goe drye shod, the waters were soe full of them. 978 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 920. Ed. Lauer, 5; Annals. Ed. Fanning/Bachrach, 4: Tunc etiam circa Remensem urbem mel in spicis inventum et flores quibusdam in arboribus, maturis vel collectis iam fructibus. 979 Flodoard von Reims, Annales continuatio ad a. 977. Ed. Lauer, 164: Ipso anno tempore vindemiae magna fuit copia vini, in tantum ut non amplius pro uno vini modio venditores nisi aut quinque aut quattuor seu tres denarios ab emptoribus accipiebant. 980 Annals of Inisfallen, ad a. 985. Ed. Mac Airt, 167: Abundance of mast in the above year, and it lasted until the end of the next year. 981 Annals of Inisfallen, ad a. 1011. Ed. Mac Airt, 180 f.: Abundance of nuts in the above year. 982 Annals of Clonmacnoise, ad a. 1038. Ed. Murphy, 176: The was such an abundance of ackorns this yeare that it fattened the pigges [i.e. the pigots or rutlands] of pigges. 983 Rodulfus Glaber, Historiarum libri, 5, 2. Ed. Prou, 60: Sequenti igitur anno, id est quadragesimo sext post millesimum, facta est per loca magna vini fertilitas et leguminum.

708 | Auswirkungen und Folgen

milde gewesen und die Erde habe unerschöpfliche Frucht hervorgebracht.984 Viele Früchte in ganz Irland meldet das Chronicum Scotorum für das Jahr 1058985 und im folgenden Jahr, 1059, wurde auch in Bayern eine reichliche Ernte von Getreide und Wein verzeichnet.986 Irische Annalen überliefern zum politisch bedeutsamen Jahr 1066 einen großen Überfluss an Nüssen.987 Zu 1070 vermerkt Lampert von Hersfeld: „Die Unfruchtbarkeit der Waldbäume blieb die gleiche wie im vorigen Jahr. Aber der Ertrag der Weinberge war so groß, dass man an vielen Orten die gewaltige Menge des Weines im Herbst kaum zusammentragen konnte.“988 Das Jahr 1091 wird in Irland als „saftig und reichlich“ und „mit gutem Wetter“gekennzeichnet.989 Dieselben Annalen überliefern, 1093 habe es viele Früchte gegeben990 und im Jahr 1097 sei eine große Nussernte möglich gewesen.991 Auch das Chronicum Scotorum charakterisiert das Jahr 1093 als „Jahr der Nüsse“,992 das Jahr 1094 hingegen als „feuchtes aber fruchtbares Jahr“.993 Spätere Chronisten vermerkten, dass der Sommer des Jahres 1097 sehr fruchtbar war.994 Erwähnt sei zum Abschluss dieser Zusammenschau noch das Jahr 1102, in dem im westfränkischen Reich ein großer von Gott gegebener Überfluss an allen Gütern geherrscht habe.995 Wie lassen sich die Jahre des Überflusses zusammenfassend darstellen? Vor allem irische Quellen nennen relativ häufig Jahre des Überflusses. Von den 20 derart charakterisierten Jahren sind zwölf für Nordeuropa überliefert. Alle anderen Quellen enthalten nur eine Erwähnung eines günstigen Jahres.

|| 984 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 652, in: Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 112. 985 Chronicum Scotorum, ad a. 1058. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 285: Great fruit throughout Erinn in this year. 986 Vgl. RI III, 2, 3 Nr. 183; Annales Altahenses maiores, ad a. 1059. Ed. von Giesebrecht/von Oefele, MGH SS rer. Germ. 4, 55: Hoc anno frumenti et vini satis abundans copia in Baioaria fuit (…). 987 Annals of Loch Cé, ad a. 1066. Ed. Hennessy, 63: A great nut crop in all Erinn, ut rebellat fluminibus. 988 Lampert von Hersfeld, Annales, ad a. 1070. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 38, 118; FSGA 13, 132 f.: Silvestrium arborum eadem quae priore a anno sterilitas permansit. Sed vinearum tanta fertilitas fuit, ut plerisque in locis pre multitudine vix colligi vindemia posset. 989 Annals of Loch Cé, ad a. 1091. Ed. Hennessy, 79: A sappy, plentiful year, of good weather, was this year. 990 Annals of Loch Cé, ad a. 1093. Ed. Hennessy, 81: Great fruit in hoc anno. 991 Annals of Loch Cé, ad a. 1097. Ed. Hennessy, 85: A great nut crop in this year, viz.: the year of the white nuts; thirty years from this nut crop to the nut crop before us. 992 Chronicum Scotorum, ad a. 1093. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 305: The year of the nuts. 993 Chronicum Scotorum, ad a. 1094. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 305: A wet and fertile year. 994 Ekkehard, Chronicon universale, ad a. 1097. Ed. Waitz, MGH SS 6, 209: Eo anno aestas fertilissima, hiems vero lenis et pestilens fuit; imbrium et fluminum inundationes nimis increverunt; Reichschronik des Annalista Saxo, ad a. 1097. Ed. Naß, MGH SS 37, 492: Eo anno estas fertilissima. Hiemps vero lenis et pestilens fuit, imbrium et fluminum inundationes nimis increverunt. 995 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 1102. Ed. Verdon, 174 f.: Fuitque magna ubertas, Deo tribuente, de omnibus bonis, ut oblivioni traderetur perditio anni preteriti.

Beschreibungen weiterer Folgen | 709

Tab. 66: Zeitliche Verteilung der Überlieferung der Jahre mit Überfluss von 500 bis 1100 Gesamt 20 100 %

6. Jh. 1 5%

7. Jh. 0 %

8. Jh. 3 15 %

9. Jh. 1 5%

10. Jh. 3 15 %

11. Jh. 12 60%

Die zeitliche Verteilung ist sehr inhomogen, im 6. Jahrhundert gibt es eine Nennung, für das 7. Jahrhundert überhaupt keine, im 8. Jahrhundert immerhin zwei, im 9. Jahrhundert eine und im 10. Jahrhundert drei. Der überwiegende Anteil von zwölf Erwähnungen guter Jahre ist für das 11. Jahrhundert überliefert. Häufig werden diese Jahre durch den Überfluss an Nüssen und Getreide (frumentum) charakterisiert. Insgesamt sind 20 Jahre in der Zeit von 500 bis 1100 in einer positiven Art charakterisiert, was nur etwa drei Prozent aller Jahre entspricht, also auf seltene Ereignisse hinweist, die in einem starken Missverhältnis zu den häufigen Hungerjahren stehen. Der Schwerpunkt der 20 Beobachtungen liegt mit fast zwei Dritteln im 11. Jahrhundert, gar keine Beobachtungen sind für das 7. Jahrhundert überliefert. Am häufigsten wurde ein Überfluss an Früchten, Nüssen, Eicheln oder Getreide in irischen (11) und schottischen Annalen (2) berichtet. Danach folgen drei Nachrichten für Westfranken und jeweils eine bezüglich Sachsen, Bayern, Oberitalien und Byzanz. Darüber hinaus hat nur Flodoard von Reims zwei positive Erntenachrichten überliefert. Ganz ungewöhnlich in Hinblick auf die Überlieferungsdichte ist das Jahr 722, für das in elf Annalen eine große Fruchtbarkeit (magna fertilitas) überliefert wurde. Ob es sich dabei um einen konsequenten Abschreibfehler handelt, darf bezweifelt werden. Das Jahr scheint tatsächlich außergewöhnlich gewesen zu sein.

710 | Auswirkungen und Folgen

Tab. 67: Überlieferung der Jahre mit Überfluss von 500 bis 1100

Nr.

Datierung Region, Ort

Bemerkung

Ü1

568

Oberitalien

große Fruchtbarkeit

Paulus Diaconus

Ü2

722

Mitteleuropa

große Fruchtbarkeit

[zahlreiche > 11]

Ü3

756

Irland

Überfluss an Baumfrüchten

Iri. Ann. (AC)

Ü4

759

Irland

Überfluss an Getreide

Iri. Ann. (AC)

Ü5

833

Irland

Überfluss an Eicheln und Nüssen Iri. Ann. (AC)

Ü6

920

Westfranken (Reims)

Honig auf Spitzen

Flodoard von Reims

Ü7

977

Westfranken (Reims)

Wein und Überfluss

Flodoard von Reims

Ü8

985/986

Irland

Überfluss an Eicheln

Iri. Ann. (AI)

Ü9

1011

Irland

Überfluss an Nüssen

Iri. Ann. (AI)

Ü10

1038

Irland

Überfluss an Eicheln

Iri. Ann. (AC)

Ü11

1046

Westfranken

Überfluss an Wein und Gemüse

Rodulfus Glaber

Ü12

1055/56

Byzanz

Überfluss an Früchten

Johannes Zonaras

Ü13

1058

Irland

Überfluss an Früchten

Chronicum Scotorum

Ü14

1059

Bayern

Überfluss an Wein und Getreide

Ann. Altahenses mai.

Ü15

1066

Irland

Überfluss an Nüssen

Annals of Loch Cé

Ü16

1070

Sachsen, Hersfeld

Überfluss an Wein

Lampert von Hersfeld

Ü17

1091

Irland

saftig und reichlich

Annals of Loch Cé

Ü18

1093

Irland

Überfluss an Früchten

Annals of Loch Cé

Ü19

1094

Schottland

feucht, aber fruchtbar

Chronicum Scotorum

Irland, Schottland

Überfluss an Nüssen

Annals of Loch Cé

Ü20 1097

Quellen

5 Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis Der praktische Umgang mit den natürlichen, astronomischen, vulkanischen, tektonischen, geomorphologischen und meteorologischen Extremereignissen war während der hier behandelten Zeitspanne nicht homogen. Auch der theoretische Umgang mit der Dokumentation solcher Ereignisse ist je nach Vorbildung der mittelalterlichen Chronisten und Annalisten sowie nach Ausgangssituation der betroffenen Landschaften und der Gesamtsituation der dort lebenden Bevölkerung ganz unterschiedlich. Die verschiedenen Deutungen wiederum wirkten sich auf den Umgang mit den einzelnen Phänomenen aus, auf deren Bewältigung und auf deren Darstellung.1 Nicht erst die Verfasser der karolingischen Annalen stellten einen Zusammenhang zwischen Naturkatastrophen, Seuchen und politischen Ereignissen her. Solche Zusammenhänge haben ihren Ursprung bereits in vorchristlichen Glaubensvorstellungen.

5.1 Topoi, Prodigien und Wunderberichte Alle bisher aufgelisteten Darstellungen von extremen Naturereignissen sind nicht etwa Tatsachenberichte, sondern zeitgenössische Beschreibungen. Dabei ist zu fragen, welche Funktionen diese Nachrichten innerhalb der Texte haben und in welche größeren Kontexte sie vom Autor gestellt wurden. Damit lassen sich unter Umständen Informationen über die politische Bedeutung des Autors, sein Weltbild und seine mit dem Text verfolgten Intentionen ableiten. Bei der Darstellung von extremen Naturereignissen werden ebenso Topoi verwendet wie bei der Schilderung der politischen Ereignisgeschichte. Je nach Gesamtkomposition des Werkes werden die vermeintlich objektiven Naturereignisschilderungen eingesetzt, um dadurch den Eindruck einer höheren Glaubwürdigkeit der Darstellung zu erzielen. Die Einbindung von klimageographischen oder naturbedingten Ereignissen in die Chroniken folgt dabei unterschiedlichen Intentionen des Autors. Vier Beobachtungen stechen hervor: 1) Der Verfasser verfolgt einen bestimmten Topos, der sich auf ein Naturereignis beziehen kann, wie den Anbruch von schönem Wetter beim Herrschaftsbeginn oder die vermeintliche Ankündigung eines Herrscherwechsels durch das Erscheinen eines Himmelzeichens (Komet, Blutregen etc.). Einige dieser Topoi scheinen den zeitgenössischen Herrschern sehr wohl bewusst gewesen zu sein, mehr noch, sie

|| 1 Vgl. Sangster/Duncan/Chester, Religion and Hazards (2013), 836 f.

https://doi.org/10.1515/9783110572490-005

712 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

fürchteten sich extrem davor, wie Kaiser Ludwig der Fromme beim Auftauchen des Halley’schen Kometen im Jahre 837.2 2) Der Verfasser assoziiert beim Auftreten von typisch biblischen Naturereignissen wie Heuschrecken eine Verbindung mit den biblischen Plagen im Alten Testament oder mit den Posaunen in der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament. 3) Der Verfasser instrumentalisiert die Interpretation eines Ereignisses oder die Naherwartungshaltung der Apokalypse seiner Zeitgenossen zu einem bestimmten Ereignis. 4) Der Verfasser hat ein persönliches Interesse an Naturereignissen oder der Natur allgemein und verfolgt eine eigene Naturbeobachtung, die als gelehrte Beschreibung Eingang in seine Werke findet. Ein jedes Interesse findet sich in verschieden starker Ausprägung. So ist die Dokumentation eigener Beobachtungen bei Gregor von Tours oder beim Fuldaer Annalisten besonders stark entwickelt, die fast zu jedem Jahr eigene Naturbeobachtungen überliefern. Auch der Biograph Ludwigs des Frommen ist zu nennen, dessen großes Interesse an astronomischen Phänomenen seine Vita Hludowici imperatoris durchzieht. Weiterhin beschreiben Widukind von Korvei, Johannes Skylitzes, Johannes Zonaras oder Flodoard von Reims Naturereignisse und versuchen, diese teilweise mit politischen Ereignissen in Beziehung zu setzen. Andere Autoren haben deutlich weniger naturgeschichtlich geprägte Interessen und dokumentieren überwiegend die politische Ereignisgeschichte – so beschreiben Fredegar und seine Fortsetzer zwischen den Jahren 600 und 740 weder Prodigien noch Naturextreme, während sie vorher und nachher vereinzelte Naturereignisse nennen. Gleiches gilt für die Fortsetzung der Annales Bertiniani durch Erzbischof Hinkmar von Reims in den Jahren 862 bis 882.3 Die Autoren, deren Werke die meisten Beschreibungen von Naturereignissen enthalten, werden im Folgenden systematisch bezüglich dieses Interesses vorgestellt. Die Eigenarten der Geschichtsschreiber bei der Schilderung von Naturereignissen und Prodigien sind typisch für den jeweiligen Verfasser, insbesondere dessen Bildungshorizont und persönliches Interesse. Naturextreme sind Bestandteile von Texten, die für ein bestimmtes Publikum geschrieben wurden, dieses unterrichten und informieren, aber auch belehren sollen. Tatsächliche Beobachtungen von Ereignissen sind sicherlich darunter, aber ebenso auch intentionale Berichte, Belehrungen und Typisierungen. „In der Völkerkunde hat man von einer doppelten Realität gesprochen, jener, die unsere ‚normale‘ Welt bietet, und einer davon verschiedenen, die Affekte in Bewegung setzt, also mehr fühlt

|| 2 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 58, Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 518–525. 3 Vgl. Rep. Font. 2, 255.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 713

und erlebt als einfach zur Kenntnis genommen wird. Diese zweite Realität ist besonders dem Übernatürlichen zugeordnet. (…) Zwischen beiden Sphären ist die Geschichtsschreibung angesiedelt. Hexen können keine Sonnenfinsternisse hervorrufen, so belehrt uns Thietmar von Merseburg: Der Mond ist die Ursache dieses Phänomens. Aber die Finsternis des Jahres 990, von der er hier spricht, setzt er doch in Beziehung zu dem Tode der Kaiserin Theophanu. ‚Doch jetzt muss ich vom Ende der Kaiserin sprechen und die ihm vorausgehenden Zeichen nennen‘4.“5 Naturereignisse galten im Altertum als Zeichen (signum) im Sinne von Vorzeichen (prodigium).6 Auch im Früh- und Hochmittelalter spielte ihr Zeichencharakter eine herausragende Rolle, da nach verbreitetem Glauben Gott das sündhafte Handeln der Menschen kommentierte und strafte.7 Neben der religiösen Ausdeutung kam es aber auch zu quasi „wissenschaftlichen“ Interpretationen und zu beobachtender Darstellung. Diese beiden Positionen, auf der einen Seite die religiöse, oft eschatologische Deutung eines Naturereignis, auf der anderen Seite die selbstbeobachtete und vom Ereignis faszinierte oder schockierte Mitteilung eines neugierigen Zeitgenossen,8 sind die zwei Extrempole zwischen denen die Darstellung der Naturereignisse schwankt. Als dritter Pol ist die bewusste Instrumentalisierung von Naturereignissen zu nennen. Sie werden als Vorzeichen eines Herrscherwechsels,9 eines kriegerischen Einfalls von Fremden instrumentalisiert,10 zeigen den Verlust von Frieden oder gar das Weltenende an. Besonders in Bezug auf Endzeiterwartungen wird in den Annalen und Chroniken versucht, durch eine gehäufte Darstellung von Naturereignissen, die mit ihrem katastrophalen Charakter auf die menschliche Gesellschaft einwirken, die apokalyptische Naherwartung der Menschen zu erfüllen. Eine solche verbreitete Befürchtung des Weltendes ist von Mischa Meier anhand der Quellen für das Jahr 500 herausgearbeitet worden.11 Sie lässt sich aber auch, je nach benutztem Kalender, für die Jahre 532 oder

|| 4 Thietmar von Merseburg, Chronik, 4, 15. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. NS 9, 148; FSGA 9, 130 f.: Nunc autem de fine imperatricis predictae locturus, quae hunc precesserit signa, narrabo. 5 Fichtenau, Lebensordnungen (1984), 418. 6 Händel, Prodigium (1959), 2283–2296. 7 Vgl. Meier, Wahrnehmung (2003), 47. 8 Als ein Beispiel sei Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 17. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 384; FSGA 3, 184 f. genannt, wo zu 585 vermerkt wird: Tertia vero nocte quasi hora secunda apparuerunt hii radii. Et ecce! dum eos miraremur attoniti, surrexerunt a quatuor plagis mundi alii horum similes. (…) Quod signum magnum nobis ingessit metum. Operiebamur enim, super nos aliquam plagam de caelo transmitti. 9 Vgl. dazu das Kap. 5.1.3: Topoi: Vorzeichen von Herrscherwechsel. 10 Vgl. beispielsweise ein Komet als Vorbote der moslemischen Eroberung bei Theophilus of Edessa’s Chronicle. Ed. Hoyland, 94 [Theophanes]: An earthquake occurred in Palestine and there appeared a sign in the heavens, called a comet, in the direction of the south foreboding the Arab conquest. It remained for thity days, moving from south to north and was sword-shaped. 11 Vgl. Meier, Wahrnehmung (2003), 48.

714 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

800 angeben.12 Die nächste große Phase der Endzeiterwartungen ist für den Wechsel des ersten zum zweiten Jahrtausend zu beobachten, gefolgt von einer weiteren während des zweiten Wechsels des 532-jährigen großen Osterzyklus im Jahre 1064. Während jedoch „die Naturkatastrophen nahezu ununterbrochen fortdauerten, blieb das Ende der Welt aus.“13 Andererseits hatten die zeitgenössischen Autoren das Problem, dass – auch wenn ihre Deutungsmuster beim Ausbleiben des Weltenendes zusammenbrachen – sie die tatsächlich stattgefundenen Naturereignisse, die nicht mit der nahen Parusie zusammenhingen, trotzdem irgendwie erklären mussten.14 Dies könnte für die verstärkte Schilderung von Naturereignissen aufgrund eigener Beobachtung, teilweise mit dem Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit angesichts der Unerklärlichkeit des beobachteten Phänomens, insbesondere bei den Chronisten des 6. bis 9. Jahrhunderts verantwortlich sein. Um in Zeiten, in denen ein chronologisch berechnetes nahes Weltenende nicht zu erwarten war, die erlebten Naturereignisse erklären zu können, blieb den Autoren oft nur der Rückgriff auf das antike Vorbild, welches die Naturkatastrophe als Zeichen eines nahen Herrschertodes deutete. Umgekehrt mussten von diesen Autoren aber auch beim Ableben eines großen Herrschers genügend Naturereignisse genannt werden, um der Verbindung von Herrschertod und natürlichem Vorzeichen gerecht zu werden. Gleiches gilt für den unvorhergesehenen Einfall fremder Völker oder einen allgemeinen Verlust des Friedens, deren astronomische Vorboten man in der zeitgenössischen Wahrnehmung nur richtig hätte deuten müssen. Gerade bei den beiden letztgenannten Fällen wird der Zorn Gottes häufig als Reaktion auf menschliches Fehlverhalten dargestellt. So bleibt der zeitgenössische Autor im Kreislauf seines enttäuschten eschatologischen Erwartungshorizontes zwischen kleinem Ende (Herrscherwechsel) oder großem Ende (Weltenende) und den unerwarteten tatsächlichen Ereignissen seiner Zeit, die er darstellen musste oder deren Darstellung er bewusst vermied. Dies deutet in die gleiche Richtung, wie das folgende Zitat: „Die vor- und frühscholastische Bildung, die ganz auf die freien Künste angewiesen war, entpuppt sich mehr und mehr als ein Mittel apokalyptischer Aufklärung.“15 Die Bildung musste vermitteln, wie der Willen Gottes zu erkennen und zu interpretieren war. Und mehr noch, wie nahe die Apokalypse dem eigenen Zeithorizont war.

|| 12 Von den Brincken, Historische Chronologie (2000), 73 f. 13 Meier, Wahrnehmung (2003), 53. 14 Vgl. Meier, Wahrnehmung (2003), 56. 15 Fried, Aufstieg (2012), 58.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 715

5.1.1 Topos: Endzeiterwartungen Die Zeitgenossen hatten im Mittelalter und in der Neuzeit mit zwei Extremen auszukommen, einerseits mit ihrer Endzeiterwartung, die durch die Offenbarung des Johannes (20,2–7) ihre geistige Nahrung erhielt, aber immer nie erfüllt wurde.16 Andererseits ereigneten sich Zeichen und Extremereignisse, die unerwartet kamen und sich nur schwer rückblickend mit der apokalyptischen Chronologie in Übereinstimmung bringen ließen. Mehrere große runde Jahreszahlen nämlich das Jahr 500,17 das Jahr 800 bzw. das Jahr 6000 anno mundi (nach der Zählung des Hieronymus, kurz vor 800) und noch viel mehr das Jahr 1000 standen im Verdacht die Zeitpunkte der erwarteten Endzeit zu sein. So ist für Papst Gregor den Großen formuliert worden, er sei stets vom Gedanken geprägt gewesen, in der Spätphase der Welt zu leben, unter beständiger Erwartung der nahenden Apokalypse. Dies habe bei Gregor zu dem Wunsch geführt, den Schwachen Anleitung zu einem gottgefälligen Leben zu bieten.18 Derartige Wünsche können natürlich vielen Autoren unterstellt werden, die sich und ihre Umwelt in der Annahme einer vermeintlichen Apokalypse wähnten. Ein gutes Beispiel dafür bietet das Jahr 1000: Um die Mitte des 10. Jahrhunderts wollten Bischöfe aus Westeuropa von byzantinischen Gelehrten wissen, wie die Frist der 1000 Jahre zu deuten sei und ob bis zu ihrer Erfüllung nur noch 50 Jahre ausstünden.19 Es ist in diesem Zusammenhang auf zwei englische Handschriften hingewiesen worden, die in die verheißungsvolle Warnung mündeten: A nativitate Domini usque ad adventum Anticristi anni DCCCCXCIX.20 Der Übergang zum Jahr 1000 entsprach dieser berechneten Ankunft des Antichristen, weshalb die Chronisten versuchten, die erwarteten Zeichen in ihrer Zeit zu entdecken. Zwar wurden im Jahr 1000 verschiedene Naturerscheinungen, darunter Erdbeben und Kometen beobachtet,21 die als Zeichen, für den für dieses Jahr vorhergesagten Weltuntergang gedeutet werden konnten, von denen es angeblich viele gab,22 aber es waren nicht die erwarteten Zeichen. Deshalb versuchten die Annalisten die wenigen beobachteten Ereignisse literarisch etwas aufzubauschen,

|| 16 Vgl. den ausführlichen Sammelband: Wieser/Zolles/Feik/Zolles/Schlöndorff, Abendländische Apokalyptik (2013). 17 Meier, Wahrnehmung (2003), 45–78. 18 Eich, Gregor der Große (2016), 79. 19 Fried, Aufstieg (2012), 61f. 20 Ausführlich dazu mit Hinweisen auf die Literatur: Fried, Aufstieg (2012), 64–67. 21 Vgl. RI II,3, Nr. 1395a. 22 Annales Remenses et Colonienses, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 16, 731: Hoc anno prodigia multa visa fuerunt.

716 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

etwa in der Art: „Der Komet erschien und viele andere Wunderzeichen waren in diesem Jahr sichtbar.“23 Die Apokalypse blieb jedoch aus, was in den Annales Hildesheimenses Mitte des 11. Jahrhunderts auf den Punkt gebracht wurde: Millesimus exsuperat et transcendit omnia annus.24 Die Endzeiterwartung im Umfeld des Jahres 1000,25 die sich aufgrund burgundischer Chronisten wie Rudolf Glaber oder Ademar von Chabannes nur als eine regionale Besonderheit darstellen, soll hier nicht weiter vertieft werden, da dies bereits in einschlägigen Studien erfolgt ist.26 Dass in den jeweiligen Jahren die Welt doch nicht unterging, verlangte nach Erklärungen. Für die versierteren Gelehrten war klar, dass die Chronologie komplizierter war. Sie glaubten, dass, erst wenn der Mond- und der Sonnenkalender wieder synchron die selbe Position wie zu bestimmten Daten (vor allem zur Kreuzigung Christi) zeigten, dass die Apokalypse nahe kommen müsste. Der Zyklus der 19 Sonnenjahre wurde mit den 28 Mondjahren multipliziert, was eine Zeitspanne von 532 Jahren ergab, bei der die Position der Himmelskörper wieder vergleichbar war mit jener beim Ableben von Jesus Christus. Zu den Vielfachen des Jahres 532 wäre dann die Endzeit zu erwarten, wie Sigebert von Gembloux zum Jahr 1063/1064 vermutete.27 Das Jahr 1064 definierte auch Johannes Zonaras nahe an den apokalyptischen Prophezeiungen, wie aus seinem Eintrag zu diesem Jahr hervorgeht: „Nach dem Einfall der Skythen mit 60.000 Waffenfähigen zögerte der Kaiser Konstantinos Dukas sehr lange: Da aber wurde ihm der Untergang dieses Volkes gemeldet. Denn als es von einer Seuche befallen und dadurch sehr übel zugerichtet wurde, überfielen die Patzinaken und die angrenzenden Bulgaren das kranke Volk und vernichteten es völlig, wobei kaum die Anführer mit wenigen den Istros zu überqueren vermochten. Das Ganze aber war eine Strategie der Macht Gottes; denn als der Kaiser in jeder Hinsicht verzweifelte, nahm er seine Zuflucht zur Gottheit, bat sie unter Tränen und mit zerknirschtem Herzen und rief sie

|| 23 Annales Parchenses, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 16, 601: Terrae motus factus est permaximus. Cometa apparuit, et multa alia prodigia eodem anno visa sunt; Annales Floreffienses, ad a. 1000. Ed. Bethmann, MGH SS 16, 622: Terrae motus factus est permaximus; Lamberti parvi Annales, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 16, 645: Terre motus factus est permaximus. Annales Laubienses/Annales Leodienses, ad a. 1000. Ed. Pertz, MGH SS 4, 18: Terrae motus factus est permaximus. 24 Annales Hildesheimenses, ad a. 1000. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 27 f.: Millesimus annus supercrescens statute computacionis numerum, secundum illud quod legitur scriptum: ‘Millesimus exsuperat et transcendit omnia annus.’ 25 Erdoes, A.D. 1000 (1988). 26 Freund, Jahr 1000 (1997), 24–49. 27 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1063. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 361: Hoc anno finitur magnus cicius annorum 532, continens ciclos decennovennales 28, qui ad omnem rationem paschalis compoti omnino utilis, ab evo in evum in semet ipsum sine errore revolvitur. Sed hoc in eo reprehensibile esse videtur, quod annis dominicae incarnationis ei inconsiderate prescriptis, discordat á veritate euangelii in anno dominicae passionis, preferens 14. lunam Aprilis eo anno in prima feria fuisse; quod omnino falsum est, quia secundum fidem euangelii eo anno luna 14. Aprilis fuit in 5. feria, et in 6. feria luna 15. Dominus passus est.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 717

um Hilfe an. Das geschah nun im sechsten Jahr der Herrschaft dieses Kaisers. Davor aber ereignete sich am 23. September ein großes Erdbeben, durch das vielerorts Kirchen und Häuser einstürzten.28 Damals fiel auch das griechische [= heidnische] Heiligtum bei Kyzikos zusammen, ein sehr schönes und wunderbares Werk; außerdem stürzte die sehr große und berühmte Kirche der heiligen Väter in Nikaia ein. Im Monat Mai der vierten Indiktion war ein Komet zu sehen, der der untergehenden Sonne folgte. Zunächst war seine Größe wie die des Vollmondes, darauf ließ er gleichsam Haare sprießen und wurde kleiner, und so sehr sich der Schweif vermehrte, verringerte sich seine Größe. Er richtete seine Strahlen nach Osten und war vierzig Tage lang zu sehen.“29 Die bedrohliche Aneinanderreihung einer Seuche, der Vernichtung durch Fremde, eines Erdbebens und eines Kometen schien Schlimmes anzukündigen. Aber die Apokalypse blieb aus. Für das Jahr 1073 überlegte Sigebert von Gembloux deshalb den nächsten großen Zyklusbezug zum Leben Jesu30 und ganz ähnlich ist ein erneuter Versuch zum Jahr 1076 einzuordnen.31

5.1.2 Topos: Strafende Gottheit Die Theologie des „rächenden Gottes“ versuchte, Naturereignisse als Strafe für die Sünden der Menschen zu erklären.32 Die Bezugspunkte der beabsichtigten didaktischen Wirkungen sind die Untergangsbilder der Apokalypse und die zahlreichen TatErgehens-Zusammenhänge des Alten und Neuen Testaments. Insgesamt wird die „Vergeltungstheologie“ der „Magie“ gegenübergestellt und hat letztere wohl verdrängt. So begegnet Bischof Agobard im 9. Jahrhundert den haereticorum mendacia

|| 28 Zu diesem Erdbeben, das am 23. September 1063 Thrakien, Kyzikos und Nikaia erschütterte, vgl. Byzantinische Kleinchroniken. Ed. Schreiner, Bd. 2, 152 f. Das Tagesdatum ist bei Skylites Cont. 116, 12 doch angegeben; außerdem fehlt der Hinweis auf Zonaras, aus dem die chronikalische Notiz fast wörtlich übernommen wurde. 29 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte, 678–680, in: , Militärs und Höflinge. Ed. Trapp, 129 f. 30 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1073. Ed. Behtmann, MGH SS 6, 362: In hoc anno duobus magnis annis à 15. anno Tyberii cesaris revolutis, omnia secundum cursum solis et lunae concordant illi anno, quo baptizatus est Iesus Christus; id est 8. Idus Ianuar. die dominico epiphaniae, initium ieiunii eius in secunda feria, temptatio eius 15. Kal. Mart. in 6. feria. 31 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 1076. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 362: Hoc anno, qui est 13. annus primi decenno vennalis cicli in repetito magno anno Dionisii, duobus magnis annis a passione Domini revolutis, omnia quae ad cursum solis et lunae spectant, anno dominicae passionis concordant. Unde apparet, quod Dionisius non recte annos Domini ciclo suo annexuit. Quia enim ab anno Domini 532. ciclum suum orditus est, nimirum intendit, Christum fuisse natum anno secundo prioris magni anni; ac per hoc hic annus anno dominicae passionis concordans, debuisset esse magni cicli annus non 13. sed 33. quia is fuit annus passionis Domini. Et per hanc consequentiam solaris et lunaris cursus, concordantem euangelicae veritati, Dionisius posuit nativitatem Christi viginti uno annis tardius quam debuit. 32 Vgl. mit weiterer Literatur: Wegmann, Naturwahrnehmung (2005), 138.

718 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

mit einem umfangreichen Katalog alttestamentarischer Zeugnisse über Regen, Heuschreckenplagen, Schnee und anderen Witterungsphänomenen als Manifestationen Gottes.33 Überdeutlich wird diese Instrumentalisierung des Willens Gottes im Eintrag im Liber Pontificalis zum Jahr 518.34 Dass Kaiser Anastasios I. (~430–518) in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 518 während einer Gewitternacht starb, wurde, aus seiner Sicht, als Strafe Gottes gedeutet. Ähnliches beschreibt mit großer Genugtuung Theophanes der Bekenner im Jahr 718, als aus seiner Sicht Gott einen heidnischen Frevel an christlichen Kirchen unmittelbar gerächt zu haben scheint: „Die Agarener [Araber] segelten also am 15. August mit Schmach und Schande ab. Denn als ihre Flotte ausfuhr, brach ein gewaltiger Sturm über sie herein, den Gott auf die Fürbitten der Gottesmutter gesandt hatte, und zerstreute sie. Einen Teil versenkte er bei Prokonesos und den umliegenden Inseln, andere bei den Apostrophen und den übrigen Vorgebirgen. Als der Rest sich gesammelt hatte und das Ägäische Meer durchfuhr, brach plötzlich über sie erneut ein schreckliches Gericht Gottes herein. Es fiel nämlich Feuerhagel auf sie herab und bewirkte, dass das Meerwasser zu brodeln begann und das Pech, mit dem die Schiffe gedichtet waren, erweichte, sodass alle Schiffe samt der Bemannung in die Tiefe versanken. Nur zehn Schiffe wurden durch die Vorsehung Gottes gerettet, damit uns und den Arabern die Großtaten Gottes, die er an ihnen vollzogen hatte, kund würden. Fünf von ihnen konnten von den Unseren aufgebracht und erbeutet werden, die übrigen fünf Schiffe retteten sich nach Syrien, um die Macht Gottes zu verkünden.“35 Ganz nebenbei beschreibt Theophanes hier offenbar die Elemente einer untermeerischen Vulkanexplosion. Der Wille Gottes manifestiert sich nach den Annales Bertiniani auch im Jahr 847, als die Sarazenen mit ihren Schiffen, die sie mit der Masse der aus der Kirche des seligen Apostels Petrus geraubten Schätze beladen hatten, den Rückweg antraten. „Plötzlich erhob sich, als sie auf der Fahrt Gott und unseren Herren Jesus Christus sowie seine Apostel mit verpestetem Mund lästerten, ein unausweichlicher Wirbelwind, sodass die Schiffe aneinanderprallten und alle untergingen. Einiges von den Schätzen wurde in den Taschen der Toten, die das Meer ans Land warf, gefunden und zum Grab des heiligen Apostels Petrus zurückgebracht.“36 Diese Schilderung zeigt

|| 33 Vgl. Wegmann, Naturwahrnehmung (2005), 139. 34 Liber Pontificalis, 54. Hormisdas (514–523), 4. Ed. Duchesne, Bd. 1, 270; Book of pontiffs. Ed. Davis, 49: Furore repletus Anastasius contra papa Hormisda inter alia sacra sua hoc scripsit dicens: ‘Nops iubere volumos, non nobis iuberi.’ 35 Theophanes der Bekenner, ad a. 718, in: Bilderstreit. Ed.Breyer, 31. 36 Annales Bertiniani, ad a. 847. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 35; FSGA 6, 70 f.: Saraceni, oneratis thesaurorum multitudine, quas ex basilica beati Petri apostoli asportarant, navibus, redire conati, cum inter navigandum Deo et domino nostro Iesu Christo eiusque apostolis ore pestifero derogarent, orto repente inevitabili turbine, conlisis in sese navibus, omnes pereunt; quaedam thesaurorum in sinibus defunctorum, quos mare litoribus reiecerat, inventa, ad beati Petri apostoli memoriam revehuntur.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 719

starke motivische Parallelen zu einer Stelle in der Frankengeschichte des Gregor von Tours zum Jahr 590. Dort heißt es: „Waroch habe sich auf seinen Schiffen, die er schon mit Gold und Silber und all seiner Habe beladen hatte, auf die Inseln flüchten wollen; als er aber auf das hohe Meer gekommen sei, habe sich ein Sturm erhoben, die Schiffe seien gesunken und er habe die Schätze verloren, die er eingeschifft hatte; er kam zu Ebrachar und bat um Frieden, gab ihm Geiseln und viele Geschenke und gelobte, dass er fortan niemals etwas zum Nachteile König Gunthramns unternehmen werde.“37 In diesem Zusammenhang ist noch eine Schilderung zum Jahr 838 zu nennen, als der Prudentius als Verfasser der Annales Bertiniani die Verwüstung Marseilles durch die Sarazenen, die ebenfalls Kirchen beraubt und Kleriker, vor allem Nonnen, verschleppten, erwähnt und bedauert, dass ein direktes göttliches Eingreifen ausblieb.38 Bei diesem Ereignis blieb also die Strafe Gottes aus, wie auch bei der Versenkung dänischer Seeräuber durch einen Sturm im selben Jahr kein Eingreifen Gottes dargestellt wurde.39 Zwar versucht Schwarz eine Änderung der Darstellungsweise durch den Verfasser der Annales Bertiniani zu rekonstruieren, aber dies ist hier gar nicht notwendig. Die andersgeartete Darstellung könnte stattdessen darin begründet liegen, dass bei beiden Ereignissen des Jahres 838 eben keine Schätze oder Personen an den Ausgangsort zurückkehrten. Gerade das Ereignis, dass 847 die geraubten Schätze in den Taschen der Räuber mitangeschwemmt und tatsächlich wieder zurückgeführt wurden, muss dem Annalisten als Wunder erschienen sein. Bei Hinkmar von Reims heißt es zum Oktober 865, dass Wikinger auf einem Beutezug das Kloster St. Denis überfielen und dessen reiche Schätze geplündert hatten. Diese Untaten blieben aber – nach der Darstellung des Annalisten – nicht ohne Folgen. Denn bald darauf wurden die Plünderer von zahlreichen Krankheiten gequält: So verloren die einen den Verstand, manche wurden von Aussatz befallen, andere aber starben, weil ihnen mit dem Stuhlgang nach und nach alle Eingeweide abgingen – „das symbolische Ende eines Ketzers“.40 Die Schreckensvisionen, die mit einem solchen Tod verbunden waren, führte der Chronist deutlich vor Augen: „Unterwegs

|| 37 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 9. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 492; FSGA 3, 344 f.: Ferebant etiam quidam eo tempore, quod Warocus in insulis fugire cupiens cum navibus oneratis auro argentoque vel reliquis rebus eius, cum alta maris coepissent, commoto vento, dimersis navibus, res quas inposuerat perdidissent; tamen ad Ebra charium veniens, pacem petiit obsedesque cum multis muneribus tradidit, promittens se numquam contra utilitatem Gunthchramni regis esse venturum. 38 Vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 26 f.; Annales Bertiniani, ad a. 838. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 15; FSGA 6, 36 f.: Interim Saracenorum pyraticae classes Massiliam Provinciae irruentes, abductis sanctimonialibus, quarum illic non modica congregatio degebat, omnibus et cunctis masculini sexus clericis et laicis, vastataque urbe, thesauros quoque aecvlesiarum Christi secum universaliter asportarunt. 39 Annales Bertiniani, ad a. 838. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 15; FSGA 6, 36 f.: Inter quae Danorum pyratae patria egressi, ortoquesubito maritimorum fluctuum turbine, vix paucissimis evadentibus, submersi sunt. 40 Jankrift, Epidemien im Hochmittelalter (2003), 136.

720 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

wurde gemeldet, dass die Normannen am 20. Oktober in St. Denis eingedrungen waren; hier blieben sie etwa 20 Tage, brachten Tag für Tag ihre Beute daraus zu ihren Schiffen und kehrten nach vielem Plündern von niemandem gestört zu ihren Standquartieren unweit des Klosters zurück.“41 Zwei Gewissheiten der zeitgenössischen Autoren werden hier deutlich: Zum einen, um zu strafen, nutzt Gott die Natur unmittelbar auch an einem so unspektakulären Datum wie 865 und zum anderen schien die Apokalypse nahe. Beides führte zur Ausbildung von Topoi und zur Instrumentalisierung der Schilderung von Naturereignissen. Nach weit verbreitetem Glauben kommentierte und strafte Gott das sündhafte Handeln der Menschen. Mischa Meier betonte, dass unter dem wachsenden Einfluss des Christentums die Tendenz, Naturphänomene als Zeichen Gottes zu interpretieren noch einmal deutlich anstieg.42 Dies lag wohl nicht zuletzt an der Offenbarung des Johannes, in der ausdrücklich Naturereignisse als Vorboten des Weltenendes genannt wurden. Die Abfolge dieser Vorzeichen ist in der Reihenfolge der Posaunen festgelegt und bildet einen festen Kanon. Wurden mehrere Naturextreme von den Zeitgenossen wahrgenommen, versuchten die christlich geprägten Annalisten und Chronisten diese Beobachtungen mit der Reihenfolge der Nachrichten beim Evangelisten Johannes abzugleichen. Die beobachteten Extremereignisse fügten sich jedoch oft nicht so einfach in das Schema der Offenbarung und auch der erwartete Weltuntergang blieb aus.

5.1.3 Topos: Vorzeichen von Herrscherwechsel Die literarische Verbindung des Todes eines Herrschers mit Wunderzeichen (prodigia) lässt sich seit Sueton beobachten, denn dieser berichtet von Vorzeichen des Todes für die römischen Kaiser Augustus, Caligula und Claudius. Als Beispiel sei hier seine Darstellung zum Tod des Claudius erwähnt: „Vorzeichen seines Todes waren besonders folgende: Ein Haarstern, ein sogenannter Komet, zeigte sich, ferner schlug der Blitz in das Grabmal seines Vaters Drusus, und endlich waren in dem gleichen Jahre sehr viel hohe Beamte aus allen Rangklassen gestorben.“43 Und zum Tod Neros schrieb er: „Das Geschlecht der Nachkommen Cäsars starb mit Nero aus. Zahlreiche

|| 41 Annales Bertiniani, ad a. 865. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 79 f.; FSGA 6, 152 f.: Cui nunciatur in via, quia Nortmanni tertia decima Kalend. Novembris monasterium Sancti Dyonisii intraverunt; ubi viginti circiter diebus immorantes et cotidie praedam exinde ad suas naves ducentes, post multam depraedationem sine contradictione cuiusquam ad castra sua non longe ab eodem monasterio sunt reversi. (…) Normanni, qui praefatum monasterium depredati sunt, vario modo infirmantur, et quidam in rabiem versi, quidam autem scabie correpti, quidam intestina cum aqualiculo per annum emittentes, moriuntur. 42 Vgl. Meier, Wahrnehmung (2003), 47. 43 Suet. Claud. c. 46.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 721

Vorzeichen hatten dieses Ereignis richtig prophezeit.“44 Diese Deutung von Vorzeichen als Verkünder von Herrscherwechseln setzte sich während der gesamten Untersuchungszeit fort, wenn sie auch nicht immer in allen Regionen auszumachen ist. Bereits Gregor von Tours schrieb hierzu in seinem Eintrag zum Jahr 587: „Noch viele andere Zeichen traten ein, die den Tod eines Königs oder die Zerstörung eines Gebietes zu verkünden pflegen.“45 Auch Nithard beendete seine Historia mit einem Abschnitt darüber, dass ein guter König Überfluss und Wohlstand garantiere, da er selbst von den Elementen unterstützt würde, wenn er aber schlecht regiere, die Welt von Naturkatastrophen, wie Erdbeben, Seuchen oder Hungersnöten heimgesucht werde.46 Bei Nithard heißt es weiter: „Hieraus aber möge jeder ersehen, wie töricht es ist, des Reiches Wohl zu vernachlässigen und nur der Befriedigung aller besonderen und selbstischen Gelüste zu dienen, da beides den allmächtigen Schöpfer so erzürnt, dass er sogar alle Elemente gegen diesen Wahnwitz wendet, (…). Denn zu Zeiten Karls des Großen (…) herrschte überall Friede und Eintracht (…) und allerorts Überfluss und Freude, jetzt aber ist nur Mangel und Trauer. Und die Elemente selbst, die damals für alle Dinge nützlich waren, zeigen sich jetzt überall feindlich und schädlich (…). Um dieselbe Zeit erfolgte am 20. März eine Mondfinsternis; es fiel auch starker Schnee in dieser Nacht, und erfüllte alle, wie oben bemerkt worden, mit Trauer nach Gottes gerechtem Gericht.“47 Die oben diskutierten Einzelereignisse der unterschiedlichen Vorzeichen werden hier tabellarisch zusammengestellt, um einen Überblick über die zeitgenössische Verbindung von beobachtetem Vorzeichen und intentionaler Deutung zu gewinnen.

|| 44 Suet. Galba c. 1. 45 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 5. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 426; FSGA 3, 232 f.: Prodigia quoque multa dehinc apparuerunt. (…) Et multa alia signa apparuerunt, quae aut regis obitum adnunciare solent aut regiones excidium. Vindimia eo anno tenuis, aquae validae, pluviae inmensae, flumina quoque granditer adaucta fuerunt. Vgl. Rohr, Naturerscheinungen (2003), 65. 46 Vgl. Jedwillat, Studien (1993), 140. 47 Nithard, Historiarum libri, 4, 7. Ed. Müller, MGH SS rer. Germ. 44, 49 f.; FSGA 5, 460 f.: Hic quique colligat, qua dementia utilitatem publicam neglegat, privatis ac propriis voluntatibus insaniat, dum ex utrisque creatorem adeo offendat, ut etiam omnia elementa eius vesaniae contraria reddat. Quodque huiuscemodi exemplis pene adhuc omnibus notis praefacile probaturus accedam. Nam temporibus bone recordationis Magni Karoli, qui evoluto iam pene anno XXX. decessit, quoniam hic populus unam eandem que rectam ac per hoc viam Domini publicam incedebat, pax illis atque concordia ubique erat, at nunc econtra, quoniam quique semitam quam cupit incedit, ubique disensiones et rixae sunt manifestae. Tunc ubique habundantia atque leticia, nunc ubique poenuria atque mesticia. Ipsa elementa tunc cuique rei congrua, nunc autem omnibus ubique contraria, uti scriptura divino munere prolata testatur: Et pugnabit orbis terrarum contra insensatos. Per idem tempus eclypsis lunae XIII. Kal. Aprilis contigit. Nix insuper multa eadem nocte cecidit meroremque omnibus, uti praefatum est, iusto Dei iuditio incussit. Id propterea inquam, quia hinc inde ubique rapinae et omnigena mala sese inserebant, illinc aeris intemperies spem omnium bonorum eripiebat.

722 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

Tab. 68: Vorzeichen von Geburt oder Tod bedeutender Persönlichkeiten

Datum in Gedeutetes Quelle Ereignis

tatsächlitatsächliches Ereignis sches Datum

Quelle Liber Pontificalis

518

Blitzschlag

9./10.07.518

† byz. Ks. Anastasius I.

555

22-Halo (NM)

555

† Kg. Theudebald

Fredegar, Gregor von Tours

570

Meteorstrom

570/573

* islam. Proph. Mohammed

[arab. Quellen]

575

Komet?

11./12.575

† Kg. Sigibert I.

Gregor von Tours

585

feurige Säule, Stern

585

† Kg. Gundowald

Gregor von Tours

595

Komet

595

† Ebf. Johannes II. v.Ravenna Paulus Diaconus, Fredegar

01.12.660 Komet

01.12.660

† Bf. Eligius v. Noyon

729

729

† Bf. Ecgberht v. Lindisfarne Chronicle of Aethelward

24.01.734 Mondfinsternis

30.07.734

† Ebf. Tatwine v. Canterbury Irische Chronik (AU, AT)

24.01.734 Mondfinsternis

26.05.735

† Beda Venerabilis

01.04.740 Sonnenfinsternis

15.–22.10.741 † Karl Martell

Fredegar

749/750

749/750

byz. Kleinchronik

Komet

Meteorstrom

* byz. Ks. Leo IV.

Vita Eligii epi. Noviomagensis

Simeon Durham, Cont. Bedae

762

Komet

762

† Sohn der Fatima

Theophanes der Bekenner

12.786

Polarlichter

16.10.786

† Ebf. Lullus v. Mainz

Lorscher Annalen

28.03.796 Mondfinsternis

18.04.796

† Kg. Ethelred

Simeon von Durham

814

Meteorit

28.01.814

† Karl der Große

Einhard

814

2 Sonnenfinsternisse 28.01.814

† Karl der Große

Einhard

05.02.817 Mondfinsternis

24.01.817

† Papst Stephan IV.

Astronomus, Ann. Sithienses

05.02.817 Komet

24.01.817

† Papst Stephan IV.

Astronomus

07.07.818 Sonnenfinsternis

03.10.818

† Kgn. Hirmingard

Astronomus

837

Komet 1P/Halley

01.01.839 Komet

837

Herrschertod bleibt aus

Astronomus

13.12.838

† Kg. Pippin I.

Astronomus

05.05.840 Sonnenfinsternis

20.06.840

† Ks. Ludwig der Fromme

Astron., Ann. Xant., Fuldenses

04.840

20.06.840

† Ks. Ludwig der Fromme

Petri historia Francorum

17.10.855 Meteorstrom

29.09.855

† Ks. Lothar I.

Ann. Bertiniani, Fuldenes

09.10.867 Erdbeben

13.11.867

† Papst Nikolaus I.

Ann. Weingartenses

11.01.875 Sonnenfinsternis

06.10.877

† Kg. Karl der Kahle

Chron. Florentii Salmurensis

18.01.882 Komet

20.01.882

† Kg. Ludwig III. der Jüngere Ann. Fuldenses

905

Komet

17./18.05.905 * byz. Ks. Konstantin VII.

907

Komet

20./24.09.911 † Kg. Ludwig IV. das Kind

Heirici S. Germani Ann.

934

Verdunkelung

07.07.936

† Kg. Heinrich I.

Widukind von Korvei

945

Komet

Komet

[zahlreiche > 3]

945

† Bf. Teotolo von Tours

Flodoard von Reims

01.09.956 Mondfinsternis

16.06.956

† Hz. Hugo der Große

Ann. Floriacenses

975

Komet

08.07.975

† Kg. Edgar

[zahlreiche > 6]

975

Komet

10.01.976

† byz. Ks. Joh. Tzimiskes

Leon Diakonos Thietmar von Merseburg

21.10.990 Sonnenfinsternis

15.06.991

† Ksn. Theophanu

995

Komet

28.10.994

† Ebf. Sigerich v. Canterbury Anglo-Saxon Chronicles

1027

Blutregen

1027

Reflexionen Hz. Roberts I.

Fulbert von Chartres

04.06.1039

† Ks. Konrads II.

Sigebert von Gembloux

† byz. Ks. Konstantin Dukas Romoaldi Annales

14.05.1039 Sonnenfinsternis 04.1066

Komet

23.05.1067

1066

Komet

21./30.12.1069 † Hz. Gottfried III.

Chron. monasterii Casinensis

Neben den Verfassern der Quellen hatten die betroffenen Herrscher Interesse daran, sich um die Deutung der Vorzeichen, die während ihrer Herrscherzeit offensichtlich

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 723

zutage traten, zu kümmern. In vier Fällen sind Nachrichten solcher Reflexionen erhalten geblieben, die ganz unterschiedliche Herrscher und Ereignisse betreffen: 1) Die Reaktionen Karls des Großen auf verschiedene Zeichen vor seinem Tod im Jahr 814, 2) die Reflexionen Kaiser Ludwigs des Frommen auf das Erscheinen des Kometen Halley im Jahr 837, 3) die Reflexionen des byzantinischen Kaisers Johannes I. Tzimiskes über das Erscheinen eines Kometen im Jahr 975 und 4) die Reflexionen des normannischen Herzogs Robert I. über einen Blutregen im Jahr 1027. Zu 1: Am prägnantesten ist die Beschreibung Einhards über die Reaktionen von Karl dem Großen: „Zahlreiche Zeichen hatten seinen herannahenden Tod angezeigt, sodass er selbst und andere Leute es empfunden hatten. (…) Karl aber hielt nichts von diesen Vorzeichen; jedenfalls tat er so, als ob sie ihn nichts angingen.“48 Einhard versammelt in diesem Kapitel scheinbar nüchtern und zuverlässig eine ganze Reihe von Vorzeichen, die der Herrscher nach seiner Vorstellung hätte richtiger deuten und erkennen sollen. Dies ist aber ein literarisches Vorgehen, denn diese Ereignisse zogen sich über eine längere Zeit hin, als es der Leser von Einhard erfährt: So gab es, nach Einhards Darstellung, in den letzten drei Lebensjahren Karls – von 811 bis 814 – sehr viele Sonnen- und Mondfinsternisse und sieben Tage lang sah man einen schwarzen Fleck auf der Sonne.49 Die Annales regni Francorum nennen dagegen folgende Eklipsen: 806 und 807 drei Mondfinsternisse und eine Sonnenfinsternis, 809 eine Mondfinsternis, 810 je zwei Mond- und Sonnenfinsternisse und 812 eine Mondfinsternis. Aufgrund der berechneten Eklipsen lassen sich Mondfinsternisse am 1. September 806, am 20. Juni 810, am 14 Dezember 810 und am 23. Oktober 812 feststellen.50 Die Sonnenfinsternisse wurden entsprechend für den 11. Februar 807 und den 30. November 810 berechnet.51 Nach Einhards Schilderung soll man sieben Tage lang einen schwarzen Fleck auf der Sonne gesehen haben.52 Als astronomische Ursache für das beschriebene Phänomen scheiden sowohl der Transit der Venus als auch des Merkur aus, bei dem sich der jeweilige Planet so zwischen Erde und Sonne befindet, dass er sichtbar einen Schatten hinterlässt. Da Transitereignisse nur wenige Stunden, aber nie Tage dauern, ist eher an einen großen Sonnenfleck zu denken.53 Darüberhinaus

|| 48 Einhard, Vita Karoli Magni, 32. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, 36; FSGA 5, 204 f.: Adpropinquantis finis conplura fuere prodigia, ut non solum alii, sed etiam ipse hoc minitari sentiret. (…) Sed superiora omnia sic aut dissimulavit aut sprevit, acsi nihil horum ad res suas quodlibet modo pertineret. 49 Einhard, Vita Karoli Magni, 32. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, 36; FSGA 5, 204 f.: Per tres continuos vitaque termino proximos annos et solis et lunae creberrima defectio et in sole macula quaedam atri coloris septem dierum spatio visa. 50 Catalog Lunar Eclipses 801–900, http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEcat5/LE0801-0900.html (13.11.2011). 51 Catalog Solar Eclipses 801–900, http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEcat5/SE0801-0900.html (13.11.2011). 52 Einhard, Vita Karoli Magni, 32. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, 36; FSGA 5, 204 f.: (…) et in sole macula quaedam atri coloris septem dierum spatio visa. 53 Bicknell, Anaxagoras (1968), 87–90.

724 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

findet sich bei Einhard noch eine ausführliche Beschreibung eines Meteors: „Während seines letzten Feldzuges in Sachsen gegen den Dänenkönig Gottfried hatte Karl eines Tages gerade vor Sonnenaufgang das Lager verlassen und den Marsch angetreten, als er plötzlich einen mächtigen Feuerstrahl mit hellem Schein von rechts nach links über den klaren Himmel blitzen sah.“54 Der hier beschriebene Meteor wurde im Juni 813 anscheinend von vielen beobachtet, denn er ist auch in einem Brief Papst Leos III. an Karl den Großen vom 11. November 813 erwähnt.55 Zu 2: Wie im Kapitel (2.2) über die Kometen bereits erläutert, wurde während des Osterfestes des Jahres 837 der Komet 1P/Halley im Sternbild Jungfrau für 25 Tage beobachtet und Kaiser Ludwig der Fromme erkundigte sich nach der Bedeutung dieses Vorzeichens. In seiner Schilderung der Vorgänge führt der sogenannte Astronomus eine Stelle des Propheten an: „Ihr sollt euch nicht fürchten vor den Zeichen des Himmels, wie sich die Heiden fürchten.“56 Die weiteren Reaktionen des Herrschers verdeutlichen jedoch dessen Furcht, er versuchte sich durch den Konsum von Alkohol zu beruhigen, verbrachte die Nacht aber dennoch schlaflos. Der durch das Erscheinen des Kometen erwartete Tod des Herrschers blieb aus, stattdessen war „alles, was er in jener Zeit unternahm, rasch und mit gutem Erfolg von der Hand“.57 Als der Herrscher drei Jahre später, im Jahr 840 verstarb, brachten Astronomus58 und die Verfasser der Annales Xantenses59 und Fuldenses60 den Tod mit der Sonnenfinsternis in Verbindung und nicht etwa mit dem in jenem Jahr erschienenen Kometen.61

|| 54 Einhard, Vita Karoli Magni, 32. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, 36; FSGA 5, 204 f.: Ipse quoque, cum ultimam in Saxoniam expeditionem contra Godofridum regem Danorum ageret, quadam die, cum ante exortum solis castris egressus iter agere coepisset, vidit repente delapsam caelitus cum igenti lumine facem a dextra in sinistram per serenum aera transcurrere. 55 MGH Epp. 3, 98: Et hoc factum est in mense Iunio, quando illud signum igneum tamquam lampadam in caelo multi viderunt. Vgl. Dall’Olmo, Meteors (1978), 126. 56 Jer. 10,2. 57 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 58. Ed. Ernst Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 524 f. 58 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 62. Ed. Ernst Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 544 f. 59 Annales Xantenses, ad a. 840. Ed. Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 11; FSGA 6, 344 f.: Et tercia Maii, id est tercia die rogationum, hora nona eclipsis solis facta es, et stellae manifestae sunt visae in caelo velut noctis tempore. Et postea mense Iunio, XI. Kal. Iulii Ludowicus imperator obiit in insula quadam parva Hereni fluminis contra villam regiam que vocatur Ingulunheim, absentibus liberis coniugeque eius, et ad Sanctum Arnolfum conditus est. 60 Annales Fuldenses, ad a. 840. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 31; FSGA 7, 26 f.: In ipsa autem vigilia ascensionis Domini, hoc est in IIII. Id. Mai., eclipsis solis circa septimam et octavam horam diei facta est tam valida, ut etiam stellae propter obscuritatem solis visae sint rebusque color in terris mutaretur. Imperator vero illis diebus morbo correptus aegrotare coepit et per Moenum fluvium navigio ad Franconofurt, inde post dies paucos in insulam quandam Rheni fuminis prope Ingilenheim delatus morbo invalescente XII. Kal. Iul. diem ultimum clausit; corpusque eius Mettis civitatem perlatum in basilica sancti Arnulfi confessoris honorifice sepultum est. 61 Annales Fuldenses, ad a. 839. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 30; FSGA 7, 24 f.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 725

Zu 3: Den ausführlichsten Bericht einer Sichtung des Kometen im Jahr 975 überliefert Leon Diakonos. Er instrumentalisierte die Himmelserscheinungen, um seiner Kritik an Kaiser Johannes I. Tzimiskes und dessen Beratern noch eine transzendente Komponente hinzuzufügen. Nach seiner Beschreibung war der Komet ab Anfang August 975 80 Tage lang zu sehen. Leon lässt hier den Kaiser Leute befragen, die sich der Beobachtung von Himmelserscheinungen widmen. Diese hätten aber den Kometen gegen ihr Wissen und gemäß den Erwartungen des Kaisers gedeutet und ihm einen Sieg und langes Leben vorausgesagt. Den namentlich genannten Beratern verkündet Leon dann, der Komet habe in Wahrheit innere Aufstände, äußere Einfälle, Bürgerkrieg, Migrationen, Hunger, Pest, Erdbeben bis hin zum Untergang des Rhomäerreiches angezeigt.62 Für Leon war der Tod Johannes‘ I. Tzimiskes am 10. Januar 976 nach der Rückkehr von einem Feldzug sehr wohl durch den Kometen vorausgesagt worden.63 Die Furcht des Herrschers war, nach Leons Darstellung, also durch falsche Deutungen seiner Ratgeber irrtümlich besänftigt worden. Zu 4: Ebenfalls Furcht ergriff den Herzog Robert I. (1002/10–1035) von der Normandie im Jahre 1027 nach einem ihm unerklärlichen Blutregen. Er fragte bei, wiederum namentlich genannten, Gelehrten über die Bedeutung dieses Phänomens nach. Einer dieser weisen Männer sah ein allgemeines Unglück kommen, dass durch eine Bekehrung der Sünder abgewendet werden könnte. Ein anderer deutete den rotgefärbten Niederschlag als Vorzeichen für Krieg oder Bürgerkrieg.64 Im Juni 1027 erklärte schließlich Fulbert von Chartres Herzog Robert, was es bedeute, wenn es Blut regne.65

5.1.4 Topos: Ankündigung von Katastrophen Die zeitgenössischen Erwartungen an Vorzeichen betrafen aber nicht nur den Tod eines (um sich selbst besorgten) Herrschers. Nach einer Bemerkung Gregors von Tours zum Jahr 587 konnten viele der Zeichen auch zum Unheil für ein ganzes Gebiet führen.66 In diesem Zusammenhang kommt es in den mittelalterlichen Quellen zu dem interessanten Phänomen, dass Katastrophen zu Vorzeichen für andere Katastrophen stilisiert werden, die dann wiederum als Vorboten für weitere Naturextreme dienen

|| 62 Leon Diakonos, Historia, 168, in: Nikephoros Phokas. Ed. Loretto, 152 f. 63 Blum, Johannes Tzimiskes (1992), 415 f. 64 Fichtenau, Lebensordnungen (1984), 418 f. 65 Letters and Poems of Fulbert. Ed. Behrends, 224–227, Nr. 125. Vgl. Kap. 3.9.1. Beschreibungen von Blutregen. 66 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 5. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 426; FSGA 3, 232 f.: Prodigia quoque multa dehinc apparuerunt. (…) Et multa alia signa apparuerunt, quae aut regis obitum adnunciare solent aut regiones excidium. Vindimia eo anno tenuis, aquae validae, pluviae inmensae, flumina quoque granditer adaucta fuerunt. Vgl. Rohr, Naturerscheinungen (2003), 65.

726 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

können. Die Angaben in den Quellen schwanken dabei zwischen „es geschahen viele Vorzeichen“67 und Auflistungen extremer Naturereignisse, wie sie sich bei Sigebert von Gembloux zum Jahr 855 finden. Als typisches Beispiel für aus dem Früh- und Hochmittelalter überlieferte Gruppierungen von Naturextremen kann angeführt werden: „Erdbeben, ungewöhnliche Bewegungen der Luft, Stürme, Unwetter, Hagel, Blitze, viele Arten vieler Unglücke um Menschen zu töten.“ Sogar ein Mann, der vom Blitz getroffen wurde und dessen Kleidung intakt blieb, gehört nach Siegebert in diese Reihe.68 Der Ursprung solcher häufig verwendeter Katastrophen-Reihen, die in ihrem allegorischen Gebrauch einen sehr verbreiteten Topos bilden, findet sich im Alten Testament im Buch Jeremias: „Siehe, ich will drei schwere Plagen, Pestilenz, Schwert und Hunger unter sie schicken.“69 Diese kurze Reihung ist ihrerseits eine Zusammenfassung des 5. Buches Mose: „Der Herr wird dir die Pest anhängen, bis er dich vertilgt hat aus dem Lande, dahin du kommst, um es einzunehmen. Er wird dich schlagen mit Schwindsucht, mit Fieberhitze, Brand, Entzündung, Dürre, mit Getreidebrand und Vergilben; die werden dich verfolgen, bis du umgekommen bist. Dein Himmel über deinem Haupt wird ehern und die Erde unter dir eisern sein.“70 Hier geht es um zerstörerische Katastrophen, welche einzelne Gebiete, Landschaften oder Regionen treffen konnten. Diese können auch in Kombination mit dem Herrschertod, ohne diesen ausdrücklich vorherzusagen, auftreten. Widukind von Korvei etwa schob vor seiner Schilderung des Todes von König Heinrich I. im Jahr 936 ein, dass „sich auch vor König Heinrichs Tode viele Wunderzeichen gezeigt hatten, sodass der Glanz der Sonne im Freien bei heiterem Himmel fast nicht zu sehen war, ins Innere der Häuser aber durch die Fenster rot wie Blut hineindrang. Auch der Berg, auf dem der großmächtige Herr begraben ist, spie, wie das Gerücht ging, an vielen Orten Flammen aus. (…) folgte eine ungeheure Überschwemmung und der Überschwemmung eine Rinderseuche.“71

|| 67 Petri Bibliothecarii historia Francorum abbreviata, ad a. 824. Ed. Pertz, MGH SS 1, 417: (…) et multa prodigia fuerunt. 68 Sigebert von Gembloux, Chronica, ad a. 855. Ed. Bethmann, MGH SS 6, 340: Terraemotus, aeris insolita commotio, turbines, tempestates, grandines, fulmina, multa multis modis incommoda hominibus inferunt. Quidam etiam homo igne caelesti consumptus est, veste illesa manente. 69 Jer 29,17: Ecce mittam in eis gladium et famem et pestem. 70 5. Mose 28,21–23: Adiunget Dominus tibi pestilentiam, donec consumat te de terra, ad quam ingredieris possidendam. Percutiet te Dominus consumptione, febri et inflammatione, ardore et aestu, uredine ac aurugine, et persequentur te, donec pereas. Et erit caelum, quod est supra caput tuum, aeneum, et terra, quam calcas, ferrea. 71 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 32. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 93; FSGA 8, 116 f.: quoniam quidem ante regis Heinrici excessum multa prodigia monstrata sunt, ita ut solis splendor forinsecus aere absque nubilo pene nullus appareret, intrinsecus autem per fenestras domorum rubeus tamquam sanguis infunderetur. Mons quoque, ubi ipse rerum Dominus sepultus est, fama prodidit, quia multis in locis flammas evomeret.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 727

Schon in der Antike wurden Zusammenstellungen von Prodigien gesammelt.72 Eine lange Liste unglücklicher Vorzeichen und Prodigien findet sich im Bellum civile des Marcus Annaeus Lucanus (39–65 n. Chr.).73 „Prodigien liefern in der Antike die Begleitmusik zum Eintritt dramatischer Geschehnisse. Der Glaube an Vorzeichen hatte im Lauf der antiken Kulturgeschichte eine weltanschauliche Fundierung erfahren, die in christlichem Gewand fortwirkte.“74 So heißt es bei Gregor von Tours: „Es geschahen damals viele Wunderzeichen.“ Weiter beschreibt er Zeichen auf Gefäßen, missgestaltete Trauben, Polarlichter, Schlangen, die aus den Wolken fielen und katastrophale Erdrutsche. Und „[n]och viele andere Zeichen traten ein, die den Tod des Königs oder eine Plage für die Region zu verkünden pflegen. Es gab in jenem Jahr eine spärliche Weinernte, großes Wasser, unendlich viel Regen, und die Flüsse schwollen gewaltig an.“75 Gregor nutzt diese Prodigien, um das Auftreten eines falschen Heilandes und eines Betrügers, den er Jahre zuvor getroffen hatte, einzuleiten. Ähnliches bietet auch die Historia Brittonum von Nennius aus dem frühen 9. Jahrhundert, in der es heißt: „Viele wunderbare Zeichen für das in der Zukunft liegende Schlechte oder das Gute gab der milde Gott, der Gebieter des Erdkreises, damit er die erschrecke, von denen er wolle, das sie sie sehen.“76 Daraufhin zählt er verschiedene Ereignisse auf, wie Haloerscheinungen (drei Sonnen), Vulkanausbruch, Polarlicht, Meteoritenfall, sprechende Tiere, Blut aus Broten, Missgeburten bei Mensch und Tier. Den Autoren des 9. Jahrhunderts ging es nur um die Belehrung jener Zeitgenossen, die vom Weg Gottes abgekommen waren. Im 11. Jahrhundert werden die Naturextreme dann als deutliche Gottesstrafen etwa für Exkommunizierte instrumentalisiert. Dafür seien zwei Beispiele angeführt: 1) Nachdem König Heinrich IV. auf der Feier des Osterfestes 1076 in Utrecht von seiner Bannung durch Papst Gregor VII. erfahren hatte, ließ er den Bann durch den Utrechter Bischof Wilhelm für nichtig erklären und im Gegenzug den Papst aus der Kirche ausschließen.77 Daraufhin geschahen allerdings Dinge, die auf „die Zeitgenossen (…) wie ein direktes Eingreifen Gottes in das irdische Geschehen gewirkt haben“ müssen.78 Zum einen erkrankte Bischof Wilhelm kurz nach seiner Rede, zum anderen brannte bald darauf die Kathedrale von

|| 72 Paulus Diaconus. Ed. Schwarz, 362 f. Anm. 167. 73 Lucan. 1 522–583. 74 Paulus Diaconus. Ed. Schwarz, 362 f. Anm. 162. 75 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 5. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 426; FSGA 3, 232 f.: Prodigia quoque multa dehinc apparuerunt. (…) Et multa alia signa apparuerunt, quae aut regis obitum adnunciare solent aut regiones excidium. Vindimia eo anno tenuis, aquae validae, pluviae inmensae, flumina quoque granditer adaucta fuerunt. 76 Nennius, Historia Brittonum, 76. Ed. Klawes, 138 f.: Plurima mira malum signantia signa futurum sive bonum dederat clemens deus arbiter orbis, ut terreret eos, quos illa videre volebat. 77 Ruotger, Lebensbeschreibung. Ed. Schmale-Ott, Kap. 74. 78 Althoff, Heinrich IV. (2006), 141.

728 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

Utrecht aufgrund eines Blitzeinschlages nieder.79 Solch ein Gotteszeichen hatte im Denken der Zeitgenossen eine hohe Bedeutung.80 2) So scheute sich auch Bernold von St. Blasien nicht, in seinem Eintrag für das Jahr 1094 eine Verbindung zwischen einem Naturereignis als Strafe Gottes und der Exkommunikation zu ziehen. „In Bayern kam es zu einem so großen Sterben, dass in der Stadt Regensburg innerhalb von zwölf Wochen 8500 Tote gezählt wurden. Aber auch andere Provinzen suchte dasselbe Sterben heim, doch nicht so wie in Bayern. In den deutschen Gebieten zeigten sich viele Prodigien. Denn Menschen erhängten sich, und auch Wölfe fraßen viele. Und man zweifelte nicht, dass dies durch das Strafgericht geschah, weil sie das göttliche Gesetz vernachlässigt und sich nicht gefürchtet hatten, durch die Exkommunikation besudelt zu werden. Auch erschreckten vielfach Blitze vom Himmel die Menschen. Denn in dem Kloster Ottobeuren wurden das größte Kruzifix und die Sitze der Mönche, die nämlich nicht nach der Regel lebten, vom Blitz zersplittert. Ferner verzehrte ein Blitz in der Hauptkirche von Basel den Balken, welcher das Kruzifix stützt, da nämlich dort viele mit Exkommunizierten zusammengetroffen waren.“81 Das Verhältnis von Bernold zu Exkommunizierten sollte künftig stärker erforscht werden.

|| 79 Althoff, Heinrich IV. (2006), 141 f. 80 Weinfurter, Heinrich IV. (2006), 409. 81 Bernold von Konstanz, Chronik, ad a. 1094. Ed. Robinson, MGH SS rer. germ. 14, 512 f.; FSGA 14, 405 f.: In Baioaria magna mortalitas grassabatur, adeo ut in Ratisponensi civitate infra XII septimanas VIII milia D illa mortalitate intercepti numerarentur; sed et alias provincias eadem mortalitas afflixit, non tamen adeo ut Baioariam. In Teutonicis partibus multa prodigia facta sunt. Nam et homines se ipsos suspenderunt, et lupi multos manducaverunt. Et hoc ex divina ultione factum non dubitabatur, eo quod legem divinam neglexissent et excommunicatione maculari non timuissent. Fulmina quoque de celo multum homines terruerunt. Nam in monasterio apud Utenburon maius cruxifixum et sedilia monachorum, utpote non regulariter viventium, a fulmine dissipata sunt. Item in Basiliensi aeclesia maiori fulmen contrivit trabem, crucifixi sustentatricem, videlicet cum excommunicatis ibidem multi convenissent.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 729

Tab. 69: Vorzeichen von Extremereignissen und Prodigien

Datum Quelle

Gedeutetes Ereignis

580

Blutregen

Datum Deutung

10.732

Assoziierte Deutung

Quellen

Epidemie

Gregor von Tours

729

Komet

Sieg Karl Martells

[zahlreiche > 4]

744/745

Komet, Meteorstrom

Schlachten, Seuchen, Verfolgung

Theophilus v. Edessa, Michael d. Syrer

03.764

Meteorstrom

Ende der Zeiten

Theophanes d. Bekenner

812-814

Meteor

814

Ende Karls d. Großen

Einhard

12.841–02.842

Komet

25.6.841 14.2.842

Schlacht bei Fontenoy Straßburger Eide

[zahlreiche > 4]

844

Komet

Hungersnot

Chron. Max. Pictavensis

867/868

Komet

Hungersnot, Seuche

[zahlreiche > 10]

17.07.873

Komet (?)

Hungersnot

Chron. Vindocinense

890

Komet

Heuschrecken

Chronica S. Benedicti

15.05.–07.06.909 Komet

Hungersnot

Ann. S. Col. Senonensis

912/913

Meteorstrom

Blutvergießen

Johannes Skylitzes

03.07.939

Komet

Hungersnot

Liutprand v. Cremona

10.942

Komet

Hunger, Viehseuche

[zahlreiche > 6]

954/956

Komet

Hungersnot

isl. Ann., Sig. v. Gembloux

975

Komet

Hungersnot

[zahlreiche > 6]

990

Komet

Erdbeben in Italien

Romoald

1000

Komet

Erdbeben

Ann. Parchenses

24.01.1002

Meteorstrom

Schäden

Gesta ep. Cameracensium

01.–14.10.1005

Komet

Hungersnot

[zahlreiche > 4]

13.01.1093

Meteorstrom

Brände

Bernold von Konstanz

06.04.1095

Meteorstrom

Vorbote von Kreuzzug

[zahlreiche > 4]

1000

1096

Berichte über Vorzeichen am Himmel, besonders Kometen, neue Sterne, Meteorströme und Blutregen wurden von den mittelalterlichen Zeitgenossen moralisierend und belehrend eingesetzt. In der Untersuchungszeit wurden sie in 39 Fällen konkret mit einem Herrscherwechsel, 34 Mal mit dem Ableben von bedeutenden Personen und drei Mal mit einer Geburt in Verbindung gebracht. In mehreren Fällen reflektierten Herrscher während des Prodigiums über ihr eigenes Ableben. So stellte Ludwig

730 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

der Fromme 837 fest, dass sein eigentlich durch das Erscheinen eines Kometen angekündigter Tod ausblieb, allerdings brachte der sogenannte Astronomus Ludwigs Tod am 20. Juni 840 mit einer am 5. Mai 840 erfolgten Sonnenfinsternis in Verbindung, statt mit einem im Jahr 840 erschienenen Kometen, was sich ebenfalls angeboten hätte. Da eine Sonnenfinsternis beim Sterben Jesu stattgefunden hatte, bot sich eine solche aber ebenso wie eine Kometenerscheinung an, um als Anzeiger eines Herrscherwechsels genutzt zu werden. In weiteren 21 Fällen wurden die genannten Prodigien mit Katastrophen, vor allem Hungersnöten (neun), Kriegszügen (vier), aber auch Erdbeben (zwei) und anderen Unheilen in Verbindung gebracht. Auffälligerweise konnten nicht nur die als Unglück empfundenen Ereignisse durch Vorzeichen angekündigt werden, sondern auch Triumphe und Friedensschlüsse, wie etwa der Sieg Karl Martells in der Schlacht bei Portiers 732 oder das Bündnis im Vertrag von Straßburg 842. In einem Kapitular Karls des Großen zum Jahr 803 heißt es mit unmittelbarem Bezug auf eine Liste von möglichen Katastrophen: „Für den Fall, dass es zu Hungersnot, Unglück, Seuche, Unwetter oder sonstigem Unheil kommt, warte man dann nicht auf eine Verfügung von uns, sondern erflehe umgehend die Barmherzigkeit Gottes.“82 Bei etwa der Hälfte der durch ein Prodigium angekündigten Katastrophen handelt es sich – vorwiegend dann ab den 840er-Jahren – um Hungersnöte. Es scheint also zu einer festeren Verbindung zwischen Vorzeichen und einer speziellen Katastrophen-Art im Denken der Menschen gekommen zu sein. Die Theologie eines „rächenden Gottes“ versuchte, das Auftreten von Naturereignissen als Strafe für die Sünden der Menschen zu erklären. Vor allem die Annales Bertiniani führen immer wieder vor, wie Sarazenen von Gott mit der Kraft der Natur für frevelhafte Handlungen an christlichen Einrichtungen gestraft wurden. Betrafen die Naturextreme dagegen die eigene Bevölkerung, mussten andere Deutungsmuster gefunden werden. Zunächst war es notwendig, die Ursachen für den Zorn Gottes zu ermitteln. In vorchristlicher Zeit wurde üblicherweise der Herrscher, in dessen Regierungszeit die Bedrohung durch die Natur fiel, als Verantwortlicher für das Unglück ausgemacht. Im Extremfall wurde der Herrscher ausgewechselt. In christlicher Zeit wurde in Anlehnung an Sueton auf die Funktion von Naturereignissen als Vorzeichen für den Herrschertod Bezug genommen. In etwa 40 Fällen wurden vom 6. bis 11. Jahrhundert Naturereignisse (Kometen, Sonnenfinsternisse, Blutregen etc.) als unmittelbare Vorzeichen eines nahen Herrschertodes gedeutet. In etwa 20 Fällen diente ein

|| 82 Capitulare missorum in Theodonis villa datum secundum generale. Ed. Boretius, MGH Capit. 1, 122 f.: De hoc si evenerit fames, clades, pestilentia, inaequalitas aeris vel alia qualiscumque tribulatio, ut non expectetur edictum nostrum, sed statim depraecetur Dei misericordia. Et in praesenti anno de famis inopia, ut suos quisque adiuvet prout potest et suam annonam non nimis care vendat; et ne foris imperium nostrum vendatur aliquid alimoniae.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 731

solches Zeichen aber als Ankündigung weiterer Naturextreme wie Nahrungsmittelmangel, Hungerkatastrophen oder Epidemien. Da viele oder zumindest einige Herrscher die Bedeutung solcher astronomischer Extreme wohl kannten, aber anscheinend nicht von ihrer eigenen Schuld am Geschehen überzeugt waren, musste der Auslöser für den strafenden Gotteszorn anderswo gesucht werden. Für die Ereignisse wurde in der Folge nicht (allein) der Herrscher verantwortlich gemacht, sondern die Ursachen wurden immer wieder auch im sündhaften Treiben aller Menschen gesucht. Etwa die Hälfte der durch ein Prodigium angekündigten Katastrophen waren Hungersnöte. Es scheint sich hier also eine besondere Verbindung verfestigt zu haben. Die extremste Form der literarischen Behandlung von Hungersnöten ist die Herstellung eines Konnexes mit der Anthropophagie, mit der Menschenfresserei.

5.1.5 Topos: Anthropophagie Der Topos der Anthropophagie wird bis in die jüngste Zeit gepflegt: „Darf man von Essen reden, wenn in der Not, also in der Mangelsituation, Ratten und Mäuse verzehrt werden? Hierzu muss (…) bemerkt werden, dass in der akuten Nahrungsmangelsituation Mäuse und Ratten lediglich repräsentative Glieder einer Nahrungskette darstellen, an deren Ende schließlich fakultativ der Mensch selbst steht, zuweilen in makabrer Doppelrolle.“83 Verbote, Kadaver zu essen, finden sich bereits in den ersten Büchern des Alten Testaments. So heißt es im 3. Buch Mose: „Kein Aas noch Zerrissenes soll er essen, dass er nicht unrein davon werde“84, im 2. Buch Mose: „Und ihr sollt mir heilige Leute sein; darum sollt ihr kein Fleisch essen, das auf dem Feld von wilden Tieren zerrissen worden ist, sondern sollt es den Hunden vorwerfen.“85 Auch im 5. Buch Mose steht ähnliches: „Ihr sollt kein Aas essen; dem Fremdling in deinen Toren magst du es geben, dass er es esse, oder einem Ausländer kannst du es verkaufen.“86 Dies wurde anscheinend im Frühmittelalter noch streng befolgt und so scheint es nur in Notsituationen zum Verzehr von Tierkadavern gekommen zu sein.87 Frühe Annalen und Chroniken waren in Bezug auf den Verzehr von nicht-geschlachteten Tieren sehr streng. Weit schlimmer als der Verzehr von Aas wurde von den Zeitgenossen jedoch der Verzehr von Menschenfleisch gesehen. Motivisch eignete sich Menschenfresserei

|| 83 Sprankel, Essen in der Not (1987), 157. 84 3. Mose 22,8: Morticinum et dilaceratum a bestia non comedent, nec polluentur in eis. 85 2. Mose 22,31: Viri sancti eritis mihi; carnem animalis in agro dilacerati non comedetis, sed proicietis canibus. 86 5. Mose 14,21: Quidquid morticinum est, ne vescamini ex eo; advenae, qui intra portas tuas est, da, ut comedat, aut vende peregrino. 87 Newfield, Domesticates (2015), 104.

732 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

besonders, um die Gottesferne von Menschen auszudrücken und sie wurde entsprechend überzeugend instrumentalisiert. Diese Instrumentalisierung wurde bis in die Moderne nicht als solche erkannt und so wurde von Menschenfresserei als „historischem Fakt“ im Sinne Rankes ausgegangen.88 Noch bei Curschmann schwingt im Kapitel „Menschenfresserei“ der Versuch mit, in dieser „wohl beglaubigten“ Erscheinung ein „Verbrechen“ zu sehen, dass in „Deutschland und Frankreich (…) nur für die ältere Zeit bezeugt“ ist und man in Westeuropa „diese widernatürliche Art der Befriedigung des Hungers schon im 12. Jahrhundert, obwohl es am meisten von Hungersnöten heimgesucht ist, überwunden“ habe.89 Grundlegende Zweifel am beschriebenen Phänomen äußerten weder Curschmann noch Newfield. Eine umfassende Auflistung der spätantiken und mittelalterlichen Quellenstellen findet sich bei Vandenberg.90 Die Begriffe „Anthropophagie“, „Menschenfresserei“ oder der frühneuzeitliche Terminus „Kannibalismus“ beschreiben den Vorgang, wenn Menschen Individuen der eigenen Art essen.91 Es werden hierbei zwei Typen unterschieden: ein kulturell motivierter Kannibalismus und der Verzehr von Menschenfleisch in Notsituationen. Eine Schilderung kulturell motivierter Anthropophagie findet sich erstmals bei Herodot. Bei ihm sind es die Menschenfleischesser (Anthropophagen) und Menschenbluttrinker (Vampire), die am weitesten von der griechischen Zivilisation entfernt leben. Während die wissenschaftliche Diskussion um den Vampirismus im 18./19. Jahrhundert zum Ergebnis kam, dass er sich als kulturelles Muster nicht nachweisen lässt, wurde an der kulturell motivierten Anthropophagie sehr wohl festgehalten.92 Allerdings wurde auch erkannt, dass Augenzeugen zur Gänze fehlen und sämtliche Berichte immer weit entfernte Dritte, also gerade nicht erreichbare Nachbarn, betreffen. Eine ganze Reihe von Ethnologen geht deshalb davon aus, dass Kannibalismus als kulturelles Phänomen kaum zu halten ist, auch wenn immer wieder scheinbar unwiderlegbare Beispiele vorgebracht werden. Dabei spielen aber oft auch die von europäischen Mustern abweichenden Sekundärbestattungsriten, bei denen Leichenteile gekocht werden, um eine leichtere Ablösung des Fleisches von den Knochen zu ermöglichen und beides separat bestatten zu können, eine nicht zu unterschätzende Rolle.93 Im Rahmen dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass die auf Herodot zurückgehende Abgrenzung durch Anthropophagie von diesem lediglich vermutet wurde94 und dass es sich in den bei ihm genannten Fällen um missinterpretierte Bestattungsarten handelt. Das Zerkleinern, Zerlegen oder Kochen von menschlichen || 88 Epperlein, Bäuerliches Leben (2003), 30. 89 Curschmann, Hungersnöte (1900), 59. 90 Vandenberg, Chair (2016). 91 Grundlegend: Montanari, Antropofagie medievali (2015). Price, Consuming Passions (2003). 92 Vandenberg, Fames facta (2008), 217–272. 93 Orschiedt, Manipulationen (1999). 94 Peter-Röcher, Mythos Menschenfresser (2006).

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 733

Überresten sagt jedoch nichts darüber aus, ob diese anschließend auch tatsächlich verspeist werden. Im Gegenteil, es gibt mittlerweile einige Studien, die über die Behandlung von sterblichen Überresten für den weiteren Transport handeln.95 Dabei werden die Leichen ebenfalls gekocht, um das Fleisch einfacher von den Knochen lösen zu können. Auch der Gebrauch von Werkzeugen zu Ablösung des Fleisches ist zu vermuten, was Schnittspuren an den Knochen verursachen würde. Die Leichen wurden derart aber nur für den Transport präpariert und nicht verzehrt.96 Tatsächlich dokumentierte Fälle von Menschenfleischverzehr finden sich dagegen in absoluten Notsituationen, in denen – und das sind zwei entscheidende Bedingungen – keine andere Möglichkeit von Nahrung (etwa in Form von Pferden oder Hunden) zur Verfügung stand. Als Beispiel sei die fehlgeschlagene Franklin-Expedition aus dem Jahre 1845–1848 genannt, die bei dem Versuch, die Nordwestpassage zu finden, scheiterte. Auf dem Weg zur Hudson Bay kam es schließlich in einer Notlage zu Kannibalismus.97 Als zweites Beispiel seien die Überlebenden des Unglücks von Fuerza-Aérea-Uruguaya-Flug 571 auf dem Weg von Montevideo nach Santiago de Chile genannt, welches sich am 13. Oktober 1972 an einem Berghang in den Anden in 4000 Metern Höhe ereignete und bei dem 16 der 45 Insassen nach 72 Tagen nur deshalb aus dem Eis gerettet werden konnten, weil sie durch den Verzehr von Menschenfleisch überlebt hatten.98 Für das Mittelalter hat zwar die ältere Forschung mit Beschreibungen von Menschenfressern in den Quellen ihre Schwierigkeiten, sie stellte die Möglichkeit der Handlung als solcher aber nicht in Frage und benutzte den herodoteischen Topos der besonders kulturlosen Barbarei.99 Die mittelalterlichen Autoren benutzten die Beschreibung menschenfresserischen Verhaltens einerseits, um zu verdeutlichen, wie verheerend eine Hungersnot war, andererseits zur christlich-belehrenden Abschreckung, wie einige der folgenden Textbeispiele zeigen. Nach Hermann von Reichenau, der erst Jahrhunderte nach den von ihm geschilderten Ereignis schrieb, soll es im Jahr 536 zu einer so schlimmen Hungersnot gekommen sein, dass in Ligurien Frauen ihre Kinder gegessen hätten.100 Für den frühmittelalterlichen Leser stellte sich die Situation wohl so dar, dass es keine Mutter ernsthaft in Erwägung ziehen würde, ihr eigenes Kind zu essen, eher schon gemeinsam zu sterben. Den Frauen in Ligurien scheint man es – aus welchen

|| 95 Schmitz-Esser, Leichnam im Mittelalter (2014). 96 Schmitz-Esser, Embalming and Dissecting (2013), 611–623. 97 Beattie/Geiger, Schlaf (1998). 98 Read, Überleben (2012). 99 Curschmann, Hungersnöte (1900), 59 f. 100 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 536. Ed. Pertz, MGH SS 5, 87: Fames tanta facta est, ut in Liguria quaedam mulieres parvulos suos comederent.

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Gründen wäre zu untersuchen – unterstellt zu haben. Der dahinterstehende Topos, Mütter würden ihre eignen Kinder essen, stammt aus dem Alten Testament.101 Irische und schottische Quellen überliefern für das Jahr 695/696102 bzw. 700–702 eine dreijährige Hungersnot, die so schlimm gewesen sei, dass die Menschen einander gegessen hätten.103 Dies ist wiederum ein Topos, der an einer Textstelle des Alten Testamentes ausgebildet wurde, diesmal geht er auf Jeremias zurück.104 Eine in den Klimageschichten von Behringer und Glaser genannte „Klimaverschlechterung“ soll in Mitteleuropa zu einem so extremen Hungerjahr 784 geführt haben, dass vereinzelte Fälle von Anthropophagie aufgetreten seien.105 Dies lässt sich in den Quellen allerdings nicht nachweisen und weder bei Curschmann noch in der Studie von Newfield gibt es dazu Hinweise. Da zum Jahr 784 keine Hungersnot überliefert ist, liegt hier mutmaßlich eine Verwechslung aufgrund eines Zahlendrehers vor, denn zum Jahr 874 wird in den Fuldaer Annalen eine Hungersnot überliefert, bei der „ein Drittel der Bevölkerung gestorben“ sei. Dass diese Hungersnot aber keinesfalls derartige Auswirkungen gehabt haben kann, zeigt das nächste Kapitel, in dem es um die Deutungsfolie des Fuldaer Annalisten geht. Die nächste Hungersnot wird für das Jahr 792 in den Annales Mosellani genannt. Sie soll im Jahr vorher begonnen und so zugenommen haben, dass sie die Menschen nicht allein dazu zwang, unreine Dinge zu essen, sondern gar andere Menschen – wie es heißt, aßen „Brüder ihre Brüder, Mütter ihre Kinder“.106 Solche Nachrichten tauchen als Topos in der nachfolgenden Zeit häufiger auf. So im Jahr 844, als ein Komet für 20 Tage erschien, auf den eine Hungersnot in der Francia, in Burgund und in Aquitanien folgte, die so schlimm gewesen sei, dass einige die Kadaver der Toten aßen

|| 101 Klgl 2,20: Vide, Domine, et considera, cui feceris ita; ergone comedent mulieres fructum suum, parvulos diligenter fovendos? 102 Annals of Clonmacnoise, ad a. 695. Ed. Murphy 111: There was such famine and scarcity in Ireland for three years together, that men & women died eat one another for want. Chronicum Scotorum, ad a. 696. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 113: Famine and pestilence prevailed during three years in Hibernia, to that degree that man ate man. 103 Annals of Ulster, ad a. 700–702. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 159–162: Famine and pestilence prevailed in Ireland for three years, so that man ate man; Annals of Tigernach, ad a. 700–702. Ed. Stokes, Bd. 1, 216: Hunger and pestilence for three years in Ireland so that a man would eat a man. 104 Jer 19,7: (…) et dabo cadavera eorum escam volatilibus caeli et bestiis terrae. 105 Behringer, Kulturgeschichte des Klimas (2007), 96; ohne weitere Belege. Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas (2008), 58. 106 Annales Mosellani, ad a. 792. Ed. Lappenberg, MGH SS 16, 498: Famis vero, quae anno priori caepit, in tantum excrevit, ut non solum alias immundicias, verum etiam, peccatis nostris exigentibus, ut homines homines, fratres fratres ac matres filios comedere coegit.

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und andere sich gegenseitig verspeisten.107 Einen fast gleichlautenden Eintrag überliefern zwei andere Chroniken für das Jahr 873.108 Fast identisch lautet auch eine Notiz aus Anjou.109 Eine Hungersnot im Jahr 873 ist auch durch andere Annalen (Hildesheim, Quedlinburg) in der Germania dokumentiert worden.110 Die Verwendung der immer gleichen Wendungen in mehreren bis zu 50 Jahre auseinanderliegenden Ereignisnotizen, spricht aber für einen Topos und gegenseitige Abhängigkeiten der Quellen. Der Fuldaer Annalist beschrieb zum Jahr 850 zunächst eine Hungersnot und daraufhin einen Akt von Menschenfresserei, der allerdings nur beinahe stattfand und durch das Eingreifen Gottes abgewendet werden konnte: „In diesem Jahr drückte eine schwere Hungersnot die Völker Germaniens, vornehmlich die um den Rhein wohnenden; denn ein Scheffel Getreide wurde in Mainz für 10 Sekel Silber verkauft.“111 Weiter heißt es: „In diesen Tagen zog auch einer von Grabfeld mit seinem Weibe und einem kleinen Sohn nach Thüringen, um das Elend seiner Not zu lindern, und unterwegs im Wald sagte er zu seiner Ehefrau: ‚Wäre es nicht besser, diesen Jungen zu töten und sein Fleisch zu essen, als dass wir alle vor Hunger umkommen?‘ Als sie widersprach, er solle kein solches Verbrechen begehen, riss er endlich, weil der Hunger drängte, gewaltsam den Sohn aus den Armen der Mutter, und er hätte seinen Willen in die Tat umgesetzt, wäre ihm nicht Gott in seinem Erbarmen zuvorgekommen. Denn, wie derselbe Mann nachher, als er in Thüringen war, sehr vielen erzählte, hatte er schon sein Schwert aus der Scheide gezogen, um den Sohn zu schlachten, zögerte aber noch, schwankend geworden, mit dem Mord, da sah er in der Ferne zwei Wölfe über einer

|| 107 Chronique de Saint-Maixent, ad a. 844. Ed. Verdon, 72–75: Eo anno apparuit in Francia stella quae dicitur cometes diebus viginti; et fames tritici horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam, ita ut non essent qui sepelirent cadavera morientium, sed se invicem homines manducarent. 108 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria, ad a. 873. Ed. Marchegay/Mabille, 159 f.: et ipso anno, XIVo kalendas septembris, locustarum immensa congeries per Gallias pervolavitm quas subsecuta est tanta vis nivium quanta nulla aetate in nostris regionibus vias refertur. In Francia vero cometes apparuit diebus XXV, et fames exstitit horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam: ita ut non essent qui sepelirent cadavera morientium, sed et invicem homines manducarent. 109 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 868. Ed. Marchegay/Mabille, 6: DCCCLVIIIo. anno ab Incarnatione Domini, in Francia cometes apparuit diebus XXV, et fames exstitit horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam, ita ut non essent qui sepelirent cadavera morientium sed se invicem homines manducarent. 110 Annales Hildesheimenses, ad a. 873. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 8, 18: Fames magna invaluit in Germania, et incredibilis multitudo locustarum venit; Annales Quedlinburgenses, ad a. 873. Ed. Giese, MGH SS rer. Germ. 72, 450: Fames valida et vehemens tam Germaniam quam caeteras Europae provincias nimium afflixit; Annalista Saxo, Reichschronik, ad a. 873. Ed. Naß, MGH SS 37, S. 93: Fames magna invaluit in Germania. 111 Annales Fuldenses, ad a. 850. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 40; FSGA 7, 40 f.: Eodem anno gravissima fames Germaniae populos oppresit, maxime circa Rhenum habitantes; nam unus modius de frumentuo Mogontiaci vendebatur decem siclis argenti.

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Hirschkuh stehen und ihr Fleisch zerreißen; und sogleich lief er, vom Sohn ablassend, zu der toten Hirschkuh, trieb die Wölfe weg, nahm von dem angefressenen Fleisch und kehrte mit dem unversehrten Sohne zu der Frau zurück. (…) Beide jedoch stärkten sich notgedrungen an dem vom Gesetz verbotenen Fleische.“112 Die geschilderte Geschichte ähnelt in den Motiven dem Gleichnis von Abraham, der Gott seinen Sohn opfern sollte und im letzten Moment davon abgehalten wurde,113 sowie einer Geschichte im 3. Buch Mose, in der Gott derart strafend eingreift, dass die Bestraften das Fleisch ihrer Söhne und Töchter essen müssen.114 Der mittelalterliche Autor stellte zudem heraus, dass es in einer Notsituation anscheinend ungestraft möglich sein sollte, das dem Jagdregal unterliegende Fleisch von Wildtieren zu verzehren, selbst wenn es das in der Bibel verbotene Aas sei. In einer westfränkischen Chronik heißt es: „Am 15. Februar 868 erschien ein Komet im Nordwesten, dem sogleich ein ungeheurer Sturm und unermessliche Überschwemmung folgte, bei der viele unversehens umkamen. Und hernach zur Sommerszeit folgte in vielen Provinzen eine heftige Hungersnot, vornehmlich in Burgund und Gallien, wo eine große Menge Menschen eines bitteren Todes starb, sodass Menschen Menschenleiber gegessen haben sollen.“115 Aber auch von Hundefleisch sollen sich einige ernährt haben.116 Ein nicht genau datierter Eintrag in der Chronik des Ademar von Chabannes könnte sich auf ein Witterungsereignis des Jahres 913 beziehen. Geschildert wird eine

|| 112 Annales Fuldenses, ad a. 850. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 39–41; FSGA 7, 40–43: Quidam etiam in illis diebus de Grabfeldon cum uxore sua et filio tenero in Thuringiam proficiscens, ut malum inopiae temperare potuisset, uxorem in itinere in quadam silva positus affatus est: ‚Nonne’, inquit, ‚melius est, ut puerum istum occidamus et manducemus carnes eius, quam omnes inedia consumamur?’ Illa vero contradicente, ne tantum scelus committeret, tandem urgente fame filium per vim de brachiis rapuit maternis et voluntatem opere complesset, nisi Deus illum sua miseratione praevenisset. Nam, sicut idem postea in Thuringia positus plurimis retulit, cum evaginasset gladium, ut mac/taret filium, et in ancipiti positus necem distulisset, vidit eminus duos lupos super una cerva stantes et lacerantes carnes eius, statimque parcens filio ad cadaver cervae cucurrit et lupos inde abigens tulit de carnibus praegustatis et cum incolomi filio ad uxorem reversus est. (…) Ambo tamen de carnibus lege prohibitis necessitate coacti se recrearunt. 113 1. Mose 22,1–19. 114 3. Mose 26,29: ita ut comedatis carnes filiorum et filiarum vestrarum. 115 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii, ad a. 868. Ed. Marchegay/Mabille, 6: DCCCLVIIIo. anno ab Incarnatione Domini, in Francia cometes apparuit diebus XXV, et fames exstitit horribilis per Franciam, Burgundiam et Aquitaniam, ita ut non essent qui sepelirent cadavera morientium sed se invicem homines manducarent. 116 Annales Xantenses, ad a. 868. Ed. Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 26; FSGA 6, 360–363: Mense Februario, tenebrosis aquis in nubibus aeris, tonitrua audita sunt, et XV. Kal. Martii, id est nocte sancta septuagesimae, stella cometes visa est ab aquilone et occidente, cui statim nimia tempestas ventorum et inmensa inundatio aquarum est subsecuta, in qua multi inprovidi interierunt. Et postea aestivo tempore fames acerrima in multis provintiis subsequitur, maxime in Burgundia et Gallia, in quibus magna multitudo hominum acerbam sustinuit mortem, ita ut homines hominum corpora comedisse feruntur. Sed et canum carnibus aliqui vesci dicuntur.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 737

Bestrafung mit unkontrollierbarer Anthropophagie, weil Alduinus, der Sohn des Grafen Vulgrimnus von Angoulême (886–916), eine Kreuzreliquie unrechtmäßig in seinem Besitz hatte: „Sieben Jahre lang wurde ebendieser [Alduinus] mit einer körperlichen Schlaffheit bestraft, und unter seinem Volk grassierte eine derart schwere Hungersnot, dass, was bis jetzt nicht bekannt geworden war, einer aus dem Volk einen anderen aussuchte, um ihn zu verschlingen, und viele mit der Waffe anderer töteten, um sich nach Sitte der Wölfe mit Menschenfleisch zu ernähren. Durch diese Nöte veranlasst, gab Alduinus im Jahr vor seinem Tod das wertvolle Holz an Charroux117 (…); und bald endete die Plage, und er selbst starb nach einem Jahr und wurde am 27. März neben seinem Vater bestattet.“118 Bemerkenswerterweise werden hier wieder Wölfe als Bild genutzt, die tatsächlich den Verzehr von Menschenfleisch nicht scheuen, um die geschilderten Verhaltensweisen negativ zu überhöhen. Eine gänzlich anderslautende, aber inhaltlich wahrscheinlichere Schilderung des Umgangs mit Hungersnöten verzeichnen irische Annalen für das Jahr 963, als der Hunger so unerträglich geworden sein soll, dass Väter ihre Kinder verkauft hätten, um Essen zu erwerben.119 Der Verkauf einzelner Kinder zum Essenserwerb ist zwar für alle Beteiligten hart, sichert aber das Leben jedes Einzelnen. Zwischen 1016 und 1026 soll es zu einer Überschwemmung der Loire und ihrer Nebenflüsse gekommen sein, nach den Kometen erschienen Hagelschauer, zerstörten im Juli den Wein und es folgte eine solche Hungersnot, dass die Menschen Hunde aßen.120 Hier wird wieder ein Topos bemüht, zwar nicht Anthropophagie, aber der Verzehr von Hunden. Bemerkenswerterweise findet sich in den biblischen Texten der Hund nur als Fresser, aber niemals als Mahlzeit.121 Dies wirft eine Forschungsfrage für künftige Studien auf, woher der Topos dann stammt.

|| 117 Das 785 vom Grafen Roger von Limoges gegründete Benediktinerkloster Charroux liegt im Dép. Vienne im Südwesten Frankreichs. 118 Ademar, Chronicon, 3, 23. Ed. Bourgain/Landes, 145; FSGA 40a, 82 f.: Alduinus vero comes per multos annos langore corporis multatus est ipse, et in populo ejus ita fames vehementissima grassata est, ut, quod actenus incompertum fuit, de vulgo unus alterum ad devorandum exquireret, et multi, alios ferro perimentes, carnibus more luporum humanis invicem vescerentur. Quibus actus Aluduinus neccessitatibus, [uno ante mortem suam anno], remisit Carrofo preciosum lignum (…), et mox cessavit plaga. Et ipse post annum defunctus VI kal. aprilis juxta patrem tumulatus est. 119 Annals of the kingdom of Ireland, ad a. 963. Ed. O’Donovan, 687: „An intolerable famine in Ireland, so that the father used to sell his son and daughter for food.” 120 Ex Chronici Veteris Excerpto, ad a. [1016–1026]. Ed. Martin, 215 f.: Verbum instante obitu memorati Regis Roberti, pluviarum inundatione diversis in regionibus flumina suos praeteriere terminos. Sed prae caeteris Liger suas praeteriit metas, ita ut villas penetraret, casas everteret, et ovilia cum ovibus raperet, et ruricolarum nonullos pueros interficeret. Cometes etiam ardens apparuit, et sequenti anno magno grandinum imbre Julio mense vinae cum sationibus sunt protritae. Per triennium denique e vestigio subsecuta est tam valida fames, ut mures et canes ab hominibus vorarentur. 121 Als Beispiel 2. Mose 22,31: „Ihr sollt heilige Leute vor mir sein: darum sollt ihr kein Fleisch essen, das auf dem Felde von Tieren zerrissen ist, sondern vor die Hunde werfen.“

738 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

Das Auftreten einer Hungersnot im Jahr 1085 wird in der Chronik Bernolds von St. Blasien religiös begründet. Eine so große Hungersnot soll fast ganz Italien heimgesucht haben, die besonders unter den Exkommunizierten gewütet habe, sodass die Menschen nicht allein jegliches Unreine, sondern sogar Menschenfleisch aßen; dieser Hungersnot folgte ein so unerhörtes Sterben, dass nicht ein Drittel der Menschen übrig blieb; da es aber an Bauern fehlte, wurde der größte Teil des Landes zur Einöde.122 Die Exkommunizierten wurden in dieser Darstellung nicht nur mit Hunger bestraft, sondern sie sollen sich gar so weit von Gott und seinen Geboten entfernt haben, dass sie zu Menschenfressern geworden seien. Stärker kann eine religiöse Verurteilung literarisch kaum in Erscheinung treten. Von modernen Forschern wurde diese Nachricht bis weit ins 20. Jahrhundert als reale Begebenheit angesehen,123 ebenso auch der Hungertod von einem Drittel der Menschen. Es lässt sich also zusammenfassen, dass der Verzehr von Menschen- oder Hundefleisch von einigen mittelalterlichen Autoren dazu genutzt wird, um mit diesem Topos die drastischen Auswirkungen von Hungerkatastrophen zu demonstrieren. In drei Fällen wird dies noch mit weitergehenden Intentionen instrumentalisiert. So wurde in der Darstellung eines Ereignisses des Jahres 850, in einem an biblischem Vorbild orientierten Gleichnis die passive Wilderei als Möglichkeit empfohlen, Hunger zu umgehen. Ein Ereignis des Jahres 913 wurde genutzt, um die Feinde so darzustellen, dass diese Menschenfleisch nach Art der Wölfe verzehren würden. Schließlich wären im Jahr 1085 in Italien die Exkommunizierten, die sich schon so weit vom christlichen Gott entfernt haben, nun auch in ihren Sitten auf der Stufe der Menschenfresser angekommen. Insgesamt bestätigt sich hier der Befund von Ethnologen und Anthropologen, dass der Verzehr von Menschenfleisch aus kultischen Gründen wohl eine antike Erfindung ist, die in späteren Epochen oft als Topos verwendet und instrumentalisiert werden konnte. Viel wahrscheinlicher ist, dass Eltern teilweise ihre Kinder verkauft haben, um an Mittel für den Erwerb von Essbarem zu gelangen. Gerade weil im 5. Buch Mose (14,21) steht: „Kein Aas noch Zerrissenes soll er essen, dass er nicht unrein davon werde“, konnte man mit einer Erwähnung von Verzehr von Menschenfleisch ausdrücken, dass die derart Agierenden sich weit von Gott entfernt hatten. Die folgende Tabelle zeigt 13 Darstellungen in denen die Verfasser den Verzehr Menschenoder Hundefleisch einsetzten.

|| 122 Bernold von Konstanz, Chroniken, ad a. 1085. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 453; FSGA 14, 344–347: Nam totam pene Italiam, in qua potissimum excommunicati furebant, tam magna fames obtinuit, ut homines non tantum immunda quaeque, sed etiam humanam carnem manducarent; quam famem tam inaudita mortalitas subsecuta est, ut nec tercia pars hominum remaneret, sed deficiente colono maxima pars terrae in solitudinem redacta est. 123 Sorokin, Man and Society (1942), 67.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 739

Tab. 70: Topoi des Verzehrs von Menschen- und Hundefleisch von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Anmerkungen

Quellen

Ka-1 536

Ligurien

Mütter essen Kinder

Hermann von Reichenau

Ka-2 695

Irland

Anthropophagie

Ann. v. Clonmacnoise

Ka-3 700–702

Irland

Anthropophagie

Ann. v. Ulster

Ka-4 792

Moselregion

Anthropophagie

Ann. Moselani

Ka-5 844

Burgund, Aquitanien

Anthropophagie

Chronic. S. Max. Pictavensis

Ka-6 850

Rheingebiet, Mainz

Wilderei

Ann. Fuldenses

Ka-7 868

Niederrhein

Hundefleisch

Ann. Xantenses

Ka-8 873

Francia, Burgund

Anthropophagie

Chron. Vindo., Chron. Rainaldi

Ka-9 873

Rheingebiet, Xanten

Hundefleisch

Ann. Hildesh., Quedlinburg.

Ka-10 913

Südwestfrankenreich

7 Jahre Hunger, Anthropophagie

Ademari Chronicon

Ka-11 963

Irland

Väter verkaufen Kinder Annals of the Four Masters

Ka-12 1016–1026

Westfrankenreich

Hundefleisch

Ex Chronici Veteris Excerpto

Ka-13 1085

Italien

Exkommunizierte Menschenfresser

Bernold von St. Blasien, Chron.

In den mittelalterlichen Quellen wird Anthropophagie als Topos häufig zur Verunglimpfung von Gegnern eingesetzt. Besonders Exkommunizierte wurden so in den Texten nicht nur mit Hunger gestraft, sondern so dargestellt, als hätten sie sich derart weit von Gott und seinen Geboten entfernt, dass sie zu Menschenfressern geworden seien. Diese schriftliche „Verurteilung“ ex post dient damit überwiegend der religiösen und politischen Instrumentalisierung. Menschenfresserei lässt sich demgegenüber an keiner Stelle als tatsächlich erfolgte Handlung nachweisen und bildet vor allem eine Möglichkeit, die Folgen von Hunger drastisch zu schildern. Die Verwendung biblischer Bezüge in den erzählenden Quellen aus dem Mittelalter geht aber noch deutlich weiter.

740 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

5.1.6 Die Folie der Topoi des Fuldaer Annalisten Das folgende Kapitel untersucht die Frage, welche Rolle der Verfasser der Fuldaer Annalen dem Wirken Gottes zuweist und wie er die Naturereignisse mit biblischen Vorbildern verbindet.124 Der Autor der Annales Fuldenses überliefert zum Jahr 874: „In diesem Jahre wurde durch Hunger und Pest, die in ganz Gallien und Germanien wüteten, fast ein Drittel des Menschengeschlechts vertilgt.“125 Dass dieser Bericht wohl nicht ohne Übertreibung ist, scheint angesichts der für dieses Jahr ausbleibenden Parallelüberlieferung untertrieben. Zum einen ist die Hungerkatastrophe in keiner anderen Quelle überliefert, lediglich in den Annales Bertiniani ist zum Jahr 874 verzeichnet, der lange Sommer habe bewirkt, dass das Gras dürr wurde und die Getreideernte unzulänglich gewesen sei, was aber in diesem Zusammenhang und im Vergleich mit den hier geschilderten Katastrophen harmlos ist. Deshalb ist zu fragen, woher der Fuldaer Annalist die Information nahm, nach der ein Drittel der Bevölkerung gestorben sein soll.126 Eine Autopsie ist in diesem Fall wohl schwierig. Auf der Suche nach einem biblischen Vorbild für den Tod eines Drittels der Menschheit wird man rasch bei der sechsten Posaune der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament fündig. Dort heißt es zunächst bei der fünften Posaune, dass Heuschrecken kommen werden. Mit der sechsten Posaune werde sodann ein Drittel der Menschheit getötet: „Da wurden die vier Engel losgebunden, die auf Jahr und Monat, auf Tag und Stunde bereitstanden, um ein Drittel der Menschheit zu töten.“127 Tatsächlich schildert der Fuldaer Annalist für das Jahr 873 ausführlich das Auftreten von Heuschrecken in Mitteleuropa. Aufgrund zahlreicher Parallelüberlieferung kann der Heuschreckenzug von 873 als gesichert gelten. Der Annalist scheint das Jahr 873 als Erfüllung der fünften Posaune zu deuten. Damit muss die der sechsten Posaune zugeschriebene Hungersnot folgerichtig im Jahr 874 liegen, bei der er dann in Form literarischer Übertreibung ein Drittel der Menschen in Gallien und Germanien sterben lässt. In Tabelle 71 werden die weiteren Nachrichten im Umfeld dieser beiden Jahre aufgelistet, die der Autor in Erwartung der verschiedenen Ereignisse in Zusammenhang mit den Posaunen gesammelt hat. Der zeitgenössische, christlich geprägte Zuhörer dachte dann sofort weiter an das bevorstehende Jüngste Gericht, denn nur so ist die Bemerkung „trotzdem wollen sich die übrigen Menschen nicht bekehren“ zu verstehen.

|| 124 Vgl. Wozniak, Wetterbeobachtung (2018), 428–430. 125 Annales Fuldenses, ad a. 874. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 83; FSGA 7, 96 f.: Hoc anno fame et pestilentia per universam Galliam et Germaniam grassantibus pene tercia pars humani generis consumpta est. 126 Vgl. Palmer/Palmer, Natural Catastrophes (2002), [4]. 127 Offb 9,15: Et soluti sunt quatuor angeli, qui parati erant in horam, et diem, et mensem, et annum, ut occiderent tertiam partem hominum.

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 741

Die Annales Fuldenses stellen bis zum Jahr 829 eine Bearbeitung der Annales regni Francorum dar, ab dem Jahr 882 führte ein Fortsetzer die Annalen weiter. In den Jahren dazwischen, also von 829 bis 882, wurden die Jahreseinträge von einem Schreiber in Mainz, oder weniger wahrscheinlich in Fulda weitergeführt. Dieser Autor scheint die Offenbarung des Johannes teilweise als eine Art Blaupause genutzt zu haben, um die Naturereignisse seiner Zeit zu ordnen. Dass die Reihenfolge der Ereignisse der Apokalypse nicht ganz zu den Geschehnissen seiner Zeit passt, versucht er durch geschickte Formulierungen zu übergehen. Dabei scheute er auch nicht davor zurück, Ereignisse chronologisch umzustellen. Bei aller Anpassung an sein Vorbild versuchte er aber, nach Möglichkeit die Kombination der Extremereignisse in der Apokalypse nachzubilden. So treten etwa beim Öffnen des sechsten Siegels nacheinander Erdbeben, Sonnenfinsternis, Blutmond und Sternfallen auf. Beim Fuldaer Annalisten werden eine Sonnenfinsternis am 3. Mai 832 und eine Mondfinsternis am 19. Mai 832 erwähnt,128 die nicht berechnet werden und auch nicht durch Parallelüberlieferung verifiziert werden konnten. Gerade die Sonnenfinsternis erscheint deshalb als notwendige eigenständige „Ergänzung“ des Fuldaer Annalisten, um der Offenbarung des Johannes näherzukommen. Während im biblischen Text mit der dritten Posaune der Stern „Wermut„ in Flüsse und Quellen fällt und viele Menschen sterben, folgt beim Fuldaer Annalisten auf das Erscheinen eines Kometen im Jahr 868, das aufgrund zahlreicher Parallelüberlieferung als gesichert gelten kann, ein gewaltiges Sterben des Menschengeschlechtes. Tatsächlich herrschte von 867 bis 869 zwar eine große Hungersnot, aber ein Sterben wird sonst nur für Tiere genannt. Bei der vierten Posaune verlieren Sonne, Mond und Sterne ein Drittel ihrer Leuchtkraft. Die hier geschilderten Beobachtungen machen die Fuldaer Annalen für die gesamte Zeit von 829 bis 882 zu einer schwer zu beurteilenden Quelle, da im Grunde jede ihrer Aussagen in Bezug auf Naturereignisse durch unabhängige Parallelüberlieferung überprüft werden muss. Jene Darstellungen, die nicht derart nachweisbar sind, müssen vorerst als Zutaten oder Übertreibungen des Annalisten gelten, die durch die Anlehnung des Autors an das Vorbild der Abfolge der mit den Posaunen der Apokalypse einhergehenden Ereignisse zu erklären sind. In tabellarischer Übersicht ergibt sich folgendes Bild:

|| 128 Annales Fuldenses, ad a. 832. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 26; FSGA 7, 20 f.: Sol defecit II. Nonas Maii et luna XIII. Kalendas Iunii.

742 | Bewältigung, Instrumentalisierung, Darstellungspraxis

Tab. 71: Vergleich der Offenbarung des Johannes mit den Annales Fuldenses

Offenbarung des Johannes

Annales Fuldenses

7. Siegel: Donner, Blitz, Erdbeben129

ad a. 858, 859: Erdbeben

1. Posaune: Hagel und Feuer mit Blut vermischt fallen aufs Land. Ein Drittel der Erde verbrennt.130

ad a. 860: Blutroter Schnee

2. Posaune: Brennender Berg fällt ins Meer. Ein Drittel der Lebewesen im Meer vernichtet.131

ad a. 867: Erdbeben

3. Posaune: Stern „Wermut“ fällt (…) Ein Drittel des Wassers wird bitter und viele Menschen sterben.132

ad a. 868 Komet, Überschwemmung, gewaltiges Sterben.133

4. Posaune: Sonne, Mond, Sterne verlieren ein Drittel ihrer Leuchtkraft.134

ad a. 870: Zeichen am Himmel, Geisterstimmen; ad a. 872: Hagel, Wormser Kirche brennt, Donner, Blitze, Erdbeben

5. Posaune: Heuschrecken kommen, um die Menschen fünf Monate lang zu quälen.135

ad a. 873: Heuschrecken, Blutregen über Brescia

6. Posaune: Ein Drittel der Menschheit wird durch Feuer, Rauch und Schwefel getötet.136

ad a. 874 durch Hunger und Pest Drittel der Menschen in Gallien und Germanien getötet.137

7. Posaune: Es kommt ein Beben und schwerer Hagel.138

ad a. 882: Blitz, Donner, Hagel, dass kein Sterblicher so etwas früher erlebt zu haben behauptete, (…) zackigem, ungleichem Aussehen139

|| 129 Offb 8,5. 130 Offb 8,7. 131 Offb 8,8–9. 132 Offb 8,10–11. 133 Annales Fuldenses, ad a. 868. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 67: Eodem anno stella cometes per aliquot noctes apparuit fontes quoque et flumina propter nimiam imbrium inundationem crescendo intumuerunt et per diversa loca in frugibus et aedificiis damnum fecere non modicum. Hanc plagam fames etiam magna cum ingenti pernicie humani generis per totam Germaniam et Galliam secuta est. 134 Offb 8,12–13. 135 Offb 9,1–12. 136 Offb 9,13–21. 137 Annales Fuldenses, ad a. 874. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 83; FSGA 7, 96 f.: Hoc anno fame et pestilentia per universam Galliam et Germaniam grassantibus pene tercia pars humani generis consumpta est. 138 Offb 11,19–12. 139 Annales Fuldenses, ad a. 882. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7 (Fortsetzung der Altaicher HS), 97– 99: Nam in XII. Kal. Aug. luce postmedia tenebrosa subito caligo tota castra operuit, fulgure et tonitruo,

Topoi, Prodigien und Wunderberichte | 743

Aufgrund der geringen Parallelüberlieferung ist der Wert von einem Drittel Verstorbener jedenfalls als deutliche Übertreibung anzusehen, verursacht durch ein wortgenaues Festhalten an der Offenbarung des Johannes. Damit wird die Nachricht über den Tod eines Drittels der Bevölkerung im Jahr 874 aufgrund einer Seuche in Kombination mit einer Hungersnot in der historischen Dimension zu einem Topos. Nach einem solchen sollte auch an anderer Stelle – beim „Schwarzen Tod“ von 1348 bis 1352 wird ebenso ein Drittel der Bevölkerung den Verstorbenen zugerechnet – noch stärker grundsätzlich gesucht werden. Vor dem Fuldaer Annalisten scheint bereits Theophilus von Edessa140 diesen Topos verwendet zu haben, als er für das Jahr 700 von einer derart großen Epidemie berichtet, dass ein Drittel der Menschheit daran gestorben sei. In der Folgezeit griff auch Cosmas von Prag zum Jahr 1074 wieder den Topos vom Tod eines Drittels der Menschheit auf. Der Autor der Annales Fuldenses stand und steht immer noch in dem Ruf empirisch genau und objektiv zu beschreiben und Augenzeugenberichte zu dokumentieren. Betrachtet man jedoch seine Darstellung im Umfeld des Jahres 873 wird deutlich, dass der Annalist versucht hat, das von vielen anderen Quellen genannte Auftreten der Heuschrecken als klares Zeichen wie bei der fünften Posaune aus der Offenbarung des Johannes zu deuten. Dafür musste er in seiner Schilderung auch mit anderen Posaunen in Zusammenhang stehende Naturextreme unterbringen. Am deutlichsten wird dies im Jahreseintrag zum Jahr 874, bei dem er die bei der sechsten Posaune genannte Menge von Toten, ein Drittel der Menschheit, in seinen Text einbaut. Wäre tatsächlich diese hohe Anzahl an Toten zu beklagen gewesen, wäre dafür durchaus auch Parallelüberlieferung zu erwarten, die aber gänzlich fehlt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die vom Fuldaer Annalisten verwendeten Topoi in ihrer Anordnung an der Offenbarung des Johannes orientieren, dass der Verfasser der Einträge zwischen 829 und 882 aber letztlich auch das Problem hat, dass das Weltenende ausblieb. Ein Punkt auf den er nicht einging.

|| concrepente instans talis grando, ut nullus antea mortalium se tale quid videre profiteretur; non, ut solitum est lapides descendere, plana et equali superficie, sed cornuta et inequali et aspera facie omnibus cernentibus insolitum et magnum spectaculum praebuit. 140 Theophilus of Edessa's Chronicle, ad a. 700. Ed. Hoyland, 193 [Theophanes]: There was a great plague. Ebd. [MSyr]: There was a great plague to the extent that a third of the people of the world wiped off the face of the earth.

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5.2 Maßnahmen bei Ungunst durch Hungersnot 5.2.1 Witterungsextreme als militärisches Mittel Das winterliche Wetter hat nicht erst in den Kriegszügen Napoleons oder des Zweiten Weltkrieges entscheidenden Einfluss auf den Verlauf von Feldzügen gehabt. Die mittelalterliche Kriegsführung sah überwiegend Sommerfeldzüge und Überwinterung in sicheren Quartieren vor. Als Beispiel mag der Eintrag in den Annales Bertiniani zum Jahr 839 dienen, in dem es heißt: „Durch diese Umstände genötigt und auch durch die Strenge des einbrechenden Winters behindert, begab sich der Kaiser, nachdem er den Rest des Heeres entlassen hatte, nach Poitiers in die Winterquartiere.“141 Es gibt jedoch nicht wenige Beispiele, dass Herrscher bewusst versuchten, genau dieses allgemein bekannte und genutzte, sicherlich auch wirtschaftlich sinnvolle Muster zu durchbrechen und sich dadurch einen militärischen Vorteil zu verschaffen. So gaben sich laut Vita Hludowici bei der Belagerung Barcelonas im Jahr 801 einige der Belagerten der Hoffnung hin, „dass die Franken durch die Strenge des Winters von der Belagerung der Stadt abgehalten würden. Aber ihre Hoffnung machte der Rat kluger Männer zunichte. Man brachte nämlich von überall her Bauholz zusammen und fing dann an Hütten zu bauen, um in ihnen den Winter zu verbringen.“142 Die Nutzung von Naturereignissen, die unter normalen Umständen eine Gefährdung für alle Beteiligten darstellen und deshalb dazu führen, dass Kriegskampagnen in der Winterzeit eingestellt werden, konnte als Überraschungsmoment genutzt werden. Im Jahr 934 war der Frost – nach irischen Annalen – so extrem, dass die großen Wasserflächen zu froren. Der Frost führte in diesem Jahr aber nicht dazu, dass sich alle Konfliktparteien in ihre Lager begaben, um auf das Frühjahr zu warten, sondern zog nach sich, dass die Dänen, die sonst nicht vorhandenen Eisflächen als Basis nutzten, um plündernd umherzuziehen.143 Auch bei Widukind von Korvei ist eine derartige Nutzung des Winters zu finden: Als König Heinrich I. während seiner Kämpfe gegen die Slawen auch die Burg Brandenburg (Brennaburg) belagerte,144 ließ er auf der gefrorenen Havel das Lager aufschlagen. Schließlich nahm er in dem sehr harten Winter die Brennaburg

|| 141 Annales Bertiniani, ad a. 839. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 17; FSGA 6, 50 f.: Qua imperator necessitate compulsus, et asperitate hiemis imminentis detentus, absoluto reliquo exercitu, ad Pictavos in hiberna concessit. 142 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 13. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 316: (…) aliqui vero spe animabantur inani, cogitantes quod Franci hiemis asperitate a civitatis / cohiberentur obsidione. Sed hanc illorum spem abscidit prudentium virorum consilium. Advecta enim undecumque materie, coeperunt extruere casas, veluti ibidem in hibernis mansuri. 143 Annals of Clonmacnoise, ad a. 934. Ed. Murphy, 152: There was such drouth and Ise over loghs & the waters of Ireland this yeare that the Danes went to Inis Moghty [Inishmot] upon ice and spoyled and ransacked the same. 144 Vgl. RI II, 1, Nr. 23b.

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mit Hunger, Schwert und Kälte ein.145 Widukind deutet hier Hunger und Kälte, die er sonst eigentlich als Katastrophen darstellt, als politisch-militärische Mittel der Kriegsführung und nutzt dafür Formulierungen von Cicero.146 In einem weiteren Beispiel lässt Widukind auf den Tod Herzog Giselberts in der Schlacht von Andernach im Oktober 939 einen sehr harten Winter und diesem eine gewaltige Hungersnot folgen.147 Widukind stellt eine Belagerung mitten im Winter dar, indem er einen Täuschungsversuch Immos andeutet, „der die Waffen gegen den König erhob und sich mitten im Winter von einem Heere eingeschlossen samt seiner Burg ergeben musste.“148 Der Autor selbst verunsichert den Leser mit zweifelhaften Informationen, indem er fragt, ob ernstlich oder zu Schein. Er nutzt den Winter in seiner Darstellung aber auch genau andersherum. Wie im Kapitel zum Winter bereits ausführlich dargestellt, begründet Widukind den Abbruch des Feldzugs von Otto I. ins Westfrankenreich im Jahr 946 in seiner Darstellung mit dem Wintereinbruch149 Der Feldzug ist von Flodoard von Reims allerdings nicht ausführlicher beschrieben worden. Dieser räumt dem Kampf gegen die Dänen, der bei Widukind den Hauptteil ausmacht, nur einen Satz ein und erwähnte keinen hereinbrechenden Winter.150 Es wird klar, dass Widukind die Winter nicht nach ihrem Auftreten dokumentiert, sondern als Bestandteil der Stilistik seiner Darstellung gezielt einsetzt. Nach der Chronik Hermanns von Reichenau fiel der Ungarnkönig Peter Orseolo (1008–1046)151 im Winter 1039 in das Gebiet eines fremden Reiches ein und verheerte

|| 145 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 1, 35. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 49 f.: Demum hieme asperrima castris super glaciem positis cepit urbem quae dicitur Brennaburg fame ferro frigore. 146 Cicero, In pisonem, 40: (…) exercitus nostri interitus ferro, fame, frigore, pestilentia. 147 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 26. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 89: Necem ducum asperrima hiemps hiemque secuta est fames validissima. Siehe dazu Kap. 3.6.3 Kalte Winter im 10. Jahrhundert. 148 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 2, 27. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 89: Post haec Immo, re vera nescio an falso, arma sumit contra regem, et media hieme circumdatus exercitu se pariter cum urbe tradidit, ac deinceps fidelis et utilis permansit. Der Bearbeiter der MGH bezweifelte zwar das Verhalten Immos, nach Flodoard haben die Lothringer sich aber in dem Jahr von Otto I. weg zu Ludwig begeben und erster musste sie gewaltsam zurückgewinnen. 149 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, 3, 4. Ed. Lohmann/Hirsch, MGH SS rer. Germ. 60, 107: Exinde collecta ex omni exercitu electorum militum manu Rothum Danorum urbem adiit; sed difficultate locorum asperiorique hieme ingruente, plaga eos quidem magna percussit, incolumi exercitu infecto negotio post tres menses Saxoniam regressus est, urbibus Remense atque Lugduno cum caeteris armis captis Hluthowico regi concessis. 150 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 946. Ed. Lauer, 103; Ed. Fanning/Bachrach, 44 f.: Sicque trans Sequanam contendentes, loca quaeque praeter civitates gravibus atterunt depraedationibus, terramque Nortmannorum peragrantes, loca plura devastant; indeque remeantes, regrediuntur in sua. 151 Vgl. Schmitt, Peter Orseolo (1993), 1931 f.

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es mit Raub, Brand und Verschleppung von Gefangenen.152 Für den Reichenauer Mönch war ein Kriegszug im Winter anscheinend nicht ungewöhnlich, denn an anderer Stelle vermerkte er zum Jahr 1042: „König Heinrich drang im Winter mit Heeresmacht in Burgund ein (…).“153 Eine Instrumentalisierung einer Hungersnot findet sich in der Chronik Bernolds von St. Blasien zum Jahr 1092: „In Sachsen herrschte große Hungersnot, und sie zwang auch die Fürsten des Landes, in diesem Jahr zeitweilig in andere Gegenden zu ziehen. Deshalb konnte auch die allgemeine Versammlung nicht stattfinden, welche die Fürsten Schwabens mit den Sachsen abhalten wollten.“154 Ganz konkret beschreibt Bernold hier witterungsbedingte Migrationsbewegungen, ausgelöst durch Mangel an Lebensmitteln und dadurch hervorgerufenen Hunger. Des Weiteren wurden auch Nebel für den Krieg genutzt: In der in den Annales Bertiniani zum Jahr 839 genannten Vision eines angelsächsischen Presbyters, wird ein Verlust der Ernte und ein militärischer Einfall von Heiden genannt. Bei letzteren wird eine Verbindung mit dem Wetterphänomen Nebel hergestellt: „Drei Tage und drei Nächte lang wird sich über ihre Länder ein dicker Nebel legen und die Heiden werden sofort mit einer ungeheuren Anzahl von Schiffen über sie kommen und den größten Teil des christlichen Volkes und Landes nebst allem, was sie besitzen, mit Feuer und Schwert verwüsten. Doch wenn sie jetzt noch wahre Buße tun und ihre Sünden nach Gottes Gebot durch Fasten, Gebet und Almosen sühnen wollen, so werden sie diesen Strafen und Gefahren durch die Fürsprache des Heiligen entgehen können.“155 Ob der Nebel oder andere Witterungsereignisse tatsächlich einen Angriff begünstigten, ist nicht auszuschließen, hierzu bedarf es noch weiterer Forschung.

|| 152 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1039. Ed. Pertz, MGH SS 5, 123; FSGA 11, 672 f.: Peter, rex Ungariorum, hieme terminos regni sui invadens praedis, incendiis et captivitate depopulatur. 153 Hermann von Reichenau, Chronicon, ad a. 1042. Ed. Pertz, MGH SS 5, 124; FSGA 11, 674 f.: Heinricus rex hieme Burgundiam invasit (…). 154 Bernold von Konstanz, Chroniken, ad a. 1092. Ed. Robinson, MGH SS rer. Germ. N. S. 14, 454; FSGA 14, 386 f.: Magna fames totam Saxoniam occupavit, quae et principes illius provinciae in alias regiones eo anno ad tempus discedere coegit. Unde et generalis conventus fieri non potuit, quem principes Alemanniae cum Saxonibus habere voluerunt. 155 Annales Bertiniani, ad a. 839. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 19; FSGA 6, 42 f.: (…) videlicet tribus diebus et noctibus super terram illorum nebula spississima expandetur, et statim homines pagani cum inmensa multitudine navium super illos venient et maximam partem populi et terrae christianorum cum omnibus quae possident igni ferroque devastabunt. Sed tamen, si adhuc veram poenitentiam agere volunt et peccata illorum iuxta praeceptum. Domini in ieiunio et oratione atque elemosinis emendare studuerint, tunc has poenas et pericula per intercessionem sanctorum evadere poterunt.

Maßnahmen bei Ungunst durch Hungersnot | 747

5.2.2 Vieh- und Ernteraub als militärisches Mittel Die Verantwortung des Herrschers für die Versorgungslage der Bevölkerung zwang diesen, im Fall ausbleibender Ernte Maßnahmen zu ergreifen. Je stärker der erwartete Wegfall von Ernährungsmöglichkeiten war, umso größer wurde der Handlungsbedarf. Es lassen sich mehrere Stationen für eine solche sich verschärfende Situation annehmen: 1) Bei einer normalen Ernte besteht kaum herrscherlicher Handlungsbedarf. 2) Bei einer aufgrund von zu viel oder zu wenig Niederschlag verringerten Ernte muss die pflanzenbasierte Lebensmittelproduktion auf Agrarflächen, ganz überwiegend Getreide, durch tierbasierte Nahrungsmittel und Früchte des Waldes ausgeglichen werden. 3) Wird die Ernte aufgrund von Naturextremen (etwa Hagel) komplett vernichtet, müssen Waldfrüchte und Tierprodukte vollständig als Ersatz herangezogen werden. 4) Ist im schlimmsten Fall die Ernte zur Gänze vernichtet und sterben die Nutztiere aufgrund einer Tierseuche, fallen die beiden Hauptstützen der Ernährung weg und es kommt zu einer Hungersnot. In diesem Fall bleiben als Handlungsoptionen nur Raubzüge in Nachbargebiete, um dort Nahrungsmittel oder Tierherden zu stehlen und der eigenen Bevölkerung zum Verzehr zu überlassen. Der Vieh- und Ernteraub wird hier also nicht – wie im Spätmittelalter die Chevauchée – als militärisches Mittel zur Störung des Gegners eingesetzt, sondern als Mittel um die eigene Bevölkerung in einer Notlage mit Nahrung zu versorgen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln beruht in Zeiten, die vor allem agrarisch geprägt sind, auf der Produktion pflanzlicher und tierischer Lebensmittel. Während sich große Getreidevorräte nur mit großem logistischen Aufwand bewegen lassen, ist die Verschleppung von Tierherden vergleichsweise einfach und schnell möglich. Das Spektrum reicht dabei von freiwilligen Abgaben bis zu Verheerungszügen. Ein Beispiel für eine erzwungene Abgabe von jährlich 500 Rindern als Tributzahlung findet sich bei Fredegar.156 Diese wurden zur Zeit Dagoberts I. von den Sachsen regelmäßig abgegeben. Belegt sind sie im Jahr 632/633 und sie werden noch für das Jahr 748 erwähnt.157 Nach Gregor von Tours wurden in der Folge von Hungerkatastrophen in den Jahren 584 und 585 militärische Aktionen durchgeführt, die er folgendermaßen charakterisierte: „Und auf diesem Zug wurde so geraubt und verheert, dass man es kaum

|| 156 Fredegar, Chronik, 4, 74. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 158: Anno decemo regni Dagoberti. (…) Sed parum haec promissio sortitur aefectum; tamen tributo Saxones, quem reddere consuaeverant, per preceptionem Dagoberti habent indultum. Quinnentas vaccas inferendalis 6 annis singolis a Chlothario seniore censiti reddebant, quod a Dagoberto cassatum est. 157 Fredegar, Chronik, 31. Ed. Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, 181: Quod videntes Saxones, consueto timore conpulsi, multi ex eis iam trucidati et in captivitate missis, regiones eorum igneque crematis, pacem petentes, iure Francorum sese, ut antiquitus mos fuerat, subdiderunt et ea tributa quae Chlotario quondam prestiterant plenissima solutione ab eo tempore deinceps esse reddituros promiserunt.

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beschreiben kann. Sie plünderten die Hütten der Armen, verwüsteten die Weinberge, sodass sie die Weinstöcke mit den Trauben abschnitten und wegnahmen, trieben das Vieh fort und nahmen alles, was sie finden konnten; nichts ließen sie auf der Straße zurück, die sie beschritten. (…) So geschah es auch hier zu dieser Zeit; was der Reif ließ, zerschlug der Hagel, was der Hagel ließ, verbrannte die Dürre, und was die Dürre ließ, nahm das Heer.“158 Diese stilistisch gesteigerte Schilderung ist nicht die einzige, die Gregor zu diesen Ereignissen geliefert hat. Ausführlicher schildert er, ein Buch später, dass im Jahr 584 im Streit um die Ermordung des Bruders von König Gunthramn der Verdächtige Eberulf in die Kirche des hl. Martin flüchtete, die dieser (Eberulf) selbst früher beraubt habe. Durch Bewachung wurde er daran gehindert, das Gebäude zu verlassen. Als Wachen dienten Leute aus Orléans und aus Blois. „Jeweils nach fünfzehn Tagen kehrten sie dann mit viel Beute zurück, wobei sie Zugvieh, Schafe und alles sonst mit sich nahmen, was sie fortbringen konnten.“159 Im darauffolgenden Abschnitt schildert Gregor, dass jene, die das Vieh des hl. Martin gestohlen hatten, sich gegenseitig mit ihren Speeren erstachen oder von anderen erstochen wurden und die Tiere zum hl. Martin zurückkamen. Weiter erzählt er: „Indessen wurden die Güter des Eberulf an verschiedene Personen verteilt. (…) Auch seine Pferde-, Schweine- und Rinderherden wurden ihm genommen.“160 Dies zeigt die strukturellen Grundlagen, aus denen die tierbasierten Nahrungsmittel geschöpft werden konnten. Als König Gunthramn I. im Jahr 585 versuchte, Spanien zu unterwerfen, ging dies mit Verheerungen der Feldfrüchte und Herden einher. So heißt es bei Gregor von Tours, nach der Beschreibung der Zusammenziehung des eigentlichen Heeres: „Die Völker aber, welche jenseits der Saône, Rhône und Seine wohnen, stießen zu den Burgundern und richteten längs der Ufer der Saône und Rhône an den Feldfrüchten und Herden großen Schaden an. (…) Gleiche Greuel vollführten auch die Leute von Bourges, Saintes, Périgeux, Angoulême und aus den übrigen Städten, die damals unter der Herrschaft Gunthramns standen und sie drangen bis zur Stadt Carcassonne

|| 158 Gregor von Tours, Libri historiarum, 6, 45. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 319; FSGA 3, 78–83: Per quam via tanta spolia tantaquae praedae factae sunt, ut vix valeant enarrare. Nam hospiciola pauperum spoliabant, vineas devastabant, ita ut incisis codicibus cum uvis auferrent, levantes pecora vel quicqid invenire potuissent, nihil per viam quam gradiebantur relinquentes; impletumque est quod dictum est per Iohel propheta: ‚Residuum locustae comedit eruga, et residuum erucae comedit brucus, et residuum bruci comedit rubigo.’ Ita et hoc actum est tempore, ut residuum proinae proteriret tempestas et residuum tempestatis exuiret siccitas et residuum siccitatis auferret hostilitas. 159 Gregor von Tours, Libri historiarum, 7, 21. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 340; FSGA 3, 114 f.: (…) impletisque quindecim diebus, cum praeda multa revertebantur, adducentis iumenta, pecora vel quodcumque derepere potuissent. 160 Gregor von Tours, Libri historiarum, 7, 22. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 340; FSGA 3, 114 f.: Dum haec autem agerentur, res ipsius Eberulfi diversis conceduntur. (…) Greges etiam aequorum, porcorum iumentorumque diripiuntur.

Maßnahmen bei Ungunst durch Hungersnot | 749

vor“161. Fasst man Gregors Einträge zu den Jahren 584 und 585 abseits der politischen Geschichte zusammen, bleibt eigentlich nur „Wirtschaftskriminalität“ übrig. Vor allem Viehherden wurden hier gewaltsam weggeführt. Dies nicht ohne Grund: Denn während nach Gregor 582/583 eine Seuche das Vieh befallen hatte, herrschte im Jahr 585 eine Hungersnot in Gallien und Burgund. Dies würde erklären, warum der Viehdiebstahl die beschriebenen Ausmaße annahm oder sogar annehmen musste. Für die Zerstörung von Feldfrüchten sei ein weiteres Beispiel angeführt: In der Vita Hludowici heißt es zum Jahr 798: „Als er [Ludwig] sich Barcelona näherte, kam ihm Zaddo, der bereits unterworfene Herzog der Stadt, entgegen, übergab ihm aber die Stadt nicht. Der König zog an ihr vorbei und erschien plötzlich vor Lérida, das er unterwarf und vernichtete. Nach dessen Zerstörung und nachdem die übrigen Städte verwüstet und verbrannt waren, ging er bis Huesca vor. Die ertragreichen Felder um die Stadt wurden vom Kriegsvolk abgemäht, verwüstet, verbrannt und alles, was man außerhalb der Stadt antraf, wurde durch das verzehrende Feuer vernichtet. Als dies ausgeführt war, kehrte er, vor Anbruch des Winters nach Hause zurück.“162 Die hier angewendete Taktik entspricht den bereits erwähnten spätmittelalterlichen Chevauchée. Die hier vermittelte Sicht ist die der Zerstörer, die hinweggeführte Beute findet keine Erwähnung. Ergebnisse und Folgen eines solchen Zerstörungszuges, diesmal aus Sicht der Betroffenen, schildern die Annales Bertiniani zum Jahr 843: „Lothar und Ludwig blieben innerhalb der Grenzen ihrer Reiche und hielten Frieden. Karl durchzog Aquitanien. Während er hier weilte, töteten der Bretone Nomenogius und Lantbert, die kürzlich von ihm abgefallen waren, den Herzog Rainald von Nantes und nahmen mehrere gefangen. Indem nun von allen Seiten so viele große Übel fortdauernd auftauchten und der Räuber überall alles wegnahm, sahen sich an vielen Orten in ganz Gallien die Menschen gezwungen, aus Erde mit etwas Mehl vermischtes Brot zu machen und dieses zu essen. Und es war eine bejammernswerte, ja höchst fluchwürdige Tatsache, dass während die Pferde der Verwüster Überfluss an Futter hatten,

|| 161 Gregor von Tours, Libri historiarum, 8, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov 1.1, 393; FSGA 3, 198 f.: Tunc commoto omni exercitu regni sui, illuc dirigit. Gentes vero, quae ultra Ararem Rhodanumque et Sequanam commanebant, cum Burgundionibus iunctae, Arareca Rhodaniticaque litora tam de fructibus quam de pecoribus valde depopulati sunt. (…) Similiter et Byturigi, Sanctonici cum Petrocoricis, Ecolesenensibus vel reliquarum urbium populum, qui tunc ad antedicti regis imperio pertenebant, usque ad Carcasonam urbem devecti, similia mala gesserunt. 162 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 10. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 310 f.: Cui Barcinnonae appropianti Zaddo dux eiusdem civitatis iamque subiectus occurrit, nec tamen civitatem dedidit. Quam transgrediens rex, et Hillerdae superveniens, subegit illam atque subvertit. Qua diruta, et ceteris municipiis vastatis atque incensis, ad Hoscam usque processit. Cuius agros segetibus plenos manus militaris secuit, vastavit, incendit, et quaecumque extra civitatem sunt reperta, incendio depascente sunt consumpta. Quibus expletis, imminente iam hieme ad propria rediit.

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die Menschen sogar an solchem mit Erde vermischten Brot Mangel litten.“163 Der Annalist gibt einen anschaulichen Einblick in den Fortgang der Ernährungslage, denn zum Jahr 844 ergänzt er: „Der Winter war sehr mild und bis Anfang Februar durch schönes Wetter gemäßigt.“164 Für das Jahr 845 schreibt er dann aber: „Der Winter war sehr hart. (…) Eine schwere Hungersnot verzehrte das niedere Gallien, sodass sie, als sie sich immer mehr steigerte, tausende Menschen fortraffte.“165 Gegenseitige Zerstörungszüge schildern auch die Annales Fuldenses zum Jahr 851: „Die Sorben verletzten das Gebiet der Franken durch häufige Einfälle und Brandstiftungen, das veranlasste den König mit Heeresmacht durch Thüringen in ihr Land einzudringen, wo er sie schwer bedrängte und nach Vernichtung der Feldfrüchte und Wegnahme aller Hoffnung auf Ernte mehr durch Hunger als durch das Schwert bändigte.“166 Im 10. Jahrhundert beschreiben die westfränkischen Annalisten die ostfränkischen Herrscher gerne als Räuber und Viehdiebe: So schreibt Flodoard von Reims zum Jahr 923: „Während dies geschah, wurde bekannt, dass Heinrich I., ermuntert von Graf Giselbert und Bischof Ruotger von Trier, die sich König Rudolf noch nicht unterworfen hatten, den Rhein überschritt und in das Königreich Lothars einfiel. Er verwüstete das Gebiet zwischen Rhein und Mosel, führte das Vieh und Großvieh mit sich weg, schaffte anderen Reichtum weg, und nahm viele Menschen gefangen, darunter auch jede Menge junge Leute.“167 Ganz ähnlich stellt Richer von Reims einen Raubzug Ottos I. nach Lothringen im Jahr 939 dar. In diesem Zusammenhang ist eine

|| 163 Annales Bertiniani, ad a. 843. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 29; FSGA 6, 60 f.: Hlotharius et Hludowicus intra fines regnorum suorum sese cohibentes, pacifice degunt, Karolus Aquitaniam pervagatur. Quo illic constituto, Nomenogius Britto et Lantbertus, qui nuper ab eius fidelitate defecerant, Rainaldum Namnetorum ducem interficiunt, complures capiunt. Emergentibus igitur hinc inde tot tantisque incessabiliter malis, vastante passim cuncta raptore, coacti sunt per multa totius Galliae loca homines terram mixta paucitate farinae atque in panis speciem redactam comedere, eratque lacrimabile, immo execrabile nimium facinus, ut iumenta raptorum pabulis habundarent et homines ipsius terrenae admixtionis crustulis indigerent. 164 Annales Bertiniani, ad a. 844. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 30; FSGA 6, 62 f.: Hiems mollissima et usque ad Kalendas Februarii quadam temperie modificata. 165 Annales Bertiniani, ad a. 845. Ed. Waitz, MGH SS rer. Germ. 5, 32; FSGA 6, 64 f.: Hiems asperrima. (…) Fames valida Galliae inferiora consumit, adeo ut multa hominum milia eadem invalescente absumpta sint. 166 Annales Fuldenses, ad a. 851. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 7, 41; FSGA 7, 42 f.: Sorabi Francorum fines crebris incursionibus atque incendiis infestant. Unde rex commotus cum exercitu per Thuringiam iter faciens terram eorum ingressus gravi eos obsidione fatigavit; perditisque frugibus et omni spe victus adempta magis eos fame quam ferro perdomuit. 167 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 923. Ed. Lauer, 18; Ed. Fanning/Bachrach, 10: Dum haec geruntur, Heinricus, invitantibus se Gisleberto comite et Rotgario Trevirorum praesule, qui necdum se Rodulfo subdiderant, Rhenum transmisisse regnumque Lotharii depraedari nuntiatur. Depopulatus est autem quod inter Rhenum et Mosellam interiacet, gregum armentorumque abductione ac ceterarum opum exhaustu, cum plurimorum quoque iuventutis captivitate.

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von Liudprand von Cremona zum Jahr 939 überlieferte große Hungersnot zu erwähnen, die „Italien durch ihre Größe elendiglich verwüstete.“168 Nach Flodoard hat König Otto viele Orte in Lothringen geplündert und brandgeschatzt.169 Von der Beute, die Otto auf diesem Raubzug erlangte, versuchte sich Giselbert im direkten Gegenzug einiges zurückzuholen, bis er bei diesem Versuch am 2. Oktober 939 starb. An dieser Stelle zählt Richer von Reims auch detailliert auf, was Otto gestohlen hatte, nämlich Großvieh und Viehherden.170 Von Flodoard von Reims wird für dieselbe Zeit ein Zug der Angelsachsen überliefert, der ebenfalls schon sehr an das Muster der späteren Chevauchées erinnert: „Nachdem die von König Aethelstan gesandte Flotte der Angeln das Meer überquert hatte, um König Ludwig zu helfen, plünderte sie die Küste Flanderns. Ohne etwas von ihrem Auftrag erfüllt zu haben, kehrten sie zurück über das Meer, woher sie gekommen waren.“171 Für die Zeit des ausgehenden 10. und beginnenden 11. Jahrhunderts ist in der irischen und schottischen Überlieferung eine ganze Reihe von Nachrichten über Tiere, besonders über Rinder, überliefert, die weggeführt, also gestohlen wurden. So berichten die Annalen von Ulster über einen Raubzug im Jahr 968, bei dem eine große Menge Rinder geraubt wurden.172 Auch das Chronicum Scotorum überliefert zum Jahr 978, dass von den Fremden 2000 Rinder gestohlen worden seien.173 Ähnlich berichten die Annalen von Clonmacnoise, im Jahr 989 habe die Bevölkerung von Uriell jener von Ardmach ebenfalls 2000 Rinder gestohlen.174 Im Jahr 990 drangen, laut Chronicum Scotorum, die Leute von Maelsechlainn in das Gebiet von Connacht ein, um eine große

|| 168 Liudprand von Cremona, Antapodosis, 5, 2. Ed. Chiesa, 124; FSGA 8, 450 f.: subsecuturam nun multo post famem portendens, quae magnitudine sui misere vastabat Italiam. 169 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 939. Ed. Lauer, 72; Fanning/Bachrach, 31 f.: Otho rex, Rheno transmisso, regnum Lothariense perlustrat, et incendiis praedisque plura loca devastat. 170 Richer von Saint-Remi, Historiae, 18–19. Ed. Hoffmann, MGH SS 38, 2, 110 f.: Multam itaque predam Otto abducens Rhenum transiit. (…) At Gislebertus dux dedecoris iniuriam ultum ire volens, omnem Belgicam lustrat, ac tirones lectissimos in unum cogit, senes tantum emeritos patriae linquens. Factoque exercitu, Rhenum transmeat, ac patriam solotenus incendiis ingentibus vastat. Armentorum etiam pecudumque predam nimiam exercitus a congregat abducitque. 171 Flodoard von Reims, Annales, ad a. 939. Ed. Lauer, 73; Fanning/Bachrach, 31 f.: Anglorum classis ab Alstano, rege suo, in auxilium Ludowici regis transmissa, mare transito, loca quaeque Morinorum mari depraedatur contigua; nulloque negotio propter quod venerant redacto, remenso mari, propria repetunt loca. 172 Annals of Ulster, ad a. 968. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 407: Domnall ua Néill led an army to Laigin and plundered them from Berba westwards to the sea, taking a great spoil in cows, and he beleaguered the foreigners and the Laigin for the months. 173 Chronicum Scotorum, ad a. 978. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 227: „They obtained their demand from Foreigners, viz., 2000 cows.“ 174 Annals of Clonmacnoise, ad a. 989. Ed. Murphy, 163: They of Uriell preyed Ardmach, and tooke from thence 2000 cows.

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Zahl von Rindern zu stehlen.175 Dieselbe Chronik beschreibt, dass 994 die Leute von Airghialla jene in Ard-Macha überfallen und ebenfalls 2000 Rinder gestohlen hätten.176 Auch für das Jahr 1013 nennt diese Quelle den Abtransport von mehreren tausend Gefangenen und Vieh,177 für das Jahr 1027 die Abgabe von 1200 Rindern und einer Anzahl von britischen Pferden.178 Mit anderen Details (welsche Pferde, Gold, Silber etc.) und zum Jahr 1029 ist wohl dieselbe Nachricht auch in den Annalen von Ulster überliefert,179 dort wird auch die Rückforderung der Rinder als Gegenleistung für die Herausgabe einer Geisel erwähnt.180 Die Annalen von Loch Cé überliefern zum Jahr 1044 den Abtransport von 1200 Rindern,181 zum Jahr 1053 von 300.182 Dieselbe Anzahl von Rindern wird auch in den Annalen von Ulster erwähnt, dort heißt es, im Jahr 1050 wurden 300 Rinder gestohlen183 und 1053 noch einmal 300.184 Gemäß denselben Annalen kam es im Jahr 1059 zu einem Überfall in Dál Araide, bei dem viele Herden und 200 Menschen geraubt wurden.185 Im Jahr 1064 fielen, nach den Annalen von Inisfallen, die Leute von Tairdelbach in Corcu Duibne und Eógan acht ein und

|| 175 Chronicum Scotorum, ad a. 990. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 233: A hosting by Maelsechlainn into Connacht; and he brought with him from thence a great prey of cows. 176 Chronicum Scotorum, ad a. 994. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 235: The Airghialla plundered ArdMacha, and took 2000 cows out of it. 177 Chronicum Scotorum, ad a. 1013. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 255: (…) and carried off many thousands of captives and cattle. 178 Chronicum Scotorum, ad a. 1027. Ed. Hennessy, Rolls series 46, 267: (…) and detained until he delivered 1200 cows, and six score British horses. 179 Annals of Ulster, ad a. 1029. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 465: Amlaíb son of Sitriuc, king of the foreigners, was held prisoner by Mathgamain ua Riacáin, king of Brega, and as his ransom he gave up 1,200 cows and six score Welsh horses and sixty ounces of gold and the sword of Carlus and Irish pledges both of Laigin and Conn’s Half, and sixty ounces of pure silver; and four score cows was the portion of the award and the bequest, with four pledges, to ua Riacáin himself for peace, and full compensation ort he release of one of the three pledges. 180 Annals of Ulster, ad a. 1029. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 465: Olaf son of Sitric, king of the Foreigners, was taken prisoner by Mathghamhain Ó Riagán, king of Bregia, till he left 1200 cows and six score horses and the sword of Carlus and the son of the man that had captured him. 181 Annals of Loch Cé, ad a. 1044. Ed. Hennessy, Rolls series 54, 45: (…) when he carried of 1.200 cows. 182 Annals of Loch Cé, ad a. 1053. Ed. Hennessy, Rolls series 54, 51: (…) when they carried off three hundred cows. 183 Annals of Ulster, ad a. 1050. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 489: Dub dá Leithe made a visitation of Cenél Eógain and brought away three three hundred cows. 184 Annals of Ulster, ad a. 1053. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 491: Lochlainn’s son and the men of Mag Itha made a raid on the Cenél Binnig of Loch Drochait, and took away three hundred cows and killed Dub Emna son of Cinaed, prior of Cluain Fiachna, and Cú Macha son of Cleirchén, steward of the Dál Cais. 185 Annals of Ulster, ad a. 1059. Ed. Mac Airt/Mac Niocaill, 495: A raid was made by Ardgar son of Lochlainn and the Cenél Eógain into Dál Araide, and they carried off a great cattle-prey, and killed or captured two hundred people.

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raubten unzähliges Vieh.186 Diese Raubzüge wurden zwar 1068 mit Verträgen unterbunden,187 aber bereits für das Jahr 1072 ist der nächste Raubzug überliefert.188 Eine Beute von 50 Rindern bei einem Raubzug der Leute aus Muirchertach in Connachta im Jahr 1093 nimmt sich im Vergleich zu den anderen genannten Größenordnungen bescheiden aus.189 Für den Raubzug der Leute aus Uí Méith in das Gebiet Uí Echach Ulad ist die Zahl der geraubten Rinder nicht bekannt.190 Einige, aber nicht alle dieser Datierungen korrelieren mit den in den Jahren 976, 994, 1012 und 1044 dokumentierten Hungersnöten in Nordeuropa.

5.2.3 Vorchristliche Maßnahmen: Den König töten? Die Ernährung des Volkes nicht gewährleisten zu können, stellt jeden Herrscher vor ein großes Problem, denn das Volk sucht schnell einen Schuldigen, wenn es den Hunger nagen spürt. In vorchristlichen Bevölkerungsgruppen scheint dabei der Tod des Königs191 ein probates und häufig eingesetztes Mittel gewesen zu sein, um einen Wechsel der Situation herbeizuführen, in der Hoffnung, dass dabei auch der Hunger verschwinde. Die Quellen zu dieser Thematik fließen nicht gerade reichlich, aber es gibt einige anschauliche Beispiele, so in Snorris Königsbuch zum 7. Jahrhundert: „Eine große Menge Volks wurde durch König Ivar Witfaden aus Schweden landflüchtig. Die hörten, dass bei Olaf dem Baumfäller in Vermland gute Lebensbedingungen seien, und so strömten zu ihm so viele Menschen zusammen, dass das Land sie nicht ernähren konnte. Es gab daselbst ein böses Mißjahr und Hungersnot. Das schoben sie auf ihren König, denn die Schweden pflegen gute und schlechte Jahre ihren Königen zur Last zu legen. König Olaf gab sich nur wenig mit

|| 186 Annals of Inisfallen, ad a. 1064. Ed. Mac Airt, 223: A great foray by Tairdelbach into Corcu Duibne and Eógan acht, and it is impossible to enumerate all the cows and other cattle taken on that raid. 187 Annals of Inisfallen, ad a. 1068. Ed. Mac Airt, 225: A law and ordinance was made by Tairdelbach Ua Briain-and no better law was enacted in Mumu for a long time-with the result that neither cow nor horse was housed [at night] but allowed to wander at will. 188 Annals of Inisfallen, ad a. 1072. Ed. Mac Airt, 229: Tairdelbach Ua Briain went to Osraige and Laigin, burned Uí Cheinnselaig and brought away much booty and cows, and took hostages from it as well as from Laigin. And the foreigners gave him the kingship of Áth Cliath, and he made prisoner the sons of Domnall, son of Mael na mBó, in Áth Cliath, and brought back the hostages of Osraige on that occasion. 189 Annals of Inisfallen, ad a. 1093. Ed. Mac Airt, 247: A hosting by Muirchertach in Connachta, and he took fifty cows from Ua Flaithbertaig as ‘cumals’ in compensation for [the death of] Cathal’s son, and for their revolt he plundered and slew many of the Síl Muiredaig, and imprisoned Ua Conchobuir their king. 190 Annals of Inisfallen, ad a. 1096. Ed. Mac Airt, 253: A muster of the Uí Méith into Uí Echach Ulad on a foray, and they carried off cows. The Uí Echach came upon them, making a slaughter of them, and the son of Ua hAinbith and many others were killed. 191 Blattmann, Unglück (1995), 80–102.

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Blutopfern ab. Das missfiel den Schweden, und sie glaubten, daher rühre das schlechte Jahr. Daher sammelten die Schweden ein Heer, unternahmen einen Zug gegen König Olaf, umringten sein Haus und verbrannten ihn darin. Dann weihten sie ihn dem Odin, indem sie ihn dem Gotte für ein gedeihliches Jahr opferten. Das geschah am Venersee. (…) Die aber klüger waren unter den Schweden, sahen da wohl, dass der Grund des bösen Jahres war, dass mehr Menschen da waren, als das Land ernähren konnte, und dass der König daran keine Schuld trug.“192

Aufschlussreich sind die Reflektionen des Verfassers, der zwar richtig erkennt, dass die Überbevölkerung eine Landschaft bezüglich der Nahrungsbeschaffung an die Grenze führen kann, der aber auch nur beschreibt, wie ein Umschwung durch eine Opferung eines Herrschers herbeigeführt werden sollte. Dabei kann es sich um eine christliche Intention handeln, der vorchristlichen Gesellschaft eine möglichst barbarische Lösung (Herrschertod) von Wirtschaftsproblemen zuzuweisen. Hier ist nach dem Zielpublikum des Textes zu fragen. Sollten potentielle Siedler abgeschreckt werden, indem ihnen der Eindruck eines überbevölkerten Landes mit knappen Ressourcen vermittelt wird? Oder sollten Siedler angelockt werden, indem ihnen suggeriert wurde, das Land sei reich an Ressourcen, aber arm an Bewohnern? Sollte den Herrschern jegliche Abkehr vom Christentum als großer Fehler mit fatalen persönlichen Folgen dargestellt werden? Dies kann an dieser Stelle nicht näher geklärt werden. In derselben Quelle findet sich ein weiteres Beispiel zum 9. Jahrhundert: „Unter keinem König waren so viele fruchtbare Jahre gewesen wie unter König Halfdan.193 So viel hielt das Volk von ihm, dass, als man von seinem Tode hörte, und sein Leichnam nach Ringerike gebracht und dort bestattet werden sollte, die vornehmen Männer aus Romerike und Vestold und Hedemarken kamen und sie alle die Leiche mit sich nehmen wollten, um sie in ihrem Gau im Hügel beizusetzen. Sie glaubten, wenn sie den Toten bekämen, Aussicht auf ein fruchtbares Jahr zu haben. Sie einigten sich dann dahin, dass die Leiche in vier Teile zerlegt werde. Das Haupt wurde zu Stein in Ringerike beigesetzt. Aber von den anderen Gauen nahmen jeder seinen Teil mit nach Hause und setzte ihn daheim im Hügel bei. Alle diese Gräber nannte man später dann ‚Halfdanhügel‘.“194

Die sterblichen Überreste des Königs bekamen also durch die unter ihm erlebten guten Jahre einen Status, der im Christentum dem Bereich des Heiligen nahekommt. Die hier erwähnten zerlegten und an mehreren Orten begrabenen Leichenteile können unter Umständen eine Erklärung für einige andere archäologische Fundsituationen bieten. Auch auf das Grab König Heinrichs IV., der 1106 aufgrund seiner Bannung zeitweilig neben dem Speyerer Dom zwischenbestattet war, legten die Bauern Getreidekörner, in der Hoffnung, dass diese dadurch fruchtbarer würden. Der Chronist berichtet auch, dass die Erde vom Grab Heinrichs auf den Feldern verteilt würde, um

|| 192 Snorris Königsbuch, 1, 15. Ed. Niedner, 41; Ebd., 1, 43 und 70 f. 193 König Halfdan, Halfdene oder Healfden Ragnarsson (* um 837, † 877 in Irland). 194 Snorris Königsbuch, 1, 9. Ed. Niedner, 87 f.

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diese fruchtbarer zu machen.195 Auffällig ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung Ibn Faḍlāns in seiner Reiseschilderung der Jahre 921/922, nach der die Gebeine eines bekannten Herrschers durch Scheingräber geschützt wurden. Dies sollte wohl der oben beschriebenen Zerteilung oder einem Raub der sterblichen Überreste des verehrten Herrschers entgegenwirken. Damit könnte nach zeitgenössischer Vorstellung die Kraft des Herrschers in der Region seiner Grablege festgehalten worden sein.196 Insgesamt scheint der Einfluss des Herrschers auf die Ernährungslage der Gesamtbevölkerung und seine Verantwortung für fruchtbare wie für unfruchtbare Phasen in der Vorstellung der Menschen sehr groß gewesen zu sein. Im Fall von Hunger und Lebensmittelknappheit wurde er – zumindest nach dem späteren christlichen Darstellungswillen – getötet und geopfert, im Fall „fetter“ Jahre nach seinem Tod physisch zerteilt und seine Gebeine als mythische Kraftzentren betrachtet. Im Fokus der vorchristlichen Handlungsentscheidungen steht dabei die Fähigkeit des Herrschers, die Ernährungslage zu sichern. In christlicher Zeit änderte sich dies, indem das Fasten als religiöses Mittel Einzug hielt und sich der Umgang mit Hunger grundsätzlich veränderte. Konnte nun ein Herrscher die Ernährung seines Volkes trotz eingeleiteter Maßnahmen nicht gewährleisten, so stellte das nicht nur ihn, sondern alle Betroffenen vor ein großes Problem. Es wurden in der Folge Maßnahmen erlassen, welche die gesamte Bevölkerung gleichermaßen betrafen.

5.2.4 Christliche Maßnahmen: Fasten, Gebete, Prozessionen, Almosen „Im Essen jedoch konnte er nicht so enthaltsam sein, vielmehr klagte er häufig, das Fasten schade seinem Körper.“197 So beschreibt Einhard in einem Nebensatz den persönlichen Standpunkt Karls des Großen zum Fasten. Karls Einstellung hielt ihn allerdings nicht davon ab, in den Kapitularien mehrfach Fastenmaßnahmen vorzuschreiben. Insgesamt kam dem Fasten während des gesamten christlichen Mittelalters eine herausragende Rolle als Mittel gegen Hunger und Lebensmittelknappheit zu.198 Neben dem Fasten wurden aber noch andere Maßregeln ergriffen, die eine Art christliches „Krisenmanagement“ darstellen und die sich klar von vorchristlichen Maßnahmen abgrenzen lassen. Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen ergab sich häufig aus einer Häufung von Unglücksfällen, die als göttlicher Hinweis interpretiert wurden, dass die von jeweiligen Herrscher ausgeübte Herrschaft nicht im Sinne Gottes war.

|| 195 Vgl. Boshof, Heinrich IV. (1990), 117. 196 Ibn Faḍlān’s Reisebericht, § 96. Ed. Togan, 99 f. 197 Einhard, Vita Karoli magni, 24. Ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, 28 f.: Cibo enim non adeo abstinere poterat, ut saepe quereretur noxia corpori suo esse ieiunia. 198 Zur Geschichte des Rogationsfastens: Arbesmann, Fasttage (1969), 521.

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Um die göttliche Zufriedenheit und damit Gottes Wohlwollen wieder herzustellen, mussten Maßnahmen der Buße ergriffen werden, hierzu zählen Fasten, Gebete, Prozessionen und Almosen. Dies war im Mittelalter aber nicht etwa eine rein religiöse Frage, sondern in höchstem Maße politisch. Bereits Ammianus Marcellinus weist darauf hin, dass die Herrschersakralität an Bedingungen geknüpft ist. In seinen Res Gestae nennt er eine Gewohnheit der Burgunder, nach der der König sein Amt niederlegen müsse, wenn unter seiner Herrschaft das Kriegsglück schwanke oder die Erde ihre Früchte verweigere.199 Dass diese politische Aufladung nicht nur im 6. Jahrhundert galt, sondern der König das gesamte Früh- und Hochmittelalter als wundertätig angesehen wurde,200 zeigen theologische Diskussionen des 9. Jahrhunderts. Als Alkuin von York und Theodulf von Orléans im Jahr 801/802 über die richtige Buße für entflohene Kleriker diskutierten, schritt Karl der Große persönlich ein.201 Da die richtige Interpretation des Willens Gottes in höchstem Maße politisch war, musste die alleinige Verantwortung des Herrschers verringert werden. Also wurden Krisen und Katastrophen nicht mehr als göttlicher Hinweis auf ein Versagen des Herrschers, sondern auf das sündige Treiben des ganzen Volkes interpretiert. Mit dieser Argumentation gelang es den Herrschern, sämtlichen Teile der Bevölkerung eine Schuld an den Ereignissen zuzuweisen und sie so zur Leistung eines Teils der Buße zu bewegen. Das Argument der Schuldhaftigkeit des ganzen Volkes findet sich bereits im Alten Testament und konnte deshalb von den mittelalterlichen Chronisten genauso gut zur Begründung von Katastrophen verwendet werden wie vordem die alleinige Schuld des Herrschers. Dass Herrscher bereits früh gottgefällige Maßnahmen einleiteten, zeigt sich bei Gregor von Tours. Denn er unterlässt es nicht anlässlich der Beschreibung der 588 in Marseille grassierenden Epidemie (luae inguinaria) die vom Herrscher getroffenen Gegenmaßnahmen zu nennen: „Es wurde dazumal bekannt, dass Marseille von der Drüsenpest schwer heimgesucht wurde, und diese Krankheit sich schnell bis zu dem Dorf Saint-Symphorien d’Ozon im Gebiet von Lyon aufgebreitet hatte. Deshalb bedachte der König gleichwie ein guter Priester die Mittel, durch welche die Wunden des sündigen Volkes geheilt werden könnten, und befahl dem Volk, sich in der Kirche zu versammeln und mit der größten Andacht Bittgebete abzuhalten; er gebot allen, nichts anderes als Gerstenbrot und reines Wasser zu genießen und unablässig bei den Vigilien zugegen zu sein. Und dies wurde auch damals gehalten. Drei Tage hindurch, während seine Almosen noch reichlicher flossen, als gewöhnlich, betete er in so banger Sorge für sein Volk, dass er schon damals nicht nur für einen König, sondern zugleich für einen Bischof des Herrn gehalten wurde; denn er setzte alle seine Hoffnung auf das Erbarmen des Herrn und warf die Gedanken, die in

|| 199 Amm. 28, 5, 14. Ed. Seyfarth, 134: Apud hos generali nomine rex appelatur Hendinos et ritu ueteri potestate depostita remouentur, si sub eo fortuna titubauerit belli uel segetum copiam negauertit terra (…). 200 Ehlers, Wundertätiger König (2000), 3–21. 201 Vgl. Meens, Sanctuary (2007), 277–300.

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ihm aufstiegen, auf Gott, der sie, wie er von ganzem Herzen glaubte, zu einem guten Ende hinausführen würde.“202

Die Schuld an der Epidemie lag – nach Gregor – beim sündigen Volk und nicht beim Herrscher. Ganz im Gegenteil wird dieser von Gregor als besorgter Hirte dargestellt. Als Mittel, um den göttlichen Zorn zu besänftigen, nennt Gregor Bittgebete, Almosen und eine spezielle Diät auf Basis von Gerstenbrot und Wasser. Durch die Nutzung von Gerste wäre diese Diät durchaus auch gegen den Mutterkornerreger wirksam gewesen, wenn es sich hier um eine derart verursachte Krankheit handelt. Die geschilderten Maßnahmen nahmen Einfluss auf die Nahrungsaufnahme, es wurde aber kein Fasten verordnet. Von einem erfolgreichen Fasten gegen eine Epidemie in Tours und Nantes berichtet Gregor zum Jahr 591, wo er den Zorn Gottes folgendermaßen interpretiert: „In diesem Jahr im Monat April suchte eine schreckliche Seuche das Volk sowohl im Gebiet von Tours als von Nantes heim. Wenn einer erkrankte, litt er erst eine kurze Zeit an Kopfschmerzen und gab nicht lange danach den Geist auf. Als man unter großen Fasten und Kasteiungen Bettage anstellte und reichlich den Armen spendete, wandte sich der Zorn Gottes und das Übel wurde gelindert.“203 Die beschriebene Erkrankung lässt aufgrund der geringen Symptome (kurzer Kopfschmerz) und dem schnellen Tod eine Art von Vergiftung als wahrscheinliche Ursache erscheinen. Ganz andere Sorgen plagten Bonifatius (672–754) ungefähr 150 Jahre später. Der im Fuldaer Gebiet lebende und wirkende Missionar und Bischof fragte im Jahr 726 bei Papst Gregor II. (669–731) an, zum einen bezüglich der Ausgabe der Kommunion an Aussätzige und zum anderen bezüglich der bei einer großen Epidemie zu ergreifenden Maßnahmen. Der Papst empfahl in einem Brief vom 22. November 726, den Aussätzigen das heilige Abendmahl erst nach Einnahme desselben durch gesunde Gemeindemitglieder zu spenden. Im selben Schreiben riet der Papst zu folgendem Verhalten bei ausbrechenden Seuchen: „Du hast auch noch die Frage aufgeworfen,

|| 202 Gregor von Tours, Libri historiarum, 9, 21. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 441 f.; FSGA 3, 270 f.: Nam tunc ferebatur Masiliam a luae inguinaria valde vastare et hunc morbum usque ad Lugdunensim vicum Octavum nomine fuisse caeleriter propalatum. Sed rex acsi bonus sacerdus providens remedia, qua cicatrices peccatoris vulgi mederentur, iussit omnem populum ad eclesiam convenire et rogationes summa eum devotione celebrare et nihil aliud in usu vescendi nisi panem ordeacium cum aqua munda adsumi, vigiliisque adesse instanter omnes iobet. Quod eo tempore ita gestum est. Per triduum enim ipsius elimosinis largius solito praecurrentibus, ita de cuncto populo formidabat, ut iam tunc non rex tantum, sed etiam sacerdus Domini putaretur, totam spem suam in Domini miseratione transfundens et in ipso iactans cogitationes, quae ei superveniebant, a quo eas effectui tradi tota fidei integritate putabat. 203 Gregor von Tours, Libri historiarum, 10, 30. Ed. Krusch/Levison, MGH SS rer. Merov. 1.1, 525; FSGA 3, 398 f.: Hoc anno mense secundo tam in Turonico quam in Namnetico gravis populum lues adtrivit, ita ut modico quisque aegrotus capitis dolore pulsatus animam funderet. Sed factae rogationes cum grandi abstinentia et ieiunio, sociatis etiam elemosinis, averso divini furoris impetu mitigatum est.

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wenn eine ansteckende Krankheit oder ein Sterben eine Kirche oder ein Kloster befallen hat, ob die noch nicht Betroffenen zur Vermeidung der Gefahr von diesem Orte fliehen sollen. Das erscheint recht töricht, denn niemand vermag der Hand Gottes zu entrinnen.“204 Der Papst beruft sich dabei auf den Liber Sapientiae im Alten Testament, in dem es heißt: sed tuam manum effugere impossibile est.205 Hier werden Erkrankungen und Seuchen also auch als Wirken Gottes interpretiert. Der fatalistische Ratschlag Papst Gregors II. scheint Bonifatius nicht befriedigt zu haben, denn er stellte nach dem Tod dieses Papstes dem neuen Papst Gregor III. sofort eine ähnliche Frage. Dieser zeigte sich deutlich pragmatischer und riet dem Missionar in einem Brief vom Jahr 732, den Genuss von Pferdefleisch zu verbieten und in dieses Verbot das Fleisch von Wildpferden ausdrücklich miteinzubeziehen, da es „unrein und abscheulich“ sei. Mit diesem Verbot sollte augenscheinlich gegen den heidnischen Brauch der Opferung und des Verzehrs von Pferden vorgegangen werden. In diesem Zusammenhang wies Jedwillat auch auf die im Mittelalter häufig problematische Rotzsituation (malleus) bei Pferden hin.206 Weitere zwanzig Jahre später, im Sommer des Jahres 751, nahm die Seuchenproblematik anscheinend ein solch bedrohliches Ausmaß an, dass Bonifatius erneut beim Papst anfragte. Papst Zacharias‘ Antwortbrief vom 4. November 751 spiegelt eine stark rationalistisch-empirische Haltung wider, die sich von anderen fatalistischen Positionen stark unterscheidet: „Wegen der von der Königskrankheit (morbus regius) Befallenen, seien es Menschen oder Pferde [vermutlich Hautrotz], hast Du gefragt, was mit ihnen geschehen solle. Wenn Menschen von Geburt an oder auch durch Vererbung an dieser Krankheit leiden, wird man sie aus der Stadt hinaus geleiten müssen, aber nicht verhindern, dass sie von den Leuten Almosen empfangen. Ist es aber der Fall, das ein Hoher oder Geringer nicht von Geburt an, sondern infolge eines späteren Auftretens der Krankheit darunter leidet, soll man ihn nicht verstoßen, sondern heilen, soweit das möglich ist, aber in der Kirche wird er, wenn er zum Abendmahl kommt, erst nach Abfertigung aller anderen zum Empfang der Gottesgabe eintreten. Die Pferde aber, die von der erwähnten Krankheit angesteckt sind, soll man, wenn sie nicht zu heilen sind, in Löcher und Gruben werfen, damit die anderen nicht durch Berührung mit dieser Krankheit angesteckt werden. Was aber die Tiere anbelangt, die von wütenden, das heißt tollen Wölfen und Hunden gebissen worden sind, so muss man sie von den anderen trennen,

|| 204 Bonifatius, Briefe Nr. 26. MGH Epp. sel. 1, 46f.; FSGA 4b, 92 f.: Adiecisti etiam, quodsi pestifer morbus aut mortalitas in aecclesia vel monasteriis inrepserit, quos necdum tetigit, loco fugiant evitantes periculum. Valde fatuum hoc iudicatur. Non enim valet quisquam Dei effugere manus. Vgl. Jedwillat, Studien, 1993, 64. 205 Weish. 16,15. 206 Bonifatius, Briefe Nr. 28. MGH Epp. sel. 1, 50; FSGA 4b, 100 f.: Inter ea agrestem caballum aliquantos adiunxisti comedere, plerosque et domesticum. Hoc nequaquam fieri deinceps sanctissime sinas frater, sed, quibus potueris Christo iuvante modis, per omnia conpesce et dignam eis interdicito paenitentiam; inmundum enim est atque exsecrabile. Vgl. Jedwillat, Studien (1993), 64.

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damit nicht von ihrem Wüten und Beißen die anderen angesteckt werden, wenn es sich nur um ein paar handelt, soll man sie wie gesagt in eine Grube werfen.“207 Die letztgenannten Details weisen auf Tollwut als Erkrankung hin, während unter dem morbus regius vermutlich (Haut-)Rotz zu verstehen ist. In drei Briefen Karls des Großen an Bischof Ghaerbald von Lüttich vom November des Jahres 807 wird eine dreitägige Fastenzeit angeordnet, um die Hilfe Gottes zu erbitten. Die Tage folgen jedoch nicht unmittelbar aufeinander, sondern sind von Zwischentagen unterbrochen. Angeordnet wurden der 11., 13. und 15. Dezember 805 (III. Idus et Idus Decembris et XVIII Kalendas Ianuarii), also Dienstag, Donnerstag und Samstag; der 7., 10. und 12. Januar 806 (VII. Idus et IIII. Idus et II. Idus Ianuarii), also Mittwoch, Samstag und Montag sowie der 12., 15. und 26. Februar 806 (II. Idus Februarii et XV. Kalendas Martii et IIII. Kalendas Martii), also Donnerstag, Sonntag und Donnerstag.208 An diesen Tagen sollte auf Wein und Fleisch verzichtet und bis zur neunten Stunde, also 15 Uhr, gefastet werden. Danach sollten in den Kirchen allgemeine Gebete gehalten werden.209 Karl begründet diese Maßnahmen damit, dass es in diesem Jahr einerseits auf eine merkwürdige Weise trocken sei, weshalb die Gefahr einer Hungersnot drohe, dass andererseits aufgrund von Unwettern die Feldfrüchte in Gefahr seien, die Gefahr von Epidemien drohe und deshalb beständig mit Kriegszügen der Heiden zu rechnen sei.210 Gerade der letzte Hinweis macht deutlich, dass die Gefahr von Hungersnöten durchaus als Rechtfertigungsgrund für Raub- und Plünderungszüge zu weniger betroffenen Nachbarn angesehen werden muss, die entweder bessere Vorratshaltung oder einen größeren Viehbestand zur Verfügung hatten. In seiner Untersuchung zur Hungersnot der Jahre 805/806 kam Christian Jörg zu dem Schluss, dass Fasten kaum als Maßnahme zur Lebensmittelsicherung im Sinne || 207 Bonifatius, Briefe Nr. 87. MGH SS Epp. sel. 1, 197 f.; FSGA 4b, 296 f.: De his qui regio morbo vexantur inquisisti, sive homines sive equi sint, quid fiendum sit de illis. Si homines ex nativitate aut genere huius morbi sunt, hi extra civitatem comitari debebunt, elymosinam vero accipiendam a populo nondevitari. Si autem contigerit magnum vel parvum non nativitate, sed superveniente egritudine vexari, non est proiciendus, sed, si possibile est, curandus. Adtamen in aecclesia dum ad communionem venerit, post omnium supletionem erit ingressurus ad participandum munus. Equi vero, qui prefato morbo fuerint coinquinati, si curari non valuerint, in puteis et foveis proiciendi sunt, ne eiusdem morbi contagione ceteri coinquinentur. De animalibus autem, qui a furentibus id est rabidis lupis et canibus fuerint lacerati, oportet ea a ceteris separari, ne furentes et mordentes cetera coinquinentur. Quodsi pauca sunt, ut supra diximus, in fovea proicienda sunt. Vgl. Jedwillat, Studien (1993), 64. 208 Brief Karls des Großen an Bischof Ghaerbald von Lüttich. MGH Capit. 1, 245. Vgl. Jörg, Besänftigung göttlichen Zorns (2010), 43 f. 209 Brief Karls des Großen an Bischof Ghaerbald von Lüttich. MGH Capit. 1, 245: (…) ut omnes a vino et carne his III diesbus abstineant et usque horam nonam ieiunent. 210 Brief Karls des Großen an Bischof Ghaerbald. MGH Capit. 1, 245: Necessitates vero quas supra nos dicturos esse promisimus, inter ceteras (…), haec sunt denique: Conpertum habemus per fideles nostros, qui nobis de singulis regni nostri partibus haec nuntiaverunt, quod insolito more et ultra consuetum ubique terrae sterelitas esse et famis periculum imminere videtur, aeris etiam intemperies frugibus valde contraria, pestilentia quoque per loca, et paganorum gentium circa marcas nostras sedentia bella continua.

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einer „bloßen Verringerung des Nahrungsverbrauchs und (…) Sicherung der Vorräte“ verstanden worden sei. Stattdessen sei die „kollektive Leistung von Verzicht, Gebet und Buße (…) als elementares Mittel der Wiedererlangung göttlicher Gnade und göttlichen Schutzes“211 anzusehen. Als kurzer chronologischer Exkurs sei hier erwähnt, dass Theophanes der Bekenner in seinem Eintrag zum Jahr 809 als zeitgenössische Gottesanrufung gegen Erdbeben und Dürre festhielt: „Die Unglückseligen bestiegen einen Berg und vergaßen zu handeln, wo doch schon der Erfolg in ihren Hände lag, und riefen: ‚Herr erbarme dich!‘ wie bei einem Erdbeben oder bei Dürre.“212 Bei den mittelalterlichen Zeitgenossen scheint die Annahme gegolten zu haben, dass neben Gebeten eben das Fasten als gottgefällige Tat gegen fast alle katastrophenartigen Ereignisse helfen könne. Als im Jahr 810 auf einer Heerfahrt eine furchtbare Tierseuche ausbrach, welche dann im ganzen Reich wütete,213 wurde von Karl dem Großen erneut ein dreitägiges Fasten für den 9., 10. und 12. Dezember 810 (V. Idus Decembres, IV. Idus et II. idus), also Montag, Dienstag und Donnerstag, angeordnet. An den genannten drei Tagen sollten alle bis auf die Alten oder Kranken fasten und vor allem weder Fleisch noch Wein zu sich nehmen. Zusätzlich zu den mit den im Jahr 805/806 beinahe identischen Regelungen wurden diesmal die Verbote auch auf den Konsum von Bier, Honigwein (milschida)214 und Met erweitert.215 Diese Erweiterung zeigt, mit welchen Mitteln die Bevölkerung das Fastengebot des Kaisers in den Jahren 805/806 anscheinend umgangen hat. Die Aufweichung der kaiserlichen Anordnung scheint damals so weitreichend gewesen zu sein, dass sie zu einem Regelungsbedarf durch den Herrscher führte. Sonst bestand anscheinend die Gefahr, dass eine solche Umgehung die gottgefälligen Taten des gesamten Volkes unwirksam gemacht hätte und in der zeitgenössischen Wahrnehmung neue Unglücksfälle hätte nach sich ziehen müssen. Die Gottgefälligkeit des Fastens zeigte sich auch im Jahr 824, zu dem es in der Vita Hludowici heißt: „Um diese Zeit beunruhigten einige Zeichen das Gemüt des Kaisers [Ludwig], nämlich ein Erdbeben in der Pfalz Aachen und unerhörte Töne, welche man zur Nachtzeit vernahm, (…) häufige und ungewöhnliche Blitze, das Herabfallen

|| 211 Jörg, Besänftigung göttlichen Zorns (2010), 47. 212 Theophanes der Bekenner, ad a. 809, in: Bilderstreit. Ed. Breyer, 150. 213 Annales regni Francorum, ad a. 810. Ed. Kurze, MGH SS rer. Germ. 6, 132; FSGA 5, 96 f.: Tanta fuit in ea expeditione boum pestilentia, ut pene nullus tanto exercitui superesset, quin omnes usque ad unum perirent; et non solum ibi, sed etiam per omnes imperatori subiectas provincias illius generis animalium mortalitas inmanissime grassata est. Vgl. RI I, Nr. 450a. 214 Seebold, Chronologisches Wörterbuch (2008), 1028: milsca latinisiert „Honigwein“. 215 Epistola Richolfi archiepiscopi ad Eginonem Nr. 127. MGH Capit. 1, 249: Ideoque nostra parvitas (…) iussionem domni imperatoris (…) ut V. Idus Decembres, IV. Idus et III. Idus, quod evenit secunda feria (…) ut omnes, quos senectus vel infirmitas sive infantia non prohibet, ieiunent usque ad horam (…) abstineant se a carne et vino et a cervisa, milschida et medo.

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von Steinen mit dem Hagel, Seuchen unter Menschen und Vieh. Um dieser verschiedenen Dinge Willen ließ der fromme Kaiser öfters Fasten halten und ermahnte die Priester, durch anhaltendes Beten und reiche Almosen die Gottheit zu versöhnen, indem er mit Gewissheit voraussagte, dass diese Wunderzeichen schweres Unheil für das menschliche Geschlecht anzeigten.“216 Hier zeigt sich, dass allein eine drohende Hungersnot oder Epidemie bereits herrscherlichen Handlungsbedarf hervorrufen konnte. Dementsprechend erwähnen auch die Annales Xantenses zum Jahr 868, dass zur Herbstzeit ein Edikt (exiit edictum)217 der Könige erging, „damit allgemein ein dreitägiges Fasten gehalten werde, weil der Schrecken von Hungersnot und Pest drohte; und es war ein starkes Erdbeben in den Reichen, sodass die meisten Verzweiflung am irdischen Leben ergriff.“218 Ein anderes Mittel gegen den göttlichen Willensausdruck in Form eines unerwarteten Naturereignisses stellten Bittprozessionen dar. Dafür seien hier zwei Beispiele angeführt: Seit der Synode von Orléans im Jahre 511 wurde in Gallien die von Bischof Mamertus von Vienne eingeführte Bittprozession, um Erdbeben und weitere Unglücksfälle von der Stadt fernzuhalten, durchgeführt. Sie bekam bald den Charakter einer Flurprozession für das Gedeihen der Früchte und die Abwehr der Schädigung der Felder. Demgegenüber wurde die Prozession zu Himmelfahrt in Rom erst von Papst Leo III. um das Jahr 800 eingeführt.219 Eine konkrete Beschreibung einer frühmittelalterlichen Bittprozession findet sich bei Paulus Diaconus, in seiner Historia Langobardorum heißt es zum Jahr 584/585: „Bei diesen ungewöhnlichen Niederschlagsmengen wuchs der Tiber in Rom so an, dass seine Fluten über die Mauern hinweg in die Stadt eindrangen und dort weite Bereiche überschwemmten. Damals trieb im Bett dieses Flusses mit einer gewaltigen Menge an Schlangen auch ein Drache von erstaunlicher Größe durch die Stadt hinab zum Meer. Unmittelbar nach der Überschwemmung grassierte eine verheerende Seuche, die sogenannte Beulenpest. Sie wütete derart unter der Bevölkerung, dass von einer unüberschaubaren Menschenmenge nur ein kleiner Rest

|| 216 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris, 37. Ed. Tremp, MGH SS rer. Germ. 64, 420 f.; FSGA 5, 320 f.: Eo tempore quaedam prodigiosa signa apparentia animum imperatoris sollicitabant, praecipue terrae motus palatii Aquensis, et sonitus inauditi nocturno sub tempore, (…), crebra et inusitata fulgura, lapidem cum grandine casus, pestilentia hominum et animalium. Propter quae singula piissimus imperator crebro fieri ieiunia, orationumque instantia atque elemosinarum largitionibus divinitatem per sacerdotum monebat offitium placandam, certissime dicens, per haec portendi magnam humano generi futuram cladem. 217 Lk 2,1: Factum est autem, in diebus illis exiit edictum a Caesare Augusto, ut describeretur universus orbis. 218 Annales Xantenses, ad a. 868. Ed. von Simson, MGH SS rer. Germ. 12, 26; FSGA 6, 358–361: Deinde autumnali tempore exiit edictum a regibus, ut ieiunium triduanum generaliter observaretur, inminente terrore famis, pestilentiae, et terrae motus magnus per regna, ita ut desperatio humanae vitae plurimis accidit. 219 Franz, Kirchliche Benediktionen (1909), Bd. 2, 7.

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überlebte. Als Ersten ereilte sie Papst Pelagius220, einen verehrungswürdigen Mann, und tötete ihn auf der Stelle. Dann, als der Hirte tot war, verbreitete sie sich im Volk. In dieser großen Not wurde der hl. Gregor, der damals Levit war, von allen gemeinsam zum Papst gewählt. Bei einer siebenteiligen Bittprozession, die er anordnete, brachen binnen einer Stunde, während sie zu Gott flehten, achtzig Teilnehmer an Ort und Stelle zusammen und hauchten ihr Leben aus. Siebenteilig aber hieß die Prozession, weil die gesamte Bevölkerung der Stadt vom hl. Gregor in sieben Gruppen für ihren Bittgang zum Herrn eingeteilt wurde. In der ersten Abteilung nämlich befanden sich die ganzen Säkularkleriker, in der zweiten alle Äbte mit ihren Mönchen, in der dritten alle Äbtissinnen mit ihren Kongregationen, in der vierten alle Kinder, in der fünften alle Männer im Laienstand, in der sechsten alle Witwen und in der siebenten alle verheirateten Frauen.“221

Die hier genannten Maßnahmen lassen sich in ähnlicher Form noch im 11. Jahrhundert nachweisen. Als Beispiel dafür kann die Vita Papst Leos IX.222 dienen, in der sich ein Eintrag findet, in dem katalogartig die Maßnahmen bei Naturkatastrophen und Seuchen zusammengetragen sind: „Wie der große Priester [Noah] zur Zeit von [Gottes] Zorn [Anlass zur] Versöhnung wurde, so auch er: Jedes Mal wenn in den Tagen seines Bischofsamtes eine Strafe des Himmels die ihm anvertraute Gemeinde erschreckte, sei es durch eine große Sterblichkeit unter den Menschen, sei es durch eine Trockenheit des Erdbodens, sei es durch eine große Überschwemmung, rief er Klerus und Volk zu Bußprozessionen, zum Fasten und zu reichlichem Almosengeben auf. Mit ihnen zusammen schritt er barfuß und in Trauerkleidung unermüdlich voran, trug auf den eigenen Schultern Heiligenreliquien und wallfahrte gottergeben zu heiligen Stätten, auch wenn sie weit von seinem Bischofssitz entfernt lagen, wobei er durch Psalmengesang und tränenreiche Gebete für sich und sein Volk Gottes Schutz erflehte. Und nicht eher ließ er ab vom Gebet, als bis sein Flehen verdientermaßen erhört wurde. Man hätte ihn für einen zweiten Aaron halten können, wie er, mit der Weihrauchpfanne seiner Gebete bewaffnet, zwischen Lebendigen und Toten

|| 220 Pelagius II., Pontificat von 579 bis 590. Vgl. Kolmer, Pelagius II. (1994), 167 f. 221 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, 3, 24. Ed. Bethmann/Waitz, MGH SS rer. Lang. 1, 104 f.: In hac diluvii effusione in tantum apud urbem Romam fluvius Tiberis excrevit, ut aquae eius super muros urbis influerent et maximas in ea regiones occuparent. Tunc per alveum eiusdem fluminis cum multa serpentium multitudine draco etiam mirae magnitudinis per urbem transiens usque ad mare discendit. Subsecuta statim est hanc inundationem gravissima pestilentia, quam inguinariam appellant. Quae tanta strage populum devastavit, ut de inaestimabili multitudine vix pauci remanerent. Primumque Pelagium papam, virum venerabilem, perculit et sine mora extinxit. Deinde, pastore interempto, sese per populos extendit. In hac tanta tribulatione beatissimus Gregorius, qui tunc levita erat, a cunctis generaliter papa electus est. Qui dum septiformem laetaniam fieri ordinasset, intra unius horae spatium, dum hi Deum deprecarentur, octuaginta ex eis subito ad terra corruentes, spiritum exalarunt. Septiformis autem laetania ideo dicta est, quia omnis urbis populus a beato Gregorio in septem partibus deprecaturus Dominum est divisus. In primo namque choro fuit omnis clerus, in secundo omnes abbates cum monachis suis, in tertio omnes abbatissae cum congregationibus suis, in quarto omnes infantes, in quinto omnes laici, in sexto universae viduae, in septimo omnes mulieres coniugatae. Vgl. Schwarz, Naturkatastrophen (2008), 207. 222 Leo IX., Pontificat von 1049 bis 1054. Vgl. Schieffer, Leo IX. (1991), 1880 f.

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stand und dem Tod und der um sich greifenden Seuche den Weg zu den Überlebenden versperrte.“223

Zusammenfassen lässt sich, dass Naturextreme die mittelalterliche Gesellschaft vor enorme Herausforderungen stellten. Während die in vorchristlicher Zeit getroffenen Maßnahmen gegen Krisen und Katastrophen häufig auf einen Wechsel des Herrschers hinausliefen, wurde mit Ausbreitung des Christentums immer stärker die Sündhaftigkeit des Volkes als Ursache der als von Gott gesandten Strafmaßnahmen wahrgenommen. Dagegen half deshalb kaum die Auswechselung des Herrschers, außer der Wechsel wurde mit Hilfe von göttlichen Vorzeichen angekündigt, wie bei der Verbindung von Vorzeichen und Herrschertod. Stattdessen musste die Gesamtheit der Menschen gottgefällige Werke vollbringen, wozu nach mittelalterlichen Ansichten Fasten, Bittprozessionen, Gebete und Almosen zählten. Das Fasten wurde auch bei Lebensmittelknappheit und Hungerkatastrophen angewendet, selbst wenn diese erst in absehbarer Zeit eine Bedrohung darstellen würden. Die genaue Beachtung des herrscherlichen Wortlautes scheint weniger religiös motiviert gewesen zu sein, sondern um Wege zu finden zu können, sie nach eigenen Intentionen auszulegen. Darauf deutet eine Verschärfung der Fastengebote im Jahr 810 gegenüber jenen des Jahres 805/806 hin, bei der das Fastengebot dezidiert auf weitere Produkte ausgedehnt wurde. Als Nebeneffekte können Fasten und Almosengeben tatsächlich zu einer Verringerung des Nahrungsmittelverbrauchs geführt haben. Damit konnte die Katastrophe zwar nicht komplett abgewendet werden, bis zu einem gewissen Grad haben solche Maßnahmen aber geholfen. Diese teilweise Wirksamkeit kann gerade bei noch nicht extrem ausgeprägten Bedrohungsszenarien zu einer Entspannung der Gesamtsituation geführt haben. Aufgrund der Deutung der Naturextreme als strafende Hinweise Gottes wurde die ursächliche Schuld auf alle gleichermaßen verteilt, was zugleich bedeutete, dass auch die zu ergreifenden Maßnahmen, die Gunst Gottes wiederzuerlangen, von allen gleichermaßen zu tragen waren.224 Fasten kamen dabei aber auch als Mittel zur Verringerung des Nahrungsmittelverbrauches und der Sicherung von Saatgetreide zum Einsatz. Bei den neun angeord-

|| 223 Die Touler Vita Leos IX. Ed. Krause, MGH SS rer. Germ. 70, 144 f.: Quin etiam sicut sacerdos magnus in tempore iracundie factus est reconciliacio, quocienscumque in diebus sui sacerdotii celitus plaga perterruit plebem sibi commissam sive ex mortalitate hominum sive ex siccitate terrarum seu ex diluvio aquarum multarum, tociens letanias et ieiunia largis elemosinis medullata clero et populo indicebat. Cum quibus et ipse nudis pedibus ac lugubri veste amictus infatigabiliter procedendo propriisque humeris pignera sanctorum gestando devotus visitabat loca sancta, eciam longe ab episcopio remota, psalmodia et lacrimosis supplicacionibus deposcens sibi et populo divina solamina. Nec prius desistebat petendo, quam, quod querebat, promereretur accipiendo. Putares eum alterum Aaron inter vivos et mortuos turibulo orationum suarum armatum stantem atque ad superstites viam morti et pesti grassanti claudentem. 224 Jörg, Besänftigung göttlichen Zorns (2010), 47.

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neten Fastentagen des Halbjahres 805/806 wären in einer halbjährlichen Vegetationsperiode von 180 Tagen an etwa fünf Prozent der Zeit die Ressourcen geschont worden. Dies verhindert zwar keine Hungersnot, aber es kann ihre Folgen abmildern. Bemerkenswert ist die indirekt beobachtbare Reaktion auf die herrscherlich angeordneten Einschränkungen. Während Karl der Große im Jahr 805/806 gebot, auf Wein und Fleisch (ut omnes a vino et carne his III diebus abstineant) zu verzichten, was im Übrigen als Hinweis auf die abseits der ausgebliebenen Getreideernte zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel zu werten ist, heißt es in Karls Anweisung für das Jahr 810, es müsse nicht nur auf Wein und Fleisch, sondern auch auf Bier, Honigwein und Met (abstineant se a carne et vino et a cervisa, milschida et medo) verzichtet werden. Diese Erweiterung des Katalogs der zu vermeidenden Nahrungsmittel zeigt, dass die Bevölkerung anscheinend während der Fastentage 805/806 ihre Zuflucht genau darin gesucht hatte. Andere Mittel, ein unerwartetes Naturereignis abzuwenden, waren Bittprozessionen, Gebete und das Spenden von Almosen. Da die überlieferten Zahlen zu Almosen nur gering sind, werden auch diese nur als eine Maßnahme von mehreren anzusehen sein, die allein keine Hungersnot verhindern konnten, sondern lediglich zu deren Abmilderung beitrugen. Die Wirksamkeit von verschiedenen Einzelmaßnahmen kann in der Summe bei noch nicht stark ausgeprägten Bedrohungsszenarien durchaus zu einer tatsächlichen oder subjektiv empfundenen Abmilderung der Lage geführt haben. Eine Entspannung war dann jedenfalls erst mit der nächsten Ernte zu erwarten. Bei der Betrachtung der verschiedenen Topoi und Reaktionen im Krisenmanagement wurde deutlich, wie sehr diese an die Person des Autors gebunden sind. Eine kurze Charakterisierung der Verfasser der hier untersuchten Quellen in Bezug auf ihr Verhältnis wurde bereits in der Einleitung zu den Quellen skizziert. Im folgenden Kapitel geht es deshalb um die parallel überlieferten Ereignisse.

5.3 Zur Parallelüberlieferung Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage, ob sich die Abweichungen bei der Wiedergabe von der tatsächlichen Wahrnehmung quantifizieren lassen, also ob der Anteil der korrekten Dokumentation der Wahrnehmung eines Autors ermittelt werden kann. Die Zahl der Naturereignisse, die durch zahlreiche Parallelüberlieferung als gesichert gelten kann, ist, im Vergleich zu den insgesamt 1176 überlieferten Ereignissen, gering. Methodisch ist einzuschränken, dass für einen echten Abgleich nur astronomische Ereignisse herangezogen werden können, da momentan nur diese mit modernen Mitteln überprüfbar sind.

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Von 75 Kometenbeobachtungen erweisen sich nur 20 Prozent (15 Fälle) aufgrund von häufiger Parallelüberlieferung als gesicherte Ereignisse.225 Bei den Meteorströmen sind es mit 26 in mehreren Quellen belegten Beobachtungen etwa 30 Prozent (acht Fälle).226 Von 25 insgesamt überlieferten Meteoriteneinschlägen sind nur zwölf Prozent (drei) mehrfach überliefert.227 Von den insgesamt überlieferten 59 Nordpolarlichtbeobachtungen sind 19 Prozent (elf) mindestens zwei Mal belegt.228 Von 53 überlieferten Sonnenfinsternissen sind 28 Prozent (15) als Parallelüberlieferung auf uns gekommen. Anhand der Sonnenfinsternisse lässt sich aber ein Faktor ermitteln, der etwas über die Genauigkeit der hier benutzten Quellen aussagen kann. Denn solare Eklipsen lassen sich mit modernen himmelsmechanischen Modellen berechnen. Dadurch lässt sich feststellen, wie viele der insgesamt überlieferten Sonnenfinsternisse, ob nur in einer oder auch in mehreren Quellen genannt, exakt angegeben wurden. 18 Mal wurden Eklipsen in den Quellen auf den Tag genau angegeben.229 Das entspricht einem Drittel aller überlieferten Sonnenfinsternisdaten, in denen die Daten korrekt angegeben wurde, davon neun Mal in einfacher Überlieferung. Trotz Parallelüberlieferung ist also in 18 Prozent der Fälle (acht) nicht das exakte Datum angegeben worden. Daraus lassen sich zwei weiterführende Schlüsse ziehen, die mit den Ergebnissen der Mondfinsternisse und der bekannten Kometensichtungen weiter korreliert werden müssen: Zum einen sind die Ergebnisse auch bei Parallelüberlieferung nur in etwa der Hälfte der Fälle korrekt, die anderen fünfzig Prozent weichen aus unterschiedlichen Gründen vom richtigen Datum ab. Zum anderen werden bei etwa einem Sechstel der Fälle, die nur in einer Quellenstelle genannt sind, die Daten korrekt angeführt.230 Von den 68 überlieferten Quellenstellen, die eine Mondfinsternis nennen, sind 15 Prozent (zehn) in mehrfacher Form überliefert. Exakt mit tagesgenauem Datum wurden 28 Prozent (19) der Mondfinsternisse dokumentiert.231 Davon liegt bei mehr als

|| 225 07.–10.676, 729, 838/839, 12.841–02.842, 867/868, 13.03.891, 04.–05.905, 907, 18.10.–01.11.941, 10.942, 975, 01.–14.10.1005, 1017–1019, 09./10.1041, 10.1097. 226 744/745, 762, 03.764, 838/839, 17.10.855, 12./13.10.902, 912/913, 04.1093, 04.04.1095, 06.04.1095. 227 585/586, 7.8.952, 6.4.1039. 228 567/569, 575/580, 733/734, 772–774, 05.12.827, 24.02.937, 15.09.945, 970–971, 29.09.979, 26.12.993, 25.04.1050, 26./27.09.1098. 229 20.06.540 (1), 05.11.644 (1), 05.10.693 (1), 14.08.733 (> 6), 16.07.809 (> 3), 14.05.812 (1), 04.05.813 (1), 05.05.840 (> 5), 19.07.939 (1), 17.05.961 (1), 22.12.968 (2), 21.10.990 (1), 29.03.1009 (> 4), 18.04.1018 (1), 29.06.1033 (2), 22.11.1044 (2), 23.09.1093 (> 7), 25.12.1098 (2). 230 Mitte 10.590, 04.06.764, 16.07.809, 10.07.810, 12.12.810, 03.05.832, 05.05.840, 22.12.968, 29.03.1009, 1023, 1033, 29.06.1033, 22.11.1044, 23.09.1093, 25.12.1098. 231 24.01.753 (1), 28.03.796 (1), 25.12.809 (1), 05.02.817 (1), 01.07.828 (2), 25.12.828 (2), 18.04.832 (1), 30.03.842 (1), 15.10.878 (1), 17.12.921 (1), 01.04.926 (1), 04.09.936 (1), 04.09.955 (1), 15.08.965 (1), 09.01.1042 (2), 10.02.1077 (2), 30.01.1078 (2), 11.02.1096 (1), 11.12.1098 (2).

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zwei Drittel der Fälle (13) Einzelüberlieferung vor.232 Bei Mehrfachüberlieferung ist in vierzig Prozent der Fälle kein genaues Datum angegeben worden, 60 Prozent der lunaren Eklipsen wird aber exakt datiert. Die Parallelüberlieferung liefert im Fall der Mondfinsternisse mit 60 Prozent also eine höhere Genauigkeit als im Fall der Sonnenfinsternisse. Dabei muss allerdings auf die Möglichkeit der einfacheren Beobachtung und die größere Häufigkeit von Mondfinsternissen hingewiesen werden. Etwa ein Fünftel der überlieferten Einzelquellen geben Mondfinsternisdaten korrekt an. Als dritte Möglichkeit, die Angaben der Annalen und Chroniken zu überprüfen, steht die Liste der Beobachtungen des Kometen 1P/Halley zur Verfügung. Von den acht möglichen Sichtungen zwischen 500 und 1100 sind knapp ein Drittel (drei) nur in chinesischen Quellen oder vereinzelten Quellenstellen überliefert, während fünf Sichtungen in zahlreicher Parallelüberlieferung vorliegen. Der Grad der Exaktheit, der bei Sonnen- und Mondfinsternissen aufgrund der Kürze der Dauer dieser Ereignisse angegeben werden kann, ist bei der Sichtung des Kometen Halley in dieser Art nicht möglich, da der Komet über längere Zeit sichtbar ist. Abschließend lässt sich feststellen, dass etwa zwei Drittel der Angaben von astronomischen Ereignissen in Annalen und Chroniken ungenau bis falsch datiert sind. Welche Angaben die verbleibenden rund 30 Prozent der korrekten Datierungen sind, ist auch mithilfe von Parallelüberlieferung nicht sicher zu erkennen, da auch diese etwa zur Hälfte ungenaue und falsche Einordnungen enthält. Diese bisher überprüfbaren Angaben beziehen sich zwar nur auf atsronomische Nachrichten, ob dieselben Autoren bei der Darstellung politischer, religiöser und wirtschaftlicher Ereignisse genauer und wirklichkeitsgetreuer waren oder nicht, bedarf in jedem einzelnen Fall einer näheren Überprüfung mit stringenter Beweisführung. Dass Angaben in Annalen und Chroniken oft zweifelhafter Art sind, im Detail aber auch absolut korrekte Informationen und Datierungen enthalten können, war zwar bisher der Forschung schon bekannt, dass der Anteil an exakten Angaben aber nur etwa bei einem Drittel liegt, ist überraschend gering. Ein Drittel der angeführten Ereignisse ist wohl korrekt datiert, ohne weitere Hilfsmittel ist jedoch nicht zu erkennen, welches dieses richtige Drittel ist.

|| 232 31.01.734, 752, 25.04.807, 21.06.810, 13.12.810, 05.02.817, 01.07.828, 25.12.828, 01.865, 09.01.1042, 02.11.1044, 10.02.1077, 11.12.1098.

6 Zusammenfassung und Ausblick Die im Folgenden zusammengefassten Ergebnisse beruhen auf Chroniken und Annalen, welche die Zeit zwischen 500 und 1100 in einem Gebiet umfassen, das der Fläche des Römischen Reiches in seiner größten Ausdehnung entspricht, dazu aber noch Nordeuropa miteinschließt. Je nach Ereignis sind unterschiedliche Radien zu beachten, in denen es zu Beobachtungen kommen konnte – so ist, um zwei Extreme zu nennen, ein Komet oft weltweit zu beobachten, während ein Erdrutsch nur in einem sehr kleinen Gebiet wahrgenommen wird. Die Hauptziele der vorliegenden Arbeit bestehen darin, die einzelnen Naturereignisse in diesem Zeitrahmen zu dokumentieren, zu analysieren sowie ihre Häufigkeiten und typische Besonderheiten zu ermitteln. Dabei ist zu betonen, dass mittelalterliche Chronisten weder maschinelle Datenlogger noch empirischen Genauigkeiten verpflichtete Schreiber sind. Im Gegenteil, ihre Darstellungen setzen sich aus Typisierungen zusammen, die sich an den beobachteten Naturereignissen orientieren können, aber keinesfalls müssen. „Wahrscheinlich waren solche Typisierungen, die auch Identifikationen erleichtern, ein wichtiges Mittel der Traditionsbildung und der Intersubjektivität.“1 Nicht das tatsächliche Geschehen stand dabei im Vordergrund, sondern seine Instrumentalisierung im Rahmen der vom Autor verfolgten Intention. Deshalb muss für die astronomischen und meteorologischen Ereignisse immer nach deren Instrumentalisierung gefragt werden. Um eine möglichst hohe Glaubwürdigkeit des Textes zu erreichen, konnten die Autoren sich allerdings nicht allzu weit vom Erlebnis- und Erwartungshorizont der Zeitgenossen entfernen. Aber sie besaßen einigen Spielraum hinsichtlich der chronologischen Einordnung der Naturereignisse und versuchten so etwa den endzeitverheißenden Erwartungskonzepten der Bibel nahezukommen. Die Dichte der Überlieferung ist dabei ungleich verteilt, denn je nach Jahrhundert unterlag die Dokumentation ausgewählter typisierter Naturereignisse unterschiedlichen Konjunkturen. Ob dies im Sinne einer „Tradition“ oder einer „Mode“ zu verstehen ist oder als ein „methodisches Rauschen“ aufgrund einer tatsächlichen historischen Ereignishäufung (wie etwa bei der Justinianischen Pest) müssen künftige Untersuchungen erweisen. Die zeitgenössischen Verfasser stellten jedenfalls nicht unbedingt das dar, was sie erlebten, sondern es ging ihnen häufig darum, das Erlebte in ihrer Darstellung bestimmten Ereignistypen zuzuordnen. Dafür ein paar Beispiele: Die Autoren der Annales regni Francorum ließen ungünstige oder katastrophenartige Ereignisse meist einfach weg, um die Herrschaftszeit Karls des Großen nicht in schlechtem Licht erscheinen zu lassen. Demgegenüber bevorzugten

|| 1 Schmale, Funktion und Formen (1985), 103 f.

https://doi.org/10.1515/9783110572490-006

768 | Zusammenfassung und Ausblick

die Verfasser/innen der Annales Quedlinburgenses jede Art von Naturereignissen gegenüber kriegerischen Ereignissen. Bei den Autoren der Annales Bertiniani lassen sich höchst unterschiedliche Zugangsweisen feststellen: So hatte einer (Prudentius von Troyes) ein sehr ausgeprägtes, der andere (Hinkmar von Reims) gar kein Interesse an Naturereignissen. Je nach Autor wurden also nicht einfach gemachte Beobachtungen notiert, sondern diese den jeweiligen Ereignistypen zugeordnet, für die sich der jeweilige Verfasser interessierte. Die Ergebnisse der rekonstruierten Typisierungskataloge werden in der folgenden Tabelle (Tab. 72) zusammengeführt, die einen Katalog der von Zeitgenossen dargestellten Ereignisse bietet, aber kein Katalog – und das muss betont werden – der tatsächlich beobachteten Ereignisse! Die insgesamt 1173 in den Quellen geschilderten Einzelereignisse werden hier 25 Ereignistypen zugewiesen. Tab. 72: Zeitliche Verteilung aller Naturereignis-Beobachtungen von 500 bis 1100

Beobachtung von

Häufigkeit 6. Jh.

7. Jh.

Erdbeben

115 100 % 12 10 %

7 6%

Extremwinter

94

100 % 7

Epidemien

91

100 % 23 25 %

Hungersnöte

88

8. Jh.

9. Jh.

10. Jh.

11. Jh.

19 16 %

21 18 %

20 17 %

35 31 %

9

9,5 % 28 30 %

18 19 %

27 29 %

9 10 %

7

8%

16 18 %

15 16 %

21 23 %

100 % 10 11 %

5 6%

13 15 %

20 23 %

17 20 %

23 26 %

9 12 %

7,5 % 5 5 %

Kometen

73

100 % 5

7%

6

8%

19 26 %

18 23 %

16 21 %

Überschwemmungen

72

100 % 9

12,5 % 1 1,5 % 5

7%

17 24 %

11 15 %

28 39 %

Mondfinsternisse

69

100 % 4

5%

19 28 %

11 16 %

17 25 %

Gewitter

67

100 % 7

10,5 % 3 4,5 % 4

21 31 %

13 19,5 % 19 28,5 %

5 7%

13 19 % 6%

Trockenheit

64

100 % 6

9%

3 5%

Polarlichtern

59

100 % 9

15 %

2 3,5 % 9

17 26,5 % 9 15 %

15 25,5 % 18 30 %

14 %

12 19 %

6

Tierseuchen

55

100 % 5

9%

3 5,5 % 5

9%

13 23,5 % 15 27 %

14 25 %

Sonnenfinsternisse

52

100 % 6

11,5 % 6 11,5 % 7

14 %

15 29 %

9

Stürme

52

100 % 2

4%

15 %

14 27 %

11 21 %

5 10 %

8

17 %

17 26,5 %

9

10 % 17 %

13 25 %

Optische Phänomene 29

100 % 3

10 %

2 7%

5

17 %

3

10 %

7

25 %

9

31 %

Meteorströme

28

100 % 1

4%

0 0%

7

25 %

2

7%

9

32 %

9

32 %

Meteoriten

26

100 % 4

15 %

2 8%

1

4%

5

19 %

8

31 %

6

23 %

Heuschrecken

22

100 % 5

23 %

3 14 %

5

23 %

5

23 %

1

5%

3

14 %

Weinernten

22

100 % 2

10 %

1 5%

0

0%

4

20 %

3

15 %

11 50 %

5%

Gute Jahre

20

100 % 1

5%

0

3

15 %

1

3

15 %

12 60 %

Hagel

19

100 % 2

10 %

0 0%

%

0

0%

10 51 %

2

10 %

6

29 %

Sturmfluten

17

100 % 0

0%

0 0%

6

35 %

1

3

18 %

7

41 % 25 %

6%

Blutregen

16

100 % 3

18 %

1 6%

1

6%

6

37 %

1

6%

4

Tornados

10

100 % 0

0%

1 10 %

3

30 %

1

10 %

0

0%

5

50 %

Massenbewegung

7

100 % 1

14 %

0 0%

0

0%

4

57 %

0

0%

2

29 %

Tsunami

6

100 % 3

50 %

0 0%

1

17 %

1

17 %

0

1

17 %

Gesamt

1173 100 % 129 11%

73 6,2 % 155 13 %

269 23 %

226 19,3 % 321 27,4 %

Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse | 769

Während die Überlieferung im 6. Jahrhundert noch von der spätantiken Schriftlichkeitstradition profitiert, ging die Schriftlichkeit im 7. Jahrhundert zurück, was zu einer Abnahme der Überlieferung führte. Im Laufe des 8. Jahrhundert stieg diese insgesamt aber wieder so stark an, dass die spätantike Überlieferung des 6. Jahrhunderts in quantitativer Hinsicht überholt wurde. Im 9. Jahrhundert wurden sehr viele Quellen produziert, die auch überliefert sind, während die Quellen besonders der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts bekanntermaßen spärlich fließen. Im 11. Jahrhundert stiegen Produktion und Überlieferung historiografischer Quellen wieder stärker an. Schon die allgemeine Ausgangslage von Produktion und Überlieferung der zur Verfügung stehenden Quellen ist im Untersuchungszeitrahmen äußerst uneinheitlich. Während für das 6. Jahrhundert das Auftreten von Heuschrecken (vor allem im Nahen Osten) und die Verbreitung von Epidemien häufig dokumentiert sind, können im 7. Jahrhundert aufgrund der allgemeinen Quellenarmut nur hinsichtlich der Nennungen von Epidemien und Sonnenfinsternissen über ein Minimum hinausgehende Zahlen beobachtet werden. Dagegen sind für das 8. Jahrhundert Sturmfluten, Tornados und Trockenzeiten häufig belegt. Das 9. Jahrhundert stellt sich insgesamt als reich an Naturereignissen dar, am häufigsten wurden Kometen, Sonnen- und Mondfinsternisse, Massenbewegungen, Gewitter, Stürme, Hagel, Extremwinter und Blutregen überliefert. Am zweithöchsten sind die Werte bei Polarlichtern, Überschwemmungen, Heuschrecken und Hungersnöten. Im 10. Jahrhundert sind die Werte bei der Beobachtung von Meteoriten, Polarlichtern und Tierseuchen am höchsten. Auf Platz zwei rangieren die Überlieferung zu Kometen, Meteorströmen und optischen Atmosphärenphänomenen. Im 11. Jahrhundert wurden folgende Ereignisse am häufigsten dokumentiert: Beobachtung von Meteorströmen, optischen Atmosphärenphänomenen, Erdbeben, Überschwemmungen, Sturmfluten/Tsunamis, Tornados, Trockenheit und Hungersnöten. Am zweithäufigsten werden in diesem Jahrhundert die Mondfinsternisse, Massenbewegungen, Gewitter, Stürme, Hagel, Extremwinter, Blutregen, Epidemien und Tierseuchen erwähnt. Neben allgemeinen Entwicklungen spiegeln diese Ergebnisse vor allem die individuellen Darstellungsabsichten der Autoren wider. So sind die Nachrichten über gravitative Massenbewegungen oder Hagel zwar überwiegend im 9. Jahrhundert überliefert, es wird aber in anderen Jahrhunderten nicht seltener zu solchen Ereignissen gekommen sein, nur hatten die Autoren wohl an einer Dokumentation dieses Ereignistyps oder damit einhergehender Traditionsbildung kein ausreichendes Interesse. Die Zahl der Nennungen der verschiedenen Naturextreme zeigt sich deutlich in folgender Grafik. Mit genau einem Zehntel der Gesamtnennungen am häufigsten finden sich Erdbeben in den Quellen. Darauf folgen in absteigender Reihenfolge Extremwinterereignisse, Epidemien, Hungersnöte, Sichtungen von Kometen und Beobachtungen von Mondfinsternissen. Diese sechs Bereiche umfassen gemeinsam bereits über die Hälfte aller überlieferten Naturereignisse in der Untersuchungszeit.

770 | Zusammenfassung und Ausblick

140 120 100

115 94 91 88 73 72 69 67 64 59 55 52 52

80 60

29 28 26 22 22 20 19 17 16

40 20

10 7 6 Tsunami

Tornados

Massenbewegung

Blutregen

Hagel

Sturmfluten

Wein

Gute Jahre

Meteoriten

Heuschrecken

Meteorströme

Stürme

Opt. Phänomene

Sonnenfinsternisse

Tierseuchen

Polarlichtern

Gewitter

Trockenheit

Mondfinsternisse

Kometen

Überschwemmungen

Epidemien

Hungersnöte

Erdbeben

Extremwinter

0

Abb. 15: Überlieferte Nennungen von Naturereignissen vom 6. bis 11. Jahrhundert (vgl. Tab. 72)

Nimmt man die Gewitter, Stürme, Tornados und Hagelbeobachtungen zusammen, ergeben diese 13 Prozent (148) der überlieferten Einzelereignisse. Das Übergewicht der lunaren gegenüber den solaren Eklipsen entspricht den tatsächlichen Verhältnissen, da Mondfinsternisse mit einer etwas höheren Häufigkeit vorkommen und vor allem deutlich weiträumiger sichtbar sind. Es muss an dieser Stelle jedoch betont werden, dass aus diesen Zahlen nicht auf eine Häufung von bestimmten Ereignistypen in einem der Jahrhunderte geschlossen werden kann. Mond- und Sonnenfinsternisse kehren statistisch betrachtet sehr regelmäßig und chronologisch relativ gleichmäßig verteilt wieder. Trotzdem ist ihre zeitgenössische Dokumentation aber je nach Jahrhundert unterschiedlich häufig und ihre Überlieferung unterscheidet sich von Quelle zu Quelle. Da sich diese Beobachtung wohl auch auf alle anderen Ereignisse übertragen lässt, sagt sie nichts über die tatsächlich möglichen Änderungen aus. Diese methodischen und statistischen Überlieferungsprobleme machen es schwierig, aus den auf uns gekommenen Daten auf die durchschnittliche Häufigkeit einzelner Ereignistypen zwischen dem 6. bis 11. Jahrhundert zu schließen. Das macht es unmöglich, anhand statistischer Abweichungen (aufgrund der historischen Quellen) klimatische Veränderungen abzulesen. Dies wird noch verschärft durch die insgesamt geringe Anzahl überlieferter Einzelereignisse, denn nur die extremsten Abweichungen von Erfahrung und Erwartung wurden dokumentiert. Die in den Quellen beschriebenen Naturereignisse können zwar teilweise genau rekonstruiert werden, aber die Zahl der derart rekonstruierbaren Ereignisse liegt bei unter einem Zehntel der statistisch möglichen Beschreibungen auf der Ebene der Jahreszeiten (ge-

Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse | 771

schweige denn bei Monaten). Für eine Untersuchung der langfristigen Veränderungen von Temperatur oder Niederschlägen lassen sich historisch überlieferte Naturereignisse zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert kaum nutzen und selbst bei der Nutzung einzelner signifikanter Ereignisse als Marker für die Synchronisierung mit naturwissenschaftlich gewonnenen Datenreihen muss jeder Einzelfall genau geprüft werden. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung werden in den folgenden vier Abschnitten zusammengefasst und das fünfte Unterkapitel bietet einen Ausblick auf die künftigen Forschungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten.

6.1 Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse Den Himmel beobachten die Menschen seit Langem, demnach war die Genese vieler Phänomene, die vor allem nachts sichtbar sind, lange Zeit bekannt, aber unklar. Lediglich für die in regelmäßigen Intervallen zu beobachtenden Eklipsen von Mond und Sonne sind schon seit der Antike Erklärungsansätze bekannt. Trotzdem wurden die Finsternisse, wie auch die plötzlichen und unerwarteten (scheinbaren) Neuerscheinungen von Sternen und andere Ereignisse wie Blutregen etc. als Vorboten bald zu erwartenden Unheils gedeutet. Demgegenüber stellten die ebenfalls in ihrer Entstehung unbekannten optischen Atmosphärenphänomene wie Halos anscheinend nur einen geringen Grad an Bedrohung dar, denn ihre Beobachtung wurde nicht negativ gedeutet, vermutlich auch, weil sie in hohem Maße von der Erfahrung und Erwartung des Beobachtenden abhängt. Sie wurden nur vereinzelt und teilweise mit einer gewissen Skepsis dokumentiert. Mit der heute möglichen Berechnung von Sonnen- und Mondfinsternissen aber auch ausgewählter Kometen, bietet sich für die moderne Mediävistik die Chance, die mittelalterlichen Quellen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit zu überprüfen. Die Kometen (stella cometes) wurden seit der Antike als Vorzeichen mit Herrscherwechseln oder Katastrophen in Verbindung gebracht. Auch zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert wurden sie auf diese Weise gedeutet. Da nach diesen Vorzeichen aber mehrfach nicht das eintrat, was sie vorhersagten, wurde eine Deutungserweiterung notwendig. So lässt sich etwa ab dem 8. Jahrhundert zunächst in Konstantinopel, dann auch nördlich der Alpen, beobachten, dass bei Kometensichtung zwar die Episode des Sterns von Bethlehem zitiert wird, aber noch nicht in Interpretationen angewendet wurde – so Einhard im Jahr 837. Dies änderte sich später. Der bekannteste Komet 1P/Halley kehrt alle 75,32 Jahre wieder und hätte in den Jahren 530, 607, 684, 760, 837, 912, 989 und 1066 beobachtet werden können. Von Sichtungen in den ersten beiden in die Untersuchungszeit fallenden Jahren 530 und 607 berichten aber nur chinesische Quellen und besonders arabische Quellen, die den Kometen mit der Offenbarung des Propheten Mohammeds im Jahr 610 in Verbin-

772 | Zusammenfassung und Ausblick

dung brachten. Im Jahr 684 wurde die Sichtung des Kometen Halley hingegen in vielen europäischen Quellen als Vorzeichen eines kurz darauf erfolgten Ausbruchs des Vesuvs interpretiert. Von der Wiederkehr des Kometen Halley im Jahr 760 berichtete neben chinesischen Quellen nur Theophanes der Bekenner. Deutlich detaillierter ist die Überlieferung zu seinem Auftreten im Jahr 837, denn Kaiser Ludwig der Fromme soll wegen des Erscheinens des Kometen zeitgenössische Gelehrte zur Bedeutung des Ereignisses befragt haben. Die Vermutung, dass damit sein eigener Tod angekündigt würde, erfüllte sich jedoch nicht. Das Erscheinen Halleys im Jahr 912 ist mehr als acht Mal dokumentiert, was im Vergleich zum Jahr 989 ins Auge sticht, in dem der Komet nur vier Mal erwähnt wurde. Von allen Sichtungen Halleys führte das Jahr 1066 mit den meisten Beschreibungen (mehr als 28) und Instrumentalisierungen. Je nach Autor diente der Komet hier als Vorzeichen für die Schlacht bei Hastings, für den Tod des byzantinischen Kaisers, ja selbst für die später eintretenden Streitigkeiten zwischen den deutschen Gegenkönigen. Außer dem Kometen Halley sind mindestens 72 weitere Kometensichtungen dokumentiert. Während viele Beobachtungen nur von einigen wenigen Zeitzeugen überliefert wurden, ist der Komet X/676 P1 in mehr als zehn über ein großes Gebiet (Irland, England, Schottland, Italien, Syrien, China, Japan, Korea) verstreuten Quellen dokumentiert worden. Ähnliches gilt für den Komet X/838 V1, der sich in Quellen von Ostfranken über Italien bis nach China und Japan nachweisen lässt. Für einen im Jahr 867/868 in mehr als zehn europäischen und japanischen Quellen genannten Kometen konnte bisher noch keine Umlaufbahn berechnet werden. Von den Zeitgenossen wurde er als Vorbote für Sturm, Hunger und Seuchen interpretiert. Beschreibungen des Kometen X/891 J1 sind in mehr als fünf europäischen Quellen aus Britannien und dem Rheinland, aber auch in China und im Irak dokumentiert. Neun Mal wurde in den Quellen das Erscheinen von Kometen unmittelbar mit dem Tod eines Herrschers oder Bischofs verbunden (siehe Tab. 62). So habe ein Komet den Tod von Erzbischof Johannes II. von Ravenna im Jahr 595 angekündigt, ein anderer im Jahr 660 den Tod von Bischof Eligius von Noyon oder 817 den Tod Papst Stefans IV. Auch der Tod Bischof Teotolos von Tours 945 und der Tod Erzbischof Sigerichs von Canterbury im Jahr 995 sollen durch Kometen angezeigt worden sein. Dass Sigerich von Canterbury bereits 994 starb, also noch vor dem Auftreten des Kometen, zeigt die Vorgehensweise der zeitgenössischen Schreiber, denn das Erscheinen der Kometen passte nicht immer in das erwünschte Schema vom angekündigten Tod wichtiger Persönlichkeiten und so wurden die Daten manchmal kurzerhand korrigiert. Da sich Ludwig der Fromme bei der Wiederkehr des Kometen Halley im Jahr 837 ausgiebig mit seinem dadurch vermeintlich angekündigten Ableben beschäftigt hatte, vermied es sein Biograf, einen im Jahr 840 aufgetretenen Kometen zu erwähnen, der durchaus als Vorzeichen des Herrschertodes hätte dienen können. Stattdessen ließ er eine Sonnenfinsternis – die nicht weniger prominent beim Tod Christi aufgetreten sein soll – die Funktion als Vorzeichen übernehmen. Demgegenüber befand sich Petrus, der Autor der Historia Francorum, anscheinend nicht in diesem Dilemma,

Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse | 773

vielleicht stand er dem Kaiserhof auch ferner als der sogenannte „Astronomus„ und ließ die Kometenerscheinung 840 ganz selbstverständlich den Tod des Kaisers ankündigen. Auch im Jahr 882 wurde eine Kometenerscheinung als Vorzeichen des Todes König Ludwigs III., des Jüngeren, gedeutet. Den Kometen von 907 hat man ebenso versucht, als prodigium für das Ableben Ludwigs IV., des Kindes, zu deuten, obwohl dieser erst im Jahr 911 starb. Weiterhin soll auch der Tod König Edgars von England im Jahr 975 durch einen Kometen angekündigt worden sein. Daneben wurden Kometenerscheinungen von den mittelalterlichen Zeitgenossen 14 Mal als Vorboten für Hungersnöte, Epidemien, Heuschrecken und Erdbeben gedeutet. Dem aus der Antike übernommenen negativen Interpretationsschema der Kometensichtungen stellten die mittelalterlichen Autoren im Laufe der Jahre positive Beispiele gegenüber, wie den Sieg Karl Martells im Jahr 732 oder den Beginn des Pontifikates von Papst Marinus II. im Jahr 942, denen jeweils eine Kometensichtung vorausgegangen sein soll. Eine radikale Bedeutungserweiterung erfuhr schließlich der Komet C/905 K1 im Jahr 905, als ihn Johannes Skylitzes in die an die Geburt Jesu erinnernde Geschichte von der Geburt Konstantins VII. Porphyrogennetos (905–959) einbaute. 40 Tage lang soll ein Komet am Himmel zu sehen gewesen sein. Noch weiter gingen die Darstellungen Thietmars von Merseburg und der Annales Quedlinburgenses, welche die Rückgabe des dreijährigen Otto III. an seine Mutter Theophanu nach dem gescheiterten Usurpationsversuch Heinrichs des Zänkers darin münden ließen, dass „strahlend der Stern des von Gott vorbestimmten Herrschers am hellen Tage leuchtete und alle ihn sahen.“ Dieser Komet wird hier klar mit dem Stern von Bethlehem parallelisiert, der den Beginn einer neuen Herrschaft verkündet. Nicht mehr der Herrschertod, sondern der Herrscherwechsel wird angekündigt, nicht die Bestrafung für eine sündige Zeit, sondern der Aufbruch in eine neue Epoche. Bei Rodulfus Glaber im 11. Jahrhundert überwiegt diese positive Interpretation von Kometenerscheinungen und spätestens mit der Darstellung des Erscheinens des Kometen Halley im Jahr 1301 scheint dieser langandauernde Umdeutungsprozess vorerst abgeschlossen. Kometen hinterlassen materielle Spuren im Weltall, die zu sogenannten Meteorströmen führen. Gerät die Erde bei ihrer Bewegung um die Sonne in die Materialspuren eines Kometen, werden dessen Trümmer in der Erdatmosphäre ionisiert und leuchten auf. Für den irdischen Beobachter scheinen die Meteorströme aus einem Punkt, dem sogenannten Radianten, zu kommen. Da die Erde regelmäßig solche Trümmerbahnen kreuzt, gibt es mehr als 18 solcher wiederkehrend zu beobachtenden Meteorströme. 26 Beobachtungen zeitgenössischer Sichtungen von Meteorströmen sind von 500 bis 1100 dokumentiert worden, zehn davon in arabischen Quellen. Solche Meteorströme lösten mehrfach große Ängste bei den Zeitgenossen aus (762, 902), so glaubten einige, das Ende der Welt sei gekommen (764). Meteorströme wurden auch als Vorzeichen für Blutvergießen (744/745, 912/913) und Brände (1093) interpretiert, so-

774 | Zusammenfassung und Ausblick

gar als Vorboten für den Tod Kaiser Lothars I. im Jahr 855. Daneben sollen Meteorströme im Jahr 749/750 die Geburt des byzantinischen Kaisers Leo IV. angekündigten haben. Im Jahr 855 wurde in arabischen Quellen auf Vorzeichen referenziert, die bei der Geburt des Propheten Mohammeds (c. 570–573) zu beobachten gewesen sein sollen. Die Meteorströme im Jahr 1095 wurden rückblickend als positives prodigium für den Ersten Kreuzzug gedeutet. Alle neu erschienenen Himmelskörper benötigten eine Deutung. Die eindrucksvollen Leuchterscheinungen unbeweglicher Supernovae wurden aufgrund ihrer großen Helligkeit als neue Sterne (novae stellae) interpretiert. Zwei Supernovae sind nach historischen Quellen in den Jahren 1006 und 1054 vermutet worden, aber lediglich die Supernova des Jahres 1006 lässt sich auch astronomisch nachweisen. Sie wurde von den Zeitgenossen als Vorzeichen der Apokalypse gedeutet, da sie mit einer akuten Hungersnot im selben Jahr koinzidierte. Demgegenüber gehört die Supernova von angeblich 1054 aufgrund neuer Untersuchungen der Astrophysik nicht ins 11. Jahrhundert, sondern vermutlich ins 12. oder gar erst ins 13. Jahrhundert. Die im Allgemeinen als „Sternschnuppen“ bezeichneten Leuchterscheinungen werden von kleinen, in die Erdatmosphäre eindringenden „Meteoroiden“ erzeugt. Fallen diese bis zur Erdoberfläche herab, werden sie „Meteorite“ genannt. Der größte Teil der Meteorite sind Steinmeteorite. Da diese gefundenen Himmelskörper „hart und abscheulich“ waren, nahmen die mittelalterlichen Zeitgenossen eine Herkunft aus Orten der Unterwelt (de infernalibus locis) an. Meteorite verbanden für den mittelalterlichen Menschen Himmel und Hölle mit der Erde. Dokumentiert sind 25 Beobachtungen, neun davon in arabischen Quellen. Besonders im Islam bekamen die Meteorite eine zentrale Rolle zugewiesen. So besteht das islamische Zentralheiligtum Kaaba wahrscheinlich aus einem (Pseudo)Meteoriten. Drei Mal wurde die Beobachtung dokumentiert, dass Meteorite in der Atmosphäre auseinanderbrachen, so 918/919 als drei Teile über dem Zweistromland niedergingen. Im August 952 scheint ein Meteorit in mindestens zwei Teile zerbrochen zu sein, deren Niedergang von mehreren Beobachtern über Italien und Kairouan in Tunesien beobachtet wurde. In der dortigen Moschee bildete ein Meteorit lange Zeit ein weiteres zentrales Heiligtum, welches nach Mekka und Medina während des Mittelalters als ein zentrales Wallfahrtsziel angesehen wurde. Im Jahr 998 zerbrach ein Meteorit wohl über Magdeburg in zwei Teile, von denen einer in die Stadt und einer im Gebiet jenseits der Elbe eingeschlagen sein soll. Die wichtigste Energiequelle für das Leben auf der Erde ist die Strahlung der Sonne. Diese variiert und ein parallel auftretendes Zeichen dieser Variationen sind die Sonnenflecken, die in einem Zyklus von 11 bzw. 22 Jahren wiederkehren. Sonnenflecken wurden zwar bereits in der Antike beobachtet, für die Zeit von 500 bis 1100 konnte jedoch keine Quellenstelle gefunden werden, die sicher auf eine unmittelbare Beobachtung hinweisen würde. Zwar werden in den Quellen zehn Mal Zei-

Astronomische, tektonische, geomorphologische und vulkanische Ereignisse | 775

chen auf der Sonne (signum in sole) genannt, aber für neun davon konnte eine (zeitnahe) Sonnenfinsternis nachgewiesen werden. Lediglich bei dem zum Jahr 1096 genannten Zeichen könnte es sich vielleicht um die Beobachtung eines Sonnenfleckens handeln. Die erste bekannte mittelalterliche Zeichnung eines Sonnenfleckens stammt von Johannes von Worcester aus dem Jahr 1128. Unmittelbar mit der Aktivität der Sonne hängen auch die Polarlichter zusammen. Diese entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen des Sonnenwinds in der Magnetosphäre auf Sauerstoff- und Stickstoffatome der oberen Erdatmosphäre treffen und diese ionisieren. Das dabei ausgestrahlte Licht führt zu eindrucksvollen Leuchterscheinungen. Da die Genese dieses Phänomens den mittelalterlichen Zeitgenossen unbekannt war, wurden die Polarlichter oft als „feurige Schlachtenreihen im Himmel“ (igneae acies in caelo) oder als „brennender Himmel“ umschrieben. Von den insgesamt 59 Beobachtungen (acht in arabischen Quellen) wurde fast ein Drittel im 10. Jahrhundert niedergeschrieben, ein weiteres Fünftel im 9. Jahrhundert. Zusammen machen sie also mehr als die Hälfte der Gesamtbeobachtungen der Zeit von 500 bis 1100 aus. Polarlichter sind auch sehr weit südlich beschrieben worden, in Ägypten, Irak, Syrien, Spanien und Marokko. Zu einigen in diesen Quellen zum Jahr 1050 genannten Polarlichtern gibt es auch nordeuropäische Belege. Rezente Beobachtungen aus dem Jahr 2003 zeigen Polarlichter über Griechenland oder den Kanarischen Inseln. Hervorzuheben ist der Bericht von Ibn Faḍlān, der 921/922 von Bagdad aus weit nach Norden zog und die für ihn neuartigen Polarlichtbeobachtungen ausführlich beschrieb. Darüber hinaus haben sich besonders Gregor von Tours (582, 584, 585, 587, 590), der Verfasser der Annales Xantenses (836, 838, 839, 840) und Flodoard von Reims (927, 930, 940) für Polarlichter interessiert. Die Sonne ist als eine der wichtigsten Grundlagen der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion zu allen Zeiten intensiv beobachtet worden. Bereits in der Antike konnten die unregelmäßigen, aber sich wiederholenden Sonnenfinsternisse (eclipsis solis) berechnet werden. Dieser Wissensstand ist im Früh- und Hochmittelalter von gelehrten Mönchen gehalten und weiterentwickelt worden. Eine besondere Bedeutung kommt der Sonnenfinsternis im mittelalterlichen Denken deshalb zu, weil sie eines von zwei Ereignissen war, die nach dem Neuen Testament bei der Kreuzigung Jesu auftraten.2 Während der totalen Sonnenfinsternis am 22. Dezember 968 über Konstantinopel wurde erstmals die Korona der Sonne beschrieben. Die Koinzidenz der Sonnenfinsternis mit einem Sonnenfleckenmaximum, in dessen Folge sich die langen Strahlen der Sonnenkorona ausbilden konnten, ist dabei bemerkenswert. Da Sonnenfinsternisse mittlerweile genau berechnet werden können, bieten diese eine hervorragende Möglichkeit, die in den historiografischen Quellen genannten Finsternisereignisse

|| 2 Mk 15,33: Als die sechste Stunde kam, brach über das ganze Land eine Finsternis herein. Sie dauerte bis zur neunten Stunde.

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nachzuprüfen. So konnte gezeigt werden, dass von den 52 überlieferten Sonnenfinsternissen ein Drittel (17) exakt angegeben wurde, bis hin zur korrekten Uhrzeit. Bei einem weiteren Drittel (17) wurde immerhin das Jahr korrekt angeführt. Da in 23 Fällen abweichende Daten genannt wurden, ist davon auszugehen, dass die Autoren versucht haben, einen Zusammenhang zwischen der Sonnenfinsternis und anderen Ereignissen, wie etwa einem Herrschertod, herzustellen. So lagen zwischen dem Tod Karl Martells im Oktober 741 und der letzten vorangegangenen Eklipse am 1. April 740 fast 18 Monate. Der Autor „Astronomus„ suggerierte eine Verbindung zwischen einer Sonnenfinsternis am 7. Juli 818 und dem Tod der Königin Hirmingard am 3. Oktober 818. Der selbe Autor überlieferte die eindrucksvolle Sonnenfinsternis vom 5. Mai 840 und machte aus ihr einen Vorboten für den Tod Kaiser Ludwigs des Frommen, der am 20. Juni 840 in Ingelheim starb, während andere Autoren die in diesem Jahr stattgefundene Kometenerscheinung als prodigium interpretierten. Im Allgemeinen waren für solche Konnexe aber kaum grob übertreibende „Geschichtsverfälschungen“ notwendig. Dennoch datierte der Verfasser des Chronicon Sancti Florentii Salmurensis den Tod Karls des Kahlen (6. Oktober 877), um ihn mit einer Sonnenfinsternis zu korrelieren, in die Zeit nach der letzten Sonnenfinsternis auf den 11. Januar 875 zurück. Zusätzlich irrte er sich noch im Jahr und kam zu der irrigen Angabe von 874. Auch Thietmar von Merseburg musste etwas „tricksen“, als er das Ende von Kaiserin Theophanu und die ihm vorausgehenden Zeichen beschrieb: „Im Jahre 989 der Fleischwerdung des Herrn am 21. Oktober um die 5. Tagestunde [trat] eine Sonnenfinsternis ein.“ Kaiserin Theophanu starb tatsächlich aber erst zwei Jahre später am 15. Juni 991. Zudem hatte auch er sich im Jahr geirrt, denn die Sonnenfinsternis fand eigentlich 990 statt. Desgleichen versuchte Sigebert von Gembloux in seiner Chronik dem Tod Kaiser Konrads II. am 4. Juni 1039 eine Sonnenfinsternis am 14. Mai 1039 vorausgehen zu lassen. Diese konnte jedoch nicht rechnerisch belegt werden, ist also wohl eine Zutat Siegeberts. Auch eine Mondfinsternis kann ausgeschlossen werden. Bei fünf Herrscherinnen und Herrschern (Karl Martell, Hirmingard, Ludwig der Fromme, Theophanu, Konrad II.) wurde der literarische Versuch unternommen, ihren Tod durch eine Sonnenfinsternis voranzeigen zu lassen, aber einzig bei Ludwig dem Frommen hatte eine solche auch wirklich zeitnah, innerhalb desselben Jahres, stattgefunden. Für den irdischen Beobachter verfinstert sich der Mond, wenn sich die Erde auf einer Linie zwischen Sonne und Mond befindet und dabei der Kernschatten der Erde auf die Mondoberfläche fällt. Tritt der Mond nicht in den Kernschatten ein, kommt es dagegen zu partiellen Mondfinsternissen. Die totalen Mondfinsternisse werden in den Quellen mit dem Terminus „Blutmond„ beschrieben. Von den 71 überlieferten Mondfinsternissen (eclipsis lunae) waren mehr als zwei Drittel totale Mondfinsternisse. Für etwa ein Drittel (19) wurde das korrekte Tagesund Jahresdatum angegeben. In über 40 Prozent (28) der Fälle wurde hingegen nur das korrekte Jahr angegeben. Zwei Mal wurden Mondfinsternisse mit Krankheiten und Sterben in Verbindung gebracht, so mit einem Sterben in Rom im Jahr 680 und

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mit Fieber und Husten im Jahr 927. Das Ableben von vier hochrangigen Personen, zwei weltlichen und zwei geistlichen, wurde in den Quellen durch Mondfinsternisse angezeigt. So wurde die Mondfinsternis 734 als prodigium für das Ableben von Erzbischof Tatwine von Canterbury († 30. Juli 734) und von Beda Venerabilis († 26. Mai 735) angegeben. Als am 18. April 796 König Ethelred ermordet wurde, deuteten einige Autoren die totale Mondfinsternis vom 28. März 796 als Vorzeichen für dieses Ereignis. Eine Mondfinsternis am 5. Februar 817 wurde mit dem Tod von Papst Stephan IV. in Verbindung gebracht, obwohl Stephan bereits am 24. Januar 816 gestorben war. Die Mondfinsternis vom 1. September 956 versuchte ein Annalist mit dem Tod Herzog Hugos des Großen in Verbindung zu bringen, wofür er die chronologische Abfolge ändern musste, denn Hugo war bereits am 16. Juni 956 gestorben. Das größte Interesse an der Überlieferung von Mondfinsternissen hatten die Verfasser der irischen Annalen mit 13 Nennungen, sonst werden lunare Eklipsen im Schnitt nur zwei bis vier Mal pro Quelle erwähnt. Insgesamt wurden in Zusammenhang mit dem Tod von 26 Personen astronomische Ereignisse angeführt, wohingegen vier Mal ein Bezug zur Geburt oder einem neuen Herrscher hergestellt wurde. Der Planet Venus schob sich von 500 bis 1100 acht Mal zwischen die Erde und die Sonne, der Planet Merkur 80 Mal. Aber solche inneren Planetentransits sind ohne Hilfsmittel schwer zu beobachten. Zwar wies Einhard auf eine solche Beobachtung hin, es konnte aber gezeigt werden, dass keine europäische Quelle einen Planetentransit in der untersuchten Zeit dokumentieren hätte können, da im angegebenen Jahr keiner stattfand. Zu den schwer zu deutenden und ungewöhnlichen optischen Phänomenen in der Atmosphäre zählen die sogenannten Halos. Diese Lichterscheinungen entstehen durch Brechung und Spiegelung an polygonalen Eiskristallen in der Atmosphäre. Die bekanntesten Beispiele sind die sogenannten Nebensonnen, die Lichtsäulen, die 22°und 46°-Halos sowie die Bravaisbögen. Zwar kann ein kundiger Beobachter in Mitteleuropa an über 100 Tagen im Jahr solche optischen Atmosphärenphänomene beobachten, trotzdem sind zwischen 500 und 1100 nur 29 Beobachtungen von Halo-Erscheinungen überliefert, darunter neun Mal Nebenmonde, 13 Mal Nebensonnen, vier Mal Bravaisbögen und drei Lichtsäulen. Nachdem hier die Extreme in der Atmosphäre dargestellt worden sind, geht es nun um die Ereignisse, welche die Lithosphäre betreffen. Erdbeben (terrae motus) wurden aufgrund ihrer plötzlichen Zerstörungskraft und der physischen Bedrohung zu allen Zeiten aufmerksam verfolgt und in ihren Folgen gefürchtet. Deshalb wurden Erdbeben von allen Naturereignissen am häufigsten dokumentiert; ihr Anteil liegt bei einem Zehntel der Gesamtnennungen. Es handelt sich zudem um den zweiten Ereignistyp, der mit der Kreuzigung Jesu in Verbindung gebracht wurde.3 Vor allem ent-

|| 3 Mt 27,51: Die Erde bebte und die Felsen spalteten sich.

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lang der tektonischen Plattengrenzen treten Erdbeben, die einen plötzlichen Spannungsabbau der Erdkruste darstellen, auf. Bereits antike Gelehrte hatten einige Erklärungsansätze entwickelt. Trotzdem wurde von den mittelalterlichen Zeitgenossen häufig nur das Ereignis als solches überliefert, sodass es schwierig ist, die historischen Beben mit modernen Klassifizierungen zu kategorisieren. Von den 115 überlieferten Darstellungen liegen die Schwerpunkte mit fast einem Drittel im 11. Jahrhundert, gefolgt vom 9. und 10. Jahrhundert mit jeweils einem Fünftel. Viele Erbeben sind nur in einer einzigen Quellenstelle überliefert, was auf ihre lokale Begrenztheit hinweisen könnte. Die im Folgenden genannten sechs Beben wurden dagegen in mehreren Quellen dokumentiert. Es handelt sich um Beben am 30. April 800/801, das im Loiretal und Rheinland in drei Quellen erwähnt wird, im Jahr 803 in Aachen in drei Quellen, am 18. Februar 849 in Süddeutschland in sechs Quellen, am 9. Oktober 867 in Süddeutschland in sechs Quellen, am 12. Mai 1021 in Bayern in sieben Quellen und am 20./29. März 1000 in Liège in vier Quellen. Daneben wurden neun Beben von 518, 554, 740, 749, 823, 828/829, 838, 854/855 und 922/923 in jeweils zwei Quellen überliefert. Hierbei ist einzuschränken, dass es sich bei der Überlieferung oft um Kompilationen oder Abschriften handelt. Für alle anderen Erdbeben, die nur in einer einzigen Quellenstelle dokumentiert sind, gilt es aufgrund der fehlenden Parallelüberlieferung eine mögliche intentionale Darstellung des Autors mitzudenken. Die einzelnen Autoren unterscheiden sich in Bezug auf die Aufnahme von Erdbeben in ihre Texte erheblich voneinander. Dies kann an Vorbildung und Interesse des Autors genauso liegen, wie an der Häufigkeit des Auftretens von Beben in der jeweiligen Region. Im Nahen Osten und besonders im Großraum Byzanz verläuft eine bekannte Plattengrenze, die dort häufig zu Beben führt. Dementsprechend findet sich bei Theophanes dem Bekenner 13 Mal diese Ereignisart, bei Theophanes von Edessa immerhin sechs Mal. Irische und schottische Chroniken führen zehn Mal Beben auf, obwohl Irland nicht an einer tektonisch aktiven Zone liegt. Gleiches gilt für den Fuldaer Annalisten mit acht oder Gregor von Tours mit sechs Beschreibungen von Erdbeben. In vier Werken werden jeweils drei Erdbeben genannt: in den Annales Augustiani, Beneventani, Quedlinburgenses und im Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis. Zehn Autoren haben lediglich zwei Mal auf Erdbeben hingewiesen. In weiteren 32 Quellen wird nur auf ein einziges Erdbeben Bezug genommen. Auffällig selten nennen etwa die Annales regni Francorum Erdbeben, obwohl andere Quellen mehrfach Beben in Aachen erwähnen. Ebenso auffällig ist die einzige Erwähnung im Liber Pontificalis, da einige Teile Italiens zu den stark erdbebengefährdeten Gebieten gehören. Dies könnte in einer bewussten Vermeidung der Darstellung von Erdbeben in beiden Werken begründet sein. Bei den einzelnen Autoren spiegelt sich also die Problematik der mit dem Werk wohl verfolgten Intention wider. Betrachtet man dagegen die Verteilung der Nennungen anhand der geografischen Region, überrascht es kaum, dass entlang der tektonischen Plattengrenzen

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eine Häufung der Erdbebendarstellungen zu verzeichnen ist: 14 Beben werden in Italien, 16 im Nahen Osten und neun in Konstantinopel genannt. Aus dem tektonisch nicht ganz so aktiven Westfrankenreich wurden immerhin 13 Nachrichten zu Erdbeben überliefert, aus dem Rheinland 14, davon drei in Aachen. In anderen Regionen finden sich weniger Nachrichten, so in Bayern und in Irland jeweils neun, in England sechs und im Ostfrankenreich fünf. In einem Fall wurde das Verbreitungsgebiet des Bebens auf die ganze Erde (totam terram) ausgedehnt. Schäden infolge von Erdbeben wurden nur selten angegeben, so soll das Beben am 26. Oktober 740 in Konstantinopel zum Einsturz vieler Gebäude geführt haben. Anlässlich der Nachricht über die beiden Beben am 18. Januar 746 oder 749 im Nahen Osten beklagten die Chronisten mehrere Tausend Menschenleben, auch am 25. Oktober 990 sollen in Neapel zahlreiche Menschen umgekommen sein. Langfristig lässt sich beobachten, dass bis zum Jahr 1021 nur in einem Drittel der Fälle das Tagesdatum des Bebens angegeben wurde, während dessen Nennung ab 1021 regelhaft wurde. Neben Erdbeben waren auch Erdrutsche, Erdstürze und andere gravitative Massenbewegungen für die mittelalterlichen Zeitgenossen schwer zu erklären. Obwohl Erdrutsche selten vorkommen, wurden immerhin sieben Ereignisse dokumentiert. So beschrieb Gregor von Tours zum Jahr 562 den Bergsturz, der am Genfer See zu einem Rückstau und in der weiteren Folge zu einem Tsunami führte. Da die Verfasser der Annales regni Francorum bei Nachrichten über Erdbeben sehr zurückhaltend waren, sticht hervor, dass sie für 822 einen Dolineneinbruch am Arendsee in Sachsen und einen großen Erdrutsch in Thüringen überlieferten. Einen ähnlichen Erdversatz haben auch die Autoren der Annales Bertiniani zum Jahr 846 an der Yvonne dokumentiert. In den Annales Fuldenses ist zum Jahr 883 ein Erdrutsch beschrieben, der die Wassermassen der Etsch kurz staute, bis diese sich einen neuen Weg gebahnt hatten. Die Quedlinburger Annalen und Thietmar von Merseburg dokumentierten zum Jahr 1013 die Bildung eines Erdspaltes im kalkreichen Untergrund von Lüneburg, bei dem zahlreiche Gebäude zerstört wurden. Die meisten Schäden durch einen Bergsturz verzeichneten Bernold von St. Blasien und der Autor der Augsburger Annalen. Danach soll eine Vielzahl ungarischer Städte im Jahr 1092 durch die aufgestaute Donau zerstört worden sein. An Beobachtungen langfristiger Entwicklungsprozesse lässt sich festhalten, dass Befestigungsanlagen in karolingischer und liudolfingischer Zeit offenbar verstärkt auf Gipslinsen gebaut wurden, wie in Lüneburg, am Arendsee oder in Memleben. Diese Gipslinsen waren aber immer wieder Lösungsprozessen von Salzen und dadurch den Gefahren von Subrosion und Einsturz ausgesetzt. Zwischen Vulkanismus und kurzfristigen Witterungsveränderungen bestehen durchaus Zusammenhänge und in deren Folge kann es zu Klimaänderungen (rapid climate forcing) kommen. Zudem eignen sich die durch einen Vulkanausbruch diffundierten Kleinteile sehr gut als Zeitmarker für unterschiedlichste Chronologiesysteme. Deshalb galt Vulkanausbrüchen seit je her großes naturwissenschaftliches Interesse,

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besonders den Ausbrüchen zu Beginn des 6. Jahrhunderts, die sich laut jüngsten Forschungen in einen großen Ausbruch des Jahres 536, einen sehr großen 540 und einen kleinen im Jahr 547 aufsplitten lassen. Die aus historischen Quellen gefilterten vermeintlich zeitgenössischen Hinweise sind jedoch selten belastbar. Gerade die von mittelalterlichen Autoren gern konstruierte Verbindung zwischen mediterranen Vulkanen wie dem Vesuv oder dem Ätna mit dem Eingang zur Hölle, stellt eine interpretative Hürde dar. Der Vulkanismus übte zu allen Zeiten eine Faszination auf die Zeitgenossen aus, wofür die häufige Dokumentation effusiver vulkanischer Aktivität spricht. Der Vulkanismus in Island hingegen war nur wenigen aus Autopsie bekannt und wurde wohl oft nur als Gerücht wahrgenommen. Dies änderte sich mit den Darstellungen des spektakulären Ausbruchs der Hekla im Jahr 1104, infolgedessen auch der Eingang der Hölle von Italien nach Island verlegt wurde. Für die Untersuchungszeit werden mehrere Vulkanausbrüche angenommen, die einen gewissen Einfluss auf die Atmosphäre und damit auf die Witterungsverhältnisse gehabt haben könnten. Die vorliegenden methodischen Probleme seien am Beispiel des Ätna verdeutlicht, für den mithilfe der Methode des Archäomagnetismus acht Lavaströme für die Zeit zwischen 500 und 1100 nachgewiesen und datiert wurden. Davon hat sich aber nur ein Strom aus dem Jahr 1063 in den erhaltenen Quellen als tatsächliche Beobachtung niedergeschlagen. Zwar stellte der markante Vulkankegel des Ätna ein interessantes Besucherziel dar, das meist aus der Ferne betrachtet wurde, anlässlich solcher Besuche fand jedoch naturgemäß selten ein explosiver Ausbruch statt. Entsprechend beschrieben die meisten Vorbeifahrenden nur eine schwache effusive vulkanische Aktivität. Ein anders Bild ergibt sich beim Vesuv, denn dort sind mehrere Ausbruchsaktivitäten in den Jahren 505, 512, 685, 788, 968 und 1037 überliefert. Eines der bekanntesten Beispiele findet sich bei Marcellinus Comes bereits für das Jahr 471/472. Er schreibt, der Vulkan habe siedenden Schutt ausgespuckt und nächtliche Dunkelheit den Tag überschattet. Über der gesamten Oberfläche Europas hätte es feine Staubteilchen herabgeregnet, weshalb die Byzantiner die Erinnerung an diese furchtbare Asche am 6. November eines jeden Jahres feierte. Cassiodors beschrieb zu Beginn des 6. Jahrhunderts erstmals einen pyroklastischen Strom. Als der Vesuv im Jahr 968 ausbrach, führte dies gleich zu drei eigenständigen und unabhängigen, verschriftlichten Beobachtungen, unter anderem von Liudprand von Cremona im Zuge seiner Legationsreise nach Byzanz. Von einer Eruption des Vulkans Santorin am 15. Juli 726 erfahren wir detailliert aus einem Bericht des Patriarchen Nicephoros von Konstantinopel. Theophanes der Bekenner instrumentalisierte einen Vulkanausbruch in der Ägäis im Jahr 718 als göttliche Strafe. Ob es sich dabei also um einen tatsächlichen Ausbruch handelte oder nur um eine intentionale Nutzung einer Beschreibung eines anderen Ausbruchs, kann nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden. Kaum anders sieht es bei der Insel Volcano aus, auf der wohl 526, 729, 925 (+/- 45 Jahre) und 1040 Ausbrüche stattgefunden haben sollen. In den Jahren 900, 913, 934,

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938, 942, 946 werden aufgrund naturwissenschaftlicher Untersuchungen Eruptionen isländischer Vulkane angenommen. Anhand des historischen Materials lassen sich diese Daten aber nicht sicher verifizieren, was vor allem an der sehr späten isländischen Überlieferung aus dem 12./13. Jahrhundert liegt. Wird bei einem explosiven Vulkanausbruch viel Feinmaterial in die höheren Atmosphärenschichten transportiert, kann dies zu einer Abkühlung der darunterliegenden Landflächen führen. In der Forschung wird dafür der Begriff Höhenrauch (dry fog) benutzt. Diese ausgestoßenen Aerosole können zu besonders eindrücklichen Sonnenaufgangsszenarien führen. Das Phänomen des Höhenrauchs war den mittelalterlichen Zeitgenossen aber nicht bekannt. Da man nur sieht, was man weiß, und wohl noch weniger beschreibt, was man nicht kennt, sind explizite Bezugnahmen auf Höhenrauch also in höchstem Maße unwahrscheinlich. Früh- und hochmittelalterliche Zeitgenossen dokumentierten jedoch, pauschal ausgedrückt, die Abweichung von der Norm und so könnten sich möglicherweise indirekt Hinweise auf Höhenrauch in den mittelalterlichen Quellen finden. Bei acht überlieferten Ereignissen ist die Länge der Sonnenverdunklung so ungewöhnlich, dass dies ein Hinweis auf Höhenrauch sein könnte. Andere Erklärung wie etwa Sonnenfinsternisse konnten hierfür ausgeschlossen werden. Es handelt sich um Ereignisse der Jahre: 536, 625, 626, 745, März/April 746, 10.–15. August 747, 797, 933 (?) und 939 (?) sowie am 23. August 1005. Astronomische Ereignisse bieten demnach den mittelalterlichen Autoren die Möglichkeit, den Willen Gottes in Form von Prodigien zu deuten. Allerdings versagten die Vorzeichen mehrfach und es entwickelten sich Bedeutungserweiterungen wie bei den Kometensichtungen, die langfristig nicht mehr das Herrscherende, sondern, wie der Stern von Bethlehem, den Beginn einer neuen Herrschaft ankündigen sollten. Von vulkanischen Ereignissen waren die mittelalterlichen Menschen gleichermaßen positiv wie negativ fasziniert. Einerseits vermuteten sie den Eingang der Hölle in den Vulkanen und berichteten deshalb oft auch das wenig spektakuläre Effusivgeschehen. Der Hekla-Ausbruch von 1104 stellt eine Zäsur dar, nun wurde der Höllenschlund nicht mehr im mediterranen Raum, sondern auf Island verortet. Auch die Bewegungen der Erdkruste in Form von Erdbeben, Erdfällen oder Erdrutschen hinterließen einen traumatisierenden Eindruck von Hilflosigkeit auf die Zeitgenossen und entsprechend oft wurden solche Erscheinungen dokumentiert. Die astronomischen, tektonischen, geomorphologischen und vulkanischen Naturereignisse bilden mit etwa 39 Prozent (458 Fälle) den größten Anteil der hier untersuchten Nachrichten. Nach diesen auf der astronomisch-globalen Ebene angesiedelten Ergebnissen stehen im nächsten Abschnitt die Einzelereignisse und -elemente innerhalb der planetarischen Zirkulation im Fokus der Betrachtung.

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6.2 Extreme Witterungsereignisse Unter meteorologischen Extremen wurden hier Gewitter oder Unwetter samt den zugehörigen Einzelelementen Blitz, Donner und Hagel zusammengefasst. Hinzu kommen die in den Quellen separat aufgeführten Formen von Wind wie Stürme, Orkane, Windhosen und Tornados. Meteorologische Extreme lösen oft auch hydrologische Extreme wie Überschwemmungen im Binnenland oder Sturmfluten an der Küste aus. Letztere sind dabei methodisch von den tektonisch verursachten Tsunamis zu unterscheiden. Mit den meteorologischen Extremen hängen weiterhin eng die thermischen Anomalien zusammen, die in Form von extremen Kälte-, Hitze- oder Trockenperioden ihren Ausdruck finden. Hinzu kommen weiterhin die durch besondere Großwetterlagen verursachten Besonderheiten wie „Blutregen„. Solche Ereignisse wurden im Früh- und Hochmittelalter dokumentiert, dabei aber auch häufig instrumentalisiert. Bevor nun die Ergebnisse der detaillierten Aufstellung und Analyse jedes einzelnen Ereignistyps dargelegt werden sollen, muss vorab nochmals betont werden, dass derartige Aufstellungen nicht in einem positivistischen Sinn die Ereignisse selbst widerspiegeln, sondern nur die teilweise stark instrumentalisierte Darstellung der Ereignisse durch die mittelalterlichen Autoren. Von den insgesamt 67 überlieferten extremen Gewitterereignissen (tempestates) sind die meisten für das 9. und 11. Jahrhundert überliefert. 20 Mal wurden ausdrücklich Blitzeereignisse erwähnt, von denen vier (591, 857, 955, 965) mehrere Menschenleben gefordert haben sollen. Obwohl Blitz (fulmen) und Donner (tonitrus) ursächlich zusammenhängen, wurden in fünf Fällen ausdrücklich beide Phänomene separat beschrieben. Gleiches gilt für die Kombinationen von Blitz oder Hagel mit Gewitter. Lauter Donner ohne die Nennung von Blitzen wurde vier Mal überliefert, Hagel ohne Gewitter einmal. Es ist auffällig, dass Unwetter zehn Mal aufgeführt wurden und bis auf drei Mal immer in Kombinationen wie „Unwetter, Blitz“, „Unwetter, Blitze, Donner“, „Unwetter, Blitze, Regen“ oder „Unwetter, Regen“ vorkommen. Regen (pluvia) als meteorologisches Phänomen wurde in den untersuchten Quellen 18 Mal genannt. Seine Instrumentalisierung in hagiografischen Quellen konnte hier nur angedeutet werden, Regenwunder wären eine eigene Untersuchung wert. Der Schwerpunkt der topografischen Verteilung der Extremgewitter liegt mit 16 Nennungen in Westfranken, gefolgt vom Niederrhein mit neun, Sachsen mit acht, Rheinland sechs, Bayern fünf und der Bodenseeregion mit vier Erwähnungen. Bei der Dokumentation von Gewittern in Nordeuropa liegt Irland mit sieben vor Schottland mit vier und England mit einer Nennung. Demgegenüber wurden im Mittelmeerraum nur sechs Gewitter beschrieben, in Italien drei, in Konstantinopel zwei und in der Westtürkei eines. Ein Gewitter in Sachsen im Jahr 823 ist in vier Quellenstellen parallel überliefert, ein Sturm 928 in Westfranken in drei Quellen, die Gewitter der Jahre 857 und 1016 jeweils in zwei. Alle anderen Gewitterereignisse werden nur von einer einzigen Quelle überliefert, was darin begründet sein kann, dass die räumliche Aus-

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dehnung einer Gewitterzelle sehr unterschiedlich ist und eben auch nur sehr kleinräumig sein kann. Besonders Gregor von Tours interessierte sich für Gewitterereignisse, sieben Mal beschrieb er solche; auf das Gewitter des Jahres 591 ging er sogar drei Mal ein. Die Autoren der Annales Fuldenses enthaltenen Erwähnungen von sieben Gewittern und die Annales Xantenses überliefern sechs Unwetter. Im Chronicum Scotorum sind fünf Gewitter überliefert, ebenso in den irischen Annalen, wohingegen Berthold von Reichenau vier, Flodoard von Reims, Thietmar von Merseburg und Widukind von Korvei jeweils drei Unwetter in ihre Darstellung aufnahmen. Die Annales Quedlinburgenses nannten zwei, ebenso „Astronomus„ in seiner Vita Hludowici. Weitere 21 Autoren nahmen auf jeweils ein Gewitterereignis Bezug. Insgesamt ist auch hier wieder die Autorenintention zu beobachten, Gott würde Regen und Unwetter nutzen, um die Menschen zu strafen oder zu mahnen. Als Beispiel dafür kann die Schilderung der Vorgeschichte des Liutizenaufstand durch Thietmar von Merseburg im Juni 983 dienen: „Schon vorher wurde es meinem Vater, Graf Siegfried, offenbart. Er sah nämlich im Traume den Himmel dicht mit Wolken bezogen und hörte auf seine staunende Frage, was das zu bedeuten habe, eine Stimme sagen: ‚Jetzt soll sich die Weissagung erfüllen: Gott lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte‘4.“ Extreme Hagelereignisse (grando) wurden 16 Mal erwähnt. Hagel gehört einerseits zu den zehn Plagen des Alten Testamentes und wird andererseits in Zusammenhang mit der ersten wie der siebenten Posaune der Offenbarung des Johannes erwähnt. Hagelereignis in einer chronikalischen Darstellung einbauen zu müssen, ist für die zeitgenössischen Autoren also mit Schwierigkeiten verbunden. Am häufigsten führten die Annales Fuldenses Hagelschauer an, nämlich am 5. Juni 854, im Jahr 872, am 21. Juli 882 und im Jahr 889. Hier wird zwar immer die Zugehörigkeit zu einem Gewitter betont, aber jede dieser Nennungen ist ohne jegliche Parallelüberlieferung. Da es auffällig ist, dass in den Annales Fuldenses die in anderen Annalenwerken zum Jahr 865/866 überlieferten Hagelschauer nicht erwähnt wurden, könnte das Interesse des Verfassers daher rühren, dass er versucht, seinen Text an die Offenbarung des Johannes anzulehnen. Von anderen Autoren wurde Hagel immer als Bestandteil von Gewittern genannt. Schäden durch Hagelschlag sind kaum separat erfasst worden. Ernteschäden wurden fast immer auf übermäßige Gewitter zurückgeführt. Drei Sommergewitter (882, 919, 1011) mit Hagelschlag finden sich in den Quellen, zwei Frühlingsgewitter (824, 854) und ein Gewitter im Herbst (1063). Verbindungen zwischen Hagel und Steinfall, die auf einen Tornado hinweisen könnten, wurden in den Jahren 823, 919 und 929 gezogen. Nur 823/825 wurde konkret

|| 4 Vgl. Mt 5,45. Thietmar von Merseburg, Chronik, 3, 17. Ed. Holtzmann, MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 119; FSGA 9, 104 f.: Quod patri meo comiti Sigefrido, priusquam fieret, sic revelatum est. Vidit in sompnis aerem nube densa contractum, et pre ammiracione percontatus, quid hoc esset, audivit vocem talia proferentem: 'Nunc illud compleri debet vaticinium: Pluit Dominus super iustos et iniustos.'

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der Schaden beziffert, als in Sachsen 23 Häuser zerstört worden sein sollen. Die Überlieferungslage der 19 überlieferten Hagelereignisse scheint chronologisch sehr asynchron verteilt zu sein, denn für das 7. und 8. Jahrhundert sind keinerlei Nennungen überliefert, während es für das 6. und 10. Jahrhundert jeweils zwei, für das 11. Jahrhundert aber sechs Nennungen gibt. Der Schwerpunkt der Hagelbeobachtung liegt mit zehn überlieferten Nachrichten im 9. Jahrhundert. Besonders der Fuldaer Annalist zeigte, wie erwähnt, ein großes Interesse an der Dokumentation von Hagelschauern, das allerdings aus der Erwartung einer nahenden Apokalypse gespeist ist und sich nicht durch Parallelüberlieferung verifizieren lässt. Von den 52 Ereignissen, die sich als Wind oder Sturm (ventus, turbo, porcella) klassifizieren lassen, sind 21 in Irland, fünf in England und zwei in Schottland überliefert. Für die Gebiete am Niederrhein wurden drei, im Rheinland und in Sachsen jeweils vier, in Bayern zwei und am Bodensee ein Ereignis in den Quellen genannt. Die weitere Überlieferung betrifft Mittelitalien zwei Mal, Byzanz drei, Westfranken drei, sowie Prokonnēsos, das südliche Schwarzmeergebiet und Syrien jeweils einmal. Die Bezeichnungen für Wind- und Sturmereignisse unterscheiden sich bezüglich der Art und der Stärke. Besonders häufig wird eine Kombination mit ventus verwendet. Vor allem Verbindungen mit turbo weisen auf heftigere Sturmereignisse hin. Bei den insularen Bezeichnungen finden sich acht Mal great windstorm, fünf Mal great gale, vier Mal sturm, drei Mal gale und zwei Mal severe gale. Wie Regen eigneten sich auch Sturmereignisse als überzeugendes rhetorisches Mittel in hagiografischen Quellen, aber auch diese Untersuchung muss künftigen Arbeiten überlassen bleiben. Nur drei überlieferte Ereignisse können mit Parallelquellen belegt werden: der Wintersturm vom 31. Oktober bis 2. November 839 in Mitteleuropa, der in vier Quellenstellen erwähnt wird und dessen Zugweg sich von Westfalen bis nach Bayern nachvollziehen lässt; weiterhin im Jahr 867 ein ventus cum turbine in Sachsen und Bayern, belegt mit drei Quellenstellen, sowie 871 ein ventus validus in Mitteleuropa und England, ebenfalls in drei Quellen dokumentiert. Fast die Hälfte (23) der 52 Sturmnennungen erfolgte in irischen und schottischen Annalen. Von den anderen hier untersuchten Werken überlieferte die Chronik von Theophanes dem Bekenner drei, die Annales Quedlinburgenses, Flodoard von Reims und Simeon von Durham jeweils zwei und weitere 16 Autoren jeweils eine Nachricht zu Wind oder Sturm. Auch Sturmschäden wurden genannt, so starben zum 16. September 691 sechs Menschen bei einem great windstorm in Irland, weiterhin gab es Gebäudeschäden bei einer very great gale im Jahr 857 in Irland, 867 in Sachsen und Bayern, 986 in Irland und 1011 in Sachsen. Die größten Schäden richtete 1033 ein in Bayern überlieferter Windsturm an, der 302 Gebäude und Schiffe zerstört haben soll. Ein anderer Starkwind zerstörte am 21. Dezember 1052 in England zahlreiche Gebäude. Insgesamt wurden aber in weniger als 15 Prozent der Fälle Schäden dokumentiert, dafür scheinen diese aber teilweise recht ausgeprägt gewesen zu sein. Zwei weitere Beobachtungen zu Sturmereignissen lassen sich festhalten: Zum einen wurde ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts für fast alle Ereignisse das Tagesdatum angegeben, zum anderen

Extreme Witterungsereignisse | 785

ist etwa die Hälfte der Ereignisse, die als Folgen von Orkanen, Windhosen oder Tornados gedeutet werden können, im 11. Jahrhundert überliefert. Die räumliche Verteilung der beschriebenen Ereignisse hat einen Schwerpunkt im insularen Nordeuropa, in Irland (759, 1014), Schottland (714, 1052) und England (1091). In Kontinentaleuropa wurden solche Extremereignisse in Süddeutschland (828, 1091), in Italien (716) und in Konstantinopel (681) dokumentiert. Die Gegenstände, die von den extremen Luftbewegungen mitgerissen wurden, konnten ganz unterschiedlicher Art sein: Spinnweben, Honig, Weizen, Gerste, Hülsenfrüchte, Silber, Mehl, Honig, rundes Korn oder Getreide. Es wurde aber auch aus Fleisch, Blut, Kröten oder Fischen bestehende Regen genannt. Ein Tornado des Jahres 1091 in London forderte zwei Tote und lässt sich mit der modernen Kategorie T3/T4 klassifizieren, mit Windgeschwindigkeiten zwischen 150 und 220 km/h. Sehr genau ist auch die Beschreibung eines Tornadoschlauches am 26. April 1052 in Schottland. Drei diesbezügliche Nachrichten überliefern die irischen Annalen, die schottischen Annalen und eine stammt von Florence von Worcester. Daneben liefern vier weitere Autoren jeweils eine Beschreibung der Folgen eines Tornados. Die Folgen von extremen Gewittern und Starkregen können sich in Hochwasser äußern. Als Hochwasser wird ein Zustand eines oberirdischen Gewässers definiert, bei dem der Wasserstand einen bestimmten Schwellwert überschreitet. Ein Sonderfall des Hochwassers ist die Überschwemmung (inundatio pluviarum), bei der durch die deutliche Überschreitung eines durchschnittlichen Wasserstandes eine sonst trockenliegende Umgebung überflutet wird. Beide Begriffe werden jedoch oft synonym gebraucht. In methodischer Hinsicht ist festzuhalten, dass der Ort, an dem die Überschwemmung dokumentiert wurde, nicht zwangsläufig identisch sein muss, mit dem überschwemmten Gebiet, denn die weite Verzweigung der subsidiären Flusssysteme macht Überschwemmungen zu einem relativ großräumigen Phänomen. In zwölf Prozent (72) der Jahre zwischen 500 und 1100 ist eine Überflutung dokumentiert worden, ganz überwiegend (40 Prozent) im 11. Jahrhundert, gefolgt vom 9. Jahrhundert mit fast einem Viertel. Am seltensten wurden Überschwemmungen für das 7. und 8. Jahrhundert überliefert. In der Hälfte der Fälle wurde eine Ursache für die Überschwemmung angegeben. 35 Mal waren dies heftiger Regen und Sturm genannt, nur zwei Mal die Schneeschmelze. Die überlieferten Hochwasser lassen sich insgesamt 80 Flüssen oder Flusssystemen zuordnen. Mit großem Abstand die häufigsten Nennungen von Hochwassern sind mit jeweils 20 Mal vom Rhein und vom Tiber überliefert, jeweils neun Mal von der Weser, der Elbe und der Donau; von der Loire und der Seine mit der Yvonne jeweils fünf Mal und zwei Mal vom Po in Italien. Dass überdurchschnittlich viele Daten für Rhein und Tiber überliefert wurden, hat mehrere Ursachen: So ist der Rhein aufgrund seiner Länge und seiner wirtschaftlichen Bedeutung an mehreren Orten beobachtet und dokumentiert worden. Der Tiber, obwohl deutlich kürzer, hat eine umfassende Dokumentation im Liber Pontificalis erfahren, da er durch die Stadt Rom fließt und Hochwasser verheerende Folgen für die Stadtbewohner hatte. Einige Überschwemmungen sind nur aus hagiografischen

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Quellen (961, 965, 997) bekannt. Deshalb ist eine Instrumentalisierung in diesen Fällen sehr wahrscheinlich. Dafür spricht auch, dass mit elf Hochwassern eine hohe Anzahl in parallelen Quellen dokumentiert worden ist. So ist das Hochwasser der Jahre 784 in zehn Quellen genannt, das von 988 in acht, die Überschwemmung von 1094/1095 in sieben, diejenigen von 1093 und 987 in jeweils fünf, das Hochwasser von 1068 wird in vier Quellen erwähnt, jene von 585, 841 und 1003 in jeweils drei sowie die Hochwasser von 1004 und 1097 in jeweils zwei Quellenstellen. Diese Hochwasser sind damit sehr wahrscheinlich nicht instrumentalisiert worden und dürften zeitgenössische Beobachtungen wiedergeben. Demgegenüber sind die anderen 61 Hochwasser jeweils nur in einer Quelle überliefert und bedürfen damit einer besonders kritischen Betrachtung. Zehn Autoren haben mehrfach Berichte über Hochwasser in ihre Darstellungen aufgenommen: Am häufigsten tat dies Gregor von Tours, der sieben Überschwemmungen beschrieb, während die Autoren der Annales Fuldenses und Xantenses jeweils vier Hochwasser überlieferten. Die Verfasser der Annales Altahenses und Quedlinburgenses überlieferten jeweils drei Überschwemmungen, wobei der Bericht zum Jahr 1016 in den Quedlinburger Annalen durch seine zahlreichen Details auf einen Augenzeugenbericht schließen lässt. Jeweils zwei Hochwasser führen die Annales Bertiniani und Bernold von St. Blasien, Theophanes der Bekenner, Theophilus von Edessa sowie Thietmar von Merseburg an. Die Autoren von 30 weiteren Werken erwähnen jeweils nur einmal eine Nachricht zu einer Überschwemmung. Aufgrund der detaillierten Datumsangaben lassen sich fast zwei Drittel der Darstellungen hydrologischen Jahreszeiten zuordnen. So fanden zwölf Hochwasser im hydrologischen Winter (hW) Januar bis März, 15 im hydrologischen Frühling (hF) von März bis Mai, sieben im hydrologischen Sommer (hS) von Juni bis August und neun im hydrologischen Herbst (hH) von September bis Dezember. Diesen 46 Ereignissen stehen 30 weitere gegenüber, für die eine genaue zeitliche Zuordnung unklar bleibt. Überschwemmungen betreffen aber nicht nur Flusssysteme, die das Binnenland entwässern, sondern auch Küstenregionen, die von der Meerseite her bedroht werden. Die überlieferten Beobachtungen regulärer Sturmfluten (inundatio maris) sind relativ gleichmäßig zeitlich verteilt: im 8. Jahrhundert sind fünf Sturmfluten oder Meeresküstenüberschwemmungen bekannt, im 9. Jahrhundert eine, im 10. Jahrhundert drei und im 11. Jahrhundert sieben. Bei vier Ereignissen ist keine Region angegeben, sodass bereits die Gewässerzuordnung schwierig ist. Die älteren Ereignisse scheinen eher im Mittelmeerraum beobachtet worden zu sein, der ganz überwiegende Anteil der Sturmfluten ist dagegen für die Nordseeküste und die irische See überliefert, dazu zählen bemerkenswerter Weise auch Tsunamis. Von den erwähnten Überschwemmungen des Meeres lässt sich immerhin ein Viertel als Tsunami deuten. Von diesen fallen drei (8. Jahrhundert, 839, 1014) durch eine besonders ausführliche Schilderung auf. Hier betonten Autoren das Besondere, das von den regulär bekannten Sturmfluten Abweichende, ohne zu wissen, was es mit dem Phänomen „Tsunami“ auf sich hat. Sie beschrieben, wie sich zunächst das Wasser zurückzog, um dann plötzlich und unerwartet weit über den Küstenstreifen

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hereinzubrechen. Eine Besonderheit des letzten in den Untersuchungszeitrahmen fallenden derartigen Ereignisses von 1014 ist die Beschreibung der Auswirkungen des Tsunami beiderseits des englischen Kanals. Nur in den Jahren 712 und 1040 wurden Überschwemmungen durch Binnengewässer, mutmaßlich am Bodensee, beschrieben. Zu beachten ist, dass der Ort, an dem ein Hochwasserereignis dokumentiert wurde, nicht mit dem Ort identisch sein muss, an dem das Ereignis stattgefunden hat. So wurde der Tsunami des Jahres 1014, der an der Nordseeküste stattgefunden hat, auch in verschiedenen, weit davon entfernten, bayerischen Klöstern dokumentiert. Konkrete Schadensangaben der Meeresüberschwemmungen wurden in weniger als der Hälfte der Fälle gemacht. Die Schäden beliefen sich drei Mal auf die Zerstörung von Schiffen, mehrfach auf zerstörte Städte sowie auf eine teilweise hohe Anzahl an Menschenleben und verendetem Vieh. Die Überlieferungslage ist wiederum sehr divers. So sind die Meeresüberflutungen der Jahre 711 mit fünf, 839 mit sieben und 1014 mit sechs Quellenstellen gut belegt. Die häufigsten Nennungen von Meeresüberschwemmungen finden sich in den Annalen von Irland (fünf) und in der Frankengeschichte Gregors von Tours (drei). Weitere elf Quellen erwähnen nur einmal eine Meeresüberschwemmung. Hydrologische Extremereignisse sind durch einen Temperaturbereich geprägt, der Wasser in seinem flüssigen Aggregatzustand ermöglicht. Sinkt oder steigt die Temperatur aber nun in Extrembereiche, kommt es zu thermischen Extremen. Die extrem kalten Winter (hiemps magna) gehören zu den am häufigsten im Früh- und Hochmittelalter dokumentierten Extremereignissen. Dabei wurde freilich unterschieden, ob der Winter schneereich, lang oder kalt war, oder ob große Wasserkörper zufroren. In den hier betrachteten Quellen wurden im 6. Jahrhundert sieben Winter als besonders kalt ausgewiesen, im 7. Jahrhundert fünf, im 8. Jahrhundert neun, im 9. Jahrhundert 28, im 10. Jahrhundert 18 und im 11. Jahrhundert 27 Winter. Die Vereisung von großen Wasserkörpern, wie dem Schwarzen Meer/Bosporus, der Adria, dem Öresund oder großen Flüssen wie Rhein, Donau oder Elbe, aber auch kleineren Flüssen, wurde siebzehn Mal dokumentiert. Die beiden kältesten und längsten Winter, die von den sehr vielen Quellen überliefert wurden, fielen in die Jahre 763/764 und 1076/1077. Acht weitere Winter können aufgrund ihrer Länge oder der Überlieferungshäufigkeit ihrer Nennungen zu den Extremwintern gezählt werden: 709/710, 839/840, 859/860, 913/914, 939/940, 975/976, 993/994 und 1067/1068. Dazu kommt eine außergewöhnliche Kältephase von 872 bis 876. Auffällig ist zudem eine 18 Jahre dauernde Phase von 946 bis 964, in der kalte Extremwinter komplett ausgeblieben sein sollen. Am besten ist die Überlieferungslage zum Winter 763/764 mit mehr als 40 Quellenstellen, es folgen die Winter 1076/1077 mit 15, 913/914 und 975/976 mit jeweils acht, 859/860 und 993/994 mit jeweils sechs Quellennennungen sowie 939/940 mit fünf, 709/710 mit vier und 873/874, 927/928, 964/965, 994/995, 1008, 1045/1046, 1046/1047 und 1099/1100 mit jeweils drei Quellenstellen. Autoren, die sich besonders für Extremwinter interessieren, sind im Vergleich zu den anderen Naturextremen

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nicht in dem Maße aktiv, es sind die Autoren der Annales Fuldenses, des Chronicum Scotorum und der irischen Annalen, die von jeweils fünf Extremwintern berichten, Johannes Skylitzes erwähnt vier, die Annales Bertiniani und die Annales regni Francorum sowie die Frankengeschichte Gregors enthalten jeweils drei Nachrichten zu derartigen Wintern. Die Hälfte der überlieferten extremen Winter wurde aufgrund der Temperatur charakterisiert, ein Drittel aufgrund des gefrorenen Niederschlages, der verbleibende Rest mit Hilfe anderer Winterelemente. Eine Besonderheit der Extremwinter stellt die Vereisung großer Wasserkörper dar, die 19 Mal für ganz unterschiedliche Flüsse, Flusssysteme und Wassergebiete beschrieben wurden, davon drei Mal für den Bosporus (739, 754, 764) und die irischen Flüsse (934/945, 939/940, 941/942), einmal auch für die Adria bei Venedig (859/860), für den Öresund (1046/1047) und den Calore in Benevent (1079/1080). In zehn weiteren Wintern wurden unterschiedliche Flüsse genannt, die vereist gewesen sein sollen (554, 814/815, 821/822, 848/849, 880/881, 927/928, 1068/1069, 1074/1075, 1076/1077, 1093). Demgegenüber stehen solche Winter, die als mild (lenis, calida, humida, mollissima) gekennzeichnet wurden, weil sie von den durchschnittlichen Regelfällen durch zu warme Temperaturen abwichen. Als „mild“ wurden in den Quellen die Winter der Jahre 801, 808, 844, 863, 1056 1066 und 1097 bezeichnet. Dabei wird mehrfach betont, dass diese zu milde Witterung sehr ungesund (pestilens erat) sei. Extreme Trockenheit wurde in 64 verschriftlichen Beobachtungen überliefert, mit jeweils über einem Viertel am häufigsten im 8. und 11. Jahrhundert, die wenigsten Beobachtungen, jeweils unter einem Zehntel, sind für das 6. und 7. Jahrhundert überliefert. 17 Mal wurde von großer Trockenheit (siccitas inmensa/magna) und 18 Mal einfach nur von Trockenheit (siccitas) berichtet. Mehrere Autoren betonen die Hitze als entscheidendes Element, nennen ungewöhnliche oder große Hitze. Insgesamt wird der Zusammenhang zwischen hohen Temperaturen und großer Trockenheit deutlich gemacht. Neben trockenen (hygrischen) oder heißen (thermischen) Perioden wurden nur zwei Sommer (842, 973) als kalt und regnerisch charakterisiert. In räumlicher Hinsicht sind vorwiegend für das westfränkische und das ostfränkische Reich Extremsommer mit jeweils 15 Nennungen, überliefert, im Rheinland sieben, in Irland elf. Auffälliger Weise wurden – im Vergleich zu anderen Ereignissen – Trockenzeiten auf der britischen Insel oder in Schottland nicht erwähnt. In Italien wurden zwölf Perioden extremer Trockenheit genannt, drei in Byzanz, fünf im Nahen Osten und je eine in Persien und Spanien. Elf Nennungen sind durch Parallelüberlieferung relativ belastbar: 772 in sieben Quellen, 988 in sechs, 872 und 1091 in vier, 591, 593, 892, 990, 1076/1077 und 1083 in drei sowie 870 in zwei. Jeweils drei Mal haben die Annales Beneventani, die Annales Corbeienses, Michael Syrer und Theophanes der Bekenner Trockenheit und/oder Hitze dokumentiert, weitere fünf Quellen überliefern jeweils zwei Nachrichten und weitere 26 Autoren jeweils nur eine. Die Dauer der Trockenperiode wird oft mit den drei Monaten des Sommers angegeben, so in den Jahren 587, 719,

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842, 870, 921, 973, 974, 995 und 1006. Deutlich längere Trockenphasen wurden in sieben Fällen überliefert: Im Jahr 593 soll es 243 Tage lang trocken gewesen ein, 981 das ganze Jahr, 1023 an 114 Tagen vom 6. Januar bis 1. Mai, 994 an 138 Tagen vom 24. Juni bis 9. November, im Jahr 1050 an 214 Tagen vom 1. Mai bis 30. November, 1091 an 200 Tagen vom 1. Mai bis 6. Dezember und 1095 an 144 Tagen vom 25. März bis 16. August. Der sogenannte Blutregen (sanguis de nubibus fluxit) erfordert als meteorologisches Phänomen besondere atmosphärische Zustände. Dabei muss um die TagNacht-Gleiche am 21. März ein sehr großes Tiefdruckgebiete über der Sahara ausgebildet werden, wodurch der Saharasand in hohe Atmosphärenschichten gehoben wird. Durch Windsysteme nach Europa transportiert, bildet der Sand dort Kondensationskerne und färbt die herabregnenden Niederschläge rot. Gerade weil Blutregen so selten vorkommt, war das Interesse daran im Mittelalter sehr groß. Zwischen 500 und 1100 sind zwölf Nachrichten zu Blutregen oder Blutschnee überliefert. Drei Mal sind für Blutregenereignisse in Italien tagesgenaue Daten bekannt (8. Mai 839, 22. Mai 874 und Mai 954). Hierzu lässt sich jeweils ein massives Tiefdruckgebiet über Nordafrika rekonstruieren. Erklärungen für das Phänomen des Blutregens waren zwar bereits in der Antike gefunden worden, das Wissen darum hat aber nicht ins Mittelalter überdauert. Als im Jahr 1027 in England Blutregen beobachtet wurde, nahm man diesen als Vorzeichen sehr ernst, was sich an einem Brief Herzog Roberts I. (1002/10– 1035) zeigt, mit dem er bei zwei Gelehrten nachfragt, was das Phänomen bedeute. Dem atmosphärischen Großereignis Blutregen stehen vielfältige kleinräumige Verfärbungen von Gewässern gegenüber, die auf einer explosionsartigen Vermehrung von Bakterien oder Algen oder einer Verfärbung durch eisenhaltige Verbindungen beruhen. Solche Erscheinungen wurden für die Jahre 591, 1014 und 1092 beschrieben. Da für einen Blutregen in den Annales Fuldenses zum Jahr 860 jegliche Parallelüberlieferung fehlt und in diesem Jahr auch Saharasand als Erklärung wegfällt, könnte hier entweder eine Instrumentalisierung in Analogie zur Offenbarung des Johannes anzunehmen sein oder ein vulkanischer Ursprung der Rotfärbung. Beobachtungen von Blutregen dominieren das 9. Jahrhundert mit über einem Drittel und das 11. Jahrhundert mit einem Viertel. Insgesamt stehen der Überlieferung von 64 Trockenperioden 94 Kälteperioden gegenüber, das Verhältnis beider zueinander entspricht etwa zwei zu drei; es wurden also ein Drittel mehr Winterextreme überliefert. Die Zusammenfassung der Frühlingsund Herbstextreme fällt kurz aus, denn dazu liegen nur sehr wenige Nachrichten vor. In zehn Jahren wurden 15 (588, Mai 846, 12. März 891, 15. April 891, 12. Mai 892, 15. Juni 892, März 893, 18. Februar 944, 29. April 944, 15. März 945, 7. Juli 994, 25. April 1057, 21. März 1063, April 1063, 22. April 1100) Frühjahrsfröste dokumentiert, häufig mit dem Hinweis auf eine Schädigung des Weins. Weiterhin bleiben an Frühjahrsund Herbstereignissen nur drei Ereignisse, alle in den Augsburger Annalen, im ausgehenden 11. Jahrhundert (1093, 1095, 1097) übrig. Dabei ist der Eintrag zum Jahr 1095 zu betonen, denn hier wird erstmals jede Jahreszeit einzeln charakterisiert. Mit

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dieser neuen Darstellungsweise kündigt sich ein Schritt in der langfristigen Entwicklung der Beschreibung von Witterungsereignissen an. Bis dahin mussten die zeitgenössischen Erwartungshaltungen über- oder unterschritten werden, damit es zu einer Überlieferungsnotiz kommen konnte. Mit der regelhaften Beschreibung der Jahreszeiten wird der Übergang hin zur späteren regelmäßigen Beschreibung von Jahreszeiten eingeleitet. In den späteren Witterungstagebüchern – deren älteste aus dem 12./13. Jahrhundert überliefert sind – setzt sich diese Entwicklung dann fort. Alle genannten extremen meteorologischen Ereignisse blieben auf die mittelalterlichen Zeitgenossen nicht ohne Spuren. Besondere Einzelereignissen der planetarischen Zirkulation, eigentümliche Witterungsereignisse, wurden von den Zeitgenossen als überlieferungswürdig erachtet. Die häufigsten Erwähnungen betreffen Extremwinter, die fast ein Zehntel aller hier untersuchten Naturereignisse umfassen, es folgen die Überschwemmungen und die Gewitter mitsamt der Einzelnennungen von Hagel oder Sturmwinden. Auch Trockenphasen sind noch relativ häufig dokumentiert, während Beschreibungen der Blutregenereignisse selten sind. Es zeigt sich, dass gerade jene Ereignisse häufig schriftlich festgehalten wurden, die Folgen für die Ernährungsmöglichkeiten der Menschen hatten und nicht selten zu epidemischen Krankheiten führten.

6.3 Auswirkungen und Folgen Im Gefolge extremer Witterungsereignisse wirkten oft massive Folgeeffekte auf die Zeitgenossen ein. Durch außergewöhnliche Temperatur- oder Niederschlagsereignisse konnte es zu derart optimierten Wuchsbedingungen für Lebewesen kommen, dass diese sich massenhaft vermehrten und zu einer Plage wurden. Beispiele dafür sind die Wanderheuschrecken (locusta migratoria) oder der Mutterkornpilz (claviceps purpurea). Witterungsextreme konnten aber auch zum Verlust der pflanzenbasierten Ernte führen, was wiederum zu Nahrungsmittelmangel und Hunger sowie aufgrund der Mangelerscheinungen eine günstigere Situation für die Verbreitung epidemischer Erkrankungen zur Folge haben konnte. Heuschrecken (locustae) haben in den früh- und hochmittelalterlichen Chroniken eine Doppelfunktion. Einerseits werden sie als Stilmittel für den allegorischen Vergleich eingesetzt, wobei das Vorbild unter anderen die folgende Stelle im Alten Testament darstellt: „(…) denn wenn sie mit ihren Herden und Zelten heranzogen, kamen sie so zahlreich wie Heuschreckenschwärme (…) und wenn sie eingedrungen waren, verheerten sie das Land.“5. Andererseits wurden zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert 22 Ereignisse in den Quellen dokumentiert, die eine tatsächliche explosions-

|| 5 Ri 6,5.

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artige Vermehrung und ein massenhaftes Auftreten von Heuschrecken wahrscheinlich machen. Die zeitlichen Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung liegen im 6., 8. und 9. Jahrhundert mit je fast einem Viertel, demgegenüber sind die wenigsten Nachrichten hierzu aus dem 10. Jahrhundert überliefert. In topografischer Hinsicht stammen mehr als die Hälfte der Heuschreckenerwähnungen aus Syrien, drei aus Italien und der Rest betreffen Regionen wie Nordafrika, Spanien, Sizilien, Bulgarien oder Russland. Mitteleuropa hingegen war nur einmal betroffen, dies dürfte auf die Zeitgenossen aber umso eindrücklicher gewirkt haben, denn aus allen überlieferten die Heuschrecken betreffenden Ereignissen ragt jenes von 873/874 weit heraus. Mindestens 22 Quellen erwähnten die Heuschrecken in Mitteleuropa, die sich in drei Zügen vom Donaudelta am Schwarzen Meer entlang der Donau bis zum Rheinland, dann den Rhein abwärts bis nach England bewegten. Ein zweiter Zug erfolgte über Norditalien bis nach Spanien und ein dritter zog über die Adria nach Mittelitalien. Für die mittelalterlichen Autoren war der biblische Bezug überdeutlich, eine Deutung als apokalyptische Plage lag auf der Hand. Sieht man von diesem außergewöhnlichen Ereignis ab, sind die Nachrichten über Heuschrecken vor allem auf den Nahen Osten beschränkt, wobei sie sieben Mal in der Chronik von Michael dem Syrer erwähnt wurden. Im Westfrankenreich wurde zwar noch einmal ein Auftreten von Heuschrecken im Jahr 1085 im Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis überliefert, da es jedoch völlig ohne Parallelüberlieferung blieb, ist es – gerade angesichts dieser eher unzuverlässigen Quelle – zweifelhafter Natur. Plagen anderer Tierarten wurden in der Zeit von 500 bis 1100 im Unterschied zu Heuschrecken nur selten überliefert. Ratten wurden nur zwei Mal (585, 665/666) bei Gregor von Tours genannt, ebenso Schlangen in den Jahren 585 und 587, hinzu kommt ein Fliegenschwarm im Jahr 591. Auffällig ist, dass Autoren des 9. Jahrhunderts wie der Fuldaer Annalist oder Widukind von Korvei, die sonst ein ähnliches Überlieferungsmuster zeigen wie Gregor von Tours, in Bezug auf die Tierplagen schweigen. In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts scheinen sich in der Region Burgund Wölfe zu einer derartigen Plage entwickelt zu haben, dass in Kapitularien Maßnahmen zu ihrer Dezimierung angeordnet wurden. In einem Brief Bischof Frothars von Toul, der von Karl dem Großen 813 ausdrücklich die Aufgabe bekommen hatte, sich des Problems anzunehmen, wurde dazu Stellung genommen. Ob die hier erwähnt Rudelgröße von 300 Individuen übertrieben ist, kann mangels Parallelüberlieferung nicht entschieden werden. Die Zahl verdeutlicht den Zeitgenossen jedenfalls großen Handlungsbedarf. Berthold von Reichenau nutzte Wölfe in seiner mahnenden Darstellung der Gefahren der Exkommunikation zum Jahr 1094. In den hier untersuchten Quellen wurde insgesamt nur sieben Mal auf Tierplagen (ohne Heuschrecken) Bezug genommen. Hunger (fames), ausgelöst durch einen Mangel an Nahrungsmitteln (inopia), kann durch so unterschiedliche Ursachen wie Krieg, Viehepidemien oder Ernteausfälle ausgelöst worden sein. Ernteausfälle können wiederum sehr verschiedene be-

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dingt sein. Dazu gehört alles, was zu einer Abweichung von den optimalen Wuchsbedingungen der für den Konsum angebauten Pflanzen führt, also zu wenig oder zu viel Niederschläge, zu hohe oder zu niedrige Temperaturen etc. In Norditalien versuchte man durch den Anbau von Pflanzen mit möglichst unterschiedlichen Wuchsvoraussetzungen auf Unwägbarkeiten der Witterung zu reagieren. Hungersnöte haben sehr unterschiedliche Ausprägungen, erst in der extremen Variante können sie zum Tod führen. Im Spektrum zwischen einer optimalen abwechslungsreichen Ernährung bis zum Hungertod sind verschiedene Formen von Erscheinungen durch Mangelernährung möglich. Eine hohe Sterblichkeit kann deshalb Ausdruck einer außergewöhnlich extremen Form der Nahrungsmittelknappheit sein. Der Mangel kann aber auch daher rühren, dass die Pflanzen zwar gedeihen, jedoch durch den Befall mit Krankheitserregern ungenießbar oder sogar toxisch werden. Ein solches Beispiel für Pilzbefall von Pflanzen stellt die Mutterkornvergiftung dar. Hungersnöte müssen aber nicht immer durch Nahrungsmangel verursacht sein. Auch ein Massensterben muss sich nicht automatisch als Folge einstellen. In den Quellen gibt es Einträge, die eine Hungerkatastrophe trotz unauffälliger Ernte im Jahr 1090 nennen. Dem stehen Quellenstellen gegenüber, die ausdrücklich eine Verderbnis der Saat beschreiben, ohne eine Hungerkatastrophe nach sich zu ziehen, wie im Jahr 1097. Einige Autoren, allen voran Bernold von St. Blasien, setzten Nachrichten über Hungernöte bewusst ein, um ihren Intentionen Ausdruck zu verleihen. Nach Bernold sollen im 11. Jahrhundert von Hunger und Unglück überwiegend die Exkommunizierten betroffen gewesen sein. Bei der zeitlichen Verteilung der 88 Quellenstellen zu Hunger, ist zu beachten, dass es sich um eine Mindestzahl handelt, denn mehrere große Hungerereignisse wurden in Gruppen zusammengefasst, die teilweise bis zu acht Jahre gedauert zu haben scheinen. Die Schwerpunkte der überlieferten Beobachtung liegen mit jeweils fast einem Viertel im 9. und 11. Jahrhundert. Am seltensten sind Hungerkrisen für das 7. Jahrhundert überliefert. Von den 88 Mangelereignissen sind 69 als Hungersnot deklariert, die anderen werden lediglich als Mangel charakterisiert. Die in der Josefsgeschichte im Alten Testament6 ausführlich dargestellte siebenjährige Hungersnot bildet eine Folie für die Deutung der mittelalterlichen Darstellungen. Die in den Quellen genannte dreijährige Hungersnot von 708 bis 710 und die achtjährige Hungersnot in den Jahren von 546 bis 554 stehen im Verdacht, den alttestamentarischen Topos aufzugreifen. Die achtjährige Hungersnot der Jahre 1040 bis 1048 beruht hingegen auf kürzeren Einzelmitteilungen in über 20 verschiedenen Quellen. Was die topografische Verteilung der Hungersnöte betrifft, so sind die meisten in Kontinentaleuropa überliefert, allgemein in Mitteleuropa über 30 Hungersnöte, im Rheinland sechs, in Sachsen vier, in Bayern drei, aber allein in Italien 18 Mal. Bei den insularen Erwähnungen von Hunger führt Irland mit elf Nennungen, in Britannien sind es fünf und in

|| 6 1. Mose 37–50.

Auswirkungen und Folgen | 793

Schottland finden sich zwei überlieferte Hungersnöte. Auch im Mittelmeerraum abseits Italiens wurden Hungerereignisse überliefert: sieben Nachrichten gelten dem Nahen Osten, drei finden sich in Konstantinopel, drei in Spanien und eine in Bulgarien. In einer Nachricht heißt es recht allgemein, der Hunger habe multas regiones getroffen. 24 Hungersnöte wurden in mehr als zwei Quellenstellen überliefert. Vier Mal wurde eine Hungersnot nur in arabischen Quellen genannt. Autoren von zehn Quellen erwähnen mehr als eine Hungersnot. Im Liber Pontificalis wurden sechs Hungersnöte überliefert, in den Annalen von Clonmacnoise fünf, in den Annales Fuldenses drei, jeweils zwei in den Annalen von Loch Cé und Xanten, bei Bernold von St. Blasien, im sogenannten Chronicle 754, bei Gregor von Tours, Johannes Zonaras und Theophilus von Edessa. Weitere 32 Texte erwähnen nur einmal eine Hungersnot. Mangelerscheinungen durch Hungersnöte können eine Erkrankung der Menschen begünstigen. Epidemische Erkrankungen beim Menschen (pestilentia, pestis), lassen sich als ein innerhalb eines gewissen Zeitraums erhöhtes Aufkommen von Krankheiten und krankheitsbedingtem Sterben definieren. Sie können nur bedingt mit Naturereignissen in Verbindung gebracht werden. Verursachen äußere Faktoren wie extreme Witterung oder Mangelerscheinungen eine allgemeine Schwächung des Körpers und seiner Widerstandkraft, können sich Krankheitserreger leichter gegen die körpereigene Abwehr durchsetzen und epidemische Erkrankungen auftreten. Von den 91 insgesamt für die Zeit von 500 bis 1100 überlieferten Darstellungen epidemischer Erkrankungen wurde etwa ein Viertel für das 6. Jahrhundert überliefert. Dies liegt vor allem an der sogenannten Justinianischen Pest, die von 541 bis 770 unregelmäßig, aber wiederholt aufgetreten ist. Während für das 7. und 8. Jahrhundert jeweils unter einem Zehntel der epidemischen Krankheiten überliefert ist, stiegen die Werte im 9. und 10. Jahrhundert auf 16 bis 18 Prozent an und erreichten im 11. Jahrhundert mit 23 Prozent fast wieder ein Viertel. Nur zwei Epidemien wurden mehrfach genannt, so ist jene in den Jahren 598–601 in vier Quellenstellen überliefert und jene von 1094/1095 in sechs. Mehrere Epidemien (541, 552/523, 615–618, 803/806, 934, 956, 1007, 1042, 1059/1060) fanden immerhin in zwei Quellen Niederschlag, der überwiegende Rest dagegen nur einmal. Die im Jahr 587/588 in Italien und Marseille auftretende Erkrankung morbus desentericus hat wohl einen nachhaltigen Eindruck bei Gregor von Tours hinterlassen, denn er ging vier Mal auf dieses Ereignis ein. Überhaupt zählt Gregor zu jenen Autoren, die sich am stärksten für epidemische Krankheiten interessiert haben, insgesamt schildert er acht Einzelereignisse. Auch die Autoren der irischen und schottischen Chroniken vermitteln mit 15 und zwölf Erwähnungen von epidemischen Erkrankungen ein starkes diesbezügliches Interesse. Es folgen die Annales Fuldenses mit sieben, Annales S. Albani Moguntini und byzantinische Kleinchroniken mit jeweils vier Nennungen. Auch Theophilus von Edessa und Paulus Diaconus überlieferten jeweils vier Epidemien, während Flodoard von Reims und Beda Venerabilis (samt Fortsetzer) sowie die Verfasser des Liber Pontificalis jeweils drei Mal entsprechende Krankheiten

794 | Zusammenfassung und Ausblick

nannten. Fünf Autoren führten zwei Mal Epidemien an und weitere 23 Autoren erwähnten in ihren Chroniken und Annalen jeweils nur eine epidemische Krankheit. Auffälliger Weise überlieferten die Annales regni Francorum auch keine epidemische Krankheit. Die räumliche Verteilung der Nennungen von Epidemien erstreckt sich auf Irland mit 20, Italien mit 13, Westfranken mit 15, darunter Burgund mit zwei, Schottland mit acht, Britannien mit fünf, Konstantinopel mit neun, Syrien mit vier, sowie Illyrien und Ägypten mit jeweils einer Nennung. In Mitteleuropa sind das Ostfrankenreich neun Mal, das Rheinland fünf Mal, Bayern fünf Mal, Schwaben vier Mal und Böhmen drei Mal betroffen. Die Bezeichnungen der Krankheiten in den Quellen sind höchst unterschiedlich. So kommt magna mortalitas oder mortalitas hominum 14 Mal vor, der Begriff pestilentia/pestis 19 Mal, die Termini pestis, febris et tussis werden zwei Mal verwendet, lues taucht zwei Mal auf, teilweise auch näher definiert als lues dissenterie, lues inguinaria, lues mortalis oder pestilentiae lues. Das italienische Fieber (italica febre) wurde drei Mal genannt. Andere Krankheitsbegriffe sind nur zwei Mal überliefert: Belefeth, Bolgach, dysentriae und morbus. Weitere Ausdrücke finden sich hingegen nur einmal: Boy Connell, clades scabearum, dolor oculorum, faercwelam, Glandularia, Kawagh, magical colic, morbus desentericus, plaga magna vesicarum turgentium, Sawthrust, Samhtrusg sowie tussis validissima. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass für epidemische Erkrankungen auffallend viele verschiedene Begriffe in den Quellen Verwendung fanden. Nicht bei allen dargestellten Krankheiten handelt es sich tatsächlich um epidemische Erkrankungen, denn teilweise wurden auch Massenvergiftungen von den Zeitgenossen als epidemische Erkrankung gedeutet. Ergotismus, auch als „heiliges Feuer“ (ignis sacer) bezeichnet, ist ein solcher Fall. Dabei wird Roggen von einem „Mutterkorn“ genannten Schlauchpilz befallen. Der Verzehr dieses Schlauchpilzes führt zu Vergiftungen, die den Zeitgenossen wie epidemische Erkrankungen erscheinen mussten. Obwohl der Zusammenhang zwischen dem Konsum des Schlauchpilzes und der Erkrankung zwischen dem 6. und 11. Jahrhundert nicht bekannt war, wurde doch festgestellt, dass eine andere Ernährung zum Verschwinden der Vergiftungserscheinungen führen konnte. Dies wurde aber auf die Wirkung der Fürsprache eines Heiligen zurückgeführt. Die vier Epidemien der Jahre 857, 945, 994, 1089 gehen auf Ergotismus zurück. Die genannten Ereignisse traten alle im niederrheinisch-lothringischen Raum auf. Trotz der Quellenarmut der Epoche könnte dies darauf hindeuten, dass in dieser Region mehr Roggen angebaut und konsumiert wurde als in den Nachbarregionen. Bis zum Ende des 11. Jahrhunderts scheint sich der Anbau von Roggen dann regional weiter ausgebreitet zu haben, denn der 1095 gegründete Antoniterorden kämpfte aktiv gegen das Phänomen und reagierte erfolgreich durch eine auf Tierprodukten basierende Diät auf den Ergotismus. Epidemische Erkrankungen können neben dem Menschen auch Tiere (morbus pecorum) befallen. Dies kann Einfluss auf die Transport- und Ernährungsmöglichkeiten der mittelalterlichen Menschen gehabt haben. Insgesamt sind für die Zeit vom 6.

Auswirkungen und Folgen | 795

bis 11. Jahrhundert 55 Tierseuchen überliefert, mehr als ein Viertel davon im 10. Jahrhundert, ebenfalls fast ein Viertel im 9. und 11. Jahrhundert. Im direkten Vergleich wurden Epidemien bei Tieren nur halb so häufig überliefert wie Epidemien beim Menschen. Am häufigsten wurden Tierseuchen in Irland (16 Mal), Schottland (drei Mal) und Britannien (fünf Mal) erwähnt, elf Mal finden sie sich im Westfrankenreich, acht Mal in Italien und sieben Mal im Ostfrankenreich. Hinzu kommen vier Nennungen in Bayern und jeweils drei im Rheinland sowie der Bodenseeregion. Vereinzelte Belege sind für Syrien, Lothringen und Burgund überliefert. Auffallend ist, dass Tierseuchen zu jenen Ereignissen gehören, die über die häufigste Parallelüberlieferung verfügen. Sehr zahlreich ist die Überlieferung in Bezug auf die Tierepidemien der Jahre 809/810 mit elf Nennungen, 860 mit fünf, 868–870 mit sieben, 877/878 mit vier, 939–942 mit zwölf, 943 mit drei, 993–995 mit fünf und 1092–1094 mit vier Erwähnungen. Die häufigsten Erwähnungen von Tierepidemien finden sich in insularen Quellen wie den irischen Annalen mit zehn, dem Chronicum Scotorum mit fünf und den Anglo-Saxon Chronicles mit zwei Nachrichten. In festländischen Quellen wurden drei Tierseuchen in den Annales regni Francorum und den Annales Fuldenses, zwei in den Annales Quedlinburgenses und zwei bei Berthold von Reichenau genannt. Gregor von Tours verzeichnete nur zwei Mal Tierkrankheiten und in 16 weiteren Quellen werden epidemische Ereignisse bei Tieren nur jeweils einmal erwähnt. Die Epidemien betreffen zwar unterschiedliche Tierarten, am häufigsten aber Rinder, Schafe oder Pferde. Allgemein wurde 14 Mal von mortalitas animalium oder pestilentia pecorum gesprochen. Bei den Erwähnungen einer einzelnen Tierart führen die Rinder mit 17 Nennungen (boum pestilentia etc.). Vor allem Maul- und Klauenseuche, aber auch Milzbrand wurden von modernen Forschern als Ursachen für die Erkrankungen verantwortlich gemacht, weiterhin Hornviehseuche und Erkrankungen der Huftiere, zwei Mal auch die Tollwut und vier Mal werden Pferdeseuchen erwähnt. In den Quellen fand zwar mehrfach ein ungewöhnliches Vogelsterben Niederschlag, allerdings nur einmal im Jahr 951 ein Bienensterben in Irland. Während Epidemien bei Mensch und Tier heute gut erklärt werden können, bereiten die folgenden Aussagen noch Deutungsprobleme. Die „Kreuze auf der Kleidung“ (cruces in vestibus) sind mehrfach als vereinzelte Erscheinungen, aber auch als über längere Phasen auftretende Erscheinungen überliefert worden. Dokumentiert wurden sie in den Jahren 565 in Byzanz, 570 in Ligurien, 587 in Westfranken, 746 im Nahen Osten, von 784 bis 787 und von 956 bis 960 in Mitteleuropa. Bisher können diese Kreuze auf der Kleidung nicht zufriedenstellend erklärt werden. An Begleiterscheinungen werden oft epidemische Krankheiten, teilweise auch Blutregen, genannt. Im 6. Jahrhundert hat Gregor von Tours, nach punktuellen Nennungen bei Nikephoros Xanthopoulos und Paulus Diaconus, eine großräumige topografische Diffusion dieses Phänomens von Chartres über Orléans nach Bordeaux beschrieben. Von Theophanes dem Bekenner stammt der wohl detaillierteste Bericht. Er beschrieb zum Jahr 746 kleine Kreuze, die wie mit Ölfarbe gemalt, ausgesehen haben sollen. Die Beobachtungen dieser Erscheinung in den Jahren 784– 787 wurde europaweit in mehr als 18 verschiedenen Quellen überliefert. Die Phase

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von 956 bis 960 wurde ebenso europaweit in mehr als 13 Quellen thematisiert. Obwohl die Kreuze auch noch in der Zeit um 1500 beobachtet wurden, selbst von Albrecht Dürer, liegt bisher keine zufriedenstellende Identifizierung des Phänomens vor. Die Weinernte (vindemia) bildet eine der wichtigsten Quellengrundlagen für die Rekonstruktionen sogenannter Proxydaten des Spätmittelalters. Da Ereignisse im Zusammenhang mit Weinbau erst ab dem 11. Jahrhundert systematisch dokumentiert wurden, sind im Früh- und Hochmittelalter die Nennungen deutlich verstreuter und seltener. Insgesamt 22 Mal sind in den hier untersuchten Quellen Bezüge zu Weinbau überliefert. Die meisten beziehen sich auf die Zerstörung der Weinernte durch extreme Witterungsereignisse. Dabei verursachten Frühjahrsfröste etwa die Hälfte der genannten Zerstörungen. Nicht alle Frühjahrsfröste verursachten dauerhafte Schäden wie Nachrichten zu den Jahren 868, 945, 994 und 1063 zeigen. Sieben Mal wurden andere Witterungsereignisse genannt, die zu Schäden an den Reben führten. Ein Viertel der überlieferten Erwähnungen zu diesem Thema ist positiver Natur, denn es werden in den Jahren 928, 977, 1046, 1070 und 1077 gute Weinernten vermeldet. Es überrascht kaum, dass alle Regionen, in denen über Wein berichtet wurde, in Mitteleuropa liegen. Elf Nennungen betreffen das westfränkische Reich, jeweils sechs Mal sind die Bodenseeregion, Bayern und das Rheinland betroffen, drei Berichte liegen zu Sachsen, zwei zu Nord- und Mittelitalien und eine Nachricht zu Lotharingien vor. Festzuhalten ist, dass in der Zeit von 500 bis 1100 in den weiter nördlich liegenden Regionen keine einzige Nachricht in Bezug auf Wein überliefert ist. Je drei Nachrichten bezüglich Weinanbau nennt der Autor des Chronicon Sancti-Maxentii Pictavensis (nur Frühjahrsfröste), ebenso viele führen Flodoard von Reims, Lampert von Hersfeld und Berthold von Reichenau an. Zwei Mal nennt Gregor von Tours Ereignisse, die Wein betreffen. Neun Autoren überliefern jeweils nur eine Nachricht zur Weinernte. Der Schwerpunkt der 22 Beobachtungen liegt im 11. Jahrhundert, gar keine Beobachtungen sind hingegen für das 8. Jahrhundert überliefert. Der Befund, dass im 7. und 8. Jahrhundert Wein in der Überlieferung fast fehlt, ist vermutlich der Quellenarmut dieser beiden Jahrhunderte geschuldet. Ähnlich den fünf erwähnten positiven Nachrichten zur Weinernte, gibt es auch Beschreibungen anderer guter mit großem Überfluss (magna fertilitas). Insgesamt wurden drei Prozent der Jahre zwischen 500 und 1100, also rund 20 Jahre, in dieser positiven Art charakterisiert. Die seltene Meldung steht damit in einem krassen Missverhältnis zu den häufigen (69) Hungerjahren. Fast zwei Drittel der 20 Beobachtungen von „guten Jahren“ liegen im 11. Jahrhundert, während diesbezüglich keine Nachrichten im 7. Jahrhundert und jeweils nur eine für das 6. und 9. Jahrhundert überliefert sind. Am häufigsten wurde ein Überfluss an Früchten, Nüssen, Eicheln oder Getreide berichtet, elf Mal in Irland und zwei Mal in Schottland. Drei Nachrichten liegen für Westfranken und jeweils eine für Sachsen, Bayern, Oberitalien und Byzanz vor. Die positiven Nachrichten finden sich vor allem in den irischen Annalen und schottischen Chroniken. Bei Flodoard von Reims belaufen sie sich auf zwei, bei fünf weiteren Autoren findet sich jeweils eine Nennung. Als ganz außergewöhnlich

Instrumentalisierung, Bewältigung, Darstellungspraxis | 797

scheinen die Zeitgenossen das Jahr 722 empfunden zu haben. Sein positiver Charakter wurde in elf unterschiedlichen Einzelquellen überliefert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass als Folgen von Naturereignissen am häufigsten Epidemien beim Menschen dokumentiert wurden, direkt gefolgt von Hungersnöten. Allerdings wurden beide Phänomene in den historiografischen Quellen auch in hohem Maße betont, überinterpretiert und oft intentional eingesetzt, weshalb Nennungen von Hungersnöten und Epidemien oft nur mit Vorsicht zu genießen sind. Von allen untersuchten Ereignissen belaufen sich die Nachrichten über Tierseuchen auf etwa fünf Prozent, andere Folgeerscheinungen wie Heuschreckenplagen, Auswirkungen auf die Weinlese, gute Jahre, werden entsprechend deutlich weniger oft erwähnt.

6.4 Instrumentalisierung, Bewältigung, Darstellungspraxis Nach einer verbreiteten Glaubensauslegung kommentiert und straft Gott das sündhafte Handeln der Menschen. Unter dem wachsenden Einfluss eines endzeiterwartenden Christentums nahm die Tendenz, Naturphänomene als Zeichen Gottes zu interpretieren, noch einmal zu. Nicht zuletzt die Offenbarung des Johannes, in der ausdrücklich Naturereignisse als Vorboten des Weltenendes genannt wurden, hat hier als Katalysator gewirkt. Wurden von den Zeitgenossen mehrere Naturextreme nacheinander wahrgenommen, verglichen die christlich geprägten Historiografen diese Beobachtungen mit der Reihenfolge der Nachrichten bei Johannes. Oft fügten sich die erlebten Extremereignisse jedoch nicht in das von Johannes geschilderte Schema und auch der erwartete Weltuntergang blieb aus. Die Gelehrten versuchten daher den zu erwartenden Zeitpunkt der Apokalypse zu berechnen. Als Kandidaten wurden dabei die Jahre 500, 532, 800 (= 6000 anno mundi), 1000 und 1064 der christlichen Ära berechnet, dennoch blieb das Weltenende bekanntlich aus. Dessen ungeachtet mussten die wahrgenommenen Extremereignisse erklärt werden, denn sie suchten die Menschen heim. Die Naturextreme wurden deshalb zu Strafmaßnahmen eines von den Sünden der Zeitgenossen enttäuschten Gottes umgedeutet, was durch die Entwicklung der Theologie eines „rächenden Gottes“ vorangetrieben wurde. Als Ursachen für den Zorn Gottes wurden ungläubige Fremde wie Sarazenen, Araber, Juden, aber auch exkommunizierte oder sündige Christen identifiziert. So führen zum Beispiel die Annales Bertiniani wiederholt vor, wie Gott die Sarazenen durch die Kräfte der Natur für ihren Frevel an christlichen Einrichtungen bestrafte. Für die Zeitgenossen schien es notwendig, die Ursachen für den Zorn Gottes zu ermitteln. In vorchristlicher Zeit wurde oft der Herrscher, in dessen Regierungszeit das zu deutende Naturextrem fiel, dafür verantwortlich gemacht und auch zur Verantwortung gezogen, im extremsten Fall durch die Herbeiführung seines gewaltsamen Todes. Mit der Ausbreitung des Christentums wurde auf die seit der Antike verbreitete Interpretation von Naturereignissen als Vorzeichen des Herrschertodes weiter Bezug genommen. So

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wurden in fast 40 Fällen vom 6. bis 11. Jahrhundert Himmelsereignisse wie Kometen, Sonnenfinsternisse oder Blutregen als unmittelbare Vorzeichen eines nahen Herrschertodes gedeutet. In weiteren 20 Fällen dienten Himmelszeichen aber auch als Ankünder anderer irdischer Naturextreme wie Nahrungsmittelmangel, Hungerkatastrophen oder Epidemien. Den Herrschern war die vorchristliche Bedeutung der astronomischen Extreme bewusst. Da sie von der eigenen Schuld nicht überzeugt waren, mussten andere Schuldige für die göttliche Strafe gefunden werden. Vier mittelalterliche Herrscher reflektierten ausführlich über die astronomischen oder meteorologischen Vorzeichen während ihrer Regierungszeit. In der sich langsam entwickelnden Umdeutung, die auch theologisch untermauert wurde, trugen nicht mehr allein die Herrscher die Schuld am göttlichen Zorn. Stattdessen wurde das sündhafte Leben der Zeitgenossen als neue Schuldursache identifiziert. Die Hälfte der durch ein prodigium angekündigten Katastrophen waren Hungersnöte. Präventionsmaßnahmen gegen Mangel und Hunger zu organisieren, wurde für den Herrscher zu einer wichtigen Aufgabe. In Zeiten, die vor allem durch Agrarwirtschaft geprägt waren, beruhte die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in besonderem Maße, auf der Produktion pflanzlicher und tierischer Lebensmittel. Besonders die Nutzpflanzenproduktion ist aber stark von der Witterung abhängig und durch Witterungsextreme leicht zu zerstören. In solchen Fällen waren die Herrscher gezwungen, zur Abwendung von Hungersnöten, in deren Folge es zu Migrationsbewegungen kommen konnte, Maßnahmen zu ergreifen. Große Getreidevorräte ließen sich nur mit großem logistischen Aufwand bewegen und gehörten deshalb zu den nur kleinräumig wirksamen Maßnahmen. Demgegenüber war die Translokation von Viehherden mit vergleichsweise geringem organisatorischem und zeitlichem Aufwand zu bewerkstelligen. Die zur Nahrungsergänzung notwendigen Viehherden konnten andernorts durch Kauf erworben werden. Bei einer großräumigen Mangelsituation erfolgte die freiwillig Abgabe aber oft nicht in dem notwendigen Ausmaß. Dann waren die betroffenen Herrscher gezwungen, für die Nahrungssicherung der eigenen Bevölkerung Viehherden gegen den Willen ihrer Besitzer bereitzustellen, und zwar in Form von Viehdiebstahl. Beispiele für solche Raubzüge, die dem Erwerb von Viehherden als tierbasierter Nahrungsmittelunterstützung dienten, sind während der gesamten Zeit vom 6. bis 11. Jahrhundert belegt. Als herrscherliche Maßnahme zur Hungerprävention ist sie bisher noch zu wenig erforscht. Die extremste Form des literarischen Umgangs mit Hungersnöten ist es, eine Verbindung mit Anthropophagie herzustellen. Schon im 3. Buch Moses (14, 21) steht: „Kein Aas noch Zerrissenes soll er essen, dass er nicht unrein davon werde“. Durch den Verzehr von Aas oder gar Menschenfleisch konnten Menschen als sehr gottfern dargestellt werden. In mittelalterlichen Quellen wird Anthropophagie deshalb gern zur Verunglimpfung von Gegnern aller Couleur eingesetzt. Besonders Exkommunizierte wurden in manchen Texten nicht nur mit Hunger bestraft, sondern sie wurden als sehr weit außerhalb der menschlichen und göttlichen Gemeinschaft und ihren Ge-

Instrumentalisierung, Bewältigung, Darstellungspraxis | 799

boten stehend skizziert, sie wurden zu Menschenfressern gemacht. Diese Art der literarischen Verurteilung dient überwiegend der religiösen und politischen Instrumentalisierung. Der Topos der Menschenfresserei bildet in den mittelalterlichen Texten vor allem eine Möglichkeit die Folgen von Hunger drastisch zu schildern, denn er lässt sich nicht als kulturbedingtes Ereignis nachweisen. Die Kombination von zeitgenössischen Erwartungshaltungen und Topoi wurde von einem Autor der Annales Fuldenses auf die Spitze getrieben. Die Autoren der Annales Fuldenses standen bislang eigentlich immer wieder in dem Ruf, genaue, fast objektive Beschreibungen zu liefern, Augenzeugenberichte zu dokumentieren und geradezu empirisch korrekt zu verfahren. Betrachtet man jedoch die Darstellung im Umfeld des Jahres 873, wird klar, dass der zu dieser Zeit tätige Autor versucht hat, extreme Erfahrungen mit der Offenbarung des Johannes zu korrelieren. Das auch in zahlreichen anderen Quellen erwähnte Auftreten der Heuschrecken im Jahr 873 deutete der Annalist anscheinend als klares Zeichen für den Beginn der fünften Posaune der Offenbarung. Dementsprechend mussten die Jahre davor und danach die Ereignisse wiederspiegeln, die sich bei den anderen Posaunen zeigen sollten. Dafür musste er in seiner Darstellung auch die zughörigen Naturextreme unterbringen und zwar so, dass den zeitgenössischen Lesern nicht sofort die notwendige Überzeichnung klar werden würde. Am deutlichsten wird dies im Eintrag zum Jahr 874, als er die im Zusammenhang mit der sechsten Posaune genannte Anzahl von Toten („ein Drittel der Menschheit“) in seinen Text einbaut, bei ihm heißt es dann „ein Drittel der Menschen in Gallien und Germanien“. Diese hohe Zahl an Todesopfern wird aber in keiner anderen Quelle erwähnt, obwohl diese Quellen andere Naturereignisse der Epoche durchaus überliefern. Diese Instrumentalisierung der Ereignisse durch ihren Annalisten lässt sämtliche ihrer Nachrichten zu Naturereignissen und ihren Folgen in höchsten Maße suspekt erscheinen. Ohne unabhängige Parallelüberlieferung ist es nicht möglich, die Angaben in den Annales Fuldenses zu verifizieren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die vom Fuldaer Annalisten verwendeten Topoi in der Anordnung der Naturereignisse an der Offenbarung des Johannes orientieren. Der Verfasser dieses Teils der Annales Fuldenses hat zwar das Problem, dass das Weltenende ausbleibt, aber vorher, 882 bricht seine Darstellung ab. Es wären noch einige Jahre notwendig gewesen, um alle Ereignisse der Offenbarung zu erfüllen. Sie wurde dann von anderen Schreibern in anderen Klöstern fortgesetzt. Krieg wurde im Früh- und Hochmittelalter vorwiegend während des Sommers geführt, unterbrochen von Kampfpausen in sicheren Quartieren im Winter. Dieses Muster scheint von einigen Herrscher bewusst durchbrochen worden zu sein, um sich einen militärischen Vorteil durch das Überraschungsmoment zu verschaffen. So wartete etwa die irische Konfliktpartei im Winter 934 in ihren Lagern ab, während die einfallenden gegnerischen Dänen die durch den Frost entstandenen Eisflächen nutzten, um zu plündern. in vergleichbarer Art wurden auch Nebel, Starkregen oder Hunger als militärische Hilfsmittel genutzt. Die weiter oben beschriebene Verantwortung

800 | Zusammenfassung und Ausblick

des Herrschers für die Versorgungslage der Bevölkerung zwang diesen bei absehbarem Mangel Maßnahmen zu ergreifen. Je mehr Ernährungsmöglichkeiten wegfielen, desto stärker stieg der Handlungsbedarf. Die Verschärfung der Situation lief in mehreren Stationen ab: 1) Reguläre Ernte – kein Handlungsbedarf, 2) Verringerte Ernte – Ergänzung der pflanzenbasierten Essensproduktion mit tierbasierten Nahrungsmitteln und Waldfrüchten, 3) Vernichtete Ernte – vollständiger Ersatz durch Waldfrüchte und Tierprodukte, 4) Vernichtete Ernte und Tod der Viehherden – Ersatz durch Waldfrüchte, Hungersnot. In den Fällen 3 und 4 konnte der Herrscher versuchen, durch Raubzüge in weniger betroffene Nachbargebiete Nahrungsmittel und/oder Tierherden zu beschaffen und die Ernährung der eigenen Bevölkerung zumindest zu unterstützen, eine Verschärfung und Zuspitzung der Situation also abzufedern. Vieh- und Ernteraub wird nicht, wie bei der Chevauchée im Spätmittelalter, als Mittel zur Schädigung des Gegners eingesetzt, sondern um die Notlage der eigenen Bevölkerung abzumildern. Griffen solche Maßnahmen nicht, weil der Gegner sich wehrte, so stellte das den betroffenen Herrscher vor ein großes Problem. Denn das Volk gab ihm die Schuld an der Hungersnot. In vorchristlicher Zeit wurde der Herrscher in einem solchen Fall gewaltsam ausgetauscht. Dagegen erließen Herrscher in christlicher Zeit Maßnahmen, welche alle Teile der Bevölkerung gleichermaßen betrafen: Fasten, Gebete, Bittprozessionen und Almosen. Durch die Umdeutung der Naturextreme von der Einzelschuld zur göttlichen Strafe wurde die Schuld auf alle gleichermaßen verteilt. Dadurch mussten sich auch alle den zu ergreifenden Maßnahmen unterwerfen, um die göttliche Gunst wiederzuerlangen. Dem Fasten kamen dabei zwei Funktionen zu, einmal als „kollektive Leistung von Verzicht, Gebet und Buße […] als elementares Mittel der Wiedererlangung göttlicher Gnade und göttlichen Schutzes.“7 Dann aber auch als Mittel, um den Nahrungsverbrauch prozentual zu reduzieren und das Saatgetreide zu sichern. Beispielsweise wurden im Jahr 805/806 von Karl dem Großen in einem Halbjahr (180 Tage) neun Fastentage angeordnet. Allein diese Maßnahme führte zu einer Verringerung des Nahrungsverbrauchs um fünf Prozent. Dadurch wurde zwar keine Hungersnot verhindert, aber deren Folgen wurden abgeschwächt. Ein bemerkenswertes Beispiel stellen die allgemeinen Reaktionen auf diese Fastenvorschriften dar. Als Karl im Jahr 805/806 anordnete, alle sollten auf Wein und Fleisch verzichten, ist dies als Hinweis auf die neben der vernichteten Getreideernte zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel zu verstehen. Bei einem ähnlich gelagerten Fall im Jahr 810 heißt es in Karls Anweisung, dass nicht nur auf Wein und Fleisch, sondern auch auf Bier, Honigwein und Met (abstineant se a carne et vino et a cervisa, milschida et medo) verzichtet werden solle. Diese Präzisierung war wohl notwendig, da die Bevölkerung während der Fastentage 805/806 anscheinend auf diese Nahrungsmittel ausgewichen war.

|| 7 Jörg, Besänftigung göttlichen Zorns (2010), 47.

Ausblick und künftiger Forschungsbedarf | 801

Neben dem Fasten waren Bittprozessionen im Mittelalter ein verbreitetes Mittel, um den göttlichen Zorn zu besänftigen, daneben Gebete und das Spenden von Almosen. Da die angeordneten Almosen nur geringe Zahlungen umfassten, wird auch diese Maßnahme nur als eine in einem größeren Maßnahmenbündel anzusehen sein. Allein damit konnte keine Hungersnot verhindert werden, aber sie konnte deren Auswirkungen bis zur nächsten Ernte abmildern. Die Wirksamkeit von verschiedenen Einzelmaßnahmen wie Rationierung, Einsparung und Zwangsverteilung können in der Summe bei nicht extrem ausgeprägten Bedrohungsszenarien durchaus zu einer Verbesserung der Lage geführt haben. Eine Entspannung war aber grundsätzlich erst mit der nächsten Ernte zu erwarten. Bei der Untersuchung der verschiedenen in den Quellen zu findenden Topoi steht die Person des Autors im Vordergrund. Kurze Charakterisierungen der betroffenen Personen und ihren Umgang mit dem Thema Naturextreme findet sich in Kapitel 5.3. Diese Ereignisse werden von den Autoren entsprechend ihren Intentionen überliefert und so muss für jedes Ereignis einzeln untersucht werden, ob der Autor eine spezielle Darstellungsabsicht verfolgt, ob er ein Naturereignis einsetzt, um ein anderes Ereignis anzukündigen, ob er ein Naturereignis einsetzt, um dem Schema der Offenbarung gerecht zu werden oder ob er ein Naturereignis einsetzt, um tatsächlich seine eigene Wahrnehmung oder ihm Berichtetes zu dokumentieren.

6.5 Ausblick und künftiger Forschungsbedarf Der früher verbreitete Klimadeterminismus ist bei künftigen Diskussionen von Naturextremen und ihren Folgen genauso zu vermeiden wie eine Überbetonung kultureller, sozialer oder politischer Faktoren, wie sie zugespitzt in einem Kultur-/Sozialdeterminismus gipfelt. Die Geschichtswissenschaft hat seit Längerem erkannt, dass monokausale Begründungen zugunsten der Untersuchung der vielen, auf komplexe Systeme einwirkender Faktoren vermieden werden müssen. Es steht also nichts mehr im Weg, um die Umwelt als eine historisch-relevante Kategorie neben anderen zu betrachten. Die Umwelt dient dabei als äußerer Rahmen, vor und in dem sich politische, kulturelle, gesellschaftliche und religiöse Entwicklungen vollziehen. Bei Erwähnungen astronomischer oder meteorologischer Ereignisse in mittelalterlichen Quellen muss immer die Möglichkeit einer Instrumentalisierung in Betracht gezogen werden. Für die klimabezogenen Untersuchungen bleibt stets zu fragen, welche regionale und lokale Auswirkung eine als global angenommene Veränderung haben kann. Diese Frage ist dahingehend zu erweitern, dass künftige Studien zum Früh- und Hochmittelalter auch den Menschen als landschaftsprägendes Element, der die mikroklimatischen Bedingungen ändern kann, viel stärker in den Fokus nimmt. Bei den Folgen von Naturextremen lässt sich wie oben gezeigt, eine Betrachtung der Autoreninten-

802 | Zusammenfassung und Ausblick

tion nicht vermeiden, ohne Gefahr zu laufen, auf die Instrumentalisierungen der Autoren hereinzufallen. Dafür bedarf es weiterer, die Autoren und die Adressaten ihrer Werke in den Fokus nehmenden Forschungen. Diese Arbeit hat die Einträge in früh- und hochmittelalterlichen Annalen und Chroniken genutzt, um sich der Rekonstruktion vergangener Naturerscheinungen wie Witterung und Niederschlag, aber auch von Naturextremen anzunähern und die Folgen dieser Extreme (Mangel, Plagen, Erkrankungen etc.) zu betrachten. Als Nebeneffekte konnten für die Wissensgeschichte über Naturextreme einige wenige Erstnennungen von Naturphänomenen wie die Beschreibung eines Tornados am 26. April 1052 in Schottland benannt werden. Daneben sind die Erstbeschreibung eines pyroklastischen Stromes zu Beginn des 6. Jahrhunderts durch Cassiodor sowie die Beobachtung der Korona der Sonne am 22. Dezember 968 bei Leon Diakonos zu nennen. Weiterhin wurde zum Jahr 857 die Ersterwähnung einer Mutterkornvergiftung in den Xantener Annalen gefunden. Die hier untersuchte Epoche fällt alles in allem aber nicht durch Neuentdeckungen oder Erstbeschreibungen auf. Eher zufällig haben die zeitgenössischen Autoren Beobachtungen notiert, die sich in der Rückschau als Erstnennungen herausgestellt haben. Abschließend muss betont werden, dass sich der positivistische Ansatz, mittelalterlichen Annalen und Chroniken als Ereigniskataloge auszuwerten, zunehmend als Chimäre erweist. Die historiografischen Quellen sind eben nicht nur Aneinanderreihungen von Ereignissen, sondern auch Wahrnehmungs- und Überlieferungskataloge, im Besonderen aber Instrumentalisierungs- und Rezeptionskataloge. Wir können die Texte nicht wie ethnografische Berichte aus der Zeit lesen, sondern wie die Überreste der Weltsichten und Intentionen ihrer Autoren, die als solche ernst genommen und detailliert analysiert werden müssen.8 Dies konnte hier aufgrund der Gesamtmenge der Quellen nur beispielhaft vollzogen werden, zeigt aber die Wege künftiger Forschungsrichtungen. Aufgrund der hier erfolgten Zusammenstellung und Auswertung von 160 Annalen und Chroniken, ihrer Gruppierung und der Zuordnung der überlieferten Einzelnachrichten zu 25 Einzelphänomenen/Ereignistypen (Erdbeben, Extremwinter, Epidemien, Hungersnöte, Kometen, Überschwemmung, Mondfinsternis, Gewitter, Trockenheit, Polarlichter, Tierseuchen, Sonnenfinsternis, Stürme, Optische Phänomene, Meteorströme, Meteoriten, Sturmflut/Tsunami, Heuschrecken, Weinernten, Gute Jahre, Hagel, Blutregen, Tornados, Massenbewegung) konnte mithilfe von Parallelüberlieferung für einige Ereignisse eine größere Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. Als gesichert gelten können die Ereignisse ohne eine weitere unabhängige und nachprüfbare Bestätigung nur in seltenen Fällen. Was hingegen gesichert ist, ist dass die Zeitgenossen die Ereignisse so und nicht anders darstellen wollten.

|| 8 Patzold, Konflikte (2010), 147.

Ausblick und künftiger Forschungsbedarf | 803

Dies führt zu der Frage: Wie viele Nachrichten der Annalen und Chroniken lassen sich als exakt nachweisen und wie groß ist ihr Anteil an allen überlieferten derartigen Mitteilungen? Gerade die Auswertung der Sonnen- und Mondfinsternisse, die sich heute mathematisch nachvollziehen lassen, hat ergeben, dass nur in einem Drittel der Fälle die korrekten Daten angegeben wurden. Bei einem weiteren Drittel scheint hingegen nur das korrekte Jahr angegeben worden zu sein und beim letzten Drittel scheint die Datierung des Ereignisses bewusst instrumentalisiert worden zu sein. Kurz gefasst bedeutet dies, dass in Annalen und Chroniken etwa ein Drittel der Eklipsen korrekt angegeben wurde, dieses Drittel aber nur durch die heute mögliche unabhängige Berechnung identifiziert werden konnte. Übertragen auf die in den Quellen genannten politischen, kulturellen, gesellschaftlichen und religiösen Ereignisse steht zu vermuten, dass sie von den Autoren wohl ähnlich häufig chronologisch korrekt angegeben wurden. Es lässt sich aber ohne weitere Methoden und Hilfsmittel schwer feststellen, welche dieser Angaben korrekt sind und welche nicht. Selbst bei Zuhilfenahme von Parallelüberlieferung bleibt die Hälfte der Angaben unsicher. Für die künftige Forschung bedeutet dies, dass die typischen Profile der jeweiligen Autoren weiter einzeln für sich und im Kontext miteinander geschärft werden müssen. Dabei muss vor allem die autorentypische Darstellung der jeweiligen Ereigniskategorien und der gewählte Instrumentalisierungsansatz ermittelt werden. Auch in Bezug auf das hier behandelte Thema der Naturereignisse bleibt noch viel zu tun. Aufgrund der hohen Anzahl von Einzelautoren und zum Teil nicht mehr rezenter Quelleneditionen übersteigt eine solche Analyse die Möglichkeit einer einzelnen Arbeit bei Weitem und sollte entsprechend in größeren Forschungsverbünden bearbeitet werden. Die im Rahmen dieser Untersuchung erzielten Ergebnisse haben nicht nur eine hohe Relevanz für die mittelalterliche Umwelt- wie Ereignisgeschichte, sondern auch für viele Fragen der transnationalen Globalgeschichte. Gerade astronomische Ereignisse, die kulturübergreifend beobachtet werden können, wie Kometen oder Supernovae, bieten hier eine hohe Anschlussfähigkeit für künftige Studien. Auch für die Historiografiegeschichte werden die Ergebnisse neue Impulse bringen, denn Naturereignisse, besonders die Sonnen- und Mondfinsternisse, bieten die Möglichkeit einer unabhängigen Überprüfung der Darstellungen. Das gilt auch für die allgemeine Umweltgeschichte, die um die Daten zu einer weiteren Epoche bereichert wird. Die verwendeten Methoden erweitern den Kanon der Möglichkeiten der historischen Klimatologie und bieten für künftige naturwissenschaftliche Studien neue Anschlussmöglichkeiten auf einer zwar schmaleren, aber verbesserten Datenbasis. Die vorliegende Studie bietet also zahlreiche Ideen und neue Anknüpfungspunkte für künftige Forschungsfelder auch abseits der klassischen Mediävistik.

7 Anhang 7.1 Tabellen Tab. 73: Überlieferungssituation der benutzten historiografischen Quellen

Nr.

Quellen

Berichtsregion

Berichtszeit

Entstehung

Chronik bis 1028

vor 1030

1.

Adémar v. Chabannes, Chronik

Frankenreich

2.

Agathias, Historiarum

Kleinasien

552–559

Ende 6. Jh.

3.

Agobard v. Lyon, Opera Omnia

Frankenreich

bis 840

vor 840

4.

Chronik v. Zuqnin

Kleinasien

488–775

775/776

5.

Ammianus Marcellinus, Res gestaeItalien

353–378

Ende 4. Jh.

6.

Andreas v. Bergamo, Historia

Italien

744–877

vor 900

7.

Anglo–Saxon Chronicles

England

538–1140/1154

1154

8.

Annales Alamannici

Frankenreich

709–926

vor 926

9.

Annales Altahenses maiores

Bayern

708–1073

um 1075

10. Annales Aquenses

Rheinlande

bis 1169

11. Annales Augienses

Alemannien

709–939/954

12. Annales Augustani

Bayern

973–1104

13. Annales Barenses

Süditalien

805–1102

14. Annales Beneventani

Italien

787–1113

15. Annales Bertiniani

Nordwestfrankenreich

830–882

16. Annales Besuenses

Westfrankenreich

1–1174

17. Annales Blandinienses

Nordwestfrankenreich

1–1292

18. Annales Brunwilarenses

Niederlothringen

1000–1179

19. Annales Cambrię Version A

Wales

445–977

10./12. Jh.

20. Annales Cambrię Version B

Wales

445–977

10./12. Jh.

21. Annales capituli Cracoviensis

Polen

730–1266, 1266–1331

22. Annales Casinates

Italien

914–1042

23. Annales Cavenses

Italien

569–1315

24. Annales Colbazenses

Pommern

Weltchronik bis 1586

25. Annales Colonienses

Rheinland

776–1028

https://doi.org/10.1515/9783110572490-007

1113–1118

11. Jh.

ältere Vorlagen

806 | Anhang

Nr.

Quellen

Berichtsregion

Berichtszeit

Entstehung

26. Annales Colonienses breves

Rheinland

814–964

27. Annales Corbeienses

Ostfrankenreich

658–1117, 1145–1148

28. Annales Einsidlenses

Oberrheinland

746–1280

29. Annales Elmarenses

Westfrankenreich

30. Annales Elnonenses

Westfrankenreich

542–1224

31. Annales Engolismenses

Westfrankenreich

815–991

32. Annales Flaviniacenses

Westschweiz

bis 879

816

33. Annales Floreffienses

Nordwestfrankenreich

Weltchronik bis 1482

1139–1482

34. Annales Formoselenses

Nordwestfrankenreich

1–1136

35. Annales Fuldenses

Rheinland

828–901

36. Annales Guelferbytani

Frankenreich

741–805

37. Annales Iuvavenses

Frankenreich

725–835

38. Annales Latiniacenses

Frankenreich

1031–1228

39. Annales Laubacenses

Nordwestfrankenreich

687–912

796–885

40. Annales Laubienses

Nordwestfrankenreich

418–1054

um 1000–1054

41. Annales Laureshamenses

Frankenreich

704–818

42. Annales Laurissenses

Frankenreich

680–817

43. Annales Lausannenses

Oberrheinlande

542–1220

44. Annales Lemovicenses

Frankenreich

838–1060

45. Annales Leodienses

Nordwestfrankenreich

58–1054/1086/1121

46. Annales Lobienses

Nordwestfrankenreich

408–982

47. Annales Lundenses

Skandinavien

Weltchronik bis 1267

12. Jh.

48. Annales Magdeburgenses

Ostfrankenreich

Weltchronik bis 1188

1188–1200

49. Annales Nivernenses

Westfrankenreich

815–1188

50. Annales Parchenses

Nordwestfrankenreich

909–1458

51. Annales Patherbrunnenses

Ostfrankenreich

744–1144

52. Annales Pragenses

Böhmen

994–1220

53. Annales Quedlinburgenses

Ostfrankenreich

bis 1025

um 1025

54. Annales regni Francorum

Westfrankenreich

741–829

787–829

55. Annales Rosenveldenses

Ostfrankenreich

1057–1130

1101–1200

56. Annales S. Albani Moguntini

Ostfrankenreich

684–1102

vor 1280

1220–1350

1148–1316

Tabellen | 807

Nr.

Quellen

Berichtsregion

Berichtszeit

57. Annales S. Amandi breves

Nordwestfrankenreich

742–855

58. Annales S. Amandi brevissimi

Nordwestfrankenreich

760–796

59. Annales S. Benigni Divionensis

Westfrankenreich

(564)753–1285

60. Annales S. Bonifacii

Ostfrankenreich

716–830, 910–1024

Entstehung

957, 1285

61. Annales S. Columbae Senonensis Nordwestfrankenreich

708–1213

62. Annales S. Edmundi

England

bis 1212

frühes 13. Jh.

63. Annales S. Maximini Treverensis

Ostfrankenreich

538, 540, 708–987

840–987

64. Annales S. Nazarii

Rheinfranken

935–978

65. Annales S. Quintini Veromanden. Nordwestfrankenreich

793–994

66. Annales Sangallenses

Kl. St. Gallen, Konstanz

709–1056

67. Annales Sithienses

Rheinland

584–823

801–900

68. Annales Stabulenses

Nordwestfrankenreich

bis 1087

um 1050–1100

69. Annales Vedastini

Nordwestfrankenreich

874–900

70. Annales Weingartenses

Alemannien

708–936

um 918–936

71. Annales Xantenses

Rheinland

640–873

832–873

72. Annales Yburgenses

Ostfrankenreich

718–724, 741–751, 817–841, 1072–1085

73. Annals of Clonmacnoise

Irland

bis 1408

74. Annals of Inisfallen

Irland

433–1450

75. Annals of Loch Cé

Irland

1014–1590

1215–1320

76. Annals of the kingdom of Ireland Irland

bis 1616

77. Annals of Tigernach

Irland

489–767, 973–1004

78. Annals of Ulster

Irland

431–1540

79. Astronomus, Vita Hludowici imp.

Westfrankenreich

um 700-836

um 837

80. Bar Hebraeus, Chronography

Naher Osten

Weltchronik bis 1273

13. Jh.

17. Jh.

81. Bartholomæus v. Cotton, Historia England

449–1298

82. Beda Venerabilis, Historia eccl.

England

bis 725

83. Bernoldi Annales

Alemannien

Weltchronik bis 1100

1079–1100

84. Bertholdi Annales

Alemannien

1054–1080

1054–1088

85. Bonifatius, Briefe

Frankenreich

700–754

700–754

86. Breve Chronicon S. Florentii Sal-

Frankenreich

700–1236

murensis

808 | Anhang

Nr.

Quellen

87. Chronica Rainaldi archidiaconi

Berichtsregion

Berichtszeit

Nordwestfrankenreich

320/714–1152

88. Chronicae S. Albini Andegavensis Westfrankenreich

768–1317

89. Chronicle of 754

Spanien und Byzanz

611–c. 754

90. Chronicle of Aethelward

England

bis 959

91. Chronicle of Ireland

Irland

432–911

92. Chronicon Aquitanicum

Westfrankenreich

830–930/1025

Entstehung

*

vor 911

93. Chronicon de Normannorum gestis Westfrankenreich

833–912

12. Jh.

94. Chronicon Moissiacense

800–816

800–850

Südwestfrankenreich

95. Chronicon S. Florentii Salmurensis Westfrankenreich

700–1236

96. Chronicon S. Sergii Andegavensis Westfrankenreich

768–1215

97. Chronicon Sampetrinum

Thüringen

1072–1355

98. Chronicon Suevicum universale

Alemannien

768–1043

1030–1050

99. Chronicon Vedastinum

Niederlothringen

Weltchronik bis 899

950–1000

100.Chronicon Vindocinense

Westfrankenreich

628–1251

101.Chronicum Scotorum

Schottland

353–722, 804–1149

102.Chronik Bertholds v. Reichenau

Reichenau

1054–1100

103.Chronik des Bernold

Nordwestfrankenreich

1054–1100

104.Chronik v. Alfonso III.

Spanien

672–866

105.Chronique de Saint–Maixent

Westfrankenreich

751–1140

*

106.Continuator Reginonis Trevirensis Ostfrankenreich, Italien

907–967

107.Einhard, Vita Caroli Magni

Frankenreich

747–814

9. Jh.

108.Eugippius, Vita Severini

Noricum

465–533

511

109.Flodoard v. Reims, Annalen

Westfrankenreich

919–966

966

110.Flodoard v. Reims, HRE

Westfrankenreich

Weltchronik bis 948

948–952

111.Florence v. Worcester, Chronicon England

Weltchronik bis 1082

vor 1118

112.Fragm. Chronicon Fontanellensis

841–859

872

113.Fulcher v. Chartres, Historia Hiero. Naher Osten

1095–1127

vor 1127

114.Gerbert v. Reims, Briefe

Frankenreich, Italien

um 970–1003

um 970–1003

115.Gregor v. Tours, Historiarum

Westfrankenreich

bis 591

bis 594

116.Heimskringla, Snorris

Skandinavien

bis 1177

um 1230

117.Heirici monachi Annales Breves

Westfrankenreich

826–875

um 860–875

Nordwestfrankenreich

Tabellen | 809

Nr.

Quellen

Berichtsregion

Berichtszeit

Entstehung

118.Hermann v. Reichenau, Chronicon Alemannien

1–1054

1030–1054

119.Hugo v. Flavigny, Chronicon

Burgund

Weltchronik bis 1102

um 1100–1140

120.Ibn Faḍlān, Reisebericht

Naher Osten

922–923

um 923

121.Isidor v. Sevilla, De natura rerum

Spanien

Anfang 7. Jh.

Anfang 7. Jh.

122.Isidor v. Sevilla, Enzyklopädie

Spanien

256–621

*

123.Iulius Obsequens, Liber prod.

Italien

190–11 v. Chr.

4. Jh.

124.Jacob v. Edessa, Chronik

Naher Osten

326–630

7. Jh.

125.Joh. Diaconus, Chron. Venetum

Italien

um 700–1008

um 1008–1018

126.Johannes Skylitzes

Byzanz

811–959

1070er

127.Johannes v. Ephesus

Kleinasien

571–585

6. Jh.

128.Johannes v. Biclaro

Spanien und Byzanz

568–592

*

129.Johannes Zonaras. Chronik

Byzanz

969–1118

1. H. 12 Jh.

130.Josua Stylites, Chronik

Naher Osten

Ende 5. Jh.

um 507

131.Kristni Saga

Island

nach 981

nach 981

132.Lambertus Au-

Nordwestfrankenreich

919–1120

133.Lamberti parvi Annales

Nordwestfrankenreich

12. Jh.

134.Landnámabók

Skandinavien

870–930

135.Leon Diakonos

Byzanz

959–976

136.Liber Pontificalis

Italien

1–1100

ab 530

137.Liudprand v. Cremona, Antapod.

Frankenreich, Italien

893–931

958–962

138.Manegold v. Lautenbach, Liber

Mitteleuropa

1085

1085

139.Marcellinus Comes, Chronicon

Mittelmeerraum

379–518

um 520

140.Martin v. Troppau, Chronicon

Böhmen

Weltchronik bis 1277

1268–1277

141.Matthaeus Paris, Chronica

Mitteleuropa

Weltchronik bis 1259

vor 1259

142.Michael der Syrer, Chronik

Byzanz

bis 1194/95

vor 1199

143.Murbacher Annalen

Ostfrankenreich

701–1439

1401–1500

144.Nennius, Historia Brittonum

England, Wales

6. – 7. Jh.

820

145.Nikephoros I. (Patriarch)

Byzanz

602–769

780/790

146.Nithard, Historiarum libri IIII

Westfrankenreich

814–843

841–843

147.Otto v. Freising, Chronik

Europa

Weltchronik

1143–1146

148.Paulus Diaconus, Historia Lang.

Italien

vor 744

Ende 8. Jh.

domaiensis,Chronica

11. Jh.

810 | Anhang

Nr.

Quellen

Berichtsregion

Berichtszeit

Entstehung

149.Petri Bibliothecarii hist. Franc.

Westfrankenreich

715–898

150.Prokop, Gotenkriege

Byzanz

Geschichte bis 550/3

um 550

151.Rodulfus Glaber, Historiarum

Frankenreich, Italien

900–1044

11. Jh.

152.Regino v. Prüm, Chronik

Westfrankenreich

Weltchronik bis 906

900–908

153.Richer v. Reims, Historiarum

Westfrankenreich

884–998

um 998

154.Romualdi Salernitani Chronicon

Italien

Weltchronik bis 1178

um 1180

155.Sigebert v. Gembloux, Chronik

Nordwestfrankenreich

381–1111

bis 1106

156.Simeon v. Durham

England

732–1042

Anf. 12. Jh.

157.Theophanes der Bekenner

Byzanz

717–813

vor 818

158.Theophilos v. Edessa

Byzanz

bis 750

vor 785

159.Thietmar v. Merseburg

Ostfrankenreich

901–1018

1012–1018

160.Widukind v. Korvei

Ostfrankenreich

bis 973

967–973

Tab. 74: Überlieferung der Sichtung von Kometen von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Beobachtet

Quellen

Co-1

08.–09.565

Italien, Ravenna

Komet

Agnelli lib. ponti. eccl. Ravennatis

Co-2

04.03.571

Westfranken, Mekka Meteor, Komet Gregor von Tours, arab. Quellen

Co-3

21.04.580

Westfranken

Komet

Gregor v. Tours, Hermann v. Reichenau

Co-4

15.01.582

Westfranken, China

Komet

Gregor von Tours, chin. Quellen

Co-5

595

Italien, Burgund

Komet

Paulus Diaconus, Fredegar

Co-6

11.–12.601

Venedig

Komet

Ioh. Diac. Chronicon Venetum

Co-7

612

Irland

Komet

Iri. Ann. (AU, AT, CS)

Co-8

633

Konstantinopel

Komet

Tholomeus v. Lucca, Historia ecclesiastica, Sigebert v. Gembloux

Co-9

648

Britannien

Komet

Ann. Cambrię

Co-10

01.12.660

Westfranken, Noyon

Komet

Vita Eligii epi. Noviomagensis

Co-11

670

Italien

Komet

Paulus Diaconus

Co-12

07.–10.676

Nordeuropa Italien, Syrien, Ostasien

Komet X/676 P1

[zahlreiche > 10]1

|| 1 Seargent, Greatest comets (2009), 83 f.

Tabellen | 811

Nr.

Datierung

Region, Ort

Beobachtet

Quellen

Co-13

677

Irland

Komet

Iri. Ann. (AU, AT, CS)

Co-14

688

Britannien

Co-15

08.08.711

Syrien

Komet

Bar Hebraeus

Co-16

07.–08.712

China

Komet

chin. Quellen

Co-17

728

Westfranken

Komet

Ann. Weissenburg., Lampert von Hersfeld

Co-18

729

Italien, Ostfranken, Britannien

Komet

[zahlreiche > 3]

Co-19

744/745

Syrien, Japan

Komet, Meteorstrom

Theophilus v. Edessa, Michael d. Syrer

Co-20 749-756

Italien

Komet?

Chronik Salernos

Co-21

770

Asien

Komet C/770 K1

chin. Quellen2

Co-22

813

Konstantinopel

Komet

Theophanes d. Bekenner

Co-23

815

Korea, China

Komet

korean. und chin. Quellen

Co-24

05.02.817

Westfranken

Komet

Astronomus

Co-25

838/839

Europa, Asien

Komet X/838 V1, Meteor?

[zahlreiche > 4] 3

Co-26 04.840

Syrien, W.-Franken

Komet

Petrus Bibl. Historia Francorum

Co-27

Ostfranken

Komet

Ann. Fuldenses,Ann. Xantenses, Nithard, Florus v. Lyon

Co-28 844

Westfranken

Komet

Chronique de Saint-Maixent

Co-29

Japan

Komet

japan. Quellen

Co-30 05.864

Lotharingien

Komet

Ann. Floriacenses

Co-31

867/868

Europa, Japan

Komet

[zahlreiche > 10]

Co-32

17.07.873

Westfranken

zweifelhaft

Chronicon Vindocinense

Co-33

15.05.875

Rheinland

Komet

Ann. Sangall., Ann. Fuldenses

Co-34

07.878

Westfranken

zweifelhaft

Co-35

07.881

Norditalien

Komet

Ioh. Diac. Chron.Venetum

Ostfranken

Komet

Ann. Fuldenses

Komet

Chronica S. Benedicti

12.841– 02.842

03.-04.852

Co-36 18.01.882 Co-37

890

|| 2 Seargent, Greatest comets (2009), 84 f. 3 Seargent, Greatest comets (2009), 85 f.

Aethelward, Chronicon

812 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Beobachtet

Quellen

Co-38 13.03.891

China, Irak, Mitteleuropa

Komet X/891 J1

[zahlreiche > 5]4

Co-39

China, Westfranken

Komet

Chronique de Saint-Maixent

Co-40 893

China

Komet, Bruch- chin. Quellen5 stücke 891

Co-41

04.–05.905

Britannien, Konstan- Komet C/905 tinopel K1

[zahlreiche > 3]6

Co-42

907

Mitteleuropa

Komet

Heirici monachi S. Germani Autisiodorensis Ann. Breves

Co-43

15.05.– 07.06.909

Lotharingien

Komet

Ann. S. Columbae Senonensis

Co-44 914

Bayern

Komet

Ann. S. Albani Moguntini

Co-45

Irland

892

917

irische Annalen (AU)

Co-46 03.07.939

Italien

Komet

Liudprand von Cremona

Co-47

Mitteleuropa, Irak

Komet

[zahlreiche > 6]

Co-48 10.942

Westfranken

Komet

[zahlreiche > 6]

Co-49 945

Westfranken, Reims

Komet

Flodoard von Reims

Co-50

947

Irak

3 Kometen

arab. Quellen

Co-51

02.03.948

Japan, Lotharingien

Komet

japan. Quellen, (falsch datiert Ann. Blandinienses)

Co-52

954/956

Italien

Komet

isländ. Ann., Sigebert v. Gembloux

Co-53

06.03.957

Japan

Komet

japan. Quellen

Co-54

16.03.961

Japan

Komet

japanische Quellen

Co-55

975

England, Byzanz

Komet im SB Zwillinge

[zahlreiche > 6]

Co-56

984

Mitteleuropa

Komet

Thietmar von Merseburg

Co-57

990

Britannien

Komet

Romoald

Co-58

995

England

Komet

Anglo-Saxon Chronicle

Co-59

02.998

Mitteleuropa

Komet

Ann. Sangallenses

Lotharingien

Komet

Ann. Parchenses

18.10.– 01.11.941

Co-60 1000

|| 4 Seargent, Greatest comets (2009), 86 5 Seargent, Greatest comets (2009), 86 f. 6 Seargent, Greatest comets (2009), 87 f.

Tabellen | 813

Nr.

Datierung

Region, Ort

Beobachtet

Quellen

Co-61

02.1003

Westfranken

Komet

Ann. S. Benigni Divionensis

Co-62 1004

Westfranken

Komet

Ann. Besuenses

Co-63

China, Mitteleuropa

Komet

[zahlreiche > 4]

Co-64 1010

Mitteleuropa

Komet

Ann. Quedlinburgenses

Co-65

Irland

Komet

irische Annalen (AC)

Komet

Ann. Barenses

01.– 14.10.1005

1011

Co-66 02.1015 Co-67

1017–1019

Mitteleuropa, Irland, Komet Italien

[zahlreiche > 6]

Co-68 20.09.– 02.10.1034

China, Japan

chin. und japanische Quellen

Co-69 09./10.1041

Korea, Armenien, By- 2 Kometen zanz

[zahlreiche Quellen]

Co-70

1056

Korea

Komet

koreanische Quellen

Co-71

01.06.1062

Mitteleuropa

Komet

Bernold von St. Blasien

Co-72

09.04.1077

Mitteleuropa

Komet

Sigebert von Gembloux

Co-73

06.08.1080

China

Komet im SB Skorpion

chinesische Quellen

Co-74

08.1092

Mitteleuropa

Komet im SB Adler

Ann. S. Iacobi Leodiensis

Co-75

10.1097

Mitteleuropa

Komet

[zahlreiche > 6]

Komet

814 | Anhang

Tab. 75: Überlieferung der Polarlichter von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Beschreibung/Deutung

PL-1

512/525

Oström.Reich

Himmel glüht

Marcellinus Comes

PL-2

563-571

Tours

Himmel brennt

Gregor von Tours

PL-3

567/569

Italien

feurige Schlachtenreihen

zahlreiche [> 3]

PL-4

575/580

Mitteleuropa

Himmel brennt

zahlreiche [> 3]

PL-5

29.03.582

Soissons

zwei Feuer im Himmel

Gregor von Tours

PL-6

583/584

Frankenreich

Feuerstrahlen

Gregor von Tours

PL-7

07./10.585

Frankenreich

Feuerstrahlen

Gregor von Tours

PL-8

587

Frankenreich

Lichtstrahlen

Gregor von Tours

PL-9

590

Frankenreich

heller Schein

Gregor von Tours

PL-10

642

England

Lichtsäule

Beda Venerabilis

PL-11

664

Irland

Himmel brennt

Iri. Chronik (AU, AT, CS)

PL-12

710

Schottland

helle Nacht

Chronik der Schotten

PL-13

714

Irland

heller Schein

Chronik v. Irland (AC)

PL-14

733/734

Byzanz

feuriges Zeichen

Theophilus von Edessa, Theophanes d. Bekenner

PL-15

742/743

Byzanz

Zeichen im nördl. Himmel

Theophanes d. Bekenner

PL-16

17.06.744

Syrien

Zeichen im nördl. Himmel

Theophilus von Edessa

PL-17

762

Irland

heller Schein

Iri. Chroniken (AU, AT)

PL-18

772–774

England

wundersame Schlangen

Angelsächsische Chroniken

PL-19

786

Westfrankenreich

Schlachtenreihen

Ann. Laureshamenses

PL-20

793

England

Blitze, feurige Drachen

Simeon von Durham

PL-21

26.02.807

Westfrankenreich

Schlachtenreihen

Ann. Formoselenses

PL-22

29.10.817

Irak

[Polarlicht]

arab. Quellen

PL-23

05.12.827

Westfrankenreich

Schlachtenbilder

zahlreiche [> 3]

PL-24

03.12.829

Frankenreich

Großes Licht von Osten

Ann. Weissenburgenses

PL-25

836

Rheinland

Schlachtenreihen

Ann. Xantenses

PL-26

838

Rheinland

Schlachtenreihen

Ann. Xantenses

PL-27

839

Rheinland

Schlachtenreihen

Ann. Xantenses

PL-28

840

Rheinland

Schlachtenreihen

Ann. Xantenses

PL-29

01.03.842

Frankenreich

Schlachtenreihen

Chronici Fontanellensis

PL-30

27.11.848

Frankenreich

Schlachtenreihen

Chronici Fontanellensis

Quellen

Tabellen | 815

Nr.

Datierung

Region, Ort

Beschreibung/Deutung

Quellen

PL-31

11.12.861

Westfrankenreich

Schlachtenreihen

Chronicon Vindocinen.

PL-32

870

Mainz

Strahlenbündel

Annales Fuldenses

PL-33

11.10.879

Marokko

[Polarlicht]

arab. Quellen

PL-34

01.01.890

Irland

Flammen im Himmel

Iri. Chroniken (AU, AT)

PL-35

07.05.897

Ägypten

[Polarlicht bis 4.06.897]

arab. Quellen

PL-36

01.02.919

Westfrankenreich

feurige Schlachtenreihen

Ann. S. Colum. Senon.

PL-37

921

Westasien

pfeilschießende Feuer

Ibn Faḍlān

PL-38

926

England

Feuer im nördl. Himmel

Anglo-Saxon Chronicles

PL-39

927

Reims

feurige Schlachtenreihen

Flodoard von Reims

PL-40

930

Reims

feurige Schlachtenreihen

Flodoard von Reims

PL-41

09.11.931

Irak

[Polarlicht]

arab. Quellen

PL-42

24.02.937

Reims

Schlachtenreihen

Richer v. Reims, Ann. S. Columbae Senonensis

PL-43

17.10.939

Syrien

[Polarlicht]

arab. Quellen

PL-44

12.940

Reims

feurige Schlachtenreihen

Flodoard von Reims

PL-45

06.05.941

Spanien

[Polarlicht]

arab. Quellen (?)

PL-46

15.09.945

Westfrankenreich

himmlisches Feuer

Rainald, Chron., Ann. S. Maximini Treverensis

PL-47

04.09.955– 16.06.956

Reims

kopfloser Drache

Ann. Floriacenses

PL-48

970–971

Mitteleuropa

feuriger Himmel

[zahlreiche > 6]

PL-49

29.09.979

Mittel/Südeuropa

rote, feuerartige Wolke

[zahlreiche > 5]

PL-50

07.04.989

Byzanz

Nordlichter

Leon Diakonos

PL-51

991–993

Ägypten

[Polarlicht]

arab. Quellen

PL-52

992

Irland

Nordlicht

Ann. kingdom of Ireland

PL-53

26.12.993

Mitteleuropa

Nordlicht

Ann. Quedlinburgenses, Thietmar v. Merseburg

PL-54

29.09.1014

Mitteleuropa

schreckliche Wolken

Annalista Saxo

PL-55

27.05.1042

Lotharingien

Schlange

Ann. Elmarenses

PL-56

25.04.1050

Ägypten, Francia

[Polarlicht bis 24.05.1050] arab. Quellen, Ann. Altah.

PL-57

09.11.1060

Ägypten

[Polarlicht bis 07.12.1060] arab. Quellen

PL-58

23.09.1087

Germania

schreckliche Flammen

PL-59

26.9.1098

Mitteleuropa

Ann. Brunwilarenses [zahlreiche > 9]

816 | Anhang

Tab. 76: Überlieferung der Sonnenfinsternisse von 500 bis 1100 (T = total, A = annular, P = partial) Datierung berechnet

Art

Quellen

Anmerkungen

SE-1 512

29.06.512

T

Marcellinus Comes

Datum fehlt

SE-2 18.02.[538]

15.02.538

T

Beda, Aethelward

+ 3 Tage

Nr.

Datierung in Quelle

16.02.537

15.02.538

T

Annalen von Lund

+ 1 Tag

SE-3 20.06.540

20.06.540

T

Beda

exakt

SE-4 Mitte 10.590

04.10.590

A

Gregor v. Tours, iri. Ann.

Tag fehlt

SE-5 592

19.03.592

T

Fredegar, iri. Annalen

Datum fehlt

SE-6 05.11.644 29.10.644

05.11.644

A

Theophilus von Edessa

exakt - 1 Woche

SE-7 646

21.04.646

T

Chronicle of 754

Datum fehlt

SE-8 663

01.05.664

T

Codex Casselanus

- 1 Jahr

01.05.664

T

Beda (Tag absichtlich falsch angegeben)

+ 2 Tage

SE-9 685, 688/9

03.07.688

A

[zahlreiche > 3]

Datum fehlt

SE-10 05.10.693

05.10.693

T

Theophilus von Edessa

exakt

SE-11 14.08.733

14.08.733

A

[zahlreich > 6]

exakt

SE-12 740

01.04.740

T

Fredegar

Datum fehlt

SE-13 13.01.753

09.01.753

A

Fortsetzer Bedas

+ 4 Tage

SE-14 14.08.760

15.08.760

A

Theophanes d. Bekenner - 1 Tag

SE-15 763

16.06.763

P

Irische Annalen (AU, AT)

Datum fehlt

SE-16 04.06.764

04.07.764

A

[zahlreiche > 4]

- 1 Monat

SE-17 09.09.787

16.09.787

A

Theophanes d. Bekenner - 1 Woche

16.09.786

16.09.787

A

Ann. Laureshamenses

- 1 Jahr

17.09.787

16.09.787

A

Ann. Sithienses

+ 1 Tag

788

16.09.787

A

Ann. Stabulenses

+ 1 Jahr

SE-18 10.02.807

11.02.807

A

Ann. Elmarenses

- 1 Tag

SE-19 16.07.809

16.07.809

A

[zahlreiche > 3]

exakt

SE-20 10.07.810

05.07.810

P

[zahlreiche > 3]

+ 5 Tage

SE-21 12.12.810

30.11.810

T

[zahlreiche > 2]

+ 14 Tage

SE-22 14.05.812

14.05.812

T

Ann. Elmarenses

exakt

15.05.812

14.05.812

T

Theophanes d. Bekenner + 1 Tag

03.05.664

Tabellen | 817

Nr.

Datierung in Quelle

Datierung berechnet

Art

Quellen

SE-23 04.05.813

04.05.813

T

Theophanes d. Bekenner exakt

SE-24 08.07.818

07.07.818

A

Astronomus

+ 1 Tag

SE-25 819

26.06.819

A

[zahlreiche > 2]

Datum fehlt

[zahlreiche > 2]

nicht berechnet

03.05.832

nicht

Anmerkungen

SE-26 05.05.840

05.05.840

T

[zahlreiche > 5]

exakt

SE-27 865

01.01.865

T

Chronicum Scotorum

Datum fehlt

SE-28 874

11.01.875

P

Chron. Florentii Salm.

- 1 Jahr

SE-29 29.10.876

29.10.878

T

Chron. de Saint-Maixent

- 2 Jahre

29.10.878

T

Ann. reg. Franc.

Uhrzeit, Dauer

SE-30 879

26.03.879

P

Simeon von Durham

Datum fehlt

880

26.03.879

P

Sigebert von Gembloux

Uhrzeit 879

SE-31 885

16.06.885

T

Chronicum Scotorum

Datum fehlt

SE-32 888/889

04.04.889

P

Johannes Skylitzes

6. Stunde

SE-33 891

08.08.891

A

Ann. Alamannici

Datum fehlt

SE-34 nach 904

26.04.906

A

Johannes Skylitzes

- 2 Jahre

SE-35

17.06.912

T

Cordoba, arab. Quellen

nur in Spanien

SE-36 07.939

19.07.939

T

Ann. Corbeienses

Tagesangabe fehlt

19.07.939

19.07.939

T

Liudprand von Cremona

exakt

SE-37 19.07.951

09.07.948

T

Ann. Blandinienses

+ 3 Jahre 10 Tage

SE-38 22.12.956

13.12.958

P

Ann. Floriacenses

Uhrzeit, Monat

SE-39 17.05.961

17.05.961

A

Cont. Regino. Trevirensis exakt

SE-40 963

20.09.963

A

Ann. Polonorum

Datum fehlt

SE-41 22.12.968

22.12.968

T

[zahlreiche > 2]

exakt

SE-42 21.10.989

21.10.990

A

Thietmar von Merseburg

- 1 Jahr

21.10.990

21.10.990

A

Ann. Hildesheimenses

exakt

SE-43 29.03.1009

29.03.1009

P

[zahlreiche > 4]

exakt

SE-44 Ostern 1018

18.04.1018

T

Alpert von Metz

exakt

SE-45 1021

24.01.1023

T

Chronicum Scotorum

- 2 Jahre

22.01.1022

24.01.1023

T

Ann. Elmarenses

- 2 Tage

1023

24.01.1023

T

iri. Chr., Ann. Altahenses Datum fehlt

SE-46 1033

29.06.1033

A

[zahlreich > 8]

10.878

Datum fehlt

818 | Anhang

Nr.

Datierung in Quelle

Datierung berechnet

Art

Quellen

Anmerkungen

29.06.1033

29.06.1033

A

Ann. Elm., Rodulfus Glaber

Uhrzeit, exakt

SE-47 18.04.1036

18.04.1037

A

Ann. Elmarenses

- 1 Jahr

SE-48 24.08.1038

22.08.1039

A

Ann. Elmarenses

- 2 Tage -1 Jahr

SE-49 22.11.1044

22.11.1044

A

Ann. Niv., Rodulfus Glaber

exakt

SE-50 21.09.1093

23.09.1093

A

Ann. S. Blasii

- 2 Tage

23.09.1093

23.09.1093

A

[zahlreiche > 7]

exakt

24.09.1093

23.09.1093

A

Ann. Augustani

+ 1 Tag

SE-51 25.12.1098

25.12.1098

A

Ann. Aug., Ann. S. Blasii

exakt

Tab. 77: Überlieferung der Mondfinsternisse von 500 bis 1100 (T = total, P = partial, N = penumbral) Nr.

Datierung in Quelle

Datierung berechnet

Art

Quellen

Anmerkungen

MF-1

560

19.11.560

T+

Marii episcopi Aventicensis Chronicon

Datum fehlt

MF-2 577

11.12.577

P

Gregor von Tours

Datum fehlt

MF-3 582

18.09.582

T+

Gregor von Tours

Datum fehlt

MF-4 590

18.10.590

P

Fredegar

Datum fehlt

670

12.01.670

P

Irische Annalen

Datum fehlt

MF-6 18.06.680

17.06.680

T-

Liber Pontificalis

+ 1 Tag

16.04.684

17.04.683

T+

Liber Pontificalis

- 1 Tag

11.11.691

P

Irische Chronik (AU)

Jahr ungenau

MF-9 696

23.02.696

N

Annalen von Lund

Datum fehlt

MF-10 716

13.01.716

T-

Liber Pontificalis

Datum fehlt

MF-11 718

19.05.718 13.11.718 02.01.717

N P P

Irische Chronik (AU)

Datum fehlt

MF-12 13.12.725

13.12.726

T+

Irische Chronik (AU)

- 1 Jahr

MF-13 22.01.734

24.01.734

T-

Irische Chronik (AU, AT)

- 2 Tage, - 1 Jahr

24.01.734

T-

[zahlreich >3]

+ 1 Woche

MF-5

MF-7

MF-8 11.11.687–

692

24.01.733 31.01.734

Tabellen | 819

Nr.

Datierung in Quelle

Datierung berechnet

Art

Quellen

Anmerkungen

MF-14 749

30.09.749

T

Ann. v. Clonmacnoise

Datum fehlt

MF-15 752

31.07.752

T+

Irische Chronik (AT), Simeon v. Durham Datum fehlt

MF-16 24.01.753

24.01.753

P

Continuator Bedae

exakt [9 Uhr]

MF-17 756

18.05.756 11.11.756

TP

Simeon von Durham

Datum fehlt

MF-18 761/762

15.01.762 10.07.762

P P

Irische Chronik (AU)

Datum fehlt

MF-19 773

04.12.773

T

Irische Chronik (AU)

Datum fehlt

MF-20 19.02.788

26.02.788

T-

Irische Chronik (AU)

- 1 Woche

25.02.788

26.02.788

T-

Ann. Flavianicenses et Lausonenses

- 1 Tag

MF-21 795

09.04.795 03.10.795

T T

Ann. Flavianicenses et Lausonenses

Datum fehlt

MF-22 28.03.796

28.03.796

T

Simeon von Durham

exakt

MF-23 803

03.11.803

T

Ann. Flavianicenses et Lausonenses

Datum fehlt

MF-24 02.09.806

01.09.806

T+

Ann. Einsidlenses

+ 1 Tag

MF-25 25.04.807

26.02.807

T

[zahlreich >4]

- 1Tag + 2 Monate

MF-26 25.12.809

25.12.809

T-

Ann. Einsidlenses

exakt

26.12.809

25.12.809

T-

Ann. Sithienses

+ 1 Tag

MF-27 21.06.810

13.12.810

20.06.810 14.12.810

TT

Ann. Einsidlenses, Ann. Sithienses

+ 1 Tag - 1 Tag

25.04.810

nicht

--

Ann. Blandinienses

nicht berechnet

MF-28 05.02.817

05.02.817

T+

Astronomus, Ann. Sithienses

exakt

MF-29 24.12.820

23.11.820

T

Ann. Sithienses

+ 1 Tag – 1 Monat

MF-30 25.12.827

25.12.828

T

Chronik Aethelwards

- 1 Jahr

MF-31 01.07.828

01.07.828 25.12.828

T+ T

Ann. regni Francorum, Astronomus

exakt exakt

MF-32 10.831

24.10.831

T

Ann. Xantenses

Tag fehlt

MF-33 04.832

18.04.832

T

Ann. Xantenses

Tag fehlt

18.04.832

18.04.832

T

Ann. Bertiniani

exakt

19.05.832

18.04.832

T

Ann. Fuldenses

+ 1 Tag + 1 Monat

MF-34 02.835

17.02.835

T+

Ann. Xantenses

Tag fehlt

MF-35 30.03.842

30.03.842

T

Ann. Fuldenses

exakt

MF-36 29.03.861

30.03.861

T

Ann. Bertiniani

- 1 Tag

25.12.828

820 | Anhang

Nr.

Datierung in Quelle

Datierung berechnet

Art

Quellen

Anmerkungen

MF-37 01.865

15.01.865

T

Ann. Fuldenses, Chronicum Scotorum

Tag fehlt

MF-38 15.10.878

15.10.878

T

Ann. Floriacenses

exakt

MF-39 882

07.02.882 03.08.882

T T+

Ann. Alamannici

Datum fehlt

MF-40 21.3.881/9

21.03.889

T

Guidonis Chronica

Jahr ungenau

MF-41 893

02.07.893 26.12.893

TT

Ann. Alamannici

Datum fehlt

MF-42 894

22.06.894

P

Ann. Alamannici

Datum fehlt

MF-43 904

01.06.904 25.11.904

T+ T

Anglo-Saxon Chronicles

Datum fehlt

MF-44 17.12.921

17.12.921

T

Irische Chronik (AU)

exakt

MF-45 01.04.926

01.04.926

T

Flodoard von Reims

exakt

MF-46 927

14.09.927

P

Richer von Reims

Datum fehlt

MF-47 04.09.936

04.09.936

T

Flodoard von Reims

exakt

MF-48 04.09.955

04.09.955

T

Ann. Floriacenses

exakt

MF-49 01.09.956

24.08.956

N

Ann. Floriacenses

+ 1 Woche

MF-50 15.08.965

15.08.965

T

Ann. v. Prüm

exakt

MF-51 976

19.01.976 14.07.976

T T

Ann. v. Augsburg

Datum fehlt

MF-52 995

14.07.995

T

Ann. v. Augsburg

Datum fehlt

MF-53 998

06.11.998

T+

Ann. v. Regensburg

Datum fehlt

MF-54 07.10.1010

06.10.1009

T-

Ann. Lemovicenses

+ 1 Tag

MF-55 1014

14.07.1014

P

Chron. pont. et imp. Basileensia

Datum fehlt

MF-56 1017

06.11.1017

P

Alpert v. Metz

Datum fehlt

MF-57 1021

09.01.1023

P

Chronicum Scotorum, viele weitere

Datum fehlt

MF-58 1027

18.10.1027

T-

Chron. pont. et imp. Basileensia

Datum fehlt

MF-59 1031

10.02.1031

T

Ann. Lausannenses

Datum fehlt

MF-60 09.01.1042

09.01.1042

T-

Romoald, Annales, Ann. Cavenses

exakt

MF-61 02.11.1044

08.11.1044

P

Ann. Altahenses, Rodulfus Glaber

- 1 Woche

MF-62 04.04.1056

03.04.1056

T-

Ann. Nivernenses

+ 1 Tag

01.08.1062

nicht

--

Chronique de Saint-Maixent

nicht berechnet

10.1071

nicht

--

Chronique de Saint-Maixent

nicht berechnet

Tabellen | 821

Nr.

Datierung in Quelle

Datierung berechnet

Art

Quellen

Anmerkungen

MF-63 1074

07.10.1074

T+

Ann. von Augsburg

Datum fehlt

MF-64 28.10.1075

27.10.1075

P

Chron. Vindocinense seu de Aquaria

+ 1 Tag

MF-65 10.02.1077

10.02.1077

P

Ann. Yburgenses, Annalista Saxo

exakt

MF-66 30.01.1078

30.01.1078

T-

Ann. S. Benigni Divionensis

exakt

nicht

--

Chronique de Saint-Maixent

nicht berechnet

MF-67 1089

25.06.1089 20.12.1089

T P

Romoald, Annales

Datum fehlt

MF-68 07.08.1094

06.08.1096

T+

Romoald, Annales (Uhrzeit exakt)

+1 Tag –2 J.

1096

11.02.1096 06.08.1096

TT+

Ann. Egmundani

Datum fehlt

11.02.1096

11.02.1096

T-

Chronicae S. Albini Andegavensis

exakt

MF-69 11.12.1098

11.12.1098

P

Chronique de Saint-Maixent, Ann. S. Blasii

exakt

MF-70 01.12.1099

30.11.1099

T-

Romoald, Annales

+ 1 Tag

11.11.1082

Tab. 78: Überlieferung der Erdbeben im europäischen Raum von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Quellen

EB-1

500-507

Vienne

Gregor von Tours

EB-2

518

Balkan (Dardania)

Marcellinus Comes, Ann. Tigernach

EB-3

526

Antiochia

Marcellinus Comes

EB-4

542

Konstantinopel

Theophanes d. Bekenner

EB-5

551

Naher Osten

Theophanes d. Bekenner

EB-6

15.08.554

Konstantinopel

Theophanes d. Bekenner, Malas

40 Tage

EB-7

562

England

Ann. v. Bury S. Edmunds

zehn Tage

EB-8

577

Chinon b. Tours

Gregor von Tours

EB-9

580

Bordeaux

Gregor von Tours

EB-10

582

Soisson, Angers

Gregor von Tours

EB-11

587

Westfranken

Gregor von Tours

EB-12

14.06.590

Westfranken

Gregor von Tours

EB-13

601

Irland, Bairche

Chronik v. Irland (AU)

EB-14

615–618

Italien, Rom

Paulus Diaconus

Schäden

822 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Quellen

EB-15

616–619

Frankenreich

Chronik v. Irland (AU)

EB-16

09.634

Palästina

Theophilus von Edessa

EB-17

664

Britannien, Irland

Ann. v. Ulster

EB-18

03.04.679

Mesopotamien

Theophilus von Edessa

EB-19

685

Irland, Eubonia

irische/schottische Annalen

EB-20 12.707

Nordirland

Chronik v. Irland (AU)

EB-21

28.02.713

Syrien, Antiochia, Aleppo

Theophilus von Edessa

EB-22

717

Syrien

Theophanes von Edessa

EB-23

718

Syrien

Theophanes d. Bekenner

EB-24

721

Irland

Chronik v. Irland (AU)

EB-25

06.02.730

Irland

Chronik v. Irland (AU)

EB-26 12.04.740

Irland (Íle)

Chronik v. Irland (AU)

EB-27

Konstantinopel

Theophilus Edessa, Theophanes d. Bek.

EB-28 742

Wüste Saba

Theophanes d. Bekenner

EB-29

Kaspische Pforte

Theophanes d. Bekenner

EB-30 18.01.746

Palästina, Jordanland, Syrien

Theophanes d. Bekenner

tausende

EB-31

18.01.749

Syrien, Damaskus

Theophilus Edessa, Theophanes d. Bek.

100.000

EB-32

09.03.756

Palästina, Syrien

Theophanes d. Bekenner

EB-33

769

Irland

Chronik v. Irland (AU)

EB-34

778

Italien (Treviso)

[zahlreiche > 3]

EB-35

09.02.790

Naher Osten

Theophanes d. Bekenner

EB-36

04.796

Kreta

Theophanes d. Bekenner

EB-37

05.796

Konstantinopel

Theophanes d. Bekenner

EB-38 799

Italien (Rom)

Ann. Rotomagenses

EB-39

Loiretal, Rheinland

[zahlreiche > 3]

EB-40 801

Irland

Ann. v. Clonmacnoise

EB-41

803

Aachen

[zahlreiche > 3]

EB-42

815

Saintes

Ann. regni Francorum

EB-43

823

Aachen

Astronomus, Ann. Fuldenses,

26.10.740

743

30.04.800/1

Schäden

fraglich

Gebäude

48

Insel

Tabellen | 823

Nr.

Datierung

Region, Ort

Quellen

EB-44 27.03.828/9

Aachen

Astronomus, Ann. Fuldenses,

EB-45

Worms, Speyer, Ladenburg

Ann. Fuldenses, Ann. Xanteneses

EB-46 30.12.838

Italien (Pavia)

Ann. Fuldenses

EB-47

Gallien

Ann. Bertiniani

EB-48 847

Italien (Rom)

Liber Pontificalis

EB-49 18.02.849

Süddeutschland

[zahlreich > 6]

EB-50

854/5

Rheinland

Ann. Fuld., Hermann v. Reichenau

EB-51

01.01.858

Rheinland

Ann. Fuldenses

EB-52

859

Rheinland

Ann. Fuldenses

EB-53

865

Bayern, Regensburg

Ann. v. St. Emmeram

EB-54

864–867

Konstantinopel

Johannes Skylitzes

EB-55

09.10.867

Süddeutschland

[zahlreich > 6]

EB-56

870

Rheinland

Ann. Fuldenses,

EB-57

03.12.872

Rheinland

Ann. Fuldenses,

EB-58

29.12.879

Rheinland, Mainz

Petri Bibl., Hist. Franc.

EB-59

896

Regensburg

Ann. v. St. Emmeram

EB-60 902

St. Gallen (?)

Ann. Alamannici

EB-61

922/3

Cambrésis

Flodoard v. Reims, Richer v. Reims

EB-62

925

Kleinasien

Johannes Skylitzes

EB-63

934–935

Genes

Liudprand von Cremona

EB-64 24.09.935

Salzburg

Ann. Iuvavenses antiqui

EB-65

Köln

Ann. Colonieses breves

EB-66 16.04.944

St. Gallen

Ann. Sangallenses maiores

EB-67

Kl. Admont

Ann. Admuntenses

EB-68 947

Reims

Flodoard von Reims

EB-69 950

Gallien, Germanien

Sigebert von Gembloux

EB-70

954

Gallien, Germanien

Wilhelm v. Mainz, Notae

EB-71

2./3.09.968

Galatien

Leon Diakonos

EB-72

974

Angelsachsen

Simeon von Durham

EB-73

20.01.976

Monza

Nota Modoetiensis

EB-74

02.07.978

Lorsch

Ann. S. Nazarii Laurissensis

18.01.838

24.10.842

939

945

Schäden

Dämonen

fraglich

824 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Quellen

EB-75

10.02.985

Nordwestl. v. Neapel

EB-76

986

Byzanz, Griechenland

EB-77

25.10.990

Nordwestl. v. Neapel Ann. Beneventani u. a.

EB-78

05.04.991

Damaskus

EB-79

994

Bayern, Augsburg

Sachsen, Elbe, Rhein Ann. Quedlinburgenses

EB-81

Südl. v. Ljubljana

EB-82 20./29.3.1000 Liège EB-83 1001

Italien (Verona)

EB-84 1003

Burgund

EB-85

Italien

1005

[zahlreich > 4]

Ann. Cavenses

EB-86 09.03.1010

Östl. v. Istanbul

EB-87

Deutschland (?)

Ann. Quedlinburgenses

EB-88 1013

Lüneburg

Ann. Quedlinburgenses

EB-89 1013

Liège

Ann. Leodienses

EB-90 1013

Island

EB-91

1014–1020

Angouleme

Adémar v. Chabannes, Chron.

EB-92

1020

Italien, Rom

Adémar v. Chabannes, Chron.

EB-93

12.05.1021

Bayern

[zahlreiche > 7]

1012

zahlreiche

Ann. Augustani

EB-80 07.998 01.1000

Schäden

EB-94 14.02.1026

Ann. Elmarenses

fraglich

EB-95

Ann. Beneventani

fraglich

19.04.1044

EB-96 01.05.1048

Angelsachen

Simeon von Durham

EB-97

Bayern, Augsburg

Ann. Augustani

EB-98 08.02.1062

Bayern, Regensburg

Berthold von Reichenau

EB-99 27.03.1065

Italien

Ann. Augustani

EB-100 22.04.1076

England

Ann. monasterii de Bello

EB-101 08.09.1076

Dumpfer Schlag

Ann. Brunwilarenses

EB-102 18.07.1079

totam terram

Ann. Nivernenses

EB-103 01.12.1080

Rheinland, Mainz

Sigebert von Gembloux

13.10.1048

fraglich

EB-104 27.03.1081

Ann. Elmarenses

fraglich

EB-105 21.03.1082

Chronicae S. Albini Andegavensis

fraglich

Tabellen | 825

Nr.

Datierung

Region, Ort

EB-106 18.10.1082 EB-107 21.04.1083

Andecavis

EB-108 03.05.1088

Quellen

Schäden

Chronique de Saint-Maixent

fraglich

Chron. Rainaldi archidia. S. Mauricii Erfurter Denkmäler

EB-109 10.09.1088

Apulien

Ann. Barenses, Romoald, Ann.

EB-110 06.12.1090

Konstantinopel

Johannes Zonaras

EB-111 26.06.1092

Ungarn

Bernold von St. Blasien

EB-112 14.01.1094

Italien

Ann. Beneventani

fraglich

EB-113 03.10.1097

Chronique de Saint-Maixent

fraglich

EB-114 05.10.1098

Chronique de Saint-Maixent

fraglich

EB-115 28.09.1099

Chronicae S. Albini Andegavensis

fraglich

Tab. 79: Überlieferung extremer Gewitterereignisse von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

R-1.

500-507

Westfranken

Blitz

Gregor von Tours

R-2.

532

Westfranken

Regen

Gregor von Tours

R-3.

534

Westfranken

Gewittersturm

Gregor von Tours

R-4.

555

Westfranken

Unwetter, Blitze

Gregor von Tours,

R-5.

[571]

Westfranken

Regenwunder

Gregor von Tours

R-6.

588

Westfranken

Regen, Hagel

Gregor von Tours

R-7.

591

Limoges, Tours

Blitze (Tote)

Gregor v. Tours (3), Gregor d. Gr.

R-8.

611/612

Irland

Blitze

Chronik v. Irland (AU, AT, CS)

R-9.

663

Norditalien

Unwetter (Tote)

Paulus Diaconus

R-10.

676

Italien, Rom

Regen, Donner

Liber Pontificalis

R-11.

701

Gallien

Blitze

Ann. Lundenses

R-12.

716

Schottland

Regen

Chronicum Scotorum

R-13.

793

Byzanz

Donner, Blitze

Theophanes d. Bekenner

R-14.

793

Bayern

Regen

Ann. regni Francorum

R-15.

18.03.801

Irland

Gewitter

Ann. v. Clonmacnoise

R-16.

17.03.804

Schottland

Gewitter, Wind

Chronicum Scotorum

R-17.

820

Rheinland

Regen

Ann. Fuldenses

R-18.

823

Westfranken

Blitze, Hagel

Astronomus

826 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

R-19.

823

Sachsen

Blitze, Hagel

[zahlreich > 4]

R-20.

824

Westfranken

Hagel

Ann. regni Francorum

R-21.

833

Westfranken

Regengüsse

Astronomus

R-22.

21.01.838

Niederrhein

Donner

Ann. Xantenses

R-23.

16.02.838

Niederrhein

Donner, Hitze

Ann. Xantenses

R-24.

848

Niederrhein

Blitz, Donner

Ann. Xantenses

R-25.

849/850

Niederrhein

Blitz, Donner

Ann. Xantenses

R-26.

05.06.854

Würzburg

Blitz (Kirche)

Ann. Fuldenses

R-27.

15.09.857

Rheinland

Unwetter (3 Tote)

Ann. Fuldenses, Ann. Bertiniani

R-28.

857

Irland

Blitz (3 Tote)

Chronicum Scotorum

R-29.

05.02.860

Niederrhein

Donner

Ann. Xantenses

R-30.

863

Niederrhein

sehr regnerisch

Ann. Xantenses

R-31.

872

Rheinland

Gewitter, Hagel

Ann. Fuldenses

R-32.

878

Schottland

Sturm und Blitz

Chronicum Scotorum

R-33.

21.07.882

Rheinland

Blitz, Hagel

Ann. Fuldenses

R-34.

28.01.894

Rheinland

Donnerschlag

Ann. Fuldenses

R-35.

896

Rheinland

Stürme, Regen

Ann. Fuldenses

R-36.

900

Irland, Schottland

Regen

Iri. Chroniken (AU, CS)

R-37.

921

Westfranken

Gewitter

Flodoard von Reims

R-38.

922

Südrussland

Blitze

Ibn Faḍlān

R-39.

927

Laon, Soissons

Gewitter

Flodoard von Reims

R-40.

928

Westfranken

Stürme

Flodoard v. Reims, Ann. Colum. Sen.

R-41.

929

Sachsen

Regenguss

Widukind von Korvei

R-42.

932

Irland

Blitze

Annals of the kingdom of Ireland

R-43.

938

Sachsen

Gewitter

Widukind von Korvei

R-44.

954

Lobbes

Regen, Blitz

Folcuin, Gesta abb. Lobiensium

R-45.

955

Ostfranken

Blitze (Tote)

Widukind von Korvei

R-46.

960

Irland

Gewitter

Annals of the kingdom of Ireland

R-47.

965

Westfranken

Blitze (2 Tote)

Ann. S. Dionysii

R-48.

968

Konstantinopel

Unwetter

Liudprand von Cremona

R-49.

1004

Sachsen

Sturm, Blitz

Ann. Quedlinburgenses

Tabellen | 827

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

R-50.

10.02.1016

Merseburg

Unwetter, Blitze

Thietmar von Merseburg

11.02.1016

Sachsen,

Unwetter, Blitze

Ann. Quedlinburgenses

R-51.

07.07.1017

Sachsen

Sommergewitter

Thietmar von Merseburg

R-52.

1017/1018

Sachsen

Unwetter, Regen

Thietmar von Merseburg

R-53.

1030

England

Blitze

Chronicum Scotorum

R-54.

1037

Irland

Regen

Ann. v. Clonmacnoise

R-55.

1042

Niederrhein

Regen

Ann. Laubiensis

R-56.

1043

Bodenseeregion Unwetter, Regen

Chronicon Suevicum universale

R-57.

1051

Bayern

Ann. Althaenses

R-58.

1068

Bodenseeregion Regen

Berthold von Reichenau

R-59.

1070

Bodenseeregion Regen, Wind

Berthold von Reichenau

R-60.

1073

Westtürkei

Unwetter

Berthold von Reichenau

R-61.

1076

Utrecht

Blitzschlag

D H IV 284

R-62.

1078

Dijon

Blitz, Donner

Ann. S. Benigni Divionensis

R-63.

1079

Bodenseeregion Regen, Sturm

Berthold von Reichenau

R-64.

05.1084

Mittelitalien

Regen

Ann. Beneventani

R-65.

08.09.1085

Brauweiler

Donnerschlag

Ann. Brunwilarenses

R-66.

1094

Ottobeuren, Basel

Blitze

Bernold von St. Blasien

Regen

Tab. 80: Überlieferung der extremen Sturmereignisse von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Wortgebrauch

Quellen

ES-1 564

Irland

great gale

Iri. Chronik (AU, AT, CS)

ES-2 585

Paris

ventus auster nimium violente

Gregor von Tours

ES-3 646–647

Syrien

stürmischer Wind

Theophilus von Edessa

ES-4 658

Irland

violent windstorm

Chronik v. Irland (AU, AT, CS)

ES-5 680

Irland

extreame great winde

Ann. v. Clonmacnoise

ES-6 685

Irland

great storm of wind

Chronik v. Irland (AU, AT, CS)

ES-7 16.09.691

Irland

great windstorm

Chronik v. Irland (AU, AT, CS)

ES-8 15.08.718

Prokonnēsos

Sturm

Theophanes der Bekenner

ES-9 744

Irland

great storm

Annals of the kingdom of Ireland

828 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Wortgebrauch

Quellen

ES-10 749

Irland

great windstorm

Ann. v. Ulster

ES-11 774

Schwarzmeer

Nordwind

Theophanes d. Bekenner

ES-12 777

Irland

great gale

Chronik v. Irland (AU)

ES-13 779

Irland

great gale

Chronik v. Irland (AU)

ES-14 04.08.783

Irland

severe gale

Chronik v. Irland (AU, AClon)

ES-15 786

Irland

severe gale

Chronik v. Irland (AU)

ES-16 24.12.800

England

ventus ingens

Simeon von Durham

ES-17 808

Byzanz

Windsturm

Theophanes d. Bekenner

ES-18 01.11.816

Irland

gale

Chronik v. Irland (AU, CS, AR)

ES-19 03.829

Rheinland

ventusque tam vehemens coortus Ann. regni Franc.

ES-20 837

Rheinland

ingens turbo ventorum

Ann. Xantenses

ES-21 31.10.– 2.11.839

Mitteleuropa

Wintersturm

[zahlreich > 4]

ES-22 843

Mittelitalien, Bari

tempestas valida et procella vehemens

Chronica S. Benedicti Casinensis

ES-23 12.846– 5.847

Mittelitalien, Byzanz

ventus aquilo

Ann. Bertiniani

ES-24 857

Irland

very great gale

Chronik v. Irland (AU, CS)

ES-25 867

Sachsen, Bay- ventus cum turbine ern

[zahlreich > 3]

ES-26 11.11.868

Irland

gale

Iri. Chronik (AU, CS, AClon)

ES-27 871

Mitteleuropa

ventus validus

[zahlreich > 3]

ES-28 11.11.892

Irland

gale

Chronik v. Irland (AU, CS)

ES-29 934

Trier

turbine

Adalbert, Cont. Reginonis

ES-30 937

Irland

mighty wind

Ann. v. Inisfallen

ES-31 26.04.937

Bodensee

aquilone flante

Casus s. Galli

ES-32 12.943

Byzanz

Sturm

Johannes Skylitzes

ES-33 944

Paris

turbo vehementissimus

Flodoard von Reims

ES-34 947

Reims

tempestas magna

Flodoard von Reims

ES-35 981

Irland

boisterous windes

Ann. v. Clonmacnoise

ES-36 984

Irland

great whirlwind

Ann. v. Clonmacnoise

ES-37 986

Irland

unusual wind

Annals of the kingdom of Ireland

Tabellen | 829

Nr.

Datierung

ES-38 990

Region, Ort

Wortgebrauch

Quellen

Irland

wind

Annals of the kingdom of Ireland

perturbatio magna et procella maxima

[hagiographische Quelle]

ES-39 991 ES-40 1004

Sachsen

terribili turbine

Ann. Quedlinburgenses

ES-41 1011

Sachsen

ventus ingens

Ann. Quedlinburgenses

ES-42 Herbst 1013 Schottland

great wind

Chronicum Scotorum

ES-43 1033

Bayern, Niederaltaich

ventus cum turbine

Ann. Altahenses

ES-44 1037

Irland

very wet stormy weather

Ann. v. Ulster, Ann. v. Loch Cé

ES-45 1039

England

great gale

Anglo-Saxon Chronicles

ES-46 28.01.1050

Kl. Brauweiler

ventus gravissimus

Ann. Brunwilarenses

ES-47 21.12.1052

England

vehemens extitit ventus

Simeon von Durham

ES-48 25.12.1080

Niederrhein

ventus validus

Balduini Ninovensis Chron.

ES-49 25.12.1081

Niederrhein

ventus validus

Ann. Formoselenses

ES-50 1085

Schottland

easter of the wind

Chronicum Scotorum

ES-51 27.10.1091

London

ventus vehemens

Ann. Bury S. Edmunds

ES-52 10.09.1095

Niederrhein

cum valido ventorum turbine

Sigebert von Gembloux

Tab. 81: Überlieferung der Überschwemmungen von 500 bis 1100

Art

Ursache

Fluss-System, Region

Quellen

Kydnos, Tarsus

Chronicle of Zuqnin

Nr.

Datierung

Ü1

549/50

Ü2

579/580

Ü3

583

Ü4

585

Ü5

587

Ü6

589

hF

Ü7

590

hF

heftiger Regen Mosel, Rhein, Metz

Gregor von Tours

Ü8

17.10.590

hH

heftiger Regen Etsch, Verona

Paulus Diaconus

Ü9

591

hH

heftiger Regen

Gregor von Tours

Ü10

4.11.665/666 hH

Karakoyun, Dschalzak, Si- Theophilus von Edessa ren, Nil, Tigris, Euphrat

Ü11

713

[Bodenseeregion]

hW

heftiger Regen Loire, Gallien Seine, Marne, Paris

hF, S heftiger Regen Loire, Yvonne, Burgund heftiger Regen (Tours) Frankenreich, Italien

Gregor von Tours Gregor von Tours [zahlreich > 3] Gregor von Tours Gregor von Tours

Ann. Alamannici

830 | Anhang

Nr.

Datierung

Art

Ursache

Fluss-System, Region

Quellen

Ü12

725

Ü13

18.01.740

hW

Ü14

28.02.742

hF

heftiger Regen Karakoyun, Dschalzak, Si- Theophilus von Edessa ren, Edessa

Ü15

784

hW

heftiger Regen Weser, Südfrankreich

Ü16

28.12.809

hW

Ü17

815

Ü18

820

Ü19

834

Karakoyun, Dschalzak, Si- Theophanes der Bekenner ren, Edessa Karakoyun, Dschalzak, Si- Theophanes der Bekenner ren, Edessa

Niederrhein

[zahlreiche > 10] Ann. S. Amandi

heftiger Regen Rhein

Ann. regni Francorum

hH

heftiger Regen Loire, Westfranken

Ann. regni Francorum

hW

heftiger Regen Rhein, Seine, Loire

Ann. Xantenses

Ü20 09.841

hH

heftiger Regen Seine, Aquitanien

[zahlreiche > 3]

05.846

hS

Ü21

Yvonne, Seine (?), Auxerre Ann. Bertiniani

Ü22 849

hH

heftiger Regen Seine, Rouen

Frag. Chronici Fontanellensis

Ü23 Anfang 850

hF

heftiger Regen Rhein

Ann. Xantenses

heftiger Regen Inn, Donau, Rhein

Salzburger Annalen

hS

heftiger Regen Maas, Rhein?, Weser

Ann. Bertiniani

hW

heftiger Regen Rhein

Ann. Xantenses

Ü27 866

Hagel

Ann. Hersfeldenses

Ü28 n. 15.02.868 hF

heftiger Regen Rhein, Weser, Elbe(?)

Ann. Fuldenses

Ü29 Anf. 872/3

hF

Schmelze

Niederrhein

Ann. Xantenses

Ü30 3.6./7.875

hF

Weser, Elbe(?)

Ann. Fuldenses

Ü24 857 Ü25

05.858

Ü26 863/864

Ü31

Weser, Elbe, Donau

2, 5-6, 9.886 hF, H heftiger Regen Seine, Rhein, Po

Ü32 889

heftiger Regen Thüringen

Ann. Fuldenses Ann. Fuldenses

Ü33 896

hF, S heftiger Regen Sabato, Volturno, Italien Cat. regum Langobardorum

Ü34 04.922

hF

Wolga

Ibn Faḍlān

Rhein

Widukind von Korvei

Ü36 961

Târ

[nur hagiograph.]

Ü37 965

Sens

[nur hagiograph.]

Ü35

941/942

Ü38 23.07.966

hS

Ü39 968

Rhein

Ü40 Winter 987

hW

988

hF

Ü41

heftiger Regen Rhein, Seine (?)

heftiger Sturm Rhein, Mosel, Sachsen Rhein, Weser, Elbe (?)

Flodoard von Reims Ann. Corbeienses [zahlreiche > 5] [zahlreiche > 8]

Tabellen | 831

Nr.

Datierung

Ü42 989

Art

Ursache

hF

Schnee, Regen Gallien

Sigebert von Gembloux

heftiger Regen Lech, Donau, Bayern

Ann. Augustani

Ü43 991 Ü44 997

Donau, Schwarza, Saale

Ü45 1002

heftiger Regen Byzanz

Ü46 1002 Ü47 06-08.1003

hS

Ü48 1004 Ü49 11.01.1009

hW

Ü50 1012 Ü51

Ü53

Ü54 1029 Ü55

1030

Ü56 1035 Ü57

hW

[zahlreiche > 3]

Loire, Brenta

[zahlreiche > 2]

Weser, Elbe (?) Sachsen

Ann. Quedlinburgenses Thietmar von Merseburg Ex Chronici Veteris Excerpto Ann. Quedlinburgenses

Elbe, Weser

Ann. Quedlinburgenses

Sabato, Calore Lucano

Ann. Beneventani

Raab, Ungarn

Hermann v. Reichenau

heftiger Regen Mosel, Rhein (?)

1040

Johannes Zonaras

Schelde, Leie, Gent

heftiger Regen Weser, Elbe (?)

1020

[nur hagiograph.]

Thietmar von Merseburg

Loire hW

Quellen

Rhein

heftiger Regen Donau, Rhein, Elbe

(1016?)

Ü52 11.02.1016

Fluss-System, Region

Gesta Treverorum

Weser, Elbe (?), Donau (?) Ann. Ottenburani, Magd.

Ü58 1041

heftiger Sturm Eisack, Bozen, Etsch

Ann. Altahenses

Ü59 1050

heftiger Regen

Bovonis Relatio

Ü60 1051 Ü61

hS, H

1060

Donau, Kärtnen

Ann. Altahenses

Donau (?)

Ann. Altahenses

Ü62 1063

heftiger Regen Weser, Elbe (?)

Brunwilarensis Mon. Fundat.

Ü63 1068

heftiger Regen Rhein, Seine (?)

[zahlreiche > 4]

heftiger Regen

Bernold von St. Blasien

Ü64 1070

hW

Ü65 1080

Donau

Ann. Bavarici

Ü66 1085

Po, Norditalien

Bernold von St. Blasien

Ü67 1086

hH

Ü68 01.1087

hF

Weser, Elbe (?)

Ann. Brunwilarenses

Ü69 04.1089

hF

Niederrhein

Ann. S. Iacobi Leodiensis

England

[zahlreiche > 5]

Ü70 1093 Ü71

10.1094– 4.1095

Ü72 1097

hW hH

heftiger Regen Italien

Chronica Albrici

Weser, Elbe (?), Schelde, [zahlreiche > 7] Leie heftiger Regen Lech, Donau

[zahlreiche > 2]

832 | Anhang

hW = hydrologischer Winter (Januar bis März), hF = hydrologischer Frühling (März bis Mai), hS = hydrologischer Sommer (Juni bis August), hH = hydrologischer Herbst (September bis Dezember)

Tab. 82: Überlieferung extremer Winter von 500 bis 1100

Region, Ort

Ereignis

Quellen

Syrien

kalt

Chronicle of Zuqnin

Westfranken

Flüsse gefroren

Gregor von Tours

Nr.

Datierung

EW-1.

528/529

EW-2.

[548–]554

EW-3.

Anfang 569

Norditalien

schneereich

Paulus Diaconus

EW-4.

575

Burg., Norditalien

schneereich

Paulus Diaconus

EW-5.

587

Irland

großer Frost

Ann. v. Clonmacnoise

EW-6.

Frühjahr 588

Westfranken

schneereich

Gregor von Tours

EW-7.

Frühjahr 589

Westfranken

kalt

Gregor von Tours

EW-8.

607

Syrien, Euphrat

schneereich, vereist

Michael der Syrer

EW-9.

610/611

Syrien, Edessa

kalt

Theophilus v. Edessa

EW-10. 668/669

Syrien, Edessa

schneereich, vereist

Theophilus v. Edessa

EW-11. 670

Irland

schneereich

iri. Chro. (AU, AT, CS)

EW-12. 696

Irland

großer Frost

Chronicum Scotorum

EW-13. 708/709

Mitteleuropa

kalt 365 T.

Ann. Alamannici

EW-14. 709/710

Mitteleuropa

kalt

[zahlreich > 4]

EW-15. 711

Mitteleuropa

kalt

Ann. Alamannici

EW-16. 739

Konstantinopel

Bosporus gefroren

Johannes Skylitzes

EW-17. 745

Ägypten

kalt

arab. Quellen

EW-18. 748

Irland

schneereich

iri. Chronik (AU, AT)

EW-19. 753

Konstantinopel

Bosporus gefroren

Johannes Skylitzes

EW-20. 01.10.763–16.03.764

ganz Europa

schneereich, 167 T.

[zahlreich > 40]

EW-21. 780/781

Irland

schneereich

Annals of Inisfallen

EW-22. Herbst 803/804

Byzanz

kalt

Theophanes d. Bek.

EW-23. 810/811

Dijon

schneereich

Ann. Lundenses

EW-24. 813/814

Niederrhein

lang

Ann. Xantenses

EW-25. 814-15.05.815

Ostfranken

Elbe vereist, >135 T.

Ann. regni Franc.

EW-26. 818/819

Irland

kalt

Annals Clonmacnoise

EW-27. 820

Byzanz

kalt

Johannes Skylitzes

EW-28. Herbst 821/822

Mitteleuropa

Rhein, Donau, Seine [zahlreich > 3]

Tabellen | 833

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

EW-29. 822

Irland

großer Frost

Chronicum Scotorum

EW-30. 823/824

West-, Ostfranken

kalt

ARF, Ann. Fulden.

EW-31. 838/839

Mittelitalien

kalt

Ann. Bertiniani

EW-32. 838/839

Ostfranken

kalt

Ann. Fuldenses

EW-33. 22.09.839–28.03.840

Rheinland

schneereich, 187 T.

Ann. Col., Lausann.

EW-34. ab 14.02.842

Westfranken

schneereich

Nithardi Historiarum

EW-35. 842/843

Westfranken

kalt

Nithardi Historiarum

EW-36. 844/845

Westfranken, Rom schneereich

Liber pont., Ann. Bert.

EW-37. 845-01.05.846

Westfranken

Nordwind, > 120 T.

Annales Bertiniani

EW-38. 848/849

Westfranken

Seine gefroren

Frag. Chronici Fontan.

EW-39. 855/856

Westfranken

kalt

[zahlreich > 3]

EW-40. 11.859–04.860

Mitteleuropa

Adria vereist, 151 T.

[zahlreich > 6]

EW-41. 860/861

Niederrhein

kalt

Ann. Xantenses

EW-42. ab 20.03.868

Burgund

schneereich

Ann. Lausannenses

EW-43. 872/873

Region Flandern

kalt

Ann. Stabulenses

EW-44. 873/874

Reims

schneereich, Nebel

[zahlreich > 3]

EW-45. 874/875

Westfranken

schneereich, lang

Ann. Bertiniani

EW-46. 01.11.875–21.03.876

Rheinland

kalt, 141 T.

Ann. Fuld., A. Colon.

EW-47. 877

Syrien (Adatas)

kalt

Johannes Skylitzes

EW-48. 880/881

Ostfranken

Rhein, Main vereist

Ann. Fuldenses

EW-49. 12.05./15.06.892

Francia, Germania

Frühjahrsfrost, 2 T.

Chr. Saint Maixent

EW-50. 893-03.894

Rheinland, Bayern kalt, 1 Fuß Schnee

Ann. Fuldenses

EW-51. 912

Irland

kalt

Ann. v. Ulster

EW-52. 913

Rheinland

kalt

[zahlreich > 8]

EW-53. 916

Schottland

schneereich, Frost

Chronicum Scotorum

EW-54. 11.921–02.922

Gurgānǧ

schneereich, 92 T.

Ibn Faḍlān

EW-55. 927/928

Rheinland, Byzanz Themse, Havel, 90 T. [zahlreich > 3]

EW-56. [30.11.934–03.935]

Ostfranken, Irland iri. Flüsse vereist 91 T. [zahlreich > 2]

EW-57. 01.10.939/940

Sachsen, Irland

iri. Flüsse vereist 92 T. [zahlreich > 5]

EW-58. 941/942

Irland

irische Flüsse vereist iri. Chronik (AU)

EW-59. 18.02.944

Italien, Farfa

Frühjahrsfrost

Ann. Farfenses

EW-60. 15.03.945

St. Gallen

Frühjahrsfrost

Ann. Sangallenses

834 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

EW-61. 946/947

Westfranken

kalt

Flodoard von Reims

EW-62. 955

Irland

großer Frost

iri. Chronik (AC)

EW-63. 964/01.02.965

Westeuropa

kalt bis 1. Februar

[zahlreich > 3]

EW-64. 973/974

West-, Ostfranken

kalt, lang

Ex Summa Honorii

EW-65. 01.11.975–21.03.976

Mitteleuropa

kalt, 141 T.

[zahlreich > 8]

EW-66. 03.11.993–05.05.994

Sachsen

kalt, trocken, 183 T.

[zahlreich > 6]

EW-67. 07.07.994

Quedlinburg

Frühjahrsfrost, 1 T.

Ann. Quedlinburgen.

EW-68. 994/995

Mitteleuropa

kalt, trocken

[zahlreich > 3]

EW-69. 1003

Westfranken

kalt

Ann. Floriacenses

EW-70. 1005

Rheinland, Köln

kalt

Vita Heriberti archiep.

EW-71. 06.01.1008–28.03.1008 Irland, Schottland

kalt, 81 T.

[zahlreich > 3]

EW-72. 1009

Süditalien, Bari

schneereich

Ann. Barenses

EW-73. 1020

Benevent

schneereich

[zahlreich > 2]

EW-74. 1022

Irland

schneereich

iri. Chronik (AC)

EW-75. 1024

Süditalien, Bari

schneereich

Ann. Barenses

EW-76. 1032/1033

Burgund

kalt

Hermann v. Reich.

EW-77. 1039

England

kalt

Florence v. Worcester

EW-78. 01.12.1043–01.03.1044 Flandern, Lobbes

kalt

Ann. Laubienses

EW-79. 1044

Bayern

kalt

Ann. S. Albani Mog.

EW-80. 1045/1046

Irland, England

schneereich

[zahlreich > 3]

EW-81. 1046/1047

Skandinavien

Öresund vereist 49 T. [zahlreich > 3]

EW-82. 1049

Mitteleuropa

großer Frost

Hermann v. Reich.

EW-83. 1059/1060

Byzanz

kalt

Johannes Zonaras

EW-84. 21.03.1063

Bayern, Augsburg

Frühjahrsfrost, 1 T.

[zahlreich > 3]

EW-85. 1066

Bayern, Augsburg

mild (lenissima)

Ann. Augustani

EW-86. 13.11.1067–12.03.1068 Westfranken

kalt, 119 T.

Ann. S. Dionysii Rem.

EW-87. 1068/1069

Rheinland

Flüsse gefroren

[zahlreich > 2]

EW-88. 1071

Flandern

großer Frost

Ann. Formoselenses

EW-89. 1074/1075

Ostfranken

trocken

Lampert von Hersfeld

EW-90. 01.11.1076–01.03.1077 Mitteleuropa

vereist >120 T

[zahlreich > 15]

EW-91. 1078/1079

Mitteleuropa

kalt

[zahlreich > 2]

EW-92. 1079/1080

Süditalien

Calore gefroren

Ann. Beneventani

Tabellen | 835

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

EW-93. 1093

Westfranken

Flüsse

Matth. Parisiensis

EW-94. 1094/1095

Irland

schneereich

Chronicum Scotorum

EW-95. 1099/1100

Ostfranken

kalt

[zahlreich > 3]

Tab. 83: Überlieferung extremer Trockenheit von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

ET1

507/511

Italien, Rom

Trockenheit

Cassiodor

ET2

535/536

Persien

Trockenheit

Marcellinus Comes

ET3

09.586

Mitteleuropa

2. Blüte im Sept.

Gregor von Tours

ET4

Sommer 587/589

Irland

heiß, trocken

Iri. Chr. (AU, AT, CS)

ET5

591

Irland und Tours

große Dürre

[zahlreich > 3]

ET6

01. –09.593

Westfrankenreich

Trockenheit

[zahlreich > 3]

ET7

600

Syrien

Trockenheit

Michael der Syrer

ET8

601

Syrien, Palästina

Dürre

Michael der Syrer

ET9

611

Syrien

Dürre

Michael der Syrer

ET10 714

Irland

große Dürre

Iri. Chr. (AU, AT, CS)

ET11 Sommer 719/720

Irland

trockener Sommer

Iri. Chr. (AU, AT, CS)

ET12 734

Naher Osten

Trockenheit

arab. Quellen

ET13 737

Westfrankenreich

ungew. Trockenheit

Continuatio Bedae

ET14 741

Westfrankenreich

große Dürre

Continuatio Bedae

ET15 742

Byzanz

große Trockenheit

Theophanes d. Bek.

ET16 744/45

Syrien

große Dürre

Theophilus v. Edessa

ET17 748

Irland

ungew. Trockenheit

Iri. Chronik (AU, AT)

ET18 748/53

Spanien

große Dürre

arab. Quellen

ET19 764

Irland, Byzanz

ungew. Trockenheit

Ann. v. Tigernach, Theophanes d. Bek.

ET20 766

Byzanz

große Trockenheit

Theophanes d. Bek.

ET21 767

Italien, Rom

große Hitze

Ann. regni Francorum

ET22 772

Mitteleuropa

große Hitze

[zahlreich > 7]

ET23 773

Irland

ungew. Trockenheit

Ann. v. Ulster

ET24 783

Mitteleuropa

große Hitze

Ann. Laureshamenses

836 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

ET25 793

Mitteleuropa, Mosel

große Trockenheit

Ann. Mosellani

ET26 797

Westfrankenreich

große Trockenheit

Ann. Flavi. et Lauson.

ET27 823

Bayern, Regensburg

große Trockenheit

Ann. Ratisponensis

ET28 Sommer 842

Westfranken

sehr kalter Sommer

Nithart

ET29 846

Mittelitalien

Trockenheit

Chronica Casinensis

ET30 852

Niederrhein

Sommerhitze

Annales Xantenses

ET31 05.–07.870

Rheinland, Westfranken

Trockenheit

[zahlreich > 2]

ET32 Sommer 872

Sachsen

Sommerhitze

[zahlreich > 4]

ET33 Sommer 874

Lotharingien

Sommerhitze

Ann. Bertiniani

ET34 882

Westfranken

Trockenheit

Flodoard von Reims

heiße Trockenheit

[zahlreich > 3]

ET35 05.–06.892 ET36 07.–09.921

Westfranken

große Trockenheit

Flodoard von Reims

ET37 934

Irland

Trockenheit

Iri. Annalen (AC)

ET38 956

Gorze

Trockenheit

[hagiograph.Quelle]

ET39 Sommer 973

Belgien

kalt, regnerischer

Ann. Laubienses

ET40 Sommer 974

Sachsen, Corvey

Trockenheit

Ann. Corbeienses

ET41 981

Sachsen, Corvey

Trockenheit ein Jahr

Ann. Corbeienses

ET42 988

Mitteleuropa

große Trockenheit

[zahlreich > 6]

ET43 989

Mitteleuropa

große Trockenheit

Sigebert v. Gembloux

ET44 990

Mitteleuropa

ungewöhnliche Hitze [zahlreich > 3]

ET45 992

Loiretal

große Trockenheit

Chron. Salmurensis

ET46 24.06.–09.11.994

Mitteleuropa

große Trockenheit

Ann. Hild. Ann. Qued.

ET47 995

Mitteleuropa

anhaltende Dürre

Ann. Sangallenses

ET48 1006

Süditalien, Benevent

Trockenheit

Ann. Beneventani

ET49 1009

Süditalien, Bari

Trockenheit

Ann. Barenses

ET50 1010

Irland, Loireregion

Hitze

Iri. Ann. (AU), Ademar

ET51 1022

Aachen, Westfranken

Trockenheit

Sigebert v. Gembloux

ET52 6.01.–01.05.1023

Irland

große Trockenheit

Iri. Annalen (AI)

ET53 1028

Trockenheit

[hagiograph.Quelle]

ET54 1.05.–30.11.1050

Trockenheit

Chron. pont. et imp. Basileensia

Trockenheit

Adam v. Bremen

ET55 1056/57

Norddeutschland

Tabellen | 837

Nr.

Datierung

Region, Ort

Ereignis

Quellen

ET56 1076/77

Westfranken

große Trockenheit

[zahlreiche > 3]

ET57 1080

Süditalien, Benevent

große Trockenheit

Ann. Beneventani

ET58 1083

Mitteleuropa

heißer Sommer

[zahlreiche > 3]

ET59 1089

Italien

große Trockenheit

Ann. Placentini

ET60 01.05.–06.12.1091

Mitteleuropa, Irland

Trockenheit

[zahlreiche > 4]

ET61 1092

Rheinland

große Trockenheit

Ann. Agrippinenses

ET62 25.03.–16.08.1095

Westfranken

große Trockenheit

Chr. Saint-Maixent

ET63 1097

Westfranken

große Trockenheit

Annales Senonensis

ET64 1098

Süditalien, Benevent

heißer Sommer

Annales Beneventani

Tab. 84: Überlieferung extremer Hungersnöte von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Folgen

Quellen

HN1

524

Italien

Ölmangel

Marcellinus Comes

HN2

536

Italien

„Anthropophagie“

Liber Pontificalis

HN3

543

Irland

Brotknappheit

Ann. v. Clonmacnoise

HN4

546–554

Südanatolien

8-jährige Hungersnot

Chronik v. Zuqnin

HN5

549–550

Italien

Hungersnot

Liber Pontificalis

HN6

569

Italien

Hungersnot

Paulus Diaconus

HN7

578

Italien

Hungersnot

Liber Pontificalis

HN8

580–581

Konstantinopel

Hungersnot

Hermann v. Reichenau

HN9

585

Gallien

Hungersnot

Gregor von Tours

HN10

591

Loiretal

Hungersnot

Gregor von Tours

HN11

604–606

Italien

Hungersnot

Liber Pontificalis

HN12

vor 618

Italien

Hungersnot

Liber Pontificalis

HN13

619

Naher Osten

Hungersnot

[arab. Quellen]

HN14

680

Spanien

Hungersnot

Chronicle 754

HN15

683–684,

Syrien, Edessa

Hungersnot

Theophilus von Edessa

686/687, 693

Syrien, Edessa

Hungersnot

Theophilus von Edessa

HN16

706

Naher Osten

Hungersnot

[arab. Quellen]

HN17

708

Britannien

Hungersnot

Beda Venerabilis

HN18

708–710

Italien

3-jährige Hungersnot

Liber Pontificalis

838 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Folgen

Quellen

HN19

715

Naher Osten

Hungersnot

[arab. Quellen]

HN20

734

Naher Osten

Hungersnot

Theophilus von Edessa

HN21

745

Naher Osten

Hungersnot

[arab. Quellen]

HN22

750

Spanien

Hungersnot

Chronicle 754

HN23

752

Spanien

Hungersnot

Chron. Moissiancense

HN24

756

Irland

Lebensmittelmangel

Ann. v. Clonmacnoise

HN25

759

Irland

Hungersnot

Ann. v. Clonmacnoise

HN26

772

Irland

Hungersnot

Ann. v. Clonmacnoise

HN27

779–780

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreiche > 8]

HN28

792–793

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreiche > 10]

HN29

805–807

Mitteleuropa

Regelung Hungersnöte [Kapitularien, Briefe]

HN30

810

Italien

Hungersnot

Andreas von Bergamo

HN31

822

Rheinland

Hungersnot

[zahlreich > 7]

HN32

824

Britannien

Hungersnot

Ann. regni Francorum

HN33

848–849

[Burgund, Dijon]

Hungersnot

Ann. Lundenses

HN34

850

Rheinland

Anthropophagie

Ann. Fuldenses

HN35

851

Germania

Hungersnot

Sigebert v. Gembloux

HN36

852

Mitteleuropa

Hungersnot

Ann. Xantenses

HN37

853

Sachsen

Hunger, Pferdefleisch

Ann. Xantenses

HN38

861–862

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 5]

HN39

864

Bulgarien

Hungersnot

Johannes Skylitzes

HN40

866

Britannien

Hungersnot

Ann. Rotomagenses

HN41

867–869

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 17]

HN42

873–874

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 5]

HN43

875–876

Westfranken

Hungersnot

[zahlreich > 3]

HN44

880–881

Mitteleuropa

Lebensmittelmangel

Ann. Fuldenses

HN45

888–889

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 2]

HN46

892

Niederrhein

Hungersnot

Ann. Vedastini

HN47

895

Bayern

Hungersnot

Ann. Fuldenses

HN48

898–900

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 5]

HN49

910

Frankenreich

Hungersnot

Ann. S. C. Senonensis

HN50

913

Angoulême

Hungersnot als Strafe

Ademar, Chronicon

Tabellen | 839

Nr.

Datierung

Region, Ort

Folgen

Quellen

HN51

919

Nord/Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 2]

HN52

936

[Rom]

kriegsbedingt

Flodoard von Reims

HN53

938

Tuszien

Hungersnot

[hagiograph.]

HN54

939–943

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 9]

HN55

945

Westfranken

Hungersnot

Romoald, Ann.

HN56

954

Italien

Hungersnot

Ex annalibus Islandicis

HN57

959

St. Gallen

Hungersnot

Annales Sangallenses

HN58

962–964

Schottland, Irland

Hungersnot

[zahlreich > 5]

HN59

972–973

England

Hungersnot

Ann. Wintonienses

HN60

975–976

England

Hungersnot

[zahlreich > 5]

HN61

984–985

Lothringen

Hungersnot

Chron. Suevicum

HN62

987

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 6]

HN63

988

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 4]

HN64

992–993

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 3]

HN65

994

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 3]

HN66

1001

Italien

Hungersnot

Ann. Masciacenses

HN67

1005–1006

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 20]

HN68

1009

Irland, Sachsen

Hungersnot

Annalista Saxo

HN69

1011

Italien, Salerno

Hungersnot

[zahlreich > 2]

HN70

1012

Irland

Hungersnot

Ann. v. Inisfallen

HN71

1013

Italien

Hungersnot

Ann. Ceccanenses

HN72

1025

Sachsen, Corvey

Hungersnot

Ann. Corbeienses

HN73

1031

Burgund

Hungersnot

Ann. Lausannenses

HN74

~1031

Konstantinopel

Migration

Johannes Zonaras

HN75

1040–1048

Westeuropa

8-jährige Hungersnot

[zahlreich > 20]

HN76

1053

Italien, Bari

Hungersnot

Ann. Barenses

HN77

1054

Bayern

Hungersnot

Ann. St. Albani Mog.

HN78

1056

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 3]

HN79

1059–1062

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 7]

HN80

1068–1069

Mitteleuropa

Hungersnot

[zahlreich > 5]

HN81

1073–1074

Konstantinopel

Migration

Johannes Zonaras

HN82

1073–1076

Irland, Schottland

Hungersnot

[zahlreich > 2]

840 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Folgen

Quellen

HN83

1085–1086

Italien, Loire

Anthropophagie

[zahlreich > 5]

HN84

1090

multas regiones

Hungersnot

Bernold v. St. Blasien

HN85

1092

Sachsen

teilweise Migration

Bernold v. St. Blasien

HN86

1094

Irland

Lebensmittelmangel

Ann. v. Loch Cé

HN87

1095

Italien, Verona

Hungersnot

Ann. Veronenses

HN88

1099

Bayern, Irland

Hungersnot

[zahlreich > 2]

Tab. 85: Überlieferung der Epidemien beim Menschen von 500 bis 1100

Nr.

Datierung

Region, Ort

Termini, Deutung

Quellen

Ep1

532

Konstantinopel

[Justinianische Pest?]

Byz. Kleinchroniken

Ep2

541

Konstantinopel

Justinianische Pest

Prokop

Ep3

541

Schottland/Irland

Belefeth

iri. Ann. (AC), Chron. Scot.

Ep4

543

Italien, Orient Ilyrien Justinianische Pest

Marcellinus Comes

Ep5

543/544

Syrien, Thrakien

Justinianische Pest

Chronik von Zuqnin

Ep6

546

Irland

Irish Blefeth

Ann. v. Clonmacnoise

Ep7

550

Irland

Boy Connell

Ann. v. Clonmacnoise

Ep8

551

Schottland

[ohne Bezeichnung]

Chronicum Scotorum

Ep9

552/554

Irland, Schottland

Sawthrust, Samhtrusg iri. Ann. (AC), Chron. Scot.

Ep10 555

Konstantinopel

Justinianische Pest

Byz. Kleinchroniken

Ep11 558

Konstantinopel

Justinianische Pest

Byz. Kleinchroniken

Ep12 564

Italien, Ligurien

Justinianische Pest

Hermann von Reichenau

Ep13 570/571

Italien

Justinianische Pest

Paulus Diaconus

Ep14 571

Burgund

Justinianische Pest

Gregor von Tours

Ep15 573–574

Konstantinopel

Justinianische Pest

Johannes v. Biclaro

Ep16 580

Tours

dysenterie, Ruhr

Gregor von Tours

Ep17 581/582

Tours, Narbonne, Nantes

lues, Pocken

Gregor von Tours

Ep18 584

Tours

morbus

Gregor von Tours

Ep19 586

Provence

lues

Gregor von Tours

Ep20 587/588

Italien, Marseille

morbus desentericus

Gregor von Tours (4 Mal)

Ep21 590

Italien

morbus

Gregor von Tours

Tabellen | 841

Nr.

Datierung

Region, Ort

Termini, Deutung

Quellen

Ep22 590

Viviers, Avignon

lues inguinaria

Gregor von Tours

Ep23 592

Konstantinopel

pestilentia

Beda Venerabilis

Ep24 598–601

Südfranken, Italien

Glandularia

[zahlreiche > 4]

Ep25 615–618

Rom

clades scabearum

Paulus Diac., Lib. Pont.

Ep26 661, 663

Schottland

mortalitas magna

Chronicum Scotorum

Ep27 664

Britannien, Irland

pestilentiae lues

Beda Venerabilis

Ep28 669

Britannien

mortalitas magna

Annales S. Edmundi

Ep29 676

Schottland

Bolgach

Chronicum Scotorum

Ep30 676/677

Ägypten

Epidemie

Theophilus von Edessa

Ep31 678–680

Irland

Kinderseuche Pocken? iri. Ann. (AC)

Ep32 688

Byzanz

Epidemie

Chronicle 754

Ep33 700

Edessa, Syrien

Epidemie (ein Drittel)

Theophilus von Edessa

Ep34 717

Konstantinopel

pestilentiae

Liber Pontificalis

Ep35 725–726

Edessa, Syrien

Pusteln, Geschwüre

Theophilus von Edessa

Ep36 733

Syrien

Epidemie

Theophilus von Edessa

Ep37 745–748

Italien, Byzanz

Epidemie

Byz. Kleinchroniken

Ep38 760

Britannien

dysentriae

Cont. Bedae

Ep39 783

Irland

Kawagh

iri. Ann. (AC)

Ep40 801

Rheinland

pestilentia magna

Ann. Lobienses

Ep41 803/806

Irland

Epidemie

iri. Ann. (AC), Chron. Scot.

Ep42 807

Fulda

mortalitas magna

Ann. Weissenburgenses

Ep43 814

Schottland

schwere Krankheit

Chronicum Scotorum

Ep44 823

Ostfranken

pestilentia

Ann. Fuldenses

Ep45 825

Irland

großes Sterben

Chronicum Scotorum

Ep46 836–837

Westfranken

lues mortalis

Astronomus

Ep47 842

Westfranken

tussis validissima

Chronici Fontanellensis

Ep48 857

Niederrhein

plaga magna vesicarum turgentium

Ann. Xantenses

Ep49 869

Dijon

mortalitas hominum

Ann. S. Benigni Divion.

Ep50 874

Gallien, Germanien

pestilentia (ein Drittel) Ann. Fuldenses

Ep51 877

Rheinland

febris Italica

Ann. Fuldenses

Ep52 877

Rheinland

dolor oculorum

Ann. Fuldenses

842 | Anhang

Nr.

Datierung

Region, Ort

Termini, Deutung

Quellen

Ep53 877

Italien

pestilentia mit Husten

Ann. Fuldenses

Ep54 882

Andernach

Krankheit

Ann. Fuldenses

Ep55 889

Ostfranken

Italica febris

Ann. Fuldenses

Ep56 906

Schottland

mortalitas magna

Chron. Scotorum

Ep57 917

Irland

schwere Krankheit

iri. Ann. (AC)

Ep58 917

St. Gallen

italica febre

Ekkehard v. St. Gallen

Ep59 920

Irland

schwere Krankheit

Chronicum Scotorum

Ep60 927

Reims

pestis, febris et tussis

Flodoard von Reims

Ep61 934

Reims

pestis

Flod. u. Richer v. Reims

Ep62 947

Irland

Pocken

iri. Ann. (AC)

Ep63 949

Irland

Epidemien Fremder

iri. Ann. (AFM)

Ep64 956

Germania, Francia

pestilentia

Flod. Reims, Cont. Regin.

Ep65 962

Angelsachsen

faercwelam

Angels. Gesetze

Ep66 964

Italien

pestis

Contin. Regionis

Ep67 977

Böhmen

lues dissenterie

Ann. Altahenses

Ep68 985

Ostirland

magical colic

Chronicum Scotorum

Ep69 991/993

Irland

mortalitas magna

Chronicum Scotorum

Ep70 993

Ostfrankenreich

pestis

Ann. Hildesheimenses

Ep71 1007

St. Gallen, Venetien

Pestilentia gravis

[zahlreiche > 3]

Ep72 1009

Ostfrankenreich

Pestilentia

Ann. Quedlinburgenses

Ep73 1011

Ostfrankenreich

Pestilentia

Ann. Quedlinburgenses

Ep74 11.1011–05.1012 Irland

Krankheit

iri. Ann. (AFM)

Ep75 1021

Bayern?

mortalitas magna

Ann. S. Albani Moguntini

Ep76 1032

Angelsachsen

pestis

Ann. Cicestrenses

Ep77 1038

Italien

pestilentia

Ann. Augustani

Ep78 1042

Irland

mortalitas magna

Ann. Colb., Chron. Scot.

Ep79 1043

Böhmen

mortalitas magna

Cosmas von Prag

Ep80 1044

Irland

Epidemie

Iri. Ann. (AC)

Ep81 1046

Sachsen

magna mortalitas

Hermann von Reichenau

Ep82 1059

Irland (Laighen)

Bolgach, treaghit

Chron. Scotorum

Ep83 1059–60

Bayern, Schwaben

gravis pestilentia

Ann. Alt., Berth. v. Reich.

Ep84 1062

Schwaben

pestilentia

Berthold von Reichenau

Tabellen | 843

Nr.

Datierung

Region, Ort

Termini, Deutung

Quellen

Ep85 1064

Donauunterlauf

Epidemie

Johannes Zonaras

Ep86 1081

Schottland

magna mortalitas

Chronicum Scotorum

Ep87 1083

Rom

pestilentia magna

Ann. S. Albani Moguntini

Ep88 1092

Bayern

pestilentia magna

Ann. S. Albani Moguntini

Ep89 1094

Irland

magna mortalitas

Iri. Ann. (AC)

Ep90 1094–95

Mitteleuropa

pestilentia magna

[zahlreiche > 6]

Ep91 1099

Bayern, Regensburg

magna mortalitas

Ann. St. Albani Moguntini

Tab. 86: Überlieferung der Tierseuchen von 500 bis 1100 (FJF = Frühjahrsfrost) Nr.

Datierung Region, Ort

Termini, Deutung

Quellen

TS1

550

Region Bellano

Tollwutepidemie

Agathias

TS2

570

Frankenreich, Italien

Hornviehseuche

Marii episcopi Aventicensis chronica

TS3

582/583

Tours

Viehseuche

Gregor von Tours

TS4

591/592

Frankenreich

Schafsterben, Milzbrand (?)

Gregor von Tours

TS5

599

Wien

Rinderseuche

Fasti Vindobonensis

TS6

671

Britannien

Vogelsterben

Anglo-Saxon Chronicles

TS7

684

Irland

mortality upon all animals

Chronik v. Irland (AF)

TS8

699–701

Britannien, Irland

Rinderepidemie

Iri. Chronik (AU, AT, CS)

TS9

707/708

Schottland, Irland

Rinderepidemie

Chronicum Scotorum

TS10 715

Bodenseeregion

boum nimia mortalitas

Excerpta Sangallensia

TS11 725–726

Edessa, Syrien

Epidemie der Huftiere

Theophilus von Edessa

TS12 751

Rom

Tollwut, Rotz

Brief von Papst Zacharias

TS13 770-772

Irland

Moylegarrow

Chronik v. Irland (AC)

TS14 791

Frankenreich

equorum lues

Ann. regni Franc.

TS15 801

Rheinland

pestilentia magna

Ann. Lobienses

TS16 808

Rheinland

maxima mortalitas bovum

Ann. Weissenburgenses

TS17 809–810

Mitteleuropa

mortalitas magna animalium [zahlreich > 11]

844 | Anhang

Nr.

Datierung Region, Ort

Termini, Deutung

Quellen

TS18 819–820

Frankenreich

boum pestilentia

[zahlreiche > 2]

TS19 842–843

Frankenreich

peccorique apibusque

Nithard

TS20 860

Frankenreich

mortalitas animalium

[zahlreich > 5]

TS21 868–870

Frankenreich

mortalitas animalium

[zahlreich > 7]

TS22 873–874

Westfranken (Reims)

bobus et ovibus periit

Ann. S. Dionysii Remen.

TS23 877–878

Germanien, Rheinland boum pestilentia

[zahlreich > 4]

TS24 887

Frankenreich

boum et ovium pestilentia

Ann. Fuldenses

TS25 889

Sachsen

pestilentia maxime boum

Ann. Quedlinburgenses

TS26 894

Italien

Pferdeseuche

[RI I,3,3 n. 1764]

TS27 896

Europa

maxima pestilencia equorum Ann. Fuldenses

TS28 900

Irland

Rinderseuche

Chronik v. Irland (AU, CS)

TS29 909

Irland

Rinderseuche

Iri. Chronik (AU, CS, AC)

TS30 917

Irland

Rinder- und Vogelsterben

Ann. v. Inisfallen

TS31 936

Westfrankenreich

Pferdeseuche

Flodoard v. Reims

TS32 939–942

Mitteleuropa

mortalis animalium

[zahlreich > 12]

TS33 943

Mitteleuropa

pestis boum

[zahlreich > 3]

TS34 951

Irland

Bienensterben

Chronik v. Irland (AU)

TS35 955/959

Irland

Rindersterben, FJF

[zahlreich > 2]

TS36 961

Schottland

Rinderseuche

Chronicum Scotorum

TS37 981

Irland

Moylegarie

Chronik v. Irland (AC)

TS38 985

Irland

Maelgarbh

Chronicum Scotorum

TS39 986

Irland, Britannien

Rinderseuche

Anglo-Saxon Chronicles

TS40 987

Schottland

scitta

Simeon von Durham

TS41 989

Sachsen

pestilentia maxima boum

Ann. Quedlinburgenses

TS42 993–995

Irland, Ostfranken

Rinderseuche, Milzbrand?

[zahlreich > 5]

TS43 1003

Norditalien

Rinderseuche

Ann. Floriacenses

TS44 1009

Italien

Fisch- u. Vogelsterben, FJF

Lupus Protospatarius

TS45 1035

Bayern

Viehsterben

Ann. Altahenses

TS46 [1041]

Irland

Tierseuche

Chronicum Scotorum

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 845

Nr.

Datierung Region, Ort

Termini, Deutung

Quellen

TS47 1044

Bayern

Pestis pecudum maxima

Ann. S. Albani Moguntini

TS48 [1048]

Britannien

Tierseuche

[fraglich]

TS49 1057

Irland

murrain

Chronik v. Irland (AI)

TS50 1059

Bayern, Bodensee

pestis pecorum

Berthold von Reichenau

TS51 1063

Bodenseeregion

aves et pecora frigore, FJF

Berthold von Reichenau

TS52 1092–94

Bayern (Würzburg)

pestilentia pecorum

[zahlreich > 3]

TS53 1095

Irland

Rinder- u. Vogelsterben, FJF

Ann. v. Loch Cé

7.2 Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse Die folgende synchronoptische Übersicht ist als Hilfsmittel gedacht, um einen schnellen chronologischen Einstieg in die Quellen zu ermöglichen. Sie zeigt, zu welchen Jahren die einzelnen Naturereignisse in den Quellen genannt wurden, unabhängig davon, ob das Ereignis stattgefunden hat oder nicht. Die Auflistung impliziert also nicht, dass diese Ereignisse auch tatsächlich zu der angegebenen Zeit stattgefunden hätten, sondern vielmehr dass die Zeitgenossen sie für diese Zeit überliefern wollten. Bei Ereignissen, die sich über mehrere Jahre hingezogen haben sollen, wurde der entsprechende Eintrag zum ersten Jahr aufgenommen. Bei Perioden von mehr als zwei Jahren wurde die Dauer angegeben. Datumsangaben in eckigen Klammern geben die berechneten Daten von Mond- und Sonnenfinsternissen an, die nicht aus den Quellen selbst stammen. Mit Fragezeichen sind Ereignisbeschreibungen markiert, bei denen fraglich ist, ob sie stattgefunden haben oder deren Datierung Probleme aufweist. Die in runden Klammern angegebenen Kürzel verweisen auf die Tabellen der jeweiligen Ereignisse und die dortigen Quellenangaben. Extremwinter wurden zu dem Jahr einsortiert, in dem der Winter begann. Tab. 87: Überlieferung extremer Naturereignisse und ihrer Folgen von 500 bis 1100

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

500

Erdbeben? (EB1)

Heuschrecken (HS1)

501 502 503 504

Gewitter? (R1)

846 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

505

09.11. strombolische Aktivität Vesuv (Ve1)

Auswirkungen und Folgen

506 507

Trockenheit? (ET1)

508 509 510 511 512

Trockenheit? (ET1) [29.06.] Sonnenfinsternis (SE1), Polarlicht? (PL1), 08.07. strombolische Aktivität Vesuv (Ve2)

513 514 515 516 517 518

Erdbeben (EB2)

519 520 521 522 523 524

Ölmangel (HN1)

525 526

Erdbeben (EB3)

527 528

Extremwinter (EW1)

529 530

28.08.–27.09. Komet 1P/Halley (KH1)

531 532

Gewitter (R2)

Epidemie (Ep1)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 847

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

533 534

Gewitter (R3)

535

Trockenheit (ET2)

536

Sonnenverdunkelung (Hr1)

Hungersnot (HN2)

537 538

[15.02.] Sonnenfinsternis (SE2)

539 540

20.06. Sonnenfinsternis (SE3)

541 542

Epidemie (Ep2, Ep3) Erdbeben (EB4)

543

Hungersnot (HN3), Epidemie (Ep4, Ep5)

544 545 546

Hungersnot 8 Jahre (HN4), Epidemie (Ep6)

547 548 549

Überschwemmung (Ü1)

550 551

Hungersnot (HN5) Tierseuche (TS1), Epidemie (Ep7)

Erdbeben (EB5)

Tsunami (Ts1)

552

Epidemie (Ep8) Epidemie? (Ep9)

553 554

Erdbeben (EB6)

Extremwinter? (EW2)

555

22°-Halo (NM) (O1)

Gewitter (R4)

Epidemie (Ep10)

556 557 558

Epidemie (Ep11)

559 560 561

Mondfinsternis (MF1)

848 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

562

Erdbeben (EB7), 22°-Halo (NS) (O1)

563

Polarlicht? (PL2), Bergsturz (MB1)

564 565

Auswirkungen und Folgen

Tsunami (Ts2) Sturm (ES1)

Aug.–Sept. Komet (Co1)

Epidemie (Ep12) Kreuze auf Kleidung (Kr1)

566 567

Polarlicht? (PL3)

568

Überfluss (Ü1)

569

Extremwinter (EW3)

570

Meteor (M1)

571

04.03. Komet (Co2)

Hungersnot (HN6) Tierseuche (TS2), Epidemie (Ep13), Kreuze auf Kleidung (Kr2)

[Regenwunder (R5)]

Epidemie (Ep14)

572 573

Epidemie (Ep15)

574 575

Polarlicht? (PL4)

Extremwinter (EW4)

Erdbeben (EB8), [11.12.] Mondfinsternis (MF2), 22°Halo (NM) (O3)

Tsunami (Ts3)

576 577

578

Hungersnot (HN7)

579 580

Überschwemmung (Ü2) 21.04. Komet (Co3), Meteor (M2), Erdbeben (EB9)

Hagel (Ha1), Blutregen (BR1) Hungersnot (HN8), Epidemie (Ep16)

581

Epidemie (Ep17)

582

15.01. Komet (Co4), Meteor (M3), 29.03. Polarlicht (PL5) Erdbeben (EB10), [18.09.] Mondfinsternis (MF3)

583

Polarlicht? (PL6)

Tierseuche (TS3)

Überschwemmung (Ü3)

584 585

Heuschrecken (HS2) Weinernte (W1), Epidemie (Ep18)

Meteor (M4), Okt. Polarlicht? Sturm (ES2), Überschwem(PL7) mung (Ü4)

Hungersnot (HN9), Schlangen, Ratten (TP1)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 849

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

586

Trockenheit (ET3)

587

Erdbeben (EB11), Polarlicht? Trockenheit (ET4), Über(PL8) schwemmung (Ü5), Extremwinter (EW5)

588

Gewitter (R7), Extremwinter (EW6)

589

Überschwemmung (Ü6), Extremwinter (EW7)

590

Polarlicht? (PL9), Erdbeben Hagel (Ha2), Überschwem(EB12), [4.10.] Sonnenfinster- mung (Ü7), 17.10. Übernis (SE4), [18.10.] Mondfins- schwemmung (Ü8) ternis (MF4)

591

592

Auswirkungen und Folgen Epidemie (Ep19) Schlangen (TP2), Epidemie (Ep20), Kreuze auf Kleidung (Kr3) Weinernte schlecht (W2)

Heuschrecken (HS3), Epidemie (Ep20, Ep21)

Trockenheit (ET5), Blutregen Tierseuche (TS4), Ergotismus? (BR2), Blutfluss (BR3), Gewit- (MK1), Hungersnot (HN10), ter (R8), Überschwemmung Fliegenschwarm (TP3) (Ü9) [19.03.] Sonnenfinsternis (SE5)

593

Epidemie (Ep22) Trockenheit (ET6)

Heuschrecken (HS4)

594 595

Komet (Co5)

596 597 598 599

Epidemie 3 Jahre (Ep23) Meteorstrom (Ms1)

Tierseuche (TS5)

600

Trockenheit (ET7)

601

Nov. –Dez. Komet (Co6), Erd- Trockenheit (ET8) beben (EB13)

Heuschrecken (HS5)

602 603 604

Weinernte schlecht (W3), Hungersnot (HN11)

605 606 607

18.04.–Juli Komet 1P/Halley Extremwinter (EW8) (KH2)

850 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

608 609 610

Extremwinter (EW9)

611

Trockenheit (ET9), Gewitter? (R9)

612

Komet (Co7)

613 614 615

Erdbeben (EB14)

616

Erdbeben (EB15)

Epidemie 3 Jahre (Ep24)

617 618

Hungersnot (HN12)

619

Hungersnot (HN13)

620 621 622 623 624 625

dunkles/düsteres Jahr 12 Monate (Hr2)

626

Sonnenverdunkelung 9 Monate (Hr3)

627 628 629 630 631 632 633

Komet (Co8)

634

Erdbeben (EB16)

635 636 637

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 851

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

Polarlicht (PL10)

18.07.-01.08. Heuschrecken (HS6)

638 639 640 641 642 643 644

[05.11.] Sonnenfinsternis (SE6)

645 646

[21.04.] Sonnenfinsternis (SE7)

Sturm (ES3)

647 648

Komet (Co9), Meteor? (M5)

649 650 651 652 653 654

Meteor? (M6)

655 656 657 658

Sturm (ES4)

659 660

01.12. Komet (Co10)

661

Epidemie? (Ep26)

662 663 664

665

Gewitter (R9) [01.05.] Sonnenfinsternis (SE8), Erdbeben (EB17), Polarlicht (PL11)

Epidemie (Ep27)

04.11. Überschwemmung (Ü10)

Heuschrecken (HS7)

852 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

666

Auswirkungen und Folgen Ratten (TP4)

667 668

Extremwinter (EW10)

669 670

Epidemie (Ep28) Komet (Co11), [12.01.] Mond- Extremwinter (EW11) finsternis (MF5)

671

Tierseuche (TS6)

672 673 674

Bravaisbogen (O4)

675 676

Juli–Okt. Komet X/676 P1 (Co12)

677

Komet (Co13), Horizontalkreis (O5)

Gewitter (R10)

678

Epidemie (Ep29, Ep30)

Epidemie 2 Jahre (Ep31)

679

Erdbeben (EB18)

680

17.06. Mondfinsternis (MF6) Sturm (ES5)

681

Heuschrecken (HS8), Hungersnot (HN14)

Tornado? (To1)

682 683

17.04. Mondfinsternis (MF7)

Hungersnot (HN15)

684

16.04. Mondfinsternis (MF8), 06.09.–24.10. Komet 1P/Halley (KH3)

Tierseuche (TS7)

685

Erdbeben (EB19), explosive Eruption Vesuv (Ve3)

Blutregen (BR4), Sturm (ES6)

686

Hungersnot (HN15)

687 688

[03.07.] Sonnenfinsternis (SE9), Komet (Co14)

689 690 691

11.11. Mondfinsternis (MF9) 16.09. Sturm (ES7)

Epidemie (Ep32)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 853

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

05.10. Sonnenfinsternis (SE10)

Hungersnot (HN15)

692 693 694 695 696

[23.02.] Mondfinsternis (MF10)

Extremwinter (EW12)

697 698 699

Tierseuche (TS8)

700

Epidemie (Ep33)

701

Gewitter (R11)

702 703 704 705 706

16.07. Meteorstrom (Ms2)

Hungersnot (HN16)

707

Erdbeben (EB20)

Tierseuche (TS9)

708

Extremwinter (EW13)

709

Extremwinter (EW14)

710

Polarlicht (PL12)

Extremwinter (EW15)

711

08.08. Komet (Co15)

Sturmflut (Fl1)

712

Juli–Aug. Komet (Co16)

Sturmflut (Fl2)

713

Erdbeben (EB21)

Überschwemmung (Ü11)

714

Polarlicht (PL13)

Trockenheit (ET10)

715

Hungersnot (HN17)

Heuschrecken (HS9) Tierseuche (TS10), Hungersnot (HN19)

716

[13.01.] Mondfinsternis (MF11)

Gewitter (R12), Tornado? (To3)

717

Erdbeben (EB22)

718

Erdbeben (EB23), Mondfins- 15.08. Sturm (ES8) ternis (MF12), effusive-explosive Eruption in der Ägäis (Ve4)

Epidemie (Ep34)

854 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

719

Trockenheit (ET11)

720

Sturmflut (Fl3)

721

Erdbeben (EB24)

Auswirkungen und Folgen

Heuschrecken (HS10)

722

Überfluss (Ü2)

723 724 725 726

Überschwemmung (Ü12)

Tierseuche (TS11), Epidemie (Ep35)

15.07. effusive-explosive Eruption Santorin (Ve5), 13.12. Mondfinsternis (MF13)

727 728

Komet (Co17)

729

Komet (Co18)

730

06.02. Erdbeben (EB25)

731 732 733

14.08. Sonnenfinsternis (SE11), Polarlicht? (PL14)

Epidemie (Ep36)

734

24.01. Mondfinsternis (MF14) Trockenheit (ET12)

Hungersnot (HN20)

735 736 737

Trockenheit (ET13)

738 739 740

741 742 743

Sturmflut? (Fl4), Extremwinter (EW16) [01.04.] Sonnenfinsternis (SE12), 12.04. Erdbeben (EB26), 26.10. Erdbeben (EB27)

08.01. Überschwemmung (Ü13)

Trockenheit (ET14) Polarlicht (PL15), MeteorTrockenheit (ET15), 28.2. strom (Ms3), Erdbeben (EB28) Überschwemmung (Ü14)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 855

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

744

17.06. Polarlicht (PL16), Me- Trockenheit (ET16), Sturm teorstrom (Ms4), Komet (ES9) (Co19)

745

Sonnenverdunkelung 12 Mo- Extremwinter (EW17) nate (Hr4)

Hungersnot (HN21), Epidemie 3 Jahre (Ep37)

746

18.01. Erdbeben (EB29), Son- Kreuze auf Kleidung nenverdunkelung 2 Monate (Hr5)

Kreuze auf Kleidung (Kr4)

747

Sonnenverdunkelung 5 Tage (Hr6)

748

Auswirkungen und Folgen

Trockenheit (ET17, ET18), Extremwinter (EW18)

749

Meteorstrom (Ms5), Komet? Sturm (ES10) (Co20), 18.01. Erdbeben? (EB30), [30.09.] Mondfinsternis (MF15)

750

05.04. 22°-Halo (NS) Lichtsäule (O6)

Heuschrecken (HS11), Hungersnot (HN22)

751

Tierseuche (TS12)

752

Meteor (M7), [31.7.] Mondfinsternis (MF16)

753

[09.01.] Sonnenfinsternis (SE13), 24.01. Mondfinsternis (MF17)

Hungersnot (HN23) Extremwinter (EW19)

754 755 756

09.03. Erdbeben (EB31), Mondfinsternis (MF18)

Überfluss (Ü3), Hungersnot (HN24)

757 758 759 760

761

Tornado? (To4) 16.05.–Juli Komet 1P/Halley (KH4), [15.08.] Sonnenfinsternis (SE14)

Überfluss (Ü4), Hungersnot (HN25) Epidemie (Ep38)

856 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

762

Meteorstrom (Ms6), Mondfinsternis (MF19), Polarlicht (PL17)

763

[16.06.] Sonnenfinsternis (SE15)

764

3. Meteorstrom (Ms7), 22°- Trockenheit (ET19) Halo (NM) (O7), [04.07.] Sonnenfinsternis (SE16)

765

MS (Ms8)

Extremwinter 5 Monate (EW20)

766

Trockenheit (ET20)

767

Trockenheit (ET21)

768

Auswirkungen und Folgen

Heuschrecken (HS12) Heuschrecken (HS12)

Kreuze auf Kleidung (Kr5)

769

Erdbeben (EB32)

770

Komet C/770 K1 (Co21)

Tierseuche (TS13)

771 772

Polarlicht (PL18), 22°-Halo (NM) (O8)

Trockenheit (ET22)

773

[04.12.] Mondfinsternis (MF20)

Trockenheit (ET23)

774

Hungersnot (HN26)

Sturm (ES11)

775 776 777 778

Sturmflut (Fl5), Sturm (ES12) Erdbeben (EB33)

779

Sturm (ES13)

780

Extremwinter (EW21)

Hungersnot (HN27)

781 782 783

Trockenheit (ET24), 04.08. Sturm (ES14)

Epidemie (Ep39)

784

Überschwemmung (Ü14)

Kreuze auf Kleidung 3 Jahre (Kr6)

785

Kreuze auf der Kleidung

Heuschrecken (HS13)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 857

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

786

Polarlicht (PL19), 22°-Halo Sturmflut (Fl16), Sturm (NS)? (O9), 15.10. effusive-ex- (ES15), Blutregen (BR6) plosive Eruption Vesuv (Ve6)

787

[16.09.] Sonnenfinsternis (SE17)

788

[26.02.] Mondfinsternis (MF21)

Auswirkungen und Folgen

789 790 791

Tierseuche (TS14)

792

Hungersnot (HN28)

793

Polarlicht (PL20)

Trockenheit (ET25), Gewitter (R13, R14)

794 795

Mondfinsternis (MF22)

796

Erdbeben (EB36, EB37), 28.03. Mondfinsternis (MF23), 22°-Halo (NS) (O10)

797

Sonnenverdunkelung 17 Tage Trockenheit (ET26) (Hr7)

798 799

Erdbeben (EB38)

800

30.04. Erdbeben (EB39)

Sturmflut (Fl7), 24.12. Sturm Wölfe (TP5) (ES16)

801

Erdbeben (EB40)

18.03. Gewitter (R15)

Tierseuche (TS15), Epidemie (Ep40)

Erdbeben (EB41), [03.11.] Mondfinsternis (MF24)

Extremwinter (EW22)

Epidemie? (Ep41)

17.03. Gewitter (R16)

Heuschrecken (HS14)

802 803 804 805 806

Hungersnot 3 Jahre (HN29) 04.06. 22°-Halo (NM) (O11), 30.08. 22°-Halo (O12), [01.09.] Mondfinsternis (MF25)

858 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

807

11.02. Sonnenfinsternis (SE18), [26.02.] Mondfinsternis (MF26), 26.02. Polarlicht (PL21)

Epidemie (Ep42)

808

Sturm (ES17)

Tierseuche (TS16)

28.12. Überschwemmung (Ü16)

Tierseuche (TS17)

809

16.07. Sonnenfinsternis (SE19), 25.12. Mondfinsternis (MF27)

810

Mondfinsternis (MF28), Extremwinter (EW23) [05.07.] Sonnenfinsternis (SE20), 30.11. Sonnenfinsternis (SE21)

Hungersnot (HN30)

811 812

14.05. Sonnenfinsternis (SE22)

813

Komet (Co22), 04.05. Sonnenfinsternis (SE23)

Extremwinter (EW24)

814 815

Wölfe (TP5), Epidemie (Ep43) Komet (Co23), Erdbeben (EB42)

816

Überschwemmung (Ü17), Extremwinter > 5 Monate (EW25) 01.11. Sturm (ES18)

817

05.02. Komet (Co24), 05.02. Mondfinsternis (MF29), 29.10. Polarlicht (PL22)

818

[07.07.] Sonnenfinsternis (SE24)

819

[26.06.] Sonnenfinsternis (SE25)

820

[23.11.] Mondfinsternis (MF30)

Extremwinter (EW26) Tierseuche (TS18) Gewitter (R17), Überschwemmung (Ü18), Extremwinter (EW27)

821

Extremwinter (EW28)

822

Dolineneinbruch (MB2), Erd- Extremwinter (EW29) rutsch (MB3)

823

Erdbeben (EB43)

824

Hungersnot (HN31)

Hagel (Ha3), Gewitter (R18, Epidemie (Ep44) R19), Trockenheit (ET27), Extremwinter (EW30) 21.06. Hagel (Ha4), Gewitter Hungersnot (HN32) (R20)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 859

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

825

Hagel? (Ha5)

Auswirkungen und Folgen Epidemie (Ep45)

826 827

05.12. Polarlicht (PL23)

828

27.03 Erdbeben (EB44), [1.7.] Tornado? (To5) Mondfinsternis (MF31, MF32)

829

03.12. Polarlicht (PL24)

März Sturm (ES19)

Heuschrecken (HS15)

833

Gewitter (R21)

Überfluss (Ü5)

834

Überschwemmung (Ü19)

830 831

[24.10.] Mondfinsternis (MF33)

832

[18.04.] Mondfinsternis (MF34)

835

[17.02.] Mondfinsternis (MF35)

836

Polarlicht (PL25)

837

22.03.–28.04. K. 1P/Halley (KH5)

838

Meteorstrom (Ms9), K. X/838 21.01. Gewitter (R22), 16.02. V1 (Co25), 18.01. Erdbeben Gewitter (R23), Extremwinter (EB45), 31.12. Erdbeben (EW31, EW 32) (EB46), Polarlicht (PL26)

839

Polarlicht (PL27)

840

April Komet (Co26), Polarlicht (PL28), 5.5. Sonnenfinsternis (SE26)

841

Dez. 841–Feb.842 Komet (Co27)

Sept. Überschwemmung (Ü20)

Heuschrecken (HS16)

842

01.03. Polarlicht (PL29), 30.03. Mondfinsternis (MF36), 24.10. Erdbeben (EB47)

ab 14.02. Extremwinter (EW34), Trockenheit (ET28), Extremwinter (EW35)

Tierseuche (TS19), Epidemie (Ep47)

843 844

Epidemie (Ep46) Sturm (ES20)

Tsunami (Ts5), 08.05. Blutregen (BR6), 31.10.-02.11. Sturm (ES21), Extremwinter 6 Monate (EW33)

Sturm (ES22) Komet (Co28)

Extremwinter (EW36)

860 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

845

Auswirkungen und Folgen

Extremwinter > 4 Monate (EW37)

846

Erdrutsch (MB4)

847

Erdbeben (EB48)

848

27.11. Polarlicht (PL30)

Gewitter (R24), Extremwinter Hungersnot (HN33) (EW38)

849

18.02. Erdbeben (EB49)

Gewitter? (R25), Überschwemmung (Ü22)

850

Trockenheit (ET29), Sturm 6 Monate (ES23), Mai Überschwemmung (Ü21)

Überschwemmung (Ü23)

851 852

Hungersnot (HN34) Hungersnot (HN35)

März–April Komet (Co29), Me- Trockenheit (ET30) teor (M8)

853

Hungersnot (HN36) Hungersnot (HN37)

854

Erdbeben (EB50)

05.06. Hagel (Ha6), 05.06. Gewitter (R26)

855

17.10. Meteorstrom (Ms10)

Extremwinter (EW39)

856

Meteor? (M9)

857

15.09. Gewitter (R27, R28), Sturm (ES24), Überschwemmung (Ü24)

858

01.01. Erdbeben (EB51)

Mai Überschwemmung (Ü25)

859

Erdbeben (EB52)

Extremwinter > 5 Monate (EW40)

860

861

Weinernte schlecht (W4), Wölfe (TP6)

Ergotismus (MK2), Epidemie (Ep48)

Blutschnee (BR7), 05.02. Ge- Tierseuche (TS20) witter (R29), Extremwinter (EW41) 30.03. Mondfinsternis (MF37), 19.05. Meteor (M10), 11.12. Polarlicht (PL31)

Hungersnot (HN38)

862 863

864

Blutregen (BR8), Gewitter (R30), Überschwemmung (Ü26) Mai Komet (Co30), Erdbeben? (EB54)

Hungersnot (HN39)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 861

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

865

[01.01.] Sonnenfinsternis (SE27), Erdbeben (EB53), [15.01.] Mondfinsternis (MF38)

866

Auswirkungen und Folgen

Hagel (Ha7)

Überschwemmung (Ü27)

Hungersnot (HN40)

867

Komet (Co31), 09.10. Erdbe- Sturm (ES25) ben (EB55)

Hungersnot 2 Jahre (HN41)

868

Bravaisbogen (O13)

Tierseuche (TS21)

nach 15.02. Überschwemmung (Ü28), ab 20.03. Extremwinter (EW42), 11.11. Sturm (ES26)

869 870

Epidemie (Ep49) Erdbeben (EB56), Polarlicht (PL32)

871

Trockenheit (ET31) Sturm (ES27)

872

03.12. Erdbeben (EB57)

Hagel (Ha8), Trockenheit (ET32), Gewitter (R31), Überschwemmung (Ü29), Extremwinter (EW43)

873

17.07. Komet (Co32)

Extremwinter (EW44)

Heuschrecken (HS17), Tierseuche (TS22), Hungersnot (HN42)

Trockenheit (ET33), 22.05. Blutregen (BR9), Extremwinter (EW45)

Heuschrecken (HS18), Epidemie (Ep50)

874

875

[11.01.] Sonnenfinsternis Überschwemmung (Ü30), Ext- Hungersnot (HN43) (SE28), 15.05. Komet (Co33) remwinter > 4 Monate (EW46)

876 877

Extremwinter (EW47)

878

Juli Komet? (Co34), 15.10. Mondfinsternis (MF39), [29.10.] Sonnenfinsternis (SE29)

879

[26.03.] Sonnenfinsternis (SE30), 11.10. Polarlicht (PL33), 29.12. Erdbeben (EB58)

880

Tierseuche (TS23), Epidemie (Ep51, Ep52, Ep53)

Blutregen (BR10), Gewitter (R32)

Extremwinter (EW48)

Hungersnot (HN44)

862 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

881

Juli Komet (Co35)

882

18.01. Komet (Co36), Mond- Trockenheit (ET34), 21.07. Epidemie (Ep54) finsternis (MF40) Hagel (Ha9), 21.07. Gewitter (R33)

883

Erdrutsch (MB5)

884 885

[16.06.] Sonnenfinsternis (SE31)

886

Überschwemmung (Ü31)

887

Tierseuche (TS24)

888 889

21.03. Mondfinsternis Hagel (Ha10), Überschwem(MF41), [04.04.] Sonnenfins- mung (Ü32) ternis (SE32)

890

01.01. Polarlicht (PL34), Komet (Co37)

891

13.03. Komet X/891 J1 (Co38), [8.8.] Sonnenfinsternis (SE33)

892

Komet (Co39), Meteor (M11) 12.05., 15.06. Frühjahrsfrost Weinernte schlecht (W6), Hun(EW49), Trockenheit (ET35), gersnot (HN46) 11.11. Sturm (ES28)

893

Komet (Co40), Mondfinsternis Extremwinter (EW50) (MF42)

Weinernte schlecht (W7)

894

[22.06.] Mondfinsternis (MF43)

28.01. Gewitter (R34)

Tierseuche (TS26)

Hagel (Ha11)

Hungersnot (HN47)

895 896

Erdbeben (EB59)

897

07.05. Polarlicht (PL35)

898

Heuschrecken (HS19), Tierseuche (TS25), Hungersnot (HN45), Epidemie (Ep55)

Weinernte schlecht (W5)

Gewitter (R35), Überschwem- Heuschrecken? (HS20), Tiermung (Ü33) seuche (TS27)

Blutregen (BR11)

Hungersnot (HN48)

Gewitter (R36)

Tierseuche (TS28)

899 900 901

26.10. Meteorstrom (Ms11)

902

12./13.10. Meteorstrom (Ms12), Erdbeben (EB60), 22°-Halo (NS) (O14)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 863

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

903

Aug. Meteorstrom (Ms13)

904

Mondfinsternis (MF44)

905

April–Mai Komet C/905 K1 (Co41), 22°-Halo (NS)? (O15)

906

[26.04.] Sonnenfinsternis (SE34)

907

Komet (Co42)

Auswirkungen und Folgen

Epidemie (Ep56)

908 909

06.05. 22°-Halo (NS)? (O16), 15.05–07.06. Komet (Co43)

Tierseuche (TS29)

910

Hungersnot (HN49)

911 912

Meteorstrom (Ms14), [17.6.] Extremwinter (EW51) Sonnenfinsternis (SE35), 19.7.–28.7. Komet 1P/Halley (KH6)

913

Extremwinter (EW52)

914

Komet (Co44)

915

27.06. Meteorstrom (Ms16)

916

30.03. Meteorstrom (Ms16)

917

Komet (Co45)

918

Meteor (M12)

Sturmflut (Fl8)

919

01.02. Polarlicht (PL36)

22.08. Hagel (Ha12)

Hungersnot (HN50)

Extremwinter (EW53) Tierseuche (TS30), Epidemie (Ep57, Ep58)

920

Weinernte schlecht (W8), Hungersnot (HN51) Überfluss (Ü6), Epidemie (Ep59)

921

Polarlicht (PL37), 17.12. Mondfinsternis (MF45), Meteor (M13)

Trockenheit (ET36), Gewitter (R37), Extremwinter (EW54)

922

Erdbeben? (EB61), 22°-Halo (NS) (O17)

Gewitter (R38), April? Überschwemmung (Ü34)

923 924 925

Erdbeben (EB62)

Heuschrecken (HS19)

864 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

926

01.04. Mondfinsternis (MF46), Polarlicht (PL38)

927

14.09. Mondfinsternis (MF47), Polarlicht (PL39)

Gewitter (R39), Extremwinter Epidemie (Ep60) (EW55)

928

Gewitter (R40)

929

Hagel (Ha13), Gewitter (R41)

930

Polarlicht (PL40)

931

09.11. Polarlicht (PL41)

932

Auswirkungen und Folgen

Weinernte (W9)

Gewitter (R42)

933 934

13./14.10. Meteorstrom (Ms Trockenheit (ET37), Sturm Epidemie (Ep61) 17), Erdbeben (EB63), ef(ES29), Extremwinter (EW56) fusive-explosive Eruption Eldgjá (Ve7)

935

13.05. Meteorstrom (Ms18), 24.09. Erdbeben (EB64)

936

04.09. Mondfinsternis (MF48)

937

24.02. Polarlicht (PL43)

938

Tierseuche (TS31), Hungersnot (HN52) Sturm (ES30), 26.04. Sturm (ES31) Gewitter (R43)

939

03.07. Komet (Co46), [19.07.] Extremwinter (EW57) Sonnenfinsternis (SE36), Erdbeben (EB65), 17.10. Polarlicht (PL44)

940

Dez. Polarlicht (PL45)

941

06.05. Polarlicht (PL46), Überschwemmung (Ü35), Ext18.10.–01.11. Komet (Co47) remwinter (EW58)

942

Okt. Komet (Co48)

943

Hungersnot (HN53) Tierseuche (TS32), Hungersnot (HN54)

Sturmflut (Fl9)

Dez. Sturm (ES32)

Tierseuche (TS33)

944

16.04. Erdbeben (EB66), 31.10. Lichtsäule (O18)

945

15.09. Polarlicht (PL47), Ko- 15.03. Frühjahrsfrost (EW60) Ergotismus (MK3), Hungersmet (Co49), Erdbeben (EB67) not (HN55)

946 947

18.02. Frühjahrsfrost (EW59), Weinernte schlecht (W10) Sturm (ES33)

Extremwinter (EW61) Komet (Co50), Erdbeben (EB68)

Sturm (ES34)

Epidemie (Ep62)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 865

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

948

02.03. Komet (Co51), [09.07.] Sonnenfinsternis (SE37)

949 950

Epidemie (Ep63) Erdbeben (EB69)

951 952

Auswirkungen und Folgen

Tierseuche (TS34) 07.08. Meteor (M14)

953 954

Komet? (Co52), Erdbeben (EB70)

Blutregen (BR12), Gewitter (R44)

955

04.09. Mondfinsternis (MF49), 040.9. Polarlicht (PL48)

Gewitter (R45), Extremwinter Tierseuche (TS35) (EW62)

956

Meteor (M15), [24.08.] Mond- Trockenheit (ET38) finsternis (MF50)

957

06.03. Komet (Co53)

958

[13.12.] Sonnenfinsternis (SE38)

959 Gewitter (R46) 16.03. Komet (Co54), [17.5.] Überschwemmung (Ü36) Sonnenfinsternis (SE39)

962 963

Tierseuche (TS36) Hungersnot 2 Jahre (HN58), Epidemie (Ep57)

Meteor? (M16), [20.09.] Sonnenfinsternis (SE40)

964 965

Epidemie (Ep64), Kreuze auf Kleidung 3 Jahre (Kr7)

Hungersnot (HN57)

960 961

Hungersnot (HN56)

Extremwinter (EW63) 15.08. Mondfinsternis (MF51) Gewitter (R47), Überschwemmung (Ü37)

966

23.07. Überschwemmung (Ü38)

967 968

02.09. Erdbeben (EB71), Gewitter (R48), Überschwem22.12. effusive-explosive mung (Ü39) Eruption Vesuv (Ve8), 22.12. Sonnenfinsternis (SE41)

969

22°-Halo (NS) (O19)

Epidemie (Ep58)

866 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

970

Polarlicht (PL49)

Auswirkungen und Folgen

971 972

Hungersnot (HN59)

973

Trockenheit (ET39), Extremwinter (EW64)

974

Erdbeben (EB72)

Trockenheit (ET40)

975

Komet (Co55), Meteor (M17) Extremwinter (EW65)

976

20.01. Erdbeben (EB73), Mondfinsternis (MF52)

977

Hungersnot (HN60)

Überfluss (Ü7), Weinernte gut (W11), Epidemie (Ep67)

978

02.07. Erdbeben (EB74)

979

29.09. Polarlicht (PL50)

980 981

strombolische Aktivität Vesuv Trockenheit (ET41), Sturm (Ve9) (ES35)

Tierseuche (TS37)

984

Komet (Co56)

Hungersnot (HN61)

985

10.02. Erdbeben (EB75)

Überfluss (Ü8), Tierseuche (TS38), Epidemie (Ep68)

986

Erdbeben (EB76)

Tierseuche (TS39)

982 983 Sturm (ES36)

987

Sturm (ES37), Überschwemmung (Ü40)

Tierseuche (TS40), Hungersnot (HN62)

988

Trockenheit (ET42), Überschwemmung (Ü41)

Hungersnot (HN63)

989

07.04. Polarlicht (PL51), Trockenheit (ET43), Über11.08.–11.09. Komet 1P/Hal- schwemmung (Ü42) ley (KH7),

990

Komet (Co57), 21.10. Sonnenfinsternis (SE42), 25.10. Erdbeben (EB77)

991

05.04. Erdbeben (EB78), Po- Sturm (ES39), Überschwemlarlicht (PL52) mung (Ü43)

Epidemie? (Ep69)

992

Polarlicht (PL53)

Hungersnot (HN64)

Tierseuche (TS41)

Sturmflut (Fl15), Trockenheit (ET44), Sturm (ES38)

Trockenheit (ET45)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 867

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

993

26.12. Polarlicht (PL54)

Extremwinter (EW66)

Tierseuche (TS42), Epidemie (Ep70)

994

Erdbeben (EB79), 22°-Halo (NS, NM) (O20)

07.07. Frühjahrsfrost (EW67), Ergotismus (MK4), HungersTrockenheit (ET46) not (HN65)

995

Komet (Co58), [14.07.] Mond- Trockenheit (ET47), Extremfinsternis (MF53) winter (EW68)

996 997 998

Überschwemmung (Ü44) Feb. Komet (Co59), Meteor (M19), Erdbeben (EB80), [6.11.] Mondfinsternis (MF54)

999 1000

Komet (Co60), Erdbeben (EB81, EB82)

1001

14.12. Meteor (M20), Erdbe- Blutregen? (BR13) ben (EB83)

1002

24.01. Meteorstrom (Ms19)

1003

Feb. Komet (Co61), Erdbeben Juni–Aug. Überschwemmung Tierseuche (TS43) (EB84) (Ü47), Extremwinter (EW69)

1004

Komet (Co62)

1005

23.08. Sonnenverdunkelung Extremwinter (EW70) (Hr8), 01.-14.10. Komet (Co63), Erdbeben (EB85)

1006

Hungersnot (HN66)

Überschwemmung (Ü45, Ü46)

Gewitter (R49), Sturm (ES40), Überschwemmung (Ü48) Hungersnot 2 Jahre (HN67)

Trockenheit (ET48)

1007

Epidemie (Ep71)

1008

Extremwinter (EW71)

1009

29.03. Sonnenfinsternis (SE43), Meteor? (M21), [06.10.] Mondfinsternis (MF55)

11.01. Überschwemmung (Ü49), Trockenheit (ET49), Extremwinter (EW72)

Tierseuche (TS44), Hungersnot (HN68), Epidemie (Ep72)

1010

Komet (Co64), 09.03. Erdbe- Trockenheit (ET50) ben (EB86)

1011

Komet (Co65)

30.07. Hagel (Ha14), Sturm (ES41)

Überfluss (Ü9), Hungersnot (HN69), Epidemie 6 Monate (Ep73, Ep74)

1012

Erdbeben (EB87)

Überschwemmung (Ü50)

Hungersnot (HN70)

868 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

1013

Erdbeben (EB88, EB89, EB90), Erdspalte (MB6)

Sturm (ES42)

Hungersnot (HN71)

1014

Erdbeben (EB91), [14.07.] Mondfinsternis (MF56), 29.09. Polarlicht (PL55)

28.09. Tsunami (Ts6), Blutsee (BR14), Tornado? (To6)

1015

Feb. Komet (Co66)

Hagel (Ha15)

1016

10./11.02. Gewitter (R50), Überschwemmung? (Ü51), 11.02. Überschwemmung (Ü52)

1017

Komet? (Co67), [06.11.] Mondfinsternis (MF57)

07.07. Gewitter (R51)

1018

[18.04.] Sonnenfinsternis (SE44)

Gewitter? (R52)

1020

Meteor? (M22), Erdbeben (EB92), 18.7. 22°-Halo (NS) (O21)

Überschwemmung (Ü53), Extremwinter (EW73)

1021

12.05. Erdbeben (EB93), 22.06. 22°-Halo (NS) (O22)

Tornado? (To7)

1019

1022 1023

Hagel (Ha16), Trockenheit (ET51), Extremwinter (EW74) [9.1.] Mondfinsternis (MF58), Trockenheit (ET52) [24.1.] Sonnenfinsternis (SE45)

1024

Extremwinter (EW75)

1025

25.06. Meteor (M23)

1026

Okt. Meteorstrom (Ms21), 14.02. Erdbeben (EB93)

1027

[18.10.] Mondfinsternis (MF59)

Hungersnot (HN72)

Blutregen (BR15)

1028

Trockenheit (ET53)

1029

Sturmflut (Fl10), Überschwemmung (Ü53)

1030

Gewitter (R53), Überschwemmung (Ü54)

1031

Epidemie (Ep72)

[10.02.] Mondfinsternis (MF60)

Sturmflut (Fl11)

Heuschrecken (HS20), Hungersnot (HN73)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 869

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

1032

Extremwinter (EW76)

1033

Bravaisbogen (O23), 29.06. Sonnenfinsternis (SE46)

1034

20.09–02.10. Komet (Co68)

1035

Auswirkungen und Folgen Epidemie (Ep73)

Sturm (ES43)

Überschwemmung (Ü55)

Tierseuche (TS45)

1036 1037

27.01. effusive-explosive Gewitter (R54), Sturm (ES44) Eruption Vesuv (Ve10), 18.04. Sonnenfinsternis (SE47)

1038 1039

Überfluss (Ü10), Epidemie (Ep74) 06.04. Meteor (M24), [22.08.] Sturmflut (Fl13), Sturm Sonnenfinsternis (SE48) (ES45), Extremwinter (EW77)

1040

Sturmflut (Fl14), Überschwemmung (Ü56)

Hungersnot 8 Jahre (HN75)

1041

Sept./Okt. Komet (Co69)

Überschwemmung (Ü57)

Tierseuche? (TS46)

1042

09.01. Mondfinsternis (MF61), 27.5. Polarlicht (PL56)

Sturmflut (Fl15), Gewitter (R55)

Epidemie (Ep75)

Gewitter (R56), Extremwinter Epidemie (Ep76) (EW78)

1043 1044

190.4. Erdbeben (EB94), 08.11. Mondfinsternis (MF62), 22.11. Sonnenfinsternis (SE49)

Extremwinter (EW79)

1045

Extremwinter (EW80)

1046

Extremwinter (EW81)

Weinernte (W12), Tierseuche (TS47), Epidemie (Ep77)

Überfluss (Ü11), Weinernte gut (W13), Epidemie (Ep78)

1047 1048

01.05. Erdbeben (EB95), 13.10. Erdbeben (EB96)

1049 1050

1051

Tierseuche? (TS48) Extremwinter (EW82)

25.04. Polarlicht (PL57)

25.01. Sturm (ES46), Trockenheit (ET54), Überschwemmung (Ü59) Gewitter (R57)

870 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

1052

Auswirkungen und Folgen

26.04. Tornado (To8), 21.12. Sturm (ES47), Überschwemmung (Ü60)

1053

Hungersnot (HN76)

1054

Hungersnot (HN77)

1055

Überfluss (Ü12)

1056

Komet (Co70), [03.04.] Mond- Trockenheit (ET55) finsternis (MF63)

1057

Hagel (Ha17)

1058

Hungersnot (HN78) Weinernte schlecht (W14), Tierseuche (TS49) Überfluss (Ü13)

1059

13.12. Meteorstrom (Ms21)

Extremwinter (EW83)

Überfluss (Ü14), Tierseuche (TS50), Hungersnot 3 Jahre (HN79), Epidemie (Ep82, Ep83)

1060

09.11. Polarlicht (PL58)

Überschwemmung (Ü61)

Weinernte schlecht (W15)

08.02. Erdbeben (EB98), 01.06. Komet (Co71)

Sturmflut (Fl16)

Epidemie (Ep84)

1061 1062 1063

21.03. Frühjahrsfrost (EW84), Weinernte schlecht (W16), 05.10. Hagel (Ha18), ÜberTierseuche (TS51) schwemmung (Ü62)

1064

Epidemie (Ep85)

1065

27.03. Erdbeben (EB99)

1066

01.04.–07.06. Komet 1P/Hal- Extremwinter (EW85) ley (KH10)

Überfluss (Ü15)

1067

Extremwinter > 4 Monate (EW86)

1068

Gewitter (R58), Überschwem- Hungersnot (HN80) mung (Ü63), Extremwinter (EW87)

1069

Hagel (Ha19)

1070

Gewitter (R59), Überschwem- Überfluss (Ü16), Weinernte mung (Ü64) gut (W18)

1071

Extremwinter (EW88)

1072 1073

Gewitter (R60)

Weinernte schlecht (W17)

Synchronoptische Übersicht der Naturereignisse | 871

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

1074

27.01. Lichtsäule (O24), 27.01. Bravaisbogen (O25), [07.10.] Mondfinsternis (MF64)

Hungersnot 2 Jahre (HN81)

1075

[27.10.] Mondfinsternis (MF65)

1076

Meteor? (M25), 22.04. Erdbe- Trockenheit (ET56), Gewitter Weinernte schlecht (W19) ben (EB100), 08.09. Erdbe(R61), Extremwinter > 4 Moben (EB101) nate (EW90)

1077

01.02. 22°-Halo (NS) (O26), 10.02. Mondfinsternis (MF66), 09.04. Komet (Co72)

1078

30.01. Mondfinsternis (MF67) Gewitter (R62), Extremwinter (EW91)

1079

18.07. Erdbeben (EB102)

1080

06.08. Komet (Co73), 01.12. Trockenheit (ET57), 25.12. Erdbeben (EB103) Sturm? (ES48), Überschwemmung (Ü65)

1081

27.03. Erdbeben (EB104)

1082

21.03. Erdbeben (EB105), 18.10. Erdbeben (EB106)

1083

21.04. Erdbeben (EB107)

Extremwinter (EW89)

Weinernte gut (W20)

Gewitter (R63), Extremwinter (EW92)

25.12. Sturm? (ES49)

Epidemie (Ep86)

Trockenheit (ET58)

Epidemie (Ep87)

1084

Gewitter (R64)

1085

08.09. Gewitter (R65), Sturm Heuschrecken (HS21), Hun(ES50), Überschwemmung gersnot (HN83) (Ü66)

1086

Überschwemmung (Ü67)

1087

17.02. 22°-Halo (NM) (O27), 23.09. Polarlicht (PL59)

1088

03.05. Erdbeben (EB108), 10.09. Erdbeben (EB109)

1089

Mondfinsternis (MF68)

1090

06.12. Erdbeben (EB110)

1091

Jan. Überschwemmung (Ü68)

April Überschwemmung (Ü69), Trockenheit (ET59)

Ergotismus (MK5) Hungersnot (HN84)

Trockenheit (ET60), 27.10. Sturm (ES51), Tornado (To9, To10)

Überfluss (Ü17)

872 | Anhang

Jahr

Exogene/Endogene Extreme Extreme Witterung

Auswirkungen und Folgen

1092

Aug. Komet (Co74), 26.06. Trockenheit (ET61), Blutfluss Tierseuche (TS55), HungersErdbeben (EB111), Bergsturz (BR16) not (HN85), Epidemie (Ep88) (MB7)

1093

13.01. Meteorstrom (Ms22, Überschwemmung (Ü70), Ext- Überfluss (Ü18) Ms23, Ms24), 23.09. Sonnen- remwinter (EW93) finsternis (SE50)

1094

14.01. Erdbeben (EB112)

Gewitter (R66), Okt. Überschwemmung 5 Monate (Ü71), Extremwinter (EW94)

Heuschrecken (HS22), Überfluss (Ü19), Hungersnot (HN86), Wölfe (TP7), Epidemie (Ep89, Ep90)

1095

04.04. Meteorstrom (Ms25, Ms26)

Trockenheit (ET62), 10.09. Sturm (ES52)

Tierseuche (TS56), Hungersnot (HN87)

1096

06.08. 22°-Halo (NM) (O28), 07.08. 22°-Halo (NM) (O29), [06.08.] Mondfinsternis (MF69)

1097

Okt. Komet (Co75), 03.10. Erdbeben (EB113)

Trockenheit (ET63), Überschwemmung (Ü72)

Überfluss (Ü20)

1098

26.09. Polarlicht (PL60), 05.10. Erdbeben (EB114), 11.12. Mondfinsternis (MF70), 25.12. Sonnenfinsternis (SE51)

Trockenheit (ET64)

Weinernte schlecht (W21)

1099

28.09. Erdbeben (EB115), [30.11.] Mondfinsternis (MF71)

Sturmflut (Fl17), Extremwinter Hungersnot (HN88), Epidemie (EW95) (Ep91)

1100

Meteorstrom (Ms27)

Weinernte schlecht (W22)

Quellen- und Literaturverzeichnis Wo auch nach längerer Recherche der Vorname von Autorin oder Autor (vor allem naturwissenschaftlicher Beiträge aus dem englischsprachigen Raum) nicht aufzulösen war, bleiben diese in gekürzter Form stehen. Bei Artikeln mit mehr als drei Autoren wurden nur die ersten namentlich aufgeführt.

Verzeichnis der ungedruckten Quellen Bamberg, Staatsbibliothek, Kaiser-Heinrich-Bibliothek, Msc. Class. 35a: Titus Livius, Ab urbe condita (decas quarta, fragm.), a) XXXIII, 34,9–/36,5; XXXIII, 36,5–37,6. b) XXXV, 5,10–6,1; XXXV, 8,4–8,9. c) XXXIX, 36,4–36,16; XXXIX, 37,1–37,15. d) XXXIV, 29,11–29,14; XXXIV, 31,19–32,2, [s. l.] Italien, 4. Viertel 5. Jh., online: http://bsbsbb.bsb.lrz.de/~db/0000/sbb00000099/images/ (11.11.2016).

Verzeichnis der gedruckten Quellen, Regesten und Übersetzungen Acta Sanctorum ordinis S. Benedicti in saeculorum classes distributa. Saeculum primum. Venedig 1733. Adalbert, Continuatio Reginonis. Ed. Friedrich Kurze, in: MGH SS rer. Germ. 50. Hannover 1890, 154–179. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum. Ed. Bernhard Schmeidler. (MGH SS rer. Germ. 2) Hannover / Leipzig 31917. Ademar Cabannensis, Chronicon. Ed. Pascale Bourgain / Richard A. Landes / Georges Pon. (CCCM 129) Turnhout 1999. Adémar de Chabannes, Chronique III. Ed. Jules Chavanon. Paris 1897. Ademari Historiarum libri III. Ed. Georg Waitz, in: MGH SS 4. Hannover 1841, 106–148. Adomnan's Life of Columba. Ed. Alan Orr Anderson / Marjorie Ogilvie Anderson. Oxford 21991. Aegidii Aureaevallensis Gesta episcoporum Leodiensium. Ed. Johannes Heller, in: MGH SS 25. Hannover 1880, 1–129. Agathias, Historiarum. Ed. Joseph D. Frendo. (Corpus Fontium Historiae Byzantinae Series Berolinensis 2A) Berlin 1975. Agnelli Liber Pontificalis ecclesiae Ravennatis. Ed. Oswald Holder-Egger, in: MGH SS rer. Lang. 1. Hannover 1878, 265–391. Agobardus Lugdunensis, Opera Omnia. Ed. Lieven van Acker. (CCCM 52) Turnhout 1981. Aimoini monachi Floriacensis historia Francorum. Ed. Jacques-Paul Migne. (Migne PL 139) Paris 1880, 628–802. Albano Sorbelli, Corpus Chronicorum Bononiesium. Ed. Lodovico A. Muratori, in: RIS 18.1. Mailand 1729, 464 f. Albertus de Bezanis, Cronica pontificum et imperatorum. Ed. Oswald Holder-Egger. (MGH SS rer. Germ. 3) Hannover / Leipzig 1908. Alpert von Metz, De Diversitate Temporum. Ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS 4. Hannover 1841, 700–723. Alpharts Tod. Dietrichs Flucht. Rabenschlacht. Ed. Ernst Martin. (Deutsches Heldenbuch 2) Dublin / Zürich 21967. Ambrosius von Mailand, Hexaemeron. Ed. Jacques-Paul Migne. (Migne PL 14) Paris 1882, 131–288. Ambrosius Theodosius Macrobius, Commentarii in Somnium Scipionis. Ed. Jacob Willis. Leipzig 1963.

https://doi.org/10.1515/9783110572490-008

874 | Quellen- und Literaturverzeichnis

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Quellen- und Literaturverzeichnis | 875

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876 | Quellen- und Literaturverzeichnis

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Quellen- und Literaturverzeichnis | 877

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878 | Quellen- und Literaturverzeichnis

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Index Personen- und Ortsregister Abkürzungen: Äbt. = Äbtissin, Bf. = Bischof, byz. = byzantinisch(e/r), Ebf. = Erzbischof, Fl. = Fluss, Gf. = Graf, hl. = heilige(r), Hz. = Herzog, Kg. = König, Kgn. = Königin, Kl. = Kloster, Ks. = Kaiser, Ksn = Kaiserin

Aachen 101, 110, 283 f., 294, 390, 531, 603, 760, 778 f. Aare 422 Aaron 537, 762 ʿAbdallāh Ibn ʿAbbās 100, 121 Abodriten 479, 493 Abraham 736 Abruzzen 161 Abydos 332 f., 474 f. Acca, Bf. 643 Achai 407 Adalberos v. Reims, Ebf. 435 Adalbert 139 Adalgar, Abt 570 Adatas 485 Adelheid, Äbt. v. Quedlinburg 548 Adelmarus 652 Ademar v. Chabannes 613, 666, 716, 736 Adeodatus, Papst 362 Adler, Sternbild 146 Admont, Kl. 172, 618, 696 Adria 307, 483, 517 f., 544, 562, 580, 787 f., 791 Áed Findliath, iri. Kg. 544 Aerina 442 Aethelstan, Kg. 342, 751 Aethelward 100, 121 f., 197 f., 200, 237, 242, 263 Aethicus 324 Africus 322 Afrika 154, 200, 204, 454, 544, 562, 567, 575 Nordafrika 209, 327, 483, 539, 543– 546, 551 f., 556, 579 f., 789, 791 Ostafrika 203, 227 Westafrika 172, 208, 215, 552 Ägäis 312, 333, 349 f., 459, 718, 780 Agapius 199, 559

https://doi.org/10.1515/9783110572490-009

Agarener 333, 718 Agathias 275, 671 Agatho 645 Agilulf, Hz. 414 Agimbert v. Perthois, Gf. 648 Agnellus 174 Agobard, Ebf. 356; 717 Ägypten 35 f., 68, 82, 140, 153 f., 184, 188– 193, 200, 224, 226, 315, 352, 356, 468, 518, 537, 549 f., 560, 582, 589, 590, 592, 595, 619, 630, 645, 661, 668, 775, 794 Aigoual 421 Ailech 544 Airghialla 752 Airthear Liffe 374 Aisne, Fl. 653 Alamundarus 520 Alba 467 Albanus, hl. 285 Albertus de Bezanis 87 Albi 559, 638 Al-Bīrūnī 230 f. Albrecht Dürer 796 Alduinus 613, 737 Alemannien 48, 51, 54, 157, 423, 513 Aleppo 167, 279 Alexandre, Pierre 8 Alexandria 689 Alexandros Porphyrogennētos, byz. Ks. 106, 214 Alexeius II., Ks. 77 Alftaver 340 Álftavershólar 340 Al-Fustat siehe Kairo Algerien 225 ʿAlī Ibn Ridwān 79 Alkuin v. York 756

928 | Index

Allah 92, 98, 100 Allgäu 617 Allier 411 Alpen 25, 37, 43, 306, 422, 447, 459, 467, 502–505, 539, 564, 572 f., 671, 679, 706 Ostalpen 14, 462 Alpert v. Metz 80, 144, 219, 247, 620 Alrich 239 Altheim 696 Althing 342 Altmann v. Paderborn, Bf. 494 Altmark 298 Altmühl 363, 453 Altwin 104 Ambrosius 196, 344, 353, 463 Amerika 60 Amida 589 Ammianus Marcellinus 304, 756 Amo, Hz. 465 Amphiktyon 407 Anastasios, Ks. 718 Anastasius bibliothecarius 555 Anastasius I., byz. Ks. 722 Anatolien 589 Anaxagoras 93, 540 Andalusien 154, 155 Anden 733 Andernach 489, 745 Andreas I., Kg. 443 Andreas v. Bergamo 132, 572, 603 Andromeda, Sternbild 128 Ane 538 Angeac 601 Angelsachsen 345, 751 Angers 157, 208, 252, 276, 292, 571 f., 591, 664 Anglo-Saxon Chronicles 456 Angoulême 748 Aniane, Kloster 420 Anjou 109, 111, 565, 574, 608 f., 622, 628, 701, 703 Annalista Saxo 190, 600, 612, 614 Anselm 217 Ansfrid, Gf. 434 Ansidonia, Stadt 57 Antifer 122 Antiochia 272, 275, 279 Antoniterorden 794

Äolische Inseln 321 Apennin 502 Apulien 571–576 Äquator 384 Äquatoriales Plateau 35 Aquitanien 129, 130, 283, 423 f., 565, 584, 606, 609, 666, 734, 739, 749 Arabien 388, 558, 718, 797 Südarabien 523 Ardennen 102, 507, 514 Ard-Macha 751 f. Arduin 310 Aredius, Abt 359 Arendsee 298–303, 779 Argaios 330 Ari Thorgilsson 339 f. Ariano 288 Aristoteles 93, 95 f., 160, 320, 356 Arjava, Antii 344 f. Armagh, Kl. 365, 538 Ärmelkanal 204 Armeniakon 576, 621 Armenien 272 Arnold 331 Arnulf, Ks. 48, 425, 678 Arras 46, 431 Artoldus, Ebf. 187 Aschheim-Bajuwarenring 633 Asien 24, 60, 354, 524, 626 Südostasien 551 Assyrien 558 Astronomus 5, 55, 96, 101, 103, 125, 181, 208, 210, 227, 241 f., 283, 365, 381 f., 404, 424, 600, 648, 724, 730, 773, 776, 783 Atala, Abt 54 Äthiopien 35 Atil 432 Atlantik 166, 172, 204, 215, 539, 575 Ätna 315, 317, 321–324, 335 f., 348 f., 780 Attane, Kl. 359 Attigny 425 Augsburg 222, 289, 310, 513 f., 618 Augustus, Ks. 5, 93, 720 Austrasien 116 Authari, Kg. 416 Autun 365, 382 Auxerre 300, 425 Averroës 255

Index | 929

Avigon 641 Avitus 274 Awaren 488, 524 Azoren 384 Badr 161 Bagdad 82, 85, 152–156, 164, 172 f., 193, 460, 487, 775 Bairche 277, 361 Baitoushan, Vulkan 218, 337 Baʿlabakk 281 Baldericus v. Liège, Bf. 653 Balkan 211, 225, 294, 564 Bamberg 442, 503, 507 Barcelona 744, 749 Bardney, Kl. 177 Bärenhüter, Sternbild 150 Bar-Hebraeus 121, 560, 579 Bari 111, 396, 495, 531, 617, 624 Bartholomaeus v. Cotton 151 Basel 185, 271, 380, 728 Basileios I., byz. Ks. 189, 555, 626 Battle Abbey 291 Bauch, Martin 319 Bayern 48, 110, 112, 172, 205, 271, 290, 294, 307, 381 f., 391 f., 398, 420, 423, 438, 458, 470, 486, 507, 511, 518, 536, 611 f., 630, 657, 659, 661, 684– 686, 691, 693, 696, 700, 703 f., 708–710, 728, 778 f., 782, 784, 792, 794–796 Bayeux 107 Beaudreville, Villa 56 Beda Venerabilis 66, 94 f., 118, 122, 197, 200 f., 237, 253 f., 329, 353, 355, 523, 594, 643, 661, 722, 777, 793 Belgien 242, 436, 445, 507, 509, 513 f. Bellano 671 Benedikt II., Papst 328, 589 Benedikt v. Aniane, hl. 420, 598 Benedikt, Abt 420 Benevent 82 f., 112, 143, 145, 217, 223, 288, 290, 378 f., 382, 441, 496, 518, 531, 599 f., 788 Beninga 427 Berach 278 Berdan 410 Berengar I., Kg. 135 Bernhard, Hz. 300

Bernold v. St. Blasien 145, 157, 172, 175, 191, 301, 303, 404 f., 411, 444, 450, 502, 548, 624, 626–629, 658, 685, 728 f., 738, 739, 746, 779, 786, 792 f. Berny-Rivière 637 Berrhois 106, 189 Berthold v. Reichenau 51, 111, 233, 291, 379, 381 f., 403, 502, 507 f., 514, 586, 624, 657, 686, 701, 704, 783, 791, 795 f. Bessarabien 551 Beteigeuze 129 Bethlehem 92, 95, 104, 149, 771, 773, 781 Birmingham 511 Bithynien 280, 320, 334, 474 Blaise, Kl. 47, 222 Blois 748 Blutmond 776 Blutregen 782, 789 Bobbio 54 Bodensee 112, 129, 172, 381 f., 398, 452, 458 f., 462, 472 f., 478, 686, 691, 703 f., 782, 784, 787, 795 f. Böhmen 49, 188, 612, 617, 654, 661, 678, 693, 696, 794 Bonifatius, hl. 674, 757 f. Bordeaux 162, 276, 581, 688, 697, 795 Borst, Arno 196, 271 Bosporus 468, 474, 477, 517 f., 787 f. Bourges 359, 382, 582, 586, 635, 748 Bozen 442 Brandenburg 488, 550, 744 Brasilien 575 Brauweiler, Kl. 110, 379, 396, 508, 513 Bray 455 Brennaburg 488 Brenner 310 Brenta 437 Brescia 88, 507, 562, 565, 573 f. Bretagne 134, 208, 213, 392, 554, 604 Bretislaw, Hz. 443 Bretonen 345, 542 Brevis, John 84 Brigida, hl. 54 Britannien 147, 187, 241, 278, 345, 403, 539, 542, 568 f., 630, 642 f., 661, 686, 772, 788, 792–795 Britton, Charles Ernst 13 Brixen 547 Bro Waroch 392

930 | Index

Brüssel 510 Bulgaren 185, 576, 658, 716 Bulgarien 474, 579, 580, 605, 630, 791, 793 Burgarit, Jagdmeister 648 Burgund 60, 116, 129 f., 187, 294, 392, 413, 424, 428, 452, 484, 486, 496, 503, 518, 520, 565, 590, 599 f., 606, 609, 614, 659, 661, 681, 686, 691, 696, 700, 703, 734, 736, 739, 746, 749, 791, 794 f. burgundische Niederlande 14, 31, 33 Bury St. Edmund, Kl. 470, 473, 604, 608, 645 Buṣrā 281 Byzanz 13, 37, 43, 52, 112, 178, 189, 271, 294, 328, 330, 341, 343, 362, 388, 398, 436, 466, 478, 488, 490, 518, 523 f., 535, 587, 687, 689, 697, 707, 709 f., 778, 780, 784, 788, 795 f. Caesar 93, 720 Caligula, Ks. 5, 720 Calore 441, 514, 518, 788 Cambrai 46 f., 156, 167, 178, 265, 287, 452 Camenisch, Chantal 14, 31, 33 Campanien 403 Campbells, Bruce 15 Çanakkale 474 Canossa 397, 502, 505 f. Capua 143, 288, 432 Carcassonne 748 Carpetanien 558 Cassino, Kl. 526 Cassiodor 71, 320, 326 f., 334, 344, 349, 519, 780, 802 Cassius Dio 93 Cathwulf 58 Cato, Priester 635 Cautinus, Bf. 635 Cava de’ Tirreni, Kl. 111, 217, 249 Ceccano, Kl. 621 Cecilie, hl. 223 Ceolwulf, Kg. 474, 523 Cepheiden 150 Cevennen 421 Chad, Bf. 200, 644 Chalkis 279 Châlons 507, 635 Champagne 507 Charroux 613, 737

Chartres 688, 697, 795 Chasaren 474 Chasseneuil 601 Chazarien 474 Cher 411 Cherson 106, 189, 329 Chien Shu 116 Childebert, Kg. 116, 163, 175, 357, 411 f. Chile 354, 670 Chilperich, Kg. 558, 637 China 78 f., 83, 101, 113 f., 116, 118, 147, 173, 255, 337 f., 343, 772 Chinon 276 Chlodovech 637 Chlodwigs I. 55 Chlothachar 357 Chlothar I., Kg. 56, 162, 554 Chramm, Sohn Chlothars 554 Chrysopolis 474 Chumeid 390 Ciannachta 544 Cicero 196, 488, 540, 745 Cimitile 409 Clare in Galway 394 Claudius, Ks. 5, 93, 720 Clemens, hl. 585 Clermont 158, 259, 260 f., 411, 554 Clonmacnoise, Kl. 178, 377, 395, 453, 455, 620, 751 Clonvickenose 626 Cluain Bronaigh Clonbroney, Kl. 389 Codex Carolinus 471 Colman 200, 644 Columban v. Luxeuil und Bobbio, hl. 54, 344 Columban v. Iona, hl. 53, 388 Columba v. Sens, hl. 702 Comgán moccu Teimni 278 Compiègne 637 Connacht 751, 753 Connaught 373 Conza 288 Corbie 493 Corcu Duibne 752 Córdoba 126, 138, 154, 156, 214, 262, 595 Cork 539 Corvey, Kl. 105, 529, 570, 693 Cosmas v. Prag 49, 324, 576, 579, 622, 650, 656, 743 County Louth 395

Index | 931

Cover 239 Cremona 119, 573, 574 Curschmann, Fritz 13 Cuxa, Kloster 56 Dagobert I. 747 Dainihonshi 86 Dairinis 389, 453 Dál Araide 752 Dall’Olmo, Umberto 88 Dalmatinern 678 Damaskus 82, 272, 281 Dänemark 13, 51, 197, 219, 498, 585, 604 Dänen 453, 529, 744 f., 799 Daphnusia 474 Dardanellen 474 f. Dardania 274 Datius, Bf. v. Mailand 588 Dauphiné 667 Dehsendron 434 Delort 550, 554 Demetrios 107, 189 Deorbeiae 290 Deukalion 408 Deutsche Demokratische Republik 271 Deutschland 13, 54, 160, 271, 378, 509, 539, 617 f., 621, 680, 732 Norddeutschland 204, 212, 426, 539 Süddeutschland 286, 294, 404, 426, 428, 565, 778, 785 Diedenhofen 393 Dijon 47, 105, 222, 565, 574, 608, 635, 649, 691, 693, 696 Saint-Bénigne 392 Dionysius Exiguus 201, 227 Diyarbakır 43, 589 Dnjepr, Fl. 474 Dnjestr, Fl. 474 Donau, Fl. 301, 303, 409, 422, 436, 438, 443 f., 448 f., 453, 463, 474, 480, 509, 517 f., 545, 552, 564, 571, 580, 779, 785, 787, 791 Doncaster 524 Doué 601 Drache 164, 166, 180 f., 187 Drache, Sternbild 144, 150, 225 Draelants, Isabelle 13, 91 Dreieck, Sternbild 130 Dresden 16

Drusus 720 Dschingis Khan 9 Dungal 207 Dürer, Albrecht 687, 697 Durham 478, 498 Duyvendak, Jan 84 Dynskógum 339 Eadberht, Kg. 203, 237, 523 Eadgar, Kg. 654 Eberkar, Bf. 434 Eberulf 748 Ebreuil 601 Ecdicius 590 Ecgberht v. Lindisfarne, Bf. 122 f., 722 Ecgfrith, Kg. 118 Echternach 452 Eddy, Johan A. 169 Edessa 278, 346, 349, 417 f., 558, 561, 579, 586, 597 Edgar, Kg. 140 f., 148, 616, 722, 773 Edgitha, Kgn. 342, 668 Edward, der Märtyrer 616 Egbert v. Trier, Ebf. 435 Egfridus, Kg. 329 Egidius 409, 415 Egmont, Kl. 48, 251 Ehrenheim, Frih 12 Eichstädt 323, 335 Einhard 55, 95, 97, 103–105, 124, 148, 205, 385, 390, 723 f., 729, 755 Einsiedeln, Kl. 239, 240, 471, 487, 492, 567 f., 696 Eisack 442 Ekkehard IV. 342, 651 Ekkehard v. Aura 516, 569, 612 El Salvador 344, 633 Elbe 167, 409, 419 f., 427, 434, 438, 440, 442, 448 f., 479, 480, 500, 509, 517 f., 675, 774, 785, 787 Eldgjá, Vulkan 321, 336–340, 350, 614, 680 Eleusis 407 Elias v. Troyes, Bf. 648 Elias, hl. 332 Eligius v. Noyon, Bf. 117, 148, 722, 772 Elmare 690 f. Elsass 29, 472, 473 Emilia-Romagna 542, 547 Emmer 420

932 | Index

Empele 434 Ems 409 England 47, 107, 110, 112, 118, 131, 147, 157, 179 f., 185, 197, 200, 203, 205, 212, 221, 276, 278, 288, 291, 294, 312, 342, 381, 389, 396, 397 f., 404, 436, 441, 456, 458, 469–473, 477 f., 483, 485, 501, 512 f., 518, 539, 546 f., 580, 604, 607 f., 616, 618, 625, 668, 682, 684 f., 687, 690, 692, 697, 772 f., 779, 782, 784 f., 789, 791 Ensisheim 160 Eógan acht 752 Eorcenberht, Kg. 200, 644 Erde, Planet 26, 159, 169, 173, 193, 229, 257, 291, 773, 779 Eresburg 419 f., 525 Erfurt 292, 324 Ericus 323 Erinn 467 Eschborn 429 f., 434 Essex 541 Ethelred, Kg. 180, 239, 254, 722, 777 Etsch 300, 302 f., 416, 442, 779 Euböa 306 Eugippius 54, 463 f. Euphrat 417, 466 Euphratesia 520 Europa 3, 15, 24 f., 30, 37, 60 f., 78, 85, 89, 140, 144 f., 153–158, 172 f., 200, 203, 205, 209, 211, 215, 219, 221, 223, 227, 245, 247, 322, 325, 339, 348 f., 461, 483, 489, 493 f., 509, 518, 522, 539 f., 551, 556, 562, 573, 576, 580, 606, 622, 676, 679, 695, 789 Nordeuropa 47, 234, 551, 708, 753, 767, 785 Osteuropa 131, 172, 198, 203–205, 208, 212, 219, 222 Südeuropa 524, 551 Westeuropa 13, 104, 171, 271, 423, 715, 732 Eurus 322 Eutropios 189 Evodia 306, 312, 459 Exalada, Kl. 56 Eyjarár 339 f. Farfa, Kl. 310, 489

Fatima 722 Faxafjord 338 Febvre, Lucien 10 Felix v. Nantes, Bf. 637 Ferrières-en-Gâtinais, Kl. 104 Finnland 204 Firihsazi, Gau 364 Fische, Sternbild 128, 135, 150, 256 Fiume Sabato 441 Flandern 83, 144, 190, 311 f., 509, 514, 518, 691, 693, 751 Flavius Josephus 104 Fleury, Kl. 545 Flodoard v. Reims 52, 139, 155, 186–188, 193, 245, 265, 287, 371 f., 381 f., 394, 398, 433, 490, 528, 535, 614, 652 f., 661, 665, 681, 701, 704, 707, 709, 712, 745, 750 f., 775, 783 f., 793, 796 Floreffe, Kl. 47, 81, 109 Florence v. Worcester 403–405, 785 Florus v. Lyon 128 Folcwin 527, 570 Fontaine, Kl. 54 Fontenelle 182 Fontenoy 128, 729 Forchheim 110, 503, 509 Formole 507 Fosite 453 Francia/Frankenreich 46, 48, 113, 125, 129 f., 162, 178, 187, 241, 277, 364, 382, 400, 419–423, 486, 527, 547, 565, 578, 598–600, 606, 608–610, 612– 614, 649, 653, 671, 674, 676, 678, 681, 700, 703, 734, 739, 750 Osten 48–50, 60, 83, 294, 423, 430, 437, 518, 547, 661, 668, 686, 779, 788, 794 f. Südwesten 596, 739 Westen 44, 52, 187, 294, 302, 379– 382, 398, 470, 483 f., 490, 513, 518, 521, 535, 574, 577, 579 f., 583, 586, 597, 609, 661, 668, 681, 686, 696 f., 700, 703, 710, 745, 779, 782, 784, 788, 791, 794–796 Frankfurt/M. 57, 409, 600 Franklin, Benjamin 316 Frankreich 130, 365, 414, 431, 530, 539, 621, 659, 666, 680, 681, 732 Nordfrankreich 46, 81, 392, 444, 617

Index | 933

Südfrankreich 171, 202, 210 f., 222 f., 619, 642, 691 Fredegar 56, 116, 150, 163, 198, 203, 234, 259, 260, 322, 327, 345, 411, 413, 463, 520, 712, 747 Fredigard 183 Friesen 453 Friesland 307–309, 427 Frigento 288 Fritz, Hermann 173 Frothar v. Toul, Bf. 583, 586, 791 Fuerza-Aérea-Uruguaya 733 Fuhrmann, Sternbild 101, 241 Fujita, Tetsuya Theodore 399 Fulbert v. Chartres, Bf. 545, 725 Fulcher v. Chartres 554 Fulda 48, 648, 741, 757 Fuldaer Annalist 712 Galata 474 Galatiens 288 Galen, Arzt 631 Galileo Galilei 169 Gallia/Gallien 43, 135, 164,185, 274, 282, 284, 287, 296, 412, 428, 430, 465, 469, 480, 509, 516, 564, 566, 568, 569, 572, 574, 584, 590, 591, 606 f., 622 f., 650, 652, 658, 663, 674, 699, 736, 740, 742, 749 f. Gandersheim 379 Gauzlin, Abt 545 Gavisa 275 Ǧazīra 101 Gaznai 230 Gebhard v. Regensburg, Bf. 443 Gelasius I., Papst 353 Gelderland 308 Gembloux, Kl. 112, 397, 510, 513, 574, 696 Genf 296 Genfer See 296, 302 f., 306, 312, 459, 779 Gent 105, 109, 507, 690 f. Abtei St. Peter 46, 471 Georgios Kedrenos 332 f. Gerard 425 Gerbert v. Aurillac 435 Gerbert v. Reims 435 Germania/Germanien 185, 282, 287, 428, 480, 486, 493, 515 f., 528, 563, 565, 569, 572, 604–610, 623, 650, 652 f., 658, 674, 678, 681, 700, 735, 740, 742

Gernrode 548 Gerricus v. Würzburg, Abt 654 Ghaerbald, Bf. 602, 759 Gildas 344 Gilling, Kl. 201 Giotto di Bondone 96 Giselbert, Hz. 489, 745, 750 f. Glaber, Rodulfus 96, 222, 224, 249, 701, 705, 710, 716, 773 Glaser, Rüdiger 32 Glenn, Jason 394 Gnupa 338 Godehard v. Hildesheim, Bf. 436 Goslar 657 Gothfried 652 Gothia/Gothien 599, 652 Gottfried I., Hz. 111, 648, 654 Gottfried III., Hz. 722 Gottfried v. Viterbo 324 Gottfried, Kg. 124 Great Coggeshall, Kl. 541 Great Sugar Loaf 455 Gregor der Große, Papst 317, 335, 361, 415 f., 715, 762 Gregor II., Papst 400, 757 f. Gregor III., Papst 758 Gregor VII., Papst 396, 397, 505, 514, 533, 727 Gregor v. Tours 56, 94, 114–116, 162 f., 174 f., 177, 193, 198, 233, 253, 259–261, 269, 276, 294, 296 f., 302 f., 306, 322, 327, 345, 357, 359, 361, 373 f., 377, 380–382, 386, 392, 411–413, 415, 417, 450, 459, 464 f., 518, 520 f., 541 f., 545, 548, 554, 558, 581 f., 586, 590 f., 630, 635–639, 661, 663, 665, 671, 686, 688, 697, 699, 703, 705, 712, 719, 721, 725, 727, 729, 747 f., 756, 775, 778 f., 783, 786–788, 791, 793, 795 f. Griechenland 134, 202, 213, 272, 524, 587, 689, 775 Grönland 25, 204, 338 Großer Bär, Sternbild 128, 133 f. Grumel, Venance 13 Guidoboni, Emanuela 15 Gundowald, Kg. 722 Guntbold 425 Günter, Bf. 368 Gunthramn I., Kg. 198, 392, 638 f., 719, 748

934 | Index

Gurgānǧ 487 Haar der Berenike, Sternbild 133 Habakuk, Prophet 521, 664, 671 Hadamarus, Abt 653 Haeser, Heinrich 631, 650 Hagia Sophia 135 Halfdan, Kg. 754 Halley, Edmond 91, 97 Hannibal 320, 334, 503 Hardangervidda 355 Hartiepool, Kl. 201 Harvard 11 Harz 50 Hasegawa, Ichiro 91 Hastings 107, 109–113, 772 Hathui, Äbt. v. Gernrode 548 Hauer, Katrin 296 Havel 488, 518, 744 Hedemarken 754 Heidarzadeh, Tofigh 91 Heinrich d. Zänker, Hz. 96, 142, 149, 773 Heinrich I., Ebf. 654, 694 Heinrich I., Kg. 5, 340 f., 373, 393, 487, 722, 726, 744, 750 Heinrich II., Ks. 50, 436, 548 Heinrich III., Kg. 496, 657 Heinrich IV., Ks. 57, 378, 379, 444, 500, 502–506, 658, 660, 727, 754 Heinrich v. Huntingdon 692 Heinrich, Mönch 136, 165 Hekla, Vulkan 317, 340, 780 f. Heldra-Wanfried 501 Helenopolis 409 Helgoland 452, 458 f. Hellespont 475 Hellisheiði 321 Hennegau 691 Hennig, Richard 12, 14 Herakleios 524 Hérault 420 Herculaneum 324 Heribert v. Köln, Bf. 54, 494 Hermann der Lahme 51, 232 f. Hermann v. Reichenau 115, 138, 174, 196, 217, 285, 298, 328, 412, 443, 465, 496 f., 499, 507, 541, 569, 581, 589 f., 622, 623, 625, 634, 651, 657, 680 f., 701, 705, 733, 739, 745

Hermann v. Salm 110 Herodot 732 Hersfeld 110, 267, 391, 398, 452, 472 f., 568, 574, 690, 696, 703, 710 Herstal 598 Hetum Patmich 86 Hiera 332 Hieron 474 Hieronymus 715 Hildesheim 307, 391, 398, 472, 529, 568, 574, 605, 608, 735 Hinkmar v. Reims, Ebf. 46, 53, 253, 484, 486, 572, 712, 719, 768 Hinz, Wolfgang 257 Hirmengardis, Kgn. 208, 722, 776 Hiroshima 27 Hnappadal 338 Hofda-Brekka 340 Hoff, Karl Ernst 271 Hoffmann, Hartmut 50 Hoffmann, Richard C. 15 Hólmsár 339 Homs 199 Hrabanus Maurus 95, 556 Hrafn Hafnerlykill 339 Hriep 338 Hsin T’and shu 134 Hubble, Edwin 84 Hudson Bay 733 Hugo der Große, Hz. 187, 246, 254, 665, 722, 777 Hugo I., Kg. 614, 680 Hugo v. Farfa, Abt 310 Hugo v. Tours 648 Hugo, Chronist 606 Hugo, Edler 284 Huntingdon 690 Huntington , Ellsworth 8 Ḫvārazm 230 Ibn Abī Uṣaibiʿa 86 Ibn Buṭlān 85 f. Ibn Faḍlān 185, 193, 354, 372, 432, 460, 487, 755, 775 Ibn Ǧaʿfar b. al-Muktafī 171 Ibn Rušd 255 Iburg, Kl. 307, 390 f., 398, 513 Ichidai Yoki 86 Íle 279

Index | 935

Illyrien 469, 634, 661, 794 Ilopango, Vulkan 343, 633 Immo 489 Indien 203, 227, 230 Indonesien 343, 633 Ingelheim 227, 776 Inisfallen, Kl. 52, 393, 684, 752 Inishmouthy, Kl. 489, 529 Inis-Mochta, Kl. 489 Inuit 25 Investiturstreit 501 Irak 82, 83, 99, 113, 120, 138 f., 165, 168, 181, 186, 192, 205, 772, 775 Iran 202, 496 Irene, byz. Ksn. 479 Irland 37, 60, 88, 105, 112, 118, 131, 136, 147, 184, 197, 211 f., 220, 223, 262 f., 277–279, 294, 339, 349, 371, 374, 381 f., 388–390, 392–398, 400 f., 403 f., 455, 458, 467–469, 473, 477 f., 486, 489, 495, 498, 518, 521–524, 531 f., 535, 542, 547 f., 550, 574, 588, 593, 596 f., 619 f., 623, 627 f., 630, 642 f., 646–648, 653, 655, 660 f., 668, 673 f., 679, 682, 685–687, 707–710, 739, 772, 779, 784–788, 792–796 Ostirland 654 Südostirland 401 Irmingard, Kgn. 208, 227 f. Irminsul 525 Isidor v. Sevilla 93, 195, 231, 317, 320, 322, 353, 355, 385, 407, 463 Island 15, 51 f., 206, 208, 211, 226, 240, 317, 321, 338 f., 341 f., 362, 384, 460, 547, 780 f. Südisland 337 Israel 668 Istros, Fl. 499, 658 Italien 37, 61, 82, 110–113, 118, 133, 135, 137, 140, 147, 166, 168, 171, 174 f., 211, 214, 222, 272, 281 f., 284, 286, 288, 291, 294, 300, 302, 310, 381, 403 f., 412, 414 f., 430, 444, 448, 465, 509, 539, 546 f., 551, 565, 571, 576, 579 f., 589, 599, 603, 615, 617 f., 621, 626, 630, 634, 639, 641, 650, 659, 661, 668, 671, 678 f., 681, 684, 686, 691 f., 729, 738 f., 751, 772, 774, 778–780, 782, 785, 788 f., 792–795

Mittelitalien 217, 398, 518, 621, 703 f., 784, 791, 796 Norditalien 22, 134, 171, 202, 210, 213, 222, 361, 415, 437, 503, 507, 518 f., 533, 562, 580, 628, 642, 703, 706, 791 f. Oberitalien 310, 417, 432, 442, 570, 796 Süditalien 42, 205, 217, 225, 495 f., 514, 518 f., 531, 534, 564, 573 Iulius Titianus 323 Ivar Witfaden, Kg. 753 Jacob, Patriarch 407, 408 Jacobus Malvecius 88 Japan 83, 101, 113, 118, 140, 147, 255, 346, 772 Jean d’Outremeuse 488 Jerusalem 104, 158, 280, 335, 341, 504, 689 Jesse v. Amiens, Bf. 648 Jesus Christus 54, 92, 95, 135, 148, 297, 357, 502, 716, 718, 730, 772 f., 775, 777 Jezira 560, 561 Jiangsu 116 Johannes Diaconus 80, 82, 132, 655 Johannes Skylitzes 52, 106, 129, 135, 148, 213, 241, 285, 287, 393 f., 468, 479, 488, 518, 576, 605, 626, 712, 729, 773, 788 Johannes Tzimiskes, byz. Ks. 142, 722–725 Johannes v. Biclaro 635 f. Johannes v. Damaskus 95 Johannes v. Ephesos 344, 636 Johannes v. Ravenna, Ebf. 116, 148, 722, 772 Johannes/John v. Worcester 173, 775 Johannes VIII., Papst 568 Johannes Zonaras 108, 292, 436, 456, 458, 499, 576, 578 f., 621, 625 f., 630, 658, 710, 712, 793 Johannes, Evangelist 160, 313, 370, 383, 783, 789, 797, 799 Johannes, Papst 335 Johannes, Tribun 416 Jona, Prophet 71 Jones, Phil 15 Jordanland 280, 688 Jörg, Christian 759 Josua Stylites 557 Judas Iskariot 297 Juden 797 Julius Obsequens 567

936 | Index

Jungfrau, Sternbild 80, 101, 120, 133, 150, 180, 256, 724 Jupille 178 Jupiter, Planet 86, 256 Jurchen 9 Justin, hl. 533 Justinian II., byz. Ks. 589, 632, 634 Kaaba 162, 774 Kadıncık 410 Kaifeng 83 Kairo 35, 82 f., 86 Kairouan 165 f., 168, 774 Kalabrien 571, 574, 576, 689 Kalda 338 Kammin 470 Kampanien 99, 120, 324–329, 361, 400, 404, 432, 570, 574 Kanada 204, 354, 670 Kanarische Inseln 192, 775 Kappadokien 576, 621 Kapuzinerberg 295 Karl der Große, Ks. 5, 10, 14, 45, 55–58, 75, 124, 148, 180, 205, 207, 363, 385, 419, 453, 454 f., 525, 583, 596, 598, 599, 602 f., 674 f., 692, 721–723, 729 f., 755, 759 f., 764, 767, 791, 800 Karl II, der Kahle, Kg. 45, 180, 211, 227, 424, 523, 571, 722, 749, 776 Karl Martell 122, 148, 203, 227 f., 722, 729, 730, 773, 776 Karlmann 523, 650 Kärntner Land 443 Karolingerreich 44 Karpaten 551 Karthago, Provinz 556, 560 Kaspische Pforte 280, 347 Kassiopeia, Sternbild 144 Katalonien 596 Katla, Vulkan 321 Kaukasus 272 Keenaght 544 Kekrops 407 Kent 200, 542, 644 Keys, David 343 Kiew 577, 579 Kijla 272 Kilbeggan 402 kilikische Pforte 410

Kirschvink, Joe 26 Kıyıköy 474 Klaudiopolis 288 Kleinasien 332 Kleine Bärin, Sternbild 130, 133, 136, 150, 576 Klemm, Fritz 29 Knut, Kg. 342 Kohlenwald 425 Kolbatz, Kl. 51, 250, 470, 604, 608, 650, 656, 677 Köln 49, 81 f., 105, 110, 112, 144, 172, 188, 367 f., 392, 436, 494, 513, 529, 564, 608, 612, 618, 623, 677, 691, 705 Hildebold-Dom 368 Peterskirche 367 Kölzer, Theo 38 Komet 1P/Halley 712, 766, 771–773 Komet C/905 K1 773 Komet X/676 P1 772 Komet X/838 V1 772 Komet X/891 J1 772 Köneürgenç 487 Konrad II., Ks. 223, 228, 441, 496, 722, 776 Konstans II., byz. Ks. 199 Konstantin III., byz. Ks. 199 Konstantinos V. Kopronymos, byz. Ks. 152, 524, 595, 689 Konstantinos VII. Porphyrogennētos, byz. Ks. 135, 148, 262, 722, 773 Kōnstantinos Dukas, byz. Mitks. 108 f., 342, 658, 716, 722 Konstantin IX., byz. Ks. 77 Konstantin, hl. 213 Konstantinopel 42, 52, 86, 113, 117, 142, 164, 196, 199, 208, 213 f., 216, 229, 280, 282, 294 f., 325, 326, 331 f., 349, 375, 381, 393 f., 400, 403 f., 468, 474 f., 478, 488, 555, 590, 621, 626, 630, 633, 641, 646 f., 661, 689, 771, 775, 779, 782, 785, 793 f. Akakioskirche 375 Demoi 394 Konstantinos Lips 393 Konstanz 47 Kontinentaleuropa 365, 397, 404 Korea 118, 145, 147, 255, 772 Korfu 216, 329 Korinth 272, 306

Index | 937

Krakatau, Vulkan 343, 633 Krebs, Sternbild 101, 330 Krebsnebel 84, 89, 90 Kreta 282, 304 Kretisches Meer 332 Kronk, Gary W. 91 Krusch, Bruno 199 Kuban 474 Kúdaflót 340 Kurpfalz 587 Kurze, Friedrich 611 Kyrene 567 Kyzikos 717 Laa an der Thaya 463 Labbè, Thomas 15 Ladenburg 284 Ladurie, Emmanuel Le Roy 8, 25 Lagenia 542 Lágey 339 Lagny 511, 513 f. Lakagígars 337 Laki 337 Lamb, Hubert Horace 8, 13, 24 Lambert v. Nantes 648 Lambert, Bf. 427 Lambert, hl. 434 Lampert v. Hersfeld 50, 53, 122, 203, 267, 378, 444, 501, 503–506, 508, 529, 578, 692, 702, 704, 708, 796 Landnámabok 321, 338–340 Landolf 82 Langobarden 164 Lantbert v. Deutz 284, 494, 749 Laodicea 378 Laon 139, 490, 612, 653 Latium 489 Lausanne 221, 248, 452, 538, 574, 691 Lausitz 444 Le Mans 591, 664 Lebusa 438 Lechfeld 374 Leier, Sternbild 128, 150 Leinster 542, 547 Leitha 571 Leo, Papst 57, 86 Leo III., Papst 124, 274, 724, 761 Leo, Ks. 646 Leo IV., byz. Ks. 159, 722, 774

Leo IX., Papst 88, 762 Leo Marsicanus 329 Leon, byz. Ks. 393, 605, 666 Leon Diakonos 106, 141, 189, 287, 330, 725, 802 Leoniden 153–155 Lesbos 332 f., 479 Lëtzebuerg 510 f. Leuven 47 Levante 226, 417, 493 f. Leven, Karl-Heinz 632 Libyen 328 Liège 46, 47, 294, 778 Ligurien 409, 415, 588 f., 634, 688, 697, 739, 795 Limagne 411 Limmat 422 Limoges 360, 531, 554 Limousin 666, 668 Lindsey 177 liparische Inseln 336 Lippiheim 419 Litzenburger, Laurent 15 Liudprand v. Cremona 216, 329 f., 349, 371, 375, 614, 729, 751, 780 Liutizen 493, 500 Livius 503, 504 Lobbes, Kl. 46, 47, 82, 109, 283, 373, 377, 472, 491, 510, 513, 516, 677, 691 St.-Peters-Kirche 373 Lobitzos 499 Loch Cé 52, 248, 538, 628, 630, 752, 793 Loch Cimbe, Insel 456 Lodi 573, 574 Lofça 499 Logh Hackett, See 394 Logh Kynne 394 Loire 52, 60 f., 282, 292, 294, 411, 422, 424, 437 f., 448, 509, 584, 598, 627, 681, 737, 778, 785 Lombardei 444, 589, 592 London 161, 168, 397, 403 f., 524, 633, 785 Lorsch, Kl. 132, 172, 284, 382, 430, 434, 452, 471 f., 478, 543, 598, 692 Los Rios 354, 670 Lothar I., Ks. 153, 159, 648, 703, 722, 749, 774, 796 Lothar II., Ks. 606

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Lothringen 52, 83, 219, 222, 289, 434, 513, 529, 616, 619, 666, 668, 685 f., 704, 750 f., 795 Lough Hackett 456 Louth 394 Löwe, Heinz 48 Löwe, Sternbild 101, 106, 133–135, 150 Lucanus 93 Lucretius 386 Lüdge 420 Ludwig I., der Fromme, Ks. 5, 55, 57, 101, 103, 113, 127, 148, 180, 209–212, 227 f., 364, 422–424, 454 f., 479, 481, 599 f., 712, 722–724, 730, 749, 760, 772, 776 Ludwig II., der Deutsche, Ks. 57, 481, 555 Ludwig III., der Jüngere, Kg. 132, 135, 148, 485, 610, 722, 773 Ludwig IV., das Kind, Kg. 136, 148, 490, 722, 773 Ludwig IV., der Überseeische, Kg. 653, 751 Lughaidh, Kg.-Sohn 197, 356 Lughmhadh 395 Luighne 623 Lukas, Evangelist 203 Lullus, Ebf. 180, 473, 722 Lund, Kl. 51, 178, 198, 200, 203, 235, 237, 263, 291, 362, 470, 604, 677, 690 Lundmark, Knut 84 Lüneburg 300–303, 779 Lupus Servatus 104 Lupus v. Ferrières 95 Lupus, hl. 534 Lupus, Sternbild 79 Lüttich 109, 178, 426 f., 429, 434, 445, 499, 513, 759 Kloster Stablo 428 St. Jacobi-Kirche 445 Luxemburg 510 f. Lydus 344 Lyon 356, 411, 591, 635, 639, 756 Lyriden 156 f. Maas 178, 427, 445 Macrobius 218 Maelsechlainn 751 Magdeburg 167, 168, 376, 774 magnum fossatum 453, 454 Mailand 573, 574, 588 Main 409, 430, 453, 484 f., 518

Mainz 48, 49, 180, 184, 285 f., 291, 367, 369, 379, 382, 426, 471 f., 481, 483, 574, 590, 604, 739, 741 Makedonien 333 Makedonier Basileos 342 Mamertus v. Vienne. Bf. 274, 581, 761 Manuel I., byz. Ks. 77 Marcellinus Comes 161, 174, 197, 274 f., 325, 327, 344, 349, 588, 634, 780 Marchiennes, Kl. 81 Marcus Annaeus Lucanus 727 mare Britanicum 574 Margam, Kl. 457 Maria 92, 283 Maria v. Antiochia, Ksn. 77 Marinus II., Papst 137, 148, 773 Marius v. Avenches, Bf. 233, 632, 635, 671 Marmara-Inseln 474 Marmara-Meer 474 Marne 163, 412 Marokko 184, 188, 192, 775 Marseille 591, 639, 642, 661, 663, 690 f., 719, 756, 793 Martialis, hl. 666 Martin v. Troppau 87 Martin, hl. 235, 260, 457, 748 Matfried 648 Mathilde, Äbt. v. Quedlinburg 49, 299 Matteo Palmieri 174 Matthäus/Matthew Paris 445 Mauelshagen, Franz 10 Maunder, Edward Walter 169 Maximus, Noriker 463 Maya 343 Mayall, Nicholas 84 Mazedonien 332 McCormick, Michale 14 McKitterick, Rosamond 37 Mecklenburg 402 Medina 165, 774 Meier, Mischa 633, 713, 720 Meigetsuki 86 Mekka 113 f., 162, 164 f., 774 Memleben 171, 301, 303, 779 Memphis 35 Merkur, Planet 64, 255–257, 723, 777 Merseburg 376 Mesopotamien 272, 278, 281, 333, 467, 488, 560, 645, 647

Index | 939

Metz 15, 82 f., 415, 417, 452, 472, 499, 638 Michael d. Syrer 41, 123, 151, 199, 344, 418, 522, 535, 559–561, 579 f., 729, 788, 791 Michael Glycas 475 Michael VII. Dukas, byz. Ks. 626 Michael, Begleiter 216, 329 Michael, hl. 285, 312 Midi-Pyrénées 692 Midye 474 Milchstraße 123, 151 Mithridates 95, 105 Mitteleuropa 14, 81, 90, 113, 136, 142, 144, 154, 193, 203, 208, 224, 227, 238, 248, 251–253, 269, 271, 289, 384, 390, 398, 410, 426, 433, 434, 436, 454, 485, 488, 518, 536 f., 543, 551 f., 564, 578, 580, 587, 630, 655 f., 661, 680, 683, 685, 687, 697, 703 f., 710, 734, 740, 784, 791, 794 f. Ostmitteleuropa 204 Mittelmeer 304, 317, 321, 343, 346, 349, 381, 410, 458 f., 535, 551, 558, 589, 625, 630, 690, 782, 786 Mittlerer Osten 338 Mohammed, Prophet 93, 98, 100, 113 f., 121, 153, 155, 159, 722, 771, 774 Moissac, Kl. 452, 596, 690, 692 Molana, Kl. 453 Molda-Gnúpr 340 Moldawien 571 Mönchsberg 295 Mond 70, 99, 108, 115, 123, 151, 156, 171, 193, 195, 206 f., 210, 216, 229, 231– 238, 240, 242, 245, 247, 264, 328, 348, 776 Mongolen 9 Monobasia 689 Mont Cenis 503–505 Montecassino, Kl. 217, 329, 690 f. Montevideo 733 Montmartre 394 Morana, Kl. 365, 389 Mose 193, 352, 356, 407, 537, 630 Mosel, Fl. 52, 434, 441, 472, 617, 739, 750 Mosul 272 Mouzon, Kl. 219, 349, 507, 514 Muʿāwiya I., Kalif 278 Muḥammad b. Mūsā al-Ḫwārizmī 231 Muirchertach 753

Murbach 472, 473 Murten, Burg 497 Myser 106, 189 Naas, nahe Dublin 374 Naher Osten 23, 179, 197, 199, 275, 294 f., 338, 346, 493, 522, 535, 562, 580, 588, 592–595, 630, 695, 697, 769, 778 f., 788, 791, 793, 795 Namur 47, 513 Nanjing 116 Nantes 591, 664, 757 Napoleon 744 Narbonne 559, 637 Narnia 165 Narses 589 Nawā 281 Nazarius, hl. 284, 434 Nealle Frassagh 596 Neapel 295, 324, 327, 570, 574, 779 Nebrodes 323 Neckarau 57 Nekropela 474 Nennius 727 Neptunius 323 Nera 165 Nero, Ks. 93, 720 Nessebar 389, 474 Neuseeland 551 Neustrien 486, 700 Nevers 222 Newfield, Tim 587 Nicephoros v. Konstantinopel, Patr. 332, 349, 780 Nidda-Gau 429 f., 610 Niederaltaich, Kl. 48, 110, 112, 307, 310, 391, 396, 398, 443, 452, 568, 607, 609 Niederburgund 135 Niederlande 204, 308, 409, 423, 429, 451 Niederlothringen 46, 513, 530, 654 Niederösterreich 271 Niederrhein 48, 369, 381, 397, 427, 483, 566, 649, 668, 691, 696, 739, 782, 784, 794 Niedersachsen 16 Nigerbecken 551 Nikaia 280, 717 Nikephoros 695 Nikephoros Phokas, byz. Ks. 478, 626 Nikephoros Xanthopoulos 688, 697, 795

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Nikolaos, hl. 292 Nikolaus I., Papst 286, 722 Nikolaus, Patr. 135 Nikomedia 142, 280 Nil, Fl. 35 f., 86, 338, 409, 417, 537, 619 Ninove, Kl. 514 Nithard 128, 243, 424 f., 481 f., 526, 721 Noah 407, 415, 762 Nola 409 Nomenogius 749 Nonn, Ulrich 38 Nordamerika 24 Nordkorea 337 Nordsee 205 f., 211, 223 f., 307, 309–312, 344, 409, 422, 451, 458, 786 f. Nordwestpassage 733 Noricum 463 Norlind, Arnold 12 f. Normandie 107, 306, 312, 459, 544, 725 Normannen 132, 187, 430, 485, 496, 527, 570, 572 Northumbrien 200 f., 625, 642, 644 Norwegen 5, 51, 195, 202, 206, 340, 355, 498, 538, 585 Notker 675 Oberschwaben 513 f. Ochsenfurt 110 Odin 754 Odo v. Blois-Champagne, Gf. 497 Ogilvie, Astrid 15 Ogygius, Kg. 407 Olaf der Baumfäller 753 Olaf, Kg. 195 Oort, Jan 84 Öresund 498, 517, 787 f. Orion, Sternbild 129, 150 Orioniden 154, 156 Orléans 56, 162, 274, 413, 688, 697, 748, 761, 795 Ortave 558 Oshima 346 Osric 123 Ossory 401, 404 Oster 427 Osterteich 548 Ostfalen 493 Ostsee 172, 205, 215, 461 Oswald, hl. 177

Otto d. Fröhliche, Hz. 463 Otto I., Ks. 5, 49, 171 f., 299, 324, 342, 393, 487, 490, 615 f., 694, 745, 750 f. Otto II., Ks. 616, 654 Otto III., Ks. 50, 96, 142, 149, 167, 493 f., 773 Otto v. Freising 555, 569, 578 Ottobeuren, Kl. 203, 283, 364, 380, 436, 446, 456, 458, 529, 691, 696, 728 Owine 66 Paderborn 513 Palaeakaimeni 332 Palästina 272, 277, 280 f., 522, 560, 579, 582, 688 Pamukluk 410 Pandolf 82 Pantoleon 213 Paphlagonien 576, 621 Parc, Prämonstratenserabtei 47, 81, 109 Paris 112, 115, 163, 374, 387, 394, 398, 412, 425, 430, 511, 541, 547, 581, 586, 613, 622, 638, 665 Île de la Cité 413 Île-de-France 666 Notre-Dame 665 Saint-Denis 374, 423 Saint-Germain des Prés 372 Saint-Laurentius 412, 413 Parma 581 Parnassus 408 Parthenope 571 Patiens, hl. 591 Patrick, hl. 197, 356 Patzinaken 499, 658, 716 Paul I., Papst 524 Paulus Diaconus 98 f., 116 f., 119 f., 150 f., 174, 201, 277, 306 f., 328, 361, 403, 405, 414–416, 465, 521, 542, 559, 582, 589–593, 634, 642, 646, 661, 688, 697, 700, 703–705, 710, 761, 793, 795 Paulus, hl. 222, 282, 506 Pavia 201, 284, 310, 592 Peinlich, Richard 13 Pelagius II., Papst 413, 762 Pelusion 632 Pennsylvania 354, 670 Périgeux 748 Perseiden 108 Perseus, Sternbild 150

Index | 941

Persien 271, 520, 535, 788 Peter Orseolo, Kg. 745 Peterlingen, Kl. 496 Petrus Bibliothecarius 239 Petrus, Autor 772 Petrus, hl. 88, 222 Pfauenberg 442 Pfister, Christian 10, 31 Pfrimm 420 Pharisäer 71 Phatima 124 Philipp aus Zell 420 Philippinen 339 Phönix 323 Phönizien 119, 582 Phrygien 556 Piacenza 158, 533 f. Pippin 56, 126, 523 Pippin I., Kg. 178, 180, 599, 722 Pippin III. der Jüngere 473 Pippin der Mittlere 178 Pisa 627 Plejaden 99, 328 Plinius d. Ä. 76, 94, 333, 353 , 356, 540 Plinius d. J. 320 Plurs 296 Plutarch 315 Po, Fl. 54, 409, 422, 430, 444, 448, 503, 509, 785 Pohl, Walter 37 Poitiers 122, 581, 638, 744 Polarregion 384 Polen 551 Polybios 334 Pommern 51, 470, 608 Pompeji 324 Pontus 475, 524 Porcaria, hl. 584 Portiers 148, 730 Portugal 209, 226 Poseidon 271 Prag 534 Prainetos 280 Princeton 11 Prokonnēsos 333, 388, 398, 718, 784 Prokop 323, 327, 344, 349, 634 Pronulphus, Gf. 416 Propontis 474 Protasius, Abt 56

Provence 600, 638, 663 Prudentius v. Troyes, Bf. 46, 210, 253, 300, 303, 308 f., 391, 486, 719, 768 Prüm, Kl. 57, 471, 516, 567, 568, 574 Prusias, Kg. 320, 334 Pseudo-Dionysius 558 Punleus Mantuanus 323 Puy-de-Dôme, Dép. 554 Pyrenäen 57, 276, 690 Qidan Guozhi 86 Qinnasrīn 279 Quedlinburg 49, 81 f., 105, 266, 300, 307, 341, 376, 378, 452, 529, 568, 735 Quraiš 115 Raab 441 Rabaul, Vulkan 633 Rabe, Sternbild 101, 145 Ragenerus, Vizedom 435 Rainald v. Nantes, Hz. 749 Ramla 272 Ramsey, John T. 91 Ranke, Leopold von 38 Raqqa 101 Rasʿain 558 Rau, Susanne 10 Ravenna 114, 116, 127, 543, 547, 581 Rednitz 363 Regensburg 285 f., 291, 364, 470, 657–660, 728 Regino v. Prüm 135, 139, 554, 567 f., 572, 575, 653, 675 Reichenau, Kl. 48, 105, 171, 188, 489, 513, 618, 690 f., 696 Reims 45, 81 f., 109, 112, 144, 155, 158, 185, 186 f., 246, 287, 371–373, 382, 394, 398, 435, 484 f., 490, 498, 513, 530, 572–574, 598, 638, 652 f., 668, 701, 703, 707, 710 Remus 581 Reno 542 Reš Kepha 561 Reuss 422 Rhein 40, 47–49, 52, 57, 167, 282 f., 409 f., 422, 427–430, 434, 437 f., 449, 453, 480–485, 487, 502 f, 508 f., 512 f., 516–518, 527, 534, 580, 604, 608, 610,

942 | Index

617, 648, 674, 677 f., 702, 735, 739, 750, 785, 787 Rheinland 47 f., 60 f., 105, 110, 112, 147, 172, 211, 219, 287, 294, 363, 369, 381 f., 390, 392, 397, 444, 471–473, 477 f., 481, 483, 485, 487, 489, 491, 498, 501, 511, 513 f., 518, 535, 547, 573, 612, 619, 630, 650, 661, 681, 686, 703 f., 772, 778 f., 782, 784, 788, 791–796 Rhomäerreich 142 Rhomanos Lakapenos, byz. Ks. 342 Rhône, Fl. 296, 411 f., 422, 509, 639, 748 Richard 648 Richer v. Reims 186, 245, 287, 611, 652, 750, 751 Ringerike 754 Ripoll, Kl. 596 Robert Guiskard 86 Robert I., Hz. 544, 545, 722 f., 725, 789 Robert v. Trier, Bf. 653 Robock, Allan 316 Roda, Nilometer 35 Rodenbusch, Cornel-Peter 58 Rodulfus Glaber siehe Glaber, Rodulfus Roger v. Wendover 210 Rohr 96, 142 Rohr, Christian 14, 44, 295, 550, 553 Rom 86, 88, 125, 165, 201, 241, 252 f., 274, 277, 282, 315, 322, 416, 433, 449, 482, 524, 579, 581, 589 f., 593, 595, 599, 614, 644 f., 656, 658, 680, 761, 776, 785 St. Paul 524 Romagnat 554 Romerike 754 Römisches Reich 3, 10, 767 Romoald 109, 142, 154, 158, 249–252, 268, 615, 621, 729 Romuald v. Salerno, Bf. 88 f. Romulus 581 Rosdalla 402 Rostella 402 Rotes Meer 416 Rouen 392, 425, 470, 487, 490, 604, 623 Rudan, Hz. 465 Ruddiman, William F. 26 Rudolf v. Burgund, Kg. 652 Rudolf v. Rheinfelden 110, 502 Rudolf, Kg. 750 Rueil 638

Rumänien 571 Ruotger v. Trier, Bf. 750 Russland 551, 577, 579 f., 791 Saba, Wüste 280, 523 Sābāṭ 101 Sabbati 441 Sabbato 432 Sabinian, Papst 592 Sachsen 16, 40, 61, 105, 110, 172, 289, 298, 302 f., 364, 369, 373, 375, 381–383, 392, 395, 397 f., 419, 423, 429, 442 f., 472 f., 479, 488, 490–493, 512 f., 518, 525, 527, 531, 547, 578, 605, 617, 619 f., 627, 630, 657, 681, 683, 696, 703 f., 709 f., 746 f., 779, 782, 784, 792, 796 Ostsachsen 643 Sachsen-Anhalt 16 Sadduzäer 71 Sahara 539, 546, 562, 789 Saint siehe St. Saint-Amand-les-Eaux, Kl. 396, 470, 478, 513, 691, Saint-André d'Eixalada, Kl. 57 Saint-Antoine-l’Abbaye 667 Saint-Bertin in Saint-Omer, Kl. 45 Saintes 283, 748 Saint-Germain-des-Prés 622 Saint-Maixent-l’École, Kl. 44, 109 Saint-Maurice-de-Rotherens 573 Saint-Michel de Cuxa, Kl. 57 Saint-Omer 109 Saint‐Pierre de Gand, Kl. 290, 396 Saint-Pierre-de-Bèze 109 Saint-Quentin 487, 614 Saint-Symphorien d’Ozon 639, 756 Saint-Vaast, Kl. 46 Saint-Wandrille 182 Salerno 288, 396, 547, 621 Salomon 573 Salzburg 296, 427, 470, 690 f. Salzwedel 298 Samnium 571, 574, 576 Samonas 214 Samuel 436 Samur 130, 143 Şanlıurfa 417 Santiago de Chile 733 Santorin 321, 331–334, 349 f., 780

Index | 943

Saône 411, 748 Sarazenen 718 f., 730, 797 Sardinien 223 Sardisches Feld 414 Sarnontum 275 Sarug 561 Saskatchewan 354, 670 Sbinus v. Piacenza, Bf. 54 Schieder 420 Schlange, Sternbild 101 Schleswig-Holstein 409 Schnurrer, Friedrich 14 Schöningen 420 Schottland 118, 131, 147, 184, 197, 206, 211– 213, 220–223, 240, 248, 272, 348 f., 365, 368, 370 f., 381, 395–397, 400 f., 403–405, 467, 487, 490, 518, 535, 547, 619, 630, 653, 657, 661, 668, 686, 710, 772, 784 f. 788, 793–796, 802 Schubert, Ernst 218 Schüszler, Claudia 409 Schütze, Sternbild 125, 134, 138, 150 Schwaben 60, 105, 172, 437, 545, 618, 627, 661, 696, 746, 794 Schwan, Sternbild 150 Schwarz, Eric 14 Schwarzes Meer 171, 204, 210, 214, 219, 225, 389, 398, 468, 474–478, 517, 552, 564, 571, 580, 784, 787, 791 Schwarzwald 568 Schwarz-Zanetti, Gabriela 14 Schweden 206, 753 Schweiz 221, 271, 422, 691, 696 Scupi 274 Sebastian, hl. 201 Sebbi, Kg. 643 Seehausen 298 Segel, Sternbild 150 Seine, Fl. 163, 387, 412, 423–425, 448, 480, 482, 518, 748, 785 Seneca, Lucius Aennaeus 91, 320 Senlis 413, 541 Sennely, Villa 56 Senon, Kl. 185, 510, 513, 607, 613, 702 Sens 130, 373, 433, 534, 584, 703 Septimanien 599 Severin, hl. 54, 463, 464, 495, 556 Sheba 523 ʼs-Hertogenbosch 434

Sibirien 338 Sidonius, Bf. 590, 591 Siegfried, Gf. 381, 783 Sigebert v. Gembloux 111, 114, 117 f. 128, 132, 140, 144, 146, 152, 157, 164, 192, 213, 223, 228, 251, 287, 290 f., 335, 429, 435 f., 444, 447, 464, 498, 529, 531, 535, 604, 619, 627, 666 f., 678, 717, 726, 729, 776 Sigerich v. Canterbury, Ebf. 143, 148, 772 Sighere, Kg. 643 Sigibert I., Kg. 94, 162, 722 Silverius, Papst 588 Simeon v. Durham 52, 111, 152, 180, 202, 212, 237–239, 288, 312, 389, 396, 398, 454, 458, 473, 501, 524, 619, 655, 682, 784 Sinai 224 Sint-Truiden, Kl. 620 Sirente 161 Sizilien 154, 224 f., 322 f., 335, 361, 458 f., 561, 689, 791 Skalm 338 Skandinavien 13, 52, 60, 518, 539 Skorpion, Sternbild 79, 106, 126, 138, 146, 528 Skutari 474 Slawen 299, 493, 678 Sleve Grott 496 Sliabh Cualann 455 Snaefellsnes 338 Soaven 678 Soissons 175, 276 Solothurn 496 Song Huiyao 86 Song Shi 86 Sonne 229, 231, 255, 257, 386, 774–776 Sorben 298, 750 Southampton 524 Spanien 127, 138, 171 f., 187, 192, 204 f., 209, 211, 214 f., 263, 276, 524, 535, 539, 551, 558, 571 f., 574, 579 f., 593, 595 f, 630, 639, 666, 748, 775, 788, 791, 793 Speerschneider, Christian J. H. 13 Speyer 284 Dom 754 Spica 120 Spitzbergen 208, 223 St. siehe Saint St. Alban, Kl. 49, 515

944 | Index

St. Amand-les-Eaux 205, 472, 573 f. St. Anastasio delle Tre Fontane, Kl. 57 St. Bénigne, Kl. 565, 604, 608 St. Bertin 574 St. Blasien, Kl. 510, 513 St. Denis, Kl. 719, 720 St. Didier-la-Mothe 667 St. Emmeram, Kl. 364, 604 St. Euverte 56 St. Gallen, Kl. 82 f., 105, 133, 287, 294, 370, 382, 394, 472 f., 478, 487, 673, 677, 680 f., 691 St. Germain-des-Prés 613 St. Hubert, Kl. 509 St. Kilian 366 St. Mamas 474 St. Mary le Bow 403 St. Maurice-de-Rotherens 564 St. Maximin, Kl. 198 St. Miguel de Cuixà 58 St. Peter und Maria, Kl. 604 St. Pierre, Kl. 692 St. Queran, Diözese 657 St. Swithun, Kl. 608 St. Trudpert, Kl. 568 St. Vaast d’Arras, Kl. 431, 568, 572–574, 612 St. Wandrille, Kl. 366, 426 Stablo, Kl. 46, 205 Stefan IV., Papst 125, 148, 241, 254, 722, 772, 777 Steiermark 13, 696 Steinbock, Sternbild 136, 138 Steinfurt 420 Stephan, hl. 189, 308 Stephan, Kg. 441 Stephanos, Bf. 142 Stephansflut 307 Stier, Sternbild 84, 150 Stothers, Richard B. 318 Strabon 321, 334 Straßburg 128, 496, 730 Stretburg 524 Stromboli 334 Sturla Thórdarson 339 Subdiakon Petrus 361 Südtirol 442 Sueton 55, 93, 720, 730 Sulpicius Severus 359 Suruç 278

Sussex 594 Svjatoslavs 106 Swansea 241 Swithhelm 643 Symeones 142 Symmachus 335 Synada 213 Syrien 52, 82 f., 99, 113, 118–120, 123, 134, 147, 167, 186, 192, 202, 205, 207, 213, 216, 261, 272, 275, 278–281, 332 f., 387, 398, 464, 466 f., 485, 518, 522, 560–562, 579, 582, 586, 593, 595, 597, 634, 645, 647, 661, 673, 686, 688, 718, 772, 775, 784, 791, 794 f. Taal 339 Tacitus 93, 230, 320 Tairdelbach 752 Tajo 558 Tambora, Vulkan 316, 337 Tanguten 9 Târ 433 Tarsus 410 Tatwine v. Canterbury, Ebf. 237, 254, 722, 777 Tauredunum 296 Tauroskythen 106, 189 Taurus 410 Taymir 338 Tell Mahre 558 Tella 558 Teotolo v. Tours, Bf. 148, 722, 772 Tet, Fl. 57 Tetradius 635 Thales 540 Thann, Kloster 29 Theiß, Fl. 301, 547, 548 Themse, Fl. 457 f., 518 Theoderich, Abt 509 Theoderich, Kg. 335 f., 581 Theodoras III., Ks. 707 Theodorus 605 Theodosius, byz. Ks. 475 Theodulf v. Orléans 756 Theophanes d. Bekenner 100, 113, 123–125, 152, 178, 199, 204–208, 279–282, 294, 332 f., 347, 349, 388, 390, 398, 418, 450, 474 f., 478, 524, 535, 647, 688, 690, 697, 718, 729, 760, 772, 778, 780, 784, 786, 788, 795

Index | 945

Theophanes v. Edessa 279, 294, 778 Theophanu, Ksn. 96, 142, 149, 228, 713, 722, 773, 776 Theophilus v. Edessa 52, 119, 123, 178 f., 199, 202, 261 f., 277 f., 280, 346 f., 417, 450, 466, 523, 559, 595, 597, 630, 645– 647, 650, 661, 673, 729, 743, 786, 793 Thera 332 f. Therasia, Insel 332 f. Thessalien 407 f. Thessaloniki 202, 593, 605 Theudebald, Kg. 722 Theudebert 357 Theuderichs II., Kg. 150 Theutgaud 368 Thia, Insel 332 Thietmar v. Merseburg 50, 96, 142, 149, 190, 196, 218, 228, 269, 300, 303, 375, 380 f., 436–438, 439, 450, 455, 530, 548, 618, 695, 713, 773, 776, 779, 783, 786 Thingvellir 339, 341 Thorir 338 Thornton, David 564 Thrakesion 287 Thrakien 161, 280, 469, 479, 634 Thukydides 334 Thur 422 Thüringen 298, 302 f., 419 f., 431, 488, 611, 735, 750, 779 Tiber 409 f., 416, 433, 449, 509, 761, 785 Tiberias 281 Tiberios I., byz. Ks. 636 Tiel, Kl. 308 Tierra Blanca Joven 343 Tigernach, Kl. 52, 468 f., 473 Tigris 417, 496, 589 Tirol 542, 547, 550 Titus Livius 503, 567 Tjaldavelli 340 Toledo 558 Toul 583, 616 Toulouse 157 Tours 122, 139, 162 f., 276, 360, 382, 664, 668, 757 Treviso 281 Tribur 502 f., 509 Trient 559, 579 Trier 198, 283, 368, 393, 472, 487, 653 f., 694

Trier Dom 367 Trier, Maximinus 393 Tripolis 327, 328 Tunesien 165 f., 168, 223, 774 Turin 414 Türkei 207, 271, 589 Osttürkei 43 Westtürkei 378, 381, 782 Tyrach 499 Uccle 510 Udalrich v. Bregenz, Gf. 157 UdSSR 271 Uí Echach Ulad 753 Uí Méith 753 Ukraine 571 Ulaid 361, 619 Úlfjótr 341 Ulster, Kl. 52, 468 f., 473, 486, 751 f. Umar 279 Ungarn 186, 301–303, 441, 443, 547 f. Urban II., Papst 158, 252 Urfa 417 Uriell 751 USA 354, 670 Üsküdar 474 Utrecht 48, 57, 499, 619, 727 hl. Petrus 378 Valentinian 524 Venedig 82 f., 410, 460, 483, 518, 548, 655, 788 Venetien 272, 409, 415, 589 Venersee 754 Venus, Planet 64, 86, 88, 101, 255, 257, 268, 723, 777 Verdun 109, 511, 513, 652 Vergil 93, 323 Vermland 753 Verona 135, 272, 300, 414–417, 442 St. Zeno 415 f. Vespasian, Ks. 93 Vestold 754 Vesuv, Vulkan 2, 99, 113, 120, 317, 321, 324–331, 349 f., 599, 772, 780 Vicenza 573 f., 581 Vienne 274, 531, 761 Vitalian, Papst 644 Viviers 641

946 | Index

Vlaardingen 499 Volcano, Vulkan 317, 320 f., 334, 336, 350, 780 Volturno 432 Vormezeele, Kl. 180 Vratislav II., Hz. 500 Vulcanello 334 Vulgrimnus v. Angoulême, Gf. 737 Waage, Sternbild 104, 126, 225 Waal 427 Wala 648 Wala v. Corbie, Abt 648 Walcheren 190, 311 f. Waldo v. St-Denis 207 Wallis 412 Ward, Peter 26 Warnar 425 Waroch 392 Wasgau 401, 404 Wasit 272 Wassermann, Sternbild 128, 150, 164, 180, 256 Wasserschlange, Sternbild 150 Waverley, Kl. 457 Wearmouth-Jarrow,Kl. 471 Wegmann, Milène 13 Weichsel 509 Weikinn, Curt 13 Weingarten, Kl. 574, 677 Weiss, Jacob 13 Weissenburg, Kl. 110, 181, 203, 452, 470– 472, 483, 511, 677, 696 Weißgau 420 Welf, Hz. 157, 443 Weltraum 64 Wenxian Tongkao 86 Werbomont 511 Wermut 160, 741 Werra, Fl. 501, 518 Weser, Fl. 409, 419 f., 427, 440, 442, 448 f., 509, 675, 785 Westerbach 430 Westfalen 419, 784 Westpommern 604 Whitby, Kl. 201 Wic 290 Widder, Sternbild 126, 127, 150

Widukind v. Korvei 5, 49, 52, 138, 166, 340 f., 373, 377, 380–382, 433, 487–491, 496, 614, 680, 694 f., 712, 726, 744, 783, 791 Wien 672 Wigbert, hl. 698 Wigheard, Priester 644 Wigornae 290 Wilfrid, Bf. 200, 594, 644 Wilhelm II., Hz. 107 Wilhelm v. der Normandie 47 Wilhelm, Bf. v. Utrecht 727 Wiliulf 638 Willibald, Ebf. 323, 335 Willibrord 452 Winchester 524, 608, 616 Wipo 496 Withardus, Kustos 187 Wladimir der Heilige 106 Wolga 433 Wood, David 278 Worcester 497, 513 Worms 267, 284, 369, 525, 563, 598, 742 hl. Petrus 369 Dom 369 Wormsgau 527, 608, 610, 678 Würzburg 110, 172, 366, 382, 507, 696 Wurzen 439 Xanten 471, 478, 574, 739, 793 St. Victor 427 Xu Zizhi Tongjian Changbian 86 Yonne, Fl. 300–303, 425, 448, 779, 785 York 239, 524, 594 Ypern 180 Zaban, Hz. 465 Zacharias, Papst 674, 758 Zaddo, Hz. 749 Zeus 408 Zinchia 474 Zoe 135 Zuqnin, Kl. 43 Zweistromland 774 Zwiefalten, Kl. 545 Zwilling, Sternbild 85 f., 101, 120, 141, 150 Zypern 550, 689

Index | 947

Register der Urkunden, Bibel-, Koran- und Quellenstellen Die Stellen aus dem Alten und Neuen Testament finden sich unter „Bibel“, jene aus dem al-Qurʼān unter „Koran“ und die Urkunden unter „MGH“.

Adalbert, Continuatio Reginonis ad a. 913 487 ad a. 928 487 ad a. 934 393 ad a. 961 215 ad a. 942 139 ad a. 913 487 ad a. 956 653 ad a. 964 654 ad a. 942 681 Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 532 Ademar Cabannensis Chronicon 531, 613, 666 737 Aegidii aureaevallensis, Gesta episcoporum Leodiensium 217, 426, 445 Agathias, Histories 671 Agnelli Liber Pontificalis Ravennatis 69 f., 114, 127, 160, 174, 543, 555 Agobardus Lugdunensis Epistolae 356 De grandine et tonitruis 356 Aimoini monachi Floriacensis historia Francorum 163, 175 Albertus de Bezanis, Cronica 87 Alcuini Epistolae 92 Alpert von Metz, De Diversitate Temporum 144, 145, 219, 247, 620 Ambrosius Theodosius Macrobius, Commentarii in Somnium Scipionis 196 Ambrosius von Mailand, Hexaemeron 353 Ammianus Marcellinus 303, 304, 756 Andreas von Bergamo, Historia 132, 182, 573, 603 Anglo-Saxon Chronicles ad a. 671 672 ad a. 1046 498 ad a. 1005 619 ad a. 1039 456 ad a. 1039 396 ad a. 1045 623 ad a. 1095 157

ad a. 761 469 ad a. 774 180 ad a. 904 245 ad a. 905 136 ad a. 926 185 ad a. 975 141, 616 ad a. 979 188 ad a. 986 682 ad a. 995 143 ad a. 1095 627 Annales Admuntenses ad a. 945 287 ad a. 958 696 ad a. 961 172 ad a. 970 188 ad a. 1005 618 ad a. 1021 290 Annales Agrippinenses ad a. 1092 534 Annales Alamannici 48 ad a. 708 467 ad a. 709 467 ad a. 710 467 ad a. 711 452, 468 ad a. 713 417 ad a. 722 706 ad a. 764 472 ad a. 779 598 ad a. 792 454 ad a. 849 284 ad a. 859 484 ad a. 860 484 ad a. 861 605 ad a. 867 286 ad a. 868 608 ad a. 891 133, 213 ad a. 893 244 ad a. 894 245 Annales Altahenses breves 129, 392, 528, 563, 605, 607, 609 Annales Altahenses maiores 568 ad a. 711 452

948 | Index

ad a. 722 706 ad a. 819 676 ad a. 839 307, 391 ad a. 865 428 ad a. 872 528 ad a. 873 528 ad a. 958 694, 696 ad a. 975 491 ad a. 977 654 ad a. 1013 309 ad a. 1021 266 ad a. 1023 220, 248 ad a. 1033 396 ad a. 1035 684 ad a. 1041 442 ad a. 1044 249 ad a. 1045 623 ad a. 1050 190 ad a. 1051 378, 443 ad a. 1059 624, 657, 685, 702, 708 ad a. 1060 443 ad a. 1066 110 ad a. 1069 378, 500 Annales Angliae excerpta 457 Annales Aquenses 110 Annales Augienses 48 ad a. 709 467 ad a. 785 691 ad a. 868 130 ad a. 873 369 ad a. 927 487 Annales Augustani ad a. 975 140, 166 ad a. 976 246 ad a. 991 436 ad a. 992 491, 617 ad a. 993 491 ad a. 994 289 ad a. 995 247 ad a. 1005 618 ad a. 1021 290 ad a. 1033 222 ad a. 1038 656 ad a. 1048 290 ad a. 1056 516 ad a. 1060 624 ad a. 1063 500 ad a. 1065 291 ad a. 1066 110, 500

ad a. 1068 444 ad a. 1069 625 ad a. 1074 250 ad a. 1076 511, 513 ad a. 1092 301 ad a. 1093 69, 225, 536 ad a. 1095 30, 536 ad a. 1096 252 ad a. 1097 447, 536 ad a. 1098 191, 225 ad a. 1099 515, 628 Annales Barenses 42 ad a. 1009 495, 531, 684 ad a. 1015 145 ad a. 1024 496 ad a. 1053 624 ad a. 1067 111 ad a. 1085 397 ad a. 1088 292 ad a. 1095 158 ad a. 1098 146 ad a. 939 214 ad a. 992 617 Annales Bawarici 205, 444 Annales Beneventani ad a. 938 214 ad a. 968 217 ad a. 969 217 ad a. 990 288 ad a. 1006 82, 531 ad a. 1018 145 ad a. 1029 441 ad a. 1033 223 ad a. 1034 223 ad a. 1044 290 ad a. 1048 623 ad a. 1055 168 ad a. 1063 378 ad a. 1066 111 ad a. 1079 514 ad a. 1080 533 ad a. 1084 379 ad a. 1091 534 ad a. 1093 157 ad a. 1094 292 ad a. 1098 534, 703 Annales Bertiniani ad a. 832 209, 243 ad a. 834 423

Index | 949

ad a. 838 390, 719 ad a. 839 308, 481, 744, 746 ad a. 840 210 ad a. 842 284 ad a. 843 750 ad a. 844 516, 750 ad a. 845 482, 750 ad a. 846 299, 391, 425, 482, 584, 700 ad a. 847 392, 718 ad a. 855 153 ad a. 856 482 ad a. 857 368 ad a. 858 427, 584 ad a. 860 483 ad a. 861 243 ad a. 865 720 ad a. 873 572 ad a. 874 484, 528, 609, 650 Annales Besuenses 47 ad a. 1004 144 ad a. 1033 222 ad a. 1066 109 ad a. 1078 379 ad a. 912 105 Annales Blandinienses 46 ad a. 664 200 ad a. 763 471 ad a. 784 691 ad a. 806 240 ad a. 810 241 ad a. 867 129 ad a. 912 105 ad a. 951 140, 215 ad a. 1000 289 ad a. 1003 437 ad a. 1014 310 ad a. 1023 221 ad a. 1042 456 ad a. 1077 507 ad a. 1094 446 Annales Brixinienses 507 Annales Brunwilarenses ad a. 1050 396 ad a. 1066 110 ad a. 1076 291, 508, 513 ad a. 1085 379 ad a. 1087 191, 445, 515 Annales Cambriae ad a. 625 346

ad a. 630 345 ad a. 648 117 ad a. 652 67 ad a. 676 118 ad a. 684 278 ad a. 689 542 ad a. 690 235 ad a. 713 178 ad a. 720 522 ad a. 810 241 ad a. 831 242 ad a. 993 492 ad a. 1047 498 Annales capituli Cracoviensis 680 Annales Casinates 155, 186, 214, 217 Annales Casinenses 330, 534, 621, 627 Annales Cavenses ad a. 764 205 ad a. 969 217 ad a. 1005 289 ad a. 1034 222, 223 ad a. 1037 330 ad a. 1042 249 ad a. 1086 87, 268 ad a. 1096 268 Annales Ceccanenses 88, 158, 621, 627 Annales Cicestrenses ad a. 975 141, 616 ad a. 976 616 ad a. 1023 221 ad a. 1032 656 ad a. 1043 622, 657 Annales Colbazenses 51 ad a. 763 470 ad a. 786 691 ad a. 822 604 ad a. 868 608 ad a. 869 608, 650, 677 ad a. 1042 656 ad a. 1076 291 ad a. 1078 250 Annales Colonienses ad a. 786 691 ad a. 822 604 ad a. 839 481 ad a. 868 608 ad a. 871 392 ad a. 872 564 ad a. 875 485

950 | Index

ad a. 912 105 ad a. 939 489, 680 ad a. 987 434, 617 ad a. 988 436, 529 ad a. 1005 618 Annales Colonienses brevissimi 483, 677 Annales Colonienses maximi 188, 612 Annales Corbeienses ad a. 896 432 ad a. 905 135 ad a. 912 105 ad a. 939 214 ad a. 941 138 ad a. 942 433 ad a. 959 694, 696 ad a. 968 434 ad a. 974 529 ad a. 975 141, 166 ad a. 981 529 ad a. 994 493, 618 ad a. 1020 496 ad a. 1025 621 Annales de Bermundeseia 508 Annales de Margan 446, 457 Annales de Saint-Bertin 45 Annales de Wigornia 511, 513 Annales Dorenses 446 Annales Dunelmenses 498 Annales Egmundani 251 Annales Einsidlenses ad a. 874 568 ad a. 913 487 ad a. 942 680 ad a. 958 693, 696 ad a. 993 492 Annales Elmarenses ad a. 784 691 ad a. 806 240 ad a. 807 206, 240 ad a. 812 207 ad a. 912 105 ad a. 1000 289 ad a. 1002 437 ad a. 1009 219 ad a. 1014 310 ad a. 1022 220 ad a. 1026 290 ad a. 1033 222 ad a. 1036 223

ad a. 1038 223 ad a. 1042 190, 456 ad a. 1043 456 ad a. 1066 109 ad a. 1081 291 ad a. 1093 224 ad a. 1094 446 Annales Elnonenses 69, 289 Annales Elnonenses maiores 513, 533, 573 Annales Elnonenses minores 266 Annales ex annalibus Iuvanensibus 426 Annales Farfenses 489 Annales Flaviniacenses ad a. 711 452 ad a. 764 205 ad a. 777 453 ad a. 786 691 ad a. 788 238 ad a. 790 599 ad a. 795 239 ad a. 797 526 ad a. 803 239 ad a. 849 284 Annales Floreffienses 47 ad a. 941 137 ad a. 979 188 ad a. 998 143 ad a. 1000 289, 716 ad a. 1006 81, 620 ad a. 1044 622 ad a. 1066 109 ad a. 1097 146 Annales Floriacenses ad a. 849 284 ad a. 864 129 ad a. 878 212, 244 ad a. 905 135 ad a. 956 166, 187, 215, 246 ad a. 1003 437, 494 Annales Floriacenses breves 249, 437 Annales Formoselenses 47 ad a. 806 181 ad a. 849 284 ad a. 860 483 ad a. 861 605 ad a. 868 608 ad a. 1014 310, 311 ad a. 1066 109 ad a. 1071 501

Index | 951

ad a. 1077 507 ad a. 1081 396 ad a. 1089 667 ad a. 1093 225 ad a. 1097 146 Annales Fuldenses ant. 473 Annales Fuldenses cont. 431 f. Annales Fuldenses 48 ad a. 663 200 ad a. 764 472 ad a. 772 525 ad a. 801 282 ad a. 812 207 ad a. 817 125, 208, 241 ad a. 818 208 ad a. 820 363, 676 ad a. 823 283, 364, 648 ad a. 824 480 ad a. 827 181 ad a. 829 283 ad a. 832 209, 741 ad a. 837 104, 284 ad a. 838 284 ad a. 839 127, 152, 481, 724 ad a. 840 182, 724 ad a. 841 128 ad a. 842 243 ad a. 850 604, 735 f. ad a. 851 750 ad a. 855 153, 285, 366 f. ad a. 857 367 ad a. 858 285 ad a. 859 285 ad a. 860 483, 543 ad a. 867 286 ad a. 868 129, 428, 606 f., 742 ad a. 870 184, 286, 527, 608, 678 ad a. 872 57, 286, 369, 563 ad a. 873 565 ad a. 874 485, 569, 650, 740, 742 ad a. 875 132, 430 ad a. 877 650 ad a. 878 610, 678 ad a. 880 485, 486, 610 ad a. 881 486, 610 ad a. 882 28, 133, 370, 611, 651, 742 ad a. 883 286, 300 ad a. 886 430 ad a. 887 678

ad a. 889 370, 432, 611 f., 651 ad a. 893 486, 700 ad a. 894 370 ad a. 895 486, 612 ad a. 896 371, 679 Annales Gradicenses 188, 612, 617, 693, 696 Annales Guelferbytani 473 Annales Heremi 1 487, 568 Annales Heremi 2 ad a. 712 452 ad a. 722 706 ad a. 763 471 ad a. 806 240 ad a. 809 240 ad a. 810 207, 240 ad a. 867 286 ad a. 874 568 ad a. 894 245 ad a. 913 487 ad a. 942 681 ad a. 993 492 Annales Hersfeldenses ad a. 709 467 ad a. 711 452 ad a. 729 122 ad a. 733 67 ad a. 764 473 ad a. 839 391 ad a. 865 369 ad a. 866 427 ad a. 867 392 ad a. 872 527, 563 Annales Hildesheimenses 568 ad a. 764 472 ad a. 786 543 ad a. 839 307, 391 ad a. 862. 605 ad a. 865 369, 427, 607 ad a. 867 392, 607 ad a. 868 606, 608 ad a. 872 527 ad a. 873 609, 735 ad a. 975 491 ad a. 987 434, 617 ad a. 988 436, 529, 617 ad a. 990 218, 530 ad a. 993 492, 530, 655 ad a. 994 683

952 | Index

ad a. 1000 716 ad a. 1006 619 ad a. 1016 375 ad a. 1056 624 ad a. 1092 685 ad a. 1094 658 Nr. 42 676 Annales Islandorum Regii 51, 498, 585 Annales Iuvanenses maiores 470 Annales Iuvanenses maximi 470 Annales Iuvanenses minores 471, 691 Annales Latiniacenses 511, 513 Annales Laubacenses 46, 133 Annales Laubacenses cont. 472, 691 Annales Laubienses ad a. 860 677 ad a. 941 137, 614 ad a. 973 529, 616 ad a. 975 491 ad a. 1000 289 ad a. 1006 80, 144, 620 ad a. 1014 310 f. ad a. 1042 377 ad a. 1043 497, 622 ad a. 1066 109 ad a. 1068 444 ad a. 1069 500 ad a. 1077 510, 513 Annales Laureshamenses ad a. 709 467 ad a. 711 452 ad a. 722 706 ad a. 764 472 ad a. 779 598 ad a. 783 526 ad a. 784 420 ad a. 786 180, 205, 692 ad a. 793 599, 600 Annales Laurissenses minores 472 Annales Laurissenses 471 Annales Lausannenses ad a. 827 181 ad a. 840 481 ad a. 845 183 ad a. 868 484 ad a. 1031 248, 621 ad a. 1033 221 Annales Lemovicenses 221, 247, 607 Annales Leodienses

ad a. 941 614 ad a. 975 491 ad a. 1000 289, 716 ad a. 1006 80, 144, 620 ad a. 1013 289 ad a. 1044 622 ad a. 1076 511, 513 Annales Lobbienses 282, 516, 614, 648, 674 Annales Lugdunenses 182 Annales Lundenses ad a. 537 198 ad a. 540 198 ad a. 664 200 ad a. 696 235 ad a. 701 362 ad a. 715 178 ad a. 733 203 ad a. 736 237 ad a. 762 470 ad a. 786 691 ad a. 796 263 ad a. 811 479 ad a. 822 604 ad a. 848 604 ad a. 849 604, 677 ad a. 1075 291 Annales Magdeburgenses ad a. 784 419 ad a. 874 568 ad a. 876 429 ad a. 975 491 ad a. 1040 441 f. ad a. 1094 446 Annales Marchianenses 81, 620 Annales Masciacenses 618 Annales Maximiniani ad a. 764 472 ad a. 793 454 ad a. 801 282 ad a. 803 283 ad a. 810 676 Annales Mellicenses 598 Annales Mettenses 420 Annales Mettenses Priores, 69, 452, 525 Annales monasterii de Bello 291 Annales monasterii de Bermundeseia 446, 457, 515 Annales monasterii de Waverleia 457, 485 Annales Mosellani

Index | 953

ad a. 711 452 ad a. 764 472 ad a. 778 281 ad a. 779 598 ad a. 783 526 ad a. 784 420 ad a. 791 599 ad a. 792 599, 734 ad a. 793 526 Annales Mosomagenses ad a. 1005 219, 347 ad a. 1006 70, 160 ad a. 1066 70 ad a. 1077 507 ad a. 1078 514 Annales Nazariani 452, 467, 472, 706 Annales necrologici Fuldenses 219, 530 Annales Nivernenses ad a. 891 700 ad a. 1033 222 ad a. 1044 223 ad a. 1056 249 ad a. 1079 291 ad a. 1098 192 Annales Osterhovenses 578 Annales Ottenburani ad a. 786 543, 691 ad a. 787 205 ad a. 803 283 ad a. 825 365 ad a. 988 436, 529 ad a. 958 693, 696 ad a. 988 617 ad a. 1016 375 f., 439 ad a. 1021 290 ad a. 1040 442, 456 ad a. 1083 533 ad a. 1094 446 ad a. 1095 446 Annales Palidenses, 33 570 Annales Parchenses 47 ad a. 941 137, 143, 614 ad a. 1000 289, 716 ad a. 1006 81, 619 ad a. 1044 622 ad a. 1066 109 ad a. 1097 146 Annales Patherbrunnenses 508, 513 Annales Petaviani 124, 263, 452, 706

Annales Pisani 627 Annales Placentini 533 Annales Polonorum 215 Annales Pragenses 138 Annales Prioratus de Wigornia 456 Annales Prumienses 246, 568 Annales Quedlinburgenses 50, 568 ad a. 873 609, 735 ad a. 839 307 ad a. 912 105 ad a. 984 142, 149 ad a. 987 434 ad a. 988 436, 529, 617 ad a. 989 106, 530, 682 ad a. 990 219 ad a. 993 190 ad a. 994 492, 531, 618, 683 ad a. 995 493, 684 ad a. 998 167, 289 ad a. 1004 375, 395 ad a. 1008 81 ad a. 1009 438, 495, 655 ad a. 1010 144 ad a. 1011 375, 395, 496, 656 ad a. 1012 289, 585 ad a. 1013 300, 309, 438 ad a. 1014 310 ad a. 1016 376, 439 ad a. 1020 266, 440 Annales Ratisbonenses 247 f., 570 Annales regni Francorum ad a. 763 41, 471 ad a. 764 205 ad a. 772 525 ad a. 776 124 ad a. 784 420 ad a. 785 419 ad a. 791 674 ad a. 793 363, 453 f. ad a. 800 516 ad a. 803 283 ad a. 807 256 ad a. 808 516 ad a. 810 675, 760 ad a. 815 283, 422, 479 ad a. 820 28, 242, 422, 676 ad a. 821 480 ad a. 822 297 ad a. 823 364, 401

954 | Index

ad a. 824 365, 480, 604 ad a. 827 181 ad a. 828 242 ad a. 829 390 Annales regum Sangallenses 210 Annales Remenses et Colonienses ad a. 975 491 ad a. 979 188 ad a. 989 530 ad a. 1000 715 ad a. 1005 144 ad a. 1006 619 ad a. 1009 219 ad a. 1017 145 ad a. 1023 221 ad a. 1039 167 ad a. 1047 498 ad a. 1066 111 ad a. 1077 512 f. ad a. 1093 157 Annales Rosenveldenses 158, 224, 658, 685 Annales Rotomagenses ad a. 763 470 ad a. 768 687, 690 ad a. 799 282 ad a. 822 604 ad a. 866 607 ad a. 871 392 ad a. 1065 108 ad a. 1076 291 ad a. 1099 457 ad a. 1103 685 Annales S. Albani Moguntini ad a. 914 136 ad a. 952 70, 166 ad a. 960 694, 696 ad a. 963 172 ad a. 972 171, 188 ad a. 1020 290 ad a. 1021 656 ad a. 1034 222 ad a. 1044 497, 684 ad a. 1054 624 ad a. 1066 110 ad a. 1077 507 ad a. 1083 658 ad a. 1092 658, 685 ad a. 1093 225 ad a. 1094 658

ad a. 1099 657, 660 Annales S. Amandi breves 205–207, 242 Annales S. Amandi brevissimi 204 f., 470, 691 Annales S. Amandi continuatio altera 691 Annales S. Amandi continuatio 472 Annales S. Benigni Divionensis ad a. 786 209, 691 ad a. 822 604 ad a. 868 608 ad a. 869 649, 677 ad a. 871 392 ad a. 873 565 ad a. 878 212 ad a. 957 693, 696 ad a. 961 215 ad a. 989 106, 683 ad a. 1003 144 ad a. 1033 222 ad a. 1064 108 ad a. 1078 251, 379 Annales S. Blasii 191, 225, 252 Annales S. Bonifacii 139, 614 Annales S. Columbae Senonenis ad a. 868 130, 607 ad a. 909 135 ad a. 910 613 ad a. 919 185 ad a. 928 373 ad a. 937 186 ad a. 1077 510, 513, 533, 702 ad a. 1097 534 Annales S. Dionysii Remenses ad a. 791 372, 599 ad a. 873 484, 572, 678 ad a. 965 374 ad a. 1066 109 ad a. 1067 500 ad a. 1096 158 Annales S. Edmundi ad a. 562 276 ad a. 669 645 ad a. 763 470, 473 ad a. 799 282 ad a. 822 604 ad a. 868 608 ad a. 869 608 ad a. 874 569 ad a. 1091 397

Index | 955

Annales S. Emmerammi maiores 364, 470, 481, 526 Annales S. Emmerammi minores 285 f. Annales S. Germani minores 111, 372, 599, 613, 622 Annales S. Iacobi Leodiensis 146, 219, 445, 667 Annales S. Maximini Treverensis 187, 198, 264 Annales S. Michaelis Babenbergensis 507 Annales S. Nazarii 171, 347 Annales S. Pauli Virdunensis 109 Annales S. Petri Catalaunenses 108, 507 Annales S. Quintini Veromandensis 154, 487, 600, 614 Annales S. Stephani Frisingenses 290 Annales S. Trudperti 568 Annales S. Victoris Massilienses 691 Annales Salisburgenses 427 Annales Sanctae Columbae Senonensis 183 Annales Sancti Amandi 422, 478 Annales sancti Emmerammi maiores 604 Annales Sangallenes Baluzii 478 Annales Sangallenses breves 467, 473, 691 Annales Sangallenses maiores ad a. 712 452 ad a. 722 706 ad a. 764 473 ad a. 764 472 ad a. 779 598 ad a. 867 286 ad a. 868 130 ad a. 875 131 ad a. 902 69, 286 ad a. 911 105 ad a. 913 487 ad a. 940 614 ad a. 941 680 ad a. 944 287 ad a. 945 489 ad a. 959 615 ad a. 975 141 ad a. 989 106, 683 ad a. 995 493, 531 ad a. 1006 80, 82 ad a. 1007 655 Annales Sithienses ad a. 764 472 ad a. 787 205

ad a. 793 454 ad a. 801 282 ad a. 806 240 ad a. 810 207, 240 ad a. 817 125, 208, 241 ad a. 818 208 ad a. 820 242 Annales St. Albani Moguntini 130, 515 Annales St. Qintini Veromandensis 487 Annales Stabulenses ad a. 540 198 ad a. 760 204 ad a. 764 205 ad a. 788 205 ad a. 807 206 ad a. 812 207 ad a. 820 242 ad a. 872 429, 484, 563 ad a. 974 491 Annales Stadenses 447 Annales Tielenses 204, 307 Annales Tiliani 525 Annales Vedastini 46, 212, 431, 568, 572, 612 Annales Veronenses breves 627 Annales Weingartenses 130, 284, 286 Annales Weissenburgenses ad a. 711 452 ad a. 722 706 ad a. 728 122 ad a. 763 470 f. ad a. 764 472 ad a. 766 469 f. ad a. 786 692 ad a. 787 205 ad a. 807 648 ad a. 808 675 ad a. 829 181 ad a. 846 183 ad a. 860 483, 677 ad a. 958 693, 696 ad a. 1066 110 ad a. 1068 443, 625 ad a. 1069 500 f., 625 Annales Wintonienses ad a. 806 264 ad a. 972 616 ad a. 975 141 ad a. 976 616

956 | Index

ad a. 1023 221 cont. 483 Annales Xantenses 48 ad a. 654 164 ad a. 763 470, 478 ad a. 808 516 ad a. 810 207, 479, 676 ad a. 813 479 ad a. 831 242 ad a. 832 243 ad a. 834 423 ad a. 835 243 ad a. 836 181 ad a. 837 104, 390 ad a. 838 126, 181, 284, 366, 390 ad a. 839 182, 308 ad a. 840 182, 724 ad a. 842 128 ad a. 848 366 ad a. 850 366, 426 ad a. 852 527, 605 ad a. 853 605 ad a. 857 649, 665 ad a. 860 369 ad a. 861 483 ad a. 862 516 ad a. 863 369, 427 ad a. 864 427 ad a. 865 244 ad a. 868 164, 264, 428, 736, 761 ad a. 869 69, 130, 606 ad a. 872 57, 563 ad a. 873 428, 484, 566 Annales Yburgenses ad a. 829 284 ad a. 838 126, 182, 284 ad a. 839 307, 391 ad a. 1076 508, 513 ad a. 1077 250 ad a. 1083 533 Annalium Alamannicorum cont. Sangallensis prima 130, 286, 677 Annalium Alamannicorum cont. Sangallensis tertia ad a. 882 244 ad a. 891 133 ad a. 893 244 ad a. 894 245 ad a. 895 370

ad a. 902 286 Annalium Iuvavensium maiorum 470 Annalium Laubiensium cont. 625 Annalium Laureshamensium 281, 420 Annalium Leodiensium cont. 109, 146 Annalium Petavianorum cont. 472, 478 Annalium Ratisponensium 247, 570 Annalium Salisburgensium 401, 600, 693 Annalium veterum fragmenta 283 Annals of Clonmacnoise ad a. 512 197 ad a. 543 588 ad a. 546 633 ad a. 564 386 ad a. 569 634 ad a. 587 465 ad a. 588 465 ad a. 589 521 ad a. 601 277 ad a. 617 116 ad a. 658 388 ad a. 664 178, 200, 645 ad a. 670 234 ad a. 673 118 ad a. 678 645 ad a. 680 388 ad a. 687 235 ad a. 688 542 ad a. 689 202 ad a. 691 388 ad a. 694 673 ad a. 695 594, 673, 734 ad a. 711 178 ad a. 719 522 ad a. 725 236 ad a. 734 164 ad a. 744 468 ad a. 749 237 ad a. 756 596, 707 ad a. 759 524, 596, 707 ad a. 770 674 ad a. 772 597, 674 ad a. 783 389, 647 ad a. 801 283, 363 ad a. 803 648 ad a. 807 240 ad a. 819 479 ad a. 833 707 ad a. 863 544

Index | 957

ad a. 902 265 ad a. 917 651 ad a. 933 338, 347 ad a. 934 489, 529, 744 ad a. 947 653 ad a. 955 490, 682 ad a. 981 394, 682 ad a. 984 394 ad a. 989 751 ad a. 1009 620 ad a. 1011 144 ad a. 1014 401 ad a. 1022 377, 496 ad a. 1037 377 ad a. 1038 707 ad a. 1044 657 ad a. 1076 626 ad a. 1094 660 Annals of Inisfallen ad a. 591 521 ad a. 594 199 ad a. 612 361 ad a. 619 277 ad a. 780 477 ad a. 917 679 ad a. 919 613 ad a. 937 393 ad a. 985 707 ad a. 1005 619 ad a. 1011 707 ad a. 1012 621 ad a. 1023 220, 532 ad a. 1045 623 ad a. 1047 498 ad a. 1057 684 ad a. 1064 753 ad a. 1068 753 ad a. 1072 753 ad a. 1093 753 ad a. 1096 753 Annals of Loch Cé ad a. 1018 145 ad a. 1021 402 ad a. 1023 220, 248 ad a. 1037 396 ad a. 1044 752 ad a. 1047 498 ad a. 1053 752 ad a. 1066 708

ad a. 1091 708 ad a. 1093 708 ad a. 1094 627 ad a. 1095 515, 685 ad a. 1097 708 ad a. 1099 628 Annals of the kingdom of Ireland ad a. 664 200 ad a. 684 672 ad a. 690 542 ad a. 744 388 ad a. 759 400, 596 ad a. 905 265 ad a. 918 455 ad a. 932 373 ad a. 939 489 ad a. 940 455 ad a. 949 653 ad a. 960 374 ad a. 963 615, 737 ad a. 969 265 ad a. 986 395, 655, 682 ad a. 990 395, 456 ad a. 992 189 ad a. 1011 655 ad a. 1008 495 ad a. 1022 377 Annals of Tigernach ad a. 518 274 ad a. 587 521 ad a. 590 198 ad a. 612 116 ad a. 616 277 ad a. 673 234, 262 ad a. 684 388 ad a. 688 202 ad a. 691 235 ad a. 692 542 ad a. 699 673 ad a. 700 646, 673, 734 ad a. 701 673 ad a. 713 522 ad a. 719 452 ad a. 733 236 ad a. 734 236 ad a. 747 468, 523 ad a. 752 237 ad a. 761 238, 469 ad a. 762 179

958 | Index

ad a. 763 204, 473 ad a. 764 524, 548 ad a. 1023 220, 248 ad a. 1045 623 ad a. 1054 88 ad a. 1066 108 Annals of Ulster ad a. 618 277 ad a. 700 646, 734 ad a. 748 523 ad a. 749 388 ad a. 762 238 ad a. 773 526 ad a. 777 389 ad a. 779 389 ad a. 786 389 ad a. 892 393 ad a. 912 105, 487 ad a. 917 136 ad a. 921 245 ad a. 941 489 ad a. 951 681 ad a. 968 751 ad a. 993 492, 683 ad a. 664 278 ad a. 1010 531 ad a. 1018 145 ad a. 1023 220, 248 ad a. 1029 752 ad a. 1037 396 ad a. 1047 498 ad a. 1050 752 ad a. 1053 752 ad a. 1059 752 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum 330 Arnulf von Mailand, Liber gestorum recentium 495, 506 Arnulfi Gesta 69, 578 Astronomus, Vita Hludowici 55, 75 c. 7 601 c. 10 749 c. 13 744 c. 26 479 c. 27 5, 125, 241 c. 29 399 c. 31 208 c. 37 283, 364, 761 c. 41 181 c. 42 242, 401

c. 43 283 c. 47 365 c. 51 424 c. 55 648 c. 56 649 c. 58 102, 712, 724 c. 59 126 c. 62 210, 724 Auctarium Sithiense 206, 240, 242 Balduini Ninovensis Chronicon 396, 514 Bar Hebraeus, Chronography 561 Bartholomaeus de Cotton, Historia Anglicana 151, 457 Beda Venerabilis Chronica 70, 641 De Natura rerum 94 f., 353 Historia ecclesiastica gentis Anglorum c. 2, 13 71 c. 3, 11 177 c. 3, 13 643 c. 3, 23 643 c. 3, 27 200, 643 c. 3, 30 644 c. 4, 1 644 c. 4, 3 67, 69 c. 4, 12 118 c. 4, 13 594 c. 4. 13 595 c. 5, 23 122 c. 5, 24 123, 197 f., 200, 644 Continuatio Bedae ad a. 733 203 ad a. 734 237 ad a. 737 523 ad a. 741 523 ad a. 743 237 ad a. 753 204 ad a. 759 647 Benedicti Chronicon 165, 615 Bernold von St. Blasien, Chronik ad a. 579 411 ad a. 580 175 ad a. 593 521, 560 ad a. 594 521 ad a. 961 172 ad a. 1062 145, 290, 444, 624 ad a. 1066 111 ad a. 1068 28, 378, 444

Index | 959

ad a. 1077 510, 513 ad a. 1085 380, 444, 626, 738 ad a. 1090 627, 630 ad a. 1091 545 ad a. 1092 301, 548, 627, 746 ad a. 1093 157, 225 ad a. 1094 585, 659, 728 ad a. 1098 191 Berthold von Reichenau, Chronik 233 ad a. 1056 624 ad a. 1057 403, 701 ad a. 1058 403 ad a. 1059 657, 685 ad a. 1060 624, 657, 702 ad a. 1061 624 f. ad a. 1062 290, 658 ad a. 1063 500, 685, 702 ad a. 1068 378 ad a. 1070 378 ad a. 1073 378 ad a. 1076 503, 507, 513 ad a. 1077 514 ad a. 1079 379 Bibel (Altes und Neues Testament) 1. Kg 19,11 385 1. Mose 22,1 736 1. Mose 37 792 2. Mose 9,2 669 2. Mose 9,10 630 2. Mose 9,13 356 2. Mose 10,3 553 2. Mose 10,13–15 550 2. Mose 10,22 193 2. Mose 22,31 731, 737 3. Mose 19,15 554 3. Mose 22,8 731 3. Mose 26,29 736 5. Mose 14,21 731 5. Mose 28,21 726 2. Petr. 3,12 67 2. Sam 18 554 2. Sam 21,1 519 2. Tim 4,1 67 Dtn 33,26 519 Ex 7,20 537 Ex 9,22 382 Ex 9,23 352 Ex 14,21 387, 416 Gen 7,10 407, 408

Gen 9,13 330 Hab 3,17 521, 664, 671 Jer 4,10 640 Jer 9,23 649 Jer 10,2 102 Jer 15,8 578 Jer 19,7 734 Jer 29,17 726 Joel 1,2 553 Joel 1,4 578 Joel 2,1 555 Joel 2,10 68 Joel 3,3 68 Joh 13,18 216, 329 Klgl 2,20 734 Lk 2,1 761 Lk 21,11 69 Lk 21,25 1, 69, 70, 440 Mk 13,8 69 Mk 13,22 664 Mk 15,33 775 Mt 2,1 92 Mt 2,2 96, 104 Mt 2,9 92 Mt 5,45 381, 783 Mt 13,22 591 Mt 16,1 71 Mt 24,7 69, 591, 664 Mt 24,8 591, 664 Mt 24,29 70 Mt 26,14 297 Mt 27,51 777 Mt 28,2 69 Offb 6,1 553 Offb 8,5 742 Offb 8,7 382, 742 Offb 8,8 312, 742 Offb 8,10 70, 160, 742 Offb 8,12 742 Offb 9,1 553, 742 Offb 9,3 550 Offb 9,7 567 Offb 9,13 742 Offb 9,15 740 Offb 11,15 382 Offb 11,19 273, 742 Offb 12,1 273 Offb 12,3 70 Ps 17,8 69, 273

960 | Index

Ps 17,12 69, 428 Ps 17,14 66, 69 Ps 17,15 67, 69 Ps 43,1 554 Ps 74,9 288 Ps 76,18 353 Ps 80,15 554 Ps 104,28 553 Sir 25,24 260 Weish. 16,15 758 Breve Chronicon S. Florentii Salmurensis ad a. 800 282 ad a. 868 130, 608 ad a. 874 131, 211 f. ad a. 942 138, 681 ad a. 966 585 ad a. 969 585 ad a. 992 143, 530 ad a. 1085 627 Briefe Karl d. Gr. an Bf. Ghaerbald 602, 759 Papst Zacharis an Bonifatius 674 Bonifatius Nr. 26 758 Bonifatius Nr. 28 758 Bonifatius Nr. 87 759 Bonifatius und Lullus Nr. 116 471 Bonifatius und Lullus Nr. 118 473 Briefsammlung Gerberts von Reims 435 Brunwilarensis Monasterii Fundatorum actus, Nr. 35 443 Capitula missorum 423, 455, 596, 602, 730 Capitulare de villis, 69 583 Carmina Fredigardi, 73 183 Cassius Dio 93 Cassiodorus, Variae 71, 319, 326, 333, 344, 520 Catalogus regum Langobardorum 134, 432, 571 Chronica Albrici 435, 445 f. Chronica pontificum Basileensia 185, 532 Chronica Rainaldi archidiaconi S. Mauricii ad a. 861 183 ad a. 868 130, 564, 735 f. ad a. 875 131, 609 ad a. 892 528 ad a. 942 138 ad a. 945 187 ad a. 806 264

ad a. 809 206 ad a. 868 609 ad a. 875 212 ad a. 943 681 ad a. 1043 622 ad a. 1067 112 ad a. 1083 292 Chronica regia Coloniensis 172 Chronica S. Benedicti 133, 391, 526, 576 Chronica S. Petri Erfordensis moderna 218 Chronicae S. Albini Andegavensis ad a. 1043 622 ad a. 1077 250, 267 ad a. 1082 291 ad a. 1095 157 ad a. 1096 252 ad a. 1097 146 ad a. 1099 192, 292 Chronicle of 754 c. 24 199 c. 37 593 c. 41 645 c. 65 204 c. 92 263, 595 Chronicle of Aethelward ad a. 538 197 ad a. 540 198 ad a. 664 200 ad a. 671 672 ad a. 688 100, 121 ad a. 729 122 ad a. 734 237 ad a. 772 180, 263 ad a. 827 242 Chronicle of Ireland 52 ad a. 592 199 ad a. 611 361 ad a. 614 116 ad a. 664 178 ad a. 670 467 ad a. 674 234, 262 ad a. 676 118 ad a. 685 278 ad a. 692 235 ad a. 699 673 ad a. 700 673 ad a. 701 673 ad a. 707 279 ad a. 708 673

Index | 961

ad a. 718 236 ad a. 720 452 ad a. 721 279 ad a. 730 279 ad a. 740 279 ad a. 748 468 ad a. 762 179, 469 ad a. 764 473, 548 ad a. 765 263 ad a. 769 281 ad a. 773 238 ad a. 786 453 ad a. 788 238 ad a. 857 392 ad a. 868 392 ad a. 890 184 ad a. 900 371, 679 ad a. 909 679 Chronicle of Marcellinus 42 Chronicle of Zuqnin 561 Chronicon Aquitanicum 210 Chronicon Fontanellense 128 Chronicon Laureshamense 68, 434 Chronicon Laurissense breve 478, 543, 676, 692 Chronicon Moguntinum 706 Chronicon Moissiacense ad a. 711 452 ad a. 752 596 ad a. 762 469 ad a. 778 281 ad a. 784 420 ad a. 786 692 ad a. 793 600 ad a. 809 675 Chronicon pontificum et imperatorum Basileensia 87 Chronicon S. Florentii Salmurensis 622 Chronicon S. Huberti Andaginensis 533 Chronicon S. Sergii Andegavensis ad a. 1044 622 ad a. 1066 109 ad a. 1067 112 ad a. 1095 157 ad a. 1098 191 Chronicon Salernitanum 124, 577 Chronicon Sampetrinum 224, 292, 515 Chronicon Suevicum universale ad a. 910 105

ad a. 940 137, 489, 680 ad a. 950 166, 693, 696 ad a. 960 171, 215, 217 ad a. 970 188 ad a. 980 616 ad a. 987 617 ad a. 1005 618 ad a. 1021 290 ad a. 1039 223 ad a. 1043 377 Chronicon Thomae Wykes 508 Chronicon Universale 452 Chronicon Vedastinum 46 Chronicon Vindocinense seu de Aquaria ad a. 806 264 ad a. 809 206 ad a. 861 183 ad a. 873 130, 565, 609, 735 ad a. 875 131, 609 ad a. 877 212 ad a. 892 528 ad a. 942 138 ad a. 943 681 ad a. 944 701 ad a. 965 584 ad a. 1042 622 ad a. 1067 112 ad a. 1075 250 ad a. 1095 158 Chronicum Scotorum ad a. 507 56, 356 ad a. 507 197 ad a. 541 633 ad a. 588 521 ad a. 590 198 ad a. 611 361 ad a. 625 345 ad a. 660 177, 200 ad a. 661 642 ad a. 664 278 ad a. 670 234, 262 ad a. 673 118 ad a. 676 645 ad a. 679 645 ad a. 681 278 ad a. 685 202, 388 ad a. 688 235 ad a. 689 542 ad a. 696 467, 646, 673, 734

962 | Index

ad a. 704 673 ad a. 705 646 ad a. 710 178 ad a. 714 400, 522 ad a. 716 362, 452 ad a. 804 363 ad a. 807 240 ad a. 811 543 ad a. 814 648 ad a. 816 390 ad a. 822 480 ad a. 823 365 ad a. 825 648 ad a. 856 483 ad a. 857 368 ad a. 865 211, 244 ad a. 868 455 ad a. 878 212, 370, 544 ad a. 885 213 ad a. 887 401 ad a. 892 393 ad a. 898 544 ad a. 899 371, 612 ad a. 906 651 ad a. 909 265 ad a. 911 265 ad a. 916 487 ad a. 933 652 ad a. 939 214, 347 ad a. 940 489 ad a. 944 265 ad a. 946 401 ad a. 959 682 ad a. 961 682 ad a. 962 615 ad a. 964 490, 615 ad a. 978 751 ad a. 985 654, 682 ad a. 990 752 ad a. 991 655 ad a. 994 752 ad a. 1004 619 ad a. 1006 619 ad a. 1008 495 ad a. 1013 395, 752 ad a. 1015 653 ad a. 1021 220, 248, 401 ad a. 1023 221 ad a. 1027 752

ad a. 1030 377 ad a. 1042 656 ad a. 1045 498, 623 ad a. 1052 402 ad a. 1058 708 ad a. 1059 657 ad a. 1063 108 ad a. 1073 626 ad a. 1081 658 ad a. 1085 396 ad a. 1091 534 ad a. 1093 708 ad a. 1094 515, 708 Chronik von Montecassino 328, 330 c. 1, 27 526 c. 2, 11 288 c. 2, 61 330 c. 3, 23 111 c. 3, 40 291 Chronicon Wirziburgense 612, 624 Chronique de Michel le Syrien 561 Chronique de Saint-Maixent 44 ad a. 840 210 ad a. 844 129, 735 ad a. 875 211, 228 ad a. 876 131, 212, 610 ad a. 879 211 ad a. 892 134, 486, 528, 700 ad a. 943 681 ad a. 944 701 ad a. 968 375 ad a. 1044 622 ad a. 1062 250 ad a. 1066 109 ad a. 1067 112 ad a. 1071 250 ad a. 1082 251 ad a. 1083 291 ad a. 1085 577 ad a. 1095 157, 534 ad a. 1096 268 ad a. 1097 146, 292, 628 ad a. 1098 191, 252 ad a. 1100 159, 703 ad a. 1102 708 Cicero 488, 540, 745 Codex Carolinus 471 Corveyer Annalen 570

Index | 963

Cosmas von Prag, Chronica Boemorum 323, 534, 622, 650, 657 Cronica Apostolicorum et imperatorum Basileensia 222, 247, 248, 620 Cronica fratris Salimbene de Adam ordinis Minorum 706 Decretum Vermeriense, Nr. 16 596 Einhard Epistulae, Nr. 40 103 Vita Caroli magni 5, 55, 124, 256, 385, 723 f., 755 Ekkehard, Chronicon universale 569 ad a. 899 612 ad a. 988 435 ad a. 1044 497 ad a. 1094 447 ad a. 1096 172 ad a. 1097 447, 516, 708 ad a. 1099 69 ad a. 1117 273 Ekkehard, Casuus s. Galli Cont. 341, 394, 651 Epistola Richolfi archiepiscopi ad Eginonem 760 Erchemperti Historia Langobardorum Beneventanorum 577 Eugippius, Vita Severini 54, 463, 495, 557 Ex Andreae Marchianensis Historia Regum Francorum 311 Ex Annalibus Islandicis 569, 615 Ex Chronici Veteris Excerpto 439 Ex Henrici Huntingdoniensis Archidiaconi historia Anglorum 693 Ex Historiae Franciae Fragmento 494 Ex Miraculis S. Veroli Presbyteri 532 Ex miraculis Sancti Symeonis 441 Ex Odonis Miraculis S. Mauri 424 Ex Radulfi abbatis de Coggeshale Historia Anglicana 541 Ex Summa Honorii 171, 490, 544, 678 Ex Theodrici historia de antiquitate Regum Norwagiensium 577 Excerpta ex Agnelli Libro Pontificali ecclesiae Ravennatis 174 Excerpta Sangallensia 673 Fasti Vindobonensis priores 672

Flavius Josephus de bello judaico 104 Flodoard von Reims, Annales 45 ad a. 919 371, 701 ad a. 920 707 ad a. 921 372, 528 ad a. 922 265, 287 ad a. 923 750 ad a. 924 652 ad a. 926 245 ad a. 927 186, 372, 652 ad a. 928 373, 701 ad a. 930 186 ad a. 934 155, 186, 652 ad a. 936 246, 614, 680 ad a. 937 186 ad a. 939 751 ad a. 940 187 ad a. 942 614, 681 ad a. 944 394 ad a. 945 139, 665 ad a. 946 490, 745 ad a. 947 394 ad a. 954 653 ad a. 956 653 ad a. 957 188 ad a. 964 490 ad a. 966 433 ad a. 947 287 ad a. 977 701, 707 Historia Remensis Ecclesiae, 1, 21 528 Florentii Wigorniensis Chronicon 28, 403 Flores historiarum 446, 455 Flores temporum 544 Florus von Lyon, Carmina, Nr. 28 128 Folcuini gesta abbatum Lobiensium 373 Folcwini Gesta Abbatum S. Bertini Sithiensium 131, 133, 527, 570 Fragmentum Chronici Fontanellensis ad a. 842 182, 183, 284, 649, 677 ad a. 843 183 ad a. 848 183 ad a. 849 366, 426, 482 Fredegar, Chronik c. 2, 27 322 c. 2, 56 464 c. 3, 80 259 c. 3, 82 412 c. 3, 88 73 c. 4, 5 163, 413, 520

964 | Index

c. 4, 11 234 c. 4, 15 116 c. 4, 17 642 c. 4, 19 151 c. 4, 74 747 c. 6, 13 198 Cont. 24 69 Frotharii ep. Tullensis epistolae 584 Fulcher von Chartres, Historia, 60, 2 554 Fundatio monasterii Heinigensis 288 George Cedrenus, Σύνοψις ἱστορίων 332 Gerhardi Vita S. Oudalrici episcopi 433 Gesetze der Angelsachsen 654 Gesta episcoporum Cameracensium 156, 167, 532 Gesta episcoporum Lausannensium 538 Gesta episcoporum Neapolitanorum 119 Gesta Treverorum cont. 441 Gottfried von Viterbo, Pantheon 323 Gregor von Tours De cursu stellarum ratio 94, 322 Liber vitae partum 582 Libri historiarum 43, 44 c. 2, 24 591 c. 2, 34 274, 357 c. 3, 13 357 c. 3, 28 357 c. 3, 37 464 c. 4, 9 259 c. 4, 16 358 c. 4, 20 554 c. 4, 31 94, 114, 174, 260, 296, 635 c. 4, 34 358, 360 c. 4, 51 162 c. 5, 17 276 c. 5, 23 233, 260, 269, 305 c. 5, 33 162, 276, 359, 411 c. 5, 34 636 c. 5, 39 637 c. 5, 41 115, 175, 234, 386, 581, 637 c. 5, 51 411 c. 6, 14 115, 175, 541, 545, 637, 638 c. 6, 21 73, 116, 234, 276, 581 c. 6, 25 163, 412 c. 6, 26 413 c. 6, 31 671 c. 6, 33 175, 559 c. 6, 44 558, 699

c. 6, 45 748 c. 7, 1 638 c. 7, 21 748 c. 7, 22 748 c. 7, 45 590 c. 8, 8 175 c. 8, 17 176, 713 c. 8, 23 413 c. 8, 24 176 c. 8, 25 548 c. 8, 30 749 c. 8, 33 387, 582 c. 8, 39 638 c. 8, 42 520 c. 9, 5 177, 276, 413, 521, 582, 688, 721, 725, 727 c. 9, 13 638 c. 9, 17 359, 466, 699 c. 9, 20 639 c. 9, 21 639, 757 c. 9, 22 640 c. 9, 40 466 c. 9, 44 414 c. 10, 1 640 f. c. 10, 3 641 c. 10, 4, 20 114 c. 10, 9 392, 719 c. 10, 19 415 c. 10, 23 177, 198, 277, 415, 641 c. 10, 25 582, 591, 664 c. 10, 29 360 c. 10, 30 360 f., 417, 521, 664, 672, 757 Guidonis Chronica 244 Heirici monachi S. Germani Autisi odorensis Annales breves 131, 136, 165, 570 Hermann von Reichenau, Chronicon ad a. 501 581 ad a. 536 733 ad a. 564 634 ad a. 567 175 ad a. 568 465 ad a. 570 589 ad a. 579 412 ad a. 580 115, 541 ad a. 581 590 ad a. 593 522 ad a. 684 328 ad a. 822 298 ad a. 855 285

Index | 965

ad a. 873 569 ad a. 877 651 ad a. 886 431 ad a. 896 432 ad a. 912 105 ad a. 940 489, 680 ad a. 942 138, 680 ad a. 951 166 ad a. 958 693, 696 ad a. 961 171 ad a. 968 217 ad a. 971 188 ad a. 987 617 ad a. 1005 618 ad a. 1021 290 ad a. 1030 441 ad a. 1033 221, 496 ad a. 1038 656 ad a. 1039 746 ad a. 1042 746 ad a. 1043 377, 622 ad a. 1044 498, 701 ad a. 1046 657 ad a. 1049 499 ad a. 1051 443 ad a. 1053 623 Hrabanus Maurus Homiliae 232 Liber de computo 95 Hugo von Flavigny, Chronicon 511, 513, 606 Hugonis Opuscula 309 Ibn Faḍlān’s Reisebericht § 14 487 § 49 185 § 63 354, 372 § 72 433 § 96 755 Ingelheim, Gesta synodalia cap. 9 323 Ionae Vitae sanctorum Columbani 344 Isidor von Sevilla De Natura rerum c. 20 195 c. 21 231 c. 26, 13 94 c. 29 354 c. 30 354 c. 33 354

c. 34 463 c. 35 354 c. 36 386 c. 37 385 c. 38 386 Etymologiarum libri c. 3, 58 195 c. 3, 59 231 c. 3, 71, 16 93 c. 12, 8 556 c. 13, 8 355 c. 13, 9 354 c. 13, 22, 1 408 c. 14, 6, 37 320 c. 14, 8, 14 321 Iulius Obsequens, liber prodigiorum 567 Iuniani Iustini 95, 105 Jacobus Malvecius, Chronicon Brixianum 88 Johannes Diaconus, Chronicon venetum 82, 116, 132, 544, 563, 655 Johannes Skylitzes, Byzantinische Geschichte Basileos 23 485 Leon 8 213 Leon 26 135 Leon 28 393 Leon 33 214 Michael 7 605 Michael 15 605 Michael 18 285 Michael der Stammler 7 241 Michael der Stammler 8 479 Rhomanos Lakapenos 15 287 Rhomanos Lakapenos 18 576 Rhomanos Lakapenos 22 468, 488 Rhomanos Lakapenos 27 341 Rhomanos Lakapenos 36 394 Johannes von Biclaro, Chronik 636 Johannes von Damaskus, Expositio fidei 95 Johannes von Ephesus, Kirchengeschichte 636 Johannes Zonaras, Byzantinische Geschichte ad a. 558 436 ad a. 579 456 ad a. 581 576, 621 ad a. 652 708 ad a. 678 658, 717

966 | Index

ad a. 712 626 ad a. 714 626 ad a. 740 292 ad a. 742 578 ad a. 1059 499 ad a. 1048 499 Joshua the Stylite, Chronicle 558 Karoli magni Capitularia, Nr. 48 603 Koran Sure 8, 16 161 Sure 105, 3 162 Kosmographie des Aethicus 323 Lambertus Audomariensis, Chronica 109 Lamberti parvi Annales 110, 146, 289, 623, 716 Lampert von Hersfeld, Annales ad a. 722 706 ad a. 728 122 ad a. 733 203 ad a. 764 472 ad a. 786 692 ad a. 787 205 ad a. 807 648 ad a. 958 693, 696 ad a. 988 529 ad a. 1016 375 f., 439 ad a. 1021 290 ad a. 1069 444, 500, 625, 702 ad a. 1070 378, 702, 708 ad a. 1074 267, 501 ad a. 1075 578 ad a. 1076 505, 509, 513, 702 Lambertus Audomariensis, Chronica 109 Landnámabok 338 f. Landulfi Historia Mediolanensis, 2, 25 577 Lantbert v. Deutz, Vita S. Heriberti 705 Leges Visigothorum, 2, 1, 12 560 Leon Diakonos, Historia 142, 189, 216, 288, 329 f., 375, 490, 725 Letters and Poems of Fulbert 545, 725 Libellus de Adventu Reliquiarium 426 Liber pontificalis 42 c. 54 718 c. 60 588 c. 64 589 c. 65 413 c. 67 592

c. 69 592 c. 79 362 c. 80 119 c. 81 234, 645 c. 82 235 c. 83 99, 121, 327 c. 90 595 c. 91 122, 236, 400, 588, 646 c. 95 524 c. 104 482 Liber sacramentorum Romanae Aeclesiae 353 Liudprand von Cremona Antapodosis 137, 214, 371, 614, 751 Legatio 217, 329 Relatio 375 Livius 504 Lucanus 93, 727 Lucrecius 6, 685 386 Ludovici II. Imperatoris epistola ad Basilium I. Imperatorem Constantinopolitanum missa 556 Marcellinus Comes, Chronicon ad a. 453 161 ad a. 456 556 ad a. 472 325 ad a. 512 174, 197, 326 ad a. 518 275 ad a. 524 588 ad a. 526 275 ad a. 536 520, 634 Marii episcopi Aventicensis chronica 233, 412, 635, 671 Martianus Capella 230 Martin von Troppau, Chronicon 87, 214 Matteo Palmieri, Liber de temporibus 175 Matthaeus Parisiensis 179, 445, 515 MGH D H. IV, Teil 1, Nr. 284 57 D H. I. 24 393 D H. IV. 284 379 D Kar. 1, 239 56 D Kar. 1, 274 57 D Kar. 1, 306 56 D LD 145, 202 57 D Mer. 2, App.+II. 56 D Mer. 2, Dep. 5 56 D O. I. 31 393

Index | 967

Otto von Freising, Chronica 555, 569, 578

ad a. 824 726 ad a. 833 209 ad a. 838 126, 284 ad a. 842 243 ad a. 855 153 ad a. 856 482 ad a. 878 212, 286, 678 ad a. 840 127 ad a. 878 244 Petri Gesta episcoporum Neapolitanorum 571, 589 Plinius, Naturalis historia 353, 540 Poetae Saxonis Annales 420 Prokop, Gotenkriege 323, 327

Papst Leo III., Epistolae, 10, 7 124 Paschale Campanum 197, 325 f. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum c. 1, 6 306 c. 2, 10 465, 706 c. 2, 26 589 c. 2, 4 634, 688 c. 2, 5 174 c. 3, 11 589 c. 3, 23 416 c. 3, 24 762 c. 3, 30 414 c. 3, 31 415 c. 3, 8 465 c. 4, 10 116 c. 4, 14 642 c. 4, 15 151 c. 4, 2 522, 551, 559 c. 4, 29 582, 592, 700 c. 4, 32 98 c. 4, 4 542 c. 4, 45 277, 642 c. 5, 15 362 c. 5, 31 117, 119 c. 6, 4 400 c. 6, 5 201 c. 6, 9 99, 120, 328 c. 6, 47 647 Petri Bibliothecarii historia Francorum ad a. 781 691 ad a. 801 282 ad a. 806 239 ad a. 818 241 ad a. 819 208

Regino von Prüm, Chronicon ad a. 763 471 ad a. 772 525 ad a. 784 420 ad a. 808 516 ad a. 873 567 ad a. 905 135 Reichschronik des Annalista Saxo 40 ad a. 772 525 ad a. 779 598 ad a. 793 600 ad a. 808 516 ad a. 868 608 ad a. 873 609 ad a. 873 735 ad a. 898 612 ad a. 942 605 ad a. 943 614 ad a. 994 618 ad a. 994 683 ad a. 1000 289 ad a. 1009 620 ad a. 1012 585 ad a. 1014 190 ad a. 1077 508, 513 ad a. 1083 533 ad a. 1094 447 ad a. 1097 447, 708 ad a. 1117 273 ad a. 1117 69 Relatio de inventione et elevatione S. Bertini 442 Richer von Saint-Remi, Historiae c. 1, 5 611

Epp. 3, 98 724 Epp. 4, 503 58 Michael Glycas, Annales, 4, 220 475 Miracula S. Cholomanni, 13 532 Monumenta Epternacensia 452 Monumenta Erphesfurtensia 323 Nennius, Historia Brittonum 727 Nikephoros, Opuscula Historica 332 Nithard, Historiarum libri 128, 243, 424 f., 481 f., 526, 676, 721 Notker, Taten Kaiser Karls des Großen 675

968 | Index

c. 1, 46 287 c. 1, 52 246 c. 1, 65 653 c. 2, 5 186 c. 18 751 Rodulfus Glaber, Historiarum libri c. 1, 5, 26 95 c. 3, 3 96 c. 4, 9 222 c. 5, 2 249, 701, 707 c. 5, 3 224 Roger von Wendover, Flores Historiarum 210 Romoald, Annales ad a. 902 154 ad a. 945 615 ad a. 954 544 ad a. 990 143, 288 ad a. 1011 621 ad a. 1034 222 ad a. 1040 622 ad a. 1042 249 ad a. 1066 109 ad a. 1086 88 ad a. 1087 268 ad a. 1088 292 ad a. 1089 251 ad a. 1093 224 ad a. 1094 158, 251 ad a. 1099 252 Romualdi Salernitani Chronicon 618 Rudolf, Gesta abbatum Trudonensium 620 Ruotger, Lebensbeschreibung 727 Ruperti Chronicon 577 Sachsengeschichte des Widukind von Korvei c. 1, 35 488, 745 c. 1, 36 373 c. 1, 38 338, 488 c. 2, 14 373 c. 2, 26 489, 614, 745 c. 2, 27 489 c. 2, 32 5, 138, 340, 341, 433, 680, 726 c. 3, 4 490, 745 c. 3, 11 166 c. 3, 46 374 c. 3, 61 694 c. 3, 62 694 Sanctorum translationes Beneventi factae 496

Sermo de virtute Sancti Constantinii 395 Servati Lupi Epistulae, Nr. 20 105 Sicard von Cremona, Chronica 119 Sigebert von Gembloux, Chronica 157 ad a. 523 334 ad a. 541 114 ad a. 554 465 ad a. 632 117 ad a. 677 118 ad a. 752 164 ad a. 786 543, 691 ad a. 838 126 ad a. 839 153 ad a. 842 128 ad a. 851 604 ad a. 868 130 ad a. 874 544 ad a. 875 485 ad a. 876 132, 429 ad a. 877 678 ad a. 937 340 ad a. 944 139 ad a. 950 287 ad a. 956 140, 693, 696 ad a. 975 491 ad a. 979 189 ad a. 988 435, 529 ad a. 989 436, 530 ad a. 998 335 ad a. 1005 144, 620 ad a. 1006 619 ad a. 1009 219 ad a. 1013 289 ad a. 1017 145 ad a. 1022 532 ad a. 1023. 221 ad a. 1033 222 ad a. 1039 167 ad a. 1044 623 ad a. 1047 498 ad a. 1063 716 ad a. 1066 111 ad a. 1069 444, 500 ad a. 1073 717 ad a. 1076 511, 513, 717 ad a. 1077 146 ad a. 1080 291 ad a. 1081 291 ad a. 1086 445

Index | 969

ad a. 1089 667 ad a. 1094 658 ad a. 1095 397, 628 ad a. 1096 251 ad a. 1097 146, 447 ad a. 1098 192 Simeon von Durham Historia Regum 124, 454, 457, 501 ad a. 733 202 ad a. 734 237 ad a. 745 123, 152, 179 ad a. 752 237 ad a. 756 238 ad a. 764 474, 478, 524 ad a. 765 152 ad a. 793 180 ad a. 796 239 ad a. 800 389 ad a. 879 212 ad a. 974 288 ad a. 987 682 ad a. 1005 619 ad a. 1011 656 ad a. 1014 311 ad a. 1048 290 ad a. 1052 396 ad a. 1066 111 ad a. 1069 625 Simon Gandensis, Gesta 109 Snorris Königsbuch 754 Solinus 322 Sueton 93 Sulpicius Severus 359 Tacitus, Annales 93 Theodulfi Carmina 526 Theophanes der Bekenner, Weltchronik ad a. 718 279, 333, 388 ad a. 726 332 ad a. 733 647 ad a. 734 178 ad a. 740 280 ad a. 742 179, 280, 523 ad a. 743 179, 280 ad a. 744 123 ad a. 746 280, 689 ad a. 749 281 ad a. 756 281 ad a. 760 100, 204

ad a. 762 124 ad a. 764 152, 524 ad a. 766 524 ad a. 774 389 ad a. 787 205 ad a. 790 281 ad a. 793 363 ad a. 796 282 ad a. 797 347 ad a. 803 478, 479 ad a. 808 390 ad a. 812 207 ad a. 813 125, 208 Theophilus of Edessa’s Chronicle 52, 713 ad a. 590 559, 560 ad a. 610 466 ad a. 626 345 ad a. 634 277 ad a. 644 199 ad a. 646 388 ad a. 665 582 ad a. 668 467 ad a. 676 560, 645 ad a. 677 261 ad a. 679 278 ad a. 686 593 ad a. 693 202 ad a. 700 646 ad a. 713 279 ad a. 717 279 ad a. 725 647, 673 f. ad a. 733 178, 595 ad a. 740 279 ad a. 744 179, 523 ad a. 745 123, 151, 346 ad a. 746 346 ad a. 749 280, 281 ad a. 771 597 ad a. 676 178 ad a. 665 119 ad a. 700 743 ad a. 665 583 ad a. 665 417, 418 ad a. 742 418, 419 Thietmar von Merseburg, Chronik c. 2, 35 695 c. 3, 5 491 c. 3, 17 381, 783 c. 4, 8 142, 149, 617

970 | Index

c. 4, 10 106 c. 4, 15 218, 228, 713 c. 4, 18 434, 455, 530 c. 4, 19 190, 266, 618 c. 4, 21 492 c. 4, 45 494 c. 5, 12 437 c. 6, 4 437 c. 6, 58 438 c. 6, 80 438 c. 6, 82 585 c. 6, 83 438 c. 6, 91 300 c. 6, 93 309 c. 7, 3 548 c. 7, 44 376, 439 c. 7, 57 377 c. 7, 59 377 c. 7, 64 439 Tholomeus v. Lucca, Historia ecclesiastica nova 117 Tractatus S. Petri Aldenburgensi 88 Translatio et Miracula Sanctorum Senesii et Theopontii 433

Vergil 93, 322, 374 Vita Altmanni episcopi Pataviensis 495 Vita auct. Adamnano 54 Vita Bennonis II. 494 Vita Columbani 54 Vita Droctovei abbatis Parisiensis 92 Vita Eligii episcopi Noviomagensis 117 Vita Heriberti 494 Vita Iohannis Gorziensis 529 Vita Philippi presbyteri Celensis 420 Vita sancti Benedicti Anianensis 421 Vita Theoderici 509, 533 Vita Willibaldi 323, 334 f. Vita Willibrordi 453 Walahfried In Adventu Hlotharii imperatoris 423 Widrici Vita S. Gerardi, 8 616 Widukind v. Korvei siehe Sachsengeschichte Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris 497 Wolfher v. Hildesheim, Vita Godehardi 436