Nationalismus - Staatsgewalt - Widerstand: Aspekte nationaler und sozialer Entwicklung in Ostmittel- und Südosteuropa. Festgabe zum sechzigsten Geburtstag 9783205158356, 370280241X, 3486528319, 9783205781561

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Nationalismus - Staatsgewalt - Widerstand: Aspekte nationaler und sozialer Entwicklung in Ostmittel- und Südosteuropa. Festgabe zum sechzigsten Geburtstag
 9783205158356, 370280241X, 3486528319, 9783205781561

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PLASCHKA NATIONALISMUS - STAATSGEWALT - WIDERSTAND

SCHRIFTENREIHE DES ÖSTERREICHISCHEN OST- UND SÜDOSTEUROPA-INSTITUTS HERAUSGEGEBEN VON RICHARD GEORG PLASCHKA GESAMTREDAKTION DER REIHE KARLHEINZ MACK BAND XI

RICHARD GEORG PLASCHKA

NATIONALISMUS STAATSGEWALT WIDERSTAND Aspekte nationaler und sozialer Entwicklung in Ostmittel- und Südosteuropa

Festgabe zum sechzigsten Geburtstag

Herausgegeben vom Osterreichischen Ost- und Südosteuropa-Institut Redaktion H o r s t Haselsteiner, Walter Lukan, Karlheinz Mack und Arnold Suppan

1985

VERLAG FÜR GESCHICHTE UND POLITIK WIEN

© 1985 Verlag f ü r Geschichte und Politik Wien Druck: G. Grasl, A-2540 Bad Vöslau Umschlagentwurf: Renate Uschan-Boyer ISBN 3-7028-0241-X Auch erschienen im R. Oldenbourg Verlag M ü n c h e n ISBN 3-486-52831-9

INHALT Abkürzungsverzeichnis

VIII

Vorwort

IX

ZUR EINFÜHRUNG JOSEF BREU

Richard Georg Plaschka zum 60. Geburtstag

XI

ERICH ZÖLLNER

Richard Georg Plaschka — Leben und Werk

XV

I. BÖHMEN - SÜDSLAWEN - ZENTRALE STAATSGEWALT Zweimal Rebellion in Böhmen: Hussiten und Weißer Berg

1

Georg von Podiebrad

21

Der Prozeß Zrinski/Frankopan 1670/71. Eine Traditionsparallele zum Prozeß nach der Schlacht auf dem Weißen Berg und zur Hinrichtung auf dem Altstädter Ring

25

Austrian Policy towards the Balkans in the Second Half of the Eighteenth Century. Maria Theresia and Josef II

36

Das Meer im Süden — ein gemeinsamer Akzent der ungarischen und österreichischen Geschichte

43

Das böhmische Staatsrecht in tschechischer Sicht

59

Zwei Niederlagen um Königgrätz

73

Von Pola nach Taku. Der Druck der Mächte auf China 1900 und Österreich-Ungarns Beteiligung an der maritimen Intervention

102

VI

Inhalt

II. NATIONALE INTEGRATION Zum Begriff des Nationalismus und zu seinen Strukturen in Südosteuropa im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts

119

Zur Einberufung des Slawenkongresses 1848

153

The Political Significance of Frantisek Palacky

163

Franz Palacky (1798-1876)

180

Jaroslav Göll (1846—1929)

192

Comments. The Czechs and Poles as Integrating and Disintegrating Factors in the Habsburg Empire

204

Verhaltenskrise gegenüber dem multinationalen Staat. Tschechen und tschechische Parteien im Oktober und November 1912

210

Serbien und die Balkankriege als Motivationselemente in der österreichisch-ungarischen Armee

232

„. . . a stillet nebudem!" Ein Modellfall zur Frage der Auswirkung der Balkankriege auf Österreich-Ungarn

246

Prag September 1914. Nationale Impulse unter dem Eindruck der ersten Kriegswochen

253

III. KRISENZEICHEN IM KRIEG Contradicting Ideologies: The Pressure of Ideological Conflicts in the Austro-Hungarian Army of World War I

263

Aus den Haftakten der Sarajevo-Attentäter

276

Die Polnische Legion in der Beurteilung der österreichisch-ungarischen militärischen Führung am Beginn des Ersten Weltkrieges

286

Zur Vorgeschichte des Ubergangs von Einheiten des Infanterieregiments Nr. 28 an der russischen Front 1915

295

Widerstand 1915 bis 1918 am Modell Pilsen. Ein Industriezentrum der Donaumonarchie im Spiegel der Berichte der Zivilbehörden

305

Der Fall Pivko

315

Zwei Südslawen an der Schwelle von 1918

324

Phänomene sozialer und nationaler Krisen in der k. u. k. Marine 1918 . . . Zur Problematik des Untergangs der Donaumonarchie im Jahre 1918 . . . Zur Haltung der österreichisch-ungarischen Armee während des Umsturzes am 28. Oktober 1918

334 350

Die revolutionäre Herausforderung im Endkampf der Donaumonarchie .

369

Zur Motivation im „Partisanen"- und Guerillakrieg

384

359

Inhalt

VII

IV. G R E N Z Ü B E R G R E I F E N D E W I S S E N S C H A F T U N D NEUORIENTIERUNG Der Beitrag Österreichs zur slavischen Balkanforschung

394

Zwei historische Modelle jugoslawisch-österreichischen Zusammenwirkens in der Wissenschaft. Zur Entfaltung der Slawistik in Wien und Graz und zur jugoslawischen Historiographie über die franzisko-josephinische Zeit

402

Im übernationalen Beziehungsfeld der Studentenströme. Ein Schritt zur Studentengeschichte Europas

414

Robert A. Kann zum 70. Geburtstag

421

In memoriam Thorvi Eckhardt

429

Impulse und 1918—1938

Tendenzen

für

zwei

Jahrzehnte:

Ostmitteleuropa 438

Historie der Revolutionen. Das Geschichtsbild der Tschechen in der Analyse ihrer Historiker

450

Selbstverständnis und Kriterien nationaler Integration in Osterreich: Impulse 1918 und 1945/1955

461

R I C H A R D G E O R G PLASCHKA

Schriftenverzeichnis

471

Personenregister

477

Ortsnamenregister

486

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AGr. - Armeegruppe A H - Arhiv Hrvatske Zagreb A H Y - Austrian History Yearbook A O K - Armeeoberkommando BA/MA Bundesarchiv/Militärarchiv (Freiburg) Bez. Hptm. - Bezirkshauptmann B H - Bosnien-Herzegowina br. - broj (Nummer) Ch. d. G. - Chef des Generalstabs D A S - Drzavni Arhiv Sarajevo D R - Dragonerregiment FASt. - Feindespropaganda-Abwehrstelle F M - Feldmarschall FMLt. - Feldmarschalleutnant F Z M - Feldzeugmeister G d K - General der Kavallerie G d l - General der Infanterie Geheimprot. bzw. Geh. Prot. - Geheimprotokoll H G - Heeresgruppe H I L - Hadtörteneti intezet leveltära (Budapest) H M - Honved-Ministerium I D - Infanteriedivision IR - Infanterieregiment KA - Kriegsarchiv K A B - Kriegsarchiv Budapest K K bzw. Korpskdo. - Korpskommando K M - Kriegsministerium K Ü A - Kriegsüberwachungsamt kut. - kutija (Karton)

Ldw. - Landwehr Lt. - Leutnant M d l bzw. M.I. - Ministerium des Inneren Mil. Kdo. bzw. Milkmdo. - Militärkommando M K - Militärkanzlei M K S M - Militärkanzlei Seiner Majestät M f L V - Ministerium für Landesverteidigung M S - Marinesektion M V - Militärverwaltung O K - Oberkommando Op. Nr. - Operationsnummer PI - Pärttörteneti Intezet (Budapest) Präs. bzw. Prä. - Präsidial Q u M A - Quartiermeisterabteilung r. - rok (Jahr) R K M - Reichskriegsministerium S A N - Srpska Akademija Nauka (Beograd) Sb. - Sammelbericht S H - Souhrnnä hläseni S P D R - Stenographische Sitzungsprotokolle der Delegationen des Reichsrats Stenogr. Prot. - Stenographische Protokolle St. A. - Staatsarchiv T B - Tagebuch Tel. - Telegramm T S - Tagebuch Sarkotic Z. - Zahl ZS - Zäcek, Sbornik

VORWORT Fast vierzig Beiträge, im Laufe der letzten rund dreißig Jahre in verschiedenen Zeitschriften und Sammelbänden des In- und Auslandes erschienen, sind in dieser Festgabe zum sechzigsten Geburtstag von Richard Georg Plaschka zusammengetragen worden. Es sind Synthesen und Fallstudien, die mit subtilem Einfühlungsvermögen f ü r das Detail und gestaltender sprachlicher Prägnanz ein breites Spektrum von historischen Ereignissen — durch ein Brennglas gleichsam — herausheben. Sie bieten ein eindrucksvolles Bild von der Forscherpersönlichkeit des Jubilars, von seiner Kunst, vom beleuchteten Einzelfall zu wesentlichen Fragestellungen des gesellschaftlichen Wandels — vom Individuellen zum Typischen — durchzustoßen, ausgehend von Ostmittel- und Südosteuropa, ausgreifend auf globale Zusammenhänge, zwingend und den Leser mitreißend. In allen seinen Themenschwerpunkten — Nationalismus, Imperialismus, Widerstand, Historiographie — geht es dem Autor, einem Dichterwort gemäß, um die Offenlegung des Gestalthaften, um die Einsichtnahme in das hinter Personen und Strukturen Wirkende, freigelegt meist in Krisensituationen: in Aufständen und Gerichtsprozessen, in Expansion und Defension, in Integration und Desintegration, im M o m e n t des Sieges und der Niederlage. Die hier aufgenommenen Aufsätze wurden unverändert übernommen und im Schriftenverzeichnis mit einem * gekennzeichnet. N u r Druckfehler in den Erstveröffentlichungen wurden korrigiert und alle Hervorhebungen in den Vorlagen — es sei denn, sie dienten der Betonung — normalisiert. Der Autor bearbeitete selbst die beiden aus dem Tschechischen und Slowakischen übersetzten Beiträge. Die Redaktion dankt Frau Mag. Sonja Schneller f ü r die Anfertigung der beiden Register; Frau Dr. Petra Moissi unterstützte sie. Frau Dr. Erika Rüdegger hat den Band in bewährter Weise verlegerisch betreut. Auch ihr gilt unser Dank.

Wien, 8. Juli 1985

Die Redaktion

ZUR EINFÜHRUNG

JOSEF BREU

R I C H A R D G E O R G PLASCHKA Z U M 60. G E B U R T S T A G Am 8. Juli 1985 feiert Universitätsprofessor Dr. Richard Georg Plaschka seinen 60. Geburtstag. Das Osterreichische Ost- und Südosteuropa-Institut hat beschlossen, ihm zu diesem festlichen Anlaß einen Sonderband der „Schriftenreihe" zu überreichen, welcher die wichtigsten wissenschaftlichen Aufsätze des Jubilars enthält. Die Herausgabe dieses Sammelbandes soll aber mehr sein als ein Geburtstagsgeschenk, sie soll es der Fachwelt ermöglichen, einen leichteren Zugang zu den neben den Monographien in Aufsatzform erschienenen reichhaltigen, aber sehr verstreuten Forschungsergebnissen Plaschkas zu finden. Diesem Zweck dient auch die Ubersetzung fremdsprachiger Beiträge ins Deutsche. Insgesamt handelt es sich um die Wiedergabe von 38 Aufsätzen, die in vier Kapitel gruppiert dargeboten werden und ein beredtes Zeugnis über das vielseitige wissenschaftliche Schaffen des Jubilars ablegen. Die redaktionelle Gestaltung haben H o r s t Haselsteiner, Walter Lukan, Karlheinz Mack und Arnold Suppan besorgt. Ein Personen- und Ortsnamenregister wird dem Wert der Geburtstagsgabe als einer Quelle f ü r die weiterführende Forschung dienlich sein. Der Lebensweg Richard Georg Plaschkas und sein wissenschaftlicher Werdegang werden im folgenden Hauptteil der Einleitung von Erich Zöllner beschrieben und gewürdigt, der die Aufgabe, die Laudatio eines seiner erfolgreichsten Schüler zu schreiben, freudig übernommen hatte. Hier sei jedoch der Verdienste Professor Plaschkas um unser Institut gedacht, dem er in der langen Zeitspanne von 28 Jahren einen großen Teil seiner Arbeits- und Schaffenskraft gewidmet hat. Er zählt zu den Mitbegründern des Instituts, das am 23. März 1958 unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft Ost" vereinsrechtlich anerkannt wurde und am 17. Juni 1964 seinen Namen auf die heute gültige Form geändert hat. Wenn auch der Entschluß zur Institutsgründung in dem von Heinrich Drimmel geleiteten Bundesministerium f ü r Unterricht gefaßt worden war, so war doch an seinem Zustandekommen der junge Historiker Plaschka, der für die Gestaltung eines Instituts, wie es dem Ministerium vorschwebte, die besten Voraussetzungen mitbrachte, entscheidend beteiligt. In einer zweisprachigen Umwelt aufgewachsen, hatte sich Plaschkas Interesse bald einem zentralen Problem Ostmittel- und Südosteuropa zugewandt, der Frage des Nebeneinanderlebens, Miteinanderauskommens und Sichverste-

XII

Zur Einführung

hens der Völker in diesem verhältnismäßig kleinem Raum. Zunächst, und zwar bis Anfang 1962, leitete er unter dem Obmann Alfred Weikert die Geschäfte des Instituts als Generalsekretär, und schon in dieser Zeit wurden die grundlegenden Arbeitsvorhaben in Angriff genommen: Atlas der Donauländer, Osterreichische Osthefte, Veröffentlichungen des Osterreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts, Dokumentation der Gesetze und Verordnungen Osteuropas und die Wiener Quellenhefte zur Ostkunde (bis 1967). Ferner wurden die Institutsbibliothek und eine Ortsnamenstelle eingerichtet, die Ostakademie ins Leben gerufen und Referate für die Veranstaltung von Vorträgen und Tagungen geschaffen. Vom 5. Jänner 1962 bis heute steht Professor Plaschka dem Institut als Obmann vor, und unter seiner zielstrebigen Führung wurde das Begonnene ausgebaut und vieles Neue begründet. Die Edition der Ministerratsprotokolle Österreichs und der österreichisch-ungarischen Monarchie 1848 —1918 wurde als selbständige Abteilung dem Institut eingegliedert und die monatlich erscheinende Presseschau Ostwirtschaft sowie die Ost-Dokumentation begründet. Innerhalb der „Buchreihen" traten den „Veröffentlichungen" die „Schriftenreihe" und die „Studien" zur Seite. Ferner wurde ein eigenes Referat eingerichtet, das sich mit Bildung und Wissenschaft in Ost- und Südosteuropa befaßt, und schließlich erfuhr der Bereich der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit eine bedeutende Erweiterung. Das alles wäre Institutsgeschichte und hier nicht zu erwähnen, wäre nicht Professor Plaschka an allen Planungsarbeiten und an der Lösung der Strukturfragen maßgeblich beteiligt gewesen. Als Obmann hat er nicht nur die große Linie bestimmt, sondern auch alle als wertvoll erkannten Initiativen seiner Mitarbeiter nachhaltig unterstützt, was eine große Arbeitsbelastung bedeutete. Daß Richard G. Plaschka diese neben seiner umfangreichen Lehrtätigkeit (Universitätsdozent ab 1962, Außerordentlicher Universitätsprofessor ab 1965 und Ordentlicher Universitätsprofessor ab 1967) und seinen akademischen Amtern (1976/77 Dekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und 1981/83 Rektor der Universität Wien sowie Vorsitzender der Osterreichischen Rektorenkonferenz) zu erbringen vermochte, war nur dank seiner strengen Arbeitsdisziplin und seinem hervorragenden Organisationstalent möglich gewesen. Jedenfalls ist aber die erfolgreiche Tätigkeit des Jubilars an der Universität, in der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften und in anderen wissenschaftlichen Instituten dem Institut selbst zugute gekommen, mißt man doch mit Recht den Wert eines Forschungsinstituts auch am wissenschaftlichen Ansehen seines Leiters. Die dem Institut gestellte Aufgabe, die wissenschaftlichen Beziehungen zu Ost- und Südosteuropa zu fördern, und sich an der Erforschung dieses Erdraumes aktiv zu beteiligen, ist gewiß nicht leicht. Ihr gerecht zu werden, erfordert umfangreiche Sachkenntnis, Bereitschaft zu großem persönlichen Einsatz und sehr oft diplomatisches Geschick, Eigen-

Richard Georg Plaschka zum 60. Geburtstag

XIII

Schäften, die in der Person Professor Plaschkas in glücklicher Weise vereint sind. Doch zu den schwierigen A u f g a b e n , das Institut im Ausland zu vertreten und ihm die nötigen Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und zu erhalten, kommt die Sicherung seiner materiellen Existenz. W i e die meisten wissenschaftlichen Institute vermag sich auch das unsere nur zum kleineren Teil aus eigenen Mitteln zu erhalten, w o d u r c h es auf Subventionen angewiesen ist. Diese werden aber nur bei Gegenleistungen gewährt, welche in Arbeiten und Forschungsvorhaben bestehen, die im öffentlichen Interesse gelegen sind. Das erfordert neben einer ständigen Bewährung aller Abteilungen des Instituts ein hohes M a ß an Initiative und T a t k r a f t des Leiters. Alle Mitarbeiter fühlen sich Professor Plaschka d a f ü r zu D a n k verpflichtet, d a ß er auch in schweren Zeiten entscheidend dazu beigetragen hat, daß das Institut nicht nur in seinem Bestände gesichert blieb, sondern sich durch Ü b e r n a h m e neuer A u f g a b e n hatte vergrößern können. Die Führung im Inneren eines multidisziplinären Instituts, dessen Personal sich sowohl aus zugeteilten Bundesbediensteten als auch aus Privatangestellten zusammensetzt, verlangt einerseits eine große Vielseitigkeit in fachlicher Hinsicht und andererseits Umsicht, Einfühlungsvermögen und kollegiales Verständnis. Professor Plaschka hat sich stets um die berufliche und wissenschaftliche Entwicklung seiner Mitarbeiter g e k ü m m e r t und keine M ü h e gescheut, wenn es darauf a n k a m , fördernd einzugreifen. Verdienste anderer hat er immer freudig anerkannt und bei widerstreitenden M e i n u n g e n w a r er zunächst bestrebt, einen Kompromiß zu suchen. Doch die ihm eigene Konzilianz konnte nie d a z u führen, d a ß Sachentscheidungen nicht mit jener Strenge getroffen w u r d e n , die dem Wissenschaftler sein Berufsethos und dem verantwortungsvollen Bürger seine Verpflichtung dem öffentlichen Interesse gegenüber vorschreiben: Fortiter in re, suaviter in m o d o ! Das Osterreichische Ost- und Südosteuropa-Institut wünscht mit Überreichung dieser Gabe dem Jubilar alles Gute und Schöne; auch möge ihm die Schaffenskraft f ü r seine weitere Forschungsarbeit und für die erfolgreiche Leitung des Instituts recht lange erhalten bleiben.

E R I C H ZÖLLNER

R I C H A R D G E O R G PLASCHKA -

LEBEN U N D W E R K

Konflikte zwischen den Konfessionen, den Nationen, den Ständen und den Klassen, sozialer, nationaler und politischer Wandel in mitunter jähem Wechsel, Widerstreit konservativer und revolutionärer Tendenzen kennzeichnen die Epochen der Geschichte Ostmitteleuropas. Das gilt insbesondere f ü r die böhmischen Länder. Faszination durch dieses historische Geschehen, persönliches Erleben, wissenschaftlicher Erkenntnisdrang und die Gabe gewandter, o f t geradezu spannender sprachlicher Gestaltung, verbunden mit einem ungewöhnlichen Arbeitseinsatz, all diese Faktoren wurden grundlegende Voraussetzungen f ü r das bedeutende Oeuvre von Richard Georg Plaschka. Auf Burg Vöttau im unmittelbaren Grenzbereich tschechischen und deutschmährischen Siedlungsgebietes am 8. Juli 1925 geboren, absolvierte Plaschka in Vöttau und Znaim die Schulen, erlebte dann als Soldat in der deutschen Wehrmacht die letzten Kriegsjahre und nach Kriegsende die Vertreibung der deutschen Südmährer. Das nahe Niederösterreich bot erste Zuflucht, es folgten harte Jahre als Werkstudent an der philosophischen Fakultät der Universität Wien. Im Jahre 1954 wurde Plaschka, der sich dem Studium der Geschichte gewidmet hatte, zum Dr. phil. promoviert. Seine Dissertation über die tschechische Historiographie „Von Palacky bis Pekaf, Geschichtswissenschaft und Nationalbewußtsein bei den Tschechen" wurde bereits ein Jahr später als erster Band der Reihe „Wiener Archiv f ü r Geschichte des Slawentums" veröffentlicht. Mit Sympathie, aber auch mit dem unbeirrbaren Willen zur Objektivität schilderte Plaschka Leben, Werk und Wirkung sieben Prager Historiker. Es gelang ihm dabei, ebenso der ruhigen Sachlichkeit eines Göll und eines Pekaf, wie dem nationalen Eifer eines Palacky und eines Kalousek und ihrer recht subjektiven, wenn auch unzweifelhaften intellektuellen Redlichkeit gerecht zu werden. Es sollte eine Fülle von Arbeiten folgen, die der Geschichte der Slawen in der Habsburgermonarchie, dann revolutionären Bewegungen und der Rolle der Marine sowohl im revolutionären Kampf wie als Instrument gegenrevolutionärer Interventionspolitik von Großmächten gewidmet wurden. In diesen weitgespannten Rahmen ist die 1962 verfaßte und 1963 gedruckte Habilitationsschrift „Cattaro und Prag. Revolte und Revolution" gestellt, die ebenso wie die

XVI

Zur Einführung

Dissertation von Hugo Hantsch und Heinrich Felix Schmidt beurteilt wurde. Zum Untergang der Habsburgermonarchie hatte auch die fehlgeschlagene, ziemlich ziellose Revolte im Kriegshafen Cattaro (Kotor), der es an einer richtungsweisenden Führung gefehlt hatte und in der mehr menschliche als nationale Wünsche ihren Ausdruck fanden, ein Signal gesetzt; an der Auflösung des Reiches hatte dann die erfolgreiche, nicht mehr energisch bekämpfte Umsturzbewegung in Prag einen erheblichen Anteil. Aktenmaterial und Memoirenliteratur bildeten die wesentlichen Quellengrundlagen für eine zwar auf ideologische Deutungen bewußt verzichtende, aber keineswegs bloß referierende, sondern kritisch-interpretativ orientierte Darstellung. Inzwischen war Plaschka von Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel mit der Leitung der „Arbeitsgemeinschaft Ost" beauftragt worden. Aus dieser Arbeitsgemeinschaft erwuchs 1964 das „Österreichische Ost- und Südosteuropa-Institut". Hier sollte sich Plaschka als Organisator wissenschaftlicher, sowohl internationaler wie interdisziplinärer Forschungs- und Publikationsarbeit hervorragend bewähren; doch sei diesbezüglich auf die vorhergehenden Ausführungen von Josef Breu, der maßgeblich bei der Bewältigung dieser großen Aufgabe mitwirkte, verwiesen. Der Schreiber dieser Zeilen kann aus dem großen Werk Plaschkas nur exemplarisch auch den einen oder anderen Aufsatz anführen. Es sei etwa die Abhandlung „Zwei Niederlagen um Königgrätz" (Mitteilungen des Instituts für Osterreichische Geschichtsforschung 74, 1966) genannt; hier wird nach einer Analyse der militärischen Niederlage das Versäumnis einer Neuformierung des Reiches im Sinne eines Eingehens auf Wünsche der Slawen, wie sie in einer Denkschrift Riegers zum Ausdruck gebracht wurden, als schicksalhafte Entscheidung charakterisiert, die letztlich zu weiteren Mißerfolgen in der Nationalitätenpolitik führen sollte. Ein Bemühen, verhärtete nationale Fronten in der Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, einseitige Stellungnahmen, verursacht durch starre Trotzhaltung der Besiegten oder plumpen Hochmut der Sieger, zu überwinden, ist sowohl in der Forschungs- und Lehrtätigkeit Plaschkas, wie in seinem organisatorischen Bemühen unverkennbar. Daß bei Tagungen, wie namentlich jener über die Auflösung des Habsburgerreiches 1968, die noch von den Prager Ereignissen dieses Jahres überschattet war, manche Teilnehmer diesbezüglich nicht ganz mitgehen konnten oder wollten, darf man ihm nicht ankreiden. Dieser Sachverhalt bestätigt vielmehr die Notwendigkeit seiner Initiativen; Fortschritte im Sinne einer nationale und weltanschauliche Grenzen und Vorbehalte überwindenden Zusammenarbeit waren zudem unverkennbar. Das Interesse an den Ereignissen zu Ende der Habsburgermonarchie fand erneut seinen Ausdruck in den 1974 herausgebrachten, gemeinsam mit Horst Haselsteiner und Arnold Suppan verfaßten beiden Bänden „Innere Front. Militärassistenz, Widerstand und Umsturz in der Donaumonarchie 1918". In

Richard Georg Plaschka — Leben und Werk

XVII

diesem Werke fanden Konspirationen, offene Empörungen, Streiks, Plünderungen, Revolten aus sozialen und nationalen Gründen, Standgerichte und Exekutionen ebenso ihre Schilderung wie der schließliche Erfolg der nationalen, zentrifugalen Kräfte. Drastisch wird gezeigt, wie es zu schweren Loyalitätskonflikten kam, bis schließlich, irritiert durch eine kaum mehr lösbare militärische, soziale und politische Krisensituation, die Träger des alten Regimes resignierten und alsbald die neuen Mächte, die Repräsentanten der neukonstituierten unechten Nationalstaaten, die Pflicht zu Ruhe und O r d n u n g verkündeten, sich dabei noch, wo immer es zweckmäßig schien, der alten Strukturen bedienten. Es ging aber Plaschka keineswegs nur um die Analyse von Konfliktsituationen und ihrer Voraussetzungen und Konsequenzen; im Sinne seiner Planungen sollten auch die geistigen Wechselbeziehungen zwischen Mittel- und Südosteuropa, insbesondere in dem Zeitabschnitt vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg positiv gewürdigt werden. Es galt, sowohl den Institutionen, etwa den Universitäten als Umschlagplätzen geistiger Werte, wie den Personen, die an diesen Beziehungen Anteil hatten, gerecht zu werden, den bewegenden Kräften und Impulsen, auch jenen wirtschaftlicher und religiöser Natur. Einseitige, verallgemeinernde Urteile, etwa im Sinne eines west-östlichen Kulturgefälles, waren zu überprüfen und zu korrigieren. Der Wiener T a gung im Jahre 1978 folgte eine bedeutsame Publikation, deren Beiträge in der Mehrzahl ein zumeist positives Bild des kulturellen Lebens und ungeachtet mancher Isolierungstendenzen auch des geistigen Austausches zwischen den Völkern und über die Grenzen der Habsburgermonarchie, aber auch in den Nachbarländern und darüber hinaus zeichneten. Das „Wegenetz europäischen Geistes" wurde, dem Titel der Publikation entsprechend, mit seinen mannigfaltigen Verzweigungen und seinen Knotenpunkten, zu denen nicht zuletzt Wien, Prag, Budapest, Krakau, Lemberg, Czernowitz, Agram zählten, aber auch weit jenseits der Grenzen der Monarchie gelegene akademischen Institutionen, etwa in Leiden, Zürich, München, Jena, Mitau und Moskau, durch die Beiträge von Gelehrten verschiedenster nationaler und weltanschaulicher Positionen ganz im Sinne der Intentionen Plaschkas deutlich vor Augen gestellt. Seine Gabe der temperamentvollen, packenden Darstellung bewährte Plaschka zuletzt in den beiden Bänden „Matrosen, Offiziere, Rebellen", die den Krisenkonfrontationen zur See 1900—1918 gewidmet sind. Die Meere waren zu „Aufmarschstraßen" und Wettbewerbszonen eines wirtschaftlichen und militärischen Imperialismus geworden, der seine Expansionsgelüste mit nationalen, aber auch mit ethischen Argumenten zu rechtfertigen suchte: Es gelte Fortschritt und europäische Zivilisation zu verbreiten, in der kulturellen Entwicklung weit zurückgebliebene Länder und Völker sittlich und religiös zu missionieren. Konfrontationen waren unvermeidlich, vorerst war der Widerstand der Kolonialvölker zu brechen, was zumeist gelang, sieht man von der Nieder-

XVIII

Zur Einführung

läge der Italiener in Abessinien ab, dann kam es zu Konflikten zwischen den imperialistischen Mächten. Plaschka geht nach einer Schilderung der allgemeinen Situation auf die technische Entwicklung der Kriegsflotten ein, behandelt Panzerung, Artillerie, Torpedos, dann die Schiffe: Großkampfeinheiten, Kreuzer, Zerstörer, Torpedoboote und die neue U-Bootwaffe. Die Darstellung der Ereignisse beginnt mit dem Flottenaufmarsch der Großmächte vor der Reede von Taku; der Aufstand der chinesischen Boxerbewegung gegen die „fremden Teufel" war zu brechen, die europäische Kultur vor der „gelben Gefahr" zu retten, wobei man japanische Hilfe keineswegs verschmähte. Nach schweren Rückschlägen gab es einen vollen militärischen Erfolg der Interventionisten, aber das erwachte chinesische Nationalbewußtsein war nicht mehr zu ersticken. Plaschka sucht stets das eigene Bild der Ereignisse mit der Perspektive der Akteure zu kombinieren; das wird besonders demonstriert im Kapitel über die weite Fahrt des russischen Ostseegeschwaders, die mit der Unglücksschlacht von Tsushima endete. Der Leser erlebt die andauernden Spannungssituationen, die aufflackernden Hoffnungen und die Lähmungserscheinungen, Schocks und schließlich vergebliche Abwehrreaktionen, die nicht nur navigatorischen, sondern auch seelischen Fehlsteuerungen. Ein deutscher und ein englischer Seesieg folgten recht rasch aufeinander bei Coronel und bei den Falklandinseln. Da und dort gingen ganze Schiffsbesatzungen zugrunde, aber man verhielt sich gentlemanlike, wie es der Ehrenkodex vorschrieb. Vizeadmiral Sturdee funkte: „. . . The Officiers of both navies who can count friends in the other have to carry out their country's duty . . ." Von der Intervention zur Revolte führen die Ereignisse, denen der zweite Band gilt, die einst durch den berühmten Film Eisensteins geschilderte Erhebung auf dem Panzerkreuzer Potemkin, die Ereignisse in Wilhelmshaven vor und nach der Seeschlacht vor dem Skagerak, schließlich nochmals die Erhebung in Cattaro. In einem Nachwort faßt der Autor das Wesentliche in den Strukturen dieser revolutionären Ansätze zusammen, die selbst nicht zur Umwälzung von Staat und Gesellschaft, zum Wechsel wenigstens im Verhältnis von Mannschaften und Offizieren zu gelangen vermochten, aber manche Tendenzen und Entwicklungslinien aufzeigten, die in die Zukunft weisen, wenngleich sie heute, im Zeitalter der Atomwaffen, ungeachtet der Ereignisse bei den Falklandsinseln 1982, nicht mehr gleiche militärische Aktualität zu besitzen scheinen, mögen auch noch Flottendemonstrationen ihre Funktionen als Drohund Imponiergesten einer Großmachtpolitik haben. Die Aufsätze der hier vorgelegten stattlichen Sammlung von 38 Aufsätzen Plaschkas sind nach vier naturgemäß keineswegs streng abzugrenzenden Problemkreisen gegliedert, die wesentlichen Bereichen seiner Forschungs- und Publikationstätigkeit entsprechen. Die erste Gruppe würdigt namentlich Probleme der böhmischen und südslawischen Geschichte, dann die Balkanpolitik und die

XIX

Richard Georg Plaschka — Leben und Werk

R e l e v a n z v o n K ü s t e n u n d M e e r e n f ü r die M o n a r c h i e und ihre V ö l k e r . D i e beiden ersten A b h a n d l u n g e n beziehen auch d a s spätere Mittelalter in d e n Arbeitsbereich des G e l e h r t e n ein, der sich s o n s t z u m e i s t mit d e r neueren und neuesten G e s c h i c h t e zu b e f a s s e n hatte. In der zweiten G r u p p e g e h t es u m eine Auseinandersetzung

mit B e g r i f f , S t r u k t u r e n , O r g a n i s a t i o n s f o r m e n der

mo-

d e r n e n N a t i o n a l i s m e n , namentlich am Beispiel d e r sich benachteiligt, ja unterdrückt fühlenden Nationalitäten

der H a b s b u r g e r m o n a r c h i e .

In der

dritten

G r u p p e sind die s o z i a l e n u n d nationalen V o r a u s s e t z u n g e n v o n Krisenerschein u n g e n im K r i e g e , i n s b e s o n d e r e im Ersten Weltkrieg, am Beispiele von historischen F a k t e n u n d P r o b l e m s t e l l u n g e n analysiert. D i e A u f s ä t z e aber, die d a s vierte, abschließende Kapitel dieser S a m m l u n g bilden, b e t r e f f e n nationale und staatliche, auch i d e o l o g i s c h e G r e n z e n ü b e r w i n d e n d e A u f g a b e n d e r Geschichtsw i s s e n s c h a f t , w i e d e r v o r allem an mittel- u n d ostmitteleuropäischen Beispielen. D i e A u f s a t z s a m m l u n g scheint mir wohl geeignet, d e m L e s e r ein Bild der geistigen Persönlichkeit u n d der wissenschaftlichen L e i s t u n g s k r a f t des V e r f a s s e r s z u vermitteln. E s soll hier abschließend aber auch auf die M i t g l i e d s c h a f t u n d die vielfach e r p r o b t e aktive M i t a r b e i t P l a s c h k a s in a n g e s e h e n e n wissenschaftlichen Gesells c h a f t e n , s o in d e r Osterreichischen A k a d e m i e d e r W i s s e n s c h a f t e n , in verschied e n e n mit der K u l t u r O s t - u n d S ü d o s t e u r o p a s befaßten V e r e i n i g u n g e n und Institutionen, nicht z u l e t z t auf die L e i t u n g des F a c h a u s s c h u s s e s Geisteswissens c h a f t e n der österreichischen

UNESCO-Kommission

hingewiesen

werden,

schließlich auf die e r f o l g r e i c h e T ä t i g k e i t als R e k t o r d e r Universität Wien 1981 — 1 9 8 3 und als V o r s i t z e n d e r der österreichischen R e k t o r e n k o n f e r e n z . D i e A n e r k e n n u n g d u r c h Preise und A u s z e i c h n u n g e n

hohen R a n g e s

würdigten

einen im Sinne der V ö l k e r v e r s t ä n d i g u n g tätigen Gelehrten, der u m eine U b e r w i n d u n g nationalistischer u n d i d e o l o g i s c h e r Einseitigkeit b e m ü h t ist, d a m i t eine Z i e l s e t z u n g g e w ä h l t hat, die heute n o t w e n d i g e r scheint, denn je z u v o r .

I. BÖHMEN - SÜDSLAWEN - ZENTRALE STAATSGEWALT ZWEIMAL R E B E L L I O N IN B Ö H M E N : HUSSITEN U N D WEISSER BERG

Den beiden Empörungen sind zwei spektakuläre Ereignisse als Auftakt gemeinsam — aus Fenstern stürzende, aus Fenstern geworfene Menschen: einmal im Sommer 1419, am 30. Juli, und das andere Mal im Frühjahr 1618, am 23. Mai; einmal aus dem Prager Neustädter Rathaus und das andere Mal aus der Prager Burg; einmal in die Spieße der Menge und das andere Mal in den Burggraben; einmal endete der Fenstersturz mit Lynchjustiz und Tod, mit nachfolgendem Klostersturm, und das andere Mal mit der Flucht der Gestürzten, in der Folge mit Krieg und Strafgericht. Was war der Hintergrund dieser Stürze? Auflehnung als Akt der Revolution, Auflehnung als Akt des Widerstandes. Beide Sachverhalte scheinen in besonderer Weise geeignet, über das Interesse an den Abläufen hinaus die begriffliche Klärung zu fördern und gerade in jungen Menschen Schlüsse zum eigenen Standort und Standpunkt anzuregen. Für jeden Schluß aber ist die Kenntnis der Zusammenhänge noch immer die beste Grundlage.

A . ZUR LITERATURAUSWAHL

Die beiden Rebellionen gelten als die zentralen Wendepunkte der tschechischen Geschichte und damit als vorrangige Anliegen der tschechischen Historiographie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, freilich in Wechselwirkung mit wesentlichen deutschen Arbeiten. Die Literatur tritt uns grundsätzlich in drei Phasen entgegen: in einer ersten im 19. Jahrhundert, in der vor allem Palacky bahnbrechend den Aufstand der Hussiten als Rebellion im Sinn der Freiheit in das Zentrum der nationalen idealistischen Historiographie gerückt hat; in einer zweiten Phase vom Beginn des Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, da die Historiographie unter Berücksichtigung neuer quellenkritischer Maßstäbe an die Überholung und Korrektur der ersten Thesen geschritten ist; und in einer dritten Phase nach dem Zweiten Weltkrieg, da von tschechischer, zusätzlich auch von deutscher und österreichischer Seite weitere, auf neuen Forschungsergebnissen beruhende Arbeiten vorgelegt wurden,

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

auch von tschechisch-marxistischer Seite dabei nicht nur die sozialen Zusammenhänge, sondern auch die ideengeschichtlichen und nicht zuletzt die diplomatischen mit neuen Gesichtspunkten ausstattend. Die folgenden Literaturhinweise, demonstrativ aufzufassen, berücksichtigen die drei gegebenen Forschungsphasen. BartoJ Frantisek Michálek: í e c h y v dobë Husovë [Böhmen in der Zeit des H u s ] 1378 — 1415. P r a h a 1947. Ders.: Husitská revoluce [Die hussitische Revolution]. Praha 1965—66. Bezold Friedrich von: Z u r Geschichte des Hussitentums. M ü n c h e n 1974. Denis Ernest: La Bohème depuis la Montagne blanche. Paris 1903. Documenta Bohémica Bellum tricennale illustrantia, hgg. von Josef Koci u. a. Praha 1971 (parallel Wien - G r a z - Köln). Gindely Anton: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Prag 1869—1880. H a n d b u c h der Geschichte der böhmischen Länder, hgg. v. Karl Bosl. Bd. 1 und 2. Stuttgart 1967 und 1974. Vgl. die Kapitel von Ferdinand Seibt und Karl Richter. Kaminski H o w a r d : A History of the Hussite Revolution. Berkeley and Los Angeles 1967. Kavka FrantiSek: Bílá hora a ceské dëjiny [Der Weiße Berg und die tschechische Geschichte]. Praha 1962. Koralka Jiíí: Pojetí déjin husitství v ideologicko-politické argumentaci ceskoslovenskych komunistü v letech 1934—1936 [Die Auffassung der Geschichte des Hussitentums in der ideologisch-politischen Argumentation der tschechoslowakischen Kommunisten in den Jahren 1934—1936]. Husitsky T á b o r 1/1978. Lemberg Eugen: Geschichte des Nationalismus in Europa. Linz 1950. Macek Josef: Husitské revolucní hnutí [Die hussitische revolutionäre Bewegung]. 2. Aufl. Praha 1956. Ders.: Jean H u s et les traditions hussites (15 e —19 e siècles). Paris 1973. Ders.: P r o k o p Veliky [Prokop der Große]. Praha 1953. Ders.: T á b o r v husitském revolucním hnutí [Tábor in der hussitischen revolutionären Bewegung]. Praha 1952, 1955. Novotny Vaclav: Jan Hus. Praha 1919—21. Palacky Frantisek: Geschichte von Böhmen. Prag 1836 ff. Ders.: Dëjiny národu ceského v Cechách i v Moravë [Geschichte des tschechischen Volkes in Böhmen und in Mähren]. Praha 1848 ff. Pekaf Josef: Bílá hora. Její príciny a následky [Der Weiße Berg. Seine Ursachen und Folgen], Praha 1921. Ders.: O smyslu ceskych dëjin [Vom Sinn der tschechischen Geschichte]. Sammelband. Rotterdam 1977. Ders.: Zizka a jeho doba [Zizka und seine Zeit]. Praha 1927—34. Plaschka Richard: Das Böhmische Staatsrecht in tschechischer Sicht. In: Zeitschrift f ü r Ostforschung. M a r b u r g 1959/1. Polisensky Josef: Anglie a Bílá hora [England und der Weiße Berg], Praha 1949. Ders.: Der Krieg und die Gesellschaft in Europa 1618 —1648. Praha 1971 (parallel Wien G r a z - Köln). Ders.: Nizozemská politika a Bílá hora [Die niederländische Politik und der Weiße Berg]. Praha 1958. Ders.: Tricetiletá válka a cesky národ [Der Dreißigjährige Krieg und die tschechische Nation]. Praha 1960. Prehled ceskoslovenskych dëjin I, ed. Ceskoslovenská akademie vëd, Historicky ústav. Praha 1958. Vgl. die Kapitel von Josef Macek und Josef PoliSensky.

Zweimal Rebellion in Böhmen: Hussiten und Weißer Berg

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Schürer Oskar: Prag. 5. Aufl. Brünn 1943. Seibt Ferdinand: Hussitica — Zur Struktur einer Revolution. Köln 1965. Ders.: Tabor und die europäischen Revolutionen. In: Bohemia. Jahrbuch des Collegium Carolinum. Bd. 14, München 1973. Smahel FrantiSek: Idea nâroda v husitskych Cechäch [Die Idee der Nation im hussitischen Böhmen], Ceské Budéjovice 1971. Ders.: Jan Zizka z Trocnova. Zivot revolucniho vâlecnika [Jan Zizka von Trocnov. Das Leben eines Revolutionskriegers]. Praha 1969. Ders.: Jeronym Prazsky [Hieronymus von Prag]. Praha 1966. Sturmberger Hanns: Aufstand in Böhmen. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. München, Wien 1959. Urbânek Rudolf: Lipany a konec polnich vojsk [Lipany und das Ende der Feldtruppen]. Praha 1934. Ders.: Pocâtky ceského mesianismu [Der Beginn des tschechischen Messianismus]. In: Ceskou minulosti. Praha 1929. Vooght Paul de: L'hérésie de Jean Huss. Louvain 1960. Ders.: Jacobellus de Stribro (+1429), premier théologien du hussitisme. Louvain 1972. Werstadt Jaroslav: Odkazy déjin a déjepiscû [Das Vermächtnis der Geschichte und der Geschichtsschreiber]. Praha 1948. Winter Eduard: Tausend Jahre Geisteskampf im Sudetenraum. Das religiöse Ringen zweier Völker. Salzburg, Leipzig 1938. Zöllner Erich: Geschichte Österreichs. 5. Aufl. Wien 1974. Hervorzuheben im Hinblick auf die Erforschung der hussitischen Bewegung ist die ausgezeichnete Zeitschrift Husitsky Tâbor. Sbornik Muzea husitského revolucniho hnuti. Täbor 1978 ff.

B. DIE EMPÖRUNG DER HUSSITEN An der Schwelle der B e w e g u n g : J o h a n n e s H u s . V o r l ä u f e r , nicht Führer des nach ihm benannten A u f s t a n d e s . Ein M a n n aus armer B a u e r n f a m i l i e , um 1370 g e b o r e n , S t u d e n t in P r a g , Student an der Artistenfakultät, arm, aber ernst, fleißig, gescheit. E r w a n d t e sich der a k a d e m i s c h e n L a u f b a h n zu, er wurde M a gister der P h i l o s o p h i e , ein geachteter Lehrer, D e k a n der F a k u l t ä t ; inzwischen w a r er auch z u m Priester geweiht w o r d e n , er zeigte sich tief d u r c h d r u n g e n von seiner priesterlichen A u f g a b e , er war ein ausgezeichneter Prediger, er w u r d e an die tschechische Universitätspredigerstelle in der Bethlehemskapelle b e r u f e n , die immer von h e r v o r r a g e n d e n M a g i s t e r n besetzt wurde. K n a p p über 30 J a h r e — M a g i s t e r , Priester, ein a u f s e h e n e r r e g e n d e r Prediger, H u s ' L a u f b a h n war steil, erfolgreich. A b e r sie fiel in eine Zeit unruhiger E n t w i c k l u n g im L a n d e . D i e V o r a u s s e t z u n g e n der U n r u h e waren dreifach gelagert: Sie k a m e n aus sozialer, nationaler und religiöser Wurzel. U n d die W u r z e l n waren ineinander verflochten.

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

I. Die Aufbaustrukturen 1. Die soziale Komponente Das 14. Jahrhundert hatte mit der intensiven Entfaltung der Städte und der Gesellschaftsschicht des Bürgertums Einbrüche geldbezogener Wirtschafts- und Sozialformen samt entsprechenden neuen Interessenlagen gebracht. Schon hatte auch eine dieser Entwicklung gemäße Differenzierung der Stadtbewohner eingesetzt. Das vorhussitische Prag ließ das neue Gesellschaftsbild in besonderer Deutlichkeit erkennen: eine große Stadt, eine Großstadt, 30.000 Einwohner, größer als Wien, Frankfurt, Nürnberg. Und eine reiche Stadt. Um die Jahrhundertwende, 1399, schrieb ein Mitglied einer Mailänder Gesandtschaft, daheim sicher Imposantes zu sehen gewohnt, nach Hause: „Nirgends habe ich eine so reiche und mit allen möglichen Dingen überschwemmte Stadt gesehen . . ." Das Großbürgertum der Altstadt, das Patriziat, repräsentierte diese Wohlhabenheit in erster Linie: mit dem Großmarkt, den Stapelgerechtsamen im Transitverkehr, dem Fernhandel, dem Einfluß auf die Silberproduktion, mit dem Ankauf von Grundstücken. In die Stadtverwaltung aber war im Verlauf des 14. Jahrhunderts neben dem Patriziat zunehmend eine weitere Bevölkerungsschicht aufgerückt: die Schicht der produzierenden Gewerbebetriebe, des Handwerks, der Zünfte, der Meister. Als dritte Schichte hatte sich nun die der Nichtprivilegierten herausgebildet, die „chudina", die arme Schichte: die nicht aufsteigenden Gesellen, die „ewigen" Gesellen, die Lehrlinge, die Gelegenheitsarbeiter, die Bauarbeiter, schließlich das, was man das „Lumpenproletariat" genannt hat, Bettler, Kranke, Huren, Spieler. Was sie, diese Letzten, verband, war zunächst nichts als ihr materielles Abgeschlagensein; wie erregbar sie in der neuen Konzentration auf engem Raum als städtische Masse geworden waren, sollte die Zukunft zeigen. Ein Blick über die Stadtmauer hinaus: Auf dem Lande, außerhalb der Städte, finden wir die Güter der Herren und Ritter, die Dörfer der Untertanen. Der Adel, der dem König Wenzel IV., dem Nachfolger Karls IV., schon manches Zugeständnis abgetrotzt hatte, präsentierte sich sozial differenziert in höherem und niederem Adel. Die kleineren Adeligen gerieten stellenweise unter wirtschaftlichen Druck der größeren und wirtschaftlich stärkeren, in die Gefahr des Ausverkaufs. Manche sackten ab bis zu Freischärlern, die in die Wälder gingen. Nicht wenige dieser Kleinadeligen richteten nicht ohne Neid den Blick auf das Kirchengut. Und sie hörten nicht ungern die Prediger, welche erklärten, die Kirche solle arm sein. Der ländlichen Obrigkeit hatten die Untertanen Geld- und Naturalleistungen zu erbringen. Noch hielten sich Abgaben und Robot zwar in Grenzen, zogen nur allmählich etwas an. Neben den bäuerlichen Untertanen aber hatte sich auch auf dem Lande eine materiell arme Schicht herausgebildet: Häusler, Mägde, Knechte, Gelegenheitsarbeiter.

Zweimal Rebellion in Böhmen: Hussiten und Weißer Berg

2. Die nationale

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Komponente

Das Land war binational. Deutsche waren im 11. und 12. Jahrhundert als Priester, als Kaufleute, auch im Gefolge deutscher Gattinnen am Fürstenhof und in breiter Welle als Siedler nach Böhmen gekommen. Die nationale Komponente der Unruhe am Beginn des 15. Jahrhunderts löste sich vor allem aus der sozialen städtischen Entwicklung, nicht zuletzt in Prag, und aus der Entwicklung an der Universität. In der Prager Altstadt überwog das deutsche Bürgertum, in der Neustadt und auf der Kleinseite hatten durch starken Zuzug die Tschechen die Mehrheit gewonnen. Die deutschen Bürger der Altstadt aber bildeten das wohlhabende, das patrizische Element, zudem starke Gruppen in der Handwerksschicht: Positionen, in die sie sich sicher durch Können, Fleiß und Umsicht emporgearbeitet hatten, die nun aber auch vielfach abgesichert worden waren, wie durch den Zunftzwang, und die sich für die zuziehenden Tschechen, die in diese Positionen und Organisationen einzudringen versuchten, als blockiert erwiesen. Aus materiellen wie geistigen Gründen flammte nationaler Streit auch auf der Universität auf: Auf materieller Ebene hatte es schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Streit um die Stiftungskollegien gegeben. Die Tschechen forderten, daß sie vor allen Ausländern berücksichtigt würden, denn die Stiftungen seien aus Mitteln des Landes entstanden. Die deutschen Magister beriefen sich auf das Recht der freien Zuwahl und die wissenschaftliche Qualifikation: Diese und nicht die nationale Zugehörigkeit habe für die Aufnahme entscheidend zu sein. Der schließlich erreichte Kompromiß fiel zugunsten der Tschechen aus. Eine Reihe von deutschen Professoren verließ Prag. Nationale Scheidung aber sollte sich auch auf geistiger Ebene ergeben. John Wyclif war es, der die Prager tschechischen Magister seit den neunziger Jahren zunehmend in seinen Bann zog, auf philosophischem, theologischem und reformatorischem Gebiet. Auf philosophischem Gebiet hatte Wyclif den strengen Realismus verfochten, im Geiste Piatons die reale Existenz der allgemeinen Begriffe. Die tschechischen Magister nahmen seine Lehren voll Genugtuung auf, bewegt von ihrer radikalen Folgerichtigkeit, bewußt sich freilich auch des Gegensatzes zu ihren deutschen Kollegen, die einen gemäßigten Nominalismus vertraten. Schon ist die Anmerkung des Magisters Hus überliefert: „Ha, ha, was werden die Deutschen dazu sagen!" Wyclif aber hatte seine Lehre auch in die Theologie überführt, vor allem in die Frage derTranssubstantiation: Brot und Wein würden auch nach der Wandlung nicht nur in ihrer Gestalt, sondern in ihrem Wesen Brot und Wein bleiben. Und Wyclif, Streiter an der Seite seines Königs gegen die römische Kurie, griff nicht nur den Inhalt der kirchlichen Lehre an, sondern forderte auch Änderung des Charakters der Kirche schlechthin: Abkehr vom Besitz, Abkehr von Macht und Politik, Rückkehr zur Urkirche, zur armen und unpolitischen Kirche.

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

Der importierten Lehrmeinung kam die innenpolitische Konstellation entgegen. König Wenzel war eine Gegenströmung gegen die mächtig gewordene Kirche nicht unangenehm, ebensowenig wie sie es dem englischen König gewesen war, und angenehm schien ihm die Lockerung der Bindung an den Papst: Er glaubte, eine persönliche Rechnung mit dem Papst zu haben — der Papst in Rom hätte sich in der Auseinandersetzung um die deutsche Krone auf die Seite seines Gegners gestellt, des Ruprecht von der Pfalz. An der Universität aber schwelte auf Grund der Auseinandersetzung um die Wyclifsche Lehre die Unruhe weiter. Am Rand der Häresie — schon 1382 waren Wyclif-Thesen auf einer Londoner Synode verurteilt worden, weitere 1403 von der Prager Universität. Deutsche Prager Magister erhoben Klage in Rom. Heidelberg, Krakau hatten ebenfalls Position gegen Wyclif bezogen. Rom drückte über den Erzbischof, der Aufsichtsrechte ausübte, auf die Prager Universität. Die deutschen Magister standen zur Verurteilung des Wyclifismus, die tschechischen versuchten für ihn einzutreten. Hinzu und aus dieser Auseinandersetzung mitresultierend kam der anhebende Kampf um die Universitäts-Nationen. Die Prager Universität, gegliedert in vier Nationen, die bayerische, sächsische, polnische und böhmische, hatte in dieser Gliederung eine deutsche Mehrheit. Nun war der Zustrom an Deutschen aber zweifellos im Abnehmen: Krakau und Wien und die jüngeren Neugründungen Heidelberg, Köln und Erfurt übten eine entsprechende Sogwirkung aus. Die Tschechen, durch den Kampf um Wyclifs Lehre auf das nach wie vor bestehende formale Ubergewicht der Deutschen schmerzlich hingewiesen, strebten eine Neuordnung der Machtverhältnisse an. Eine politische Frage kam den tschechischen Wünschen zugute. Als in Pisa ein dritter Papst zusätzlich zu denen von Rom und Avignon gewählt worden war, entschied sich der König, eingedenk der Frage seines deutschen Königtums, für den in Pisa gewählten. Für diese Entscheidung suchte der König gutachtliche Untermauerung — bei der Universität. Die deutschen Magister beharrten auf Rom. Die tschechischen, im Wyclifschen Sinn sich an den römischen Papst weniger gebunden fühlend, aber bedeuteten dem König, ein Votum für Pisa wäre sehr wohl möglich, falls er, der König, die Mehrheitsverhältnisse an der Universität zu ändern bereit wäre. Die Folge: das Kuttenberger Dekret von 1409. Der böhmischen Nation wurden drei Stimmen zugesprochen, den übrigen Nationen zusammen eine. Die Vormacht der Deutschen an der Universität war gebrochen. Die Antwort der Deutschen: der Auszug. Noch im selben Jahr verließen wohl rund 60 Magister und 1000 Studenten Prag. Das bedeutete zugleich: Prag war vom Anspruch, eine Reichsuniversität zu sein, deutlich auf den Status einer Landesuniversität zurückgefallen. Der zweite Rektor nach der Neuregelung aber wurde der Magister Johannes Hus.

Zweimal Rebellion in Böhmen: Hussiten und Weißer Berg 3. Die religiöse

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Komponente

Die böhmische Kirche war unter den gegebenen ökonomischen Verhältnissen eine reiche Kirche geworden. Prag war ein anerkanntes Zentrum des kirchlichen Lebens Europas, schon äußerlich: mit 76 Kirchen und Kapellen, 24 Klöstern, 1200 Geistlichen, mit o f t entwickeltem kirchlichem Pomp. Freilich auch mit besorgniserregend verweltlichten Einschlägen: im Perfektionismus der Einhebung der Abgaben, in der Käuflichkeit der Amter wie Würden, in der Geschäftstüchtigkeit mancher Priester. Zudem tauchten auch in der Geistlichkeit soziale Risse auf: zwar Zustrom zum geistlichen Beruf, aber Beschränkung der finanziell ergiebigen Positionen, die f ü r viele unerreichbar blieben. Die Folge: Bildung einer minderbemittelten Schicht von Priestern — Hilfspriestern, Predigern, auch deren Ö f f n u n g f ü r Reform- und Umsturzideen. N o c h versuchte zwar der Erzbischof selbst, Wandel zu schaffen, zu reformieren, die sittliche Reform auch des Klerus einzuleiten. 1407 hatte der Magister H u s die Synodalrede vor seinen Mitpriestern zu halten gehabt, hatte Geiz und Unzucht angeprangert, hatte aufgerufen zu christlich durchdrungenem Leben. Dabei stand der Priester im Hinblick auf die Massenbeeinflussung damals in einer Schlüsselposition. Niemand mehr als er vermochte das Volk zu erfassen, zu bewegen. Prediger waren es, die die Massen hochpeitschten und in ihren Bann schlugen. Kanzeln waren die Massenmedien der Zeit. Von den Kanzeln kamen die Sätze, die über die Entwicklung in Böhmen entscheiden sollten. Die Kanzel des Magisters H u s aber war bald nicht mehr die seiner Oberen. Die theologische Auseinandersetzung um Wyclif war keineswegs beendet. H u s war nicht f ü h r e n d unter den Wyclifisten, das waren, soweit von einer Einheitlichkeit der Bewegung überhaupt die Rede sein kann, um 1408 und 1409 Stanislaus von Znaim, Hieronymus von Prag. Aber die Auseinandersetzung sollte in bezug auf H u s erst noch dramatische Formen annehmen, ihn in den Vordergrund stellen. H u s überwarf sich mit dem Erzbischof. Der Erzbischof ließ Bücher Wyclifs verbrennen. H u s predigte im Sinne Wyclifs weiter; der Erzbischof verbot ihm zu predigen, Hus appellierte an Rom; der Erzbischof verhängte über ihn die Exkommunikation, H u s wandte sich erneut an Rom und las die Messe und predigte wie bisher. Manche trennten sich nun von ihm; viele aber zog seine Unbedingtheit an, nicht zuletzt die Jugend. Prag schien überdies zu einem Anziehungspunkt der Ketzer allgemein zu werden: Aus England tauchten Wyclifisten auf, die dort nun scharf verfolgt wurden, aus Deutschland Magister, die ihrer waldensischen Lehren halber in Schwierigkeiten geraten waren. H u s aber überwarf sich schließlich auch mit dem König: Er hatte sich gegen eine Ablaßverkündigung gewandt, die dieser bewilligt hatte. Gebannt mußte er Prag verlassen. Er zog predigend durchs Land, fand Rückhalt bei Adeligen,

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

verfaßte Kampfschriften, so „De ecclesia", durchsetzt von Wyclifs Geist — Wyclif war ihm Autorität; Rom war es nicht, nicht mehr. Immer deutlicher wurden die Leitbilder in der Bewegung, deren Extrem er nun verkörperte: in Richtung einer national-religiös akzentuierten Sendung, in diesem Rahmen der Kelchforderung, der Kommunion unter beiden Gestalten, der Erneuerung der Kirche der Welt als heilige Kirche im spirituellen Sinn, ohne päpstlichen Primat, allein mit Christus als Haupt. In solcher Uberzeugung zog Hus nach Konstanz, zum Konzil, sich zu rechtfertigen. Mit einem Geleitbrief Siegmunds, einem Brief, der in der Historiographie besonders umstritten sein sollte — wohl als Reisegarantie gedacht. Das Konzil als Reformautorität zu gewinnen, mißlang. Das Konzil als Lehrautorität in Frage zu stellen, war Hus' nächster Zug: die Forderung nach Belehrung aus der Schrift. Hus wurde verurteilt und am 6. Juli 1415 am Ufer des Rheins als Ketzer verbrannt — „non convictus et non confessus" gellte der Ruf der Anhänger.

II. Die Ablaufstrukturen 1. Trägergruppen,

Aktionsherde,

Volksheer

Die Nachricht von der Hinrichtung des Magisters erweckte in Böhmen Verbitterung: eine Schmach, die die ganze Nation getroffen habe. Die Unruhe im Land fraß weiter. Die Nachfolgebewegung, die sich dem Toten verpflichtet fühlte: uneinheitlich zwar, gärend, mit einander widerstreitenden Tendenzen; reformeifernd die einen, im Rahmen der Kirche allein Kelch und Verinnerlichung predigend; diesen Rahmen sprengend die anderen, radikalisiert im wyclif-waldensischen Sinn, revolutionär. Schon formierten sich die Trägergruppen der Bewegung für die Jahre des Kampfes, nicht statisch fixiert, dynamisch, mit wechselnden Positionen und Einflußzonen: der Adel, sich als Sprecher der Nation getroffen fühlend, sich an Konstanz noch mit einem Protestschreiben wendend; das Bürgertum, tschechisch-nationale Führungsgruppen stellend, besonders Prag bis zum Führungsanspruch vor dem Hochadel; an seinem Rande die Magister, diese zugleich das theologische Problem verkörpernd; schließlich die unteren Schichten, das Stadtproletariat, antiständisch, antipatrizisch, radikal-republikanisch; das Landproletariat, in die Bruderschaften mündend, gütergemeinschaftlich, republikanisch, Hauptträger schließlich der militärischen Schlagkraft. Alle Gruppen einte ein Symbol: der Kelch. Die Gemeinsamkeit war freilich nur recht weitläufig umrissen in einem Rahmenprogramm, in den „Prager Artikeln" von 1420, in vier Forderungspunkten: 1. freie Predigt des Wortes Gottes, 2. Reichung des Altarsakramentes unter beiderlei Gestalt,

Zweimal Rebellion in Böhmen: Hussiten und Weißer Berg

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3. Verzicht der Geistlichkeit auf weltlichen Besitz und weltliche Macht, 4. Abschaffung aller Mißbräuche, die den göttlichen Gesetzen zuwiderlaufen, und Bestrafung der Todsünden. Die Kelchkommunion hatte von Prag aus Raum gewonnen: Aber revolutionäre Bewegungen traten hinzu. Ein erster Aktionsherd: Die Revolution eröffnete die Prager Armenschicht — an jenem 30. Juli 1419. Entfesselt in einer Predigt des Johann von Seelau (Jan Zelivsky), mündend in den Fenstersturz der Ratsherren aus dem Neustädter Rathaus — ein Lynchakt. Ihm folgte ein Sturm auf Kirchen und Klöster. Kleriker, Patrizier, Deutsche flohen. Den König oben auf der Burg traf vor Erregung der Schlag. Wenige Wochen später starb er. Neue Unruhen setzten ein. Mit Gewalttaten und Plünderungen, Vertreibungen und Konfiskationen wurde Prag eine ebenso weitgehend tschechische wie hussitische Stadt. Und draußen begann der Adel bereits nach den Gütern der Prälaten zu greifen. Draußen aber ging mehr vor sich — in der Stadt sammelte das Volk sich um die Kanzeln, auf dem Land um die Wanderprediger. Voll religiöser Begeisterung bis zur Ekstase folgte man ihren Worten, ihrer Aufforderung zu Wallfahrten auf die Berge — nur dort könne man Gott begreifen, nur dort werde man gerettet. Und sie verließen die Dörfer, verbrannten ihre Hütten, kamen zu Tausenden, voll chiliastischer Hoffnung, beteten, kommunizierten, sangen. 40.000 waren es, die im Juli 1419 auf dem Berg T a b o r in Südböhmen zusammengeströmt waren. Und sie verbanden sich in einer neuen Gemeinsamkeit, gewannen in der Masse neues Selbstbewußtsein und Stärkegefühl, riefen eine neue Ordnung aus, in der „nichts mein und nichts dein" sein und alles allen gehören sollte. Und sie begannen, ihre Sendung weltweit zu begreifen, ihre fromme Passivität gewann aktivistische, kämpferische Züge, sie fühlten sich als Vorkämpfer, die Christus den Boden für ein neues Königtum bereiten und gegen die Feinde zu einem Kampf ohne Gnade antreten sollten. Kampf ohne Gnade. Im Inneren kam es zu ersten Auseinandersetzungen mit sich entgegenstellenden Adeligen. Die Massen aber wurden nun zum Kader für ein Heer. Von außen allerdings schien sich das Ende anzukündigen: Siegmund, Wenzels Nachfolger, deutscher König und König von Ungarn, verhandelte kurz, eröffnete den Krieg, mehr: den Kreuzzug, der Papst ließ ihn 1420 ausrufen. Und Kreuzheer um Kreuzheer rannte gegen Böhmen an, gegen die böhmischen Ketzer. Rannte an — schwerfällige, zusammengewürfelte Verbände, oft soldhungrige Abenteurer. Gegen ein Volksheer. Bauern, Knechte, Kleinbürger; in der Organisation unkonventionell, viel Fußvolk, die Wagenburgen als Rückhalt; in der Bewaffnung primitiv, Dreschflegel, Äxte, Speere, allerdings eine respektable Artillerie; in der Taktik wendig, Täuschungen, Überraschungen, Flankenwirkungen; in der Führung mitreißend wie durch Jan Zizka von Trocnov, den Kleinadeligen, einäugig und dann blind, oder Prokop den Kahlen, den Täbor-

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

Priester, der bei Lipany fiel. Mitreißend noch nach dem T o d e : Deutscher Legende gemäß hat Z i i k a , als er 1424 starb, seine Haut für eine Trommel zur Verfügung gestellt, die weiter zum Sieg führen sollte . . . 2. Die

Entscheidung

Keine große Schlacht, die alles entschieden hätte, aber eine ganze Abfolge von großen Abwehrsiegen: Prag 1420, Deutsch Brod 1422, Aussig 1426, T a chau 1427, Taus 1431 — vernichtende Niederlagen für die Kreuzheere. Und darüber hinaus Ausfälle über die Landesgrenzen, die die Hussiten nach Nordungarn und Schlesien, nach Polen, Sachsen und Brandenburg, ins Bayrische und Osterreichische führten. Erfolge, die errungen wurden im Zuge einer ständig bewegten inneren Auseinandersetzung, über einem brodelnden Kessel eigener Bewegungen. In Querelen da und im Bündnis dort mit Adelsgruppen und Städtebünden, überworfen und kooperierend mit den Bügerschichten, die in Prag bis zur Exekution des Johann von Seelau schritten, in wechselnden Gruppierungen selbst im Heeresaufgebot, wie die „Waisen", die „sirotci". Und doch war es die alle erfassende Idee, die sie immer wieder in jene furchtbaren, niedermetzelnden Streitmassen verwandelte, keinen Pardon erwartend, keinen gewährend, eskalierend im Terror und Gegenterror, trunken vom Geist des Aufbegehrens, durchdrungen von dem Sendungsglauben, für die reine Lehre zu kämpfen, Auserwählte, „Gottes Streiter" zu sein. D a ß der gewaltige Anlauf schließlich zusammenbrach, verhinderte auch die Kraft dieses Glaubens nicht: in der Erschöpfung des Landes, im Elend seiner Bewohner, in der Unstetheit und Kurzatmigkeit seiner Führung. Aber auch in der gewonnenen Sättigung der neuen Nutznießerschichten, der „Neureichen" unter den Bürgern, die in den Häusern und Ämtern der meist deutschen Vertriebenen saßen, der Bereicherten im Adel, Herren wie Ritter, die Kirchengut an sich gerissen hatten. In dieser Situation mußte ein Gesprächsangebot die Front des Widerstandes zerbröckeln lassen. Und das Angebot der Gegenseite, die nun zwölf Jahre vergeblich Krieg geführt hatte, die vor den Trümmern von fünf gewaltigen Kreuzzugsexpeditionen stand und die in zunehmende Sorge vor einem Ubergreifen der Hussitenlehre geriet, kam: die Einladung einer Delegation zum Konzil nach Basel, in Eger 1432 näher umrissen, 1433 befolgt. Noch einmal entluden sich in der Zerreißprobe der Verhandlungen, die nach Basel in Prag fortgesetzt worden waren, die inneren Spannungen: Anwachsen der vergleichsbereiten Kräfte, katholischer wie Kelchadel, Prager Bürgerschaft; Kulmination der inneren Auseinandersetzung in einer letzten, brudermörderischen Schlacht — 1434, bei Lipany, das Ende der Radikalen. Auf der anderen Seite mußte Rom Konsequenzen aus der signalisierten Gesprächsbereitschaft ziehen und einlenken. Das Ergebnis der Verhandlungen: Die Basler oder Prager Kompaktate 1436, ein Kompromiß auf der Basis der Prager Artikel, dehnbar formuliert — der Kelch und die Anerkennung der

Zweimal Rebellion in B ö h m e n : Hussiten und W e i ß e r Berg

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neuen Besitzverhältnisse, der beraubten, also der armen Kirche, dazu freie Predigt für diejenigen, denen es die kirchliche Obrigkeit gestattet, und Bestrafung der Todsünden nach geltendem Gesetz. Der Sozialrevolutionäre Ansatz war zerschmettert, die Enteignung des Kirchengutes kam den politisch Mächtigen zugute, was blieb, war eine liturgische Sonderform. Die Utraquisten drängten in Hinkunft zur tschechisch-katholischen Nationalkirche im Rahmen der universalen Reichskirche. Noch schwelte anfangs alter Trotz: 1437 wurden nach Erstürmung ihrer Burg 60 Hussitenkämpfer in Prag gehenkt. Noch gärte alter Sektengeist: In Saaz der der deutschen Waldenser, in T ä b o r der der Taboriten, Aufleben in der Brüderunität, der Gemeinde der Brüder, Peter Chelcicky, radikale Eremitengestalt im Sinn der Urkirche. Noch schwang die Bewegung politisch aus: mit Georg von Podebrad. Aber auch die Kirche vermochte sich mit den Kompaktaten nicht abzufinden. Der Papst sträubte sich anzuerkennen, was das Konzil gutgeheißen hatte, agierte im Sinn der Universalität der Kirche, die keine Separationen dulden wollte. Allmählich schien der Katholizismus, in Selbstbesinnung und — von Persönlichkeiten wie Johann Kapistran — mitreißend vorgetragen, auch in Böhmen wieder an Boden zu gewinnen. Da führte die Reformation in Deutschland neue Bewegungen und Fronten herbei . . .

C . D E R WIDERSTAND DER STÄNDE UND DER WEISSE BERG

Zwei Jahrhunderte nach dem Ausbruch der Hussitenkriege stand Böhmen erneut in Empörung. Die europäische Bühne der Zeit: Von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts her hatte der Gegensatz Niederlande—Spanien eine neue Frontentwicklung in die europäische Macht- und Mächtekonstellation hineingetragen. Auf der einen Seite: Spanien, Rom, die Habsburger, die katholischen deutschen Fürstentümer, die katholische Linie der Wasa in Polen-Litauen. Auf der anderen Seite: die Niederlande, eben siegreich aus einer Ständerevolution hervorgegangen; im Hintergrund eine mögliche Kombination mit England, den protestantischen deutschen Fürsten, den schwedischen Wasa, eventuell Frankreich. V o r dieser europäischen Konstellation kam es zur neuerlichen Krise in Böhmen. I. Die Aufbaustrukturen Ein Blick auf die wirtschaftliche und politische Basis: Böhmen war zweifellos ein wirtschaftlich nach wie vor bedeutendes Land. Prag war eine ebenso bedeutende Stadt: Residenzstadt des Kaisers, kosmopolitisch nun schon vom H o f her, nach wie vor starkes internationales Handelszentrum, Knotenpunkt zwischen Nürnberg und Breslau, Leipzig und Wien. Die großen Kaufleute

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

waren die kapitalstarke Ebene im Lande. Die T u c h - , Leinen- und Eisenproduktion stand in Entfaltung; der Silberbergbau allerdings war rückläufig, vor allem auf Grund der außereuropäischen Produktion. Die sich langsam verschärfende Untertanenlage, der D r u c k der Grundherrschaften und ihrer Beamten, die zunehmende Bodenbindung der Bauern führte bereits zu Konfliktsituationen auf dem Lande. Die finanzielle Lage in der böhmischen Gesellschaft war angespannt. Grundherrschaften und Städte waren vielfach in Kreditoperationen gebunden. Die finanziellen Gruppeninteressen innerhalb von Adel und Städten, ihre Situation auch als Kreditgeber für Land und Herrscher, nährten den Wunsch nach verstärkter Einflußnahme auf den politischen Apparat. Die Basis dafür: die Stände. Zu den Ständen zählten Herren, Ritter und Städte. Die königlichen Städte waren ab der Hussitenzeit in die Landtage vorgedrungen. In die ständische G e sellschaft waren sie, die auch Grund und Boden auf dem Lande zu erwerben getrachtet hatten, zugleich als Obrigkeiten eingerückt. Zu Beginn des 17. J a h r hunderts aber war die Teilung des Adels in Herren und Ritter auch in materieller Hinsicht überholt. M a n c h e r Ritter war reich geworden, reicher als mancher verarmte Herr. Die anhebende Konfrontation zwischen den Ständen und dem Herrscher aber hatte ständepolitische und religiöse Motive. 1. Die ständepolitischen und religiösen

Konfliktmotive

Die Stände gingen von der Vorstellung einer ständischen M o n a r c h i e aus, einer Monarchie, in der Herrscher und Stände aufeinander angewiesen agieren sollten. Böhmen galt ihnen als Wahlkönigtum, auch wenn R u d o l f II. schon nur mehr als König „angenommen" worden war. Allerdings ging es den Ständen dabei zunächst noch weniger um das R e c h t , einen anderen König zu wählen, als um das Verpflichtetsein des Königs, um das Verpflichtetsein des von den Ständen angenommenen Königs den Ständen gegenüber, d. h. um des Königs und seiner Beamten Pflicht, die ständischen Privilegien zu achten. Die religiösen Motive führen nochmals auf europäische Ebene — auch B ö h m e n war nun in die Bewegung der Gegenreformation einbezogen. Die Ausgangsposition in B ö h m e n am Ende des 16. Jahrhunderts war für die katholische Kirche freilich beengt: von rund 1600 Pfarren 2 0 0 römisch-katholische, 200 katholisch-utraquistische,

1200, die sich zur confessio Bohemica

bekannten.

Diese böhmische Konfession war zwar nicht einheitlich organisiert und nicht einheitlich im Bekenntnis: Lutheraner, Calvinisten und tschechische evangelische Utraquisten, in denen wieder Einflüsse des Luthertums, des Calvinertums und des Hussitismus zusammenflössen. Eine ihrer Kerngruppen war die Unität der Brüder. Das Luthertum in Böhmen wurde von Sachsen aus unterstützt. Es hatte unter den Deutschen seine stärksten Gemeinden. Lutheraner war auch der Arzt und Historiker Jessenius, seit 1617 R e k t o r der Universität. Besonders Lu-

Zweimal Rebellion in Böhmen: Hussiten und Weißer Berg

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thertum und Calvinertum prallten freilich oft aufeinander. Dennoch bildete der Protestantismus insgesamt eine geistig starke Bewegung. Dagegen waren nun die reformatorischen Kräfte der römischen Kirche angetreten. Geführt von zielbewußten Männern, weltanschaulich einheitlich. Ab 1555 wirkten die Jesuiten in Prag, hatten das Klemenskolleg aufgebaut, eine ausgezeichnete philosophisch-theologische Akademie, deutsch geprägt, mit steigender Hörerzahl, mit starker Wirkung im ganzen Land, anziehend selbst für Nichtkatholiken. Die Kollegien in Olmütz und Brünn wirkten parallel. Das Olmützer Kolleg sollte als Collegium Nordicum die Gegenreformationsbewegung nach Nord- und Osteuropa vortragen. Daneben setzte die Revitalisierung der bestehenden Orden im Land ein, so der Dominikaner, der Zisterzienser, der Prämonstratenser; ab 1600 kamen, tief ins Volk nachstoßend, die Kapuziner nach Prag. Umsichtige Erzbischöfe lenkten die Aktionen. Die Nuntien, dem Kaiser nun in seine neue Residenz Prag nachgekommen, mit der örtlichen Führung zwar nicht immer ganz übereinstimmend, traten als verlängerter Arm der römischen Zentrale hinzu. Die Folge dieser Erneuerung: Ab 1590 war die Front des Protestantismus nicht nur zum Stehen gebracht, sondern der römische Katholizismus im Vorrücken. Innerhalb dieser religiösen Bewegung verfolgten vor allem die protestantischen Stände in Böhmen die Forderung nach ständischer Religionsfreiheit. Sie zielten damit allerdings über die rein religiöse Frage hinaus. In der Religionsfreiheit wollten die Stände zugleich einen politischen Akzent sehen: Anerkennung des Rechts der Stände auf Eigenständigkeit, notfalls auf Widerstand. Und den Grundsatz, daß Widerstand gegen eine ungerechte Obrigkeit gerechtfertigt sei, machten sich nicht wenige zu eigen. Aber die Frage der Religionsfreiheit hatte schließlich über den politischen hinaus auch einen materiellen Akzent: Adel und Städte hatten sich einst Kirchengut angeeignet; sie fürchteten die Forderung nach Rückgabe; eine Restitution wäre ihnen schwergefallen. 2. Die Eskalation in der

Konfliktlage

In diese an sich gespannte Situation wurden zusätzlich Konfliktmomente hineingetragen, die zur Stärkung der ständischen Opposition führten: 1608, 1609, 1611, 1615. a) Die Erfolge der Stände im Bruderzwist: Das Aufbegehren der ungarischen Stände; das Hinüberwechseln der Stände Ungarns, Österreichs, Mährens zu Matthias; daraus resultierende Zugeständnisse an die böhmischen und schlesischen Stände durch Rudolf; die Reduzierung der Herrschaft Rudolfs schließlich auf Böhmen und Schlesien im Vertrag zu Lieben 1608. b) Der Majestätsbrief 1609: Der Majestätsbrief war ein Zugeständnis des geschwächten Herrschers gegenüber der ständischen Opposition: Religionsfreiheit für die Stände, klares Abgehen vom „cuius regio . . Und die Stände sollten auf ihren Gebieten Kirchen und Schulen errichten dürfen.

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

Mehr noch: Zusätzliche Stärkung der Stände — Defensoren sollten die Einhaltung des Majestätsbriefes überwachen. U n d den nichtkatholischen Ständen sollte auch die Universität zufallen. c) Ein letzter, mißlungener Versuch, die Entwicklung zu wenden: Der Einfall der Passauer 1611, des Passauer Bischofs Erzherzog Leopold, N e f f e Rudolfs. Er besetzte die Prager Burg und die Kleinseite. Aber er drang nicht durch. Der Bischof z o g ab. Was blieb, war eine schwer angeschlagene Position des Königs. Rudolf mußte weichen. Matthias setzte sich noch 1611 als König durch. 1612, nach Rudolfs T o d , wurde er Kaiser. d) Ein nationaler Akzent: Die gestärkten Stände setzten ein Zeichen der Abgrenzung. Keine Frage, daß das Deutschtum am Beginn dieses 17. Jahrhunderts im Vordringen war. Überall waren es immer wieder Deutsche, die die wirtschaftliche Entwicklung im Land mit neuen Impulsen durchsetzten: in den Städten, in der Tuch- und Leinenindustrie, im Kohleabbau und in der Glaserzeugung, in der Spitzenklöppelei und in den böhmischen Bädern. Die Deutschen aber setzten Zeichen auch in der kulturellen Entwicklung. Mit dem Vordringen des Luthertums kamen Pastoren, Prädikanten, Schulmeister, deutsche Bücher und Lieder. Deutsche erschienen auch im religiösen Gegenzug: Aus den Alpenländern kamen deutsche katholische Aktivisten ins Land. U n d in den Ständen tauchte zunehmend deutscher Adel auf. In dieser Situation faßten die Stände 1615 einen Landtagsbeschluß mit nationaler Folgewirkung: eine Unterstreichung der tschechischen Sprache als Landessprache. Die Erlangung des Inkolats wie die Beerbung von Grundbesitz sollte die Kenntnis der tschechischen Sprache zur Voraussetzung haben. Der Beschluß verdeutlichte die ständische-patriotische T e n d e n z zur Abgrenzung und Eigenständigkeit.

II. Die Ablaufstrukturen 1. Die Ausbildung der Fronten Der Anlaß zur Auseinandersetzung: Die differenzierte Auslegung des Majestätsbriefes. In zwei schwierigen Fällen, Ursachen jahrelangen Rechtsstreits: Die Protestanten hatten auf katholischem Kirchengut Kirchen errichtet — in Braunau, das dem dortigen Abt, und in Klostergrab, das dem Erzbischof von Prag untenan war. Die Protestanten wollten die geistlichen Güter als königliche, als Kammergut, einstufen. Die kirchlichen Stellen legten Verwahrung ein. Die Entscheidung des Königs lautete zugunsten der Kirche. D a s Ergebnis: Schließung, Abbruch. Die Entwicklung kulminierte im Frühjahr 1618: Protestantischer Sonderlandtag, Beschwerde an den Kaiser. Abweisende Antwort; Aufforderung zur Auflösung der Versammlung. D a brach der Widerstand der protestantischen

Zweimal Rebellion in Böhmen: Hussiten und Weißer Berg

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Stände sich Bahn: Am 23. Mai 1618 zogen sie auf die Burg hinauf. Sie debattierten in der Landtagsstube. Graf Matthias T h u m , der zum Wortführer wurde: Man möge die verhaßten Statthalter beseitigen, die Jesuitenknechte, die schon immer beim Kaiser gehetzt, die stets gegen die Religionsfreiheit gewirkt hätten. Man stürmte in die Kanzlei der Statthalter, man packte sie, den Wilhelm von Slawata, den Jaroslav von Martinitz, und man warf sie aus dem Fenster, und den Geheimschreiber Philipp Fabricius warf man hinterher. 16 Vi m tief lag der Burggraben. Nur Slawata war ernstlich verletzt. Alle drei entkamen. Wien deutete den Sturz aus dem Fenster als Zeichen der Erhebung gegen den Herrscher. Prag, die Stände, zögerten allerdings noch: Man habe sich nur gegen örtliche Gewalten empört. Man wolle nicht Front machen gegen die Dynastie. Aber schon waren die Weichen für neue Entwicklungen gestellt. Die Stände in Böhmen griffen nach der politischen Führung. Dreißig Direktoren übernahmen die Landesverwaltung. Truppen wurden aufgestellt. Diplomatische Aktionen setzten ein: Man sah sich um Verbündete im Ausland um. Die erhoffte ausländische Hilfe blieb freilich gering. Die Ungarn lieferten den angereisten Universitätsrektor Jessenius sogar dem Kaiser aus. Nur Schlesien schloß sich sofort, Mähren dann zögernd dem Aufstand an. Der T o d des Königs riß weitere Gräben auf. 1619 starb Matthias. Ferdinand II. war als Nachfolger auch in Böhmen bereits anerkannt, „angenommen" und gekrönt. Der ihm vorausgehende Ruf: er sei ein scharfer Bekämpfer des Protestantismus. Die Reaktion der Böhmen nun: sie setzten Ferdinand ab. Aber die Stände wollten dennoch nicht auf sich selbst gestellt bleiben. Sie wählten einen neuen König: Friedrich V. von der Pfalz. Die Wahl erfolgte aus machtpolitischen Überlegungen und hatte sogar einen Akzent dynastischer Politik: Der Pfälzer war nicht nur Vorsitzender der Union der protestantischen Reichsstände, sondern auch in verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen mit dem Niederländer Moritz von Oranien, mit dem englischen und dem dänischen Königshaus. Die auflodernde Empörung aber mußte freilich stehen oder fallen mit ihrem vertikalen und horizontalen Ausgreifen, a) Die vertikale Komponente: Wie weit griff der Aufstand über auf andere Schichten — außer auf den Adel, auf Herren und Ritter? Das heißt, inwieweit gewann der ständische Widerstand revolutionären Charakter? Die Städte, das Bürgertum blieben zurückhaltend. Die durch das Direktorium dekretierte Abgabenerhöhung hat den Anreiz zur Gemeinsamkeit nicht erhöht, im Gegenteil, zu ernsten Konflikten geführt. Die Aktivität der bäuerlichen Untertanen erschöpfte sich in einigen Klosterstürmen. Mehr noch, 1619 und 1620 kam es zu Aufruhraktionen der Untertanen, Zusammenrottungen gegen die plündernde Soldateska beider Seiten, auch der ständischen. Schon tauchte auch die Parole auf: Entlassung aus der Untertanenschaft und Zuerkennung des Status von Freien. Aber vor solcher revolutio-

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

närer Verbindung zögerten die Stände. Das vertikale Ausgreifen blieb stecken. b) Die horizontale Plattform: Gelang es den Ständen, sich die internationale Konstellation der Mächte zunutze zu machen? Die ins Niederländisch-Englische zielende Verbindung vermochte nicht aktiviert zu werden. Mehr noch, 1620 griffen die Spanier die Pfalz an und desorientierten damit die Niederlande wie England gegenüber Böhmen. Die Niederlande gewährten im wesentlichen nur finanzielle Hilfe, England gar nur diplomatische, eine kleine Hilfe Savoyen. Frankreich blieb neutral. Die aus den Niederlanden und aus England bezogenen Truppeneinheiten waren gering. Was Deutschland betraf, neutralisierten einander Liga und Union. Hinzu kam der Gewinn des lutherischen Kursachsen für die kaiserliche Seite. Damit war auch ein propagandistischer Effekt verbunden: Der Böhmische Krieg war damit nicht als Religionskrieg, sondern als Krieg des Herrschers gegen ungehorsame Untertanen annonciert. Blieb die eben, 1619, geschlossene böhmisch-österreichisch-ungarische ständische Konföderation. Im März 1620 tagte in Prag ein Generallandtag. Man sagte einander militärische Unterstützung zu. Im Juni ging nochmals eine Gesandtschaft nach Ungarn ab, wieder war der Rektor Jessenius dabei, inzwischen aus kaiserlicher H a f t entlassen. Bethlen Gabor sollte als Verbündeter aktiviert werden. Und in die Konföderation wurde nun auch Siebenbürgen aufgenommen. Schließlich wurde sogar eine weitere große Gesandtschaft nach Konstantinopel abgefertigt. 2. Die

Entscheidung

Ab Sommer 1620 gingen Maximilian von Bayern und Jan Tserclaes Tilly mit dem Heer der Liga zum Angriff über: im Bogen ausholend über Oberösterreich, Niederösterreich, ab dort gemeinsam mit dem kaiserlichen Heer, unter Graf Buquoy, gegen Böhmen. Die aufgebotenen Kontingente machen auf Ligaund kaiserlicher Seite insgesamt rund 51.000 Mann aus, auf ständischer 42.000. Die nationale Zusammensetzung war auf beiden Seiten bunt, zu bunt für einen nationalen Krieg: auf kaiserlicher Wallonen und Spanier, Lothringer und Deutsche, Kroaten und Italiener, Niederländer, Iren und Polen, kaum Deutsche aus Osterreich; auf ständischer Tschechen aus Böhmen, Mähren, Schlesien, Deutsche von dort und aus Ober- und Niederösterreich, aus Sachsen-Weimar, dazu Magyaren und Niederländer, Engländer und Schotten. Die Dislokation ließ nur einen Teil der Kräfte zum Entscheidungstreffen antreten. Bei den Ständischen wie bei den Kaiserlichen. So hatten die Kaiserlichen unter Dampierre einen Entlastungsvorstoß Bethlens aus Ungarn an der Donau abzuwehren. Die Frage nach der Zahl der Streiter ist allerdings durch die nach deren Kampfmoral zu ergänzen: Sie muß gerade bei den Ständischen als bedenklich eingestuft werden. Viele Einheiten, u. a. auch die oberösterrei-

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chischen, hatten empfindliche Soldrückstände. Die Stände, um die es in der Auseinandersetzung schließlich primär ging, hatten sich materiell nicht eben opferwillig gezeigt. Die Entscheidung fiel vor Prag: am 8. November 1620, auf dem Weißen Berg. Die Ständischen wähnten sich am Hang des Berges mit Grund in guter Position; aufgestellt in drei Treffen, unter Führung Christians von Anhalt, mit T h u m und Hohenlohe als Unterbefehlshabern; mit dem rechten Flügel, Mährern, angelehnt an die Mauer des Schlößchens Stern; auf dem linken, oberhalb des Motol-Tals, das verläßliche älteste Regiment T h u m s ; insgesamt rund 21.000 Mann. 28.000 Mann führte der Gegner heran, den Hang herauf, nach spanischem Brauch in Viereck-Formationen. Zögernd zunächst, im Hinblick auf die vorteilhafte Stellung der Ständischen, dennoch angreifend kurz nach Mittag, mit Schwerpunkt auf dem rechten Flügel. Der Verlauf der Schlacht: Der Angiff des rechten Flügels der Kaiserlichen hatte Erfolg, gerade das Regiment T h u m zeigte sich überraschend unsicher, ging zurück, bald floh auch die ungarische Reiterei des dritten Treffens. Einen Augenblick lang schienen die Ständischen diesen Rückfall durch ihren Druck auf das Zentrum des Gegners auszugleichen, in dessen Front einen gefährlichen Keil zu stoßen. Ein nochmals zusammengefaßter Flankenangriff vom rechten kaiserlichen Flügel, Liga-Reiterei, neapolitanische Musketiere, wallonische Infanterie, aber zermalmte die ständischen Treffen bis in ihr vorgehendes Zentrum. Nur deren rechter Flügel, zuletzt noch die Mährer, von Schlick kommandiert, führte ein verzweifeltes, aufopferndes Schlußgefecht. Die in den Parkanlagen des Schlosses Stern harrenden ständischen Einheiten waren gar nicht zum Eingreifen gekommen. Die eindringenden, wütend angreifenden Neapolitaner schlugen sie zusammen. Friedrich selbst kam nicht einmal mehr zur Schlacht zurecht. Im Herausreiten aus dem Stadttor stieß er bereits auf die Fliehenden. Nur zwei Stunden hatte die Schlacht gedauert. Auf beiden Seiten waren rund 2000 Mann gefallen, nicht eben viel, keine 5 %. Nächtlicher Kriegsrat auf dem Hradschin, während der Gegner vor den Toren seine Nachtlager aufschlug. Sollte Prag noch verteidigt werden? Sollten die im Lande dislozierten Einheiten konzentriert, die anmarschierenden 8000 ungarischen Reiter abgewartet werden? Sollte ein letzter Versuch unternommen werden, den Widerstand hochzureißen, dem Krieg in Böhmen eine Wendung zu geben? Unter Opfern, sicher, unter materiellen Opfern des bisher zurückhaltenden Adels, unter politischen und sozialen Opfern, um Bürger und Untertanen zu mobilisieren? Einer bejahte es, trug es vor im Kriegsrat, Georg Erasmus Tschernembel, der Oberösterreicher: E r hielt den Böhmen ihre hussitische Tradition vor, sprach einer durchgreifenden Mobilisierung aller Kräfte das W o r t und verlangte einen Uberfall auf den vor den Toren lagernden Feind noch in derselben Nacht. Vergebens. In den Morgenstunden des 9. verließ der König Prag. Mit einer

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

langen Reihe von Lastwagen. Und nahm den Weg nach Schlesien. Ein Teil des Adels folgte. Prag wurde geräumt. Auch die ständischen Söldner verließen die Stadt, manche plünderten noch abfahrende Wagen des Adels. Ab dem 9. November 11.00 Uhr zogen die Kaiserlichen und Liga-Truppen in Prag ein. Plünderungen griffen Platz. Die Beute war gewaltig — für Offizier und Mann. Von Maximilian wird berichtet, er sei, als er Prag wieder verließ, mit 1500 Lastwagen abgefahren. Die Folgen der Niederlage: Verhaftungen, Sondergericht, Hinrichtungen, Konfiskationen. Am 20. Februar 1621 fanden Massenverhaftungen der Führenden des Widerstandes statt. Die Herren und Ritter wurden im Weißen Turm der Prager Burg, die Bürger in den Rathäusern eingekerkert. 27 wurden durch das Sondertribunal zum T o d e verurteilt. Tschechen wie Deutsche, mehr Bürger als Adelige: drei Herren, sieben Ritter, 17 aus dem Bürgerstand. Am 21. Juni 1621 wurde die Exekution vollzogen, in der Reihenfolge des Standes, auf einem Blutgerüst auf dem Altstädter Ring. Als erster: ein Deutscher — der Graf Schlick. Ein Katholik war dabei, ein Czernin: Er war zur Zeit der Defenestration Hauptmann auf der Burg gewesen und hatte die bewaffneten Stände passieren lassen, hatte nicht kräftig genug widerstanden. Der Rektor Jessenius: Ihm schnitt man, bevor er geköpft wurde, die Zunge ab — mit ihr hatte er gesündigt. Die Häupter von zwölf exekutierten Direktoren wurden an eisernen Haken auf dem Altstädter Brückenturm zur Schau gestellt. Gemildertes Echo in Mähren: 1622 wurden 20 Todesurteile in Mähren gefällt, jedoch alle Verurteilten begnadigt. Die Eigentumsstrafen: In Böhmen wurden 680 Personen verurteilt, rund 280 Herrschaften zur Gänze enteignet, gegen 400 zum Teil. In Mähren wurden an die 300 Personen verurteilt. Fast die Hälfte des Ständeadels war betroffen. Die Folge des Eigentumswechsels: Der böhmische Adel nahm neue Elemente auf — die Colloredo, Piccolomini, Aldringen, Collalto, Gallas, Thurn, Eggenberg, Liechtenstein. In der Substanz insgesamt eine neue Stärkung des Herrenstandes. Auch die Geistlichkeit tauchte wieder in den Ständen auf. In einer neuen Verfassung aber wurde die Macht der Stände freilich auf ein Minimum reduziert: durch die „vernewerte Landesordnung", 1627 für Böhmen, 1628 für Mähren. Böhmen wurde Erbland der Habsburger in männlicher Linie. Dem König kam die gesetzgebende Gewalt zu. Das römisch-katholische Bekenntnis wurde das einzig zugelassene. Die tschechische nationale Geschichtsschreibung sah ab nun die „doba temna" einbrechen — die Zeit des Dunkels . . .

Zweimal Rebellion in Böhmen: Hussiten und Weißer Berg

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D . V E R S U C H DER EINORDNUNG

Z w e i f a c h v e r m a g die L e h r e — s o w o h l in ihrem E r f a s s e n d e r A b l ä u f e als auch in ihrem politisch-erzieherischen E l e m e n t — aus den beiden E m p ö r u n g s modellen zu schöpfen: 1. in der b e g r i f f l i c h e n U n t e r s c h e i d u n g , im unterschiedlichen Sachverhalt; 2. in der W e r b e k r a f t solcher M o d e l l e , o b als Sieg o d e r N i e d e r l a g e , f ü r d a s nationale Geschichtsbewußtsein u n d d a m i t f ü r die Integration einer G r u p p e . 1. Z u m B e g r i f f : D i e E m p ö r u n g der H u s s i t e n w a r ein revolutionärer A u f b r u c h . M i t breiter s o z i a l e r Basis, i m m e r wieder alle Schichten e r f a s s e n d , wenn auch wechselnd im M i t - u n d G e g e n e i n a n d e r ; mit einer g e w a l t s a m e n S t o ß k r a f t ; mit p r o g r a m m a t i schem Ziel, mit a u s g e p r ä g t e m S e n d u n g s b e w u ß t s e i n . U n d in diesem Bewußtsein sind, wenn auch ungleichmäßig, uneinheitlich, mit w a n d e l n d e r

Gewichtung

u n d keineswegs aus den m o d e r n e n B e d e u t u n g s i n h a l t e n unverändert zu transp o n i e r e n , religiöse, nationale und s o z i a l e E l e m e n t e deutlich. D a s religiöse Element s o g a r stark g e n u g — wenn auch nur vereinzelt —, selbst deutsche P o s i tionen in B ö h m e n zu integrieren. D i e G e s a m t e r s c h e i n u n g d i f f e r e n z i e r t g e n u g , u m chiliastische u n d „ f o r m i e r t e " A n s ä t z e h e r v o r z u k e h r e n , g e p r ä g t g e n u g , u m ein K e t t e n g l i e d der e u r o p ä i s c h e n R e v o l u t i o n e n z u repräsentieren. G a n z anders d e r Weiße Berg — eine E m p ö r u n g der S t ä n d e , die A u f l e h n u n g einer G r u p p e g e g e n den H e r r s c h e r . Sicher, g e g e n einen als ungerecht e m p f u n denen H e r r s c h e r — u n d damit ein A k t des W i d e r s t a n d e s . Eine schmale s o z i a l e B a s i s : G r u p p e n e g o i s m u s , der nicht einmal die S t ä n d e in ihrer G e s a m t h e i t erf a s s e n ließ, s o die S t ä d t e ; der m a n g e l s auch nur materieller O p f e r b e r e i t s c h a f t selbst die S t o ß k r a f t lähmte, der auch j e d e d u r c h s c h l a g e n d e I d e e

hemmen

mußte. D a s nationale E l e m e n t w a r in der A u f l e h n u n g s g r u p p e nicht t r a g e n d , wir d e n k e n an T h u m , Schlick, J e s s e n i u s , selbst bei der K ö n i g s w a h l k a m es nicht z u r G e l t u n g , u n d nationale W i r k u n g über die W i d e r s t a n d s g r u p p e hinaus war nicht g e g e b e n . D i e s erklärt sich auch aus der A b s e n z s o z i a l e r A n s a t z p u n k t e der B e w e g u n g . U n d die religiösen blieben — t r o t z t a p f e r e n Sterbens a u f dem S c h a f o t t — d o c h allzusehr im A s p e k t ständischen Strebens v e r f a n g e n . 2. Z u m Geschichtsbild: B e i d e E r e i g n i s s e prägten im 19. wie im 20. J a h r h u n d e r t d a s nationale R o l lenbild u n d das Geschichtsbewußtsein auf deutscher wie tschechischer Seite, nicht o h n e G e f a h r der R ü c k p r o j i z i e r u n g der G e d a n k e n g ä n g e des m o d e r n e n Nationalismus. Im K l i s c h e e - G e s c h i c h t s b i l d deutscher und deutsch-österreichischer P r ä g u n g

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

standen Hussitenkriege wie Weißer Berg vor allem unter dem Zeichen tschechischer Empörung gegen gegebene Ordnungen: in staatlicher Hinsicht gegen die Einheit des römisch-deutschen und des Donaureiches, in nationaler Hinsicht gegen das Deutschtum, in religiöser Hinsicht gegen die Kirche, insgesamt als Zeichen tschechischen Ausbruchsbegehrens, mangelnden tschechischen Kooperationswillens, mangelnder tschechischer Kooperationsverläßlichkeit. Im nationalen tschechischen Geschichtsbild galten beide Empörungen lange als Symbole des gerechten Kampfes gegen eben jene Ordnungen: der Hussitismus als Höhepunkt siegreicher nationaler Bewährung, der Weiße Berg als nationale Katastrophe ohne Maß. Der Höhepunkt, der Hussitismus, sollte den vielzitierten Kern des echten Tschechentums verdeutlichen, sei es in der Empörung gegen Rom — für die Freiheit, gegen den Kaiser — für die Nation, gegen Feudalismus — für die Letzten und Armen. Und die Niederlage auf dem Weißen Berg vermochte dem nationalen Geschichtsbild zusätzlich jenen dramatischen Effekt zu verleihen, der in Leid und Zorn bereits den moralischen Appell zur Überwindung der Niederlage einschließt: Z Tyna huci denne [Vom Teyn her dröhnt es täglich nad nämestim tim: über diesen Platz: prokleta bud' Viden, verflucht sei Wien, proklet budiz Rim. verflucht sei Rom.] Damit war von beiden Seiten ein national stark wirksames Freund-FeindBild aufgebaut worden. Es hat zur Integration wie zur Abgrenzung beider Gruppen wesentlich beigetragen. Die neuere tschechische wie deutsche und österreichische Historiographie, auch die tschechisch-marxistische der Nachkriegszeit, haben inzwischen weitergehenden, die überspitzt nationalen Thesen relativierenden Überlegungen Raum gegeben. Die notwendige Folgerung für die Geschichte als Faktor der Standort- und Standpunktbestimmung in der Gesellschaft von heute: Keine Frage, daß das Geschichtsbild für das Rollenbild, mit dem sich der einzelne in der Gesellschaft zu identifizieren strebt, und seine daraus resultierende Integrationsbereitschaft nach wie vor von wesentlicher Bedeutung ist. Keine Frage auch, daß in diesem Rahmen der nationalen Geschichte besondere Bedeutung zukommt. Zunehmend wird es aber unsere Aufgabe sein, das von uns zu zeichnende Geschichtsbild breiter anzusetzen, auch die nationale Geschichte in übernationalen Zusammenhang zu stellen, und dann werden auch jene überholten einseitigen Freund-Feind-Bilder jeder Couleur verblassen, und es wird deutlich werden, wie ausgeprägt gerade in Europa und nicht selten darüber hinaus die Verbindungslinien und Gemeinsamkeiten im Entwicklungsgang der Nationen sind. Und wenn wir aus dieser Erkenntnis die Konsequenz in unseren Lehransätzen ziehen, dann werden wir auch der jungen Generation jenes Geschichtsverständnis und jenes Geschichtsbewußtsein mitzugeben vermögen, das sie morgen brauchen wird, um in den Gemeinschaftsformen der Zukunft zu bestehen.

GEORG V O N PODIEBRAD

Georg von Podiebrad (Jiri z Podebrad; eigentlich von Kunstadt, Podebrader Linie), König von Böhmen, ;> 6. 4. 1420, t 22. 3. 1471 Prag (utraquistisch). Aus dem mährischen Geschlecht von Kunstadt, das Besitz in Böhmen und Mähren hatte und unter Georg weiteren in Schlesien und Glatz erwarb; Vater Viktorin von Kunstadt ( t 1427), Sohn des Bocek von Kunstadt ( t 1416); Mutter Anna, Tochter des Jan von Wartenberg und der Anna von Welhartitz; Urgroßvater Bocek von Kunstadt ( t 1373), Gründer der Podebrader Linie der Herren von Kunstadt; Verwandter Heralt, Verwalter des Besitzes bis zu Georgs 17. Lebensjahr; OD 1. 1441 Kunigunde von Sternberg (f 1449), 2. 1450 Johanna von Rosental ( t 1475); 4 Söhne, 8 Töchter, unter anderem Bocek von Podiebrad (1442—14%), Viktorin (1443—1500), Herzog von Münsterberg, Heinrich d. Ä. (1448 —1498), Herzog von Münsterberg, Heinrich d. J. (1452 — 1492), OD 1475 Katharina [1453—n. 1509, Tochter des Kurfürsten Wilhelm III. von Sachsen, t 1462]), Herzog von Münsterberg, Zdenka (Sidonia) (OD Herzog Albrecht von Sachsen, f 1500), Kunigunde (Katharina) 1449—1464, OD 1461 König Matthias Corvinus von Ungarn, t 1490), Ludmila (OD Herzog Friedrich I. von Liegnitz, t 1488); Enkel Herzog Friedrich II. von Liegnitz (t 1547).

Georg tritt als ein M a n n von gedrungenem Körperbau und mäßiger Bildung vor uns — er sprach neben Tschechisch nur wenig Deutsch und Latein überhaupt nicht —, aber doch als ein Standesherr von beachtlichen Führungsfähigkeiten und anerkanntem diplomatischem Geschick. Seine Zeit sollte eine der bemerkenswertesten der böhmischen und tschechischen Geschichte werden. Schon als Reichsverweser — seit 1452 —, an der Seite des König Ladislaus Postumus, vermochte der junge, rasch emporgestiegene Würdenträger seine Herrschereigenschaften voll zur Geltung zu bringen. Als der König im N o vember 1457 starb und zunächst eine ganze Reihe vor allem ausländischer Nachfolgekandidaten zur Debatte stand, unter denen H e r z o g Wilhelm von Sachsen wohl die stärkste Aktivität erkennen ließ, fiel die Wahl vom 2. 3. 1458 im Rathaus am Altstädter Ring zu Prag auf Georg. Nicht ohne Schwierigkeiten gelang es ihm, seine Anerkennung innerhalb und außerhalb seines Machtbereiches durchzusetzen, gegenüber den Nebenländern seiner Krone, gegenüber den Nachbarmächten Polen und Ungarn, gegenüber dem Kaiser und den Reichsfürsten und gegenüber Rom. Rom gegenüber hatte der König schon unmittelbar vor seiner Krönung eine schwerwiegende Verpflichtung einzugehen gehabt: Den die Krönung vollziehenden Bischöfen von Raab und Waitzen hatte Georg das geheime eidliche Versprechen abzulegen, dem päpstlichen Stuhl gleich anderen christlichen Herrschern Gehorsam zu zollen und sein Volk von

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Ketzerei und Sektiererei zu lösen und in die Einheit der Römischen Kirche zurückzuführen. Konnte nach Erfüllung solcher Voraussetzung die Krönung am 7. 5. erfolgen, so opponierten dem Neugewählten gegenüber zunächst die Städte Mährens, Olmütz, Brünn, Iglau und Znaim, weiters die Lausitz und an der Spitze einer schlesischen Fronde Breslau. Indes gelang Georg durch kluge Verhandlungen — nur Iglau mußte mit Waffengewalt gebeugt werden — und umsichtige Heiratspolitik, die Bindungen zu Matthias Corvinus und zu den Reichsfürsten herstellte und die die Ebenbürtigkeit der zahlreichen, zu Heiratskombinationen immer wieder Anlaß gebenden Familie anderen Fürstenhäusern gegenüber unterstrich, die Anerkennung innerhalb und außerhalb seines gesamten Königreiches — nur Breslau zögerte noch fast zwei Jahre lang. Georg verglich sich selbst mit seinem heftigen Widerpart Herzog Wilhelm von Sachsen auf einem Treffen zu Eger 1459, und am 31. Juli des gleichen Jahres belehnte Friedrich III. Georg zu Brünn mit dem Königreich und erhob dessen ältesten Sohn Viktorin zum Reichsfürsten. Abmachungen mit Friedrich von der Pfalz und Ludwig von Bayern rundeten die Machtposition Georgs ab, der seinen jüngeren Sohn Heinrich bereits als Nachfolger in Aussicht nahm und dem in Kombinationen voll Ehrgeiz selbst der Griff nach der römischen Königskrone — über die vor allem am Tag zu Eger 1461 verhandelte Stellung eines conservator pacis per totum imperium — nicht ausgeschlossen schien. Als wirtschaftlich denkend hatte der König sich bereits als Reichsverweser erwiesen, so in der Frage der Steuerbewilligung für den König, in der der Revision des freien Grundbesitzes und in der der Einrichtung des Amtes eines königlichen Prokurators. Wirtschaftlich und sparsam war seine Hofhaltung, wenn er auch gelegentlich seine Würde durch repräsentatives Auftreten gern unterstrich. Künstler waren am Hof rar, als Mäzenat war der im Geist des böhmischen Biblizismus erzogene Herrscher nicht eben sehr bekannt. Wohl galt der Prager Hof als gut informiert, doch schien die Politik des Königs manchen auf Grund ihrer raschen Veränderlichkeit nicht immer zuverlässig. Ausländer waren es vielfach, die die Fäden des diplomatischen Dienstes zogen, von etwas abenteuerlichen Gehilfen spannte sich dabei der Bogen bis zu Beratern von Rang und Namen: Martin Mair, Anton Marini, Gregor Heimburg. Lag die Beratung des Königs nicht immer in Händen der verfassungsmäßig hiezu vorgesehenen Organe, gab sich der König eigenwillig in der Personenwahl dieses Kreises, so blieb der nicht immer gerechtfertigte Vorwurf nicht aus, er umgebe sich „mit heuchlerischen und geringfertigen Leuten" und „die Niedrigen kriechen empor". Der Einfluß dieser Berater aber reichte von den diplomatischen Aufgaben auch in die Innenpolitik: so beeinflußte Marini die Gedankengänge Georgs nicht unwesentlich in bezug auf die Einleitung einer Münzreform und auf die geplante Förderung der Erzeugungswirtschaft und des Handels. Georg war ein nationaler und utraquistischer König — die hohe Zeit seiner Regierung galt mit Recht als eine solche tschechischer und utraquistischer Ent-

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faltung. Seine H e r r s c h a f t wollte G e o r g auf der G r u n d l a g e ausgleichender H a l t u n g zwischen Römischer Kirche u n d Utraquisten im Sinn der über das Basler Konzil vereinbarten K o m p a k t a t e abgesichert sehen: „Zweifach ist das Volk in B ö h m e n , u n d unser K ö n i g ist H e r r beider Bevölkerungsgruppen . . ." Anders beurteilte Pius II. in R o m die Lage. R o m ging es um die Z u s a m m e n fassung und Ausrichtung der K r ä f t e gegen die T ü r k e n g e f a h r , nicht zuletzt in Polen, Böhmen u n d U n g a r n . R o m e r h o f f t e von Böhmen mehr als das Festhalten an einem religiösen Gleichgewicht, überdies einem Utraquismus gegenüber, der die durch die K o m p a k t a t e gezogenen G r e n z e n nicht immer zur G ä n z e eingehalten hatte. R o m drängte auf das volle Einschwenken z u r Einheit im Glauben und in diesem Z u s a m m e n h a n g auf die aktive U n t e r s t ü t z u n g durch G e o r g . Das langgehegte Vertrauen z u m B ö h m e n - K ö n i g war, als er im M ä r z 1462 die vom Papst begehrte G e s a n d t s c h a f t in R o m stellig gemacht hatte — inzwischen war auch das formelle Bekenntnis zu den K o m p a k t a t e n von 1461 erfolgt —, merklich erschüttert. D e m g e m ä ß fiel die Stellungnahme aus: König u n d Königreich hätten unter A u f h e b u n g sämtlicher N e u e r u n g e n sich mit der Kirche vollkommen auszusöhnen. Die K o m p a k t a t e hätten ihren Zweck nicht erfüllt, sie w u r d e n f ü r aufgelöst erklärt. In P r a g aber bekannte der König nach R ü c k k e h r der G e s a n d t s c h a f t und deren Bericht vor dem Landtag sich d e m o n strativ zu seinem ererbten Glauben, u n t e r dem Beifall der Utraquisten, unter Abseitsstehen der Katholiken. Die S t a n d p u n k t e gegenüber R o m und innerhalb des Königreiches w a r e n damit präzisiert, der Kampf stand bevor, es ging um die K l ä r u n g der F r o n t e n nach außen. Schon hatte G e o r g sich gegen Polen abgesichert u n d die Gelegenheit w a h r g e n o m m e n , in k ü h n e m Zugriff d e m in der Wiener Burg belagerten Kaiser zu entsetzen u n d ihn damit zu e n t g e g e n k o m m e n d e r H a l t u n g zu veranlassen — Reichsfürstentitel auch f ü r Georgs jüngere Söhne, Privilegien f ü r das Königreich u n d das Versprechen der Intervention bei der Kurie waren der Gewinn. Aber G e o r g , beharrlich darauf bedacht, d r o h e n d e r Isolierung zu entgehen, hatte u m f a s s e n d e r e Ziele ins Auge gefaßt: Ein Bündnissystem der Staaten der Christenheit sollte entstehen, gegen die T ü r k e n b e d r o h u n g gerichtet, aber o h n e wesentliche Führerrolle des Papstes oder des Kaisers; die Entscheidungen sollten in einem gemeinsamen O r g a n des Bundes gefällt, Streitigkeiten in einem sogenannten P a r l a m e n t geschlichtet werden. Frankreich wäre in diesem System wohl die V o r m a c h t zugefallen. Aber die von Georgs Seite vorgetragenen Verh a n d l u n g e n stießen auf die diplomatischen Aktionen der Kurie, die in Venedig u n d U n g a r n , B u r g u n d und Frankreich gleicherweise um ein Bündnis gegen die T ü r k e n b e m ü h t war. Am 1 6 . 6 . 1 4 6 4 rief k n a p p vor seinem T o d e Pius II. den B ö h m e n k ö n i g wegen Ketzerei binnen 180 T a g e n vor sein Gericht. D e r N a c h f o l g e r , Paul II., wiederholte die V o r l a d u n g am 2. 8. 1465. N o c h m a l s suchte G e o r g — dessen militärische M a c h t eine respektable w a r und dem man allein in Böhmen 46 be-

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festigte Städte und 72 feste Burgen zumaß — den Weg der Verhandlungen, strebte sie über Ungarn an, über Bayern, bemühte sich um eine Konföderation mit Venedig und Ungarn, wandte sich an den Franzosenkönig, ließ eine Gesandtschaft von Hof zu Hof reisen, trieb sie bis Kastilien und Portugal vor, erwog die Möglichkeiten eines Reichstages, eines Konzils, aber alle, auch Polen und die Freunde im Reichsgebiet, blieben schließlich abseits, abwartend, aber immerhin neutral. In Böhmen selbst aber schloß sich gegen Georg ein Herrenbund zusammen, der sogenannte Grünberger Bund, zu dem später die mährischen Städte und der Olmützer Bischof hinzustießen. Und am 23. 12. 1466 wurde Georg vom Papst, der seine ursprüngliche Vorladungsfrist noch um ein halbes Jahr verlängert hatte, zum Ketzer und seines Königreichs für verlustig erklärt. Der Krieg in Böhmen begann im April 1467. Dem Bund der Herren gegenüber wurde die militärische Überlegenheit des Königs zunächst deutlich, der deren Burgen in Böhmen angriff, fiel auch die Lausitz ab, rebellierte man in Schlesien und entbrannten Kämpfe in Mähren. Noch fehlte dem Herrenbund die Hilfe von außen. Kasimir von Polen wie Friedrich von Brandenburg lehnten die angebotene Böhmenkrone ab. Georgs Mannen streiften selbst ins Osterreichische, vor allem nördlich der Donau. Da griff im Frühjahr 1468 Matthias von Ungarn gegen Georg ein und gewann mit starken Kräften Mähren. In der Folgezeit zerflatterte das Kampfgeschehen in Einzelaktionen, wohl fiel selbst der starke Spielberg an die Ungarn, aber im Februar 1469 geriet Matthias bei einem Vorstoß nach Böhmen, von Georgs Kräften umstellt, bei Vilemov (Willomitz) in die Hand seines Gegners. Doch Georg gewährte dem Ungarn, der sich wohl im Sinne einer friedlichen Lösung einzusetzen versprach, die Freiheit. Dennoch ließ sich Matthias am 3. 5. 1469 in Olmütz zum König von Böhmen wählen. Die Fürsten und Stände Schlesiens und der Lausitz huldigten ihm in Breslau. Georg aber stand — dynastische Interessen hintansetzend — in Verhandlungen um eine polnische Nachfolge in Böhmen. In diplomatischen Aktionen schien das Ende des Krieges heranzureifen. Da starb Georg unerwartet am 22.3. 1471. Sein Volk bewahrte Georg ein überaus lebendiges Andenken. „Hussitenkönig" genannt, unterschied sich der in seiner Jugend noch in den Wirren des böhmischen Bürgerkrieges fußende Herrscher, der sich vor allem auf den Ritterstand und die Städte gestützt und nicht zu übersehende absolutistische Neigungen aufgewiesen hatte, dennoch kaum von den Standesgenossen seiner Zeit. Die Möglichkeit, den Fanatismus eines Religionskrieges zur Erreichung seiner Ziele zu entfachen, hat er nie ergriffen; stets zeigte er sich — mögen auch taktische Gründe dafür ausschlaggebend gewesen sein — um eine Stellung über den Fronten bemüht. Der Utraquist auf dem Thron war kein Revolutionär, kein Mann des Programms, war in hohem Maße Realpolitiker, dem Kompromiß verbunden, nicht in erster Linie auf die Durchsetzung seines Glaubens bedacht, sondern auf dessen Versöhnung mit der Welt.

D E R P R O Z E S S Z R I N S K I / F R A N K O P A N 1670/71 EINE TRADITIONSPARALLELE ZUM PROZESS NACH DER SCHLACHT AUF DEM WEISSEN BERG UND ZUR HINRICHTUNG AUF DEM ALTSTÄDTER RING

Der Altstädter Ring in Prag und das Zeughaus in Wiener Neustadt — zwei Plätze, die Hinrichtungen markieren: die der Siebenundzwanzig am 21. Juni 1621 und die der Grafen Peter Zrinski und Franz Christoph Frankopan am 30. April 1671. Und beide Plätze gewannen Symbolbedeutung f ü r das punktuell aufkommende Widerstandsdenken in den nationalen Integrationsbewegungen der Tschechen und Kroaten im Rahmen Österreich-Ungarns in der zweiten H ä l f t e des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts. Jan Josef Vrabec faßte diese Symbolkraft der Hinrichtung des Jahres 1621 — unter Prätext der neuen nationalen Perspektiven — noch 1908 zusammen: Man müsse wieder die Charakterstärke jener Helden gewinnen, „die imstande waren, f ü r die Freiheiten ihrer Nation die Köpfe hinzulegen . . .". Um das Beispiel im heroischen Widerstand ging es bald auch im Falle der Grafen Zrinski und Frankopan. Rund 200 Jahre nach der Hinrichtung geriet Wiener Neustadt in das Blickfeld der kroatischen nationalen Bewegung. Pilger, o f t Studenten, erschienen auf dem Friedhof der niederösterreichischen Stadt. Ab den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts tauchte der Wunsch auf, die inzwischen als Nationalhelden verehrten T o t e n nach Zagreb heimzuholen. Die Behörden zögerten. Ein kroatischer Verein, „Braca Hrvatskoga zmaja", sorgte 1907 f ü r ein neues Grab. Nach dem Ersten Weltkrieg erst sollte die Uberführung erfolgen 1 ). Am 26. April 1919 fand die Exhumierung auf dem Wiener Neustädter Friedhof statt — in Anwesenheit des Gesandten des neuen südslawischen Staates, des Bügermeisters von Wiener Neustadt, von Vertretern der kroatischen und bosnischen Landesregierungen, von Mitgliedern des akademischen

') Vrabec, J. J.: Popravy na Staroméstském namésti 21. cervna 1621 [ D i e Hinricht u n g e n auf d e m Altstädter Ring am 21. Juni 1621]. Prag 1908, 190. — Monatsblatt des Alterthums-Vereines zu W i e n 10 (1885) 40. — Niederösterreichischer Landbote 2 (1907) 16, 21. — Gerhard, G.: D i e Grabstätte der ungarischen M a g n a t e n Peter Zrinyi und Franz C h r i s t o p h Frangipani im W i e n e r - N e u s t ä d t e r Friedhof. U n s e r N e u s t a d t v. 14. M ä r z 1970, 5 f.

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Vereins „Zagreb", südslawischer Studenten. Abschied von Wiener Neustadt nun in hohen Ehren: Kränze, Schleifen in den südslawischen Nationalfarben, ein Galaleichenwagen, dahinter die offiziellen Vertreter, so bewegte sich der Zug zum Bahnhof. Ehrenwachen an den Särgen. Abfahrt des Sonderzugs am 27. April in Richtung Zagreb 2 ). Es ist begreiflich, daß sich mit dem Problem der Rebellion der beiden Grafen in besonderem M a ß e die kroatische Historiogaphie, daneben aber auch die ungarische, befaßt haben. Den Einstieg vermittelten zwei deutsche Arbeiten zur Geschichte Ungarns — J. Chr. von Engel: Geschichte des ungrischen Reichs (Wien 1814) und I. A. Fessler: Die Geschichten der Ungern und ihrer Landsassen (Leipzig 1825). Auch die beiden bedeutendsten ungarischen Darstellungen erschienen bereits vor mehr als 100 Jahren: Johann Graf Mailäth verfaßte in seiner vielbändigen „Geschichte des österreichischen Kaiserstaates" ein Kapitel unter dem Titel: „Die Zrinyi-Frangepanische Verschwörung" (Hamburg 1848), das Grundlage f ü r die kroatische Historiographie seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde. Gyula Pauler widmete der Zentralgestalt der Magnatenverschwörung, dem Palatin Franz Wesselenyi, eine zweibändige Monographie (Budapest 1876). In Kroatien begannen Ivan Kukuljevic-Sakcinski und Radoslav Lopasic in den sechziger Jahren mit der Quellensammlung, die in der gewissenhaften Edition von Franjo Racki „Acta coniurationem Bani Petri a Zrinio et Com. Fr. Frangepani illustrantia" (Zagreb 1873) kulminierte. Valtazar Bogisic steuerte Materialien aus Pariser Archiven bei (Zagreb 1888), Lopasic unterstrich mit 1891 veröffentlichten kroatischen Dokumenten sein negatives Urteil über den Aufstandsversuch Zrinskis unter Hinweis auf die geplante Heranziehung osmanischer Hilfe. Ferdo SiSic, dem bedeutendsten kroatischen Historiker seiner Zeit, blieb es vorbehalten, die wertvollsten Synthesen in kroatischer Sprache zu liefern: Bereits 1892 veröffentlichte er das Büchlein „Petar grof Zrinjski i knez Fr. Krsto Frankapan na stratistu"(Peter Graf Zrinski und Fürst Franz Christoph Frankopan auf dem Richtplatz), 1908 erschien seine Hauptarbeit „Posljednji Zrinski i Frankopani na braniku domovine" (Die letzten Zrinski und Frankopani in der Verteidigung der Heimat), die von der Matica hrvatska anläßlich der neuen Grablegung in Wiener Neustadt veröffentlicht wurde. Auch nach dem Ersten Weltkrieg nahm SiSic immer wieder zur „Verschwörung" bzw. zur „Katastrophe" der beiden kroatischen Grafen Stellung, wobei er das Hauptgewicht auf den ständischen Widerstand und den Kampf um die Befreiung des kroatischen Volkes legte. Der Kiewer Slawist A. M . Lukjanenko sammelte noch vor dem Ersten Weltkrieg (1911) nicht nur Materialien zur „Politiceskaja i literaturnaja dejatel'nost' brat'ev Zrinskich i Franca Frankopana" 2 ) Ebenda. — Wiener Neustädter Zeitung Nr. 36 v. 3. Mai 1919, 2. — Stöcklmayer, E.: Die Wege Zrinys und Frangipanys. Unser Neustadt v. 4. M ä r z i960, 4 f .

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(Die politische u n d literarische Tätigkeit der Brüder Zrinski und Franz Frankopans), sondern ging auch erstmals auf den ö k o n o m i s c h e n H i n t e r g r u n d — das V e r m ö g e n der beiden Adelsfamilien — ein. Im Gegensatz z u r Betrachtungsweise Sisics stellte der slovenische Historiker Emilijan Lilek in seiner vierteiligen Studie „Kritische Darstellung der ungarisch-kroatischen V e r s c h w ö r u n g u n d Rebellion" (Celje 1928/30) u n d in seiner „Karakteristik" der Verschwörer (Celje 1928) die Lauterkeit wie Zweckmäßigkeit der Motive der Aufständischen in Frage. N a c h dem Zweiten Weltkrieg trat das Problem des Verhältnisses der beiden Feudalherren zu ihren Bauern stärker in den Mittelpunkt der historiographischen Diskussion. An ihr beteiligten sich nun vor allem die kroatischen H i s t o riker Jaroslav Sidak, N a d a Klaic und Josip Adamcek sowie der Slovene Bogo G r a f e n a u e r . In diesem Z u s a m m e n h a n g ist besonders die wervolle, auch diesen Hinweisen richtunggebende historiographische Z u s a m m e n f a s s u n g Sidaks „ U r o t a Z r i n s k o - F r a n k o p a n s k a k a o historiografski problem" (Die Verschwör u n g von Zrinski u n d F r a n k o p a n als historiographisches Problem) in RadoviInstitut za hrvatsku povijest 2 (1972) zu nennen. „. . . simbolom o t p o r a protiv tudinske vlasti" — Symbol des Widerstandes gegen die F r e m d h e r r s c h a f t , so unterstrich Jaroslav Sidak mit Recht, wäre die V e r s c h w ö r u n g bis 1918 geblieben. P r o z e ß und Exekution aber spiegeln eindringlich auch den A k z e n t der persönlichen T r a g i k . Die Auseinandersetzung im R a h m e n des „judicium delegatum" u n d die letzten T a g e vor der Hinricht u n g lassen dies deutlich werden. Rackis „Izprave" und die „Außführliche und W a r h a f f t i g e Beschreibung" von 1671 bieten neben einigen Hinweisen im Stadtarchiv W i e n e r N e u s t a d t dazu eine verläßliche Quellenbasis. Im Sommer des Jahres 1670, am 27. August, nach Abschluß des U n t e r s u chungsverfahrens in Wien, waren die G r a f e n Peter Zrinski und Franz Christoph Frankopan als G e f a n g e n e nach Wiener N e u s t a d t gebracht w o r d e n . U n d als sie damals in der Burg ihr standesgemäßes H a f t q u a r t i e r bezogen, waren sie durch das Resultat der V e r h ö r e bereits gezeichnet. N o c h m a l s w a r in diesen V e r h ö r e n , in den b o h r e n d e n V o r h a l t u n g e n und Fragen des Geheimen Rates und H o f k a n z l e r s Freiherrn H o c h e r von H o c h e n gran u n d des H o f r a t e s und Geheimen Sekretärs von Abele die tragische Entwicklung der letzten M o n a t e und J a h r e lebendig geworden: die schwelende U n z u f r i e d e n h e i t im Adel — mit dem Abschluß des Friedens von Vasvär 1664 und mit der wirtschaftlichen Situation; die daraus resultierende widerstandsbereite M a g n a t e n g r u p p i e r u n g , die zunächst u n d bis zu dessen T o d noch der Palatin Erzbischof Franz Graf Wesselenyi g e f ü h r t hatte und in der dem G r a f e n Peter Zrinski, nach dem T o d e seines Bruders Nikolaus auch Banus von Kroatien, d a n n eine gewisse Führungsrolle zugefallen war; die Fäden, die die G r u p p e nach Frankreich, nach Polen, nach Venedig, ja selbst zu den T ü r k e n gezogen hatte; Wiens dann a u f k o m m e n d e r Verdacht, Zrinskis erste B e r u f u n g zur

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Rechtfertigung 1669, seine Pardonierung; seine erneute Aufnahme des Widerstands, weitere internationale Fühlungnahmen, manche Schmähungen gegen Österreich und die Dynastie, innerstaatliche Konspiration mit Räköczi und Tattenbach bis hin zu den zwischen Zrinski und Frankopan erwogenen Angriffsplänen gegen den Kaiser — Schläge, die von Kroatien, von Oberungarn, von den Türken ausgeführt werden sollten. Was dann gekommen war, war für die Konspirierenden bereits abschüssige Bahn gewesen: die erneute Aufdeckung der Verschwörung von Wien aus, Wiens Gegenmaßnahmen — „die Mildte, und die Schärffe", noch Verhandlungen, aber gleichzeitig auch militärische Vorkehrungen, steigendes Mißtrauen am Kaiserhof; Taktik nicht ohne Täuschung — bis zur Andeutung möglichen Gnadenerweises für Zrinski im Fall der Unterwerfung, Einmünden aber auch bereits in jenes nachdrückliche Vorgehen, ihn „Todt oder Lebendtig" herbeizuschaffen 3 ). Schließlich die letzte Phase, bevor die beiden hier in Wiener Neustadt eingetroffen waren: das Zerrinnen ihrer Hoffnungen vor den anrückenden Kaiserlichen, im März schon die Verhaftung ihres Mitverschwörers Graf Tattenbach in Graz, Zrinskis Ankündigung seiner Unterwerfung in Wien — unter Mitsendung seines Sohnes —, der Rückzug der beiden Grafen dann nach Cakovec, Tschakathurn, mit verbleibenden 2000 Mann, ihre nächtliche Flucht vom 13. auf den 14. April, in ein paar Booten, mit schwimmenden Pferden, ihr Ritt nach Wien, ihre Hoffnung auf kaiserliche Gnade, ihre Ankunft am 17., ihre Verhaftung am 18. April; Räkoczis verfehlter Aufstandsversuch, die späte, erst nun eingeleitete Festnahme Nädasdys am 3. September. Inzwischen das sich schon zusammenziehende Unheil der Verurteilung über Zrinski und Frankopan: die den Sommer hindurch währenden Verhöre, nicht ohne gegenseitig belastende Aussagen, mit deutlicher Erhärtung der vorgebrachten Beschuldigungen, mit dem Resultat, „daß Ihre Kayserl. Mayestätt ohne einigen weitern Proceß . . . alsobald mit der Execution hetten verfahren können". Aber „auß angebohrnen Österreichischer Gnad und Milde" habe der Kaiser noch ein „ordentliches Judicium delegatum" einberufen 4 ). Die Zusammensetzung des delegierten Gerichts: Reichshofräte, Hofkriegsräte und Hofräte auch der niederösterreichischen Regierung; Vorsitzender war 3 ) Wolf, A.: Fürst Wenzel Lobkowitz, erster geheimer Rath Kaiser Leopold's I. Wien 1869, 272 ff. — Vgl. vor allem Racki, F.: Izprave o uroti Bana P. Zrinskoga i kneza Fr. Frankopana [Urkunden über die Verschwörung des Banus Zrinski und des Fürsten Frankopan]. Acta coniurationem Bani Petri a Zrinio et Com. Fr. Frangepani illustrantia. Zagreb 1873, 84ff., 95, 107 ff., 380. 4 ) Außführliche und Warhafftige Beschreibung Wie es mit denen Criminal-Processen, Und darauf erfolgten Exekutionen Wider die drey Graffen Frantzen Nadaßdi, Peter von Zrin Und Frantz Christophen Frangepan eigentlich hergangen. Wien 1671, Aij. - Vgl. Wolf 1869, 2 7 6 - 3 0 4 .

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der Hofkanzler Baron Hocher; zwei Doktoren der Rechtswissenschaft, Thomas Molitor und Jakob Krumpach, waren unter den Beisitzern. Der niederösterreichische Kammerprokurator Dr. Georg Frey wurde zum öffentlichen Ankläger bestellt, zwei „beeder Rechten Doctorn und geschworne Gerichts-Advocaten", Adam Ignaz Strella und Johann Eylers, wurden den beiden Angeklagten „ex officio" zugeordnet 5 ) — damit „die Stimme der Verleumdung" nicht aufkomme 6 ). Auf der Grundlage der Untersuchungsakten sollte „ordentliche Klag" wegen „vorgehabter sedition und darauf beruehndter rebellion" erhoben werden 7 ). Ein .Judicium delegatum" in Wien? — Das gab Anlaß zum Protest: nur vom König und ihresgleichen dürften die beiden Grafen vorgeladen, einvernommen und abgeurteilt werden — Zrinski von der königlichen Tafel, Frankopan von der Banaltafel. Die Angeklagten verwiesen auf Vor- und Gewohnheitsrechte, nicht zuletzt auf das „Tripartitum". Die Anklage bestritt für diesen Fall Privilegien und Vorrechte, erklärte sie zudem für „nicht in crimine laesae Majestatis gültig", verwies darauf, daß Rebellen wie Zrinski und Frankopan sehr wohl „extra Diaetam oder regnum processionirt oder sentenziert auch exequirt" werden könnten; und es sei die Zuständigkeit der kaiserlichen Hofkanzlei und des Hofkanzlers durch die kaiserlichen Dienste, in denen die Angeklagten gestanden wären, und durch die Landstandschaft gegeben 8 ). Die Anklage vom November beschuldigte Zrinski des „crimen laesae Majestatis", das unter anderen Verbrechen auch das „crimen falsi" nach sich ziehe, die Verletzung der unter Eid schuldigen Treue'). Sie entwickelte an Hand der gegebenen Beweislage die einzelnen Punkte der Anschuldigungen, die Einlassung mit den Türken bis zur Zusage jährlichen Tributs, die kompromittierenden Instruktionen, die Aufwiegelung, die Bewaffnung gegen den Kaiser, den Einfallplan in die österreichischen Länder 1 0 ); sie faßte zusammen, daß Zrinski gegen den Herrscher „seiner schuldigsten Pflicht, treue und gehorsam schändlich vergessen", daß er gegen den Kaiser „machinirt", dazu ausländische Hilfe angerufen habe, daß Verbechen wie das „perduellionis et laesae Majestatis" „von rechts wegen, und aller Völkher gewohnheit" härteste Strafen nach sich zögen 1 1 ). Die Anklage gegen Frankopan ging von der Rechtsmeinung aus, daß die ganze Härte des Gesetzes auch diejenigen zu treffen habe, die von den „haimlichen factionibus und machinationibus" gewußt, nichts erwidert, sondern mit ) ') 7) 8) ') 10) ") 5

Beschreibung 1671, Aiij. Vgl. Horväth, M.: Geschichte der Ungarn. Bd. 2. Pesch 1855, 274. Beschreibung 1671, Aij. — Racki 1873, 376. Racki 1873, 364 f., vgl. 471, 511 f. — W o l f 1869, 287. Racki 1873, 376. Ebenda 3 7 6 — 3 8 4 . Ebenda 3 8 6 f .

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Rat und Tat Unterstützung gewährt hätten 12 ). Aber Frankopan habe darüber hinaus und „nit weniger dann Herr Graff von Zrin" durch selbständiges Vorgehen auch eigenmächtiges verbrecherisches Handeln gesetzt 13 ). Die Schlußfolgerung: Beide Grafen hätten „alles miteinander fabriciert undt ausgespunnen", wären „unter einer dekhen gelegen", hätten Pflicht, Treue und Eid vergessen14) und nicht allein Kroatien und Slawonien, sondern ganz Unter- und Oberungarn zum Verrat am Kaiser führen wollen 15 ). Die Rechtfertigung der Angeklagten: Zrinski erinnerte an den — wie er meinte — über den Bischof von Agram zugesicherten Pardon, an sein Kommen aus freiem Willen, um sich zu unterwerfen, an sein Recht, als Magnat nach den Gesetzen und Rechten seines Landes gerichtet zu werden 16 ). Frankopan verwies darauf, daß er über das Vorgehen Zrinskis weitgehend im unklaren, daß ihm jede böse Absicht gegen den Kaiser ferngelegen habe, daß er nie verbotene Verbindungen aufgenommen und nur „lautere . . . händl" geführt und niemals im Sinn gehabt hätte, den kaiserlich-königlichen Waffen Widerstand zu leisten 17 ), und daß schließlich er es gewesen wäre, der auch Zrinski zum Weg nach Wien bewogen habe — ein Beweis, daß er, Frankopan, „niemahlen perduellis" oder „in Hertzen untreu" gewesen sei18). Eindringlich Frankopans Appell an die „Clementz unnd Milde", an „Milde und Guettigkeit" des Kaisers19), an seine, des Kaisers, Erinnerung auch, wie hoch sein, Frankopans, Einsatz im Türkenkrieg, wie groß die Verdienste von Frankopans Vorfahren um das Haus Osterreich in der Vergangenheit gewesen seien20). Abstandsformeln baute freilich jeder der beiden Angeklagten gegen den anderen, den Schwager, ein — er versuche die Last der Schuld abzuwälzen. Die Schlußschriften des Anklägers: Die Grafen seien „wahrhaffte socii criminis" gewesen, sie sollten folgerichtig auch „socii poenarum" sein21). Inwieweit der Kaiser aber Zrinski „perdonirt" haben solle, sei ihm, dem Ankläger, nicht bekannt und liege allein bei der Majestät 22 ). Selbst für Frankopan gab es kein Entrinnen: Nein, so die Schlußschrift des Anklägers gegen ihn, er könne nicht behaupten, daß er von der „machination contra sacratissimam caesaream Majestatem, dero Erbkönigreich undt

,2

) ") 14 ) ls ) "•) >7) 18 ) ") 2 °) 21 ) 22 )

Ebenda 388. Ebenda 392. Ebenda 393. Ebenda 392. Wolf 1869, 307. Racki 1873, 417—424. Ebenda 427. Ebenda 415, 430. Ebenda 428 ff. Ebenda 446. Ebenda 447 f.

D e r P r o z e ß Zrinski/Frankopan 1670/71

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Ländter" nichts gewußt habe, er sei „genügend undt nur gahr zuvill wissent" gewesen 23 ). U n d das Bündnis mit einem „offenbahren bekhandten rebellen", die Befleckung mit dem „abscheulichen Laster der belaydigten Majestät" werde auch durch die Verdienste Frankopans und seiner Voreltern nicht gelöscht 24 ). Was im Verfahren f ü r die Angeklagten noch blieb, waren die nun im M ä r z verfaßten Gegenschlüsse. Zrinski erinnerte nochmals an die Rechtszuständigkeit der ungarischen Krone 2 5 ) und weiters daran, daß er, als er mit dem Kaiser in „allerbösten Verstandt" gewesen, mit „angehendigt fuessfahlender bitt" um „Schutz und pretection" seinen eigenen Sohn nach Wien gesandt habe und ihm, Zrinski, dort „Gnad und perdon" erteilt und mit „handtschrift und Pöttschafft" verbrieft worden sei 26 ); gewehrt hätte er sich nur gegen das Eindringen persönlicher Feinde auf seine Güter — daraus könne man kein „crimen laesae Majestatis erpressen" 27 ); und schließlich nochmals die Reverenz — „fussfallend unterwerffen" — vor des Kaisers „weltkundigen, angeborenen Clemenz" 2 8 ). Der „österreichischen angebohrnen Clemenz" wollte auch Frankopan in seiner zweiten Verteidigungsschrift vertrauen, der Begnadigung zur „Freyheit" 29 ), auch er an die Rechtszuständigkeit der ungarischen Krone erinnernd 3 0 ), die Haltlosigkeit des Vorwurfs des „perduellen" unterstreichend 3 1 ), schließlich nochmals abschließend den Kaiser bittend, ihm „die verrigelt gewesten gnadenthür der österreichischen güettigkheit" wieder zu öffnen 3 2 ). Stärker betont jetzt nochmals auch die Distanzierung vom Mitangeklagten, wie vorher schon bei Zrinski nun bei Frankopan, Feindschaft des anderen signalisierend, seine Zeugenschaft ablehnend 3 3 ). Anlaufende Mechanismen der Instanzen der Urteilsfindung: In zwei Gutachten bereitete Christoph von Abele, Mitglied des „judicium delegatum", dessen Votum vor. Nochmals Zusammenfassung und Wertung des Tatbestandes, zweifacher Schuldspruch: T o d und Handabschlagen f ü r Frankopan 3 4 ). U n d bei Zrinski hieß es, „das er, Graf von Zrin, zum T o d verurtheilt, ime das H a u b t neben der rechten hand abgeschlagen, und zugleich alle seine Güeter

" ) Ebenda 452. " ) Ebenda 464. " ) Ebenda 471. " ) Ebenda 486. " ) Ebenda 486 f. 28 ) Ebenda 492. " ) Ebenda 494. 3 °) Ebenda 495. 3I ) Ebenda 496 f. " ) Ebenda 511. 33 ) Ebenda 508, vgl. 483. Frankopan z o g Gigas heran: „. . . quod socius criminis non admitatur in crimine laesae Majestatis ad testificandum, quando est inimicus eius contra quem deponit." 34 ) Racki 1873, 517.

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

confisciert und eingezogen, wie zu mahln das Haubt auf der Gränz in seiner Insel auffgesteckht werden solle . . . " " ) . Das Votum des .Judicium delegatum" vom 18. April schloß sich den Gutachten an: kein Grund zur Gnade, auch Zrinski „ganz keiner gnad würdtig". Der Inanspruchnahme kaiserlicher Gnade sei Zrinski vor allem durch eigene parallele Gegenaktionen — nicht zuletzt Hilfeersuchen an die Türken — verlustig gegangen. Denn wäre er gleichwohl selbst durch jenes über den Agramer Bischof geleitete und zweifellos vorsichtig abgefaßte „Handbrieffl vom 21. Martii 1670 perdoniert" worden — „welches aber keines weegs beschehen" —, so habe er doch ein Entgegenkommen durch „darauf gefolgte actus widerumben verwürkht, ,quia venia non datur reoque dari non potest ad futura delicta et futurum dolum, cum per eam invitarentur ad peccatum'" 36 ). Eine Konferenz Geheimer Räte vom 21. April — Minister, Generäle, Hofbeamte, Landherren aus den deutschen Erblanden — legte, unter Einbeziehung des Nádasdy-Prozesses, eine Relation an den Kaiser vor, unterstrich die formell und materiell einwandfreie Führung des Verfahrens 37 ) und empfahl, die „angeborne Clemenz in etwas zuruckh und auf die Seith legen" und ein Exempel zu statuieren 38 ). Im Hinblick auf Zrinski hatte es in der Konferenz zwar Stimmen gegeben, ihm das Leben zu schenken, sie hatten sich jedoch nicht durchgesetzt 39 ). Das Urteil folgte den Vorvoten. Im Urteilsspruch über den Grafen Zrinski vom 23. April 1671 wurde kundgetan, „der iustitii ihren lauff zulassen", nämlich daß Graf Zrinski „mit leib und leben, Ehr und Gueth in Ihr Kays, auch Königl. Maystät straff gefallen, disemnach solle er aller Ehren entsezt, seine Güetter confisciert, dessen gedächtnüs vor der weit ausgetilgt, und endlich seine Persohn dem Freymann oder Scharffrichter überantworthet werdten, welcher ihme am Endt und orth, da es sich gebüehrt, seine Rechte handt sambt dem Kopf zugleich abschlage . . ."40). Der Urteilsspruch über den Grafen Frankopan vom 28. April kam zum gleichen Schluß: Tod durch das Schwert 41 ). Beiden Grafen wurde in einem anschließenden Gnadenerlaß vom 29. April das Handabschlagen nachgesehen 42 ). In einem kaiserlichen Schreiben vom 25. April hatte der Bürgermeister von Wiener Neustadt Weisung über den Verlauf der Exekution erhalten. Das vom „Judicium" und vom Kaiser beschlossene Urteil sollte am 30. April vormittag im 35

) «) ") 3 ») 3 ') 4 °) 41 ) 42 )

Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda

526. 527 ff. 530 f. 532. 537—542. 554. 555. 554f.

D e r P r o z e ß Zrinski/Frankopan 1670/71

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bürgerlichen Zeughaus vollstreckt werden: auf einer mit schwarzem Tuch überzogenen Bühne. Die gefällten Urteilssprüche wurden den beiden Gefangenen am 28. April durch die beiden Räte und Kommissäre Abele und Molitor angekündigt 4 3 ). Für die Verurteilten waren die letzten Stunden angebrochen. Am 28. April vormittag wurden Zrinski und Frankopan von Abele und Molitor nochmals über allfällige weitere Mitverschwörer verhört 4 4 ). Am Nachmittag zwischen vier und fünf U h r erschienen Abele und Molitor neuerlich in der Burg, die Urteile zu verkünden 4 5 ). Abele war es, der zunächst Zrinski mit der bitteren Erkenntnis konfrontierte, daß „diß Orths der Gerechtigkeit der gebührende Lauff gelassen werden solle", was zu bedeuten hätte, „das ihr vom Leben zum T o d t gerichtet, solches auch an euch übermorgen als den 30. unnd letzten dises M o nats Aprilis allhie in der Neustatt umb 9 U h r fruehe gewiß und unfaelbarlich vollzogen werden solle" 46 ). In der gleichen Form wurde das Urteil auch Frankopan verkündet 4 7 ). Unmittelbar nach der Mitteilung erfolgte jeweils die Uberf ü h r u n g in das Zeughaus. Der fünfzigjährige Graf Zrinski hatte den Urteilsspruch mannhaft, eher mit Resignation vernommen. Der junge Frankopan, achtundzwanzigjährig, bäumte sich gegen sein Schicksal auf — zu dem so knapp gesetzten Termin könne er sich „zum Sterben nicht disponiern" —, suchte nach einem Weg, vielleicht doch noch Gnade zu erlangen, beschwor noch spät abends unter T r ä n e n die Kommissäre, ihm zu helfen, wollte noch in der Nacht an den Kaiser schreiben, vielleicht würde er begnadigt, vielleicht würde der Brief aufschiebende Wirkung haben . . . Die Kommissäre winkten ab, sie wollten das Schreiben gern übergeben, aber es werde keinen Aufschub, keine Gnade bringen, „das Staebl were einmahl schon gebrochen . . ," 48 ). Frankopan verfaßte dennoch in der Nacht den Brief mit der Bitte, niederfallend „mit gebognen Knyen", ihn, der zu jung zum Sterben und der letzte seiner Familie sei, zu schonen 4 '). Wenn er am nächsten Tag als beruhigt galt, dann war dies nicht zuletzt dem Zuspruch des ihm und Zrinski als Beichtvater zugeteilten Kapuzinerguardians Pater O t t o und seiner Kapuziner zuzuschreiben 5 0 ). In gefaßten Worten hielt Frankopan nun Aussprache mit den Kommissären, bat sie schließlich, „ob er von dem Zrin persoehnlich Urlaub nehmen koennte" 5 1 ). D a n n nahm er in einem Brief Abschied von der Gattin. ") ) 44 ) 4 ') 47 ) 45 ) 49 ) i0 ) 51 ) 44

Stadtarchiv Wiener Neustadt: Scrinium XLVII, Nr. 2 a / 5 . Racki 1873, 545 — 548. — Beschreibung 1671, Ciij, D . Beschreibung 1671, D . Ebenda. Beschreibung 1671, D , Dij. Ebenda Diij. Ebenda. Ebenda. Ebenda E.

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I. Böhmen — Südslawen — Zentrale Staatsgewalt

Inzwischen grübelte nun Zrinski, ob er nicht doch noch begnadigt werden könne, erklärte den Kommissären, „er koente und wolte noch guete Dienst thun". Abele konnte nur darauf hinweisen, daß es dazu zu spät, daß keine Zeit zum Dienen mehr, „. . . allein zum sterben ainige uebrig" wäre 52 ). Beide Delinquenten aber sprachen immer wieder eine Bitte aus: Der Kaiser möge ihnen das Abhacken der Hand nachsehen. Die Kommissäre, bereits im Besitze dieses Begnadigungspapiers, hielten es dennoch zurück — damit die Verurteilten „in ihrer letzten Stund des Todts ein Erquickung empfangen moechten" 53 ). Vor dieser letzten Stunde durften sie, wie Graf Frankopan es erbeten hatte, auch noch zusammentreffen. Frankopan sprach herzlich, hoffend, daß sie beide „morgen umb dise Zeit in jener Welt mit mehrerer Consolation und Zuefridenheit als auff diser Welt einander kuessen" würden. Sie schlössen Frieden, verziehen und umfingen einander, küßten einander „Hand und Mund" 54 ). Noch ein letzter Landesbrauch war zu vollziehen. Am 30. April morgens wurde Zrinski Mitteilung davon gemacht, daß er und sein Sohn aus der Adelsmatrikel gestrichen seien55). Dann nahmen die kaiserlichen Kommissäre Abschied von den Delinquenten und ließen sich auf dem Balkon des äußeren Hofes des Zeughauses — „auff ihr mit schoenen türckischen Teppich zuebereiten Orth" — nieder 56 ). Im äußeren Hof erfolgte die Verlesung des Urteils. Zuerst war Zrinski aus seinem Zimmer herabgeführt worden 57 ). Er trug ein Kruzifix in der Hand. Nach der Urteilsverlesung brach der Stadtrichter das „Staebl" und warf es „von dem Gang in dem Hoff" 58 ). Dann erfolgte die Mitteilung, daß „die Abhawung der rechten Hand nachgesehen" werde 59 ). Der innere Zeughaushof sah um 9 Uhr den letzten Akt: auf dem schwarz ausgeschlagenen Gerüst die Enthauptung, der sich Zrinski, nachdem ihm sein Page die Augen verbunden hatte, betend unterwarf. Anschließend verrichteten Guardian, Kommissäre und Mitglieder des Stadtgerichts ein Gebet für den Toten. Im äußeren Hof wartete inzwischen schon Graf Frankopan, hörte die Urteilsverlesung, betete, küßte immer wieder das Kruzifix, bedankte sich laut für die letzte Gnade des Kaisers — vom Abschlagen der Hand abzusehen 60 ). Auf dem Schafott, auf dem unter Decken noch Zrinskis Leiche lag, betete Fran") 53 ) 54 ) ") 56 ) ") ss ) ") 4) Mil.-Kdo. Prag, 13. Mai 1915 — VHA, 28. p. pl. Nr. 591, Mil.-Kdo. Präs. 7275, 1915; vgl. Richard Plaschka, Zur Vorgeschichte des Ubergangs von Einheiten des Infanterieregiments Nr. 28 an der russischen Front 1915, in: Osterreich und Europa, s. vorl. Bd. S. 295; vgl. auch Polizeidirektion Prag, Stimmungsbericht, 25. September 1914 — St. A. Prag, 17768 pr. 1914.

Prag September 1914

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wegliches Spalier". U n d dazu gesellten sich die Zuschauermengen am Rand der Straßen und mitziehende Angehörige 1 5 ). Der Statthalter monierte: „In den bedenklichsten Stunden, zwischen 6 und 8 U h r abends", hätte sich die Kolonne „durch die vom Publikum dicht besetzten Straßen der Stadt" bewegt. „Man kann nicht davon sprechen", faßte Fürst T h u n zusammen, „daß die Zuschauer unstatthafte Demonstrationen gemacht hätten, obwohl viele Zurufe den Soldaten galten . . .". U n d dennoch hatte der Vorgang etwas Eruptives, Unwiderstehliches: „. . . es ist . . . mehr als wahrscheinlich, daß wenn auf dem Marsche ein gewaltsamer Versuch gemacht worden wäre, die unstatthaften Fahnen zu beseitigen, es zu scharfen Demonstrationen des Publikums gekommen wäre" 16 ). Draußen auf dem Bahnhof erfolgte rasche Einwaggonierung. Ebenso schnell erschienen Aufschriften auf den Waggons: „Vyvoz dobytka do Srbska", „Jdem' na Srby a nevime proc" — „Viehausfuhr nach Serbien", „Wir gehen gegen die Serben und wissen nicht warum". „Es war ungefähr 9 Uhr", berichtet einer der Soldaten, „als die Bahn sich unter den Klängen der Musikkapelle und den Rufen der Soldaten in Bewegung setzte". Und jener Teilnehmer erinnerte sich noch: „Der Zug, zu dem ich gehörte, ließ sich kurz vor der Abfahrt photographieren. Bis auf fünf Personen fielen alle . . ,"17) Daheim in Prag sann der Statthalter angesichts der Vorfälle auf Abhilfe. Er erwog „die Sperre der kleinen Schenken und Wirtshäuser mindestens in der Umgebung der Kasernen zeitlich am Abend . . . und . . . am Tage des Abmarsches", um der Trunkenheit unter den Soldaten vorzubeugen; und er versicherte dem Ministerpräsidenten, er werde „auf das Schärfste eingreifen . . ., wenn eine Agitation durch einzelne Personen wahrnehmbar werden sollte". Denn „die Stimmung in hiesigen böhmischen Kreisen", so resümierte auch der Statthalter, mußte als „weniger günstig" angesehen werden als „zu Anfang des Krieges" 18 ). Am 30. September allerdings vermeldete die Polizeidirektion für die Verbreitung des Gedankens der slawischen Brüderlichkeit eine gewisse Restriktion: „. . . legen sich die russophilen Elemente noch mehr zurückhaltend [richtig: Zurückhaltung, A. d. V.] auf, nachdem sie durch einige behördliche Maßnahmen

" ) Antonin Michälek, Vzpominka na odchod II. poch, praporu 28. peS. pl. z Prahy v r. 1914, in: Domov za välky I, S. 141 f.; Statthalter an Ministerpräsidenten, 24. September 1914 — St. A. Prag, Geheimprotokoll Z. 33, 26121 präs. 1914. " ) Statthalter an Ministerpräsidenten, 24. September 1914 — St. A. Prag, Geh. Prot. Z. 33, 26121 präs. 1914. " ) Antonin Michälek, Vzpominka na odchod II. poch, praporu 28. pes. pl. z Prahy v r. 1914, in: Domov za välky, I, S. 142. " ) Statthalter an Ministerpräsidenten, 24. September 1914 — St. A. Prag, Geh. Prot. Z. 33, 26121 präs. 1914; vgl. Ministerpräsident an Statthalter, 16. O k t o b e r 1914 — ebenda.

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II. Nationale Integration

der letzten Tage, vor allem die Internierung einiger anarchistischer und antimilitaristischer Agitatoren eingeschüchtert worden sind" 19 ). Es war wohl die Auswirkung jener Verhaftungswelle, bei der auch der Minister des Innern nicht ganz ohne rechtliche Bedenken agierte: das Vorgehen gegen „jene bedenklichen Personen", „die nicht der gerichtlichen Aburteilung zugeführt werden können, aber trotzdem im Interesse der Kriegführung verwahrt bleiben müssen". Der Minister des Innern schilderte in einem vertraulichen Brief an den Statthalter in Böhmen die Rechtssituation ohne Illusionen: „Ich muß ohneweiteres zugeben, daß der angeordnete Vorgang nicht ganz mit dem gesetzlichen Zustande im Einklänge steht, weil nach dem Ausnahmegesetz vom 5. Mai 1869, RGBl. Nr. 66, allerdings die von den Sicherheitsbehörden verhafteten Individuen nach 8 Tagen enthaftet werden sollen, wenn sie nicht der gerichtlichen Aburteilung zugeführt werden können." Schon überlegte man — so teilte der Minister des Innern „zur ganz persönlichen Information" des Statthalters mit —, die 8-Tage-Frist „auf Kriegsdauer zu verlängern". Dagegen hätten sich freilich „gewichtige Bedenken" ergeben. Unter dem eingetretenen Druck wußte der Staat sich nicht anders als mit der Berufung auf seinen Notstand zu helfen: „Es ist . . . behufs Sicherung der derzeit wichtigsten staatlichen Interessen nichts anderes übrig geblieben, als sich auf den Standpunkt des Kriegsnotrechtes zu stellen und eine durch die Erfahrungen unabweislich gebotene Verfügung zu treffen, deren Rechtfertigung einem späteren Zeitpunkte vorbehalten bleiben muß." 20 ) Was die einen unter dem Druck der Lage späterer Rechtfertigung vorbehalten bleiben lassen wollten, bewerteten die anderen ab nun als den Würgegriff am Volk, als die Persekution durch den verhaßten Staat — als „rakouskä persekuce" 21 ). Die eingetretenen Fälle erhielten Symbolwert. In nationaler Hinsicht aber war die Deckungsgleichheit der Ziele der beiden Bevölkerungsteile in Böhmen bereits verloren, bald klafften die Ziele auseinander. War der Krieg den einen — so sollte es der an sich maßvolle Josef Pekaf kaum drei Jahre später, im Frühjahr 1917, ausdrücken — „zur höchsten Manifestation ihres Nationalgefühls" geworden, den anderen wurde er, zählten sie nicht zu jenen wenigen, die bewußt in den Widerstand gingen, zu dessen „rücksichtslosesten Verleugnung". Die tschechischen Soldaten gehorchten zweifellos mehr als an-

") Polizeidirektion Prag, Stimmungsbericht, 30. September 1914 — St. A. Prag, 17819 pr. 1914. 20 ) Minister des Innern an Statthalter, 18. September 1914 — St. A. Prag, Beilage zu H. 29, 1914. 21 ) Die tschechische Literatur zur Frage der „Persekution" ist außerordentlich reich. Hier sei als Ergebnisbericht mit typischer Stimmungswiedergabe und Bewertung auf drei Aufsätze verwiesen: Antonin Lang, Jak jsem se dostal do zaläre; ders., Proc jsem byl zatcen; Dr. F. J. Havelka, Rakouskä välecna persekuce, in: Domov za välky, I, S. 20—23, 23—28, 48 — 50.

Prag September 1914

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dere nur noch der Pflicht, sie glaubten nicht mehr f ü r die Nation zu stehen, und sie standen f ü r Faktoren, f ü r die einzutreten ihnen ihrer nationalen Uberzeugung nach zu dieser Stunde immer fragwürdiger schien, sie „starben und bluteten . . . allein f ü r Kaiser und Reich" 22 ). Einer Welt, die in den letzten Kriegsmonaten im Begriffe war, die staatliche Ausgliederung der Sprachnationen zum moralischen Ziel zu erklären, schwand d a f ü r das Verständnis. Auch die alliierten Großmächte im Westen sollten den multinationalen Staat f ü r überholt erklären. Das tschechische Bürgertum aber verdrängte im Gegenzug bereits die Erkenntnis, daß es auf dem Wege war, einen neuen, wenn auch verkleinerten Nationalitätenstaat zu schaffen. D a ß es ihn als Nationalstaat deklarierte, sollte die Ausgangslage nicht erleichtern. Einige, wenn auch noch unsichere Hinweise f ü r die Brisanz dieser kommenden Entwicklung barg der September 1914 in Prag bereits in sich. " ) Josef Pekaf, K ceskemu boji stätoprävnimu za välky, in: Cesky casopis historicky 3 6 / 1 9 3 0 , S. 522.

III. KRISENZEICHEN IM KRIEG

CONTRADICTING IDEOLOGIES:

T H E PRESSURE OF IDEOLOGICAL CONFLICTS IN T H E A U S T R O - H U N G A R I A N A R M Y OF W O R L D W A R I

World War I made both contemporaries and participants aware that a great transformation had taken place. Although the conflict had opened in a style of warfare characteristic of the nineteenth century, it had changed decisively. It had broadened the basis upon which it was conducted, thereby escalating to that stage which, according to Clausewitz, "had to lead to the ultimate" 1 ). A new concept of war appeared, determined by technology and quantitative considerations. It was shaped in terms of masses — mass armies, mass production, and influence over the masses. A new strategy took hold. T h e enemy was conceived as a totality, in terms of all the possible points where he could be attacked and in terms of all areas where he was vulnerable. This meant that his civilian domains and its material and ideological foundations would be heavily involved. Front lines and hinterland became indistinguishable. Within the structure of society, the war became a crisis. T h e pressure of this conflict — the need and exhaustion it produced — created not only in Russia, but in the Central Powers especially, preconditions for the appearance of new political concepts and ideologies. In extreme cases, there were scattered, explosive outbreaks of resistance. This was true in the Austro-Hungarian monarchy and particularly its army in a very specific way. Since it was armed and had to achieve coherence through discipline and was crucial to the existence of the state, the army was exceptionally sensitive to ideological crisis. Some exemplary cases will illustrate the two major thrusts of the concepts which were taking root. A. The beginning of June, 1918. Kragujevac, south of Belgrade, at that time occupied by Austria-Hungary as the military general government of Serbia. Forty-four soldiers were led out to the firing range near the city to be shot. An assistance batallion of Bosnians were to accompany and execute them. Opposite the platoon, someone screamed piercingly: "go on, shoot, you murderer". T h e forty-four victims were part of the 71st Infantry Regiment from the Slovak supplementary district of Trencsen (Trencin). A mutiny in the replacement ' ) C . v. C l a u s e w i t z , V o m K r i e g e ( B e r l i n , 1 8 6 7 ) , p. 4 f f .

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III. Krisenzeichen im Krieg

batallion had provoked the conviction and execution, an armed uprising of 500 to 600 men which had been forcibly subdued. Returned prisoners of war from Russia who had been reassigned to their units had prepared the ground from which rebellion had sprung. They saw want at home and, finding themselves once more subjected to military discipline in having to go to war again, they were disillusioned. "We are sorry to have come back. Here you are treated like cattle . . . For all that, they still want us to fight for the fatherland." From this came the actual motive for resistance. "We won't swallow this, because we see that this war is not conducted for the sake of us poor, but so that capitalists can line their pockets." 2 ) B. The middle of June, 1918. Davanzo, on the left bank of the Piave where an Austro-Hungarian infantry division had given battle. In front of the local school, five soldiers in Italian uniforms had been hung on a gallows improvised from trees. Signs which read "Czech legionaries" had been fastened to their bodies. As grisly examples, the corpses had been left dangling until after sunset. During the days of the offensive, Austro-Hungarian troops on the attack had captured a large number of legionaries — one there, ten here, fifteen there. The divisional courts, which met as summary courts-martial, had issued death sentences in several cases. The legionaries were seen as traitors; in prison they had formed national combat units and were now opponents of that army in which they had marched. One of the rebels had even been captured by his former regiment. The legionaries had defended themselves desperately for they knew what awaited them. Some indication of the idea that activated them: as a Hungarian sergeant asked a group of the doomed men what it was they were about to die for, they pointed to the red and white collar lapels on their Italian uniforms — the Bohemian colors, their national colors 3 ). By analyzing both exemplary cases and others like them, we not only can establish the two basic ideological directions of the resistance, but we can understand more fully what lay behind them as well. As far as the first example is concerned, the pressures of material need and exhaustion upon the soldiers, along with their shattered relations with their superiors, aroused the men's demand that the cause of their sacrifices be removed. They asked for the end of the war and peace. From this aspiration came the cry to establish those sociopolitical conditions most likely to realize these demands: the model set by the Bolsheviks. Russia had shown how war could be turned into peace and life again be made worth living. Out of such feelings came a series of mutinies among returned soldiers in replacement units during the spring and summer of 2 ) R. G. Plaschka, H. Haselsteiner, A. Suppan, Innere Front, Militärassisstenz, Widerstand und Umsturz in der Donaumonarchie 1918, 2 vols. (Vienna, 1974), I, 385—400. 3 ) V boj! [In the Struggle] (Prague, 1927), pp. 834—859.

Contradicting Ideologies

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1918. This was especially true in the largest of these uprisings in Judenburg, Pécs, Rumburg and Kragujevac. T h e motto of the dissidents of Judenburg said it all: "Sling arms, Bolsheviks, up with bread, down with war." 4 ) But f o r all this, the ideological cutting edge of this slogan affected only the social structure of the state, not the existence of the state as such. As to the second, the pressure which the state at war exerted — including the demand to be willing to sacrifice one's own life — raised the level of resistance to the power of the state in the Danube Monarchy f o r yet another reason: it called forth those forces, which f o r decades had been growing in strength: the cohesiveness of ethnic groups. As the power of these increased, the integrative forces of the unified state weakened correspondingly. W h a t was merely an internal development became a matter of life and death, however, when the still integrating tension between national state and supranational empire was transformed by internal and external pressures into its contrary. T h e salvation of the individual national group, it was alleged, was to be found in the defeat of the multinational group defending the idea of the unified state. T h e willingness to make sacrifices f o r the state did not only diminish, it turned, under the influence of national feeling, against the state. Extreme motivation triumphed, with the help of the émigrés in the west. With his vision of freeing the small nations of Central Eastern Europe, Masaryk contributed substantially to the ideological war aims of the Entente. In Rome, O r l a n d o had shouted to the legionaries ". . . you were subjected and torn to shreds by Germans and Magyars and oppressed by both. You were deceived and betrayed by the treacherous House of Habsburg; you had the right and duty to revolt against it" 5 ). N o t unnaturally, the spheres of influence which each ideological thrust occupied overlapped substantially. In the face of this war of ideas, however, questions arise about the motivation of the army from the standpoint of the Danube Monarchy. W h o and what explained to its soldier the reason for his service and his readiness to serve? This question should be explored in two pertinent areas. O n e is rather far f r o m politics as such, but nevertheless supported the imperial-royal army indirectly in a trouble-shooting capacity —

4 ) Divisonsgericht Graz: Ermittlungsakt Judenburg, 1918, Kriegsarchiv [KA] (Vienna), Kriegsministeriumn [ K M ] , Abteilung 5, 64 — 2 6 / 4 5 . Cf. Plaschka, et al., Innere Front; K. Pichlik, Bojovali proti välce [We f o u g h t against the War] (Prague, 1953); F. Culinovic, Odjeci oktobra u jugoslovenskim krajevima [The Influences of October in Yugoslav Territories] (Zagreb, 1957); A. Siklós, A z 1918 — 1 9 1 9 évi magyarorszägi forradalmak [The Hungarian Revolutions of 1918 — 1919] (Budapest, 1964). 5 ) V boj!, p. 565. See also G. B. Bruntz, Allied Propaganda and the Collapse of the German Empire 1918 (Stanford, 1938); H . T h i m m e , Weltkrieg ohne W a f f e n (Stuttgart, 1932); H . Batowski, Rozpad Austro-W?gier 1914—1918 [The Austro-Hungarian Collapse 1 9 1 4 — 1 9 1 8 ] ( W r o c f a w / W a r s a w / C r a c o w , 1965); T. G. Masaryk, D i e Weltrevolution (Berlin, 1927).

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III. Krisenzeichen im Krieg

the military pastorate. The second was a centralized program for the military leadership — the "Enemy Propaganda Defense Organisation" (Feindespropaganda-Abwehrstelle) — which was created in the last year of the war and was directly geared for propaganda and counter-propaganda purposes. For the army, the guiding image of the multinational state did not have much political charisma. Failing any substance in this vision, attention turned to moral and ethical questions. The chief spokesmen for such matters in the army of a traditional Catholic monarchy was the military pastorate. The Catholic, including the Greek Catholic chaplains, were in the clear majority, a condition which justifies the following example'). From the national perspective, the gospel "Render therefore unto Caesar the things which be Caesar's" might have led to demanding as well as problematic commitments. This was especially true in times where national patriotism had become in absolute moral imperative. It was the military pastor who, even in the face of potential contradiction of his actual religious duties, was able to explain effectively and to make believable for many what the army considered to be significant. And, important for an army founded even more on obedience than on motivation, it was necessary to remind it of the foundation of its discipline and preparedness to make sacrifices, and in ideology of "Emperor, king, fatherland". Added to this and amplifying it was the idea of a just war. The pastoral letter of the Catholic field bishop at the beginning of the war showed unambiguously that the military pastorate understood these essential features. As a way of preparing one's self for discipline and sacrifice, one was to " . . . look death squarely in the eye, cheerfully obey the harshest commands of your superiors, and firmly believe that only obedience produces strength and victory . . .". As far as the ideological cornerstones of Emperor-king and fatherland were concerned, the soldier was told to "fulfill your duties loyally in devout love and holy enthusiasm for our all-highest war lord and for the dear fatherland"! The relationship to divine things of duty toward the state and fatherland was emphatically underlined: "The spirit of love of fatherland unto death must inspire you, for God has given the fatherland to you. It is the will of God that you defend it, the will of God that you are willing to throw your last breath, your last bit of strength into the breach for it," and — still stronger — "one day God will require an accounting from you of how you fulfilled the duties of your sacred call to battle."

' ) H. Kerchnawe, "Die Geschichte der Militärseelsorge im alten Heere" in V. Lipusch, ed., Österreich-Ungarns katholische Militärseelsorge im Weltkriege (Graz, 1938), p. 12. Along with the Catholic military pastorate in this regard one should also mention that of Protestants, Moslems, and Jews. Patriotic guiding vision was not absent there either.

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Finally, as an additional moral factor, came the element of the just war. " O u r struggle is a holy and just struggle f o r a sacred right, a sacred order." T h e foundation of the justness lay in the defensive nature of the war. "It is a question of the defense of the fatherland and our possessions. It is a question of securing our boundaries. Indeed, it is a holy war for the sake of God!" T h e opponent was made to appear moral or theologically as an enemy, and scriptural commands were cited to sketch him as an enemy who "lusted f o r war". "And when the lust f o r war of our enemy becomes a disgrace before the voice of the angel at Bethlehem which urged peace on earth! — so much more in the judgement of G o d will it be said of our struggle: you have fought a goodly fight, a just and holy fight." 7 ) O n e might ask whether an image drawn in this way was little more than the blast of a trumpet dutifully sounded at the beginning of the war. Later sources show, however, that the pastorate continued to work in this spirit. In this connection, one may quote the 1917 report of a clerical field superior f o r his section of the army. While it stressed that pastoral activities were the primary concern of the military clergy, the entry of the pastorate into "military terrain" was described as a "notable success". T h e field superior fully understood the basic meaning of this question, including the consequences of the ideological confrontation mentioned above, and the role of the military pastorate in dealing with it. "Experiences in the war up to now have amply shown that numerical superiority, better weaponry, etc. are, in the last analysis, not decisive. Rather it is the great, powerful ideas which control the masses and spark them to great deeds." T h e relevance of this f o r pastoral care was presented clearly. "Enthusiasm, spirit of sacrifice, love f o r the fatherland, loyalty unto death, unbreakable obedience — those are the spiritual and moral values which are rooted in fear of God, powers which come from on high and which only the priest can mediate." In a series of examples, the field superior showed that the influence of the chaplains under him was increasing. H e summarized: "Inasmuch as the chaplains have inspired the soldiers by themselves to loyal persistence on the path of duty, they have awakened not only the finest martial virtues, but have made rarities out of the numerous regrettable sides of military life (suicide, self-

') T h e pastoral letter of the field bishop of July 30, 1914 in Kerchnawe, "Militarseelsorge", p. 30 f. T h e Apostolic Field Vicar of the imperial-royal army and navy was Emmerich Bjelik, the bishop of T h a s o s , w h o had c o m e from the diocese of Nagyvarad (Grosswardein). T h e pastoral letter pointed indirectly to the later blessing for weapons which was much disputed: "We firmly believe, w e humbly hope that G o d will not desert us, and he will bless our weapons." T h e final passage of the pastoral letter was a call to battle: "On to the struggle and victory! W e shall not flee. Either we triumph, or our graves will be o n the battlefield. W e shall die with G o d for throne and fatherland! T h e blessing of G o d in T h r e e Persons accompany you. Amen."

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inflicted injury, desertion)." And then, touching upon the "good morale" of the troops, he observed that "one is to conclude f r o m the report of the commandant that not only the religious but also the so-called good morale, the proper military and patriotic mood of their troops can be ascribed to the zealous pastoral care of the chaplains" 8 ). As is psychologically clear to anyone looking backward, hardly anyone besides the priest was so well suited f o r missions such as "ideological warfare", if only because of the opportunities for interpersonal communication inherent in his position. ". . . In circumstances where the human being longs f o r an understanding heart . . . the paternal guiding hand of the pastor" intervened. T h e result was that the man "opened up to the chaplain, was comforted, advised, and supported by him". Along with this, however, a psychological area significant f o r the conduct of the war was touched upon. " N o t only the man was helped, but the cause as well. T h e chaplain received a clear and penetrating insight into the spiritual condition of the troops, could inform the leader about it, and reinforce the latter's impact on the mood of the men." As a result, "the trust of the men was a powerful instrument in the hand of the priest, and no small measure of military success could be attributed to the influence of the military pastorate" 9 ). O n e positive advantage f o r the activity of the military pastorate in the multinational army was that f r o m the ethnic perspective, clerical personnel had been deliberately chosen f r o m multinational sources. T h e military leadership agreed with its pastorate in the way the latter sized up these opportunities. T h e highest commanders agreed that these clergymen had dealt effectively with the situation that confronted them. In 1917, SeniorGeneral (Generaloberst) Bohm-Ermolli, commandant of an army, later of a Heeresgruppe claimed that ". . . their activity as chaplains was not only a blessing, but their educational and moral influence was very significant". T h e way to the men's trust was "through very frequent visits to the trenches and places where they worked, through being together with the troops a great deal, through personal participation in activities, through positive interest in the f o r t u n e and misfortune of almost everyone, the chaplain had won the fullest confidence of the men". Once again he turned to the secondary effect of this situation: "In possession of their confidence, the clergyman was able to work most effectively on the conscience of the men, spur them . . . to bravery, and — where necessary — awaken and strengthen their sense of duty toward the monarch and the fatherland with appropriate lessons." 10 ) •) Report of Superior Field Pastor Anton Mintsek to the Army High Command (Armeeoberkommando [AOK]) in Kerchnawe, "Militärseelsorge", pp. 145—154. ') Ibid., p. 96. 10 ) General von Böhm-Ermolli to the Apostolic Field Vicar, Bishop Bjelik, April 26, 1917, ibid., p. 608. The question was an answer to a questionnaire sent around by Bishop Bjelik.

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Given the leadership chat he had, the Catholic chaplain was prepared to h o n o r to the fullest the frequently cited connection between throne and altar. Therefore, f r o m the beginning of the war, he represented through his position in the army a point of departure f o r the ideological motivation of that army which was stamped by ideas inherent in the military and not to be underestimated. Indeed, he was the strongest to play this role, since the military regarded external influence with caution and mistrust for basically traditional reasons as well as f o r concrete political ones 11 ). T o be sure, the homogeneous character of the chaplain corps should not be overestimated. T h a t the national identity of the individual chaplain influenced his posture toward the state and its union of throne and altar is not in dispute. Reports of negative attitudes toward the state on the part of military clergymen are not unknown. However, it should be understood that fundamentally the guidelines given out remained effective. Within the military leadership, what the army pastorate had to o f f e r in the way of motivating the troops was, along with the growing influence of officers and superiors, at first deemed satisfactory. However, as hostilities went on, the psychological warfare of the opposition intensified, thereby confronting the army with increased informational problems within its own ranks. T h e question of how well the pastorate could cope with this situation rapidly became decisive. And here the range of what they had to offer was soon overtaxed. Even the religious underpinning of their viewpoint could not have made up f o r the absence of a programmatic political and strategic vision that would furnish a reason f o r deployment of a mass army. T h e demand f o r discipline, obedience, and readiness to sacrifice grew increasingly pale and ineffectual with the population at large as did such basic structural features of their ideological program as the Emperor-king, fatherland, and the idea of a just war. In 1914, people in general could be convinced to follow the Emperor and king loyally, if even out of respect f o r his person. However, with the death of the 86-year-old monarch, who, despite and even because of his age served as a symbolic unifying presence in his state, such a concept lost its foundation. T h e idea of the fatherland gradually ceded its activating force to the idea of the nation state. T h e notion of a just war, which also quickly diminished in weight, was able to do very little. For a short time at the beginning of hostilities, the ideas that one had "to avenge" the murder of the heir apparent with Serbia and that " ) In this regard the caution of the military leadership increased during the course of the war. According to a directive of the War Ministry in 1917, military personnel were forbidden to participate in political demonstrations even as observors. See K M , Abt. 5, 1917, Nr. 32, 643, Jan., 16, 1918 to Infantry General [ G d l ] Szurmay; K M , Präs. 1918, Nr. 18, 708, July 6, 1918 to G d l Szurmay; Hadtörtenti Intezet Leveltära [ H I L ] [Archives of the Institute f o r Military History] (Budapest), H o n v e d miniszterium [ H M ] [Army Ministry] elnöki [presidential] 1918, without fasc., 1 — 1, 609 (235) and 3.261 (17,140).

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as a great power one had to act with appropriate resolve served partially as a ground for action, more lastingly with the Germans and Magyars. Repelling the Italian attack, which with some reason was perceived as unjust, was an idea that could move several nations such as the Germans and South Slavs to throw themselves into the breach, albeit on nationalistic grounds. And though in general, because of its own military successes "in the land of the enemy" the army was standing in a defensive posture, thereby lending support to the idea of a defensive war, the justification of one's own advances did not necessarily follow. What was increasingly recognized as an ideological weakness was the absence of a political and strategic goal which would have an effect on the masses. Something was needed to explain the Dual Monarchy's own vision of a better future, one which was as superior to that offered by the opposition as possible. It should have been an image which would have given a desirable, that is, durable content to the meaning-impoverished concepts of Emperor-king and fatherland. It ought to have taken account of contemporary national and sociopolitical exigencies. The state should have been depicted as the nucleus of a supra-national structure of peace, a notion which was powerfully appealing under the pressures of war. The idea that everywhere certain territorial positions were desirable whether for strategic or economic reasons or due to considerations of expansion and power was an unacceptable substitute. On the contrary, such aims in the end became targets of attack from broad levels of the war-weary population which hungered for peace 12 ). Unmistakable realization of the gap in ideological warfare came at the beginning of 1918, and the imperial-royal army tried to fill it. Even for domestic opponents and doubters, the army at this moment still commanded respect. It was unbroken, confident, and had thrust deeply into conquered territory in the Ukraine, the Balkans, and Upper Italy, thereby meriting a position to share in dictating peace on the eastern front. In the last hour, compelled from within by the ideological challenge of a strike that January and externally by allied propaganda initiatives in Upper Italy, the army moved to create a staff for psychological warfare 13 ). On March 20, 1918, it was formally constituted

12 ) As a symptom of this counter-movement, compare the role of this question in the January strike of 1918. Aside from the broadsides of the radical groups, the passage calling upon the leadership of the Social Democrats and the organizations of the German Social Democratic representatives of January 16 reads, "For peace without open or secret conquests!" See Arbeiter-Zeitung (Vienna), Jan. 1, 1918, 1. Cf. Plaschka, et al., Innere Front, I, p. 62. 13 ) In the January strike, radical groups directly addressed the soldiers: "Soldiers! Brothers! . . . You are the last hope of the landlords and they seek refuge behind your bayonets . . ." L. Brügel, Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie V (Vienna, 1925), p. 336; K. Pichlik, "Der militärische Zusammenbruch der Mittelmächte im Jahre

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within the high command. A short time later, the group began its work on a broad f r o n t as the "Enemy Propaganda Defense Organization" 1 4 ). Officers were now installed as ideologues. A network of these figures was to move throughout the army and to foster its political and ideological homogeneity. T h e y attempted to exert an activistic influence in both written and oral forms which ran from lectures to journals and pamphlets, placards and propaganda films. Courses of instruction for such officers were inagurated. Teaching materials were worked out, and methodological questions were discussed. T h e central concept was that a clear political vision should develop built on a thorough knowledge of contemporary conditions and the state. Beginning with the military situation and questions of foreign policy, it would move to the positive economic, social, and judicial accomplishments of the regime. T h e D a n u b e Monarchy was to appear as a democratic state where law governed. Finally, the role of the dynasty and the historical mission of the Gesamtstaat was taken up. Development of practical skills including penmanship and stenography courses were to buttress "patriotic education". T h e final goal of the propaganda was ". . . practical knowledge of the fatherland and love of it, cheerful fulfilling of duty, readiness to sacrifice and to act for the fatherland". A positive reason f o r action in the form of a new self-confidence would raise the fighting power of the troops as a whole 15 ). T h e work began impressively. Within this military framework, the planning and mechanics of this organisation, built on what was essentially an intellectual perception of the mass of the army, continued to function remarkably well. T h e question of the operations's success depended as much on the way it was put forth as it did on the effectiveness of the content it had to offer. Needless to say, all action from its start in the remaining few months of 1918 remained only a beginning. T h e lack of a trial period still marked its mode of presentation. T h e latter was felt in many ways to be too academic and professorial, probably the result of the army's having used well-known writers to do the core courses and model public lectures f o r the first wave of officers who were to be deployed for teaching. However, it should be emphasized that much effort went into solving the technical and methodological questions of

1918", in R. G. Plaschka and K. Mack, eds., Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum (Vienna, 1970), p. 262; J. Opocensky, Konec monarchic Rakousko-Uherske [The End of the Austro-Hungarian Monarchy] (Prague, 1928), p. 789 f.; H. W. Steed, Through Thirty Years, 2 vols. (London, 1924), II, pp. 192—209; Plaschka, et al., Innere Front, I, p. 236 f. 14 ) Lieutenant-Colonel Egon Freiherr von Waldstätten, later colonel, was named chief of the Feindespropaganda-Abwehrstelle (FASt). H e was placed directly under the chief of the general staff. Plaschka, et al., Innere Front, I, p. 239 f. ls ) J. Neumair, "Methodik des vaterländischen Unterrichtes", in Vaterländischer Unterricht, Nr. 17 (Vienna, 1918), KA, A O K , FASt 1918, fasc. 6,004, 3 f .

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presentation 16 ). The language problem demanded appropriate consideration in a multinational army such as that of Austria-Hungary. Thus the indoctrination had to be given basically in the mother tongue of the individual soldier. In order to reach the troops directly, non-commissioned officers were to act as teachers on the front lines at first 17 ). A glimpse of what they offered can be found in those model lectures which were either worked out or published. They began with an analysis of their own ideological position: the unity of the state, including its historical background, which had been questioned. Coming to grips with the picture of the war and of the enemy, they in all, tried to give an image of the future built around contemporary slogans. Their own program encompassed the areas "The Political Structure of the Monarchy", "The Historical Mission" of this monarchy, "The Participation of the Dynasty" in this development, its "Place in World Politics and the Economy". Their own conception of the war — "Why are We Fighting?", "Mobilization of Weapons, Possessions, and Souls", "Will our Food Supplies Hold Out?", "On Covering the Cost of the War and War Loans", "The Work of U-Boats and their Success", "A short Overview of the Success of the War in General". In addition to this there were themes laden with social relevance such as "The Care of Soldiers and their Dependents", "Caring for those Wounded in the War", "Austrian Social Policy toward the Worker during the War", "The War and Women", "Dependants' allowance and Care for Children", "What does the War bring the Peasant?". Placed opposite to this was the picture of the enemy — "Where does land-hungry imperialism really Rule?", "The Baseness of our Enemies", "The sacred Egoism of the Italians", and, once again, the Italians, "Italy — its Rise, Character, and Symptons of Decay". Then came England and the United States: "The Settlement of Austria-Hungary's Accounts with England", and "The United States's Help". There was also a comparison with the enemy in some vital area: "Social Welfare here and in the Countries of the Entente", and a glimpse into the east where the war had already ended, "The Russian Revolution", "Peace with Russia and Rumania", "The new Problems in the East". Finally, constructed from the slogans of the day came the guiding vision of the post-war world lectures on "Democracy and Freedom", "SelfDetermination of the Peoples", " . . . Militarism"; as to the question of dissolu-

") E. Frh. von Waldstätten, "Zweck, Organisation und Aufgabe der Feindespropaganda-Abwehr", in ibid., Nr. 1, 4f.; KA, Militärkanzlei Seiner Majestät (MKSM), 1918, 15—4/4—9, Supplement 2, "Richtlinien für vaterländischen Unterricht und Abwehr der Feindespropaganda"; AOK ad Op. Nr. 141, 676, KA, MKSM, 1918, 1 5 - 5 / 4 - 9 , 4f.; Neumair, "Methodik", pp. 12—17. ") Command of the Enemy Defense Staff to the Enemy-Defense Referents of the Isonzo army, the East army, Commands of the 6th, 10th, and 11th armies and the Command of the Armygroup Pflanzer-Baltin, Sept. 28, 1918, KA, AOK, FASt, fasc. 5,998, 714, res.

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tion into national states, a counter-question: "Why is It better to Live in a Great Power?", "Austrian T h e o r y of the State". From this there was an easy transition to the tasks of peace — "The Role of Agriculture. . .", "The Reconstruction of M a n u facture after the War", including the question, "Will this W a r be the last One?" 1 8 ). It should be understood that the framework of problems out of which this ideological vision was sketched corresponded with the given presuppositions and guiding concepts of the military leadership. It was clear that the attempt was made not to avoid any theme. There was a readiness to take a stand on basic political questions of the time as well as on social problems which were becoming prominent. Years before, systematic education of this sort within a military context would have seemed a modern and productive start toward creating a positive motivation and willingness to serve based not only on the required obedience but on an informed public opinion. However, in 1918, this ideological defense began with positions that were already undermined inasmuch as these were already obsolete and by-passed. Each gesture on one's own side was matched on the other with better-sounding, although not necessarily better, promises which, however, were formulated more radically and more clearly. Operating with the tradition-burdened concept of "fatherland" in this period of Sturm und Drang for the nationalities, one was already consigned to a field of secondary importance if not to one where the battle had already been lost. A statement of Lieutenant-Field Marshall (Feldmarschalleutnant) Ludwig Goiginger, a commander at the f r o n t and corps commandant in the summer of 1918, was symptomatic: measures introduced at this point were no longer equal to the size of the danger to be handled. It would be a mistake to close one's eyes to the fact that "the majority of the Czech, South Slavic, Polish, Ruthenian, and Italian populations, including the soldiers who came from these areas, really sympathised with the enemy", and presented "a treacherous, anti-state attitude". T h e army and officer corps were no longer in a condition, or so thundered the general, to compensate f o r the sins of anti-state and treasonous agitation which had been tolerated during previous decades. T h e last resort, and it was also dubious, that the general saw was this: a general propaganda mobilisation which would reach beyond the military domain to include the civilian population — schools, clergy, bureaucracy, press, literature, art, social organisations, and last but not least, the representatives of the people. All of these elements were to work resolutely in the spirit of the state. T h a t would have meant total psychological warfare and propaganda in a state already sorely tried 19 ).

") "Vaterländische Vorträge für Soldaten" in Vaterländische Bildungsarbeit, Nr. 1, KA, AOK, FASt 1918, fasc. 6,003, p. 8. ") Imperial-royal XXIV. Korpskommando, Op.Nr. 609/628 to AOK (confidential), June 9, 1918, KA, MKSM, 1918, 15-5/4—6.

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In summary, the situation at the end of the war was this: the AustroHungarian army had not been effective in terms of ideological warfare. The case studies mentioned at the beginning demonstrated the extent to which enemy ideas had already penetrated among the troops. We have discussed two centrally controlled organisations of defense through which the military leadership attempted to operate. The military pastorate, lacking in political authority, was inadequate to the task. Efforts toward political education came too late. The ideological victory in East Central Europe did not, in the end, belong to the Socialists who, in the first half of 1918, had spoken so loudly. Rather it belonged to the Western Allies. The terminal peace was to be awaited from them. It was they who succeeded in their propaganda with their simple, pointed, captivating formulations: popular self-determination, freedom for small nations and for each man in western democracy. In the code words in which they depicted the enemy, they attempted to produce a negative effect: Emperors by the grace of God — Habsburg and Hohenzollern; militarism and absolutism; oppression of the world; Pan-Germanism; and reaction. They understood how to express their own territorial war aims in attractive terms such as "disannexation" in reference to Alsace-Lorraine. They had learned how to appeal to the idealism of the nationalities. Finally, not least, they had struck a sympathetic chord which had wide resonance among the peoples of the Danube Monarchy and its army. The hour of the collapse, the hour when the Austro-Hungarian generals lost control of their troops, when officers and soldiers made common front against the power of the state, once again demonstrated the degree to which the empire had been ideologically undermined. The attractiveness of the guiding images propagated by the Danube Monarchy was too feeble. Bases of discussion had been created where one word should have set off an explosion. As Robert A. Kann has said so trenchantly, it was propagandistically even impossible to exploit the word "peace" — a step which was more essential for AustriaHungary at this time than for any other state. Nor did pictures of the Emperor as a war lord in uniform do anything to advance this slogan. The result was that the Western Allies were victorious not only against the army but in the struggle for the army cited by Lenin. The Danube Monarchy departed under the stigma of having outlived itself: "Austria — there is no longer any place for it in the new Europe. Gravediggers, carry the cadaver out . . ,"20) This is not the place to render value judgments on the monarchy. The fact that it succumbed in the ideological confrontation also proves not much. The world was offered the pretense that nation-states which were smaller but amenable to integration would replace the "cadaver". What in fact appeared in the 20 ) Journal franco-tchèque Nazdar [Good Luck], Oct. 3, 1918; "Vzkriseni Cech", [The revival of the Czechs], in V boji [In the Struggle] (Prague, 1923), I, p. 7.

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f u t u r e new E u r o p e were restored states m a d e u p of nationalities which were equally incapable of f a s h i o n i n g s o m e c o m m o n , integrated g u i d i n g i m a g e . T h a t the nationality p r o b l e m had been b r o k e n a p a r t a n d redivided, but not in any w a y blunted; that socio-political vectors t h e r e f o r e remained u n c h a n g e d ; that the s a m e b o u r g e o i s political leadership r e m a i n e d in p o w e r , a l o n g with its partiality to authoritarian s o l u t i o n s ; — all this determined the f u t u r e and, as w o u l d s o o n be seen, the inadequately a r r a n g e d f u t u r e , of this new E a s t Central E u r o p e . T h e i d e o l o g i c a l p r o p a g a n d a of the Western Allies w a s f a r better than its realization. Lenin h a d g r a s p e d the p r o b l e m immediately; Churchill w o u l d d o s o d e c a d e s later.

AUS D E N HAFTAKTEN DER SARAJEVO-ATTENTÄTER

Selten war ein Historiker zugleich handelnde Person der Geschichte in einem Ausmaß, wie es Vaso Cubrilovic gewesen ist. Aus diesem Grunde bin ich auf einen Lebensabschnitt der Sarajevo-Attentäter eingegangen, der — so schwer er war — dennoch bisher in der Historiographie noch kaum behandelt worden ist. So nüchtern die Aussage der Akten ist, sprechen sie in diesem Fall eine deutliche Sprache. Am 8. Februar 1915 wandte sich die Landesregierung in Sarajevo an das Gemeinsame Finanzministerium in Wien mit dem Ersuchen, die im Sarajevoer Attentats-Prozeß zu schweren Kerkerstrafen Verurteilten aus der Zentralstrafanstalt Zenica in die Militärstrafanstalt in Theresienstadt zu verlegen 1 ). Als Begründung wurde die Uberfüllung der Zentralstrafanstalt einerseits und die Entwicklung der politischen Lage in Bosnien und der Hercegovina andererseits angeführt. In Zenica sei — nicht zuletzt durch die auf Grund der Kriegsereignisse notwendige Räumung des Kreisgerichtsgefängnisses Tuzla — der Stand auf 870 Mann gestiegen, „so daß der seinerzeit in Aussicht genommene Normalbelag um 300 Mann überschritten ist." Daraus wieder ergäben sich Schwierigkeiten auch in der Beaufsichtigung der Häftlinge: Es sei „nicht mehr die Gewähr vorhanden", daß gerade die im Sarajevoer Attentats-Prozeß Verurteilten „in der erforderlichen absolut verläßlichen Weise verwahrt sind." Aber nicht nur mit dem Uberbelag von Zenica argumentierte die Landesregierung im Zusammenhang mit der erwünschten Uberstellung der Verurteilten, sondern auch — und viel schwerwiegender noch — mit ihrer Anwesenheit in einem konnationalen, von nationaler Unruhe durchsetzten Bereich: „Überdies lassen die Ausdehnung und die Intensität, welche die hochverräterischen Bestrebungen in Bosnien und der Hercegovina erreicht hatten, erkennen, daß überall die äußerste Vorsicht am Platze ist . . ." Und nicht einmal der Aufseher in der Strafanstalt schien man sich vollkommen sicher zu sein, denn unter ihnen befänden sich „eine sehr bedeutende Anzahl von Konnationalen der Verurteilten", und „für die Verläßlichkeit jedes einzelnen dieser Aufsichtsorgane" könne keineswegs eingestanden werden. Die Landesregierung befürchtete sichtlich die Möglichkeit einer Befreiungsaktion. l ) Landesregierung in Sarajevo an das Gemeinsame Finanzministerium, 8. Februar 1915 — KA, KM Abt. 4/1-1915, 15—34.

Aus den H a f t a k t e n der Sarajevo-Attentäter

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Mit solcher Begründung ersuchte man um die Überstellung von acht der im Attentatsprozeß Verurteilten: 1. Vaso Cubrilovic, mit 16 Jahren Kerkerstrafe, 2. Cvjetko Popovic, mit 13 Jahren Kerkerstrafe, 3. Lazar Djukic, mit 10 Jahren Kerkerstrafe, 4. N e d j o Kerovic, mit 20 Jahren Kerkerstrafe, 5. Ivo Kranjcevic, mit 10 Jahren Kerkerstrafe, 6. Cvijan Stjepanovic mit 7 Jahren Kerkerstrafe, 7. Mitar Kerovic, mit lebenslänglicher Kerkerstrafe, 8. Jakov Milovic gleichfalls mit lebenslänglicher Kerkerstrafe. Zwei weitere Verurteilte, Branko Zagorac und M a r k o Perin, zu je drei Jahren Kerker verurteilt, weniger „hervorstechend", schienen der Landesregierung daher auch weniger „Anreiz" zu bieten, „daß irgend ein Versuch zu ihrer Befreiung aus der Strafanstalt unternommen werde." Sie könnten daher bleiben. Das Gemeinsame Finanzministerium schloß sich dem Ersuchen der Landesregierung in Sarajevo um Uberstellung in eine Militärstrafanstalt grundsätzlich an und gab es in einer Note vom 17. Februar an das Kriegsministerium weiter. Das Ministerium empfahl allerdings — so würde es „die Vorsicht gebieten" —, die aufzunehmenden Verurteilten auf zwei Strafanstalten aufzuteilen und schlug neben Theresienstadt die Militärstrafanstalt Möllersdorf vor 2 ). Das Kriegsministerium zog — sichtlich schon vorher informiert — in Möllersdorf und Theresienstadt Auskunft ein, ob „bei den dermaligen Standesverhältnissen und bei Bedachtnahme auf eine entsprechende Separierung noch ohne Abschub anderer Sträflinge" die vorgesehene Uberstellung von fünf bzw. drei Verurteilten aus dem Sarajevo-Prozeß möglich sei 3 ). Die umgehend positive Antwort der Anstalten vom 16. bzw. 17. Februar ließ das Ministerium am 2. M ä r z seine Bereitschaft erklären, die acht Verurteilten „bis zur Wiederkehr normaler Verhältnisse in Mil. Strafanstalten zu übernehmen." Die Aufteilung: Mitar Kerovic, Jakov Milovic, N e d j o Kerovic, Vaso Cubrilovic und Cvjetko Popovic sollten nach Möllersdorf, Lazar Djukic, Ivo Kranjcevic und Cvijan Stjepanovic nach Theresienstadt überstellt werden. Im selben Schreiben unterstrich das Kriegsministerium die anzuwendenden strengen Haftbedingungen: „Die genannten Sträflinge sind abgesondert von einander und den übrigen Kerkersträflingen unterzubringen und hinsichtlich ihrer A u f f ü h r u n g und ihres Verkehres mit der Außenwelt auf das strengste zu

') Gemeinsames Finanzministerium an Kriegsministerium, 17. Februar 1915 — KA, K M Abt. 4/1-1915, 15—34. 5 ) Kriegsministerium an Militärstrafanstalt Möllersdorf, 15. Februar 1915; inhaltlich ähnliche Anfrage an Militärstrafanstalt Theresienstadt, 15. Februar 1915 — KA, K M Abt. 4 / 1 - 1 9 1 5 , 15—34.

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III. Krisenzeichen im Krieg

überwachen. Zwecks ihrer sichersten Verwahrung sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen." Das Ministerium dachte in diesem Zusammenhang auch an eine Verstärkung der Wachen: „Eine . . . etwa notwendig werdende Vermehrung des Wachquantums oder der Anzahl der Beschließer ist vom Mil. Kmdo zu erbitten." 4 ) Für den 23. März liegt die Meldung der Einlieferung in die Militär-Strafanstalt Möllersdorf von Die Verurteilten seien „um 10 Uhr 15 Min. vormittag ohne vorheriges Aviso hierorts eingeliefert" worden 5 ). Die Fünf in Möllersdorf trafen harte Bedingungen. Diese Bedingungen — so ist Berichten und Dokumenten zu entnehmen — sollten im ersten Halbjahr 1917 einen negativen Höhenpunkt erreichen. Besonders die Ernährungssituation hatte eine kritische Entwicklung erfahren: Ein tschechischer Häftling — Emil Spatny — berichtet darüber: „. . . die Menschen hungern. Essen wenig, die Ernährung unzureichend. Der Hunger zwingt zum Extrem. Die Sträflinge durchwühlen den Mist, irgendetwas zum Verzehr zu suchen, beißen Gras, verzehren Blätter und Baumblüten. In der Gemeinschaftshaft schwindet das Brot, die Lebensmittel werden gestohlen . . ."') Die Folge: zunehmende Sterbefälle — „Heute sprichst Du noch mit einem Menschen, nichts fehlt ihm, wenn Du ihn ansiehst, und morgen liegt er schon in der Totenkammer." Und: „Hier hängt die Gefahr der Ansteckung und des Todes geradezu in der Luft." 7 ) Die Häftlinge zogen Bilanz: „In den Jahren 1915 und 1916 starben 61 Personen . . . In den ersten drei Monaten des Jahres 1917 starben in Möllersdorf 63 Häftlinge, bis Ende April starben 85 Personen. Das bedeutet, daß 14 Prozent, bzw. ein Siebentel der hiesigen Bewohnershaft ausgestorben ist, vom Neujahr an jeder siebente Mann." 8 ) Klagen aus Möllersdorf gelangten im April nach Wien: in Briefen, unterzeichnet mit „Sträflinge der Militärstrafanstalt Möllersdorf bei Wien", gerichtet in einem Fall an den Kriegsminister, im anderen an die Redaktion der „Arbeiter-Zeitung"'). Auch an das Abgeordnetenhaus wurde geschrieben. Im Brief an den Kriegsminister hieß es: „Der Zweck dieses ist E. E. auf die him-

4 ) Kriegsministerium: 1. an Gemeinsames Finanzministerium, 2. an Mil. Strafanstalt Theresienstadt, 3. an Mil. Strafanstalt Möllersdorf, 2. März 1915 — KA, KM Abt. 4/11915, 15—34. s ) Strafanstalt Möllersdorf an Kriegsministerium, 23. März 1915 — KA; KM Abt. 4/1-1915, 15—34. ) Närodni vybor narizuje vojsku, Närodni listy, 28.10.18, S. 1; vgl. Naäe revoluce, X I , R. H., S. 382. 22

Armee und Umsturz am 28. Oktober 1918

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den Militärsspitälern. N u r diejenigen, die sich in Prag auf Urlaub befinden, haben sich auf der Sophieninsel beim Vorsitzenden der tschechischen Sokol-Gemeinde Dr. Scheiner zu melden." — Die tschechische Kommandogewalt über tschechische Soldaten wurde dieser Aufforderung gemäß tatsächlich vereinbart, man beschränkte sich aber sichtlich auf das Kontingent der in Prag anwesenden, aber nicht diensttuenden Soldaten, also vor allem auf die Urlauber. Eine Teilung der T r u p p e n schlechthin konnte sinngemäß demnach nicht vorgesehen gewesen sein, denn sandte man die tschechischen Soldaten der Garnison in ihre Kasernen, stellte man sie zugleich in den alten Kommandobereich zurück. Was aber in diesem Fall nicht f ü r die Teilung der Kommandogewalt spricht, weist auf ein anderes wesentliches M o m e n t hin: auf ein wohl weitgehendes Einvernehmen bei der Abendbesprechung zwischen dem Militärkommando und dem Nationalausschuß, auf etwas wie ein gegenseitiges Vertrauen — zum P a n n e r . U n d in diese Partnerstellung gelangt zu sein, war — zumindest was die angewandte Taktik anbelangt — f ü r die tschechische Führung ein entscheidender Fortschritt. Die tschechischen Politiker hatten darüber hinaus das Militär in Reservestellung gedrückt. Das Militär haue sich bereit erklärt, sie zu beziehen, an der Seite des Nationalausschusses wie früher an der Seite des Statthalters des Kaiser. Der Prager Militärkommandant versuchte seinen Schritt in der mitternächtlichen Meldung zu rechtfertigen: „Das Milkmdo stand . . . vor der Alternative: Entweder auf eigene Verantwortung und ohne Ingerenz einer politischen Behörde mit Waffengewalt einzuschreiten, was ein nutzloses und ungeheures Blutbad, sowie letzten Endes eine schmähliche Kapitulation zur Folge gehabt hätte, oder mit jener Behörde sofort in Fühlung zu treten, welche im Sinne der angenommenen Friedensbedingungen die staatliche Macht nunmehr zu repräsentieren berufen ist." 26 ) U n d das Militärkommando konnte sich bei seiner Entscheidung in der Nacht vom 28. auf den 29. O k t o b e r nicht nur auf das kaiserliche Manifest und auf die Note des Außenministeriums stützen, sondern auch auf das bereits erwähnte Fernschreiben der 5. Abteilung des Kriegsministeriums 27 ), das allerdings in Wien noch am 29. O k t o b e r nicht unumstritten war. Der Nationalausschuß war jedoch von sich aus offensichtlich bereit, den Standpunkt des Militärkommandos anzuerkennen: „Der Nationalausschuß wendet sich nach Herstellung des Einverständnisses mit dem örtlichen militärischen K o m m a n d o neuerlich an die gesamte Bevölkerung, aber besonders an die Soldaten, sich jeder Gewalttat zu enthalten, vor allem von Insulten an militäri-

") MilKmdo Prag, 29.10.18, 00.20; NaSe revoluce, XIV, S. 213. ") Anmerkung 14.

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III. Krisenzeichen im Krieg

sehen Würdenträgern. Gegen diejenigen, die nicht gehorchen sollten", so warnte der Nationalausschuß, „wird mit aller Strenge vorgegangen werden" 2 8 ). W a s in den folgenden Stunden und T a g e n während des Prozesses des Machtwechsels in Prag vor sich ging und nicht vor sich ging, wurde in hohem M a ß durch die spätabendlichen Absprachen des 28. O k t o b e r mitbestimmt. Bis zu jener Verhandlung der führenden Offiziere des Militärkommandos mit den Repräsentanten der neuen tschechischen Armee, bis zu jenen Zusammenstößen in den Räumlichkeiten des K o m m a n d o s mit den dort eingeteilten tschechischen Offizieren, bis zum letzten Versuch der militärischen Führung, den Widerstnd nochmals aufzunehmen, und bis zum Fall des Militärkommandos selbst am 30. O k t o b e r vormittags, als die Offiziere der Volksmenge unten am Platz gegenüberstanden. Versagende eigene Einheiten, auftretende erste Gruppen der neuangestellten tschechischen Truppen bestimmten den G a n g der Dinge. Die österreichisch-ungarische Armeeführung, so darf abschließend zusammengefaßt werden, hatte sich vor allem bemüht, die Armee in der H a n d zu behalten, und das auch für den Fall der Verlagerung politischer Schwerpunkte und gegebenenfalls in K o n t a k t mit den sich neu bildenden politischen Zentren. Extrem ausgedrückt: Die Armee als ein Glied eines schwer verletzten Körpers sollte — zumindest eine gewisse Zeit — auch nach dem T o d e dieses Körpers weiterwirken. D i e Beweggründe des A O K dazu waren zweifellos auf die schwierige Lage der Führung der Armee im Felde zurückzuführen.

Der

R ü c k z u g in Italien sollte nicht zu politisch chaotischen Ausbrüchen führen, zu Ausbrüchen, die das A O K in seiner Beurteilung in hohem M a ß e mit bolschewistischen Akzenten verbunden prognostizierte. Im Hinblick auf die Beziehungen mit den sich neu bildenden politischen Zentren hat das Kriegsministerium für die Heeresbereiche im Hinterland — im Augenblick, da sich die politische Lage in offensichtlicher Bewegung befand — politisch elastische Direktiven erlassen, die auch Kontakte mit den Nationalausschüssen zuließen. Auch hier wurde der bewährten Formel „Ruhe und O r d n u n g " — nicht zuletzt auch durch die Sicherung entsprechender Verpflegung — Vorrang gegeben. Das Prager Militärkommando war unmittelbar in die Kampflinie geraten. Rascher, als es jemand in Wien annehmen konnte, war seine Position untergraben, der verbliebene Kampfwille, vor allem bei einigen Offizieren deutscher Nationalität, erschüttert und damit das letzte Wiener Bollwerk in Prag zerbrochen. D e r W e g zur ersten tschechoslowakischen Republik war geöffnet.

Übersetzt von Mag. Hana Sodeyfi

n)

Närodni vybor narizuje vojsku, Närodni listy, 29.10.18.

DIE REVOLUTIONÄRE HERAUSFORDERUNG IM ENDKAMPF DER DONAUMONARCHIE

Die Schüsse von Sarajevo fanden im Frühling des Jahres 1918 ein kaum wahrnehmbares Echo. Da lag in einer Zelle des Garnisonsspitals der Festung Theresienstadt ein junger Gefangener im Sterben: Gavrilo Princip. Er litt an Tuberkulose und an Knochenfraß; er war teilweise gelähmt, und der linke Arm war ihm oberhalb des Ellenbogens amputiert worden 1 ). Aber immer wieder hatte der Gefangene sich aufgebäumt gegen dieses allmähliche Verlöschen seines Lebens, in Verzweiflung teils und teils in Hoffnung. In Verzweiflung, als er einen Selbstmordversuch beging, als er sich erhängen wollte 2 ); aber in letzter Hoffnung auch, wenn wir erfahren, wie dieser schwerkranke Mann den Aufruhr erwartet hat, wie er wiederholt auf die Frage zurückkam, wann denn der Aufruhr ausbräche in dieser Donaumonarchie. Und er konnte es nicht fassen, daß dieser Aufruhr nicht kam, die revolutionäre Tat, an die er fest geglaubt hatte wie an die Freunde, die dann kommen würden, ihn zu befreien 3 ). Der junge Bosnier in Theresienstadt hat diese seine Stunde nicht erlebt. Aber die Donaumonarchie war revolutionärer Herausforderung gleichwohl längst konfrontiert. Revolutionärer Herausforderung im weiteren Sinn: dem Drängen nach Änderung und Umwälzung in der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung an sich; aber konkreter: auch revolutionärer Herausforderung im engeren, der derzeitigen Wortauffassung entsprechenderen Sinn: der stoßweisen, gewalttätigen oder zumindest gewaltdrohenden Aktion, die — von einer Massenbewegung und einer programmatischen Idee getragen — selbst von der Revolte zur Revolution führen konnte 4 ). Zweifellos hatte der Krieg auch dieser konkreten Herausforderung in besonderem Maße den Boden bereitet. Dieser Erste Weltkrieg war zwar damals, 1914, nach dem Anschlag in Sarajevo, noch im Rückblick auf den Stil der Kriege des 19. Jahrhunderts eröffnet

') Dr. Lewit, er war behandelnder Arzt Princips während dessen Haft, in: J. Laube: Z terezinskych vzpominek (Aus Theresienstädter Erinnerungen). In: Domov za välky (Die Heimat im Krieg). Prag, 5, 1931. S. 371. Vgl. ebenda Aussage J. ProkeS. S. 372. 2 ) A. a. O. Aussage J. JoSt. S. 373. 3 ) A. a. O. Aussage J. Prokeä. S. 372. 4 ) Vgl. K. Griewank: Der neuzeitliche Revolutionsbegriff. Weimar 1955. S. 7.

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III. Krisenzeichen im Krieg

worden. Aber dieser Krieg hatte sein Gesicht gewandelt. Er hatte seine Grundlage erweitert, er hatte, wie es von Clausewitz vorweggenommen worden war, seine einst beschränkte, begrenzte Form überwunden, er war in jene „Wechselwirkung", in jene Eskalation der Gewalt geraten, die eben nach Clausewitz „zum Äußersten führen muß" 5 ). Der Vernichtungsgedanke erlebte eine außerordentliche Intensivierung. Und er richtete sich schließlich gegen alle möglichen Widerstandsbereiche des Gegners. Er ließ ein ganz neues Kriegsbild schon an der Front entstehen, mit ihrem gewaltigen Materialaufwand, mit ihrer bisher unvorstellbaren Feuerkraft. Aber über die Front hinaus reichte der verlängerte Druck auf das Hinterland. Die Strategie hatte den Gegner als Ganzes erfaßt, in der ganzen Breite ihrer Angriffsmöglichkeiten, in der ganzen Tiefe seiner Verwundbarkeit, total, bis in die materiellen Basen, bis ins Wirtschaftsgefüge, bis zum Brot und bis in die Ideologie und in die Moral. Die Strategie dieses Krieges wollte bis an die Wurzeln der Widerstandskraft und des Widerstandswillens des Gegners dringen, bis an die Wurzeln seines Seins. Der Krieg hatte sich nicht nur in eine bisher ungeahnte Wirkungsweite entfaltet, sondern auch in eine bisher ungeahnte Wirkungstiefe. Und unter dem Druck dieser Wirkung gestaltete das historisch relevante Geschehen dieses Ersten Weltkrieges sich zu einer Krise, zu einer allerdings stark differenzierten Krise in den gesellschaftlichen Strukturen — und das nicht zuletzt in der Donaumonarchie. Der Staats- und Bevölkerungskörper dieser Donaumonarchie stand im Kriegsjahr 1918 — von der Anspannung der Kräfte an den Fronten abgesehen — unter mehrfacher Druckeinwirkung. Die erste Stufe dieses die Gesamtbevölkerung erfassenden Druckes lag im Materiellen: die materielle Not, die materielle Erschöpfung 6 ). Und in der Donaumonarchie wog in diesem Jahr 1918 die Werbewirksamkeit der gesteckten Ziele die Höhe der abgeforderten Entbehrungen in breiten Schichten bei weitem nicht mehr auf. Die Folge: Unwille, Widerwille, Protest, Empörung 7 ). In dieser Situation mußte eine zweite Stufe des Druckes wirksam werden: der Druck des Gegners im ideologischen Bereich. Die Ausgangsbasis: Dem Uns ) C. v. Clausewitz: Vom Kriege. Berlin 1867. S. 4 ff. *) Siehe vor allem: L. Grebler und W. Winkler: Cost of the World War to Germany and to Austria-Hungary. N e w Haven 1940; G. Gratz und R. Schüller: Der wirtschaftliche Zusammenbruch Österreich-Ungarns. Die Tragödie der Erschöpfung. Wien 1930; O. Landwehr: Hunger. Die Erschöpfungsjahre der Mittelmächte 1917/18. Wien 1931. 7 ) Siehe vor allem: L. Otähalovä: Souhrnnä hläJeni presidia prazskeho mistodrzitelstvi o protistätni, protirakouske a protivälecne cinnosti v Cechäch 1915—1918 (Zusammengefaßte Meldungen des Präsidiums der Prager Statthalterei über die antistaatliche, antiösterreichische und antikriegerische Tätigkeit in Böhmen 1915 —1918). Praha 1957; R. Neck: Arbeiterschaft und Staat im Ersten Weltkrieg 1914—1918. Band 1 und 2. Wien 1964 und 1968; ders.: 1918. Österreich im Jahre 1918. Berichte und Dokumente. Wien 1968.

Revolutionäre Herausforderung im Endkampf der Donaumonarchie

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willen über die materiellen Entbehrungen entsprang der Ruf nach der Beseitigung der Ursache dieser Entbehrungen, das heißt zunächst der Ruf nach der Beendigung des Krieges, der Ruf nach dem Frieden. Und diesem Streben wieder entsprang der Ruf nach jenen gesellschaftspolitischen Voraussetzungen, die dieser Forderung am besten Geltung verschaffen würden: der Ruf nach der Mitsprache, der Ruf nach der Mitentscheidung jener, die von der N o t und vom Leid am schwersten betroffen wären, der Ruf nach dem Anheben des politischen Einflusses auch der Letzten; konkret schon wurden die Forderungen vorgetragen: von der nach Aufhebung der „Militarisierung" bis zu der nach „Demokratisierung" — im Extrem bis zur Forderung nach Arbeiter- und Soldatenkomitees 8 ). Aber schon hatte sich in ihrem ideologischen Bereich dieser Forderungen auch die Kriegsführung bemächtigt: über die Fronten hinweg wurde die ideologische Offensive vorgetragen. U n d es war 1918 eindeutig, daß die Gegner der Mittelmächte die überzeugenderen, die stärkeren Einflußkräfte im T r e f f e n hatten 9 ). Im Westen schwenkte man ein vielversprechendes Programm einer neuformulierten Gerechtigkeit, gezielt auf das Wohl der Menschheit schlechthin, bis zur Freiheit der Meere, bis zur allgemeinen Rüstungsbeschränkung und bis zum umfassenden Völkerbund, der den künftigen Frieden sichern sollte; und die Revolution im Osten gar, in Rußland, sollte der Beginn einer Weltrevolution sein, und sie hatte eben deutlich gemacht, wie man unter Uberwindung und Vernichtung der bisher gültigen Gesellschaftsordnung den Krieg zum Frieden wenden konnte. Kein Zweifel: D e r Einfluß dieser werbewirksamen ideologischen Kräfte war in der Doppelmonarchie zunehmend spürbar geworden. Allerdings: Diese primär weltweit und sozial bestimmten Kräfte trafen den Donaustaat zwar in seiner politisch-gesellschaftlichen Gestaltung, jedoch noch nicht in seinem Bestand. U m den Bestand der Donaumonarchie aber mußte es in einer weiteren

*) Vgl. die schon zu Beginn des Jahres 1918 anläßlich des Jännerstreiks und anläßlich der Matrosenrevolte in Cattaro formulierten Forderungen. ') Siehe G. B. Bruntz: Allied Propaganda and the Collapse of the German Empire 1918. Stanford 1938; H. Thimme: Weltkrieg ohne Waffen. Die Propaganda der Westmächte gegen Deutschland. Ihre Wirkung und ihre Abwehr. Stuttgart 1932; T. G. Masaryk: Die Weltrevolution. Berlin 1927; F. Culinovit: Odjeci oktobra u jugoslovenskim krajevima (Das Echo des Oktobers in den jugoslawischen Ländern). Zagreb 1957; L. Holotik: Ohlas vel'kej oktobrovej socialistickej revolücie na Slovensku od konca roku 1917 do vzniku CSR (Der Widerhall der großen sozialistischen Oktoberrevolution in der Slowakei vom Ende des Jahres 1917 bis zur Entstehung der CSR). Bratislava 1958; V. Cherestejiu, C. Göllner, J. Koväcs: Die Solidaritätsbewegung siebenbürgischer Werktätiger für Sowjetrußland. November 1917 bis November 1919. In: Forschungen zur Volks- und Landeskunde. Klausenburg 1963; A. Siklós: Az 1918 —1919 évi magyarorszägi forradalmak (Die ungarischen Revolutionen der Jahre 1918 — 1919). Budapest 1964; H. Batowski: Rozpad Austro-Wfgier 1914 — 1918 (Der Zerfall Österreich-Ungarns 1914—1918). Wroclaw - Warszawa - Krakow 1965.

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III. Krisenzeichen im Krieg

Stufe und Komponente der ideologischen Auseinandersetzung und des ideologischen Druckes gehen: im zunehmenden Wirksamwerden der integrierenden Kräfte sprachnationaler Gruppen, im Streben nach sogenannter nationaler Selbstbestimmung und in der Gegenbewegung im gleichzeitigen Erlahmen der Integrationskräfte des Gesamtstaates. Aber nicht nur das; zu einer Frage auf Leben und T o d für das Völkerreich mußte diese Entwicklung werden, als unter dem Druck des Krieges die Konkurrenz der integrierenden Kräfte, die Konkurrenz der Bindungen umschlug in den Gegensatz, das heißt, als sich zunehmend die Uberzeugung Bahn gebrochen hatte, daß das Heil der nationalen Gruppen in der Niederlage der übergeordneten übernationalen Großgruppe zu suchen sei. Nicht nur, daß die Opferbereitschaft für den Staat gesunken war, sie drohte auf dem Feld der nationalen Inanspruchnahme sich in die Opferbereitschaft gegen den Staat zu verkehren. D a s J a h r 1918 sah diese Entwicklung für die Donaumonarchie auf ihrem Höhepunkt. Österreich-Ungarn war in der materiellen und ideologischen Auseinandersetzung sturmreif geschossen. N o t und Hunger hatten das Reich bis vor in die Gräben an der Front erfaßt. „ M i nismo junaci, nego prosjaci" wurde einem Offizier des A O K von dalmatinischen Mannschaften eines Regiments der Isonzo-Armee erklärt: wir sind keine Helden, sondern Bettler 1 0 ); und das galt allgemein. N o c h bildeten die besonderen Bedingungen an der Front eine Klammer. Im Hinterland aber gab es Aufbegehren im zivilen und militärischen Sektor; im zivilen Bereich: Demonstrationen, Geschäftsplünderungen, Bahnplünderungen, Streiks — wir denken an den großen Jänner-Streik, wie er — wohl im wesentlichen noch außerhalb der Grenzen der Gewaltanwendung — Werk um Werk, Stadt um Stadt, Land um Land erfaßt hat: Wiener Neustadt, Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Mähren, die Steiermark, Ausläufer nach Tirol, nach Böhmen, Streik in Ungarn; parallel schwelte das Aufbegehren im militärischen Bereich: Desertionen, „Grüne K a d e r " in den Wäldern, rote Flaggen über Kriegsschiffen, Revolten in den Kasernen und Baracken der Ersatztruppenteile des Heeres. Die V o r g ä n g e wirkten zweifellos zunächst nicht durchschlagend. M a n gewann sie noch unter Kontrolle, sie wurden erstickt, aber sie wirkten nach: Die Menschen, die sich erhoben hatten zum Widerstand, haben Konturen künftiger Entwicklungsrichtungen vorgezeichnet. N u n zum Menschen selbst in dieser Situation, zum Menschen als T r ä g e r der aktiven Herausforderung: Albert C a m u s hat den Menschen in der Revolte umrissen: ein Mensch, der nein sagt, ein Mensch, der ablehnt, aber zugleich ein Mensch, der auch ja sagt, der nicht einfach verzichtet, der nicht aufgibt, ein

10) Bericht des Verbindungsoffiziers des AOK beim Kommando der Isonzo-Armee. In: H: Kerchnawe: Der Zusammenbruch der österr.-ungar. Wehrmacht im Herbst 1918. München 1921. S. 29.

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Mensch vielmehr, der meint, im Recht zu sein. Bildlich ausgedrückt: ein Mensch, der sich umwendet, um die Stirn zu bieten 11 ). Das Nein stand an der Spitze: die Weigerung, die Ablehnung, die Zerstörung. Aus Episoden wuchs das Feld des Widerstandes. Wir denken an Streiks und Demonstrationen im Zivilbereich. Aber viel schärfer geprägt in der Herausforderung, viel folgenschwerer im Zusammenstoß wie im Abschluß: die Revolte mit der Waffe in der Hand. Dem Bereich des Militärs entsprang — wenn auch in jeweils begrenztem Rahmen — auf Grund der gegebenen Mittel und Möglichkeiten die unmittelbar auf Umsturz gerichtete gewaltsame Aktion. Der Anlaß, die Auslösung: vielfach unmittelbare Folge des Druckes, schwer ertragene Disziplin, angespeicherte Widersetzlichkeit, gewachsen in der Not, in der vermißten Gleichstellung in den materiellen Zuteilungen und im echten oder eingebildeten Kontrast: „Ihr Offiziere mit Euren vollen Bäuchen . . ," 1 2 ); wir denken an das eruptive Aufbäumen, an den Ruf: „Wenn sterben, dann gleich, wenn geschlagen werden soll, dann gleich!" 1 3 ); wir denken an niedergeschlagene und niedergeschossene Vorgesetzte, an Plünderungen, an demolierte Offiziersmessen, an Sturmläufe auf Arrestlokale, wir denken an die von Bajonettstichen zerfetzten Leichen der beiden Offiziere in Pees 1 4 ); wir denken — transponiert auf die Ebene des Staates — an den Ruf: „Nieder mit diesem Österreich!" 1 5 ) Aber zur Ablehnung, zum Nein der Revoltierenden stieß das Ja. Uber den Egoismus und die Zerstörung hinaus erwuchs der Anspruch auf überindividuelle, sittlich wesentliche Zielsetzung, auf eine programmatische Ideologie, auf eine Ideologie, die als solche zum Einsatz reizt und bindet. In diesem Sinne tauchen die Ziele von Frieden und Freiheit auf und vom Selbstbestimmungsrecht der Nationen. Und die Bindekraft dieser Ziele wurde selbst noch am Rande des Lebens deutlich: wir denken an den Legionär, der in der Stunde seiner Hinrichtung, nach dem Grund seines Einsatzes befragt, bloß auf die Kragenspiegel an seiner Uniform gezeigt hatte, die die nationalen Farben trugen 1 6 ); wir denken an jenen Abschiedsbrief des Unterjägers Olip, der als Re" ) A. Camus: D e r Mensch in der Revolte. Hamburg 1953. S. 18 f. " ) M K . Lemberg in Mährisch-Ostrau, Präs. Nr. 7 2 0 3 / G s t b . an K M . in Wien, KA. K M . Abt. 5 v. 1918, Nr. 6550 = 6 4 - 2 6 / 4 5 . O . Wassermair: Die Meutereien der Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft bei den Ersatzkörpern der k. u. k. Armee im Jahre 1918. Wien 1968. S. 108 = Diss. 1 } ) A. a. O. 14 ) Berichte des F M L t . Gössmann über Meuterei in Pécs an M K . Budapest, dieses an K M . Wien, KA. K M . Abt. 5 v. 1918, Nr. 5657 = 6 4 - 5 0 / 9 1 . Wassermair: Die Meutereien . . . S. 247 f. 1 5 ) Relation des Polizeisekretärs V. Iwasiuk, KA. K M . Abt. 5 v. 1918, Nr. 3063, 2260, 2746 = 6 4 - 3 / 1 8 ; Statth. Graz an M . d. I., KA. K M . Abt. 5 v. 1918, Nr. 2713, 5657 = 6 4 - 5 0 / 9 1 . Wassermair: Die Meutereien . . . S. 58, 200. 1 6 ) V boj! (In den Kampf!). Prag 1927. S. 846.

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bell zum T o d e verurteilt worden war: „Ich sterbe ehrenvoll, keineswegs als Dieb und Räuber, sondern als slowenischer Bursche, wie eben der Sohn einer slowenischen Mutter sterben kann." 1 7 ) Von jenseits der Fronten, in der ideologischen Offensive des Gegners, aber wurde dieses J a der sittlich wesentlichen Zielsetzung und der programmatischen Ideologie mit allem Nachdruck gefördert. Wir denken an die Forderungen nach Frieden und Gleichheit von Rußland her und an die NovemberDeklaration, in der vom freiwilligen Bund der Völker gesprochen wurde und vom Selbstbestimmungsrecht „bis zur Abtrennung und Bildung eines selbständigen Staates". Wir denken an Masaryk, der durch das Ziel der Befreiung der kleinen Nationen Ostmitteleuropas der Entente erst das programmatisch-ideologische Kriegsziel zu setzen vermeinte. Wir denken an Orlando, der in Rom den Legionären zugerufen hatte: „. . . Ihr wart unterjocht und zerrissen durch Deutsche und Magyaren und unterdrückt durch diese wie jene. Ihr wart getäuscht und betrogen durch das verräterische Haus Habsburg, Ihr hattet das Recht und die Pflicht, dagegen zu revoltieren." 18 ) Wir denken an Lloyd George, der vom heiligen Krieg gesprochen hat, es gehe nicht um den Kampf von Mächtegruppen, sondern es gehe um den Kampf zwischen unvereinbaren Ideen: auf der einen Seite Kräfte, die für den Fortschritt der Menschen kämpfen, auf der anderen Seite Kräfte, die früher oder später alles unterdrücken würden, was die Welt erheben könnte 19 ). Die Folgen der aktivierten Herausforderung waren freilich hart: Wo Waffen und Militärstrafgesetz mitspielten, war oft der T o d mit von der Partie, nicht nur im Kampf, auch vor dem Standgericht. Wir denken an die Marinerevolte in Cattaro, an die zum T o d e verurteilten Matrosen, ein Tscheche, drei Südslawen, die an der Friedhofsmauer von Skaljari erschossen wurden 20 ). Wir denken an die Legionäre, die vor allem im Zuge der Juni-Offensive in Italien gefangen genommen worden waren und dem Kriegsrecht gemäß erschossen oder gehenkt worden sind. Wir denken an die Folgen der Revolten der Heimkehrer, nur die wichtigsten seien gestreift: wir denken an die Erhebungen in Judenburg, Murau und Radkersburg, ausgebrochen bei Truppenkörpern überwiegend slowenischer Nationalität, bei den Ersatzbataillonen der Infanterieregimenter 17 und 97 und bei der Ersatzkompanie des Feldjägerbataillons 7, Meutereien, die vor den Standgerichten mit insgesamt 21 Todesurteilen bei einer Begnadigung endeten; wir denken an die Meutereien in Pees und Pecs-Bänyatelep, Soldaten " ) M. d. I. an K M . , Präs. Nr. 13448/1918, KA. K M . Abt. 5 v. 1918, Nr. 6956 = 64-26/17. Wassermair: Die Meutereien . . . S. 213. " ) V boj! . . . S. 565. " ) Thimme: Weltkrieg . . . S. 209 f., 220 f. 20 ) R. G. Plaschka: Cattaro — Prag. Revolte und Revolution, Kriegsmarine und Heer Österreich-Ungarns im Feuer der Aufstandsbewegungen vom 1. Februar und 28. Oktober 1918. G r a z - K ö l n 1963. S. 187 f. = Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Ost. 3.

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und Arbeiter in der Rebellion vereint, Soldaten vom Ersatzbataillon des Infanterieregiments 6, darunter vorwiegend ungarische Serben, und Bergarbeiter von der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft: 15 Todesurteile im standgerichtlichen Verfahren, 13 Soldaten, 2 Bergarbeiter, dazu noch je 2 Todesurteile im ordentlichen Verfahren; wir denken an die Meuterei in Rumburg, an die Delinquenten vom überwiegend tschechischen Schützenregiment 7, die zur Exekution geführt worden sind, bewacht von Deutschen, von Assistenzeinheiten des Salzburger Regiments 59. Wir denken an Kragujevac, an die Empörung vor allem slowakischer Heimkehrer, an den Zug der zum T o d e Verurteilten vom Regiment 71, g e f ü h r t durch Gassen voller Volk, hinaus auf den Exerzierplatz, Offiziere zu Pferd, Assistenzeinheiten, dazwischen bewacht, gefesselt, in elf Viererreihen 44 Mann, die draußen auf dem Schießstand dem Peloton gegenüberstehen sollten; Bosnier stellten das Exekutionskommando, und über den Exekutierten brachte der Garnisonskommandant ein dreifaches H o c h aus auf den Kaiser und König 2 1 ). Auf den Kaiser und König . . . Noch hatte die bedrängte alte Macht der H e r a u s f o r d e r u n g gegenüber nicht aufgegeben. Und noch wirkten zweifellos auch ideologische Kräfte im Sinne des bereits in Frage Gestellten, im Sinne von Kaiser und Reich, im Sinne von Tradition und Gemeinsamkeit, im Sinne einer übernationalen Zusammenfassung der Völker im Donauraum. Noch funktionierte auch der Apparat, noch versahen Beamte und Offiziere Dienst an den Schalthebeln der staatlichen Macht, noch setzte diese Macht sich in der Regel durch, und noch traten in extremen Fällen Gendarmerie- und militärische Assistenzeinheiten an, um tätlichen Widerstand zu brechen. Doch es bleibt die Frage nach der noch vorhandenen Widerstandskraft dieser Macht, und es blieb damals in den politischen Führungskreisen die Frage vor allem nach der Armee und vor allem nach der Armee im Felde, nach dem Feldheer als der äußerstenfalls letzten Möglichkeit der alten Macht, sich nach außen und nach innen durchzusetzen. Nach außen, auf der Landkarte, schien die militärische Macht des Reiches, die primär das Feldheer repräsentierte, noch stark expansiv. Der Bogen dieser Macht war noch weit gespannt; man sah den Machtbereich der D o n a u m o n a r chie mit ihren Armeen noch tief in fremdes Gebiet hineinragen, in die Ukraine, bis an das Schwarze Meer, tief in den Balkan und hinein in die oberitalienische Tiefebene. Und eben hatte man in Brest-Litowsk noch gemeinsam mit dem Deutschen Reich Friedensbedingungen diktiert. Aber die innere Krise ließ auch

21 ) Wassermair: D i e Meutereien . . . S. 155 ff., 232 ff., 253 ff. Vgl. K. Pichlik: Bojovali proti välce (Sie kämpften gegen den Krieg). Prag 1953; ders.: V z p o u r y nävratilcü z rusk e h o zajeti na jafe 1918 ( D i e Meutereien der Heimkehrer aus der russischen G e f a n g e n schaft im Frühjahr 1918). Prag 1964; D o m o v za välky . . . S. 52; B. Stulli: Vojna pobuna u Kragujevac 1918 ( D i e militärische Erhebung in Kragujevac 1918). Zagreb 1960.

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den Bogen des äußeren Machtbereichs dubios werden. Die Meutereien in der Kriegsmarine und in Ersatzeinheiten des Heeres im ersten Jahr 1918 waren Symptome vorhandener Krisenherde gewesen. Der Respekt vor dem Feldheer und seinen Einheiten aber hielt in weiten Kreisen — auch der Gegner im Inneren des Landes — lange an, bis in die Tage des Umsturzes, bis an die Neige des Bestandes auch dieses Feldheeres selbst. Im Sommer des Jahres 1918 begann sich auch die militärische Niederlage der Mittelmächte unzweideutig abzuzeichnen. Die letzten militärischen Kraftanstrengungen waren mißglückt: die Offensive des deutschen Heeres im Westen, die Offensive des k. u. k. Heeres in Italien. Die Initiative an den Fronten war auf die Gegner übergegangen. Das Ergebnis für die innere Entwicklung der Monarchie: Kritik, Empörung gegenüber der Armeeführung regten sich nun verstärkt selbst in den Zentren der alten Macht, in Wien, in Budapest, bei denen, die die Niederlage besorgten, und bei denen, die sie herbeisehnten. Jedenfalls: die Schwächezeichen der Armee ließen alle jene Hoffnung schöpfen, die diese Armee nach wie vor noch fürchteten. Und es kam hinzu: die in ihrer Operationsfähigkeit bereits beeinträchtigte Armee im Felde sollte nun bald auch aufbegehrenden Widerstandskräften in den eigenen Reihen konfrontiert werden. Als ab Mitte September der alliierte Vormarsch auf dem Balkan eingesetzt hatte, als die Südostflanke der Mittelmächte und besonders die der Donaumonarchie aufgerissen war, da hielt man zwar im AOK in Baden die Lage noch für zeitlich beschränkt stabilisierbar, aber unter den Verbänden der neugebildeten Heeresgruppe Kövess kam es zu den ersten größeren Meutereien von Feldeinheiten. Nacheinander trafen ab 20. Oktober die Meldungen des Heeresgruppenkommandos Belgrad ein: Landsturm vom Regiment 27 — vorwiegend Serben —, Kanoniere vom Feldartillerieregiment 4 — vorwiegend Polen und Ukrainer —, Polen und Ukrainer auch vom Sturmbataillon 30, Jäger von den Feldjägerbataillonen 3 und 27 — mit Ergänzungsbezirk Pancsova und Czernowitz —, dann Infanteristen vom Regiment 41 — vorwiegend Rumänen und Ukrainer aus der Bukowina — versagten den Gehorsam. Und die 13. Ulanen — Ukrainer, Polen und Italiener — verweigerten, als sie die Donau nach Süden überschreiten sollten, den Ubergang: auf dem Balkankriegsschauplatz hätten sie, so meinten sie, nichts mehr zu suchen 22 ). Aber was man bei anrollenden, herangeworfenen Verbänden für eine neuzuerrichtende Verteidigungslinie auf dem Balkan unter den gegebenen Umständen noch erklärbar finden mochte, das erfaßte über die Etappe bald auch Fronttruppen an der Italien-Front. Zunächst — am Rande dieser Front — Re") Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914—1918. Wien 7, 1938, S. 776, 796; Kerchnawe: Der Zusammenbruch . . . S. 59 ff.; Wassermair: Die Meutereien . . . Statistischer Anhang. S. 394 ff.

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bellion in Fiume: dort meuterten Mannschaften des Infanterieregimentes 79 — Otocac, Kroaten und Serben. D a n n erste Berichte von Meutereien aus dem Frontgebiet: einige Schwerpunkte im Bereich der Heeresgruppe Boroevic: bei der 6. Armee erreichte die U n r u h e Magyaren und Rumänen der Infanterieregimenter 39 und 69, bei der Armeegruppe Belluno tschechische Schützen der Regimenter 7, 8, 25 und 28 — bei der Prager 21. Schützendivision blieben bald nur noch die Egerländer des Schützenregiments 6 einsatzfähig; den Gehorsam versagte eine Brigade der kroatischen „Domobranzen-Divison"; es meuterten slowenische Soldaten des Gebirgsschützenregiments 2, sie gingen gegen O f f i ziere vor, warfen Handgranaten, das Kärntner Gebirgsschützenregiment 1 wurde eingesetzt, um die Meuterei niederzuschlagen; auch Einheiten des bosnisch-herzegowinischen Infanterieregimentes 4 meuterten, ihnen wurden zwei Bataillone des Kärntner Regiments 7 entgegengestellt. Die U n r u h e aber f r a ß weiter und erfaßte immer neue Einheiten, schon war auch die Heeresgruppe Tirol einbezogen: so verweigerten dort Regimenter der 27. Infanteriedivision und der 38. Honved-Infanteriedivision, zum Großteil Magyaren und Rumänen, den Gehorsam 2 3 ). Und die italienische Großoffensive, die anhebende letzte Schlacht riß die Gräben zwischen Befehl und Widerspruch immer zahlreicher und tiefer und schließlich irreparabel auf, ließ Gegenangriffe nicht mehr zur D u r c h f ü h r u n g kommen, sprengte alle taktischen Berechnungen der Stäbe. Die Meutereien aber machten deutlich: die Desintegration hatte die im Krieg bisher massivste Klammer des Reiches erfaßt, die militärische Macht, und diese in den letzten Oktoberwochen selbst in ihrem Kern: in der Feldarmee. Inzwischen waren auf der innenpolitischen Ebene f ü r den alten Rahmen die letzten Rettungsversuche unternommen worden. Die Versuche hatten im Manifest des Kaisers kulminiert. Freilich hatten die Völker dieses Manifest nur noch als eine Art Wiener Phantom im Vorüberziehen gewertet. Der Versuch wurde mit Spott und Ablehnung quittiert. Man schrieb dazu in Laibach: „ÖsterreichUngarn stirbt an Altersschwäche", in Krakau: „Die Einigkeit der Monarchie ist dahin", in Brünn: „Im . . . Volk wird man heute viel lachen", in Budapest: „Uns ficht die Sache nicht mehr an", in Graz schließlich: „Der Wortlaut des Manifestes bestätigt auch jetzt wieder die alte österreichische Devise: zu spät und halb." 24 ) In diesem auseinanderstrebenden Reich aber hatten inzwischen auch die Deutschen ihre Sonderinteressen angemeldet. Auch sie hatten den Weg der Desintegration beschritten. Die letzte Entscheidung lag im Machtspruch der Alliierten. Die Bitte um W a f f e n r u h e und Einleitung von Friedensverhandlungen war gestellt. Wilsons

" ) Österreich-Ungarns letzter Krieg . . . S. 591 f., 608 ff., 630 ff.; Kerchnawe: Der Zusammenbruch . . . S. 67 ff., 74 f., 78 f.; E. v. Glaise-Horstenau: Die Katastrophe. Wien 1929. S. 346 ff.; Wassermair: Die Meutereien . . . Statistischer Anhang. S. 394 ff. 24 ) Kerchnawe: D e r Zusammenbruch . . . S. 54 f.

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Antwort, die in Wien und Budapest am 20. Oktober bekannt geworden war, machte deutlich, wie weitgehend die Emigration, die „Auslandsrevolution", bereits gewirkt hatte. Die Antwort barg bereits das Todesurteil für die Monarchie in sich. Nämlich: die „Tschechoslowaken" und Südslawen waren zu Richtern über Österreich-Ungarn erklärt worden. Nur die Art der Exekution war noch die Frage. Die nationalen Gremien in Prag und Agram reagierten umgehend und meldeten sogleich ihre Forderungen nach endgültiger Sprengung der alten Einheit an. Die örtlichen Schwerpunkte der zu erwartenden Entscheidung wurden deutlich. Kein Zweifel: Polen, Rumänen, Serben und Italiener, in bestimmtem Maße auch Ukrainer, Kroaten und Slowenen, auf Ungarn bezogen auch die Slowaken, unterlagen starker nationaler Sogwirkung über die bisherigen Grenzen. Diese Sogwirkung traf die Monarchie schwer, gleichwohl an ihrem Rand. Zwar waren es schmerzliche Amputationen: die Polen, einst zu den kooperativsten gezählt, seit dem Ukrainefrieden mit der Monarchie enttäuscht zerfallen, in Demonstrationen wie in Krakau aufbegehrend, hatten seit Anfang Oktober schon in Warschau die Unabhängigkeit proklamiert, suchten innerhalb ihrer Führungsgruppen — unter verstärkt aufkommenden Gegensätzen zu den Ukrainern — nach dem eigenen Weg. Die Rumänen leiteten mit Schwerpunkten in der Bukowina und in Siebenbürgen über Initiativen wie in Klausenburg, Czernowitz und Arad Anschlußbewegungen an das erhoffte Großrumänien ein und deponierten ihre Trennungserklärungen in den Parlamenten in Wien und Budapest — in der Frage der Bukowina aufkommende Gegensätze zu den Ukrainern gleich noch im Haus am Wiener Ring austragend. In Turciansky Sväty Martin erkärten die Slowaken ihre Trennung von Ungarn, von Laibach aus proklamierten die Slowenen die Zugehörigkeit zur Gemeinsamkeit der Südslawen, zunächst noch auf den Nationalrat in Agram bezogen. Die, die am Rande wohnten, waren dabei, sich vom alten Körper abzustoßen. Entscheidend für den Bestand der Monarchie aber mußte sein, was in den nationalen Zentren inmitten des Staatskörpers geschah, was — außer in Wien — in Prag und Budapest und in Agram vor sich ging. Prag und Budapest. Die letzte Herausforderung an die Monarchie ging in beiden Zentren, in Prag wie in Budapest, nicht von der etablierten nationalen politischen Führung aus. Die Herausforderung kam von der Straße. Und diese Herausforderung mußte im äußersten der Exekutive gelten, den bewaffneten Kräften der alten Macht. Ein Blick nach Prag. Die Entscheidung fiel am 28. Oktober. Sie fiel auf der Ebene des Bürgertums. Den Umsturz tiefer in der gesellschaftlichen Struktur anzusetzen, war nicht gelungen. Vierzehn Tage zuvor, am 14. Oktober, war ein von den sozialistischen Parteien ausgehender Putschversuch gescheitert, in erster Linie an der letzten überzeugenden Entfaltung der alten Macht, aber nicht zuletzt auch an der mangelnden Kooperation der konnationalen bürgerlichen

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Parteien 2 5 ). Die Ausgangsbasis vom 28.: Eine Menschenansammlung auf dem Wenzelsplatz, Siegeszuversicht, Umsturzwille, Erklärungen, Zurufe, Lieder, ein Zug, der sich aus der Stauung auf dem Platz löste, der Zug wurde zur Demonstration, die Polizei überrollt, man feierte Verfemte und Feinde: „Es lebe Masaryk!", „Es lebe Wilson!", und man entrollte die Siegesfahnen: das Rot-Weiß der Tschechen, die französische Trikolore, das Sternenbanner auch. Die Bewegung gewann revolutionäre Bahnen 26 ). Erneute Sammlung auf dem Wenzelsplatz, ein Priester, ein Prämonstratenser, der Abgeordnete Dr. Zahradnik, hielt an den Stufen des Wenzelsdenkmals die erste Rede der vielen Reden dieses Tages: „Für immer brechen wir die Fesseln, in denen uns die treubrüchigen, fremden, unmoralischen Habsburger gemartert haben. Frei sind wir, und niemand wird uns die Freiheit nehmen, höchstens wir entsagen ihr selbst . . ."27) Die Straße in Prag war in Aufruhr. Ein Blick nach Budapest: in Prag war der Umsturz zum Fest geworden, zum in erster Linie „nationalen" Fest, quer durch die tschechischen Parteien, einheitlich in den Grundsätzen der Forderungen. Anders in Budapest. In Budapest präsentierte der Umsturz sich als Herausforderung, deren Schwerpunkt die Linke gebildet hat. Die Forderungen — hier freilich auch verschärft im Kontrast — zielten tiefer in die Gesellschaftsstruktur, reichten bis zur Änderung des Regierungssystems und bis zu Agrar- und Sozialreformen. Der Beginn: auch hier Demonstrationen; an der Spitze aber deutlich eine Avantgarde: Studenten. Schon ab dem 24. Oktober erschienen Studenten in den Straßen, Studenten der Universität, der Technischen Hochschule, der Tierärztlichen Hochschule, Soldaten und Offiziere hatten sich angeschlossen. Am 25. Verschärfung der Lage: aus Studentenumzügen entwickelte sich ein Sturm auf die Ofener Burg, unter Uberwindung von Sperrketten der Polizei und des Militärs glückte ein Einbruch in den Burgbezirk durch ein Seitentor, ein Oberleutnant in voller U n i f o r m an der Spitze. Noch setzte in der Gegenbewegung die alte Macht sich durch: Polizei und bosnische Truppen, blanke W a f f e auf Seiten der Exekutive, Verletzte 2 8 ). Aber ein Faktum blieb: Studenten, Soldaten, ja Offiziere in Uniform hatten gegen die Staatsgewalt Front gemacht. Die Bewegung griff weiter; » ) Vgl. MK. Prag an KM. 14., 15., 17. 10. 1918; Statth. Prag an Minpräs. 16. 10. 18, Quellensammlung Nase revoluce (Unsere Revolution). Prag 1923 ff.; Plaschka: Cattaro - Prag . . . S. 195 ff. " ) Plaschka: Cattaro — Prag . . . S. 222 ff. " ) Nase revoluce . . . Zahradnik 9/276, Kopecky 10/373, Kubicek 9/282, Farsky 9/289, Sebl 10/390, Mixa 11/385, Kleiner 10/362; Plaschka: Cattaro — Prag . . . S. 225. 28 ) MK. Budapest, Präs. Nr. 6464/1918, KAB; F. L. Bus: Katona forradalmärok (Die revolutionären Soldaten). Budapest 1919. S. 16; Pester Lloyd Nr. 249 vom 24. 10. 1918 und Nr. 250 vom 25. 10. 1918; Neues Pester Journal Nr. 251 vom 26. 10. 1918; O . Jäszi: Magyariens Schuld, Ungarns Sühne. München 1923. S. 27 f.; Z. Szende: Die Ungarn im Zusammenbruch 1918. Oldenburg 1931. S. 79; P. Urbach: Der Umsturz in Budapest. Wien 1968. S. 82ff. = Diss.

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in der Organisation: Räte zur Aktivierung der Demonstranten entstanden, ein Studentenrat, ein Soldatenrat; im Ergebnis: am Abend des 28. die „Schlacht an der Kettenbrücke", Polizei schoß in die Menge, es gab drei Tote, drei Arbeiter, rund 50 Verletzte 29 ). Die Straße hatte rebelliert, war im Vormarsch, in Prag wie in Budapest. Bleibt die Frage nach dem Beitrag der politischen Führung. Und in Prag wie in Budapest hatte die nationale politische Führung gezögert. In Prag setzten die Parteiführer des Nationalausschusses sich wohl an die Spitze der Bewegung, aber nicht, um diese Bewegung vorwärtszureißen, sondern vielmehr, um sie zu dämpfen: das Volk sollte nicht Gewalt anwenden, die Politiker erstrebten den Ausgleich. Denn noch fürchteten diese politischen Führer, die alte Macht würde selbst zu dieser Stunde noch die Herausforderung mit einem Gegenschlag beantworten 30 ). Und in der Tat: heraus aus den Kasernen in Prag zog Militär in die Straßen. Die Menge gab den Weg frei. Eine Maschinengewehrabteilung sperrte die Karlsbrücke. Bataillone standen auf dem Wenzelsplatz und auf dem Altstädter Ring 31 ). Ähnlich in Budapest. Auch die Politiker im Nationalrat in Budapest fürchteten den Gegenschlag des Militärkommandos. Noch glaubten manche am 30., für die revolutionäre Aktion, die die Straße vorangetrieben hatte, nicht genügend vorgearbeitet zu haben, zum Beispiel durch Bewaffnung der Arbeiter, noch glaubten manche, die Aktion sei in Gefahr, noch hatte einer besorgt gemeint: am Morgen werden wir wahrscheinlich alle hängen 32 ). Und noch gab es in der Tat auch in Budapest genügend Einheiten, die gehorcht haben: noch an diesem 30. Oktober war der Soldatenrat von zwei Assistenzkompanien ausgehoben worden 33 ), und noch erwog der Militärkommandant am 31. zeitig früh den Schießbefehl 34 ). Dennoch: das Militär hielt weder in Prag noch in Budapest diese letzte Herausforderung durch. Auch die militärische Führung hat gezögert, auch die Generale. Die Generale waren unsicher, unsicher gegenüber den versierten Politikern, unsicher gegenüber den sich abzeichnenden politischen Veränderungen, unsicher gegenüber den Grenzen zwischen nationaler Haltung noch auch im 29 ) Bus: Katona . . . S. 37; G. Lukachich: Magyarorszäg megcsonkitäsänak okai (Die Ursachen der Verstümmelung Ungarns). Budapest um 1932. S. 102; K. Michael: Gegen eine ganze Welt. München 1924. S. 594; Urbach: Der Umsturz . . . S. 93 ff. 30 ) Einschlägige Berichte in: NaSe revoluce . . .; vgl. Plaschka: Cattaro — Prag . . . S. 229 ff. J1 ) Nase revoluce . . .; vgl. Plaschka: Cattaro — Prag . . . S. 234ff. 32 ) Jäszi: Magyariens Schuld . . . S. 34; Urbach: Der Umsturz . . . S. 114 f. ") Lukachich: Magyarorszäg . . . S. 116 f.; Bus: Katona . . . S. 48 ff.; Neues Pester Journal Nr. 225 vom 31. 10. 1918; Urbach: Der Umsturz . . . S. 109, 121 f. ") Lukachich: Magyarorszäg . . . S. 132ff.; A. Päsztor: Diadalmas forradalom könyve (Das Buch der siegreichen Revolution). Budapest 1929. S. 80 ff.; Urbach: Der Umsturz . . . S. 123 f.

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Sinne dessen, was Wien tolerierte oder tolerieren mußte, und Hochverrat. U n d die Generale waren sich unsicher schließlich auch und vor allem der Haltung ihrer Truppen. Binnen Tagen und Stunden verloren die Generale ihre Einheiten aus der Hand 3 5 ). Im Gegenzug hatten sich revolutionäre Einheiten gebildet. Die waren zwar auch von fragwürdiger Konsistenz, aber — mit einigen entschlossenen Kerngruppen — immerhin imstande, den Abbau der alten Macht herbeizuführen. Ein Blick in das dritte wesentliche Zentrum: nach Agram. Vorspiel f ü r Agram war die Meuterei in Fiume gewesen. Truppendemonstrationen im Land gaben in den ersten entscheidenden Tagen den Hintergrund ab. Schon am 24. O k t o b e r waren in Otocac in der Lika — Offiziere an der Spitze — durch Mannschaften vom Ersatzbataillon des Regiments 79 Schilder von Ämtern und Behörden heruntergerissen worden 3 6 ). Desertionen, Meutereien, Ausschreitungen und Plünderungen meuternder Soldaten nahmen überhand, mühsam einige Tage lang noch in Grenzen gehalten von herangezogenen Assistenzeinheiten; und die Assistenzen selbst präsentierten sich teils noch in Gehorsam und Einsatz und teils selbst schon im Strudel der Auflösung; bei Zugssäuberungen mit Waffengewalt hatte das Assistenzbataillon des Infanterieregiments 65 immerhin noch Gefallene zu beklagen, und unter den Meuterern war auch ein Oberleutnant „niedergestreckt" worden 3 7 ). Einige Zentren der Empörungen: Pozega und Slawonisch-Brod, Orahovica und Esseg und Nova Gradiska. U n d am 28. Oktober hatte es schwere Ausschreitungen in Agram selbst gegeben 38 ). Aber blieb in Prag und Budapest die vorherrschende Tribüne des Umsturzes die Straße — am Wenzelsdenkmal wie an der Kettenbrücke —, so mündete die Bewegung in Agram rasch und nahtlos nahezu in ein Symbol der gleichbleibenden Führungsgleise, in einen Festakt, in einen Festakt im Landtag am 29. Oktober. Einmütig bis zum Banus mit zwischengeschaltetem Festgottesdienst vollzog Agram die T r e n n u n g in der alten Führungsgarnitur. Der Präsident des Hauses, Dr. Medakovic, formulierte unter stürmischem Beifall in harten Worten den Abschied: „In . . . enggeschlossenen Schranken haben wir unter der

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) Vgl. Plaschka: Cattaro — Prag . . . S. 245 ff.; Urbach: D e r Umsturz . . . S. 104 ff. " ) M K . Zagreb. N a . N r . 3679 an M K S M . 24. 10. 18, KA. M K S M . v. 1918, 2 8 - 2 / 7 ; zum V o r g a n g Fiume vgl. A O K Ch. d. G., Op. Nr. 114135, an K M . 27. 10. 1918, KA. KM. Abt. 5 v. 1918, 1 - 3 / 4 - 1 0 0 , 2 8 - 3 / 3 - 3 1 , 2 8 - 3 / 3 - 3 2 , 2 8 - 2 / 7 , 2 8 - 3 / 3 - 3 5 , 2 8 - 3 / 3 - 3 3 ; A. Suppan: Organisation und Einsätze Militärischer Assitenzen in Österreich-Ungarn im Jahre 1918. Wien 1969. S. 658 ff.; 662. = Diss. " ) KA. M K S M . v. 1918, 2 8 - 2 / 7 ; Suppan: Militärische . . . S. 662 ff. Vgl. D . Jankovic und B. Krizman: Gradja o stvaranju jugoslovenske drzave 1. 1. — 20. 12. 1918 (Arbeiten über die Bildung des jugoslawischen Staates). Belgrad 1964. Art. 324, S. 387; Art. 328, S. 391; Art. 329, S. 391; Art. 332, S. 393; Art. 335, S. 400. 38 ) KA. M K S M . v. 1918, 2 8 - 2 / 7 ; Suppan: Militärische . . . S. 668 f.

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Fremdherrschaft gestöhnt und geächzt, haben wir kein nationales Leben im wahren Sinne des Wortes geführt, haben wir nur zu vegetieren vermocht. Heute sind endlich diese Fesseln gesprengt." 39 ) Die Herausforderung war auch in Agram gestellt. Die Herausforderung in Agram aber konnte der alten Macht gegenüber nicht zur Geltung gebracht werden: denn die alte Macht war gar nicht mehr präsent. Die politischen wie die militärischen Spitzen hatten die Schwenkung schon vollzogen. Die Militärs, die Generale, die man in Prag und Budapest noch so gefürchtet hatte, selbst die Generale standen in Agram schon für das Neue, ließen sich beim Festakt im Landtag als Repräsentanten der neuen nationalen Armee akklamieren. Die Monarchie bot Ende Oktober in ihren entscheidenden Positionen — im politischen wie im militärischen Bereich — ein Bild des sich durchsetzenden Widerstands und um sich greifender Desintegration. Daß in diesen Tagen der Umstürze und Meutereien auch im Sinne der bisher bestehenden Bindekräfte — quer durch Ränge und Nationen — noch das Wagnis des Eintretens bis zum Äußersten aufgebracht wurde, verleiht dem Ende des Völkerreiches einen zugleich tragischen Aspekt. Drei Bilder für das Ganze: Wir denken noch einmal an Sarajevo, an einen der letzten führenden Amtsträger der Monarchie, an den Landeschef und Kommandierenden General, an den Generalobersten von Sarkotic, an sein Ausharren, an seine auch vom politischen Gegner respektierte Haltung noch inmitten der aufkommenden Kräfte der neuen Ära 40 ), wir denken an Pola, an den Kriegshafen, an das Schlachtschiff „Viribus unitis", an dessen Gesamtdetailoffizier, an den Korvettenkapitän Milosevic, der sich erschoß, als die Mannschaft den Gehorsam verweigert hatte 41 ); und wir denken schließlich an die Front im Südwesten, an jene letzten Einheiten des gemeinsamen Heeres, die sich trotz Ausbleibens von Reserven und Eingreifverbänden dem Großangriff der italienischen und britischen Sturmdivisionen entgegenwarfen — in schier hoffnungsloser Situation, mehr auf persönliche Rechnung nur noch, und dies in einem Augenblick, als das Völkerreich in ihren Rücken, für das sie fochten, schon zerbrochen war. Ich darf zusammenfassen: die revolutionäre Herausforderung gegenüber der Donaumonarchie war in mehrschichtiger Form gestellt worden. Bleibt die Frage, inwieweit die revolutionäre Herausforderung sich durchgesetzt hat. Sicher nicht im vollen Ausmaß und sicher nicht aus eigener Kraft allein. Das Er") Jankovic und Krizman: Gradja . . . Art. 339, S. 403; E. R. Gärtner: Kroatien in Südslawien. Berlin 1944. Dokumentenanhang. S. 174 ff.; Glaise-Horstenau: Die Katastrophe . . . S. 376. Vgl. Jankovic und Krizman: Gradja . . . Art. 337, S. 401; Art. 338, S. 402. 40 ) S. Klein: Freiherr Sarkotic von Lovcen — die Zeit seiner Verwaltung in BosnienHercegovina von 1914 bis 1918. Wien 1969. = Diss. Vgl. Jankovic und Krizman: Gradja . . . Art. 349, S. 423; Art. 358, S. 432. 41 ) Österreich-Ungarns Seekrieg 1914—1918. Zürich - Leipzig - Wien 1933. S. 721.

Revolutionäre Herausforderung im Endkampf der Donaumonarchie

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gebnis präsentierte sich im wesentlichen in der Form der Durchbrechung des alten übernationalen Staates durch neue staatliche Einteilungen, in Form neu entstandener und neu umgrenzter sogenannter „Nationalstaaten". Dabei erfolgte diese Neuerung — von Ansätzen abgesehen — ohne einschneidende Umgestaltung in den gesellschaftlichen Strukturen und unter Fortwirkung der bestehenden nationalen Führungskader. Die Umwälzung 1918 in Ostmitteleuropa bestand vor allem in der Verschiebung der politischen Machtstellung der nationalen Gruppen, in der Verlagerung der Machtgewichte dieser Gruppen durch neue Grenzziehungen, wenn auch zum Teil unter Berufung auf historische Grenzen; die neuen Grenzziehungen schufen Zusammenfassungen von Nationalitäten unter neuen Zahlenverhältnissen, sie wirkten damit in Richtung des Aufstiegs der politischen Macht der einen, des Absinkens der Macht der anderen. Die bewegende Kraft f ü r diese Veränderungen kam freilich zu einem guten Teil von außen, sie entsprang dem Sieg und der Einflußnahme der Alliierten. Aber auch die Alliierten handelten nicht ohne Wechselbeziehung, sie handelten unter dem Eindruck und Einfluß von Bewegungen innerhalb der Monarchie und deren Repräsentanten in der Emigration. U n d es bleibt hinzuzufügen, daß diese Bewegungen innerhalb der Monarchie zweifellos eine breite soziale Basis aufwiesen, daß sie getragen waren von massenwirksamen neuen ideologischen Leitbildern und daß sie in der Schlußphase der Entwicklung zusätzlich eigenständige gewaltsame oder zumindest gewaltdrohende Aktionen hervorbrachten. Die revolutionäre H e r a u s f o r d e r u n g im Endkampf des Habsburgerreiches mündete in eine vor allem von den neuen „Staatsnationen" als national-revolutionär empfundene politische Neugestaltung im Donauraum. Ein Wort zum Schluß: Dem Philosophen gemäß ist es das Schicksal, aber auch das Privileg des Menschen, niemals ganz zu erreichen, was er sich vornimmt, stets bloßer Anspruch zu bleiben. Das bedeutet viel Enttäuschung und andauernden Neuversuch, Unruhe in Permanenz; aber das bedeutet auch die G e f a h r der Unterbewertung des eben Erreichten, der Geringschätzung des Bestehenden, das bedeutet Streben nach dem Besseren auch dort, wo mit der Veränderung viel Gutes zerbricht, das Neue umstritten bleibt. Das wird den Rückblick auf verlassene Ebenen o f t schmerzlich erscheinen lassen, angesichts der zerrissenen Saiten der Vergangenheit, angesichts ihrer verlorenen Chancen. Und dennoch wird es ein Privileg des Menschen und ein Attribut seiner Freiheit f ü r alle Zeiten bleiben: den Anspruch auf das Bessere geltend zu machen, aus ernster, verantwortungsbewußter Uberzeugung heraus, im Äußersten und Letzten selbst in der revolutionären Herausforderung.

Z U R M O T I V A T I O N IM „ P A R T I S A N E N " - U N D GUERILLAKRIEG

An der Stirnseite des Hauptsaales des Marinemuseums in Leningrad hängt ein beherrschendes Bild: Es stellt ein Traditionsereignis der sowjetischen Marine dar, den Ausbruch der Matrosenrevolte auf dem „Knjaz' Potemkin-Tavriceskij". Was an jenem 27. Juni 1905 auf dem in Sevastopol' stationierten Schlachtschiff — kein Panzerkreuzer, wie allgemein angenommen — geschah, das mit rund 12.500 t, einem Stand von mehr als 700 Mann Besatzung und einer Bestückung von vier 30,5 cm- und sechzehn 15,2 cm-Geschützen eine Einheit von beachtenswerter Kampfstärke darstellte und das eben an jenem T a g in der Tendra-Bucht die überholten Geschütze neu einschießen sollte, macht Aufbau- und Ablaufstrukturen einer Widerstandsaktion auf militärischem Boden in besonderer und für die folgenden Jahre in geradezu grundsätzlicher Weise deutlich 1 ): als Basiselemente der Motivation die politische und vor allem parteipolitische Einwirkung von außen und die in strenger Disziplin, im Drill verlaufende Erlebniswelt im Innern der Einheit, im Fall der Marine verschärft durch die besonderen Anforderungen an Bord eines großen Schiffes, dazu die Vertrauenskrise gegenüber der Führung, dem Offizierskorps, die Auslösung der Aktion durch die Herausforderung in einem lebensnächsten Bereich — in der Verpflegsfrage —, die durch den Akt des Widerstandes ihrerseits geforderten Offiziere uneinheitlich in der Reaktion, an ihrer Seite die Eingreiftruppe, im Fall der „Potemkin" das Wachkommando, zugleich Maßstab des den Offizieren noch verbliebenen Führungsspielraumes, in diesem Augenblick das Hochschnellen der Krise bis an den Rand der bewaffneten Auseinandersetzung, bis zum Feuerbefehl, das Umschlagen der Initiativen, der Übergang der Handlungsgewalt auf die Mannschaft, auf ihre politisch bestimmte Führungsgruppe, Durchbruch der Empörung, Tötung von Offizieren, revolutionäres Schiffskommando, sein Handeln — bald unter dem aufkommenden Druck der Gegenmaßnahmen der übergeordneten Befehlsstellen — als Maßstab der Zielorientierung. Das Ereignis in der Tendra-Bucht war kein Sonderfall, war Ausdruck allgemeiner sozialer Krisenstimmung. Noch in den Jahren 1905 und 1906 hat Lenin ') Vgl. J. Ponomarev, Geroi Potemkina (Odessa 1953); Richard Hough, Die Meuterei auf dem Panzerkreuzer Potemkin (1961).

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in einer Reihe von Aufsätzen — wie „Die Lehren des Moskauer Aufstandes" und „Der Partisanenkrieg" — die neuen Formen der Auflehnung in Rußland, ihre Entwicklung und ihre Ziele, in den Rahmen seines Revolutionskonzeptes einzuordnen versucht. Im taktischen Bereich 2 ) standen „verwegene Uberfälle" durch kleine Kampfgruppen, Zehner-, Dreier-, Zweiergruppen, mit dem Ziel der T ö t u n g und Enteignung im Vordergrund: T ö t u n g der Repräsentanten des Staates — der Armee und der Polizei —, Enteignung vor allem, um die Bewaffnung f ü r die Kampfgruppen sicherzustellen. Lenin hatte keinen Zweifel, daß damit Ziele aufgestellt waren, die im bürgerlichen Strafgesetz unter Mord und Raub rangierten. Er suchte nur die Tatbestände durch die Einordnung in neue Kategorien zu rechtfertigen: Die T ö t u n g dadurch, daß er sie zur T ö t u n g in einem Krieg erklärte, in einer neuen Stufe des Klassenkampfes, im Bürgerkrieg, eben im Partisanenkrieg, den Raub zusätzlich dadurch, daß er ihn entsprechend der alten Formel von der Expropriation der Expropriateure zur Enteignung aufwertete 3 ). Das taktische Ziel, das Durchschlagen einer aufbegehrenden Gruppe, schien in der Tendra-Bucht ebenso gegeben wie die Rechtfertigung der T ö t u n g und des Raubes: die T ö t u n g der Offiziere als Repräsentanten des Regimes, der Raub des Schiffes als Enteignung eines schwimmenden Waffenarsenals zugunsten der Revolution. Das Mitreißen einer ganzen Schiffsbesatzung, einer militärischen Einheit von immerhin einigen hundert Mann, aber zielte bereits in einen weiterreichenden, in den strategischen Bereich. Lenin unterstrich seine Distanzierung vom T e r r o r des „alten Typus", vom T e r r o r als individuell orientierter Kampfform, vom T e r r o r als „Rache an einzelnen Personen": „Der T e r r o r war absolut nicht mit irgendwelchen Massenstimmungen verbunden. Der T e r r o r bildete keine militärischen Führer der Massen heran. Der T e r r o r war das Ergebnis — zugleich aber Symptom und Begleiterscheinung — des Unglaubens an den Aufstand . . ."4) Dem stellte Lenin die im Sinn des Proletariats und damit im Sinn der Partei zielorientiert geführte Partisanenaktion gegenüber: Wesentlich sei, daß in diesem anhebenden „Kampf des einen Teils des Volkes gegen den anderen" — die Feinde des Volkes würden unterstützt von den „reaktionären Schichten der Bourgeoisie" — auch die Partei als kriegsführende Partei auftrete, als kämpfende Partei, und den Kampf „durch den aufklärenden und organisierenden Einfluß des Sozialismus" „veredle" 5 ). Terroristisch vorgehende Kampfgruppen konnten damit — unter neue qualitative Vorzeichen gesetzt — im Rahmen eines neuen positiven Kampfauf-

2 ) W. J. (Vladimir Il'ic [Uljanov] Lenin, Werke (1958) l l / 1 6 2 f . ; vgl. Claus D . Kernig, Sowjetsystem und Demokratische Gesellschaft, Guerilladoktrin. Bd. II (1968) 1127 ff. ') Ebendort 1 1 / 2 0 5 ff. 4 ) Ebendort 1 0 / 1 0 6 f. 5 ) Ebendort 1 1 / 2 1 1 f.

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III. Krisenzeichen im Krieg

träges gesehen werden: „Partisanenaktionen sind keine Racheakte, sondern militärische Operationen. Sie gleichen ebensowenig einem Abenteuer, wie die Streifzüge von Jägerabteilungen in den Rücken der feindlichen Armee während einer Kampfpause auf dem Hauptkriegsschauplatz dem M o r d e n von Duellanten oder Verschwörern gleichen." U n d die Partisanenaktionen glaubte Lenin auch schon strategisch in das Konzept des künftigen Aufstandes einordnen zu können: Die Partisanenaktionen der Kampfgruppen seien ein P r o d u k t der „Stimmungen der Massen", sie trügen „unmittelbar" zur Heranbildung der „militärischen Führer der Massen" bei, in ihnen präge sich der „Massencharakter des proletarischen Kampfes" am stärksten und klarsten aus, sie seien „keineswegs das Ergebnis des Unglaubens an den Aufstand . . ., sondern im Gegenteil ein notwendiger Bestandteil des vor sich gehenden Aufstands" 6 ). In den Partisanenaktionen sah Lenin die notwendigen Ansätze zum Aufstand, zum „Ubergang vom Streik zum Aufstand": „Vom Streik und von Demonstrationen zu einzelnen Barrikaden, von einzelnen Barrikaden zu massenweiser Errichtung von Barrikaden zum Straßenkampf mit den Truppen". Für Lenin war der proletarische Massenkampf mit diesem Ubergang zum Aufstand auf dem Weg dorthin, wo „die Revolution im Gebrauch der Angriffsmittel . . . bis zum letzten gehen wird". Die Zukunft: „. . . ein erbitterter, blutiger, vernichtender Krieg". Die notwendige Folge: der „Kampf um das Heer" 7 ). Das erste Wetterleuchten des kommenden „erbitterten, verzweifelten Kampfes der Reaktion und der Revolution um das H e e r " meinte Lenin im Moskauer Aufstand erkannt zu haben. Wohl hatte man die erste Auseinandersetzung verloren. Lenin zählt auf, wie die Regierungsseite auf die Soldaten „durch die mannigfachsten, verzweifeltsten Mittel" eingewirkt habe: „Man suchte sie zu überzeugen, schmeichelte ihnen, bestach sie . . ., man sparte nicht mit Schnaps, man suchte sie zu betrügen, einzuschüchtern, sperrte sie in die Kasernen ein, entwaffnete sie, griff mit Hilfe von Verrat und Gewalt Soldaten heraus, die man f ü r besonders unzuverlässig hielt." Die Konsequenz f ü r die Partei: „Wir haben mit der geistigen ,Bearbeitung' der T r u p p e n begonnen und werden sie noch beharrlich betreiben." Allerdings: „. . . wir werden traurige Pedanten sein, wenn wir vergessen, daß im Augenblick des Aufstands auch ein physischer Kampf um die Truppen erforderlich ist . . ."8) Die besondere Situation in der Marine sollte gerade in deren Bereich wenige Jahre später, während des Ersten Weltkrieges, weitgehend übereinstimmend motivierten Ansatz zum Widerstand auch in Mitteleuropa ermöglichen: in Norddeutschland und in Dalmatien, im Sommer 1917 und im Februar 1918, in der deutschen und in der österreichisch-ungarischen Flotte. Da öffneten sich 6

) Ebendort 10/107. ') Ebendort 11/159 ff. 8 ) Ebendort 11/160 f.

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gleicherweise die Einflußzonen der Parteien — der Sozialdemokratie, in Deutschland vor allem der abgespaltenen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei, der U S P D , dazu die die Stockholmer Konferenz betreffenden Erwägungen, Streik und Gehorsamsverweigerung einbeziehend, in Osterreich-Ungarn die nationale Frage als verschärfender Faktor, dazu die Fernwirkung des Januar-Streiks und der Verhandlungen in Brest-Litovsk. In beiden Fällen hatten die revolutionären Vorgänge des Jahres 1917 in Rußland ihren Eindruck nicht verfehlt und da wie dort war als grundlegendes politisches Ziel die Durchsetzung des Friedens proklamiert worden. Auf den Schiffen hatten Gleichgesinnte in Gruppen zueinander gefunden, wohl nur in kleineren und nicht sehr homogenen Gruppen, keineswegs durchorganisiert, aber da wie dort doch quer durch die Geschwader sich verständigend, jedenfalls potentielle Träger möglicher Aktionen. Elemente klassenkämpferischen Selbstverständnisses sind nicht zu übersehen. Sie hatten dreifach günstigen N ä h r b o d e n gefunden. Im Hinblick auf die soziale Struktur der Mannschaften: mit starken Gruppen aus den Industriezentren, viele von den Betrieben weg eingezogen, manche schon vorgeschult von den Parteien; im Hinblick auf die Elemente des Lebens an Bord eines großen Kriegsschiffes: mit der Zusammenballung der Menschen auf engstem Raum, mit der traditionell scharfen Disziplin, dem Drill, mit den als Leerlauf empfundenen Übungen und Manövern im Heimathafen; im Hinblick schließlich auch auf die Vertrauenskrise gegenüber der Führung, dem Offizierskorps: die O f f i ziere hatten den Kontakt zur Mannschaft weitgehend verloren, ihr Verhalten wurde als arrogant, hochfahrend und aufsässig, ihre Lebensweise an den weiß gedeckten und besser bestellten Tischen in den Messen als unangemessen qualifiziert. U n d auch hier lag der wesentliche Anlaß zur Widerstandsaktion — wie es in der Tendra-Bucht geradezu symbolhaft zum Ausdruck gekommen war — im negativen Bedarfserlebnis, vom Landgang und Urlaub bis vor allem zur Verpflegsfrage. Diese Aufbaustrukturen mündeten an beiden Stellen in offenes Aufbegehren. Auf der Hochseeflotte kam es auf einer Reihe von schweren Einheiten im Sommer 1917 zu Dienstverweigerungen, gruppenweise zu unerlaubten Landgängen, Versammlungen und revolutionären Ansprachen an Land, zu kulminierender Aktion schließlich in den letzten Kriegstagen: Ende Oktober 1918 zu Befehlsverweigerungen und Zusammenrottungen auf den schweren Schiffen, um den letzten Flottenvorstoß zu vereiteln, den Offiziere in den Messen in wohl provozierender Kampf-Untergangs-Stimmung schon gefeiert hatten. Und hatte man der Bewegung des Jahres 1917 auf der Hochseeflotte rund 5000 in weiterem Sinn erfaßte Mannschaften zugerechnet, so war es in der Bucht von Cattaro im Februar 1918 auf der Basis von rund 4000 Mannschaften der österreichisch-ungarischen Marine zu einer noch viel intensiveren Bewegung des Aufbegehrens gekommen: Drei Tage lang standen zahlreiche

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III. Krisenzeichen im Krieg

Einheiten im Hafen unter roter Flagge, und erst nach Heranführung von Eingreifkräften zu Land und zur See und aufkommender Gegenbewegung in den eigenen Reihen, auf den rebellierenden Schiffen selbst, waren sie zum Aufgeben bereit'). Ansätze zum Aufbegehren im Heer gingen auch in Österreich-Ungarn bis in die Vorkriegszeit zurück. Ein bezeichnendes Beispiel: in Pardubitz, in Böhmen, im November 1912. Im Rahmen der Teilmobilisierung anläßlich des Balkankrieges war es dort beim Dragonerregiment Nr. 8 zu einer Widerstandsaktion gekommen. Als am 28. November gegen Abend rund 460 Reservisten zum Bahnhof marschierten, um in einen Transportzug nach Galizien einwaggoniert zu werden, kam es zu Unmutsäußerungen der Mannschaft. Schon über der in Richtung Bahnhof ziehenden Marschkolonne waren das Lied von der Roten Fahne und Rufe gegen den Krieg ertönt. Auf dem Bahnhof selbst weigerten sich die Soldaten, dem wiederholten Befehl der Offiziere zur Einteilung für die Einwaggonierung Folge zu leisten. Und sie setzten die Demonstration mit Gesang und Rufen fort. Als ein Anarchist das Chaos zu nützen versuchte, um von einem Waggon aus zu den Dragonern zu sprechen, und ein Gendarm zur Verhaftung des Redners schritt, widersetzten sich einige Reservisten bis hart an den Waffengebrauch. Erst als verstärkte Assistenzen — vom Ulanenregiment Nr. 11 samt einer Einjährig-Freiwilligen-Gruppe — eingriffen und deren Offiziere mit aller Entschiedenheit vorgingen, gelang es, wohl mit zweistündiger Verspätung, die stellenweise noch immer randalierenden Gruppen der Dragoner in die Waggons zu befördern und die Abfahrt durchzuführen. Ihre Rufe, die der Freiheit und der Gemeinsamkeit der Slawen galten, waren noch aus dem abrollenden Zug zu hören 10 ). Die Aktion in Pardubitz zeigte zweifellos auch nationale Ansätze. Das nationale Element im Heer — und dies trifft während des Ersten Weltkrieges vor allem Österreich-Ungarn — vermochte, in primär bürgerlichen Kategorien oppositionellen Verhaltens verankert, allein den revolutionären Akt des Widerstandes, wohl mit Ausnahme der in die „nationale Revolution" mündenden letzten Oktobertage, freilich selten zu setzen oder zu tragen. Am ehesten zeigte sich solches Vorgehen noch im Fall des Polnischen Hilfskorps — Polski Korpus Posilkowy — und seines Ubergangsversuchs auf ukrainisches Territorium vom Februar 1918. Die Ursache: die Empörung über die Abtretung des ') Vgl. Ernst Legahn, Meuterei in der Kaiserlichen Marine (1970); Willi Brüninghaus, Die politische Zersetzung und die Tragödie der deutschen Flotte (1926); Wilhelm Dittmann, Die Marine-Justiz-Morde von 1917 und die Admirals-Rebellion von 1918 (1926); Richard Georg Plaschka, Cattaro-Prag (1963); Ferdo Culinovic, 1918 na Jadranu (Zagreb 1951); Bernard Stulli, Ustanak mornara u Boki Kotorskoj (Split 1959). 10 ) Jan Beränek, Rakousky militarismus a boj proti nemu v Cechäch (Praha 1955) 171 ff.; vgl. Bericht Garnisonsgericht Königgrätz an 9. KK 4. XII. 1912 — KA, MKSM 1912, 28-3/1—2.

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Cholmer Kreises an die Ukraine. Das Ziel der aus der Etappe aufbrechenden polnischen Einheiten — 5000 bis 6000 Mann: die Vereinigung mit den in Rußland gebildeten polnischen Militärformationen. Freilich gelang das Unternehmen nur zu einem Teil, das Gros der Polen wurde von österreichisch-ungarischen Eingreiftruppen umstellt und entwaffnet 1 1 ). Als in nationaler Hinsicht nur bedingt zutreffendes Beispiel läßt sich auch — schon der besonders schwierigen Verhältnisse in ihrem Frontabschnitt und der sozialen Struktur der Mannschaft halber — die beiderseits, vom A O K wie von der Emigration, stark übertriebene Affäre des Überganges von rund 1000 Mann des IR 28 zu Ostern 1915 an der Karpatenfront anführen. National orientiert — von einem tschechischen und einem südslawischen Unteroffizier geführt — war wohl die Uberlaufaktion des Torpedobootes Nr. 11 im Oktober 1917, ebenso der spätere Versuch auf T o r p e d o b o o t Nr. 80 im Mai 1918. Von nationalen Offiziersaktionen ist der mißglückte Versuch einer F r o n t ö f f n u n g des slowenischen Oberleutnants Pivko im Bereich der Heeresgruppe Bozen im Sommer 1917 der bekannteste, eine breitere Mannschaftsbasis allerdings fehlte. Diese breitere Mannschaftsbasis war wohl im Fall der tschechischen, zum Teil auch der südslawischen Legionäre da, deren Frontverkehrung aber erfolgte zum Großteil jenseits der Linien in der Kriegsgefangenschaft. Dennoch gab es auch in der Donaumonarchie, auf der Basis der 1918 herrschenden materiellen Not, neben Cattaro primär klassenkämpferisch motivierte Aktionen, ja ganze Aktionsgruppen der Auflehnung: zum Teil — wie bei den Heimkehrern — geboren aus dem unmittelbaren Erleben der Revolution in Rußland. Die Meutereien der Ersatztruppenkörper des Heeres im Mai und Juni 1918 trugen primär sozialen Charakter, ebenso die als besonders hervorstechend zu nennenden gewaltsamen Überfälle der Arbeiter im Industriebezirk KladnoSchlan im Frühjahr oder die zunehmenden Bandenbildungen vor allem im südslawischen und galizischen Raum im Sommer und Herbst 1918 — Bewegungen, die der T e n d e n z von Lenins „Partisanenkrieg" recht nahe kamen. Die nach 1918 an die Macht gekommenen bürgerlichen und halbautoritären Regierungen der ostmitteleuropäischen Zone der Zwischenkriegszeit, die sich in ihren multinationalen Staaten selbst auf multinationale Armeen angewiesen sahen, erinnerten sich nicht nur dieser sozial und sozialistisch, sondern auch der national bestimmten Widerstandsaktionen eher mit zwiespältigen Gefühlen. Gewandelt schien nun auch die Meinung Lenins. Der Lenin des Jahres 1919 vor allem machte deutlich, auf welcher Ebene nun bewaffnetes Auftreten angemessen sei. Der Übergang von der „Periode des Partisanentums und der spontanen Erhebung zur regulären Armee" sei ein Erfordernis des Zugangs zur

") Vgl. Marian Seyda, Polska na przeiomie dziejöw. Fakty i dokumenty 2 (Poznan 1931) 312 ff.; Michal Bobrzynski, Wskrzeszenie panstwa polskiego 1 (Krakow 1920) 222 ff.; Österreich-Ungarns letzter Krieg 7 (1938) 109 f.

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III. Krisenzeichen im Krieg

M a c h t , denn „die reguläre A r m e e " sei ein „ M e r k m a l der gefestigten M a c h t jeder Klasse, d a r u n t e r " — eben — „auch des Proletariats". M e h r noch: Lenin sprach vom „ P a r t i s a n e n t u m unseligen Angedenkens", von der „ U b e r w i n d u n g des Partisanengeistes" als von der „ M ü d i g k e i t u n d Undiszipliniertheit". Die M e t h o d e n von einst präsentierten sich n u n als „Willkür u n d Raub", die „ d r a u ß e n auf d e m L a n d e " „an der T a g e s o r d n u n g " gewesen seien. U n d schließlich: „Wie das Feuer soll man das Partisanentum, die Eigenmächtigkeit einzelner Abteilungen, den Ungehorsam gegenüber der Zentralgewalt scheuen . . ." 12 ) Die Absage schien ein Bruch. Z w a r nicht den Bruch, aber den W a n d e l f i n d e n wir wenig später abgestützt in jenen T h e s e n , die von Ostasien her über Guerillakrieg u n d Krieg aufgestellt w o r d e n sind — von M a o T s e - t u n g . M a o s Guerillagedanke schließt den Partisanenkrieg Lenins ebenso ein wie er d a r ü b e r hinausgeht. W a s Lenin sichtlich aus wenig a n g e n e h m e r E r f a h r u n g u n d nicht o h n e H e f t i g k e i t schließlich verurteilt, versucht M a o in sein G e s a m t k o n z e p t des kommunistischen Revolutionskrieges miteinzubeziehen u n d e i n z u o r d n e n : im Sinn der stufenweisen Entwicklung u n d des Wachsens dieses Krieges, „von einer kleinen zu g r o ß e r Schlagkraft, von politischer O h n m a c h t z u r E r g r e i f u n g der politischen M a c h t , vom Fehlen einer R o t e n Armee z u r S c h a f f u n g einer R o t e n Armee", grundsätzlich aktiv, offensiv im H a n d e l n , „nicht in b e w a h r e n d e r Bewegungslosigkeit", „notwendigerweise im Angriff" 1 3 ). In diesem R a h m e n bilden die Partisanen o d e r Guerilleros die Ausgangsposition, jedoch o h n e „Verabsolutierung des Guerillagedankens" 1 4 ), vielmehr dem ständigen Bem ü h e n um die Weiterentwicklung ihrer K a m p f f o r m z u m Bewegungskrieg u n d damit in Richtung der regulären Armee u n t e r w o r f e n . Im H ä r t u n g s p r o z e ß des Krieges sollen die Guerillaeinheiten, will die revolutionäre K r i e g s f ü h r u n g durchschlagen, „sich allmählich in reguläre Streitkräfte . . . verwandeln", sie müssen jenes — von Lenin vermißte — „Niveau" erreichen, „das von regulären T r u p p e n verlangt wird", nicht zuletzt in p u n c t o Disziplin: „. . . wir müssen erreichen, d a ß jeder Befehl o h n e Z ö g e r n b e f o l g t und alle Laxheit ausgemerzt wird." 1 5 ) W a s M a o im Sinn der letzten siegreichen Entscheidung, die zwangsläufig im Bewegungskrieg fallen müsse, nicht „verabsolutieren" will, aber unterstreicht er in seiner Bedeutung als entscheidende Aktionsbasis f ü r den zunächst Schwächeren, f ü r den U n t e r d r ü c k t e n , im Klassenkampf, im Revolutionskrieg, auch im nationalen Revolutionskrieg, der zur sozialistischen Zielsetzung die nationale h i n z u f ü g t . D a stellt M a o seine Regeln von den „Guerillazonen" auf, von

•2) u ) ") 15 )

Lenin, Werke 29/280, 399, 438, 545, 30/399. Mao Tse-tung, Vom Kriege (1969) 76. Ebendort 70. Ebendort 171 — 174.

Z u r Motivation im „ P a r t i s a n e n " - und Guerillakrieg

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deren allmählicher U m w a n d l u n g zu gefestigten „Stützpunktgebieten", in denen die revolutionären bewaffneten wie politisch-organisatorischen K r ä f t e sich bereits durchsetzten und in denen vor allem „die M a s s e n aktiviert" werden konnten 1 6 ). U n d dieser Guerillakrieg sollte den Gegner nicht nur in der G ä n z e des R a u m e s treffen, nicht nur in einer möglichst großen geographischen Weite, sondern auch in einer möglichst tiefen Staffelung der eigenen K r ä f t e , mit der totalen Mobilisierung der eigenen zahlenmäßigen Stärke: „Im Verlauf des K a m p f e s müssen wir die Bevölkerung bewaffnen, das heißt örtliche Widerstandstruppen und Guerillaeinheiten organisieren . . . Massenorganisationen s c h a f f e n , . . . die Arbeiter, Bauern, die J u g e n d , die Frauen und Kinder . . . zusammenfassen . . . O h n e organisiert zu sein, kann sich die K r a f t des Volkes n i c h t . . . auswirken." Wer abseits oder gar dagegensteht, hat wenig zu erwarten, auf Freund oder Feind spitzt sich die Frage zu: „. . . müssen wir die offenen und versteckten Verräter ausmerzen . . ," 1 7 ) Kein Zweifel über die H ä r t e solcher Ausgliederung, kein Zweifel auch über die Intensität der Integrationsmaßnahmen — beides eindrucksvolle Elemente einer vielschichtigen Motivation. Ihr agitatorischer Ansatz: die durchgreifende politisch-propagandistische E r f a s s u n g , die politische Mobilisierung durch „stetigen und dynamischen P r o z e ß " , die Einflußnahme „durch das gesprochene Wort, durch Flugblätter und Bulletins, durch Zeitungen, Bücher und Kampfschriften, durch Theaterstücke und Filme, durch Schulen, durch Massenorganisationen und durch unsere K a d e r " . M a o s Ziel: die Mobilisierung der Kriegsenergien in umfassendster Weise — die Totalguerilla als totaler Krieg. D i e gesetzmäßige Folge: „ D i e M o bilisierung des einfachen Volkes im ganzen Land wird einen riesigen O z e a n schaffen, in dem der Feind ertrinken muß . . ." 1 8 ) D i e Bedeutung der politischen Motivation als V o r a u s s e t z u n g solcher Schlagkraft hatte freilich einst schon Clausewitz hervorgehoben: D e r Krieg war schon ihm nicht nur politischer Akt, „sondern ein wahres politisches Instrument", „eine Fortsetzung des politischen Verkehrs" — „die politische Absicht ist der Zweck, der Krieg ist das Mittel" 1 '). Diese politische Absicht, die Motivation für die K ä m p f e n d e n , setzt auch Clausewitz in engste Beziehung zur Durchschlagskraft der Kriegshandlung. W o die politische Motivation versagt, wo sie unklar ist und keine Werbekraft ausstrahlt, dort geraten Krieg und Politik in G e f a h r , verschiedenen Intentionen zu folgen, auseinanderzuklaffen, die Politik tritt als selbständiger, diskutierbarer, verunsichernder Faktor in den Vordergrund: „Je schwächer . . . Motive und Spannungen sind, umso weniger wird die natürliche Richtung des kriegerischen Elements, nämlich die Gewalt,

") 17 ) >») ")

Ebendort Ebendort Ebendort Carl von

158. 161. 232 ff. Clausewitz, vom K r i e g e 1 (1867) 22.

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III. Krisenzeichen im Krieg

in die Linie fallen, welche die Politik gibt, umso mehr muß also der Krieg von seiner natürlichen Richtung abgelenkt werden, umso verschiedener ist der politische Zweck von dem Ziel eines idealen Krieges, umso mehr scheint der Krieg politisch zu werden." 2 0 ) Dem gegenüber stellt Clausewitz die voll engagierende politische Motivation, die dem kriegerischen Handeln Impulse zur höchsten Steigerung verleiht, der Krieg als Ausdruck einer ihn total erfassenden Politik, die zugleich in ihm aufgeht: „Je großartiger und je stärker die Motive des Krieges sind, je mehr sie das ganze Dasein der Völker umfassen, je gewaltsamer die Spannung ist, die dem Kriege vorhergeht, umso mehr wird der Krieg sich seiner abstrakten Gestalt nähern, umso mehr wird es sich um das Niederwerfen des Feindes handeln, umso mehr fallen das kriegerische Ziel und der politische Zweck zusammen, umso reiner kriegerisch, weniger politisch scheint der Krieg zu sein." 21 ) Maos totale Mobilisierung schloß solche „abstrakte Gestalt" des Krieges mit ein. Was das bedeutet, hat mancher Kriegsschauplatz der jüngsten Geschichte unter Beweis gestellt. Ein sprechendes Beispiel: der Bericht von Marc E. Geneste, eines französischen Oberstleutnants im Indochinakrieg. In ganzer Schärfe zeigt er den Verlust der Fähigkeit der Franzosen auf, diesen Krieg im Hinblick auf politische Motivation, Taktik und Strategie bestimmend zu führen — ein den Thesen Maos korrespondierendes Dokument der Niederlage. Die politische Mobilisierung des Gegners: „Innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges tauchten in dem kleinen indochinesischen Dorf, in dem meine Einheit. . . stationiert wurde, Bilder kommunistischer Führer und antifranzösische Parolen auf. Heute ist der ganze Dschungel unterminiert. Irgend jemand aus dem Ausland hat diesen Leuten ein Ideal gegeben, etwas, wofür man kämpfen kann, und ihnen ein besseres Leben versprochen . . ." Dazu der Ubergang der Fähigkeit, die Spielregeln des Krieges zu bestimmen, der Taktik und Strategie, auf den Gegner: „. . . ein seltsamer Kampf. Wir haben keine greifbaren Ziele, und doch wissen w i r . . ., daß der Feind da ist. Am Morgen finden wir unsere Freunde ermordet, ihre Häuser niedergebrannt. Wagenkolonnen geraten in einen Hinterhalt, Soldaten werden in den Rücken geschossen. Tellerminen liegen auf den Straßen, und hier und da explodieren Bomben . . ." Die daraus resultierende Unsicherheit: „Verwirrend ist nur die Art und Weise, wie wir . . . zu kämpfen gezwungen werden." Die nächste Folgerung: „Wir werden durch die Kriegsregeln gelähmt." Dazu die Erkenntnis der Vergeblichkeit: „Unsere Flugzeuge (die anderen besitzen keine) haben die absolute Luftherrschaft. Unsere Flotte (die anderen besitzen keine) beherrscht das Meer. Unsere Panzer, unsere Bewaffnung und unser technisches Können haben keinen gleichwertigen Gegner. Dieses Material, diese militäri2°)

Ebendort 23. ") Ebendort 22 f.

Z u r Motivation im „Partisanen"- und Guerillakrieg

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sehe Stärke — alles scheint nutzlos . . ." Schließlich Maos Ozean: „Kommen wir im Dschungel an, ist der Feind jedes Mal verschwunden, oder er hat sich unter die Bevölkerung gemischt" und „Hier ist jeder ein Kämpfer ohne Unif o r m " und „Wir haben alles besetzt, und doch ist der Feind überall". Die Mobilisierung im Detail: „Die Organisation der Vietminh hat jedes Dorf zu einer militärisch geschlossenen Einheit geformt, zu einem autarken kleinen Kriegsschauplatz mit eigenen Zellen, eigenem politischem Kommissar, eigenem Steuereinnehmer und eigenem Nachschubsystem." In dieser ausweglosen Situation die Flucht nach vorn, die Empfehlung des Angriffs auf die Zivilbevölkerung: „Keine Armee könnte mit solchen Methoden ohne Rückgriff auf die alte M e t h o d e der Repressalien fertig werden." Als letzte Konsequenz des Franzosen — dort angelangt, wo ihn der Gegner haben will, zermürbt, sich in einem „verlorenen H a u f e n " , jedenfalls auf verlorenem Posten fühlend — die Reverenz vor dem Sieger: „Mit modernen W a f f e n kann man Land erobern; die Kommunisten aber erobern Menschen." 2 2 ) Das Beispiel Genestes — es ließe sich in seinen prinzipiellen Formen durch Entwicklungen im und nach dem Zweiten Weltkrieg ergänzen — macht die Hilflosigkeit des Westens gegenüber dem auf totale Mobilisierung abzielenden Guerillakrieg besonders deutlich. Kaum vorstellbar, daß tragende Gruppen der Wohlstandsgesellschaft solcher Mobilisierung fähig sind. Aber wo in der Welt in solcher Radikalität überhaupt vermittlungsfähige Klassen- und Befreiungsziele Motivationen ähnlicher Intensität herbeiführen und entgegenstehende und entgegengestellte Leitbilder ähnlich wirkungslos bleiben, wo der Glaube an eine Idee wirkt, wo günstige geographische Umstände und begünstigend Unterstützung von auswärts hinzukommen, dort wird der Kämpfer in der Auflehnung nicht ganz ohne Grund die Bestätigung jener Thesen erwarten, die ihm den Sieg verheißen. " ) M a r c E. Geneste, Guerillakriegsführung (ed. Franklin M a r k Osanka, Der Krieg aus dem Dunkel, 1963, 3 5 6 - 3 6 0 ) .

IV. GRENZÜBERGREIFENDE WISSENSCHAFT UND NEUORIENTIERUNG

D E R BEITRAG Ö S T E R R E I C H S Z U R S L A V I S C H E N BALKANFORSCHUNG

Im Hinblick auf die Zielsetzung der Konferenz „Die Slavischen Kulturen und der Balkan" soll ein wesentlicher Beitragskomplex, den Wissenschafter aus dem Bereiche Österreichs zur Erforschung der Slaven des Balkans geleistet haben, in Erinnerung gerufen werden. Die Balkanforschung sehen wir dabei im breiteren Rahmen Südosteuropas. Um den Bogen der gegebenen Möglichkeiten nicht zu überspannen, sei es gestattet, sich auf zwei Zentren der Balkanforschung in Österreich und auf zwei Fachbereiche zu beschränken: auf die Slavistik und auf die südosteuropäische Geschichte in den Universitätsstädten Wien und Graz. Wurzeln f ü r die Auseinandersetzung österreichischer Gelehrter mit dem Balkan, f ü r die Beschäftigung mit den Balkanslaven, werden wohl mehrfach anzunehmen sein: — zunächst die Konfrontation der Habsburgermonarchie mit dem Osmanischen Reich; — dann das Interesse am Schicksal der christlichen Balkanslaven, deren Konationale ja zum Teil auch auf dem Territorium der Monarchie lebten; — schließlich das Interesse an den Bindungen und Verbindungen zu einer Nachbarzone überhaupt, wie sie der Balkan f ü r Osterreich darstellte und darstellt. Konkrete Ansatzpunkte f ü r dieses potentielle und latente Interesse boten sich gleichfalls mehrfach an: 1. Als Basis der sprachwissenschaftlichen und literarischen Untersuchung der slavischen Sprachen zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Sinne Herders ist wohl die Einführung des slavischen Sprachunterrichtes an den höheren Offiziers- und Beamtenschulen unter Maria Theresia anzusehen. Zwar stand dort zunächst das Tschechische im Vordergrund, später kam aber auch das Südslavische dazu — vornehmlich das Slovenische. Im weiteren ist das Platzgreifen des Sprachunterrichts auch an Mittelschulen und an den Universitäten (Slovenisch an der Universität Graz seit 1811, am Lyzeum des Joanneums seit 1812) festzustellen. 2. Der reiche Bestand der Wiener Hofbibliothek an osmanischen und an slavischen U r k u n d e n und Sprachdenkmälern bot nicht zuletzt dem wissenschaftlichen Beamtenstand der Bibliothek Möglichkeit und Anreiz, sich mit diesen D o kumenten zu beschäftigen.

D e r Beitrag Österreichs z u r slavischen B a l k a n f o r s c h u n g

395

3. Aus dem Interesse für das Osmanische Reich im allgemeinen — es sei in diesem Z u s a m m e n h a n g auf die aus der unter Maria Theresia gegründeten „Orientalischen A k a d e m i e " hervorgegangen Männer wie J o s e p h Freiherr von H a m m e r - P u r g s t a l l , Anton G r a f von Prokesch-Osten und Alois von K r e m m e r hingewiesen — entwickelte sich organisch auch die Beschäftigung mit Geschichte und Kultur der Balkanvölker.

I. D I E Z E I T BIS ZUM ZUSAMMENBRUCH DER DONAUMONARCHIE

Zunächst ein Blick auf das Zentrum des Reiches, nach Wien: A. Die H o f b i b l i o t h e k in Wien sollte es sein, aus deren Bereich der erste Anstoß zur konkreten Balkanforschung hervorging. Bartolomäus Kopitar (1780—1844), ein Slovene aus Oberkrain und seit 1810 in der Hofbibliothek tätig, ein Freund und Schüler des tschechischen Slavisten J o s e f Dobrovsky, legte mit seiner „ G r a m m a t i k der slavischen Sprache in Krain, Kärnten und Steiermark" (Laibach 1808) und mit seinen weiteren Beiträgen den ersten Grundstein zur wissenschaftlichen E r f o r s c h u n g der slavischen Sprachen. 1844 trat ein anderer Slovene in den Dienst der Hofbibliothek: der aus der damaligen Untersteiermark stammende Franz von Miklosich (1813—1891), ein Schüler von Kopitar. Als im Zuge der Thun'schen Hochschulreform zwei slavistische Lehrstühle geschaffen wurden, erhielt im J a h r e 1849 Miklosich den für slavische Philologie an der Universität Wien. Mit Miklosich beginnt die vergleichende Sprachforschung. Er wollte durch eine historisch-vergleichende Erforschung der Gesamtheit der alten und modernen slavischen Sprachen in ihrem grammatikalischen System und ihrem lexikalischen Bestand das Fundament für ein G e b ä u d e der slavischen Sprachwissenschaften legen: „Vergleichende G r a m matik der slavischen Sprachen", 4 Bände (Wien 1852). N e b e n ethnographischen Studien und Untersuchungen zur südslavischen Volkspoesie seien seine bedeutenden Editionen aus dem Bereich Sprache und Geschichte der Südslaven und seine altkirchenslavischen Forschungen hervorgehoben. Er war der Begründer der sogenannten „Wiener Schule" der slavischen Philologie und z o g viele Südslaven, Tschechen und Polen als H ö r e r an. Einer seiner Schüler, der K r o a t e Vatroslav J a g i c (1838 —1923), wurde 1886 auch sein N a c h f o l g e r an der Universität Wien und gleichzeitig der Gründer des „Seminars für slavische Philologie". Ursprünglich als klassischer Philologe ausgebildet, erwarb er sich sein slavistisches D o k t o r a t in Leipzig, hatte allerdings auch bei Miklosich Vorlesungen gehört. Er publizierte grundlegende Arbeiten auf dem Gebiete der altkirchenslavischen Literatur: „ Z u r Entstehungsgeschichte der kirchenslavischen Sprache" (Wien 1900), der älteren slavischen Einzelliteraturen, edierte älteste slavische Sprachdenkmäler und beschäftigte sich mit der slavischen Syntax, der vergleichenden Lautlehre, mit der Ge-

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

schichte der südslavischen Volksepik und vor allem mit dem Problem der Glagolica: „Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente" (1890); „Vopros o runach u Slavjan i Glagoliceskoe pis'mo u Slavjan" (1911). Jagic hob besonders die Notwendigkeit der Beschäftigung mit der Geschichte der Slaven, vor allem der Südslaven, hervor. Im Jahre 1893 erwirkte Jagic die Berufung des in Wien geborenen Tschechen Josef Konstantin Jirecek (1854—1918) als Professor für slavische Philologie mit besonderer Berücksichtigung der Hilfswissenschaften (Archäologie, Geschichte, Ethnographie) nach Wien. Bereits im Jahre 1876 war in Prag Jireceks Dissertation „Geschichte der Bulgaren" in deutsch und in tschechisch erschienen. Er erwarb sich durch dieses Werk bei den damals um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Bulgaren begeisterte Anerkennung. Ein Jahr später habilitierte er sich in Prag und reiste anschließend nach Dubrovnik, wo er reiches Material zur Geschichte Serbiens und Bosniens zusammentrug. Uber Vermittlung von Professor Marin Drinov (Charkov) trat er in bulgarische Dienste, wurde Präsident des Unterrichtsrates, Direktor der Nationalbibliothek und schließlich 1882 Unterrichtsminister. Ab 1884 war er an der Prager Universitiät als „Ordinarius für Allgemeine Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Slaven auf der Balkanhalbinsel" tätig. Bald sollte Jirecek eine Schlüsselposition bei der Errichtung einer Forschungsstätte für osteuropäische Geschichte einnehmen. Mit Erlaß des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 14. August 1907 wurde ab Wintersemester 1907/08 ein „Seminar für osteuropäische Geschichte" an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien eingerichtet. Professor Jirecek wurde zum provisorischen Leiter bestellt. Privatdozent Dr. Hans Uebersberger wurde mit der Aufstellung der Bil'basovschen Bibliothek, die den Grundstock der reichhaltigen Büchersammlung des Instituts bilden sollte und ein Geschenk des Fürsten Liechtenstein war, und mit der Abhaltung zweier Kollegs über russische und polnische Geschichte betraut. Jireceks Hauptinteresse galt nun der serbischen und ragusanischen Vergangenheit. Es entstand seine „Geschichte Serbiens" (Gotha 1911), als weitere Monographie „Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien. Studien zur Kulturgeschichte des 13. bis 15. Jahrhunderts" (Wien 1912—1914) und schließlich Abhandlungen zu den Archiven in Dalmatien, zur Bedeutung Dubrovniks in der Handelsgeschichte des Mittelalters und über das Gesetzbuch des Stefan Duäan. Jagics Nachfolge an der Universität Wien trat 1908 Milan Resetar (1860—1942) an, der sich vornehmlich der südslavischen Dialektologie, besonders serbokroatischen Cakavstina, und der Erforschung des serbokroatischen Akzents annahm. Ferner seien seine Editionen ragusanischer Dichter erwähnt. Nach dem Tode Jireceks und dem Abgang ReSetars kam es zu einer Krise der Wiener Slavistik. Viele Lehrer und Schüler gingen an die Universitäten in

Der Beitrag Österreichs zur slavischen Balkanforschung

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Prag (Praha), Brünn (Brno), Agram (Zagreb), Belgrad (Beograd) und Laibach (Ljubljana); die Hörerfrequenz ging rapid zurück. Die Frage der Kontinuität sollte sich stellen. B. Inzwischen aber ein Blick zur Entwicklung unseres zweiten Zentrums — Graz: Zum ersten Professor am „Seminar für slavische Philologie" in Graz wurde im Jahre 1871 der Slovene Gregor Krek (1840—1905) berufen. Er beschäftigte sich zwar nur peripher mit südosteuropäischen Problemen. Im historischen Teil seines Hauptwerkes „Einleitung in die slavische Literaturgeschichte" (Graz 1874) setzte er sich allerdings auch mit der Frage der slavischen Besiedlung der Balkanhalbinsel auseinander. Seine diesbezüglichen Ansichten sind zwar schon längst überholt; wertvoll sind jedoch seine reichhaltigen Literaturangaben, Zitate aus byzantinischen und orientalischen Quellen. Überdies sei noch auf seinen Beitrag zur vergleichenden Motivforschung hingewiesen. Nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß darin die Interdependenz zwischen den slavischen Literaturen mit der Literatur der mitteleuropäischen und balkanischen nichtslavischen Nachbarn hergestellt wird. Bei Krek habilitierte sich 1893 ein Jagic-Schüler: Vatroslav Oblak (1864—1896). Sein Hauptverdienst ist es zweifellos, die Auffassung von Miklosich über den pannonischen Ursprung des Altkirchenslavischen („Altslovenischen") widerlegt zu haben. Oblak wies nach, daß die Dialektbasis des Altkirchenslavischen in Südmazedonien zu suchen ist. Der Plan einer umfangreichen Monographie wurde in seinen „Macedonischen Studien" über die Standortbestimmung der mazedonischen Dialekte nur zum Teil realisiert. Er konnte sein Lebenswerk nicht beenden. Sein früher T o d verhinderte auch seine für 1896 vorgesehene Ernennung zum a. o. Prof. für „Slavische Philologie mit besonderer Berücksichtigung der slovenischen Sprache und Literatur". Auf die für Oblak errichtete Lehrkanzel für Slovenistik wurde im Jahre 1896 Karl Strekelj (1859—1912) berufen, ein Schüler von Miklosich. Sein Hauptarbeitsgebiet auf dem Felde der Balkanistik waren seine wortgeschichtlichen Forschungen zum romanischen und ungarischen Lehngut im Slavischen sowie auch zum slavischen Lehngut im Friaulischen und Venezianischen. Als Nachfolger Kreks übernahm im Jahre 1902 Matija Murko (1861 — 1951) dessen Lehrstuhl. Sein vornehmliches Interesse galt der Erforschung der südslavischen Literatur-, Geistes- und Kulturgeschichte. Murkos „Geschichte der älteren südslavischen Literatur" (Leipzig 1908) kann als die erste nichtromantische synthetische Darstellung des mittelalterlichen Schrifttums in Bulgarien, Serbien, Kroatien und Bosnien bezeichnet werden. Er beschäftigte sich auch intensiv mit ethnographischen Fragen und war einer der Begründer der sogenannten „Wörter- und Sachen-Schule". Bahnbrechend erwies sich Murko — auch vom wissenschaftsgeschichtlichen Standpunkt aus — in der Erforschung der Volksepik in Bosnien und der Hercegovina. Durch die Ergebnisse seiner

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Reisen mit Photoapparat und Phonograph vermittelte er wohl die ersten realen und plastisch-akustischen Vorstellungen vom epischen Sänger. Rajko Nachtigall (1877—1958) wurde 1912 zum Nachfolger Strekeljs nach Graz berufen. Er beschäftigte sich vornehmlich mit Problemen der albanischen Sprache. Im Kontakt mit Georg Pekmezi, dem er 1908 bei der Abfassung von dessen albanischer Grammatik behilflich war, und über dessen Vermittlung untersuchte er im Jahre 1917 den Dialekt von Elbasan im Hinblick auf seine Eignung als Basis einer albanischen Schriftsprache. Ahnlich wie in Wien — Folge des Ersten Weltkrieges auf wissenschaftspolitischem Gebiet — ging 1918 die erste Blüte der Grazer slavistischen Schule zu Ende. Murko ging nach Leipzig, Nachtigall nach Ljubljana. Die politisch bedingte Krise der österreichischen Balkanforschung als Rückwirkung des Zusammenbruchs der österreichisch-ungarischen Monarchie läßt sich aus der Situation an den relevanten Universitätsinstituten in Wien und Graz ablesen. Es sei aber gestattet, noch drei markante Entwicklungsmomente der Balkanforschung an diesen beiden Universitäten aus der Zeit der Donaumonarchie zusammenfassend hervorzuheben: 1. Die ersten Vertreter der slavischen Balkanforschung im deutschen Bereich Österreich-Ungarns waren Tschechen, Slovenen, Kroaten. 2. Sie setzten sich trotz aller Probleme in nationalitätenpolitischer Hinsicht im Rahmen der kulturellen Kommunikation im Staat auch an den Universitäten durch. Dazu nur ein Beispiel: Auf Vorschlag des Kroaten Vatroslav Jagic, der Schüler des Slovenen Miklosich war, wurde im Jahre 1893 der Tscheche Konstantin Jirecek nach Wien berufen und sollte hier — nachdem er bereits in Prag seine „Geschichte der Bulgaren" abgeschlossen hatte — seine „Geschichte der Serben" vollenden. 3. Im Rahmen der wissenschaftlichen Kommunikation zeigten sich Ansätze wechselseitiger fruchtbarer Zusammenarbeit einerseits der Slavisten untereinander, andererseits der Slavisten mit Vertretern der philologischen Nachbardisziplinen — ein Phänomen, das später für die Frage der Kontinuität der österreichischen Balkanforschung eine nicht unbedeutende Rolle spielen sollte. Daß die Mehrzahl dieser slavischen Slavisten in Wien und Graz zu einer Bedeutung gelangte, die weit über die Grenzen der Monarchie hinausreichte, sei abschließend erwähnt.

II. D I E ZWISCHENKRIEGSZEIT UND DER ZWEITE WELTKRIEG

Der Neubeginn bzw. die Fortsetzung nach 1918 sollte in Wien wie in Graz mit nicht unbedeutenden Schwierigkeiten verbunden sein. A. Wien: Erst im Jahre 1922 übernahm der junge emigrierte Privatdozent der Univer-

Der Beitrag Österreichs zur slavischen Balkanforschung

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sität Moskau, Nikolaj Sergeevic T r u b e t z k o y (1890—1938) den Lehrstuhl von Jagic an der Wiener Universität. Er schuf im Geist einer strukturell-funktionellen Sprachbetrachtung den Begriff der „Phonologie" als Forschungsrichtung. Er betrachtete die Sprachlaute als Phoneme und griff zu systematischen Formanalysen in der Literaturwissenschaft. Hervorzuheben bleibt noch seine geschichtsphilosophische Position im Rahmen der Kulturgeschichte: Er faßte Russland als eurasischen Zwischenkontinent auf. In der Nachfolge Trubetzkoys wurde 1939 eine Lehrkanzel f ü r slavische Literatur- und Kulturkunde geschaffen, im Jahre 1940 der alte Lehrstuhl mit Ferdinand Liewehr (1896—) besetzt. Rudolf Jagoditsch (1882 geboren), der 1939 auf die neugeschaffene Lehrkanzel berufen wurde, erhielt auch 1945 von der österreichischen Regierung den Auftrag, die Slavistik neu aufzubauen. H a n s Uebersberger (1877 —1962), seit 1915 ordentlicher Professor f ü r osteuropäische Geschichte an der Universität Wien (mit den Schwerpunkten: Rußland und Polen), legte zur Geschichte der Balkanländer vor allem zwei große Arbeiten vor: die Edition „Österreich-Ungarns Aussenpolitik von der bosnischen Krise bis zum Kriegsausbruch 1914. Diplomatische Aktenstücke des österreichisch-ungarischen Ministeriums des Äußeren", 8 Bände (Wien Leipzig 1930), zusammen mit L. Bittner, A. F. Pribram und H . Srbik; und die Monographie: „Osterreich zwischen Rußland und Serbien. Zur südslawischen Frage und der Entstehung des Ersten Weltkrieges" (Köln - Graz 1958). 1921 konnte Uebersberger die Berufung des bedeutenden Balkanologen Carl Patsch (1865—1945) auf die Lehrkanzel Jireceks als Professor f ü r slavische Geschichte und Altertumskunde erwirken. Patsch war in jungen Jahren als Kustos des bosnisch-hercegovinischen Landesmuseums in Sarajevo tätig gewesen. Er hatte sich schon damals der archäologisch-landesgeschichtlichen Erforschung des Nordwestbalkans gewidmet. Nach seiner Berufung wurde Patsch ein „Institut f ü r Balkankunde" zur Verfügung gestellt. Seine „Beiträge zur Völkerkunde von Südosteuropa" sind 1925, 1928, 1933 und 1937 in den Sitzungsberichten der philosophisch-historischen Klasse der Wiener Akademie erschienen. Die Lehrkanzel f ü r osteuropäische Geschichte hatte nach dem Abgang Uebersbergers nach Breslau im Jahre 1934 Martin Winkler (1893—) übernommen, 1938 erhielt sie H a n s Koch (1894—). Beide waren in erster Linie f ü r Rußland zuständig, letzterer f ü r russische Geistes- und Kirchengeschichte. Alois H a j e k (1889—), Mitvorstand des Seminars f ü r osteuropäische Geschichte von 1939—1945 (Lehrkanzel f ü r südosteuropäische Geschichte), war Fachmann f ü r Bulgarien, wie aus seinen Werken: „Bulgarien unter der T ü r k e n herrschaft" (Stuttgart/Berlin/Leipzig 1925) und „Bulgariens Befreiung und staatliche Entwicklung unter seinen ersten Fürsten" (München/Berlin 1939) hervorgeht. B. N u n dürfen wir uns wieder Graz zuwenden: Erst im Jahre 1923 trat ein Vasmer-Schüler die Nachfolge Nachtigalls an:

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Heinrich Felix Schmid (1896—1963). Von Schmids südosteuropäischen Arbeiten, sein Hauptinteresse galt damals dem Westslavischen, dürfen hervorgehoben werden: „Die Grundzüge und Grundlagen der Entwicklung des kirchlichen Zehntrechtes auf kroatischem Boden während des Mittelalters" in: Sisicev Zbornik (Zagreb 1929) und der südslavische Abschnitt von „Die Burgbezirksverfassung bei den slavischen Völkern in ihrer Bedeutung für die Geschichte ihrer Siedlung und ihrer staatlichen Organisation" in: Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven, N. F. (1926). Der Großteil von Schmids Arbeiten zu Südosteuropa entstand allerdings erst in seiner Wiener Zeit ab 1947. 1938 wurde er von der Grazer Universität relegiert. Bernd von Arnim (1889—1946), ein van Wijk-Schüler, wurde im Jahre 1941 mit der Vertretung des Grazer Lehrstuhles betraut. Sein Interesse galt dem Proto-, Alt- und Neubulgarischen in philologischer, etymologischer und lautgeschichtlicher Hinsicht, vor allem unter besonderer Berücksichtigung der Turksprachen. Ab 1944 wurde Arnim zusätzlich mit der Leitung einer Lehrkanzel für Bulgarisch an der Universität Wien beauftragt. An seinem Todestag 1946 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt.

I I I . D I E ANFANGSPHASE NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG

Nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges konnte in der wissenschaftlichen Erforschung des Balkans ein vom Ansatz her neuer Beginn gesetzt werden. Es war der Forschung zwar in der Zwischenkriegszeit und während des Weltkrieges gelungen, eine gewisse Kontinuität zu wahren. Diese Kontinuität wieder aufzunehmen und weiterzuführen, sollte nun die vordringlichste Aufgabe sein. Drei Männer stellten die erste Generation, die mit dieser Aufgabe betraut wurde: A. in Wien: Rudolf Jagoditsch (geboren 1892) am Wiener Institut für slavische Philologie, der die Wiener Slavistik von 1945 bis 1961 als alleiniger Lehrstuhlinhaber vertrat. Ihm ist Neuaufbau und personelle Aufstockung des Instituts zu verdanken. Heinrich Felix Schmid nahm 1947 den Ruf nach Wien an. Er wurde Vorstand des 1956 in „Institut für osteuropäische Geschichte und Südostforschung" umbenannten Seminars. In seiner Wiener Zeit widmete er sein wissenschaftliches Interesse in erster Linie Fragen der Rechts- und Kirchenrechtsgeschichte sowie der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der slavischen Völker im Mittelalter. Die breite Palette seiner Beiträge zur südosteuropäischen Geschichte umfaßt unter anderem: Dalmatinische Stadtbücher; Die Bedeutung des österreichischen Bildungswesen für Ost- und Südosteuropa; Die kirchenslavischen Urkunden auf kroatischem Boden.

D e r Beitrag Österreichs zur slavischen Balkanforschung

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B. Graz: In Graz wurde 1948 Josef Marl (1897—1974) Nachfolger H . F. Schmids. Sein Hauptarbeitsgebiet stellte Südosteuropa dar, vor allem die vergleichende südslavische Literatur-, Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Seine wesentlichsten Beiträge erschienen in den Sammelbänden: „Europa und die Slaven" (Wiesbaden 1964), „Die Kultur der Südslaven" (Frankfurt 1966) und „Südslavische Studien" (München 1965). Auf Anregung Matls werden seit 1964 in der Steiermark regelmäßig „Grazer Balkanologentagungen" veranstaltet, an denen Volkskundler und Philologen aus dem In- und Ausland teilnehmen. In die Zeit des Wirkens dieser drei Wissenschaftler — schon in Zusammenarbeit mit der nächsten Generation — fällt auch die G r ü n d u n g der heute in Wien und Graz bestehenden Zeitschriften und Buchreihen, die sich nicht zuletzt mit Sprache und Geschichte Südosteuropas befassen: „Wiener Slavistisches Jahrbuch" (Wien 1950 ff.); „Wiener Archiv f ü r die Geschichte des Slawentums und Osteuropas" (Wien 1955 ff.); „Veröffentlichung des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts (Wien 1959); „Österreichische Osthefte (Wien 1959 ff.); „Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und SüdosteuropaInstituts (Wien 1967 ff.); „Anzeiger f ü r slavische Philologie" (Graz 1966 ff.) und „Zur Kunde Südosteuropas" (Graz 1972 ff.). Abschließend sei festgestellt, daß es in Wien und Graz außer den genannten Wissenschaftern auch eine ganze Reihe von Historikern-Byzantinisten gab, die sich mit den Slaven auf dem Balkan beschäftigt haben. Es m u ß daher hier festgehalten werden, daß es sich bei diesem Uberblick keineswegs um eine taxative Gesamtaufzählung — dies gilt auch f ü r die Arbeiten der Vertreter der genannten Disziplinen — handeln kann.

ZWEI HISTORISCHE MODELLE JUGOSLAWISCH-ÖSTERREICHISCHEN ZUSAMMENWIRKENS IN DER WISSENSCHAFT

Z U R ENTFALTUNG DER SLAWISTIK IN W I E N UND G R A Z UND ZUR JUGOSLAWISCHEN HISTORIOGRAPHIE ÜBER DIE FRANZISKO-JOSEPHINISCHE ZEIT

Gestatten Sie, daß ich mit einigen Worten an unsere jugoslawischen Gäste beginne: Mnogo postovane gospodje i gospodo! Dozvolite da Vas pozdravim na Vasem lepom maternjem jeziku. Nadam se da ce nas zajednicki boravak ovde i naSi razgovori, s obzirom na to da pokusavamo da rascistimo pitanja proSlosti, biti dobar korak u daljnjim naucnim odnosima izmedju nasih driava, a takodjer i u savremenim odnosima. (Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich Sie in Ihrer schönen Muttersprache begrüße. Ich hoffe, daß unser gemeinsamer Aufenthalt hier und unsere Gespräche im Hinblick auf unser Bemühen, Fragen der Vergangenheit zu klären, ein guter Schritt in den wissenschaftlichen Beziehungen unserer Staaten und darüber hinaus auch unserer Gegenwartsbeziehungen sein werden.) Meine Damen und Herren! Wir sind hier zusammengekommen, um Fragen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu beraten und zu prüfen. Im Falle der Aufnahme eines solchen Zusammenwirkens ist es in der ersten Stufe ebenso angezeigt wie legitim, und das sei mir erlaubt, einen Blick auf den Partner zu werfen. Und ich nehme es vorweg, daß wir von Osterreich her diesen Blick auf den Partner in mehrfacher Hinsicht mit unserem Respekt zu verbinden haben, ja mit unserem Dank. Es sei mir gestattet, in dieser Sicht zwei Forschungsbereiche in Erinnerung zu rufen. Erstens, einen Bereich in Wien und Graz vor dem Ersten Weltkrieg: ein Abschnitt österreichischer Wissenschaftsgeschichte, der wesentlich vom südslawischen Partner her getragen worden ist, die Slawistik — ein Beispiel für die Gemeinsamkeit in den Forscherpersönlichkeiten; und zweitens eine kurze Erinnerung an den Beitrag unserer Partner zur franzisko-josephinischen Epoche, d. h. zu der Epoche, die Gegenstand unserer Konferenz ist — ein Beispiel für die Gemeinsamkeit im Forschungsobjekt.

Zwei historische M o d e l l e

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GEMEINSAMKEIT IN DEN FORSCHERPERSÖNLICHKEITEN: ZUR ENTFALTUNG DER SLAWISTIK IN WIEN UND GRAZ

Wählen wir Wien als Ausgangspunkt. Wer an der Wiener Universität den Weg durch die Aula zur Philosophenstiege nimmt, der findet auf einer Marmor-Ehrentafel der Fakultät drei Namen: Kopitar, Miklosich und Jagic. Diese Namen seien hier an die Spitze gestellt. Sie stehen gut f ü r einen wichtigen gemeinsamen Ansatz in unserer Wissenschaftsgeschichte — f ü r ein erstes wesentliches Feld des Zusammenwirkens 1 ). Wir denken an Bartholomäus Kopitar, den Slowenen aus Oberkrain, seit 1810 an der Wiener Hofbibliothek, den Freund Dobrovskys. Kopitars Arbeiten waren ein Grundstein der wissenschaftlichen Erforschung der slawischen Sprachen. Es sei nur die „Grammatik der Slavischen Sprache in Krain, Kärnten und Steyermark" — noch vor dem Eintritt in die Hofbibliothek erschienen — erwähnt 2 ). Auch Vuk Karadzic hat er bei der Kodifizierung der neuen serbischen Schriftsprache tiefgreifend unterstützt und durch seine Aufsätze und Ubersetzungen der serbischen Volksdichtung deren Weg auf die europäische Ebene entscheidend mitgebahnt. Eine Persönlichkeit von klarem Standpunkt, verstand Kopitar diese seine Auffassung auch mit Nachdruck zu vertreten: Seinem Freund und Lehrer D o brovsky in Prag stand er im anlaufenden Handschriftenkampf als Mitstreiter nachdrücklich zur Seite. Mehr noch, Kopitar war derjenige, der schon in dieser ersten Phase der Auseinandersetzung auch selbst die Echtheit der Königinhofer Handschrift angezweifelt hat. Wir denken an den Schüler Kopitars, einen weiteren Slowenen, der 1844 in den Dienst der Hofbibliothek trat, Franz von Miklosich. 1849 erhielt er den Lehrstuhl f ü r slawische Philologie an der Universität Wien. Mit ihm begann die vergleichende Sprachforschung in diesem Bereich: Mit seiner historisch-vergleichenden Erforschung der Gesamtheit der alten und modernen slawischen Sprachen in ihrem grammatikalischen System und ihrem lexikalischen Bestand sollte ein Fundament f ü r das Gebäude der slawischen Sprachwissenschaften gelegt werden. Wir kennen die gewaltige Arbeitsleistung Miklosichs: die vierbändige „Vergleichende Grammatik der slawischen Sprachen", die ethnographischen Studien und Untersuchungen zur südslawischen Volkspoesie, die grundlegenden Arbeiten zur wissenschaftlichen slawischen Namenkunde, die Edition zur

') Vgl. R u d o l f Jagoditsch, D i e Lehrkanzel für slavische P h i l o l o g i e an der Universität W i e n 1 8 4 9 — 1 9 4 9 . In: W i e n e r Slavistisches Jahrbuch 1 (1950) 1 — 52. 2 ) B a r t h o l o m ä u s Kopitar, Grammatik der Slavischen Sprache in Krain, Kärnten und Steyermark (Laibach 1808). Vgl. zu Kopitar: Enciklopedija Jugoslavije 5 (Zagreb 1962) 307 f.; Österreichisches Biographisches Lexikon 1815 — 1950, 4 (Graz - K ö l n 1969) 116 f.

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Sprache und Geschichte der Südslawen, die altkirchenslawischen Forschungen 3 ). Miklosich war der Begründer der „Wiener Schule" der slawischen Philologie. Und ein Blick auf die Studenten: Es war eine beachtliche Zahl südslawischer Hörer, die gerade er in Wien angezogen hat. Und nochmals ein Schüler, ein Kroate: Vatroslav Jagic. 1886 wurde Jagic Miklosichs Nachfolger an der Wiener Universität und gleichzeitig der Gründer des „Seminars für slawische Philologie". Jagi6 veröffentlichte grundlegende Arbeiten auf dem Gebiet der altkirchenslawischen Literatur, so „Zur Entstehungsgeschichte der kirchenslavischen Sprache" 4 ). Ebenso publizierte er Arbeiten der älteren slawischen Einzelliteraturen, er edierte älteste slawische Sprachdenkmäler, er befaßte sich mit der slawischen Syntax, mit der vergleichenden Lautlehre, mit der Glagolica, mit der Geschichte der südslawischen Volksepik, mit der Geschichte der Slawistik, und er gab darüber hinaus Impulse, die in unser Fach zielen: Immer wieder wies Jagic auf die Notwendigkeit der Beschäftigung mit der Geschichte der Slawen hin — vor allem der Südslawen. Ein zweiter bedeutender Ausgangspunkt der Slawistik war Graz 5 ). Zum ersten Professor am „Seminar für slawische Philologie" wurde im Jahre 1871 auch hier ein Slowene berufen: Gregor Krek. Im historischen Teil seines Hauptwerkes „Einleitung in die slavische Literaturgeschichte" setzte sich Krek nicht zuletzt mit der slawischen Besiedlung der Balkanhalbinsel auseinander 6 ). Für eine zweite slawistische Lehrkanzel in Graz mit slowenischem Schwerpunkt tauchten erneut Südslawen als Kandidaten bzw. Inhaber auf: die Slowenen Vatroslav Oblak und Karel Strekelj. Der Nachfolger Kreks war Matija Murko, ebenfalls Slowene. Murkos Hauptleistung galt der Erforschung der südslawischen Literatur-, Geistes- und Kulturgeschichte. Seine „Geschichte der älteren südslawischen Litteraturen" kann als die erste nicht-romantische synthetische Darstellung des mittelalterlichen Schrifttums in Serbien, Kroatien, Bosnien und Bulgarien bezeichnet J ) Franz von Miklosich, Vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen, 4 Bde. (Wien 1852—1875). Vgl. zu Miklosich: Enciklopedija Jugoslavije 6 (Zagreb 1965) 104 f.; Österreichisches Biographisches Lexikon 6 (Wien 1974) 281 f. 4 ) Vatroslav Jagic, Zur Entstehungsgeschichte der kirchenslavischen Sprache (Wien 1900). Vgl. zu Jagic: Enciklopedija Jugoslavije 4 (Zagreb 1960) 443—445; Österreichisches Biographisches Lexikon 3 (Graz—Köln 1965) 59 f. 5 ) Vgl. Josef Matl, Zur Geschichte der slavischen Philologie an der Universität Graz. In: Wiener Slavistisches Jahrbuch 8 (1960) 190—194; Stanislaus Hafner, Die Slavistik an der Universität Graz bis 1918. In: Anzeiger für slavische Philologie 6 (1972) 4—13; Manfred Trümmer, Der Beitrag der Grazer Slavistik zum Studium Südosteuropas. In: Österreichische Osthefte 3 (1974) 268—279. ') Gregor Krek, Einleitung in die slavische Literaturgeschichte (Graz 1874, 2 Graz 1887).

Zwei historische Modelle

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werden 7 ). Bahnbrechend war Murkos Erforschung der Volksepik in Bosnien und Herzegowina. Nicht zu vergessen sind seine wortgeschichtlich-volkskundlichen Arbeiten, die den gesamten südslawischen Bereich unter Einschließung der Nachbarn erfassen. Der kulturellen Verzahnung gilt auch von diesem Aspekt her seine Untermauerung von den materiellen Kulturelementen bis zur Plattform der Literatur. Zusammenfassend dürfen wir festhalten: Diese südslawischen Forscher in Wien und Graz — nur beispielhaft angeführt — haben eine Bedeutung erlangt, die weit über die Grenzen ihrer alten und neuen Heimat hinausreichte. Sie sind damit Repräsentanten südslawischer und österreichischer Wissenschaft auf internationaler Ebene geworden: ein südslawischer Beitrag im Sinne des Zusammenwirkens von außerordentlichem Rang. Einem weiteren Ansatz zu solchem Zusammenwirken öffnen über die Personen hinaus die Forschungsbereiche der Geschichtswissenschaft, so die auf dieser Konferenz zu behandelnde Epoche.

GEMEINSAMKEIT IM FORSCHUNGSOBJEKT: DIE JUGOSLAWISCHE HISTORIOGRAPHIE ZUR FRANZISKO-JOSEPHINISCHEN EPOCHE

Es handelt sich um ein weites Feld, das hier nur in einigen Hinweisen zu erfassen ist, die nicht Anspruch auf Vollständigkeit erheben können. Ich entwickle den Uberblick aus den Ausgangspunkten Serbien, Kroatien und Slowenien und fasse den Ersten Weltkrieg — unter Einbeziehung relevanter Beiträge aus Bosnien-Herzegowina — und den Ansatz zu Synthesen getrennt zusammen. a) Zum Ausgangspunkt Serbien Einleitend ist Stanoje Stanojevic zu nennen, einer der ersten serbischen Historiker, der eine Synthese der Geschichte des serbischen Volkes vorlegte — „Istorija srpskog naroda" (1908). In der Zwischenkriegszeit begann er verstärkt auch Dokumente der Wiener Archive aus den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auszuwerten 8 ). Ich darf weiters an Aleksa Ivic erinnern: Er wandte sich den reichen Beständen der Wiener Archive zu und veröffentlichte eine Reihe von Dokumentenbänden zur Geschichte des serbischen Volkes innerhalb der Grenzen des Habsburgerstaates. Ivic gab mit einer kulturhistorisch wertvollen Edition darüber hinaus einen überaus instruktiven Einblick in das Schrifttum bedeutender serbischer und kroatischer Schriftsteller und Kulturschaffender des 19. Jahrhunderts. Ein zusätzlicher Ansatz: Von der philologisch-kritischen Wiener Schule Jagic' und Jireceks beeinflußt, schritt Vladimir ' ) Matija M u r k o , Geschichte der älteren südslavischen Litteraturen (Leipzig 1908). *) Stanoje Stanojevic, Istorija srpskog naroda [Die Geschichte des serbischen Volkes] (Beograd 1908).

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Corovic 1933 an die Synthese einer „Istorija Jugoslavije" und legte außerdem 1936 die Studie „Die Beziehung zwischen Serbien und Österreich-Ungarn im 20. Jahrhundert" vor'). Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte sich das Interesse der serbischen Historiographie in verstärktem Maße den historischen Problemen der Vojvodina zu: dem Lyzeum in Karlowitz (Sremski Karlovci) und Neusatz (Novi Sad) Kosta Petrovic und Vasa Stajic; dem serbischen Widerstand 1848/49 Radoslav Perovic; der Person der Patriarchen Rajacic Jovan Radonic; der Gewerkschaftsbewegung Branislav Vranesevic; der Geschichte der Serben in der Vojvodina im Gesamtzusammenhang DuSan Popovic 10 ). Die außenpolitischen Beziehungen zwischen Serbien und Österreich-Ungarn standen lange Zeit im Mittelpunkt der Arbeiten von Dimitrije Djordjevic, vor allem in seiner umfassenden Monographie über den Zollkrieg 1906—1911. Parallel dazu bearbeitete Ljiljana Aleksic-Pejkovic die Außenpolitik Belgrads in Richtung Paris und London ebenso für die kritischen Jahre vor 1914. Damit schließen diese Arbeiten an die alten Standardwerke von Jovan Ristic an, der zwischen 1887 und 1898 fünf Bände zur Außenpolitik Serbiens im Zeitraum von 1848 bis 1878 veröffentlichte. Neue Quellenstudien von Andrija Radenic in Wiener Archiven führten in jüngster Zeit (1973/74) zur Publikation von zwei Dokumentenbänden über die Jahre 1903 und 1904 und sollen im Rahmen des Historischen Instituts der Serbischen Akademie der Wissenschaften bis 1918 fortgesetzt werden 11 ). ') Aleksa Ivic, Arhivska gradja o srpskim i hrvatskim knjizevnim i kulturnim radnicima [Archivmaterialien über serbische und kroatische Schriftsteller und Kulturschaffende] 2—4 (Beograd 1931 —1935); Vladimir Corovic, Istorija Jugoslavije [Geschichte Jugoslawiens] (Beograd 1935); Derselbe, Odnosi izmedju Srbije i Austro-Ugarske u X X veku [Die Beziehungen zwischen Serbien und Österreich-Ungarn im 20. Jahrhundert] (Beograd 1936). 10 ) Kosta Petrovic, Istorija srpske pravoslavne velike gimnazije Karlovacke [Die Geschichte des berühmten serbisch-orthodoxen Karlowitzer Gymnasiums] (Novi Sad 1951); Vasa Stajic, Srpska pravoslavna velika gimnazija u N o v o m Sadu [Das berühmte serbischorthodoxe Gymnasium in Neusatz] (Novi Sad 1949); Radoslav Perovic, G r a d j a za istoriju srpskog pokreta u Vojvodini 1848 —1849 [Materialien zur Geschichte der serbischen Bewegung in der Vojvodina 1848 —1849] (Beograd 1952); Jovan Radonic, Autobiografija patriarha Josifa Rajacica [Die Autobiographie des Patriarchen Josif Rajacic] (Beograd 1951); Branislav Vranesevic, Sindikalna i revolucionarna borba novosadskih grafickih radnika 1790—1967 [Der gewerkschaftliche und revolutionäre Kampf der Neusatzer Druckereiarbeiter 1790—1967] (Novi Sad 1975); DuJan Popovic, Srbi u Vojvodini [Die Serben in der Vojvodina], 3 Bde. (Novi Sad 1957—1963). u ) Dimitrije Djordjevic, Carinski rat Austro-Ugarske i Srbije 1906—1911 [Der Zollkrieg Österreich-Ungarns und Serbiens 1906—1911] (Beograd 1962); Ljiljana AleksicPejkovic, Odnosi Srbije sa Francuskom i Engleskom 1903—1914 [Die Beziehungen Serbiens zu Frankreich und England 1903—1914] (Beograd 1965); Jovan Ristic, Spoljasnji odnoäaj Srbije novijega vremena 1848 —1872 [Die auswärtigen Beziehungen Serbiens in der neuesten Zeit 1848 —1872], 3 Bde. (Beograd 1887); Derselbe, Diplomatska istorija

Zwei historische M o d e l l e

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Zwei wesentliche Arbeiten zur Frage des österreichisch-ungarischen Ausgleiches: 1969 legte Vasilije Krestic eine grundlegende Monographie vor, und Nikola Petrovic hat unter Heranziehung russischer Quellen die außenpolitische Unterstützung Österreich-Ungarns f ü r das Fürstentum Serbien in den Jahren der Ausgleichsverhandlungen um 1867 gegenüber der H o h e n Pforte einer kritischen Würdigung unterzogen. U n d nochmals ist Nikola Petrovic zu nennen: Auch auf Wiener Archivmaterial basiert seine zweibändige Dokumentensammlung „Svetozar Miletic und die Nationalpartei" (Sremski Karlovci 1968/69), die auch gute Einblicke in die Anfänge der Omladina-Bewegung und die oppositionelle antiösterreichische Zusammenarbeit zwischen Serbien und Ungarn, zwischen Serbien und Rumänien sowie zwischen den Serben und den Slowaken gewährt 1 2 ). Im wirtschaftlichen Bereich ist in diesem Zusammenhang vor allem auf die Monographie von Danica Milic über die Einflüsse fremden Kapitals im Königreich Serbien (1970) hinzuweisen, ein Problem, das — wie bekannt — f ü r die Bündnispolitik Belgrads vor dem Ersten Weltkrieg entscheidende Bedeutung erlangt hat 13 ).

b) Zum Ausgangspunkt Kroatien Einleitend ist Ferdo Sisic zu nennen: Von der Universität Agram (Zagreb) aus trat er bereits in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg unter Berücksichtigung von Wiener Materialien an die Aufarbeitung der Epochen ab 1848 heran. Leider blieb sein „Pregled povijesti hrvatskog naroda" — vor kurzem zum vierten Mal aufgelegt — ab 1873 nur skizzenhaft 1 4 ). Erste wesentliche Einblicke in die Entscheidungsfindung der politisch führenden Männer in der Ausgleichsepoche gab die von Strossmayers Mitarbeitern Cepelic und Pavic

Srbije za vreme srpskih ratova za oslobodjenje i nezavisnost 1875—1878 [Die diplomatische Geschichte Serbiens zur Zeit der serbischen Kriege für Freiheit und Unabhängigkeit], 2 Bde. (Beograd 1896/98); Andrija Radenic, Austro-Ugarska i Srbija 1903—1918. D o k u m e n t i iz beckih arhiva [Österreich-Ungarn und Serbien 1903—1918. D o k u m e n t e aus Wiener Archiven], 1. Bd.: 1903 (Beograd 1973), 2. Bd.: 1904 Beograd 1974). 12 ) Vasilije Krestic, Hrvatsko-ugarska nagodba 1868. godine [ D e r Kroatisch-ungarische Ausgleich des Jahres 1868] (Beograd 1969); N i k o l a Petrovic, D e r österreichisch-ungarische Ausgleich und die orientalische Frage, in: D e r österreichisch-ungarische Ausgleich 1867, hg. v. L'udovit H o l o t i k (Bratislava 1971) 195—216: Derselbe, Svetozar Miletic i Narodna stranka [Svetozar Miletic und die Nationalpartei], 2 Bde. (Sremski Karlovci 1 9 6 8 / 6 9 ) . 1J ) Danica Milic, Strani kapital u rudarstvu Srbije d o 1918 godine [Fremdes Kapital im Bergbau Serbiens bis zum Jahre 1918] (Beograd 1970). w ) Ferdo Sisic, Pregled povijesti hrvatskog naroda [Geschichte des kroatischen V o l k e s im Überblick] («Zagreb 1975).

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

verfaßte Biographie über Bischof Strossmayer um 1900. Im selben Sinn wirkte die in mehreren Bänden von Ferdo Sisic 1928—31 veröffentlichte Korrespondenz Strossmayer—Racki is ). Eine Ergänzung aus der Sozialgeschichte: Wenn auch memoirenhaft und teilweise apologetisch, so gibt die zweibändige Geschichte der Arbeiterbewegung in Kroatien von Vitomir Korac dennoch einen berücksichtigungswerten Zugang zur Anfangsphase dieser neuen sozialen Entwicklung 16 ). Nach dem Zweiten Weltkrieg verbreiterte sich die Aspektvielfalt der kroatischen Geschichtschreibung zunehmend und zeitigte eine Fülle von wertvollen monographischen Ergebnissen für die franzisko-josephinische Epoche. An der Spitze steht zweifellos „Die Geschichte des kroatischen Volkes" (1860—1914), verfaßt von Jaroslav Sidak, Mirjana Gross, Igor Karaman und Dragovan Sepie (Zagreb 1968), ein Handbuch für Studierende wie Lehrende, unter Berücksichtigung von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen 17 ). Aus der Feder der genannten Autoren gibt es weiters eine Fülle von Spezialuntersuchungen zur kroatischen Geschichte des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, aber auch einige wertvolle, zum Teil aspektbezogene Synthesen. So faßte Jaroslav Sidak die Ergebnisse seiner Detailuntersuchungen in einem Band „Studien aus der kroatischen Geschichte des 19. Jahrhunderts" zusammen; so analysierte Mirjana Gross die Ideologie der Rechtspartei von Ante Starcevic, der zweifellos massenwirksamsten kroatischen Partei in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, und die kurze Regierungszeit der serbisch-kroatischen Koalition (1905/06); und Igor Karaman beschrieb unter Einbeziehung neuer Forschungsergebnisse und Gesichtspunkte Wirtschaft und Gesellschaft Kroatiens im 19. Jahrhundert 18 ). Wesentliche Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung wurden durch die Dokumentation von Bernard Stulli über die Eisenbahnprojekte in Kroatien (1825—1863) geklärt. Ebenfalls in Richtung Wirtschaftsgeschichte 15 ) M. Cepelic — M. Pavic,J. J. Strossmayer, biskup bosansko-djakovacki i srijemski. g. 1850—1900 []. J. Strossmayer, Bischof von Bosnien, Djakovo und Syrmien in den Jahren 1850—1900] (Zagreb 1900—1904); Ferdo Siäic, Korespondencija Racki—Strossmayer [Die Korrespondenz Racki—Strossmayer], 4 Bde. (Zagreb 1928 — 31). ") Vitomir Korac, Povjest radnickog pokreta u Hrvatskoj i Slavoniji [Die Geschichte der Arbeiterbewegung in Kroatien und Slawonien], 3 Bde. (Zagreb 1929—33). 17 ) Jaroslav Sidak—Mirjana Gross—Igor Karaman—Dragovan Sepie, Povijest hrvatskog naroda g. 1860—1914 (Zagreb 1968). 18 ) Jaroslav Sidak, Studije iz hrvatske povijesti XIX. stoljeca (Zagreb 1973); Mirjana Gross, Povijest pravaSke ideologije [Die Geschichte der Rechtspartei-Ideologie] (Zagreb 1973); Dieselbe, Vladavina hrvatsko-srpske koalieije 1906—1907 [Die Regierung der kroatisch-serbischen Koalition 1906—1907] (Beograd 1960); Igor Karaman, Privreda i druätvo Hrvatske u 19. stoljecu [Wirtschaft und Gesellschaft Kroatiens im 19. Jahrhundert] (Zagreb 1972).

Zwei historische M o d e l l e

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verfaßte Miroslava Despot eine Studie über die Industriepolitik im Zeitraum 1860—1873. Ivan Kovacevic analysierte die ökonomische Lage der Arbeiterklasse in Kroatien-Slawonien 1867—1914"). Z u r politischen und ideologischen Entwicklung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert sind eine Reihe bemerkenswerter Monographien und Dokumentenpublikationen jüngeren Datums anzuführen: Vera Ciliga, „Der Zusammenbruch der Politik der Nationalpartei (1865 — 80)"; Bogdan Krizman, „Die Korrespondenz Stjepan Radiò", 1. Band: 1885 —1918; René Lovrencic, „Die Entstehung der Politik des ,Neuen Kurses'". Ein spezifisches, f ü r Österreich besonders interessantes Problem, nämlich die Auflösung der Militärgrenze, wurde in mehreren Beiträgen von Mirko Valentie erörtert. Er hat — ergänzend sei es erwähnt — auch eine Geschichte der burgenländischen Kroaten verfaßt 2 0 ). c) Zum Ausgangspunkt Slowenien Ansätze f ü r die auf Österreich-Ungarn bezogene historische Forschung bei den Slowenen stellen die Memoiren oder memoirenhaften Darstellungen einiger Politiker dar, so des Professors Franjo Suklje, ehemals Landeshauptmann von Krain, des Bürgermeisters von Laibach (Ljubljana) Ivan Hribar, des ehemaligen Masaryk-Schülers Dragotin Loncar und des Sozialisten Henrik T u m a . Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch die erstmals 1938 veröffentlichte Synthese zur nationalen Geschichte des slowenischen Volkes von Edvard Kardelj, in unseren Tagen unter dem Titel „Die Vierteilung" (Wien 1971) ins Deutsche übertragen 2 1 ). " ) Bernard Stulli, Prijedlozi i projekti zeljeznickih pruga u Hrvatskoj 1825 — 1863 [Vorschläge und Projekte für Eisenbahnlinien in Kroatien 1825—1863], 2 Bde. (Zagreb 1975/76); Miroslava D e s p o t , Industrija gradjanske Hrvatske 1860—1873 [ D i e Industrie des bürgerlichen Kroatiens 1 8 6 0 — 1 8 7 3 ] (Zagreb 1970); Ivan Kovacevic, Ekonomski polozaj radnicke klase u Hrvatskoj i Slavoniji 1867 —1914 [ D i e ö k o n o m i s c h e Lage der Arbeiterklasse in Kroatien und Slawonien 1 8 6 7 — 1 9 1 4 ] (Beograd 1972). 20 ) Vera Ciliga, Slom politike N a r o d n e stranke 1865 — 80 (Zagreb 1970); Bogdan Krizman, Korespondencija Stjepana Radica, 2 Bde. (Zagreb 1972/73); Rene Lovrencic, G e n e z a politika „novoga kursa" (Zagreb 1972); Mirko Valentic, Gradiscanski Hrvati od X V I . stoljeca d o danas [ D i e burgenländischen Kroaten vom 16. Jahrhundert bis heute] (Zagreb 1970). 21 ) Franjo Suklje, Iz mojih spominov [Aus meinen Erinnerungen], 3 Bde. (Ljubljana 1929); Ivan Hribar, Moji spomini [Meine Erinnerungen], 2 Bde. (Ljubljana 1928); Dragotin Loncar, Politicno zivljenje Slovencev (od. 4. jan. 1797. d o 6. jan. 1919. leta) [Das politische Leben der Slowenen (vom 4. Jänner 1797 bis zum 6. Jänner 1919)] ( 2 Ljubljana 1921); Henrik T u m a , Iz mojega zivljenja. Spomini, misli in izpovedi [Aus meinem Leben. Erinnerungen, G e d a n k e n und Aussagen] (Ljubljana 1937); Edvard Kardelj (Sperans), Razvoj slovenskega narodnega vprasanja [ D i e Entwicklung der slowenischen nationalen Frage] ('Ljubljana 1957).

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Die erste große wissenschaftliche Synthese der neueren Zeit der slowenischen Geschichte (1797—1919) legte der bekannte Mediävist Josip Mal anfang der dreißiger Jahre vor. Ebenfalls in den dreißiger Jahren veröffentlichte Fran Zwitter seine grundlegende Studie „Die Bevölkerung in den slowenischen Gebieten vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart" 2 2 ). Nach dem Zweiten Weltkrieg erarbeiteten Ferdo Gestrin und Vasilij Melik eine Zusammenfassung der slowenischen Geschichte vom T o d e Leopolds II. bis zum Zusammenbruch der Habsburgermonarchie. Bogo Grafenauer gab neben einer Fülle mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Arbeiten eine kurze Synthese zur slowenischen Geschichte in der Enciklopedija Jugoslavije, Band 7. Eine umfassende Leistung in kulturgeschichtlicher Hinsicht legte f ü r den Zeitraum von 1848 —1895 Ivan Prijatelj vor: „Slowenische kulturpolitische und literarische Geschichte". Dusan Kermavner verfaßte zum 5. Band Prijateljs politisch-historische Anmerkungen (1879—1895), und parallel dazu schrieb er zusätzlich eine Monographie über die Anfänge der slowenischen Sozialdemokratie 23 ). Von neueren Arbeiten dürfen weiters hervorgehoben werden: Fran Zwitter, „Die slowenische Wiedergeburt im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit der europäischen nationalen Problematik"; Vasilij Melik, „Wahlen in den slowenischen Gebieten 1861 —1918"; Lojze Ude, „Die Slowenen und die jugoslawische Idee in den Jahren 1903—1914" 24 ). Schließlich seien auch die wichtigsten Arbeiten zu den Kärntner Slowenen erwähnt, so die von Bogo Grafenauer über die Evolution der slowenischen Nationalität in Kärnten und die von Janko Pleterski über ihr politisches Bewußtsein, sowie die beiden Sammelbände: „Kärnten und die Kärntner Slowenen" und „Die Kärntner Volksabstimmung" 2 5 ). 22 ) Josip Mal, Z g o d o v i n a slovenskega naroda. Najnovejsa doba [Geschichte des slowenischen Volkes. D i e neueste Zeit] ( V Celju 1928); Fran Zwitter, Prebivalstvo na Slovenskem od 18. stol. d o danaänjih dni (Ljubljana 1936). 23 ) Ferdo Gestrin—Vasilij Melik, Slovenska z g o d o v i n a . O d konca XVIII. stol. d o 1918 [Slowenische Geschichte. V o m Ende des 18. Jahrhunderts bis 1918] (Ljubljana 1968); B o g o Grafenauer, Slovenci: Historija [ D i e Slowenen: Geschichte]. In: Enciklopedija Jugoslavije 7 (Zagreb 1968) 235 — 257; Ivan Prijatelj, Slovenska kulturnopoliticna in slovstvena z g o d o v i n a 1848—1895 [Slowenische kulturpolitische und literarische Geschichte 1848—1895], 5 Bde. (Ljubljana 1955—66); Dusan Kermavner, Slovenska politika v letih 1978 d o 1895 [Die slowenische Politik in den Jahren 1879 bis 1895] (Ljubljana 1966); Derselbe, Zacetki slovenske socialne demokracije v desetletju 1884—1894 [ D i e A n f ä n g e der slowenischen Sozialdemokratie im Jahrzehnt 1 8 8 4 — 1 8 9 4 ] (Ljubljana 1963). 24 ) Fran Zwitter, Slovenski politicni preporod X I X . stol. v okvira evropske nacionale problematike, in: Zgodovinski casopis 18 (1964) 75 —153; Vasilij Melik, Volitve na Slovenskem 1861 —1918 (Ljubljana 1965); Lojze U d e , Slovenci in jugoslovanska ideja v letih 1903 —1914. In: Jugoslovenksi narodi pred prvi svetski rat (Beograd 1967) 887—941. 25 ) B o g o Grafenauer, N a r o d n o s t n i razvoj na Koroskem od sredine X I X . stol. d o danes [ D i e nationale Entwicklung in Kärnten von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis

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Zwei h i s t o r i s c h e M o d e l l e d) Z u d e m e n t s c h e i d e n d e n A b s c h n i t t „Erster W e l t k r i e g " Für die neuere Bewertung der Zeit des Ersten Weltkrieges erlangten letzten Jahrzehnt folgende jugoslawische Arbeiten besondere Bedeutung:

im Mi-

lorad E k m e c i c , „ D i e K r i e g s z i e l e Serbiens 1914" — f o r m u l i e r t auf d e r Basis der nationalen I d e o l o g i e und des historischen Erbes Serbiens; D r a g o s l a v Jankovic, „Serbien und die jugoslawische Frage 1914—1915"; derselbe, „Die jugoslawis c h e Frage u n d die D e k l a r a t i o n v o n K o r f u im Jahre 1917". D a z u weitere Beiträge aus Z a g r e b , Ljubljana u n d Sarajevo: D r a g o v a n Sepie, „Italien, die Alliierten u n d die j u g o s l a w i s c h e Frage 1 9 1 4 — 1 9 1 8 " ; J a n k o Pleterski, „ D i e erste Entscheidung der S l o w e n e n für Jugoslawien"; H a m d i j a Kapidzic: zwei Beiträge über Bosnien u n d die H e r z e g o w i n a zur Zeit des Ersten Weltkrieges26). Wertvolle D o k u m e n t e über das U m s t u r z j a h r 1918 enthält die z w e i b ä n d i g e

Samm-

lung v o n D r a g o s l a v Jankovic und B o g d a n K r i z m a n (1964); beide A u t o r e n veröffentlichten außerdem

eine Fülle v o n

Beiträgen zu Problemen

des

Ersten

Weltkrieges überhaupt27). Umfangreiche Sammelbände zur Tätigkeit des Südslawischen

Ausschusses

(Jugoslovenski odbor) und über die Ursachen des Z u s a m m e n b r u c h e s der H a b s burgermonarchie vervollständigen die reiche Palette jugoslawischer Forschung z u m E r s t e n W e l t k r i e g . E r w ä h n t sei g e s o n d e r t d i e S y n t h e s e ü b e r d i e j u g o s l a w i s c h e P o l i t i k w ä h r e n d d e r F r i e d e n s v e r h a n d l u n g e n in P a r i s , v o r g e l e g t v o n A n d r e j M i t r o v i c i m J a h r e 1 9 6 8 2 8 ). h e u t e ] . In: K o r o s k i z b o r n i k ( L j u b l j a n a 1946) 117—248; J a n k o Pleterski, N a r o d n a in politiena zavest na K o r o s k e m [ N a t i o n a l e s u n d politisches Bewußtsein in K ä r n t e n ] ( L j u b l j a n a 1965); K o r o s k a in K o r o s k i Slovenci [ K ä r n t e n u n d die K ä r n t n e r S l o w e n e n ] ( M a r i b o r 1971); K o r o s k i plebiscit [Die K ä r n t n e r V o l k s a b s t i m m u n g ] ( L j u b l j a n a 1970). 2 ') M i l o r a d E k m e c i c , R a t n i ciljevi Srbije 1914 ( B e o g r a d 1973); D r a g o s l a v J a n k o v i c , Srbija i j u g o s l o v e n s k o p i t a n j e 1914—1915 ( B e o g r a d 1973); D e r s e l b e , J u g o s l o v e n s k o pit a n j e i K r f s k a d e k l a r a c i j a 1917. g o d i n e ( B e o g r a d 1967); D r a g o v a n Sepie, Italija, saveznici i j u g o s l o v e n s k o p i t a n j e 1914—1918 ( Z a g r e b 1970); J a n k o Pleterski, P r v a odlocitev Slovencev za J u g o s l a v i j o . Politika na d o m a e i h tleh m e d v o j n o 1914—1918 [ D i e erste E n t s c h e i d u n g der S l o w e n e n f ü r J u g o s l a w i e n . D i e Politik in d e n H e i m a t l ä n d e r n w ä h r e n d des Krieges 1914—1918] ( L j u b l j a n a 1971); H a m d i j a K a p i d z i c , Bosna i H e r c e g o v i n a za v r e m e p r v o g svjetskog rata [Bosnien u n d H e r z e g o w i n a z u r Zeit des Ersten W e l t k r i e g e s ] , u n d derselbe, D r z a n j e a u s t r o - u g a r s k i h vlasti p r e m a j u g o s l o v e n s k o m p i t a n j u i s t v a r a n j u j u g o slovenske d r z a v e [ D i e H a l t u n g d e r ö s t e r r e i c h i s c h - u n g a r i s c h e n M a c h t t r ä g e r g e g e n ü b e r d e r j u g o s l a w i s c h e n F r a g e u n d d e r G r ü n d u n g des j u g o s l a w i s c h e n Staates], in: G l a s n i k Arhiva i D r u s t v a arhivista Bosne i H e r c e g o v i n e 6 (1966) 195 — 355. 2 ') D r a g o s l a v J a n k o v i c - B o g d a n K r i z m a n , G r a d j a o s t v a r a n j u j u g o s l a v e n s k e d r z a v e [ M a t e r i a l i e n ü b e r die G r ü n d u n g des j u g o s l a w i s c h e n Staates], 2 Bde. ( B e o g r a d 1964). 28 ) J u g o s l a v e n s k i o d b o r u L o n d o n u [ D e r Südslawische A u s s c h u ß in L o n d o n ] ( Z a g r e b 1966); N a u c n i s k u p u p o v o d u 5 0 - g o d i s n j i c e r a s p a d a A u s t r o - u g a r s k e m o n a r h i j e i stvara n j a J u g o s l a v e n s k e d r z a v e [ W i s s e n s c h a f t l i c h e T a g u n g anläßlich des 50. J a h r e s t a g e s des Z u s a m m e n b r u c h s d e r ö s t e r r e i c h i s c h - u n g a r i s c h e n M o n a r c h i e u n d d e r G r ü n d u n g des jug o s l a w i s c h e n Staates] ( Z a g r e b 1969); A n d r e j Mitrovic, Jugoslavija na k o n f e r e n e i j i mira 1919—1920 [Jugoslawien auf d e r F r i e d e n s k o n f e r e n z 1919—1920] ( B e o g r a d 1968).

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Zur kroatischen Historiographie über den Ersten Weltkrieg kann neben den bereits erwähnten Arbeiten von Krizman und Sepie und den älteren Arbeiten von Ferdo Culinovic — über die Grünen Kader und die Einflüsse der Oktoberrevolution in den südslawischen Ländern — auch auf eine Monographie von Bernard Stulli — „Die Matrosenrevolte von Cattaro" — und eine von Ivan Cizmic über die kroatischen Emigranten in Amerika hingewiesen werden 29 ). e) Zu den überregionalen Synthesen In den beiden letzten Jahrzehnten erschienen zwei überregionale Synthesen, die wie viele der erwähnten Monographien besondere internationale Anerkennung fanden: die dem Internationalen Historikerkongreß in Stockholm vorgelegte Studie „Les problèmes nationaux dans la Monarchie des Habsbourgs" von Fran Zwitter, Jaroslav Sidak und Vaso Bogdanov und die 1972 erschienene „Istorija Jugoslavije" von Ivan Bozic, Sima Cirkovic, Milorad Ekmecic und Vladimir Dedijer 30 ). Die Studie über das Nationalitätenproblem in der Habsburgermonarchie zählt heute zweifellos zu den wenigen Standardwerken über dieses Problem, nicht zuletzt deshalb, da in ihr die vielschichtigen Voraussetzungen und Aspekte des Nationalismus entsprechend berücksichtigt sind. Gerade die über die Erörterung der Probleme des 19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts durch die „Geschichte Jugoslawiens" entfachte innerjugoslawische Diskussion aber zeigte auch dem österreichischen interessierten Beobachter, wie sehr der Fragenkreis Nationalismus einer differenzierten und subtileren Erforschung noch bedarf 31 ). Meine Damen und Herren ! Auf beiden Forschungsfeldern, die ich genannt

" ) Ferdo Culinovic, Odjeci Oktobra u jugoslovenskim krajevima [Der Widerhall des Oktobers in den jugoslawischen Ländern] (Zagreb 1957); Bernard Stulli, Ustanak mornara u Boki Kotorskoj 1—3. februara 1918 [Der Aufstand der Matrosen im Golf von Cattaro] (Split 1959); Ivan Cizmic, Jugoslavenski iseljenicki pokret u S A D za vrijeme rata i stvaranje Jugoslavenske drzave 1918 [Die südslawische Emigrantenbewegung in den U S A zur Zeit des Krieges und die Gründung des jugoslawischen Staates 1918] (Zagreb 1974). )0 ) Fran Zwitter - Jaroslav Sidak - Vaso Bogdanov, Les problèmes nationaux dans la Monarchie des Habsbourgs (Beograd 1960); Ivan Bozic - Sima Cirkovic - Milorad Ekmecic - Vladimir Dedijer, Istorija Jugoslavije [Die Geschichte Jugoslawiens] (Beograd 1972). 31 ) Vgl. u. a. die Rezension von Mirjana Gross in: Casopis za suvremenu provijest 1973/2, 8 —14; die umfassende Antwort auf alle Rezensionen gab Milorad Ekmecic in: Jugoslovenski istorijski c a s o p i s l 9 7 4 / l — 2 , 217—281; ein weiterer Diskussionsbeitrag von Mirjana Gross, Ideja jugoslavenstva u X I X stoljecu i „dogmatski nacionalizam" [Die Idee des Jugoslawismus im 19. Jahrhundert und der „dogmatische Nationalismus"], in: Jugoslovenski istorijski casopis 1975/3—4, 121 —161.

Zwei historische Modelle

413

habe, wurden übernationale Zusammenhänge erfaßt. Aber zweifellos ist man auf beiden Forschungsgebieten von nationalen Aspekten ausgegangen, und dies ebenso zweifellos mit gutem Grund. Denn seit die Gesellschaft begonnen hat, sich in Nationen auszugliedern, ist die Nation zum bevorzugten, ja klassischen Objekt auch der Geschichtsschreibung geworden. Und es ist zu erinnern, daß diese T e n d e n z in einer Welt, in der es die Vereinten Nationen gibt, auch ihre Fortsetzung finden wird. Allerdings gerade die europäischen Nationen — um mit T h e o d o r Schieder zu sprechen — sind in den letzten Jahrzehnten, und gerade im 20. Jahrhundert, auch um manche E r f a h r u n g reicher geworden. Sie, die bisher, wenn wir gerade an das 19. Jahrhundert denken, in der Vorstellung gelebt haben, der ganze Sinn ihrer Geschichte läge folgerichtig in der nationalen Entwicklung, diese Nationen mußten nun zusätzlich und zunehmend erkennen, daß keiner ihrer Wege ein ganz vereinzelter, ein ganz isolierter ist— im Gegenteil, daß die Wege in überraschend hohem Maße parallel, daß sie voneinander abhängig, ja daß sie auch gemeinsame Wege sind. Die Konsequenz: Auch die national-geschichtliche Forschung wird ihre Themen wohl nachhaltiger als bisher in die allgemeine Geschichte, in übernationale Zusammenhänge, einzubauen haben. Unser Vorhaben hier soll zu diesem großen Ziel — auf bilateraler Basis — ein kleiner Schritt sein.

IM ÜBERNATIONALEN BEZIEHUNGSFELD DER STUDENTENSTRÖME

E I N SCHRITT ZUR STUDENTENGESCHICHTE EUROPAS

1978 fand in Wien eine Konferenz über die Geschichte von internationalen Beziehungen besonderer Art statt: über die von Studien und Wissenschaft im 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Wiener Universität, an der die Eröffnung dieser Konferenz vorgenommen wurde, präsentierte sich dafür als sinnvoller Ausgangspunkt: ein traditionell stark wirksamer Faktor übernationaler wissenschaftlicher Begegnung. Von seinem Ursprung, vom Stiftbrief des jungen, ehrgeizigen Herzogs Rudolf IV. aus dem Jahre 1365 an, war für das neue Generalstudium in Wien die Einteilung in vier Nationen vorgesehen: die österreichische, sächsische, böhmische und ungarische. Und dies setzte sich auch im erneuerten Stiftbrief des Herzogs Albrecht III. aus dem Jahre 1384 fort, wonach eine leicht veränderte Nationeneinteilung vorgezeichnet war: die österreichische, rheinische, ungarische und sächsische Nation. Europäisch ausgerichtet waren damit vier Ländergruppen angesprochen: zur österreichischen Nation sollten die Studenten aus Österreich, Aquileja, Churwalchen und Italien zählen; zur rheinischen Nation die vom Rhein, aus Bayern und Schwaben, aus dem Elsaß, aus Frankreich und Spanien, aus Holland, Flandern und Brabant; zur ungarischen Nation die aus Böhmen, Ungarn und Polen, und überhaupt die aus den slawischen und aus den griechischen Ländern; zur sächsischen Nation schließlich die aus Sachsen und Westfalen, aus Brandenburg und Preußen, aus Livland und Litauen, aus Dänemark und Schweden, England, Schottland und Irland. Auch in der späteren Zeit ihrer Geschichte wurde die Wiener Universität immer wieder von der Begegnung der Nationen geprägt. Dies bestätigt nicht zuletzt das 19. Jahrhundert: Belief sich die Gesamtzahl der Studenten zwischen 1848 und 1918 auf rund 179.000, so stammten mehr als 28.000 davon, also rund 16 %, allein aus dem Bereich Südosteuropa — zweifellos ein beachtlicher Beitrag nicht nur zur Deckung des ansteigenden Akademikerbedarfs, sondern auch zur Heranbildung neuer sozialer Schichten und nationaler Führungsgruppen am Ubergang zur kapitalistischen und Industriegesellschaft in jenen Ländern. Und bereits 1852 studierte auch der erste ägyptische Student in Wien. Aber es ziemt sich gleich hinzuzufügen, daß es nicht nur ein Geben, sondern

Im übernationalen Beziehungsfeld der Studentenströme

415

gerade in bezug auf jene südosteuropäischen Länder auch ein Nehmen war. Nicht nur daß die Internationalität der Studenten das Bild der Stadt wie den Inhalt der Lehrveranstaltungen mitprägte, gewannen auch die Fakultätskollegien der Professoren. Das Einzugsgebiet der Professorenergänzung war von Anfang an primär das Territorium des Heiligen Römischen Reiches gewesen. Der Einfluß Südosteuropas aber wurde bald deutlich. Schon im 16. Jahrhundert lehrte an der Wiener Universität Martin Capinius aus Siebenbürgen, der Slowene Andreas Perlachius, Johannes Sambucus aus Tyrnau und der Kroate Paulus Skalich. U n d im 19. Jahrhundert wirkten in Wien Gelehrte wie die Slawisten Franz von Miklosich und Vatroslav Jagic, der Physiker Josef Stefan und der Photopionier Josef Petzval. Die Gegenwart hat nach den einschneidenden Veränderungen der beiden Weltkriege allmählich auch die internationalen Verbindungen f ü r die Wiener Universität den gegebenen Möglichkeiten gemäß neu gezeichnet. Im Wintersemester 1978/79 studierten an der Universität 3.150 Ausländer bei einer Gesamthörerzahl von nun 38.115. Aus europäischen Ländern standen Studenten aus der Bundesrepublik Deutschland, Jugoslawien, der Türkei, Griechenland und Polen an der Spitze, aus afrikanischen Ägypter und Nigerianer, aus asiatischen Iraner, Saudiaraber, Chinesen und Syrer, aus Amerika Studenten aus USA, Brasilien und Kolumbien. Rund 37 % der ausländischen H ö r e r kamen aus den in der O E C D als solche geführten Entwicklungsländern. Und Einzugsgebiet f ü r an der Universität Wien wirkende Professoren sind neben dem deutschsprachigen Gebiet auch heute wieder Städte wie Prag, Teschen und Brünn, Budapest und Zagreb: Frantisek Mares, Günther Wytrzens, Johann Navrätil, Käroly Redei, Lajos Gogolak, Josef H a m m , Radoslav Katicic — um nur einige zu nennen —; in Graz wirkt Ferdo Hauptmann, der aus Sarajevo, und in Innsbruck Zoran Konstantinovic, der aus Belgrad kommt. U n d hier in Wien war nun, 1978, eine T a g u n g der Begegnung der Nationen auf der Ebene der Wissenschaften und Studien im Gesamtrahmen des Participation Programme der U N E S C O über „Die Entwicklung der sozio-kulturellen Strukturen und der interkulturellen Beziehungen in Europa im 19. und 20. Jahrhundert" gewidmet. Vorrangiges Objekt der Konferenz waren die internationalen Bewegungen und Begegnungen in den Universitäts- und Wissenschaftsstätten in der regionalen Schwerpunktachse Mitteleuropa—Südosteuropa von der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg. Institutionen und Menschen traten in diesem Rahmen hervor, Institutionen, die operative Träger des Entwicklungsprozesses in der Wissenschaft waren, Menschen, die diese Institutionen mit Leben erfüllten und Signale in den Prozessen der Forschung wie ihres Umsetzens in den Hörsälen und im späteren Beruf setzten, Professoren wie Studenten. U n d hinzu trat der gesellschaftspolitische und der geistesgeschichtliche Hintergrund dieser Epoche, entscheidende Fragen, die nicht zuletzt auf den Universitäten aufgeworfen und durchge-

416

IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

fochten wurden und die aktuell geblieben sind bis in die Gegenwart — die Fragen nach der individuellen Freiheit wie nach der sozialen Gerechtigkeit, nach der demokratischen Willensbildung wie nach der nationalen Integration bis zu jener schönen Maxime von Jözsef Eötvös 1869, wonach die Wissenschaft nicht einzelnen Nationen oder einer Epoche zuzuschreiben, sondern als „der gemeinsame Schatz der Menschheit" zu werten sei. Die Fragestellung der Konferenz war in der vorgezeichneten umfassenden Form und im Hinblick auf die konkreten Akzentsetzungen auf ein Netz von Beziehungen gerichtet. Es gibt keine Karten der Sogwirkungen der Wissenschaftsstätten und der Studentenströme gleich einer Nachzeichnung der Zugvögelschwärme und ihrer Ziele. Die Antwort der Konferenz konnte sich daher von vornherein weniger an einem Gesamtbild der Ereignisse, sondern mußte sich vielmehr an methodischen Fragen, dann an der Erarbeitung von Teilaspekten und den sich daraus ergebenden allgemeinen Problemstellungen und Schlüssen orientieren. Die modellhaften Hinweise und die gezogenen Vergleiche aber haben im Ergebnis ein erstes Bild der Entwicklungsprozesse und damit Zielrichtungen für weitere Arbeiten jedenfalls ergeben. Aus den Beiträgen schälten sich zwei Ansatzebenen heraus: 1. die institutionellen und personellen Faktoren: die Knotenpunkte der Bewegung und Begegnung; 2. die Impuls- und Sogwirkungsfaktoren: Analysen, die zu den Ursachen der Bewegungen, ihren Richtungen, ihrem Anschwellen und Abklingen führten. Es sei versucht, den Aussagen zu diesen Problemkreisen, wie sie in den Referaten und in den Diskussionen deutlich wurden, kurz zu folgen.

1. D I E AUSSAGEN ZU INSTITUTIONEN U N D P E R S O N E N

a) die Aussagen zu Institutionen Die Institutionen präsentierten sich als Träger, als operative Einheiten und Schaltstellen der gegebenen Strömungen: vor allem die Universitäten, Hochschulen, hochschulnahe Institutionen, aber auch Ubergangsentwicklungen zum Hochschulbereich und die wissenschaftlichen Gesellschaften, und die Institutionen wieder in ihrer Gründung, Entwicklung, Entfaltung und allfälliger Reorganisation. Eine ganze Reihe von Modellen und Modellentwicklungen wurde demonstriert. Zwei Nationalbereiche erschienen im Gesamtbild ihrer Institutionsentwicklung in besonderer Dichte — der polnische und der rumänische: die polnischen Wissenschaftsstätten in ihrem Wachsen, ihren Erfolgen und Schwierigkeiten, ihrer organisatorischen und geistig-politischen Problematik, einschließlich der Technischen Hochschulen, in Schwerpunkten besonders in der zweiten Hälfte des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts, schließlich in ihren sich anbah-

Im übernationalen Beziehungsfeld der Studentenströme

417

n e n d e n V e r b i n d u n g e n z u m A u s l a n d , n i c h t z u l e t z t n a c h W e s t e u r o p a ; die r u m ä n i s c h e n U n i v e r s i t ä t e n B u k a r e s t und Ia$i von i h r e r G r ü n d u n g h e r , v o m A u f b a u des V o r u n t e r r i c h t s bis z u r P r ä s e n t i e r u n g d e r S t u d i e n u n t e r l a g e n , das H e r a n w a c h s e n v o n F ä c h e r g r u p p e n , F a k u l t ä t e n u n d S c h u l e n an diesen U n i v e r s i t ä t e n , so S c h u l e n in d e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t , die sich b i l d e n d e n z e i t n a h e n F o r s c h u n g s s c h w e r p u n k t e ü b e r die A k a d e m i e n wie P h i l o l o g i e , G e s c h i c h t e , A r c h ä o l o g i e und N a t u r w i s s e n s c h a f t e n . D a r ü b e r h i n a u s w u r d e eine g a n z e R e i h e v o n M o d e l l e n t w i c k l u n g e n an F l a n k e n p u n k t e n deutlich wie die U n i v e r s i t ä t M o s k a u , von ihren W u r z e l n bis zu i h r e n sich e n t f a l t e n d e n i n t e r n a t i o n a l e n B e z i e h u n g e n , die U n i versität L e i d e n in e i n e r e n t s c h e i d e n d e n , einen T i e f p u n k t ü b e r w i n d e n d e n P h a s e , territorial erweitert im S ü d o s t e n

die E n t w i c k l u n g

des H o c h s c h u l w e s e n s

in

G r i e c h e n l a n d , u n d im W e s t e n d e r A u f b a u in den N i e d e r l a n d e n . U n d die W i r k s a m k e i t w u r d e e r f a ß t bis zu den v e r l ä n g e r t e n A r m e n der E f f i z i e n z , wie z u m D r u c k w e s e n u n d z u r B u c h p r o d u k t i o n an U n i v e r s i t ä t e n u n d A k a d e m i e n , so in M o s k a u und O f e n b z w . B u d a p e s t . In d e r V e r f o l g u n g d e r S t r u k t u r e n t w i c k l u n g t a u c h t e eine h o c h s c h u l n a h e I n stitution d e r b a l t i s c h e n L ä n d e r als M o d e l l a u f : das G y m n a s i u m

academicum

M i t a u . W e s e n t l i c h e G r ü n d u n g s p h a s e n v o n U n i v e r s i t ä t e n w u r d e n erläutert: so die V e r s u c h e von N e u g r ü n d u n g e n u n d e r f o l g t e T e i l u n g s - und N e u g r ü n d u n g s v o r g ä n g e in P r a g , B r ü n n u n d C z e r n o w i t z . W e s e n t l i c h e lungen

gewannen

an

Deutlichkeit,

so

die

von

Ergänzungsentwick-

wissenschaftlichen

Gesell-

s c h a f t e n , weiters E r s a t z i n s t i t u t i o n e n wie eine „ f l i e g e n d e " U n i v e r s i t ä t im p o l n i s c h e n B e r e i c h A n f a n g des 2 0 . J a h r h u n d e r t s , eine g e h e i m e H o c h s c h u l e

ohne

ö r t l i c h e Stabilität. U n d in b e s o n d e r e r W e i s e trat g e r a d e f ü r den ins A u g e g e f a ß t e n Z e i t r a u m die E i n o r d n u n g in die g e s e l l s c h a f t s p o l i t i s c h e E n t w i c k l u n g in E r s c h e i n u n g : die B e d e u t u n g der U n i v e r s i t ä t e n als z e n t r a l e O b j e k t e der sozialen M o b i l i t ä t wie der n a t i o n a l e n B e w e g u n g , ihre w a c h s e n d e B e d e u t u n g in n a t i o nalen Konkurrenzlagen. D i e U m w e l t f a k t o r e n , in- wie a u s l ä n d i s c h e , e r h e i s c h t e n e b e n f a l l s

Berück-

s i c h t i g u n g . I m A u f - u n d A u s b a u d e r U n i v e r s i t ä t e n e r g a b sich n i c h t n u r die B e d e u t u n g von V o r a u s s e t z u n g e n wie d e r eines e n t s p r e c h e n d d i c h t e n M i t t e l s c h u l n e t z e s im e i g e n e n L a n d , s o n d e r n n i c h t selten auch der von

übernationalen

B e z i e h u n g e n . D a z u ist v o r allem die Ü b e r n a h m e von M o d e l l e n f ü r U n i v e r s i täten und H o c h s c h u l e n zu z ä h l e n — so das H u m b o l d t s c h e M o d e l l , f r a n z ö s i s c h e V o r b i l d e r , B e r g a k a d e m i e m u s t e r , die N e u g e s t a l t u n g von F a k u l t ä t e n n a c h a u s l ä n d i s c h e n M o d e l l e n , die Ü b e r n a h m e von w i s s e n s c h a f t l i c h e n S c h u l e n : so die é c o l e de d r o i t n a c h P a r i s e r M o d e l l in B u k a r e s t u n d Iaçi, S c h u l - u n d O r g a n i s a t i o n s i m p u l s e — bis z u r F r a g e der a u ß e r o r d e n t l i c h e n P r o f e s s o r e n —

nach

W i e n e r M o d e l l in P e s t b z w . B u d a p e s t , I n s t i t u t i o n s s t r u k t u r e n nach dem V o r b i l d d e u t s c h e r U n i v e r s i t ä t e n in A t h e n , auch in diesem Fall bis zu den p e r s o n e l l e n Gliederungen



ordentliche,

e b e n s o wie P r i v a t d o z e n t e n .

außerordentliche

und

Honorarprofessoren

418

IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung b) Die Aussagen zu Personen

Eine ganze Reihe von Einzelpersonen, Wissenschafter, die als solche Impulse in den Verbindungslinien hervorgerufen haben, traten hervor: Vuk Karadzic, der für die Verbindung zu mitteleuropäischen Universitäten und gelehrten Gesellschaften steht; Johann Thunmann, der als Nordeuropäer die Verbindung Mitteleuropas zu Südosteuropa in besonderer Weise hergestellt hat, in Richtung der Balkanologie; Sofija Kovalevskaja, Russin und Mathematikerin, Professor an der Stockholmer Universität und erstes weibliches Mitglied der Pariser Akademie; Johann Georg Sulzer, der Schweizer, der als Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften nach Mitau gewirkt hat; Dimitrie Alexandrescu, Aristide Pascal, George Danielopol, die eine Verbindungslinie von Ia$i und Bukarest zur Pariser Rechtsschule repräsentierten; Kopitar, Miklosich und Jagic, die als Südslawen in Wien über Generationen eine Schule eingerichtet und getragen haben. Und neben neuen Konturen für das Bild der Vertreter der Wissenschaft ergaben sich neue auch für das Bild der Studenten: institutionsbezogen die Feststellung von Quantitäten, der nationalen, regionalen und sozialen Herkunft, der fachlichen Ausrichtung. Ein Bild, das besonders für die Universitäten Zürich, München, Prag, Czernowitz, Paris, Padua, Jena, Leipzig, Wien und Graz an Plastizität gewonnen hat; Aufbruchsbewegungen, die in Richtung Ausland führten, wurden im russischen, polnischen, rumänischen und griechischen Bereich besonders verdeutlicht.

2 . D I E BEWEGENDEN KRÄFTE, DIE AUFTRETENDEN SOGWIRKUNGEN UND IMPULSE

Die Hinweise konzentrierten sich vor allem auf fünf Voraussetzungselemente: die Lehrerpersönlichkeiten und Schulen, die ökonomischen Grundlagen, die religiöse Motivation, die national-kulturelle Atmosphäre und die Anrechenbarkeit der Studien. a) Die Voraussetzungen der Forscher- und Lehrerpersönlichkeiten, der Schulen Als Beispiele wurden Karl Krumbacher in München, Ulrich von Wilamowitz-Möllendorff in Berlin, Johannes Scherr in Zürich, Thomas G. Masaryk und eine Reihe anderer Professoren in Prag, Franz von Miklosich, Vatroslav Jagic, Konstantin Jirecek, Josef Matija Murko in Wien und Graz präsentiert. Deutliche Anziehung für ungarische und russische Studenten übten deutsche naturwissenschaftliche Schulen aus, die Wiener medizinische Schule bewirkte ebenso Studentenzustrom nach Wien wie historische Schulen in Richtung Paris und Wien, Kunstakademien in Richtung Paris, Wien und München.

419

Im übernationalen Beziehungsfeld der Studentenströme b) Ö k o n o m i s c h e V o r a u s s e t z u n g e n

D i e R e f e r a t e ö f f n e t e n ein breites Feld v o n Einsichten, b e g i n n e n d bei den L e b e n s h a l t u n g s k o s t e n — so J e n a in dieser B e z i e h u n g k o s t e n g ü n s t i g e r als G ö t tingen o d e r L e i p z i g — , ü b e r g e h e n d z u r S t i p e n d i e n f r a g e , d e r G a s t l ä n d e r wie der H e i m a t l ä n d e r : die F r a g e der U n t e r s t ü t z u n g f ü r s ü d o s t e u r o p ä i s c h e

Stu-

denten in F r a n k r e i c h , Italien, O s t e r r e i c h ; S o n d e r f o r m e n wie die F ö r d e r u n g griechischer S t u d e n t e n in Bayern; private Stipendien wie die K n a f f l - S t i f t u n g in Wien f ü r S l o w e n e n . O f t wichtige, wenn auch nur sektorale f l a n k i e r e n d e M ö g lichkeiten: s o die W o h n m ö g l i c h k e i t b u l g a r i s c h e r Studenten bei a n s ä s s i g e n bulg a r i s c h e n G ä r t n e r n wie in O f e n , P r a g , Brünn und Wien.

c) R e l i g i ö s e M o t i v a t i o n e n Eine

Reihe

von

religiös

bedingten

Strömungsrichtungen,

die

deutlich

w u r d e n — k a t h o l i s c h e P o l e n nach Frankreich, protestantische S l o w a k e n und S i e b e n b ü r g e r S a c h s e n nach J e n a , H a l l e / S a a l e , L e i p z i g , G ö t t i n g e n , M a r b u r g , ref o r m i e r t e M a g y a r e n nach Basel, G e n f , U t r e c h t und E d i n b u r g h , griechisch-orthodoxe Theologen

aus R u m ä n i e n nach C z e r n o w i t z ,

griechisch-orthodoxe

T h e o l o g e n aus G r i e c h e n l a n d in erstaunlich h o h e m P r o z e n t s a t z an protestantische Universitäten nach D e u t s c h l a n d . d ) D i e allgemeine kulturelle u n d kultur-politische A t m o s p h ä r e In nationaler H i n s i c h t vielfach als k o r r e s p o n d i e r e n d a n g e s e h e n , übte auch diese A t m o s p h ä r e A n z i e h u n g k r a f t aus — s o f ü r südslawische S t u d e n t e n in Ric h u n g O d e s s a , M o s k a u , P r a g , aber auch Paris, P a d u a , V e n e d i g , f ü r rumänische in R i c h t u n g Paris u n d T u r i n , f ü r griechische in R i c h t u n g Pisa, f ü r cisleithanische Studenten allgemein in R i c h t u n g Wien. D i e in diesem Fall einschlägigen U r s a c h e n : M u s e e n , S a m m l u n g e n , Archive, Bibliotheken, nationale V e r b ä n d e wie der S o k o l , die i d e o l o g i s c h e S t ü t z e sein konnten, einflußreiche Persönlichkeiten, die sich der Studenten a n n a h m e n , o d e r d e r R u f eines b e s o n d e r s gep f l e g t e n liberalen G e i s t e s . Letzteres galt f ü r M i t a u u n d J e n a , e b e n s o f ü r Zürich, w o die Z u l a s s u n g von F r a u e n z u m S t u d i u m eine R o l l e spielte — N a d e z d a S u s lova aus St. P e t e r s b u r g p r o m o v i e r t e im J a h r e 1867 als erste F r a u an der d o r tigen medizinischen Fakultät. D e n R u f eines

fortschrittlich-demokratischen

G e i s t e s hatte vor allem in südslawischen Studentenkreisen auch P r a g . e) A n r e c h e n b a r k e i t v o n Studien Als Beispiel w u r d e die F r a g e d e r A n r e c h e n b a r k e i t von V o r s t u d i e n f ü r die Universität e b e n s o wie die des U n i v e r s t i ä t s s t u d i u m s f ü r d a s spätere B e r u f s l e b e n

420

IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

präsentiert. So für die Rumänen: die Bereitschaft vor allem in Paris und Turin, die rumänischen Vorstudien anzuerkennen. So die Ausrichtung der Studentenströmungen der Dalmatiner und Krainer: Die Anrechenbarkeit besonders des Jusstudiums für den Staatsdienst ließ sie weniger nach Agram, mehr nach Graz, Wien und Prag ziehen. Als Komplementärinstrument zu den Elementen der Sogwirkung war schließlich die Außenkulturpolitik zu berücksichtigen: von nationaler und national-verwandter Hilfestellung bis zur gezielten kulturpolitischen Expansion mit der Absicht der Schaffung von Abhängigkeiten. Das Instrumentarium: Staatsstipendien, Freiplätze, Entsendung von Professoren, Einrichtung von Schulen, in letzterem Fall Institutionen als Basiseinheiten der Entfaltung. Von besonderer Bedeutung wurde schließlich die Rück- und Auswirkung der Auslandsstudien in der Heimat: Auslandsstudenten gelangten in einem relativ hohen Ausmaß zu Schlüsselpositionen, auch zu politischen Schlüsselpositionen, in ihren Heimatländern. Als Modell wurde besonders angeführt: die Rückwirkung auf die Heimatlaufbahn des Studiums der Serben in Zürich, der Kroaten in Prag, der Slowenen in Graz und Wien, der Bulgaren in Leipzig, der Griechen an deutschen Universitäten. Hingewiesen wurde auch auf das aufkommende Konkurrenzverhältnis der Auslandsstudenten mit den im Inland Ausgebildeten, ja das Aufbrechen sozialer Gegensätze wie in Griechenland. Manche Themen der Tagung wiesen bereits auf mögliche künftige Forschungsrichtungen hin. Systematische, methodisch abgeklärte Ansätze wären freilich wünschenswert — von der Erfassung der Quellenlage bis zu Gruppenarbeiten auf bi- und multinationaler Basis und zu vergleichenden Studien, von der Erfassung von Einzelinstitutionen und Einzelpersonen bis zu der übernationaler Entwicklungsprozesse. An den Universitäten jenes 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts erfolgte ein ständiges wechselweises Geben und Ubernehmen neuer Erkenntnisse, neuer Zielvorstellungen, nicht nur für die Studien- und Fachrichtungen, sondern direkt oder indirekt auch für den Entwicklungsprozeß des gesamten gesellschaftspolitischen Lebens. Ziel der Tagung war es, eine Reihe dieser Beziehungen zu erfassen, als ein Versuch zum besseren Verstehen der übernationalen Partnerschaftsentwicklung von einst, aber auch als ein Versuch zur Weiterentwicklung der Forschungspartnerschaft von heute. Ist ein Schritt in dieser Richtung gelungen, darf das Anliegen der Veranstalter als erfüllt betrachtet werden.

R O B E R T A. K A N N Z U M 70. G E B U R T S T A G

Anfang Januar 1939, an Bord der „Ile-de-France". Eben hatte das Schiff abgelegt und Fahrt aufgenommen, dem offenen Atlantik, Amerika, New York entgegen. Unter den Passagieren ein Wiener, D o k t o r der Rechte, knappe 33 Jahre alt, der gemeinsam mit seiner jungen Frau Europa verließ, um jenseits des Meeres einen neuen Beginn zu suchen. Schwer wogen die Bindungen zur Heimat, die Erlebnisse im alten Kontinent, in seinem Zentrum, in Wien. Da war der Kreis der Familie, alteingesessen in der Haupt- und Residenzstadt, schon in der Zeit vor der Revolution 1848. Aus dem damaligen Einzugsgebiet der Stadt hatten noch die Großeltern gestammt, der Großvater mütterlicherseits aus Eisenstadt, Arzt, einer der ersten Kinderärzte Wiens, die Großmutter mütterlicherseits aus Mödling, der Großvater väterlicherseits aus Preßburg, Kaufmann, die Großmutter väterlicherseits aus Nikolsburg, Die Eltern waren schon in Wien geboren, der Vater war Beamter in einem Textilkonzern gewesen. Der Sohn Robert Adolf war am 11. Februar 1906 zur Welt gekommen. Weitere Bindungen hatten die Lehrjahre geprägt. Die Zeit am Akademischen Gymnasium am Beethovenplatz, das Studium an der Juristischen Fakultät der Universität, und nicht nur bei den Juristen. Die Lehrer, die in der Erinnerung auftauchen, vorbeiziehen, weisen auf den breiten Ansatz der Interessen und Arbeitsrichtungen hin: Kelsen vom Staatsrecht her, Gomperz von der Philosophie, Kluckhohn, Nadler, Castle von der Germanistik, Pribram, Oswald Redlich von der Geschichte, Wenger von der Romanistik. Erinnerungen an eine Atmosphäre, die kaum noch erfaßbar scheint, so an das Seminar bei Voltelini, dem Rechtshistoriker: im dunklen Hörsaal mit Gasbeleuchtung, der Pedell, der ausgerüstet mit langer Stange erscheint, um die an die 4 Meter hoch hängende Lampe zu entzünden, ein mit Südtiroler Anklang brummender Voltelini: „Geb'n S' die Zigarett'n aus 'm Mäul, wenn S' hereinkommen . . ." 1930 erfolgte mit 24 Jahren der erste Studienabschluß: die Promotion zum D o k t o r juris. D a n n die Vorbereitung auf die juristische Laufbahn, vier Jahre Justizdienst, meist in Wien, kurz in Niederösterreich, in Waidhofen an der Ybbs, zwei Jahre Kanzleidienst. Aber der Weg in der Wissenschaft war deswegen nicht beendet. Nicht nur erschienen in diesen dreißiger Jahren erste fachliche Veröffentlichungen — juristischen Charakters —, es gab auch Ansätze in neuer Studienrichtung. Zwar war da ein kurzes Schwanken noch zwi-

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

sehen Germanistik und Geschichte. Aber bald blieb die Geschichte stärker, kamen die Vorlesungen von Pribram, Srbik, Bibl in den Vordergrund — eine Bahn war damit beschritten, die erst in Amerika den Studienabschluß und die Lebensaufgabe zugleich finden lassen sollte . . . Aber noch datierten davor zwei bestimmende Ereignisse in Wien: ein privater Beginn und der erzwungene Abschied. Die private Bindung, die Eheschließung, erfolgte im Januar 1937. Sie war gleichfalls dem Kreis der Stadt entsprungen, alten Beziehungen der Familien; Medizin und Musik, ein Mediziner, Mitarbeiter Freuds — Josef Breuer — und ein Komponist — Ignaz Brüll — hatten von den Großeltern der Gattin her das Familienmilieu bestimmt. Der erzwungene Abschied: 1938, aus einen nationalsozialistisch gewordenen Osterreich. Nun hatte Robert Kann in der „Osterreichischen Anwaltszeitung" bereits einen Artikel über die nationalsozialistischen Reformen im deutschen Strafrecht veröffentlicht gehabt. Auch war Kann einige Jahre hindurch externer Mitarbeiter beim damaligen „Wiener Tagblatt" gewesen. Dem Einmarsch folgten Wochen beklemmender Sorge, bohrender Unsicherheit. Dennoch gelang der harte wie befreiende Schritt in die Emigration ohne wesentliche Schwierigkeiten. Im Juli 1938 erfolgte die Trennung: per Flug nach Zürich. Die nächsten Stationen waren Paris und ab Ende Juli London. Für die Einreise in die USA war ein sogenanntes Affidavit erforderlich, eine Bürgschaft. Sigmund Freud hat sie angeboten, im Hinblick auf den Großvater Breuer, seinen einstigen Mitarbeiter. Die Zeit, der Robert Kann im Januar 1939 an Bord der „Ile-de-France" — voll Hoffnung wie voll Ungewißheit — entgegenfuhr, sollte bald in den Zweiten Weltkrieg münden. Die Kräfte, die eben auch seine Emigration erzwungen hatten, rissen Europa in den Krieg. Noch war es allerdings ein neutrales Amerika, in dem es zunächst — bis 1941 — mit Standort New York um den Ansatz der neuen Berufsbahn ging: einleitend über einen Bibliothekarskurs. Als Plattform für die künftige Arbeit bot sich ab 1941 die Historische Schule des Institute of Advanced Study in Princeton, N. J. Der Tag der Ubersiedlung war der Pearl-Harbor-Day . . . Nun öffnete sich ein breites Arbeitsfeld. Die ersten Arbeiten waren noch zeitbezogen, wie eine Bibliographie zu „Modern War, its Economic and Social Aspects" 1941. Aber schon 1944 schlug deutlich die Geschichtswissenschaft durch: „The Law of Nations and the Conduct of War in the Early Times of the Standing Army". Und da liefen nun auch die Studien und Vorbereitungen zu jenem zweibändigen Werk, das mit seinem Erscheinen 1950 den Durchbruch bedeuten sollte: „The Multinational Empire. Nationalism and National Reform in the Habsburg Monarchy. 1848 —1918", herausgegeben von der Columbia University Press, New York. Ein Förderer stand im Hintergrund, den ebenfalls der alte Kontinent zwar in die Emigration, aber nicht aus der geistigen Rückbeziehung entlassen hatte: Max Warburg, Chef des Hamburger Bankhauses gleichen Namens.

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In umfassender Analyse gewinnen in dieser Arbeit die Bewegungen der zentrifugalen und zentripetalen Kräfte im Reichskörper Gestalt. Da der aufkommende politische Nationalismus der Völker, dort die Pläne und Reformvorschläge im Sinn der Gesamtheit, da die Hinwendung zur nationalen Gruppe als neue, vielversprechende, letztverbindliche Instanz, dort die bis hart an das Ende laufenden Versuche, die nationalen Spannungen zu überwinden und zu einer übernationalen Gliederung im Vielvölkerraum zu gelangen. Der Verfasser erlaubte sich keine Illusionen über den Preis der Erhaltung, über die schließliche T r a g k r a f t der auf Föderalismus oder nationale Autonomie abzielenden Reformen, über die Integrationskraft des Reichsgedankens unter den gegebenen Umständen. Bleibt die einfache wie schwerwiegende Erklärung im Ausklang: „ N u r eines und nur das allein hätte Österreichs Fortbestand voraussichtlich noch f ü r eine Reihe von Jahren, möglicherweise aber sogar f ü r Jahrzehnte sichern können: der Friede." Der Friede, die Bindung der österreichischen Politik an den Frieden, die daraus resultierende Verpflichtung des Bemühens um den Frieden, als letzte Chance — nicht mehr — und zugleich letztes Vermächtnis. Robert Kann hatte inzwischen in Amerika seine neue Existenzbasis gefestigt. Privat: 1942 war ihm ein Sohn, 1948 eine Tochter geboren worden; beruflich: 1946 Dr. phil. an der Columbia University, New York, 1946/47 Vorlesungen an einem College demobilisierter Soldaten, ab 1947 Lecturer an der Rutgers University, der Staatsuniversität von New Jersey. Damit war jene Bahn beschritten, die 1956 zur Position eines ordentlichen Professors an dieser Universität führen sollte. Die damit gleichzeitig gefundene stabilitas loci bleibt freilich nicht undurchbrochen: 1952/53 Research Associate an der Wilson School of International Affairs, Princeton University; 1957 und 1966 Visiting Professor an der Princeton Universtiy; 1962—1964 und 1966/67 Visiting Professor an der Columbia University, New York. Dazwischen ermöglichte eine Reihe von Forschungsstipendien — so als erstes das Guggenheim Fellowship 1949/50 —, zum Teil mit Jahresurlauben verbunden, die Möglichkeit neuer Arbeitsansätze. Und im Frühjahr 1950 kam Robert Kann zum ersten Mal nach dem Krieg wieder nach Osterreich. Kann bearbeitete im Haus-, H o f - und Staatsarchiv in Wien, nachdem ihm Max Hohenberg dazu Erlaubnis gegeben hatte, die Korrespondenz Franz Ferdinands mit Wilhelm II. Noch gab es kein Xerox, noch gab es — von Anfang Mai bis Ende Juni — Hunderte von Seiten abzuschreiben. Die spannungsreiche internationale Lage — der plötzliche Ausbruch des Koreakrieges — bereitete diesem ersten Besuch ein unerwartet schnelles Ende. Dennoch verdichteten sich Kanns Österreich-Aufenthalte in den nächsten Jahren: 1953, 1957 und seit 1960 Jahr f ü r Jahr, manchmal zweimal im Jahr. Wien sandte Einladungen zu Kongressen: 1965 nahm Kann aktiv teil am Internationalen Historikerkongreß, 1968 am Symposion „Herbst 1918", das dem Untergang der Donaumonarchie galt, 1972 am Symposion „Österreich 1927 bis 1938".

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Wien und seine Archive sollten auch weiterhin bestimmend bleiben f ü r Kanns Arbeit, f ü r die Entfaltung eines intensiven Forschungsprogramms. Vom „Multinational Empire" her, das in einer Ubersetzung ins Deutsche in Wien 1964 und im selben Jahr in einer zweiten englischen Auflage und in einer dritten 1970 erschien, waren schon wesentliche Weichen gestellt. Sie führten primär — regional eingebettet in österreichische und mitteleuropäische Geschichte — in drei Hauptbereiche der Forschung: Immer wieder vertiefend kreisen Kanns Arbeiten um die Nationalitätenproblematik im Donauraum, erschließen aber zunehmend zwei neue Bezugsräume, und zwar Fragen der Geschichte der Außenpolitik und der Geistesgeschichte, damit die Zusammenhänge zwischen innen- und außenpolitischer Entwicklung einerseits und dem geistigen Hintergrund der Zeit andererseits verdeutlichend. Weltweite Aspekte der allgemeinen Geschichte kommen ergänzend zur Geltung. Die Nationalitätenproblematik führte — wie der erste Ansatz in Richtung Franz Ferdinand schon deutlich machte — nun zu den auf diesem Feld bestimmenden Persönlichkeiten und damit in zahlreichen Aufsätzen zu wertvollen Ergänzungen und zu neuen Konturen in deren Portraits. Da taucht aus vielseitigen Untersuchungen in einer ganzen Studienfolge der auf seine Haltung zu den einzelnen Nationalitäten und Nationalitätenfragen angesprochene T h r o n folger auf. D o r t ist es ein deutsch-böhmischer Bischof, Wenzel Frind, der zur Sprachenfrage Stellung nimmt, eine Stimme aus der Arena der Nationalitätenkämpfe, und hier schließlich Karl Renner, sein „Beitrag zur Lösung nationaler Konflikte", seine Pläne zum Selbstbestimmungsrecht und zugleich zur „Überwindung des nationalen Prinzips im reinen Nationalstaat durch den mehrnationalen Nationalitätenstaat" — Ideen, die sich freilich nicht durchzusetzen vermochten. Kann begnügt sich nicht mit solcher Feststellung, stellt sofort die Frage nach dem Warum: unter Absenz „logischer Fehlschlüsse" in Renners Programm das „Versagen einer traurigen Wirklichkeit gegenüber einer noblen Illusion". Eine österreichische Illusion. Kann sucht ihren Kern. U n d er findet ihn „auf dem edlen Glauben an den Sieg der Vernunft in den menschlichen Beziehungen im einzelnen wie in Gruppen aufgebaut". U n d er „beruhte weiters auf der Annahme, daß Menschen gleichberechtigt sein sollen, weil sie vom humanitären Standort der Aufklärung aus gesehen gleichwertig sind". D a ß sie wohl „gleichwertig" in diesem Sinne, aber in ihren „Fähigkeiten und Bestrebungen" nicht gleich sind, daß die V e r n u n f t sich letztlich allzuoft nicht durchgesetzt, läßt den Forscher ebenso wie den erfahrungsreichen Österreicher in Kann den Bogen schlüssig bis zur Gegenwart schlagen: „Auf das Versagen dieser Illusion ist im wesentlichen der beängstigend virulente Siegeszug des nationalen Prinzips in der Gegenwart mit manchen guten, aber wohl mehr unheilvollen Folgen zurückzuführen." Es ist eine Fülle von weiteren Problemstellungen, welche die D o n a u m o n a r chie den Forscher ausloten läßt. Neben den bestimmenden Personen selbst sind

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es die Rechtsebenen, auf denen jene Personen sich zu bewegen hatten, die den gelernten Juristen naturgemäß anziehen mußten: vom „Austro-Hungarian Compromise of 1867" bis zum Komplex des Nationalitätenrechts. Den H o c h schullehrer wieder mußte die ebenso nationalitätenrelevante Frage „Hochschule und Politik im österreichischen Verfassungsstaat, 1867—1918" bewegen, den distanziert wägenden Wiener „Die Frage der Einheit der östlichen Länder in der Habsburger-Monarchie". In zeitlicher Hinsicht aber warfen sich Fragen aus Epochen vor 1848 auf, dem 18. und dem frühen 19. Jahrhundert: Arbeiten über Kaiser Franz I., dann „The Aristocracy of the Habsburg Empire in the 18th Century" und zum Empire of Austria 1740—1867 ein Artikel in der Encyclopaedia Britannica. In geographischer Hinsicht ausgreifend, entwickelte Robert Kann in seinen Studien ein einschneidendes Gruppenproblem weit über den österreichischen Rahmen hinaus, das der Juden: noch im Rahmen Österreich-Ungarns das der ungarischen und der deutschen Juden 1867 bis 1918, Deutschland und Frankreich erfassend dann „Assimilation and Antisemitism in the German-French Orbit in the 19th and early 20th Century". In vielfacher Weise waren nun die Grenzen der Nationalitätenpolitik als innenpolitische Frage bereits gesprengt, schon hatte sich der Ubergang in die Außenpolitik der Donaumonarchie ergeben. Von den Personen her: Franz Ferdinands Beziehungen zu Berchtold, zu O t t o k a r Czernin, zu Wilhelm II. Von den Sachlagen her: der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der Untergang der Donaumonarchie. Den ganzen Kontinent erfassend, wurde die Frage nach den Folgen dieses Untergangs im europäischen Gleichgewicht gestellt. U n d dann die Frage nach den letzten diplomatischen Versuchen, diesen Untergang samt den Folgen zu verhindern: In einer Monographie wurden die entsprechenden Bemühungen über die Fronten in zwölfter Stunde erfaßt, in ihrer Mitte jenes Ereignis, das zu einem der spektakulärsten und umstrittensten außenpolitischen Schritte des Krieges geworden war: „Die Sixtusaffäre und die geheimen Friedensverhandlungen Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg". Habsburgs letzte verzweifelte außenpolitische Aktion aber entbehrt nicht der breiten Hintergrundstudie: Die Frage, was Könige, Kaiser, Dynastien und ihre wechselseitigen Beziehungen auf europäischer Ebene im Kräfteverhältnis der Mächte bedeuteten, inwieweit sie losgelöst von den Systemen zu agieren vermochten, von ehelichen Querverbindungen bis zum Aufruf „An meine Völker!", von der Einflußnahme der Königin Victoria in Berlin bis zur „WillyNiki-Korrespondenz", mündete in die Arbeit „Dynastie Relations and European Power Politics (1848 — 1918)". Kann sah die Essenz dieser Beziehungen „neither in personal contacts nor in the so-called monarchic solidarity to maintain and achieve common objectives", sondern vielmehr innerhalb jenes Systems der Mächtepolitik in „a matter of common allegiance to self-preservation". Das Menschliche trat in den Vordergrund. Der regionalen Spannweite in Kanns Studien zu Fragen der Außenpolitik aber entspricht auch in diesem Fall

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die zeitliche: Von einer Studie über „Metternich: a Reappraisal of his Impact on International Relations" bis zu der in Gemeinschaft mit anderen Forschern in Princeton bearbeiteten hochaktuellen Problemstellung der Gegenwart: „Political Community in the North Atlantic Area: International Organization in the Light of Historical Experience". Läßt Kann in keinem Augenblick vergessen, wie sehr Innen- und Außenpolitik von den handelnden Personen abhängen, ihren Stärken und Schwächen, ihren gegebenen oder mangelnden Fähigkeiten, so sucht er auch geistesgeschichtliche Zusammenhänge aus der Konfrontation zwischen Mensch und Umwelt, aus der Biographie zu entwickeln. Er legt die Sonde an den Menschen, um über und durch ihn an das Ideengefüge zu gelangen, es zu analysieren und zu prüfen. Das stärkste Beispiel: „Kanzel und Katheder". In dieser Monographie läßt Kann aus dem weiten Entwicklungsbogen vom Spätbarock über die Aufklärung zur Frühromantik die Gestalten zweier Männer hervortreten: die Abraham a Santa Claras und Joseph von Sonnenfels' — des Hofpredigers des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts, der wie kein zweiter seiner Zeit in seiner rhetorischen Fulminanz breite Schichten städtischen Kleinbürgertums anspricht und fortreißt, der in der Form moderne Massenbeeinflussung und im Inhalt soziale Wertordnungen mancher späteren Strömung vorwegnimmt; und jenes der Aufklärung verhafteten Reformators des 18. Jahrhunderts in seiner Verbindung von jüdischem Intellektualismus und radikalem Reformbestreben, auch sein Werk von der Wirtschafts- und Sozialfrage bis zu der der Kunst — ein Bindeglied zur Zukunft. An solche Wirkung, letztlich an den Zug zum Fortschritt, setzt Kann die Wertmarkierung für Werk und T a t an; mehr noch: von solchem Zug aus folgt er Strukturen und Phasen, zeichnet er Zyklen geistesgeschichtlicher Abläufe, damit des historischen Wandels überhaupt . . . Daß Robert Kann in seinen geistes- und kulturgeschichtlichen Arbeiten nicht selten an Berührungspunkte zur Vergangenheit der eigenen Familie anzuknüpfen vermag, darf zweifellos als ein zusätzlicher Ansporn gewertet werden, sicher als ein Aspekt besonders inniger Beziehungen zum Vorhaben — so der Band „Marie v. Ebner-Eschenbach — Dr. Josef Breuer. Ein Briefwechsel, 1889—1916". Die Vielfalt der Interessen des Forschers geht freilich über solche Beziehung weit hinaus. Eine Reihe von Aufsätzen führt zu Wolfgang Menzel und Friedrich Julius Stahl, zu Arthur Schnitzler und Hermann Broch — neben Hans Kohn eine der persönlichen Verbindungen im Bereich der Emigration. Ein weiterer Aufsatz öffnet den Hintergrund des habsburgischen Kaiserstaates in seiner Beziehung zur Zeit und zum Werk von Anton Maulbertsch. Und dann nochmals ein Lebenslauf in Briefen und Aufzeichnungen, der aus feinsinniger, vornehmer Familienatmosphäre heraus zugleich intimen Zugang zu den geistigen und politischen Perspektiven der letzten Jahrzehnte der Donaumonarchie vermittelt: „Theodor Gomperz, ein Gelehrtenleben im Bürgertum der Franz-Josefs-Zeit". Uber die Person und Familie des Historikers

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d e r klassischen Philosophie, des Verfassers der „Griechischen D e n k e r " , entsteht ein aufschlußreiches Bild der P r o b l e m b e z o g e n h e i t jener J a h r e u n d jener Kreise, Fragen der Entwicklung d e r Innenpolitik in der D o n a u m o n a r c h i e ebenso wie die des Antisemitismus, der D r e y f u s - A f f ä r e , der Verhältnisse an der Universität in Wien wie der Gesellschaft in Karlsbad und der Kollegen in den europäischen Universitätsstädten, Fragen, die sich spiegeln in Persönlichkeiten wie M a s a r y k u n d Billroth, H o f m a n n s t h a l u n d Saar und die bis z u m KaiserT o a s t am 18. A u g u s t in M a d o n n a di Campiglio o d e r z u m J a h r g a n g s t r e f f e n der Brünner Gymnasiasten f ü h r e n . . . Szenenfolgen in seltener Subtilität — eine leise g e ö f f n e t e T ü r in eine den meisten schon ferne, nun nochmals ganz nahe herangerückten Welt. Es w a r ein Blickwinkel, der selbst die M i n i a t u r noch in Klarheit miterfaßt. U n d d e n n o c h hat K a n n , immer wieder von der Einzelstudie auf Distanz zur ü c k t r e t e n d , m a n c h m a l — wie wir sahen — k o r r e s p o n d i e r e n d im selben Band, es nicht versäumt, den großen Bogen der Gesamtdarstellung zu suchen. Tief angesetzt in der österreichischenVergangenheit präsentierte er in weit ausholenden, z u s a m m e n f a s s e n d e n Perspektiven die M o n o g r a p h i e n „ T h e H a b s b u r g Empire: A Study in Integration and Disintegration", einschließlich einer U b e r setzung ins Deutsche, u n d eine jüngste u m f a n g r e i c h e Arbeit: „A History of the H a b s b u r g Empire, 1526—1918". Dabei ging es s o f o r t auch um das Erfassen der W e i t e r b e w e g u n g über 1918 hinaus: V o n der österreichischen Ebene ausgeh e n d , verfolgte K a n n , die zeitliche Spannweite bis unmittelbar an die Gegenw a r t h e r a n f ü h r e n d , in einer Reihe von Studien die Frage der N a c h f o l g e , des Erbes, der weiterwirkenden T r a d i t i o n , nicht zuletzt in den T e n d e n z e n der demokratischen Prinzipien. H a t Kann in seinen mitteleuropabezogenen Arbeiten den gesamteuropäischen u n d allgemeingültigen H i n t e r g r u n d zu w a h r e n nie verabsäumt, stieß er d a r ü b e r hinaus schließlich zu T h e m e n s t e l l u n g e n der allgemeinen Geschichte u n d der historischen M e t h o d i k vor: zur Frage des Föderalismus, zu „Public O p i n i o n Research" als Beitrag zur historischen M e t h o d e , „ Z u r Problematik der Zeitgeschichte" an sich. U n d d a n n , vor allem in Fortsetzung der Studien „Wandel und D a u e r im D o n a u r a u m " und „Was heißt Restauration?", e r f a ß t e K a n n 1968 (1974) dieses letztere T h e m a , das auch in seiner n u n breiten K o n zeption einen A n f l u g jenes O s t e r r e i c h g e d a n k e n s impliziert, der um ein zunächst gelöschtes Rollenbild kreist: „Die Restauration als P h ä n o m e n in der Geschichte": D e r R e s t a u r a t i o n s p r o z e ß als dynamischer V o r g a n g der Geschichte, w o h l die Vergangenheit als ein ihn wesentlich bestimmendes Element, das Ergebnis aber eine Synthese, kein Abbild, ein „durch die E h r f u r c h t vor den W e r t e n der Vergangenheit modifizierter W a n d e l " . Die daraus resultierende Botschaft: „ D a ß alles, was in vergangener Zeit unser war, in gewandelter Form nicht verloren ist, u n d alles, was k o m m e n wird, ebenso in der einen o d e r anderen Form unser bleiben wird." T r o s t , w o der Revolutionär die T r a g i k zu er-

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

kennen meint: Der Griff nach dem Absoluten, der sich in den Gegebenheiten seiner Zeit verfängt. Ortegas Mensch, der Anspruch bleibt. Es zählt zu Robert Kanns besonderer Leistung, daß er in seinem bisherigen Werk jenen nicht geringen Anspruch, den er an sich selbst stellte, weitgehend, wie es nicht vielen gegönnt ist, in die Tat umsetzen konnte. Zahlreiche Funktionen und Ehrungen unterstreichen die Wertschätzung, die ihm in Amerika wie in Osterreich entgegengebracht wird: Obmann der Sektion für mitteleuropäische Geschichte der American Historical Association 1964, Exekutiver Sekretär des Committee for Research on the Habsburg Monarchy, daselbst 1968 —1971, Korrespondierendes Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften im Ausland seit 1968, Ehrendoktor der Universität Salzburg seit 1972 und jüngst eine der höchsten Auszeichnungen, die sein Heimatland zu vergeben hat: das „Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Osterreich" 1975. Daß Robert Kann über die großen Zusammenhänge, die er in seiner Arbeit zog, stets den Zug zum Menschen und damit zum Verstehen bewahrte, aber ehrt ihn über diese Würdigungen hinaus in letzter Konsequenz. Diese Haltung, die zugleich das Wesen der Persönlichkeit Kanns widerspiegelt, ist wohl auch mit der letzte Grund für die Verehrung durch seine Studenten, ihre Generationen nun schon, in Amerika wie in Osterreich, in Wien nicht zuletzt von der Gastprofessur 1973/74 her. Was er vor allem in der amerikanischen Öffentlichkeit über diese seine Schüler und durch sein Werk zum Verständnis gerade der Geschichte Österreichs in Verbindung mit Ostmitteleuropa beigetragen hat, und dies jederzeit — selbst in leidvollen Tagen — in vornehmer, nobler, vom raschen Wechsel der politischen Konstellationen distanzierter Weise, ist kaum zu überschätzen.

IN MEMORIAM T H O R V I ECKHARDT

Die Bilder ihrer Wohnung verrieten ihre Herkunft: Der Vater Victor Eckhardt von Eckhardsburg war akademischer Maler gewesen, und er war der Tradition der altösterreichischen Prager Offiziersfamilie zumindest indirekt, im Genre, verhaftet geblieben — Pferde und Lagerszenen, Portraits und Landschaften aus dem weiten Rund der Donaumonarchie bis tief in deren Süden, Mostar, Castelnuovo und Cattaro, und jenseits der Grenze Cetinje . . . Ihre Heimat war das schöne Vorland am Südrand Wiens: In Perchtoldsdorf verbrachte Thorvi Eckhardt, am 21. Februar 1921 in Wien geboren, die Kindheit, in Mödling besuchte sie das Realgymnasium. Nach der Matura 1939 setzte die Ausbildung an der Hochschule ein: zunächst Studium der romanischen und slawischen Philologie an der Universität Wien. Kein selbstverständliches, ein von Anfang an durch eigenen Nebenerwerb mitfinanziertes Studium. Die Aneignung gründlicher Sprachkenntnisse forderte den Ortwechsel: Das Jahr 1942 verbrachte die Studentin mit Stipendium an der Universität Sofia, am byzantinisch-neugriechischen Seminar. In München setzte sie ihr Studium in Richtung Sprachen und Kunstgeschichte fort. Einschnitt des Krieges: Die in München eingereichte Dissertation samt Unterlagen ging im Zuge der Kriegsund Nachkriegsereignisse verloren, die Rigorosen wurden unterbrochen. Familiäre Umstände riefen zurück nach Wien: In Wien war der Vater verstorben, die Mutter bedurfte der Hilfe. Wien wurde nun auch Ausgangspunkt der Laufbahn: Ab 1948 arbeitete Thorvi Eckhardt als wissenschaftliche Hilfskraft, dann als Assistentin an der Universität am Seminar und späteren Institut für osteuropäische Geschichte und Südostforschung. Sie verfaßte eine zweite Dissertation, und 1951 erfolgte die Promotion. Inzwischen vermittelte die Führung des Sekretariats der Zeitschrift „Blick nach Osten" auch erste redaktionelle Erfahrung. Mit jener redaktionellen Tätigkeit hatte Thorvi Eckhardt erstmals eine Aufgabe übernommen, die über ihr eigenes Fachgebiet hinaus dem Fachwissen über Ost- und Südosteuropa im allgemeinen galt. Von 1962 an führte sie die Chefredaktion der hier vorliegenden Zeitschrift des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts, der „Österreichischen Osthefte". Damit, von der Auswahl der Mitarbeiter über eine lange Reihe eigener Beiträge bis zur Ausrichtung der Ziele und des Charakters der Zeitschrift, war sie bestimmend für den Aufbau eines Organs, das sich ebenso als Mittler österreichischer Forschungs-

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

ergebnisse und Standpunkte wie als Bindeglied zwischen Ost und West erweisen und insgesamt weitgehend zum Ausbau der wissenschaftlichen Beziehungen Österreichs mit den Staaten Ost- und Südosteuropas beitragen sollte. Lange Jahre gehörte Thorvi Eckhardt auch dem Vorstand des Instituts an. Von 1958 bis 1965 hatte sie außerdem die Reihe Kultur der „Wiener Quellenhefte zur Ostkunde" redigiert. An der Universität, im Institut für osteuropäische Geschichte und Südostforschung, dem heutigen Institut für Ost- und Südosteuropaforschung, war Thorvi Eckhardt seit 1966 Mitherausgeberin des „Wiener Archivs für Geschichte des Slawentums und Osteuropas". 1968 erfolgte die Habilitation, 1973 die Ernennung zum außerordentlichen Universitätsprofessor. In einer aufschlußreichen Aktenveröffentlichung hatte Thorvi Eckhardt bereits 1959 die Frühzeit dieses ihres Instituts gewürdigt: „Zur Geschichte des Seminars für osteuropäische Geschichte der Universität Wien im ersten Jahrzehnt seines Bestandes 1907—1918. Ausgewählte Akten und Regesten", eine Aktenauswahl aus den Archiven der Universität Wien und des Instituts, ein Einblick in die Geschichte der Entwicklung des Faches, der Pionierleistung des ersten Seminarvorstands Joseph Constantin Jirecek, zugleich ein Stück alt-österreichischen Universitätslebens. An der Universität — in der ganz anderen Zeit der Nachkriegsjahre nach dem Zweiten Weltkrieg — entstand auch Thorvi Eckhardts Œuvre. Es entsprang Jahren beständiger, oft die Nacht erfassender Arbeit, da das Institut zu ihrem Zuhause wurde. Es entsprang echter Entdecker- und Erzählerfreude, der seltenen Gabe auch, den Leser am Spiel des Kombinierens, am Einkreisen des quellenmäßig faßbaren Sachverhalts teilnehmen zu lassen, oft zwanglos in der Sprache, im Ton, aber nie ohne sorgfältig abgewogene Schlüsse in der Sache. Es entsprang einer Forschernatur, die ihre Schwerpunkte vor allem in drei Richtungen fand und setzte: in der Paläographie, in der Kirchen- und in der Kunstgeschichte. Und es entsprang einer Geschichtsauffassung, die, so zeitlich tief die Studien auch schöpften, doch stets gegenwartsverbunden blieb und die — mit Exkursen bis in die Zeitgeschichte — immer wieder an das Heute, an das eigene Erleben anschloß. Thorvi Eckhardt zählte — so bestätigte Josef Hamm anläßlich ihrer Habilitation — „zu den besten Kennern der slawischen Paläographie im Westen". Ein erster Aufsatz über „Neue Objekte und neue Wege der russischen Paläographie" aus dem Jahre 1954 setzte sich über eine Reihe von Abhandlungen fort — „Napomene o grafickoj strukturi glagoljice", eine Studie über Entwicklung, Stilformen und Stilwandel der Glagolica; „Ustav. Glossen zur paläographischen Terminologie", eine von der ältesten Form der Kyrillica, parallel dazu von der Unziale ausgehende Abhandlung zur Problematik terminologischer Begriffsinhalts- und Begriffsabgrenzungsfragen; „Die Reduktion als Gestaltungsprinzip der glagolitischen Initialien", ein dem engagierten Kunstverständnis der

In memoriam Thorvi Eckhardt

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Autorin entspringender Beitrag zur mittelalterlichen Initialornamentik; eine späte, letzte Arbeit in dieser Richtung noch aus dem Jahre 1977, über den „Göttweiger Bukvar' und das zweite Wiener Ulozenie", Objekte, die Anreiz zum Formenvergleich, zur Entschlüsselung und Datierung ebenso wie zur Demonstration der Fülle der Varianten der Kyrillica boten. In der Habilitationsschrift „Azbuka. Versuch einer Einführung in das Studium der slawischen Paläographie" faßte Thorvi Eckhardt ihre in eingehender Durchdringung der Materie gewonnenen Erkenntnisse zusammen: eine Arbeit, die mit der Frage der Priorität der Kyrillica oder Glagolica einsetzt und zugunsten der letzteren entscheidet und die mit für die Slawistik neuer Methode paläographischer Analyse und auch mit neu vorgelegtem Material, Texten aus bisher wenig beachteten Archivbeständen, in der politisch wie kulturhistorisch besonders schwerwiegenden und souverän aufgerollten Kyrillica-Abhandlung ihren Höhepunkt findet. Wie sehr Thorvi Eckhardt die Ansätze zu ihren Studien der slawischen Alphabete in allgemein gültigen Voraussetzungen für die Entstehung von Schrift und Alphabet zu verankern wußte, zeigen ihre „Theorien über den Ursprung der Glagolica" auf. Mit sichtlicher Genugtuung folgte sie den Thesen, die den schöpferischen Willen aufgriffen, dem Prinzip der „Erfindung", und sie blieb voll Skepsis gegenüber Versuchen, aufgrund der „Ähnlichkeit in graphischen Formen" „die Ableitung einer Schrift aus einer anderen" nachweisen zu wollen, im besonderen auch die Ableitung der Glagolica aus einem bestehenden Alphabet zu betreiben. Und sie versuchte, I. J. Gelbs Theorie der Entwicklung einer jeden Schrift „nach festen allgemeinen Gesetzen", in Vorstufen und Stufungen, an konkretem Modell zu folgen: an den archäologischen Funden im südlichen Rußland, im Schwarzmeergebiet, den zagadocnye znaki. Wie hoch Thorvi Eckhardt den Stellenwert der paläographischen Analysen in deren allgemein historischem Bezug vor allem in sich überschneidenden Kulturbereichen ansetzte, läßt sie, im Rahmen der westlichen Kyrillica, in ihrer „Bosancica"-Abhandlung, nicht zuletzt im Exkurs über die „Franziskanische Kanzlei-Bosancica" erkennen: „Alphabete sind Kulturgut und brauchen Mäzene bzw. politische Beschützer." Dies scheint dort problemlos, „wo ein Alphabet unbestritten allein herrscht . . ." In gemischtalphabetischen Gebieten jedoch, wie im bosnischen Raum, „kann das Schicksal der Alphabete zum selbständigen, sehr anregenden und aufschlußreichen Objekt der Geschichtswissenschaft werden, der Kulturgeschichte, ja sogar der Zeitgeschichte". Wie sehr eben die jüngere und jüngste Geschichte sich solcher Frage anzunehmen vermag, konnte Thorvi Eckhardt anhand eines kirchengeschichtlichen Gedenktages aufzeigen — der 1100. Wiederkehr des Jahres, in dem Kyrill und Method nach Mähren kamen: „Die slawischen Alphabete im Spiegel der Ideologien", ergänzt in einem ausführlichen Exkursionsbericht: „Eine Reise zu den Quellen der kroatischen nationalen Kultur." Von Rostislavs Situation, die

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

zur Bitte an Michael III. führte, von des Kaisers Wahl, die auf jene beiden Brüder fiel, die nicht nur theologisches Wissen, sondern auch slawische Sprachkenntnisse aufzuweisen hatten, untersucht Thorvi Eckhardt den Basisvorgang bis zum „kühnen Beginn, eine ,lingua barbara', eine barbarische, literarisch nicht ausgebildete Sprache liturgiefähig zu machen", bis zur Frage der „Einführung der Volkssprache in die Liturgie", ein gerade in jüngster Zeit erneut diskutiertes Problem der Kirche. Die seinerzeit notwendige Voraussetzung: der Entschluß, „für die Sprache eines bis dahin schriftlosen Volkes ein eigenes Alphabet" einzusetzen, wahrscheinlich „zu erfinden", d. h. „für eine neue Sprache auch ein neues Alphabet zu schaffen"; verständlich — aus der Spracherfahrung der Brüder — der Entschluß, erstaunlich die Vollkommenheit der Umsetzung in die Tat, gewaltig die Folgen dieser erstmaligen Fixierung der kirchenslawischen Sprache: die Ausbreitung der Tradition, die Entwicklung eines ganzen Kulturkreises. Eine Spätfolge in der jüngeren Geschichte und Historiographie: die Ideologisierung des Problems, sein Aufgreifen im Geiste nationaler Ambitionen. Eine Fülle daraus resultierender Fragen: „Die Entstehung der slawischen Schrift wurde zum Politikum — hatte Byzanz, hatte Rom das größere oder zumindest das erste Verdienst um die Christianisierung der Slawen und die Anfänge der slawischen Kultur?" Wie hoch war der westliche Anteil im Sinn der Conversio Bagoariorum et Carantanorum anzusetzen? Wie nachhaltig war die Unterstellung der Brüder unter Rom zu bewerten? Ihre Tradition wirkte nicht zuletzt auf westkirchlicher Seite, von Sympathieimpulsen für das orthodoxe Rußland in Böhmen im 19. Jahrhundert bis zum Glagolismus in Kroatien, dazu eine Reihe von Ansätzen im Streben nach Überwindung der kirchlichen Gegensätze im Slawentum, die aus dem gemeinsamen kyrillo-methodianischen Erbe entwickelt werden sollten, von den Initiativen des Bischofs J. J. Strossmayer bis zur Academia Velehradensis. Parallele zur Gegenwart, zum II. Vatikanum, im Seitenwechsel der Argumentationen: Da, auf dem Konzil der 60er Jahre, wurde die Einführung der Volkssprache in die Liturgie „gerade vom deutschen Episkopat mit so großem Nachdruck vertreten und vom italienischen eher zögernd akzeptiert", dort, vor mehr als 1000 Jahren, wurde Kyrills Neuerung „zwar von Rom gebilligt, aber nördlich der Alpen Gegenstand wechselseitiger Verketzerung . . ." Thorvi Eckhardts Aufsätze zur Kirchengeschichte in Südosteuropa münden fast durchwegs in die Situation der jüngsten Zeit. Mit wachsamem, kritischem Blick, von tiefer Kenntnis der Lage wie der historisch gewachsenen Zusammenhänge getragen und mit klarem eigenem Standpunkt verfolgte sie in einer Reihe von Aufsätzen die Entwicklung der Kirchen — im katholischen Bereich bis zu den differenzierten Bemühungen, staatsrechtliche Vereinbarungen mit dem Vatikan herbeizuführen, um über die eingetretene Konfrontation mit dem staatsideologisch abgestützten Atheismus hinaus erneut gewisse Ausgangspositionen für das eigene Wirken zu gewinnen.

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In memoriam Thorvi Eckhardt

Z w e i P h a s e n j ü n g s t e r K i r c h e n g e s c h i c h t e in J u g o s l a w i e n — die A u s e i n a n d e r s e t z u n g bis 1961 u n d die anschließende E n t s p a n n u n g , „ K i r c h e n k a m p f

und

Priestervereine" u n d „ E r s t m a l s Zeit z u m A t e m h o l e n " — e r ö f f n e t e n eine u m s o d i f f e r e n z i e r t e r e P r o b l e m a t i k , als es sich dabei nicht allein u m d a s Verhältnis z w i s c h e n K i r c h e u n d S t a a t handeln k o n n t e , s o n d e r n um „ d i e N a c h w i r k u n g e n u n d teilweise auch noch d a s F o r t b e s t e h e n uralter Rivalität zweier K o n f e s s i o n e n , die sich b e i d e noch d a z u national identifizieren". Z u g u m Z u g wird die E n t w i c k l u n g d e r Zeit nach dem Zweiten W e l t k r i e g deutlich — v o n jener ersten B i s c h o f s k o n f e r e n z im H e r b s t 1945 unter V o r s i t z v o n E r z b i s c h o f Stepinac über die a u f k o m m e n d e n Priestervereinigungen u n d den S t a n d des

Priesternach-

w u c h s e s wie der P r i e s t e r v e r s o r g u n g bis zu j e n e m V o r s c h l a g des E p i s k o p a t s von 1960 an die R e g i e r u n g , einem „ V o r s c h l a g z u r N o r m a l i s i e r u n g d e r B e z i e h u n g e n zwischen K i r c h e u n d S t a a t auf d e r Basis eines m o d u s vivendi". U n d bis auch z u r eingetretenen E n t s p a n n u n g , z u r ersten Fixierung und vorsichtigen Erweiter u n g des W i r k u n g s k r e i s e s der K i r c h e , z u r D u r c h s e t z u n g des E p i s k o p a t s g e g e n ü b e r den Priestervereinen, z u r E n t f a l t u n g des kirchlichen P r e s s e w e s e n s und N e u b e l e b u n g d e r O r d e n , freilich unter vielen U n z u l ä n g l i c h k e i t e n und R ü c k s c h l ä g e n , b e t r e f f e n d Priestermangel wie Religionsunterricht, s i n k e n d e

Ehe-

m o r a l wie K i r c h e n n e u b a u t e n . W a r es, wie im W e s t e n m a n c h e rügten, „ N a c h giebigkeit g e g e n ü b e r d e m R e g i m e " ? — T h o r v i E c k h a r d t , p r o b l e m v e r t r a u t u n d e n g a g i e r t wie k a u m eine, setzte nüchtern d a g e g e n : „ D o c h w a s heißt hier N a c h giebigkeit als d e r V e r s u c h , d a s U b e r l e b e n der K i r c h e zu sichern . . ." U n d jene „ n a t i o n a l e I d e n t i f i k a t i o n " der K o n f e s s i o n , die F r a g e der Verbind u n g v o n N a t i o n u n d G l a u b e n ? — D i e F r a g e , die d u r c h d e n P a p s t b e s u c h in P o l e n in diesem J a h r in ihrer B e d e u t u n g neu unterstrichen erscheint, f a n d dort, mit Blick auf J u g o s l a w i e n u n d seine vielschichtigen

Nationalitätenprobleme,

z u r ü c k h a l t e n d e Beurteilung: „ D i e K i r c h e n g e s c h i c h t e d e r S ü d s l a w e n liefert jed e n f a l l s einige Beispiele f ü r die R e g e l , d a ß in einer allzu engen V e r b i n d u n g von N a t i o n a l i t ä t u n d G l a u b e , S t a a t u n d K i r c h e , mit einem W o r t Politik und Relig i o n , f r ü h e r o d e r s p ä t e r die weltlichen Interessen die O b e r h a n d g e w i n n e n . " U n d d a m i t m a g a u c h f ü r J u g o s l a w i e n gelten, w a s in m a n c h e n u n d keineswegs nur unter atheistischen V o r z e i c h e n stehenden R e g i m e n in d e r Welt sich f ü r die K i r c h e als z w e c k e n t s p r e c h e n d e r erwiesen hat: „ S o wird f ü r die Z u k u n f t der katholischen K i r c h e in J u g o s l a w i e n nicht w e n i g auch d a v o n a b h ä n g e n , o b es gelingt, diese historischen H y p o t h e k e n a b z u b a u e n und die A u s e i n a n d e r s e t z u n g zwischen einem atheistischen R e g i m e und d e m E v a n g e l i u m Christi aus überholten K o n s t e l l a t i o n e n h e r a u s z u f ü h r e n . " D a r s t e l l u n g e n d e r K i r c h e n e n t w i c k l u n g bis in die neueste Zeit e r f a s s e n weitere L ä n d e r : O r t h o d o x i e und K a t h o l i z i s m u s , Bulgarien u n d R u m ä n i e n , auch die S o n d e r e n t w i c k l u n g d e r O r t h o d o x i e im m a k e d o n i s c h e n Bereich.

Neben

s e l b s t ä n d i g e A u f s ä t z e treten a u s f ü h r l i c h e R e z e n s i o n e n , wie z u r G e s c h i c h t e der K i r c h e in B ö h m e n — „ B o h e m i a s a c r a " .

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Paläographie und Kirchengeschichte verbanden von Anfang an, denken wir nur an die Initialornamentik, mit der Kunstgeschichte. Lebhaft, wach, kritisch, verfolgte Thorvi Eckhardt, was an Initiativen und Forschungsergebnissen zu diesem Thema, vor allem im Hinblick auf kirchliche Kunst und Ost- und Südosteuropa, präsentiert wurde. Sie würdigte die einschlägigen Sonderausstellungen, ob sie im Kunstgewerbemuseum in Zagreb die „Minijatura u Jugoslaviji" besichtigte; ob sie im Münchner Stadtmuseum „Rumänische Volkskunst, Hinterglas-Ikonen und Holzschnitte" bewunderte, froh über die auffallend „große Zahl der jugendlichen Gäste", zufrieden, daß „die künstlerisch schaffende Jugend Münchens sich bei der Kunst eines Volkes Anregungen holt, von dem sie kaum viel in der Schule gelernt hat . . ." Sie setzte sich immer wieder mit der einschlägigen Literatur auseinander, ob es schon 1949 die Arbeiten Nikola Mavrodinovs zur Geschichte der bulgarischen Malerei waren, ob sie in „Byzanz und die Kunst der Südslawen", vom Makedonischen ausgehend, zur von nationalen Akzenten nicht immer freien Diskussion um die einschlägigen Einflußzonen Stellung nahm, ob sie einen Band über „Frühe Ikonen vom Balkan" als willkommene Ergänzung zur Literatur über byzantinische und russische Ikonenkunst begrüßte, ob sie aus jener Berichterstattung zum russischen Bereich Lazarevs Studie „Feofan Grek i ego skola" heranzog, ob sie Lob spendete — „Meister der Ikonen" — oder ob sie sich gegenüber dem rasch zunehmenden Anbot — „Die beliebten Ikonen" — mit liebenswürdiger Ironie kritisch zu urteilen veranlaßt sah. Ein reizvoller Gegenaspekt: „Die europäische Kunst in sowjetischer Wertung", eine Analyse, die in kurzen Zügen den Bogen von dem der Ausbildung an der Akademie für bildende Künste zugrundeliegenden Lehrplan bis zur gesellschaftspolitischen Problemstellung zieht. Ein eigener Beitrag in Buchform über die Ikonenmalerei: „Engel und Propheten", eine Studie anhand der Bestände des Ikonenmuseums Recklinghausen, eine verständnisvolle Einführung in die Typenwelt der in der Ostkirche weihe- und würdevoll gezeichneten Engelsgestalten ebenso wie der Reihen der Verkünder und Vorläufer. Thorvi Eckhardts Eigenständigkeit in der kunsthistorischen Analyse und Bewertung kommt in einer Studie zu Andrej Rublev — „Die Dreifaltigkeitsikone Rublevs und die russische Kunstwissenschaft" — zu besonderem Ausdruck. Zwar hatte sie auf manche Nichtübereinstimmung der theologischen Interpretation hinzuweisen, zwar war davon auszugehen, „daß eine Einigung der Gelehrten über die Zuordnung der einzelnen Engel zu den einzelnen Personen der Dreifaltigkeit nicht so bald erzielt werden wird", — eines wollte Thorvi Eckhardt gegenüber allzu eifrigen Bemühungen, den geistigen Gehalt des Bildes zu säkularisieren, „einem anti- bzw. areligiösen Publikum das Sujet eines Kultbildes annehmbar und dessen künstlerische Werte zugänglich zu machen", allerdings klar abgegrenzt sehen: Es sei „eine indiskutable Unterstellung zu behaupten, der Maler der Troica habe in seiner Ikone irgendwelche andere als

In memoriam Thorvi Eckhardt

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nur religiöse Motive gestalten wollen. Der religiöse Charakter herrscht nicht etwa nur vor, er herrscht allein." U n d in wohl abgewogenen Vergleichsstudien ging Thorvi Eckhardt zusätzlich daran, vor allem M. Alpatovs grundlegende Arbeit über die Vorgeschichte von Rublevs Troica und die Ikonographie der byzantinischen Trinitäts-Darstellungen in einigen Erkenntnissen zu erweitern und bis zur Linienführung einer neuen Genealogie vorzustoßen. Ein verwandtes, doch viel weitläufigeres, ein tief in die Religionsgeschichte ausgreifendes T h e m a : „Überlegungen zur Bilderverehrung und zum Stil ostkirchlicher Kunst." Die Ausgangsbasis: in der griechischen Reichshälfte eine jahrhundertelange Entwicklung — jener rund dreihundertjährige Anlauf zum Gebrauch der Bilder, der folgende rund gleich lange zu ihrer kultischen Verehrung, dann das saeculum der sich verdichtenden Mißstände, die Erschütterung des Bildersturms —, rund 700 Jahre des Entwicklungsprozesses im Verhältnis zum Bild „bis nicht nur ,dem abergläubischen Volk', sondern auch den T h e o logen die Macht der Bilder zu Bewußtsein kam und man die psychologische Wirkung der geprägten Form auf den Betrachter anerkannte". Demgegenüber der Westen, noch bildarm — „Der Westen hatte keine Bilder in dem Sinn und in der Fülle wie der Osten." Und demgemäß versah Thorvi Eckhardt den gern zitierten Vergleich und Unterschied zwischen westlicher und östlicher Bildauffassung mit einem neuen Akzent: Die unterschiedliche Auffassung basiere weniger in unterschiedlicher Einstellung zum Objekt als in unterschiedlichen Voraussetzungen — „Die Griechen stehen auf einem H ö h e p u n k t der Bilderverehrung, aus ihrer Ablehnung spricht der Überdruß. Die Franken stehen noch am Anfang, aus ihrer Ablehnung spricht das Mißtrauen." U n d anhand einer Reihe von Beispielen weist Thorvi Eckhardt darauf hin, „wieviele Parallelen und auch Querverbindungen die Bilderverehrung in Ost- und Westeuropa aufweist", relativiert selbst den „ikonographischen Zwang" unter Hinweis auf „typenbildende" Kräfte, auf „authentische Bildnisse" auch im Bereich des Westens und auf die immer wieder durchbrechende schöpferische Gestaltung auch in der Ikonenmalerei im Osten — trotz jenes begrenzten Spielraums f ü r die Künstler, der eben bei Rublev noch den Rückblick auf die Entwicklung erleichtert hatte, trotz jenes schneidenden, einschneidenden Mementos, „bei ihrer Seele Seligkeit . . . keinen Strich" zu ändern . . . U n d der Zwang zum Konservatismus? — Thorvi Eckhardt zieht in der Ikonenmalerei „die Religion als ultima ratio der Stilerklärung" zurück und damit auch aus dem Feld des Vorwurfs der „Fesselung künstlerischer Freiheit", führt das „Verharren der ostkirchlichen Malerei bei einmal gefundenen Ausdrucksformen" vielmehr auf die gegebene kunstgeschichtliche Situation zurück — so auf die Absenz der Plastik, die im Westen den Künstler, auch den Maler, zur Darstellung der dritten Dimension in Körper und Raum, zur Darstellung dreier Dimensionen auf der zweidimensionalen Malfläche, mitangeregt hat. Für die Kirche scheinen die Vorzeichen des retardierenden Elements sowohl in der Ge-

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

staltung als auch im Hinblick auf die gegenüber dem Westen verspätete Säkularisierung weitgehend gelöscht: „Die Kirche hat nicht die bildende Kunst bevormundet und ihre freie Entfaltung verhindert, sondern: die Kirche war der einzige Auftraggeber; nicht aus Prestigegründen, sondern ganz einfach, weil sich kein weltlicher Auftraggeber für die Maler fand." Die Kunst aber zog Thorvi Eckhardt nicht nur im Bild, auch im Wort, in der Literatur, in ihren Bann: in Jordan Jovkovs erzählender Prosa. In einer dreiteiligen Aufsatzreihe — .Jordan Jovkov's erzählerisches Werk", „Jovkov's Kronzeuge" und „Zur Komposition in J. Jovkov's Erzählungen und Novellen" — folgte sie voll tiefen Einfühlungsvermögens den Arbeiten des in den 30er Jahren beliebtesten Schriftstellers des modernen Bulgarien, der Frage nach Periodisierung seiner Arbeiten ebenso wie der formalen Gestaltung seiner Erzähltechnik. In auch stilistisch außerordentlich einnehmender Weise führte sie zu den Charakteristiken dieser Technik, zu seinem Ausschalten der subjektiven Elemente, zur Einführung eines kompositorischen Faktors in Form des „Kronzeugen", zu Jovkovs Zug zur Wiedergabe des sinnlich, in erster Linie des visuell Wahrnehmbaren. Und sie verstand es, den großen Erzähler nicht nur als Persönlichkeit „tief ethischer Haltung" im Inhalt des Gebotenen nahezubringen, sondern als Mann des Maßes auch in der Form. Und in diesem seinem Sinn wollte Thorvi Eckhardt auch ihre Verbundenheit mit ihren bulgarischen Kollegen erkennen — „über die Grenzen hinweg, in der gemeinsamen Beschäftigung mit einem Dichter, der in bewundernswerter Selbstdisziplin immer als Person zurückzutreten suchte hinter den Menschen, die er darstellte". Hinter ihrer Arbeit zurücktretend finden wir auch Thorvi Eckhardt ihr Leben lang. Tief ansetzend im methodisch-kritischen Vorgehen, breite Zusammenhänge öffnend in den Problemstellungen, eine Historikerin, die die Verbindung zu Disziplinen wie Kunstgeschichte und Sprach- und Literaturwissenschaft in besonderer Weise herzustellen wußte. Viel zu früh ließ die aufkommende Erkrankung, von deren Unerbittlichkeit sie längst wußte, die Arbeit erlahmen. Thorvi Eckhardt starb — achtundfünfzigjährig — am 6. Mai 1979. Der Verlust trifft nicht nur die beiden genannten Institute, das Fach, die Lehre, in der sie gerne gab und viel zu geben hatte, eine Institution wie „Pro Oriente", in deren wissenschaftlichem Beirat sie war, der Verlust umfaßt nicht zuletzt den weiten Kreis derer, die ihre Hilfsbereitschaft, ihre Güte erfahren hatten. Für den, der sie hinter ihrem manuskriptüberladenen Schreibtisch sah, aufgehend in ihrer Arbeit, war jener Wesenszug nicht immer leicht zu erkennen. Für viele brachte er Hilfe: für Studenten wie Kollegen, Freunde wie kaum Bekannte, kaum Erkannte, Hereingeschneite, rasch entschlossen, ohne Umstände, aus vollem Herzen. Doch verlor sich in ihrer Güte nicht ihr kritischer Sinn. Sie war vom Leben selbst viel zu sehr gefordert worden, um der Welt unkritisch gegenüberzustehen. Herausfordern, mit dem Widerspruch spielen, und nicht nur das, ihn entschieden anmelden, wo es ihr nötig schien,

In memoriam Thorvi Eckhardt

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P a r o l i bieten in k l u g e r , m a n c h m a l pointierter, aber stets sachlich bleibender F o r m , k o n n t e ihr e b e n s o Anliegen wie G e n u g t u u n g sein. R a s c h r e a g i e r e n d , galt ihr M i ß t r a u e n d e n Selbstgerechten, ihre N e i g u n g dem G e g e n p o l d e r E t a b lierten, ihr V e r s t ä n d n i s d e n B e m ü h t e n , den u m ihren W e g R i n g e n d e n . F u h r sie hinaus auf Studienreise, konnte es neben d e m K o l l e g e n d e r Priester sein, d e n sie a m ehesten suchte. U n d in Wien ergriff sie f ü r die G a s t a r b e i t e r aus S ü d o s t e u r o p a d a s W o r t : „ T s c h u s c h e n - T r a u e r s c h r i f t , verfaßt 1 9 7 3 " — d e r A n s p r u c h a u f kulturelle Ü b e r l e g e n h e i t , und im k o n k r e t e n Fall ein nicht einmal s o berechtigter, hielt T h o r v i E c k h a r d t ihren W i e n e r M i t b ü r g e r n vor, „ m a n i f e s t i e r t sich ja gern anläßlich eines gewissen S o z i a l g e f ä l l e s " . . . A m 23. M a i w u r d e sie in P e r c h t o l d s d o r f z u G r a b e g e t r a g e n . Ihre Kenntnisse u n d ihr W o r t w e r d e n uns allen, die wir an ihrer Seite arbeiteten, fehlen.

IMPULSE U N D TENDENZEN FÜR ZWEI JAHRZEHNTE: OSTMITTELEUROPA 1 9 1 8 - 1 9 3 8

Die Aufgabe des einleitenden Referates ist es nicht, Abschließendes festzuhalten, sondern vielmehr einige Fragen — in ihren Hauptsträngen — anzuschneiden. Im konkreten Fall: Welche Impulse haben in Ostmitteleuropa zwischen 1918 und 1938 zu welchen Ordnungen geführt, welche Steuerungen zu welchen Tendenzen, welcher Wurf zu welcher Bahn, und hat die Bahn den in sie gesetzten Erwartungen entsprochen?

I. IMPULSE UND WEICHENSTELLUNGEN

Unter uns sind Kollegen aus Zagreb, Ljubljana und Budapest. Und es sei mir gestattet, von diesen drei Heimatstädten unserer Gäste auszugehen: und zwar von der Straße dieser Städte, von der Straße, in der im Herbst 1918 die programmatischen Impulse der Zeit zur Geltung gekommen sind. 1. Die Impulse der Straße

a) Zagreb Schon am 21. Oktober 1918 wehte in Zagreb die südslawische Trikolore von den Häusern 1 ). Am 22. gab es Demonstrationen und eine Manifestation vor dem Kroatischen Nationaltheater. Die Sabor-Abgeordneten Dr. Pavelic und Radic, beide Mitglieder des Narodno vijece, sprachen von den nationalen Idealen der Freiheit und der Vereinigung 2 ). Auf dem Markusplatz begrüßte Pribicevic das neue, das „dreinamige" Volk. Und Radic verkündete den Erfolg der Demokratie über der Zerschmetterung des Militarismus — „. . . und die Wilsonschen Prinzipien feiern auf der ganzen Welt den Sieg" 3 ). ') Telegr. Evb. an A O K Op. Abt., 22. X. 1918 — KA, A O K Op. Abt. v. 1918, 148.184/23; vgl. Hamidja Kapidzic: Veze Austrougarske vrhovne komande i narodnih vijeca u vrijeme raspada Habsburske monarhije. Sonderdruck aus Godisnjak. XVII. 1966/67. Sarajevo 1969. 11. 2 ) Srdjan Budisavljevic: Stvaranje drzave Srba, Hrvata i Slovenaca. Zagreb 1958. 132. 3 ) Bogdan Krizman: „Prevrat" u Zagrebu i stvaranje „Drzave Slovenaca, Hrvata i Srba" u listopadu 1918. godine. In: Zbornik. 6. Slavonski Brod 1968. 199; vgl. Josip Horvat: Politicka povijest Hrvatske 1918 — 1929. Zagreb 1938. 9 3 f .

Impulse und T e n d e n z e n für zwei Jahrzehnte

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Ein anderes Bild abseits der H a u p t s t a d t : Zwischen 24. und 29. schienen M e u t e r e i e n und Desertionen, Massenmeutereien u n d Massendesertionen, u n d P l ü n d e r u n g e n in O t o c a c , Ogulin, P o z e g a , Orahovica, Osijek, N o v a Kapela, Brod na Savi bolschewistische Signale zu setzen 4 ). M e u t e r e r standen gegen Assistenzsoldaten. Aber die A u f r u h r a k t i o n e n blieben ein kurzatmiger Zwischenakt. D e r N a t i o n a l r a t in Zagreb bremste 5 ). Z u r ü c k nach dieser Stadt, nach Zagreb: Zwar, auch in Zagreb w u r d e n Gefängnisse gestürmt. D e r N a t i o n a l r a t aber setzte am 29. eine bürgerliche W e n d e als H ö h e p u n k t : in einem Festakt im Sabor, mit E h r e n k o m p a n i e n der alten Armee u n d mit Banus und Erzbischof, Bischöfen u n d Generälen im Saal, mit feierlichen Beschlüssen, mit Blumen, die von den Galerien aufs Präsidium sanken, mit „Lijepa n a i a d o m o v i n a " u n d mit einem feierlichen D a n k g o t t e s dienst in der Markuskirche 6 ). D e r Inhalt der Beschlüsse: die staatsrechtliche Exekution — die T r e n n u n g des Königreiches Kroatien, Slawonien u n d D a l m a tien vom Königreich U n g a r n und vom Kaisertum Osterreich. b)

Laibach/Ljubljana

U m s t u r z und U m s t u r z d e m o n s t r a t i o n am selben 29. O k t o b e r erfolgten ebenfalls u n t e r den Vorzeichen bürgerlicher O r d n u n g : Am selben T a g noch f o r derte vorbeugend der „Slovenec" auf: „. . . Straßenkrawalle sind nichts f ü r die S ö h n e eines Volkes, das sich mit Blut und Leiden die Freiheit e r k a u f t hat". U n d man m ö g e auch das Eigentum der Fremden achten. U n d das Schicksal R u ß lands, so hatte der „Slovenec" am 28. schon geschrieben, m ö g e „als warnendes Beispiel dienen" 7 ). Die bunte, g r o ß e D e m o n s t r a t i o n an diesem 29. sah auch hier in Laibach einem Volksfest, einem Festzug gleich; gruppenweiser A u f m a r s c h z u m K o n greßplatz: Orel u n d Sokol und Sozialdemokraten, Vereine u n d Schuljugend, u n d T r a n s p a r e n t e : „Es lebe Wilson der Befreier!" u n d ebenso T r u m b i c und Pasic u n d K o r o s e c und der ganze SHS-Staat, der ganze Staat der Serben und K r o a t e n und Slowenen, und es hieß: „Von Kärnten bis Saloniki!" U n d der Fürstbischof, der Bischof Jeglic, gab mit seinem W o r t mit die Richtung an: „In unseren H ä n d e n liegt die günstige o d e r ungünstige Entwicklung g a n z Jugoslawiens." 8 ) 4

) R. G. Plaschka — H . Haselsteiner — A. Suppan: Innere Front. 2. Bd. Wien 1974, 190 — 197. s ) Vgl. „Aufruf an das südslawische Volk" — A H Zagreb, N a r o d n o vijece, kut. 6, ser. IV-A, br. 29. ') Vgl. Stenografski zapisnici Sabora Kralj. Hrvatske, Slavonije i Dalmacije. 1913 — 1918. Zagreb 1918. 1 4 6 5 - 1 4 7 5 . 7 ) Slovenec, 28. und 29. X . 1918. •) Slovenec, 30. X . 1918; Ivan Hribar: Moji spomini. Ljubljana 1928. 11/301; Janko Pleterski: Prva odlocitev Slovencev za Jugoslavijo. Ljubljana 1971. 263 — 267; Albin Prepeluh: Pripombe k nasi prevratni dobi. Ljubljana 1938. 143.

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung c)

Budapest

Ab 24. Oktober war in Budapest die Zensur durchbrochen, und es gab Demonstrationen. Im Vordergrund der Demonstrationen: Studenten, dazu Soldaten und Offiziere. Die Herausforderung stand von Anfang an unter Vorzeichen der Linken, von den engagierten Parteien — der Kärolyi-Partei, der Radikalen und der Sozialdemokratischen Partei —, vom Nationalrat und vom Soldatenrat her. Kärolyi sollte Ministerpräsident werden. Der 25. sah den Sturm auf die Burg, den Gegenstoß der Exekutive, ließ Rufe hören: „Hoch die Republik!" Der 28. kostete an der Kettenbrücke Tote 9 ). Schärfer war hier in Budapest die Konfrontation. Schärfer beim Militär: Tagelang und in zunehmender Spannung und angesichts sichtlich entschlossener militärischer Führung ging das Ringen, letztlich um die Verweigerung des Gehorsams. Die Agitationsrichtung am 30. Oktober: „Soldaten, vergießt nicht das Blut Eurer Mitbürger!" und „Gebraucht Eure Waffen nicht, wenn man Euch hinausschickt. . .". Schärfer war hier auch die Konfrontation in der Politik. Die Parolen der Straße und die Forderungen des Nationalrates zielten bis zu Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur: Man wollte ein „unabhängiges Ungarn", aber ebenso „die Herrschaft des Volkes" und sozialpolitische Reformen, nicht zuletzt die Agrarreform 10 ). Und am Abend dieses 30., am Ubergang zur Revolution der Herbstrose, verkündete Kärolyi es auf dem Gizella-Platz: „Hoch die Volksregierung des selbständigen Ungarn!" 11 ) Und die Regierungsübernahme am 31. im ErzherzogPalais war kein spontaner festlicher Akt, war eher nüchterne Folge des tagelangen Kräftemessens, die Folge von Druck und nachlassendem Gegendruck. Wir fassen zusammen: In allen drei Städten, in Zagreb, Ljubljana und Budapest, stützte die Neuordnung sich auf starke Volksbewegungen. In Zagreb und Ljubljana hatte das nationale bürgerliche Element die Vorhand — freilich einschließlich der Sozialdemokratie —, in Budapest die Linksparteien. Die Forderungen waren in Zagreb und Ljubljana primär ausgerichtet auf Freiheit, nationale Vereinigung und Wilsonsche Prinzipien, in Budapest darüber hinaus sofort auf Republik und Volksregierung und Volksherrschaft, auf Reformen bis zur Agrarrefrom. In Zagreb und Ljubljana wurde die Wende eingeleitet unter gleichbleibenden Führungskadern, politische, kirchliche und militärische Spitzen vollzogen die Schwenkung, den Frontwechsel mit; in Budapest eska-

') Vgl. MilKmdo Budapest, Telegr. Hptm. Kornhauser an KM, 29. X. 1918 — KA, KM Abt. 5 v. 1918, 1—3/4-103; Michael Kärolyi: Gegen eine ganze Welt — mein Kampf um den Frieden. München 1924. 455, 594; Geza Lukachich: Magyarorszäg megcsonkitäsanak okai. Budapest 1932. 102, 127f.; Läszlö Bus Fekete: Katona forradalmärok. Budapest 1918. 53; Neues Pester Journal, Nr. 253, 29. X. 1918. 10 ) PI, Röpiratgyüjtemeny 1918—1919, Fond 11/10/48, 30. X. 1918. ") Neues Pester Journal, Nr. 255, 31. X. 1918.

Impulse und Tendenzen für zwei Jahrzehnte

441

lierte die K o n f r o n t a t i o n , die alten F ü h r u n g s k a d e r z e r b r ö c k e l t e n , die W a n d l u n g des E x e k u t i v k o m i t e e s des N a t i o n a l r a t e s z u r R e g i e r u n g , z u r R e g i e r u n g K ä r o l y i , w a r ein S c h r i t t in n e u e politische S t r u k t u r e n . 2. D i e W e i c h e n s t e l l u n g e n aus O s t u n d W e s t D i e E r e i g n i s a b l ä u f e in Z a g r e b , L j u b l j a n a u n d B u d a p e s t sind n u r als örtlich b e g r e n z t e M o d e l l e f ü r eine viel g r ö ß e r e S p a n n w e i t e d e r Ä n d e r u n g e n , f ü r viel b r e i t e r a n g e l e g t e V o r g ä n g e a u f z u f a s s e n . W a s d o r t , in j e n e n S t ä d t e n g e s c h a h , v o l l z o g sich u n t e r ä h n l i c h e n V o r z e i c h e n auch in S a r a j e v o u n d K l a u s e n b u r g , in K r a k a u u n d W a r s c h a u , in P r a g u n d W i e n . W a s a b e r auf der S t r a ß e in den S t ä d t e n O s t m i t t e l e u r o p a s in E r s c h e i n u n g trat, w a r in seinen i d e o l o g i s c h e n A n s ä t z e n in den p o l i t i s c h e n Z e n t r e n in O s t und W e s t , d. h. in weltweiten D i m e n s i o n e n v e r a n k e r t . U n d was hier die S t r a ß e b e h e r r s c h t e , w a r d o r t die R i c h t s c h n u r d e r P r o p a g a n d a a b t e i l u n g e n u n d A r g u m e n t a t i o n s l i n i e im A u f t r e t e n auf diplomatischem Parkett. D e r soziale u n d sozialistische A s p e k t h a t t e — den N o t - und E r s c h ö p f u n g s z u s t a n d als Basis — w e s e n t l i c h e M o t i v a t i o n s e l e m e n t e aus d e r E n t w i c k l u n g in Rußland

geschöpft.

Im

Vordergrund:

die

Forderung

nach

Frieden,

nach

F r i e d e n o h n e S i e g , n a c h V e r t e i l u n g des L a n d e s , nach B r o t , die F o r d e r u n g n a c h G l e i c h h e i t , n a c h der H e r r s c h a f t der R ä t e , die F o r d e r u n g freilich auch n a c h d e m n a t i o n a l e n S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t , von B e d e u t u n g in d i e s e m Fall n i c h t z u l e t z t f ü r P o l e n . In R u ß l a n d h ä t t e m a n g e z e i g t , so h i e ß es von r a d i k a l e r s o z i a listischer Seite, wie m a n den K r i e g z u m F r i e d e n u n d den F r i e d e n z u r G e r e c h tigkeit f ü r alle w e n d e n k ö n n e . D e m g e g e n ü b e r die F o r d e r u n g e n der W e s t a l l i i e r t e n : s c h o n v o n v o r n h e r e i n n i c h t F r i e d e n o h n e S i e g , s o n d e r n F r i e d e n n a c h d e m Sieg. I m V o r d e r g r u n d f ü r den o s t m i t t e l e u r o p ä i s c h e n B e r e i c h : das S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t d e r N a t i o n e n , die B e f r e i u n g v o r allem d e r kleinen N a t i o n e n , die F r e i h e i t f ü r den e i n z e l n e n in der D e m o k r a t i e n a c h w e s t l i c h e m M o d e l l . D i e E m i g r a t i o n h a t t e wertvolle H i l f s stellung geleistet: T h o m a s G a r r i g u e M a s a r y k w a r es, der w o h l am e i n d r i n g l i c h sten das Leitbild d e r B e f r e i u n g der kleinen N a t i o n e n O s t m i t t e l e u r o p a s in die alliierten Z i e l p o s i t i o n e n g e r ü c k t h a t t e . A n s ä t z e , aus den e r w e c k t e n I m p u l s e n politische S t r u k t u r e n zu g e w i n n e n , erf o l g t e n nun von O s t wie W e s t aus. a) Die Durchbruchsversuche

des Sozialismus :

E i n e n A u g e n b l i c k lang k o n n t e m a n selbst in M o s k a u h o f f e n — seit M ä r z 1 9 1 8 residierte L e n i n d o r t im K r e m l — , d a ß die sozialistische R e v o l u t i o n , d a ß die W e l t r e v o l u t i o n a u c h in Z e n t r a l e u r o p a F u ß fasse. A b H e r b s t des J a h r e s 1918 h a t t e n i c h t n u r die r e o r g a n i s i e r t e R o t e A r m e e in R u ß l a n d neue S t a n d f e s t i g k e i t g e w o n n e n . A u c h D e u t s c h l a n d schien nun r e v o l u t i o n s r e i f . U n d

Deutschland

442

IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

hatte eine Schlüsselposition, Radek bezeichnete es als „das wichtigste Glied" in dieser Entwicklung. Im Jänner und Februar 1919 wurden in zahlreichen nord- und mitteldeutschen Städten Räterepubliken gegründet. Im Ruhrgebiet gab es Aufruhr. Und ein weiterer Einbruch in Ostmitteleuropa: Im M ä r z 1919 wurde die Räterepublik in Ungarn proklamiert. U n d nochmals Deutschland: Im April wurde in Bayern die Räterepublik ausgerufen. Béla Kun gratulierte, gab der H o f f n u n g auf Zusammenarbeit der beiden Proletarierstaaten Ausdruck. Ein flüchtiges weiteres Erfolgserlebnis der Magyaren: die Proklamierung der Räterepublik in der Slowakei, in Presov, im Juni. N u r in Wien, dem Zwischenglied zwischen Ungarn und Bayern, waren die Sozialdemokraten, so machte es vor allem Otto Bauer deutlich, taktisch auf Distanz gegangen. Aber die H o f f n u n g e n waren wenig später überhaupt begraben. Die sozialistisch-radikalen Tendenzen in Ostmitteleuropa brachen zusammen. Die Weichen bestimmte die andere Seite, die westliche.

b) Die Weichenstellungen

des Westens:

Wir wenden den Blick auf das diplomatische Parkett, in die Verhandlungssäle der Pariser Vororteschlösser. Die Alliierten gaben von dort aus in der Neuo r d n u n g Ostmitteleuropas ihren Zielsetzungen Raum: staatliche Zusammenfassungen in kleineren Gruppen als bisher, in Gruppen, die kleineren Nationen zugeordnet waren. Das Ergebnis: Die neuen Staaten entstanden ohne einschneidende Änderung im gesellschaftspolitischen Aufbau. Was sich durch die neuen Grenzen in Ostmitteleuropa verschoben hatte, waren vor allem die nationalen Mehrheitsund Minderheitsverhältnisse, was neu war, war das Eintreten der nun als Sieger eingestuften kleineren Nationen — als „Staatsnationen" — in staatspolitische Letztverantwortung. N o c h ging es um die Grenzen: In den Grenzdiskussionen prallten vor allem die Grundsätze der historischen und der ethnischen, auch die der strategischen Grenzen aufeinander. Es wäre verständlich gewesen, wenn einer dieser Grundsätze als prinzipiell richtunggebend angewandt worden wäre. Bedenklich war, d a ß diese Grundsätze unterschiedlich, eher bedarfsorientiert angewandt wurden. U n d ebenso bedenklich war, daß dem so intensiv propagierten Selbstbestimmungsrecht stellenweise weniger Raum gegeben wurde, als möglich gewesen wäre. Viel schwerwiegender aber war die Bestätigung einer grundsätzlichen Erkenntnis: Die Deckungsgleichheit zwischen Nation und Staat war in der ostmitteleuropäischen Zwischenzone überhaupt nicht herbeizuführen. Von den Nachfolgestaaten waren jene, die man zu den Besiegten zählte, Osterreich und Ungarn, noch am ehesten als „Nationalstaaten", d. h. als überwiegend von einer Nation bewohnt, anzusprechen. Diejenigen aber, die ihre Staaten nun

Impulse und Tendenzen für zwei Jahrzehnte

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selbst als „Nationalstaaten" einstuften und bezeichneten, taten dies zu Unrecht. Sie hatten Nationalitätenstaaten, neue Nationalitätenstaaten gegründet, und die offensichtliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit war o f t zwangsläufig der Anfang einsetzender innerer nationaler Spannungen.

I I . STEUERUNGEN U N D T E N D E N Z E N DER ENTWICKLUNG

Welche Steuerungen haben zu welchen Tendenzen geführt? Welche Bahnen schlugen die neuen Staaten ein? Es sei versucht, jene Steuerungen und T e n denzen in drei Hauptbereichen zu verfolgen: in der wirtschaftlichen, in der innenpolitischen und in der außenpolitischen Entwicklung. 1. Die Tendenzen in der ökonomischen Entwicklung Die neuen staatlichen Wirtschaftskörper hatten sich zunächst mühevoll aus dem allgemeinen Erschöpfungszustand des Krieges zu lösen. Diese Erschöpfungskrise hatte in Abstufungen alle ostmitteleuropäischen Staaten erfaßt, am schwersten Ungarn und Deutsch-Österreich; am schnellsten überwand sie die relativ wirtschaftskräftige Tschechoslowakei. Unsere Frage: Welche wirtschaftspolitischen Strategien, welche Steuerungen kamen in den neuen Staaten im N e u a u f b a u der Wirtschaftskörper zur Geltung? Die alten großräumigen Wirtschaftszusammenhänge waren mit den neuen Grenzen in Frage gestellt, nicht zuletzt der Wirtschaftsraum der D o n a u m o n a r chie als der bisher im Zielbereich unserer Überlegungen dominierende — mit allen seinen Vor- und Nachteilen, mit seinem Entwicklungsgefälle, mit seiner wechselseitigen Arbeitsteilung, mit seinem Zug — grob gesprochen — zur Industrialisierung diesseits der Leitha, seinem Zug zur Landwirtschaft und landwirtschaftlichen Industrie jenseits der Leitha. Die gegenüber den alten Zusammenhängen nun deutlich werdenden wirtschaftlichen Strategien der neuen Staaten: Autarkie, wirtschaftliche Selbständigkeit, Fallenlassen der alten wirtschaftlichen Verbindungen. Das bedeutete — György Ränki und Ivan Berend haben diese Folgen untersucht — die Einführung protektionistischer Zölle, d. h. die Errichtung von Zollummauerungen. Die sich daraus ergebenden Tendenzen: 1. Vorteilstellung f ü r die landwirtschaftlich und industriell mit höher entwickelten Techniken billiger produzierenden westlichen Länder. Sie vermochten die Zollmauern leichter zu überspringen. 2. Daraus resultierend Einschrumpfen des Handels innerhalb Ostmitteleuropas auf 10—15 % und Emporschnellen des Handels mit Westeuropa auf 70 — 80 %. 3. Die Strategie der Autarkie löste allerdings notwendig auch Förderungsmaßnahmen f ü r bisher weniger berücksichtigte Produktionszweige aus: so f ü r die Landwirtschaft in Böhmen und Osterreich, auch f ü r die österreichi-

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

sehe Mühlenindustrie, so für die Textilindustrie in Ungarn, so für neue Industrieansätze in Jugoslawien, die noch am ehesten vertretbar schienen, so auch hier der Textilindustrie. Eine gesonderte Industrieentwicklung gab es auch in Polen. Das bedeutete insgesamt im Positiven ein Anheben der Entwicklung vor allem der Konsumgüter-Industrie, im Negativen Parallelentwicklungen in den diversen Staaten, Parallelkapazitäten, das Stagnieren, ja das Aushungern vorhandener Industriekapazitäten, so der starken ungarischen Mühlenindustrie. Das bedeutete aber weiter: enge, eher schmalbrüstige Entwicklungen, damit geringe Chancen für die Übernahme der neuen Techniken und Methoden der Massenproduktion, so in der Maschinenindustrie, in der Entwicklung der Schwerindustrie; geringe Chancen für ein entsprechendes Wirtschaftswachstum; geringe Chancen in der Überwindung der Arbeitslosigkeit, und zwar der Arbeitslosigkeit, die sich nicht als Konjunktur-, sondern als Strukturproblem präsentierte: In Polen, Rumänien, Jugoslawien und Bulgarien konnte für ein Fünftel bis ein Drittel der Bevölkerungen keine Arbeit gefunden werden. Eine letzte Folge schließlich: die besondere Verletzlichkeit dieser Wirtschaftskörper, ihre geringe Widerstandskraft und damit geringe Chancen gegenüber einer expandierenden aggressiven Wirtschaftsmacht, wie sie in den ausklingenden 30er Jahren die deutsche war. 2. Die Tendenzen in der innerstaatlichen Entwicklung Unter Freiheit verstand die Straße 1918 in ihrer Mehrheit sowohl die nationale Freiheit, d. h. die staatliche Führungsposition für die neuen sogenannten „Staatsnationen", als auch die individuelle Freiheit im Sinn der westlichen Demokratieform mit ihrem pluralistischen Parteiensystem. Der Pluralismus des Parteiensystems der Donaumonarchie war primär national gezeichnet gewesen. Eine entscheidende Frage für die neuen Staaten in Ostmitteleuropa, die in ihrer Mehrheit ebenfalls Nationalitätenstaaten waren, mußte nun die sein: Würde es den neuen staatlichen Führungsgruppen gelingen, eine Weiterentwicklung in der staatlichen Integration zu erzielen, d. h. würde es möglich sein, die nationalen Abgrenzungen innerhalb des Staates zumindest teilweise zugunsten staatsrelevanter, also sozialer, wirtschaftlicher oder allgemein ideologischer Ziele abzubauen, d. h. würde es möglich sein, das Parteienspiel übernational, supranational zu gestalten? Eine solche Entwicklung erst nämlich hätte deutlich gemacht, daß nicht die Integrationskraft der Nationen, der Sprachnationen, sondern die des Staates zumindest zeitweise in den Vordergrund zu treten vermochte. Die diesbezüglichen Tendenzen: in den Fast-Nationalstaaten Ungarn und Osterreich war dies natürlicherweise der Fall, nur beeinflußten gerade daraus resultierende andere nationale Tendenzen ihre Haltung: so der Faktor An-

Impulse und Tendenzen für zwei Jahrzehnte

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Schluß in Osterreich u n d so der F a k t o r Revision in U n g a r n . In der T s c h e c h o slowakei u n d in P o l e n gelang die A u f w e i c h u n g der nationalen Blöcke k a u m , in R u m ä n i e n und vor allem in Jugoslawien ansatzweise. W a r u m dort? Weil diese S t a a t s g r ü n d u n g e n auch im Hinblick auf mehrere N a t i o n e n eine ideologische W e r b e w i r k s a m k e i t zu entwickeln vermocht hatten. Insgesamt jedoch blieben die nationalen S t r u k t u r e n die integrationsintensivsten. Subjektiv gesehen: Die Loyalitäten galten o f t u n d immer wieder stärker der N a t i o n als dem Staat. Mögliche G e g e n s t e u e r u n g e n lagen a) im Bildungsprozeß u n d b) in sozialen Ansätzen. ad a) der Bildungsprozeß: Im R a h m e n des Bildungsprozesses w u r d e n zweifellos allgemein Fortschritte erzielt. Es sei hier nur an Jugoslawien erinnert: Vereinheitlichung des Systems der Grundschule: die cisleithanischen Länder mit der achtjährigen Volksschule u n d Kroatien u n d Slavonien und die V o j v o d i n a mit der sechsjährigen, Serbien mit der ebenso sechsjährigen Volksschule u n d die eben noch türkischen Gebiete mit dem g a n z lockeren Schulnetz. Allmähliches D r ü c k e n der Analphabetenrate: immerhin von 50,5 % d e r Bevölkerung 1921 auf 44,6 % 1931. E m p o r schnellen der Zahl der Gymnasien, so in Kroatien: von 22 1914 auf 41 1923/24 und 49 1940. Insgesamt in Ostmitteleuropa: Ausbau der H o c h s c h u l e n u n d Universitäten. Ihr Niveau ist h e r v o r z u h e b e n , auch das der n e u g e g r ü n d e t e n . Im Schnitt erwies sich d e n n o c h der staatlich gelenkte Bildungsprozeß als Hebel f ü r eine Gesamtstaatsideologie als unzulänglich — nicht zuletzt an den H o c h s c h u l e n , an denen die nationale Einstellung dominierte. Selbst o d e r gerade z. B. am Modell der Universität P r e ß b u r g : mit 56 tschechischen gegenüber n u r 24 slowakischen P r o f e s s o r e n noch 1938. Die mangelnde Effektivität der Schulen in staatsideologischer Hinsicht lag zunächst sicher in der mangelnden Attraktivität des angebotenen P r o d u k t s als „Nationalstaat" b e g r ü n d e t , wohl auch in der dementsprechend differierenden Einstellung der Lehrer, aber ebenso schließlich auch darin, d a ß zumindest damals noch immer galt, d a ß — nach einem W o r t Ernst Jüngers — „keine Schule der Welt mit dem wetteifern kann, was der Vater bei Tisch erzählt". ad b) die Hoffnung auf einen zusätzlichen sozialen Hebeleffekt: Ein — mit A u s n a h m e Österreichs — übernational alle erfassender sozialer, ja sozial-revolutionärer Hebel war die B o d e n r e f o r m , die A g r a r r e f o r m . Z w a r war sie in den einzelnen Staaten unterschiedlich in der Intensität der D u r c h f ü h r u n g , und sie w a r — was neues M i ß t r a u e n säte — o f t national einseitig wirksam und, was bedenklicher war, o f t nicht u n g e n u t z t in dieser Hinsicht. Im Ergebnis hatte auch der soziale E f f e k t der B o d e n r e f o r m in den Nationalitätenstaaten die nationalen Abg r e n z u n g e n nicht entscheidend zu durchsetzen vermocht.

446

IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Ungarn schoß in einem noch radikaleren, wenn auch kurzlebigen Versuch nach vorn: mit dem radikalen Sozialismus der Räterepublik. Wir wissen, die Räterepublik war in ihrem Anlaß, der am 20. März 1919 in Budapest überreichten Note der Alliierten, eine Reaktion aus zunächst nationalem Widerstandsgeist, das Ergebnis eines Schocks, der der Entente die Kräfteballung von links entgegenwerfen sollte —„Die Diktatur der Verzweiflung" schrieb die „Arbeiter-Zeitung" am 22. März richtig und „Die soziale Revolution . . . als der letzte Ausweg aus der nationalen Katastrophe" 1 2 ). Aber auch diese soziale Revolution und Rätediktatur war ein kurzer, sich rasch verbrauchender, auf die Nationalitätenstaaten als Modell werbewirksam nicht rückwirkender Ansatz. Die Tendenz in Ostmitteleuropa aber drängte in ganz andere Diktaturen. Die innenpolitische Entwicklung mündete vielfach in verfassungsfremde oder verfassungsbrechende Versuche von rechts, in Versuche, Gruppeninteressen in erster Linie des Bürgertums diktatorisch sicherzustellen. Die wesentlichen Ursachen: Interessenkonflikte zwischen den eben herrschenden Gruppen des Bürgertums und anderen Bevölkerungsschichten, anderen sozialen oder nationalen Gruppen. Die wesentlichen Faktoren in diesen Konflikten: die Stagnation und die Rückschläge in der wirtschaftlichen Entwicklung mit ihren Folgen — so der Druck der Arbeitslosigkeit, so das Erlahmen der Dynamik in der sozialen Differenzierung, in der vertikalen Mobilität: die mangelnde Integrationskraft des Staates gegenüber seinen Nationalitäten, denen gegenüber er aber oft auch nicht die Kraft zu autonomen Regelungen aufbrachte; außenpolitisch die Einengung der Manövrierfähigkeit innerhalb der Rivalitäten der Großmächte und — Rückwirkung nach innen — die Anspannung der Rüstungen trotz jener sozialen und wirtschaftlichen Stagnation; und schließlich die Einfluß- und Beeinflussungsfaktoren der Nachbar-Großmächte im Westen, des faschistischen Italien und des nationalsozialistischen Deutschland. Das Ergebnis: In Polen, in Ungarn und in Osterreich, in Rumänien und in Jugoslawien überlagerten in differenzierten Formen autoritäre Regime die Parlamente, da und dort flankiert von faschistischen Akzenten. Allein die Tschechoslowakei bewies — trotz Nichtbewältigung der nationalen Frage — zunächst die relative Standfestigkeit des parlamentarischen Demokratiemodells, wohl auf der Basis stärker ausgewogener sozialer Differenzierung, auch besonderer Traditionsbetonung in bezug auf die westliche Demokratie, aber dennoch mit in bedenklichem Maße versäumten Integrationsmöglichkeiten — und bot bald Angriffsflächen für radikale Strömungen. 12

) Arbeiter-Zeitung, 22. III. 1919.

Impulse und Tendenzen für zwei Jahrzehnte

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3. D i e außenpolitischen T e n d e n z e n D i e neue staatliche G r u p p i e r u n g in O s t m i t t e l e u r o p a w a r als internationaler F a k t o r mit keiner leichten A u f g a b e n s t e l l u n g b e d a c h t . Sie sollte — wohl mit A u s n a h m e U n g a r n s u n d Österreichs

— E l e m e n t eines

gesamteuropäischen

Gleichgewichts im Sinn der im S c h o ß d e r Entente konzipierten neuen O r d n u n g sein. Z w e i f a c h w a r die F u n k t i o n , die diesen N a c h f o l g e s t a a t e n zufallen sollte: Sie sollten als G e g e n g e w i c h t g e g e n ü b e r den M ä c h t e n in ihrem O s t e n wie W e sten w i r k s a m w e r d e n — g e g e n ü b e r R u ß l a n d , d a n n der S o w j e t u n i o n , z u n ä c h s t als s o g e n a n n t e r „ c o r d o n sanitaire" g e s e h e n , u n d g e g e n ü b e r D e u t s c h l a n d . U n d die N a c h f o l g e s t a a t e n sollten d a r ü b e r hinaus R e v i s i o n s - u n d R e s t a u r a t i o n s w ü n sche im ostmitteleuropäischen Bereich blockieren. F ü r diese A u f g a b e n sollten B ü n d n i s s y s t e m e , in die die neue Z w i s c h e n z o n e e i n g e o r d n e t w u r d e , die notwend i g e Sicherheitssteuerung gewährleisten. Zweiseitige V e r t r ä g e zwischen d e r T s c h e c h o s l o w a k e i , R u m ä n i e n und d e m K ö n i g r e i c h d e r Serben, K r o a t e n u n d S l o w e n e n leiteten die „ K l e i n e E n t e n t e " ein. Initiativen auf d e m B a l k a n , s o d e r B a l k a n p a k t zwischen R u m ä n i e n , dem späteren J u g o s l a w i e n , Griechenland und der T ü r k e i , sollten eine ü b e r g r e i f e n d e E r g ä n z u n g in R i c h t u n g S ü d o s t e n darstellen. Im N o r d e n des p a n n o n i s c h e n R a u m e s blieb P o l e n abseits der Kleinen Entente: P o l e n schloß nur einen B ü n d nisvertrag mit R u m ä n i e n . D i e Staaten d e r Kleinen Entente u n d P o l e n aber schlugen e r g ä n z e n d e B ü n d nisbrücken nach d e m W e s t e n , nach W e s t e u r o p a : nach Frankreich. Zweiseitige B ü n d n i s v e r t r ä g e mit Frankreich sollten ihnen zusätzliche u n d schwerwiegende D e c k u n g g e w ä h r e n : eine R ü c k v e r s i c h e r u n g . U n d eine entscheidende Absicher u n g d e r staatlichen S t r u k t u r dieser Z w i s c h e n z o n e sah m a n schließlich im V ö l k e r b u n d . Z u stellen bleibt die F r a g e nach der T r a g f ä h i g k e i t , nach der Belas t u n g s f ä h i g k e i t dieses Systems. M i t diesen B ü n d n i s - W e i c h e n s t e l l u n g e n w a r Frankreich z u r zentralen D e k k u n g s m a c h t f ü r O s t m i t t e l e u r o p a g e w o r d e n . Frankreichs E i n s a t z f ä h i g k e i t und E i n s a t z b e r e i t s c h a f t mußte entscheidend sein f ü r die A u f r e c h t e r h a l t u n g des vorg e s e h e n e n Gleichgewichts. A b e r Frankreich v e r m o c h t e die ihm

zugedachte

R o l l e nur u n z u r e i c h e n d a u s z u f ü l l e n : Frankreich w a r in diesen J a h r e n keine vorh e r r s c h e n d e M a c h t mehr, Frankreich hatte sich im K r i e g eben erst d e r D e u t schen nur mit H i l f e einer gewaltigen K o a l i t i o n erwehrt. Großbritannien hielt sich im H i n b l i c k a u f den ostmitteleuropäischen Bereich ü b e r h a u p t z u r ü c k . D i e S o w j e t u n i o n w u r d e nicht bzw. nicht entscheidend a n g e s p r o c h e n . D i e F o l g e : Frankreich war mit d e r ihm z u g e d a c h t e n A u f g a b e ü b e r f o r d e r t . D a s E r g e b n i s : D i e derart h e r b e i g e f ü h r t e B a l a n c e , g a n z a b g e s e h e n d a v o n , d a ß sie in politisch rasch überholte u n d bald auch nicht m e h r w i r t s c h a f t s k o n f o r m e V o r s t e l l u n g e n trieb, sollte die P r o b e schwerer B e l a s t u n g nicht bestehen. U n d auf die P r o b e gestellt f a n d sie sich, als d a s nationalsozialistisch g e w o r d e n e

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Deutschland seine Wiederbewaffnung hochtrieb und zum offensiven Aufrollen gegen Osten ansetzte. Die Bahn der neuen Staaten in Ostmitteleuropa war mit hochgespannten Erwartungen beschritten worden. Manche positive Tendenz wird zu vermerken sein. So haben zweifellos die neuen „Staatsnationen" in diesen 20 Jahren ein zusätzlich neues Selbstwertgefühl gewonnen. Und dieses Selbstwertgefühl hat sicher auf zahlreichen Ebenen der Gesellschaft, nicht zuletzt auf kulturellen, zu neuen Dynamiken und Mobilitäten geführt. Und ein Zeichen auch des Respekts vor diesem Selbstwertgefühl ist es, daß wir heute im OstmitteleuropaBereich im wesentlichen — wohl mit Ausnahme der polnischen Westverschiebung — weiterhin die Staatsgrenzen von damals in Geltung haben. Ich habe dennoch auch manche negative Tendenz aufzeigen, meinen Finger auf manche Wunde legen müssen. Ich mußte zeigen, daß die Bahn dieser Staaten die in sie gesetzten hochgespannten Erwartungen nicht ganz erfüllt hat, ja daß diese Bahn stellenweise ins Schleudern geraten ist: Denken wir nur an die Flucht in die autoritären Regimes oder an die Unlust zu autonomen Regelungen. Ich glaube, daß die Führungsgruppen in diesen Staaten in der Euphorie des Selbständigkeitsgefühls die Notwendigkeit des Zusammenspiels aller gesellschaftspolitischen Kräfte im Inneren ebenso wie die des Zusammenspiels der Staaten im selben Raum im außenpolitischen Bereich unterschätzt haben. Solche Erfahrungen auf Grund erkannter Sachverhalte und Entwicklungslinien zu unterstreichen, steht heute — so meine ich — mehr denn je dem Historiker zu. Er kann damit, mit seiner Untersuchung und Analyse, einen Beitrag für eine Entwicklung gegenseitigen Verstehens, für eine friedliche Entwicklung leisten. Wir freuen uns daher, daß wir auf einer Tagung sind, deren Veranstalter sich dies sichtlich und selbst über staatliche Grenzen hinweg zum Ziel gesetzt haben — und danken dafür.

AUSWAHLLITERATUR ZUR ENTWICKLUNG 1 9 1 8 — 1 9 3 8

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Impulse und T e n d e n z e n f ü r zwei Jahrzehnte

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HISTORIE DER REVOLUTIONEN

DAS GESCHICHTSBILD DER TSCHECHEN IN DER ANALYSE IHRER HISTORIKER

Zur Wahlkampagne 1948 hatte Zdenek Nejedly es vor den Funktionären der Partei ausgesprochen: „Wir haben viele Gründe, daß wir aus der Geschichte lernen, aber nicht auf die Art natürlich, daß wir allem glauben, was wir lesen, sondern daß wir jene Linie zu suchen lernen, jene Spuren, die das Volk wirklich geführt haben, und zwar nach vorwärts." 1 ). Und Nejedly wies auf das Vorbild der Sowjetunion hin, in der man im letzten Krieg anschaulich gezeigt habe, wie man „über die Geschichte auf den Charakter des Volkes einzuwirken vermag", in der die „Verteidigung des Vaterlandes" zur Parole erhoben worden ist, als „die Rotarmisten zu noch größerer Tapferkeit angefacht werden sollten" und in der man kühn auf die alten Helden zurückgegriffen hat, auf Alexander Nevskij und Dmitrij Donskoj, auf Suvorov und Kutuzov, um die Nation emporzureißen, als es ums Letzte ging. Und Nejedly unterstrich dementsprechend die Bedeutung der Geschichte der Tschechen und hob den Sinn der Gedenktage des eben anbrechenden Jahres 1948 hervor, das für sein Volk so schicksalhaft werden sollte: Da war das Jahr 1348, das Jahr der Universität, die einst in der Hussitenzeit „an der Stirnseite der gesamten nationalen, fortschrittlichen Bewegung gestanden war"; da war das J a h r 1648, das erste „München"; dann das Jahr 1848, da die Bourgeoisie noch mit Wien verhandeln wollte, während Arbeiter und Studenten bereits den Graben übersprungen und zur echten Revolution gedrängt hatten; schließlich das Jahr 1918, da die „Herrn" von damals die nationalen Ausschüsse auseinandergejagt und das „Volk" am Handeln gehindert hatten. Nun stand die Auseinandersetzung des Jahres 1948 vor der Tür, mit klar vorgezeichnetem Ziel — „daß unsere Republik eine demokratische, sozialistische Volksrepublik werde" 2 ). Kurze Zeit später, in den Tagen, als man sich in der Universität zur Feier des 600jährigen Bestandes versammelte, war das Ziel erreicht. Und mit der neuen Ordnung fand sich die historische Wissenschaft der Tschechen auf neuen Wegen. Neue Wege zu gehen, zu bahnen — ob es um Ansatz, Art und Ziel der Forschung ging oder um den Bestand der Nation überhaupt — hatten die tschechi1 2

) N e j e d l y , spisy, S. 2 3 4 . ) V g l . N e j e d l y , spisy, S. 2 2 7 ff.

Historie der Revolutionen

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sehen Historiker immer wieder übernommen. U n d die Nation stand hinter ihnen. Die Intensität des historischen Erlebens rief in diesem Volk Kraftströme wach, die wesentlich zu seinem Aufstieg und schließlich zum Durchbruch zur nationalen Selbständigkeit beigetragen haben. Bis die Entwicklung in unseren Tagen dorthin münden sollte, wo Franz Palacky am Ende seines Lebens die neue Möglichkeit f ü r sein Volk vorausgesehen hat: Die Russen würden in den Tschechen „die treuesten — nicht Untertanen, sondern — Verbündeten und nach Bedarf eine Avantgarde in Europa finden" 3 ). Avantgarde zu sein, Avantgarde im Sinne von Fortschritt und Vernunft, das war nicht zuletzt auch Franz Palackys Forderung an sein Volk und die Leitidee, die er in seiner Geschichtsdarstellung verankert hat. Da reihte sich Kapitel an Kapitel der „Geschichte von Böhmen", der „Dejiny narodu ceskeho", die der eben ernannte Historiograph der Stände schrieb, und Band um Band zog das Bild der Vergangenheit das Volk stärker in seinen Bann. Da zeichnete sich plastisch das Leben der alten Vorfahren ab, friedlich und voll Harmonie in einem idyllischen Gemeinwesen lebend; da stieg zum H ö h e p u n k t empor, was bisher verdammt worden war: die Empörung der Vernunft gegen den Ungeist der autoritären Macht, der Tschechen Heldenzeit, der A u f r u h r der Hussiten; da wurde der stürmische Zug zur Freiheit lebendig, der Urtrieb, die ständig wirkende Kraft in diesem Volk, das „dem menschlichen Geist die unendliche Bahn des Fortschritts zu öffnen" 4 ) bestimmt schien. Und das mußte wirken und f ü r sich einnehmen in einer Zeit, in der gerade dies alles der Leitstern war, den das aufstrebende Bürgertum auf sein Banner gesetzt hatte. Voll Stolz konnte Palacky es künden: „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller im Staate Lebender ist wie vor einem Jahrtausend so auch heute unser Wahlspruch." 5 ) Freilich, das gewaltige historische Gemälde, das Franz Palacky seinem Volk hier bescherte, gewann seine überragende Wirkung nicht zuletzt durch die dunklen Schatten, die den leuchtenden Aspekten gegenübergestellt worden waren: auf deutscher Seite — auf jener Seite, die sich als Element der Herrschsucht und der Macht, als Welt des Kastengeistes und des starren Römertums präsentierte. Zwangsläufig mußte zwischen diesen beiden Welten ein Riß aufklaffen. „Der Umstand der demokratischen Bemühungen der tschechischen Bourgeoisie gegen die überlebte feudale Gesellschaft wurde zur Idee der Verschiedenheit der slawischen und germanischen Charaktereigenschaften hypostasiert", so wurde es erst im Frühjahr dieses Jahres in einem Referat über Pa3

) P a l a c k y , Politisches V e r m ä c h t n i s , S. 32. ) P a l a c k y , D e j i n y 1876 I I I / 1 , S. 301. s ) P a l a c k y , R a d h o s t ' III, S. 36, M a n i f e s t f ü r d e n P r a g e r S l a w e n k o n g r e ß , vgl. K o h n , D i e Slawen, S. 80, aus d e r E r ö f f n u n g s a n s p r a c h e Palackys auf d e m K o n g r e ß : „Die Freiheit, die wir jetzt s u c h e n , ist kein u n b e k a n n t e r F r e m d l i n g bei uns, sie ist f ü r uns kein S p r ö ß l i n g des A u s l a n d e s ; sie ist ein B a u m , d e r auf u n s e r e m h e i m a t l i c h e n B o d e n gew a c h s e n ist, das e i n g e b o r e n e u n d e r s t g e b o r e n e E r b e u n s e r e r V o r f a h r e n . " 4

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

lackys Philosophie formuliert. Wohl präsentiert sich Palackys Auffassung im Vergleich zu der seiner Vorgänger dem tschechischen Betrachter aus heutiger Sicht dabei dennoch als durchaus „höhere und gegenüber dem feudalen Gesichtspunkt höchst progressive Konzeption" 6 ). Hatte Palacky auf diese Art nicht nur gezeigt, „wie jemals die Tschechen waren oder nicht waren", sondern auch „wie sie sein sollten oder nicht sein sollten", ja hatte Palackys Geschichte mitten im 19. Jahrhundert schlechthin gelehrt, „was es bedeutet, Tscheche zu sein, welches die sittlichen Verpflichtungen eines jeden sind, der sich zum tschechischen Volk bekennen will" 7 ), so sollte seine Auffassung am Beginn des 20. Jahrhunderts unter neuen Vorzeichen ins Treffen geführt werden: durch Thomas G. Masaryk. Eben noch hatte Masaryk die „Realisten" gesammelt, den „Handschriftenkampf" organisiert und das, was Jahrzehnte hindurch als teure Uberlieferung aus den Tiefen der Vergangenheit des Volkes galt — mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit war noch Palacky für die Echtheit der Handschriftenfunde eingetreten —, als Fälschung nachgewiesen. Sein Realismus aber wandelte sich. Masaryk ersetzte den wissenschaftlichen Realismus von einst durch den politischen Realismus der Gegenwart und proklamierte ein dieser Gegenwart entsprechendes Erziehungsprogramm. Der damit zusammenhängende Vorstoß in die Vergangenheit sollte allerdings sofort die Gefahr offenbaren, die Entwicklungslinie der Geschichte den Bedürfnissen der Gegenwart entsprechend zu vereinfachen. Die Bindung in die Tiefe der tschechischen Vergangenheit, die Masaryk suchte, die These, daß das tschechische Ringen um 1900 die unmittelbare Fortsetzung des nationalen Wiedererwachens vom Beginn des 19. Jahrhunderts sei und dieses wieder die Fortsetzung der tschechischen Reformation, sollte dem ideologischen Programm des Politikers die Beglaubigung durch die historische Beständigkeit geben, die Sicherheit der Tradition. Palackys Auffassung blieb die Grundlage: „Palacky hat uns gezeigt, daß die böhmische Idee in Wahrheit eine Weltidee, eine Lebensidee im höchsten Sinne des Wortes ist . . ." 8 ) Im „Jan Hus" hat Masaryk es konsequent formuliert: „Unser nationales Wiedererwachen, um das wir an die hundert Jahre bewußt ringen, war gleich in seinen Anfängen ein geistiger Kampf gegen den reformatorischen Druck, war eine Fortsetzung der reformatorischen Bemühungen und Ideen, für die Hus den Martyrertod erlitten hat . . . Unsere Renaissance, unser Wiedererwachen hat dieser gleichen mittelalterlichen Auffassung die Stirn geboten; und es wi-

6 ) Jetmarovä in: Filosofie v dejinäch, S. 144. Jetmarovä verteidigt auch Palackys geschichtsphilosophische Gedankengänge, die zu „wertvollen historischen Ergebnissen geführt haben . . . mögen sie auch Ausdruck bürgerlicher Interessen und daher nicht absolut wahr gewesen sein." Ebendort, S. 147 f. 0 Nejedly, spisy, S. 157. 8 ) Masaryk, Palackys Idee, S. 73.

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d e r s t a n d i h m z u m z w e i t e n M a l , weil d u r c h d e n L a u f d e r G e s c h i c h t e u n s e r erster R e f o r m a t i o n s v e r s u c h v e r e i t e l t w o r d e n ist, a u f g e h a l t e n d u r c h d i e s y s t e m a t i s c h e n gegenreformatorischen, wider die Regeneration gerichteten B e m ü h u n g e n . G a n z natürlich hat u n s e r e W i e d e r g e b u r t historisch d a h e r an unsere R e f o r m a t i o n ang e k n ü p f t , e s ist d i e s n a c h e i n e m e r s t e n V e r s u c h d e r z w e i t e . V o n D o b r o v s k y b i s P a l a c k y u n d H a v l i c e k ist d i e u n u n t e r b r o c h e n e B e m ü h u n g d a , a n d a s g e i s t i g e E r b e d e r R e f o r m a t i o n s v ä t e r a n z u k n ü p f e n u n d in i h r e m G e i s t f o r t z u f a h r e n . . . H u s s t a r b f ü r u n s , a b e r a u c h f ü r alle ü b r i g e n : D i e t s c h e c h i s c h e I d e e d e s B r ü d e r t u m s , d i e t s c h e c h i s c h e I d e e d e r H u m a n i t ä t , d a s ist d i e L e i t i d e e f ü r d i e g a n z e M e n s c h h e i t . . , " 9 ) G e m ä ß i g t e r s c h o n s o l l t e M a s a r y k s F o r m u l i e r u n g s p ä t e r in seiner „Weltrevolution" klingen: „In O p p o s i t i o n gegen den Absolutismus des geg e n r e f o r m a t o r i s c h e n O s t e r r e i c h n e i g t e n w i r u n s i m 18. J a h r h u n d e r t d e n I d e e n der A u f k l ä r u n g u n d der f r a n z ö s i s c h e n R e v o l u t i o n zu, die fortschrittlichen Ideen des Westens wurden zu führenden G e d a n k e n unserer nationalen Wiedergeburt . . . D a s H u m a n i t ä t s i d e a l ist n i c h t s p e z i f i s c h t s c h e c h i s c h , e s ist e b e n a l l m e n s c h lich . . , " 1 0 ) Z w i s c h e n d e n b e i d e n F o r m u l i e r u n g e n a b e r l a g d i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit der tschechischen historischen Wissenschaft11). D i e s e Disziplin hatte in P r a g u m d i e J a h r h u n d e r t w e n d e e i n e n s t e i l e n A u f s t i e g g e n o m m e n . ' ) M a s a r y k , J a n H u s , S . l f . und 45. 10 ) M a s a r y k , D i e Weltrevolution, S. 517; wohl versucht O t a k a r Odlozilik die Zwangssituation M a s a r y k s , in der er sich vor dem Weltkrieg b e f a n d , zu erklären: „Wenn er ( M a s a r y k ) rund um sich sah, hörte er die hohlen Parolen sowohl von den alttschechischen wie von den jungtschechischen T r i b ü n e n . E r sah die verwitterten P r o g r a m m e , aus denen weder für die kleine politische Praxis, noch f ü r den großen K a m p f mit Wien, der sich am H o r i z o n t abzeichnete, etwas Vernünftiges hervorgehen konnte. D i e Welt stand nicht, und wollte d a s tschechische V o l k nicht aus dem Kreis fallen, mußte die N e u o r i e n tierung schnell und o h n e ängstliches Suchen nach Details v o r g e n o m m e n werden." O d l o zilik, T . G . M a s a r y k , S. 21. " ) Auf den Wandel in M a s a r y k s A u f f a s s u n g weist vor allem Werstadt hin: „ M a s a r y k widerstand nicht dem Gewicht der E i n w e n d u n g e n , die er hervorgerufen hatte, und hat mit der Zeit seine A u s l e g u n g der Wiedergeburt den A u f f a s s u n g e n seiner Opponenten stark angeglichen." Vgl. Werstadt, O d k a z y , S. 31 ff. H a t jedoch die A u f f a s s u n g M a s a r y k s auch beachtliche Breitenwirkung erzielt, nicht zuletzt auf G r u n d seiner späteren hervorragenden Stellung als Staatspräsident, so wird man dennoch in der Beurteilung ihrer Wirkung, sowohl was die Intensität der Beeinflussung der Historiker anbelangt, als auch was die Verwirklichung der T h e s e n in der neuen Republik anbetrifft, nicht vollinhaltlich mit der von S. H a r r i s o n T h o m a s vertretenen M e i n u n g übereinstimmen können: „ T h e pendulum had thus, since at least 1912 and essentially since ca. 1900, swung steadily but inexorably away f r o m the conservative point of view put forward by Göll and defended so hardly by Pekar to a point where C z e c h historiography accepted virtually Palacky's view that C z e c h history was a spiritual pilgrimage in very essence sui generis: that though the s u r r o u n d i n g G e r m a n d o m was not without influence upon its course, yet the Slavic kernel of C z e c h development was so distinctly humanitarian and religious that any suppositious G e r m a n influence w a s minor and superficial, and that, given a free exercise of its own powers, the humanitarianism o f H u s , Chelcicky, K o m e n s k y , D o b r o v s k y , Kollär, Palacky, Havlicek and M a s a r y k would prove to be the normal and natural expression of the

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Am Ursprung der modernen Entwicklung der tschechischen historischen Wissenschaft ist ein N a m e zu nennen: Jaroslav Göll. Göll war es, der nun neue Wege gewiesen, der in einer ausgezeichneten Studie den Aufgabenkreis des Historikers grundlegend umrissen hat, nicht ohne die Grenzen zu ziehen, denen die Arbeit sinngemäß zu unterwerfen ist: „Wir wollen kennenlernen, was war, ohne alle Nebenrücksichten, seien es auch höhere . . . M a n hat der Historie das Amt, die Vergangenheit zu richten, die Mitwelt zum Nutzen zukünftiger Jahre zu belehren, beigemessen: so hoher Amter unterwindet sich gegenwärtiger Versuch nicht: er will bloß zeigen, wie es eigentlich gewesen ist . . . Damit ist f ü r die Geschichte die ureigenste Aufgabe ausgesprochen, damit sind ihre Grenzen ebenso gegenüber der Soziologie angedeutet wie gegenüber der Geschichtsphilosophie . . . Die Historie findet in der Geschichte nichts als den Kausal-Zusammenhang. O b sie auch einen theologischen Nexus einschließt, kann die Historie nicht entscheiden . . . Waltet ein solcher in der Geschichte, so ist die Historie allein nicht im Stande, auf diese Frage Antwort zu geben. In ähnlicher Weise konnte die Historie auch nicht die Frage beantworten, ob in ihr nicht nur das Fortschreiten regiert, sondern auch der Fortschritt, das ist der Fortschritt zum Besseren." 12 ) Im Sturm gewann Göll die junge Historikergeneration. Es entstand die Schule, die seinen N a m e n trägt. In Gölls Seminaren wurde Jahrgang auf Jahrgang in methodischer Arbeit herangebildet 1 3 ), in seinen Vorlesungen griff er weit über die Grenzen seines Landes hinaus und gab gesamteuropäischen Aspekten Raum. Geschichtsphilosophische Konzepte in Sinne Masaryks mußten ins Wanken geraten. Der Angriff der Geschichtswissenschaft erfolgte aus der Verteidigung heraus. Als Jaroslav Göll und seine Schule von Masaryks Parteigängern in schon der Form nach fraglicher Art attackiert worden waren 1 4 ), trat nach einer ersten Parade Kamil Kroftas Professor Josef Pekaf in die Schranken. Der Gegenschlag mußte in erster Linie Masaryks unzulängliche historische Forschungsmethode treffen. Und er traf entscheidend. In seiner Studie „Masarykova ceskä filosofie" zerschnitt Pekaf die historischen Bindungen, die Masaryk deeper and incontrovertible urges of the Czech soul. The principal credit for this radical change in the Czech concept of their own history is without any doubt to be given to Masaryk himself. It would be difficult to find a clearer proof of any thesis than the actualization of this view in the free Czechoslovak Republic of Masaryk and Benes." Journal of Central European Affairs, April 1950, S. 52. 12 ) Göll, Déjiny, Athenaeum 6/1889, S. 73 ff. und 93 ff. u ) Vgl. Susta, J. Göll, CCH 35/1923 S. 481: „Er (Göll) lehrte sie vor allem sorgfältige Arbeit, die dem Hindernis eines unbequemen Faktums nicht mit einem allgemeinen Schlagwort ausweicht, die kühn bemüht ist, den Stollen der Erkenntnis auch in den härtesten Stein vorzutreiben: aber dabei ein ehrliches non liquet dort zu sagen versteht, wo die Wissenschaft aufhört und die Willkür der leeren Vermutung beginnt." 14 ) Die Angriffe wurden vor allem von J. Vancura und J. Herben vorgetragen, u. zw. in „Ceskä mysl" und in einer eigenen Broschüre Masarykova sekta a Gollova skola.

Historie der Revolutionen

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s e i n e m P r o g r a m m zu u n t e r l e g e n g e s u c h t hatte: „. . . in der T a t w ä r e o h n e A n a logie z w i s c h e n G e g e n w a r t u n d V e r g a n g e n h e i t die G e s c h i c h t s f o r s c h u n g

nicht

m ö g l i c h . A b e r M a s a r y k , so s c h e i n t mir, legt a u f die G e g e n w a r t einen allzu s t a r k e n N a c h d r u c k . . . W i r v e r s t e h e n , wie der S t a m m b a u m H u s , C h e l c i c k y , K o m e n s k y , D o b r o v s k y , K o l l ä r , S a f a r i k , P a l a c k y , H a v l i c e k , M a s a r y k entstand . . . M a s a r y k n ä m l i c h ging nicht v o n d e r o b j e k t i v e n R e a l i t ä t seiner P e r s o n , s o n d e r n von sich aus u n d s u c h t e sich in den T r a d i t i o n e n der V e r g a n g e n h e i t . . . E s w a r n i c h t n u r M a s a r y k s F e h l e r , d a ß e r von sich a u s g e g a n g e n ist, s o n d e r n a u c h , d a ß er die ihm ä h n l i c h e n G r u n d z ü g e in einer w i s s e n s c h a f t l i c h unzulässigen und w i s s e n s c h a f t l i c h widersinnigen A r t g e s u c h t hat, d. h., d a ß er mied, was ihm n i c h t p a ß t e , u n d voreilig als den vollen A u s d r u c k seines G e d a n k e n s darlegte, was irgendeine entfernte Ähnlichkeit damit verriet."15) W o h l schien w e n i g e J a h r e , n a c h d e m J o s e f P e k a f diese S ä t z e g e s c h r i e b e n h a t t e , mit dem A u s g a n g des ersten W e l t k r i e g e s , M a s a r y k s P r o g r a m m , wenn s c h o n nicht in d e r W i s s e n s c h a f t , so d o c h im B e r e i c h d e r P o l i t i k und der N e u o r d n u n g E u r o p a s die B e s t ä t i g u n g s e i n e r R i c h t i g k e i t e r f a h r e n zu h a b e n . E i n e z w e i f e l h a f t e B e s t ä t i g u n g allerdings in der P r a x i s — die w e i t e r e n J a h r e der E n t w i c k l u n g der ersten t s c h e c h o s l o w a k i s c h e n R e p u b l i k sollten es beweisen — bis M a s a r y k s „ L e b e n sub speciae a e t e r n i t a t i s " , seine R e l i g i o n u n d P h i l o s o p h i e , in j ü n g s t e r Z e i t im e i g e n e n L a n d e , diesmal a u f g e r o l l t von g a n z a n d e r e n F r o n t e n h e r , als „in W i r k l i c h k e i t h o h l e , d u r c h nichts w e i t e r g e r e c h t f e r t i g t e und d e n n o c h v o n d e r E w i g k e i t t r ä u m e n d e E x i s t e n z f o r m der r e a k t i o n ä r e n (imperialistischen) B o u r g e o i s i e " verurteilt w e r d e n s o l l t e " ) . D i e h i s t o r i s c h e W i s s e n s c h a f t h a t t e in der G e g e n b e w e g u n g i n z w i s c h e n den k o n s e r v a t i v e n S t a n d p u n k t längst ü b e r w u n d e n und neue A s p e k t e

gewonnen:

J o s e f P e k ä r , u m bei diesem h e r v o r s t e c h e n d s t e n Beispiel zu b l e i b e n , f ü h r t e in seinen A r b e i t e n den g e s c h i c h t l i c h e n W e r d e g a n g seines V o l k e s in die Z u s a m m e n h ä n g e E u r o p a s z u r ü c k : „. . . das V o r b i l d des A u s l a n d e s " , s o legte P e k a r dar, „ w i r k t e a u f alle G e b i e t e und E r s c h e i n u n g e n des L e b e n s und s c h u f j e nach seinen K u l t u r p e r i o d e n neue und i m m e r n e u e S i t u a t i o n e n und F o r m e n , a n g e f a n g e n v o m A c k e r g e r ä t des B a u e r n bis z u r I d e e des R e f o r m a t o r s o d e r politis c h e n F ü h r e r s u n d bis z u r V i s i o n des D i c h t e r s . A l s o n i c h t n u r eine b l o ß e B e r ü h r u n g und k a m p f m ä ß i g e A u s e i n a n d e r s e t z u n g

nach der F o r m e l

Palackys,

s o n d e r n das stete U b e r n e h m e n , E r l i e g e n , das D u r c h d r u n g e n s e i n vom L e b e n u n d D e n k e n des f o r t g e s c h r i t t e n e n N a c h b a r n der g e r m a n i s c h e n und r o m a n i s c h e n W e l t ist d e r m ä c h t i g s t e F a k t o r , das bei weitem b e d e u t e n d s t e F a k t u m u n s e r e r G e s c h i c h t e . " 1 7 ) U n d w o m a n einst in z w e c k g e b u n d e n e r O p t i k J a h r h u n d e r t e d u r c h s t o ß e n d die Ideale der T s c h e c h e n u n v e r ä n d e r t ihre B a h n z i e h e n

) Pekaf, Masarykova ceskä filosofie, 2. Aufl., S. 30. " ) Richta, in: Filosofie v déjinàch, S. 219. 17 ) Pekar, Der Sinn, S. 40 f. 15

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

ließ, dort zeigte Pekar im Wechsel der Epochen und Zeitalter, die ganz Europa ihren Stempel aufdrückten, wie sehr sie auch das Gesicht Böhmens und seiner Bewohner bestimmt und immer wieder verwandelt haben. Je nach dem M a ß e des „Einflusses der beherrschenden geistigen Erscheinungen der einzelnen europäischen Zeitalter . . . ändert nicht nur das öffentliche Leben Gestalt und Charakter, auch die seelische Einstellung des Einzelnen und der Nation richtet sich nach ihnen. Der Tscheche des 14. und 15. Jahrhunderts hat eine andere Einstellung, eine andere „Mentalität' als der Tscheche des 16. und 17. oder des 19. und 20. Jahrhunderts . . ."18) Pekafs Hauptwerke sind diesen Gedankengängen nur Bestätigung, ob wir die Bilä hora in Betracht ziehen oder die Kniha o Kosti, den Zizka oder den Wallenstein. Neben Pekar arbeitete, zum überwiegenden Teil aus Gölls Schule hervorgegangen, eine breite Phalanx tschechischer Historiker. Es würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, wollte man auch nur die wesentlichsten Werke nennen, die f ü r diese große Zeit der tschechischen historischen Wissenschaft, die nun auch auf zahlreiche Spezialgebiete vorgedrungen war, gutstehen. Einige Namen sollen f ü r die Bedeutung der historischen Forschung zwischen beiden Weltkriegen sprechen: Vaclav Novotny, der sich in erster Linie der böhmischen Geschichte zuwandte, Josef Susta, der auf dem Felde der allgemeinen neuen Geschichte und in der Premyslydenforschung Hervorragendes leistete, ebenso wie Jaroslav Bidlo in der slawischen Geschichte, Gustav Friedrich in den Hilfswissenschaften, Bohumil Navrätil in der Geschichte Mährens, J. B. Novak in den Archivwissenschaften und der neueren böhmischen Geschichte. U n d N a m e um N a m e zeichnet auch unter den späteren jeweils ein klar geprägtes Profil: Kamil Krofta, Ladislav H o f m a n n , Julius Glücklich, Rudolf Urbänek, Zdenek Nejedly, Max Dvorak, J. V. Simäk, Vlastimil Kybal, Vaclav Chaloupecky, Otakar Odlozilik, Karel Stloukal. In die reiche Entfaltung griff der zweite Weltkrieg, dann das Jahr 1948. Die revolutionäre Tradition des tschechischen Volkes war nach Zdenek Nejedly zu ihrer „neuesten Phase" durchgestoßen, die Kommunisten hatten das Erbe der zweimal errungenen Eigenstaatlichkeit angetreten. U n d diese revolutionäre Tradition als solche rückte Nejedly im Rahmen der neuen Blickrichtung auf die tschechische Geschichte nach vorn: erst in der Revolution an sich, d. h. in der Aktion, findet der Zug zum Fortschritt und zur Demokratie seine Erfüllung. Die alten Revolutionen leuchten auf in neuem Sinn: die hussitische Revolution — sie war „die Revolution gegen den damaligen Feudalismus und den damals größten Repräsentanten dieses Feudalismus — die päpstliche Kurie. Aber zugleich war dies, übersetzt in die heutige Sprache, ein Kampf f ü r die Ausgebeuls

) Pekar, Der Sinn, S. 46; vgl. Jan Pachta, Pekar a Pekarovstina v ceskem dejepisectvi, Brünn 1950, und Ceskoslovenskä akademie ved, Proti kosmopolitismu ve vykladu naSich närodnich dejin, Prag 1953.

Historie der Revolutionen

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teten gegen die Ausbeuter und ein Kampf gegen die alte, schlechte O r d n u n g f ü r eine bessere neue — ein Kampf, den in neuen Formen auch wir heute führen. Deshalb auch war es eine Revolution und nicht nur, wie man manchmal behauptet, ein Aufstand, denn diese Revolution stürzte die gesamte Gesellschaftsordnung und veränderte das Volk bis zur Wurzel. U n d es war dies bereits die erste moderne Revolution gegen die mittelalterliche O r d n u n g und das . . . schon eine Massen- und Volksrevolution . . ."19) U n d immer wieder in der Folgezeit hatte das Volk zum revolutionären H a n deln gedrängt. „Nicht die Gesinnung allein hat es gefordert, sondern Taten, den aktiven Kampf f ü r eine bessere O r d n u n g , auch darin der revolutionären hussitischen Tradition treu. U n d deshalb blieben H u s und Zizka in der Erinnerung des Volkes lebendig und sozusagen sein eigen, keineswegs aber Chelcicky und Komensky . . ."20) Niemals hat — so lesen wir weiter — dieses Volk der Revolutionäre mit den Revolutionären zu hoffen aufgehört, mit denen in Frankreich und in Polen zuerst, dann 1848, als es selbst zum Sturm antrat, wenn auch angesichts einer versagenden Bourgeoisie; wohl kamen auch Enttäuschungen in späterer Zeit, sofern der Kampf ausblieb, wie vor dem ersten Weltkrieg gegen Wien oder 1938 gegen Hitler. „So durchschreitet diese nationale Revolution ganze Jahrhunderte von Generation zu Generation; sie macht auch große Veränderungen mit, geht durch große Krisen hindurch, aber schließlich siegt sie stets. So bildet sie einen der grundlegenden Züge unseres nationalen Charakters, zum Unterschied von jenen Nationen, die entweder gar keine feste Tradition oder eine ganz andere haben, eine nicht revolutionäre ••"21) Für die historische Wissenschaft hat die „neueste Phase" der tschechischen Geschichte eine Fülle neuer Aufgaben gebracht, wohl auch ihre Lösung unter neuen Vorzeichen gefordert. Allein die Erschließung des reichen Archivmaterials aus dem enteigneten Großgrundbesitz und den verstaatlichten Industriebetrieben verlangte einen beachtlichen Einsatz von Fachkräften, Professor Josef Polisensky, der in seinen Arbeiten „Anglie a Bila hora" (England und der Weiße Berg), Prag 1949, und „Nizozemskä politika a Bilä hora" (Die niederländische Politik und der Weiße Berg), Prag 1958, zu tiefgreifenden gesamteuropäischen Perspektiven vorgestoßen ist, hat über das vorhandene Quellenmaterial zur allgemeinen Geschichte in den „Acta universitatis Carolinae" 2 2 ) eine aufschlußreiche Studie verfaßt. In einem kurzen, lesenswerten Bericht des gleichen Autors in der „Zeitschrift f ü r Geschichtswissenschaft" 2 3 ) wird zum derzei-

") °) 21 ) ") ") 2

Nejedly, O smyslu, S. 266 f. Nejedly, O smyslu, S. 272. Nejedly, O smyslu, S. 277. Acta universitatis Carolinae, Historica 1957. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft V / 1 9 5 7 / 2 , S. 353 ff.

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

tigen Stand der historischen Wissenschaft in der Tschechoslowakei Stellung bezogen. In hohem Maße hat sich in organisatorischer Hinsicht die Akademie der Wissenschaften in die Arbeit der Historiker eingeschaltet. Was die Forschungsrichtung anbetrifft, trat in den letzten Jahren die Wirtschaftsgeschichte und die Geschichte der Arbeiterbewegung stark in den Vordergrund. Ein beachtenswertes Sammelwerk: Ein Autorenkollektiv hat 1958 für das historische Institut der tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften den ersten Teil des „Prehled ceskoslovenskych dejin" (Übersicht über die tschechoslowakische Geschichte) herausgegeben — ein Band, der bis 1848 reicht. Kein Zweifel, daß — angefangen von der prähistorischen und historischen Archäologie bis zu der Zeitgeschichte — der historischen Wissenschaft in der Tschechoslowakei hohe Bedeutung und entsprechende Förderung zugemessen wird. Kein Zweifel, daß Leistungen gesetzt werden, die auch außerhalb der tschechoslovakischen Grenzen nicht unbeachtet bleiben dürfen. Das Wort des großen Lehrers, daß die Kenntnis der Entwicklung der Dinge erst die Kenntnis der Dinge selbst vermittelt, versucht man jedenfalls mit viel Konsequenz in der Praxis umzusetzen. Und dennoch: die ganze Schwäche der Position der historischen Wissenschaft der Tschechoslowakei wird in ein paar Sätzen ihres Organs offenbar: „Die historische Wissenschaft zur Zeit des Kapitalismus, die von Historikern geschrieben wurde, die den Interessen der Fabrikanten, der Argrar-Geldmagnaten gedient haben, konnte und wollte kein wahres Bild unserer nationalen Geschichte geben, weil sie damit eine Waffe in die Hand des Volkes gedrückt hätte, die gegen die Klasseninteressen der Ausbeuter gerichtet gewesen wäre. Daher mußte sie Tatsachen verschweigen, Fakten verdrehen und verhüllen, damit sie das ungerechte Ausbeutersystem rechtfertigte, damit sie die revolutionäre Entschlossenheit der arbeitenden Masse treffe." 24 ) Wo solche Sätze unwidersprochen geschrieben werden können und zur Kenntnis genommen werden müssen, und sei es auch nur im Rahmen eines sehr zweckbedingten Aufsatzes, dort klafft ein Riß, nicht nur gegenüber den Lehren und ihrem Standpunkt von einst — mag sein, daß dieser wandlungsbedürftig ist — sondern gegenüber dem Recht auf Wahrheit, das sich ehrlich um Erkenntnis ringende tschechische Historiker erworben haben und mit dem die Geschichtswissenschaft an sich steht und fällt. Noch dringt die Warnung aus Karel Stloukals Sätzen herüber, die der im Vorjahr Verstorbene an seine Studenten gerichtet hat: „Die historische Forschung verlangt Freiheit, Freiheit sowohl der Uberzeugung als auch der Arbeit . . . Jede Ideologie vergewaltigt und verzeichnet sie . . ."") Und noch steht über allem das Gesetz, das Jaroslav Göll in Ciceros Worten dem Historiker vor Augen hält: „Ne quid falsi dicere audeat, ne quid veri non audeat historia. Die

") CsCH I. - 1953/2, S. 150 f. ") Stloukal, O studiu déjepisu, S. 118; vgl. Plaschka, Karel Stloukal; Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 1958/3—4.

Historie der Revolutionen

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W a h r h e i t z u sagen und die Wahrheit nicht z u verschweigen, m a g daraus entstehen was will."

LITERATUR

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Thomson S. Harrison: T. G. Masaryk and Czech Historiography, Journal of Central European Affairs 10/1950/51, S. 37ff. Vancura J.: Vliv Masaryküv na dejinne naziräni u näs, Ceskä mysl XI/1910, S. 135 ff. Werstadt Jaroslav: Odkazy dejin a dejepiscu, Prag 1948. Ders.: Politicke dejepisectvi XIX. stoleti a jeho ceJti predstavitlele, C C H 26/1920, S. 1 ff. Abkürzungen C t H = Cesky casopis historicky CsCH = Ceskoslovensky casopis historicky

SELBSTVERSTÄNDNIS U N D KRITERIEN NATIONALER I N T E G R A T I O N I N Ö S T E R R E I C H : I M P U L S E 1918 U N D 1945/1955 s )

In dem vorgesehenen knappen Rahmen darf auf einige Grundtendenzen der Entwicklung hingewiesen werden. Es sei mir gestattet, einem Hinweis O t t o Vosslers folgend, mit einem Beispiel zu beginnen: mit einem Fall im Tessin. Es war in den Jahren 1797/1798. Unter dem Einfluß der Ideen der Französischen Revolution und unter dem Druck der Heere Bonapartes war die Cisalpinische Republik entstanden, hatte Mailand, Modena, Ferrara, Bologna, die Romagna erfaßt — deutlich ein erster Ansatz zu einem italienischen Nationalstaat. Aber man wollte weiter ausgreifen, man wollte weitere Konnationale sammeln, man wandte sich nach Norden, gewann noch im Herbst 1797 Veltlin, Bormio, Chiavenna — kein Volk, so hieß es, solle einem anderen Untertan sein; und mit ihren Befreiungsbewegungen schien die Helvetische Revolution gute Voraussetzungen f ü r weiteres Vorgehen zu bieten. In diesem Sinn sind Anfang 1798, im Februar, italienische „Patrioten", „Briganten", von Mailand aus aufgebrochen und ins Tessin nach Lugano gezogen, um auch hier ihre italienischen Brüder der Vogtei Lugano von der eidgenössischen Bindung zu lösen, sie zu befreien und im Handstreich ihren nationalen Anschluß herbeizuführen. Aber zum großen Anschlußerlebnis kam es nicht. Denn die Luganer zeigten sich von dieser Möglichkeit nicht gleicherweise entflammt wie ihre neuen Konnationalen, die da angekommen waren. Im Gegenteil, die Tessiner haben sich bewaffnet, und sie warfen die Cisalpiner aus dem Land. Und auf das Denkmal, das sie errichteten, schrieben sie: Liberi e Svizzeri o Morte. Unsere Frage: Welche der beiden Gruppen hat in diesem Fall national, im Sinne nationaler Integration gehandelt? Die Cisalpiner, die forderten: Ihr seid Italiener und gehört zu uns, oder die Luganeser Tessiner, die antworteten: Wir sind Eidgenossen und gehören zur Schweiz? Die Cisalpiner, die auf die gemeinsame Sprache, Abstammung, Kultur verweisen, oder die Tessiner, die sich auf das gemeinsame Erlebnis im Bund der Eidgenossen, auf eine gemeinsame Vergangenheit und Tradition in diesem Staatsverband und ebenfalls auf gemeinsame kulturelle Belange berufen konnten?

*) Vortrag, gehalten auf einem Symposion vom 12. — 19. 4. 1980 in Moskau, veranstaltet von der Akadamie der Wissenschaften der UdSSR im Zusammenwirken mit der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften.

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Auf die Frage, welche der beiden Gruppen national gehandelt hat, darf die Antwort lauten: Im Sinne nationaler Integration haben beide gehandelt. Es wurden von beiden Gruppen Kriterien angesprochen, die entsprechende, einander keineswegs ausschließende, vielmehr in erster Linie Prioritäten signalisierende Loyalitätseffekte zur Folge hatten oder haben konnten. U n d die Kriterien verdeutlichen die beiden Voraussetzungen nationaler Integration: die objektive und die subjektive. ad 1. die objektive

Voraussetzungsebene

Die nationale Bewegung zeigt sich in Wechselwirkung mit den wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ihrer Zeit und der daraus resultierenden sozialen Mobilisierung; sie entwickelt weiters — freilich nicht ohne subjektivierende Elemente — ein Rollenbild, in dem sie die Gesamtheit der Wert- und Aufgabenvorstellungen der Gruppe zu erfassen trachtet und das sie nicht zuletzt in kulturellen Zusammenhängen verankert, so in Sprache und Geschichte; und sie erfährt die zusätzliche Wirksamkeit staatsbedingter Kriterien, die sich vor allem aus Staatsgrenzen und Staatsgewalt ergeben. Demgemäß sind im Hinblick auf das gestellte T h e m a drei Kriteriengruppen zu berücksichtigen: die ökonomisch-soziale, die Gruppe des programmatischen Rollenbildes und die der gegebenen politisch-organisatorischen Bindungen im Staat. Die ökonomisch-soziale Kriteriengruppe wirkt aufgrund der Entwicklung von Produktionsressourcen und Produktionskapazitäten, der Herstellung von Verkehrsverbindungen und Marktbereichen, sie wird durch den Bildungsprozeß und die Massenkommunikationsmedien ergänzt, sie f ü h r t zu gemeinsamen Kooperations- und Lernfaktoren, parallelen Erfahrungen und Reaktionen, Präferenzen und Aversionen, Wissens-, Erwartungs- und Forderungsmustern. Die Kriteriengruppe des programmatisch-ideologischen Rollenbildes wirkt in dem f ü r uns relevanten Bereich durch Sprache und Vergangenheitserlebnis: durch die Gemeinsamkeit der Sprache, die — über ihre Aufgabe als Kommunikationsmittel hinausgehend — als kultureller Faktor zu einem wesentlichen Element, ja zum Symbol der Gemeinschaft wird; durch die Gemeinsamkeit der Geschichte, die das eigene Selbstverständnis in der Perspektive der Zeit zum Ausdruck bringt, dabei Ziele in ideologischer wie räumlicher Hinsicht, dazu Feind- oder Verräterbilder zeichnet und damit zugleich Akzente der Gruppenmoral setzt. Die Kriteriengruppe des Staates stützt sich im Rahmen der Staatsgrenzen als ergänzender oder auch konkurrierender Faktor in den gleichen Kriteriengruppen ab: durch die zentral wirkenden Tendenzen der politischen Organisation, ihrer ökonomischen und sozialen Lenkungsfaktoren, durch die Pflege und Forcierung der vorherrschenden Sprache in Schulen und auf Kasernenhöfen, in Amtsstuben und Gerichtssälen und durch die Vermittlung eines dem staatlichen Rahmen entsprechenden Vergangenheitsbildes.

Selbstverständnis und Kriterien nationaler Integration

ad 2. die subjektive

463

Voraussetzungsebene

Wir stellen an unserer Modellskizze eine deutliche subjektive Komponente fest: Die Tessiner schwankten zeitweise. — Sollten sie sich f ü r den Tellenhut oder die Phrygische Mütze auf ihrem Freiheitsbaum entscheiden, f ü r das Zeichen der Schweizer oder das Zeichen der Cisalpiner? Das bedeutet, der einzelne war gefordert sich zu bekennen, sich mit der Gruppe zu identifizieren. Das heißt weiter, die Gruppenzugehörigkeit zeigte sich subjektiv verbunden mit einem Votum — bis zur Antwort im Sinn von Ernest Renan: die Nation als eine sich ständig präsentierende Herausforderung, als ein „plébiscite de tous les jours". Die Nation erscheint damit im subjektiven Sinn verankert im Willen, sie zu bilden und zu bewahren, in der Affirmation eines Seins oder in der Aspiration nach einem Sein-Sollen. Damit ergibt sich die zweite Voraussetzungsebene, die auch f ü r die Bewohner von Lugano in ihrem Plebiszit richtungsweisend war: im Rahmen der objektiven Gegebenheiten auch eine subjektive Interessenlage und Erfolgserwartung, die mit der Gemeinschaft verbunden wird, ein Gruppeninteresse, das zum Votum f ü r die Gruppe und zur Gruppenloyalität führt. Und als Basis dieser Loyalität ist die Attraktivität der Gruppe in Rechnung zu stellen, ein Wertgehalt, der zur Verbundenheit Anreiz gibt. Dabei muß die der Gruppe zugeschriebene Attraktivität keineswegs in erster Linie materiell bestimmt sein, sondern die Gruppe muß mit besonderen Vorzügen in Verbindung gebracht und als besonders zuneigungs- und verteidigungswert erkannt worden sein, als wert sogar, f ü r sie gegebenenfalls O p f e r zu bringen. Dann kann die Gruppenloyalität sich unter intensivierter Motivation bis zur Hingabe steigern, bis zur Bereitschaft, alle anderen Bindungen dem Dienst an dieser Gruppe unterzuordnen, bis zur Intoleranz gegenüber anderen Gruppen und bis zur Bereitschaft zur Selbstaufopferung im Dienst der eigenen. Zusammenfassend bleibt festzustellen: Die nationale Integration erweist sich als ein dynamisches Element im gesellschaftspolitischen Prozeß. Demgemäß ist das sie betreffende Votum weder ausschließlich noch starr, es ist flexibel. Jeder Mensch kann in Beziehung zu mehreren Gruppen leben: zu sozialen, religiösen, nationalen. Dem einzelnen ist jedenfalls im Rahmen der objektiven Gegebenheiten in der Gruppenbildung grundsätzlich ein gewisses M a ß an Freiheit und dementsprechend an Distanz gegenüber den auf ihn einwirkenden Integrationskräften offen — bis einschließlich zur Möglichkeit der Bildung neuer Bindungsschwerpunkte, zur Setzung neuer Integrationsprioritäten. Die damit kurz umrissenen Kriterien nationaler Bindung sind auch auf den österreichischen Bereich anzuwenden: objektive und subjektive Voraussetzungen, die Faktoren Interessenlage, Attraktivität, Loyalität, Flexibilität in der Bildung neuer Bindungsschwerpunkte. Im Hinblick auf ihre Wirksamkeit darf von den ökonomischen und sozialen Kriterien und den relevanten Rollenbil-

464

IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

d e m ausgegangen werden. Daß die Rollenbilder dabei zu f ü r den Historiker mitunter schmerzlichen Vereinfachungen neigen, gilt f ü r die österreichischen Zusammenhänge ebenso wie für andere, steht allerdings nicht selten in beachtenswerter Wechselwirkung zu ihrer Wirksamkeit.

I. Z u DEN ÖKONOMISCHEN UND SOZIALEN KRITERIEN

1. Die Impulse 1918 Österreich präsentierte sich 1918 als einer der kleinen staatlichen Wirtschaftskörper der neu gestalteten ostmitteleuropäischen Zone. Die bald deutlich werdenden wirtschaftlichen Strategien der neugebildeten Staaten: Autarkie, wirtschaftliche Selbständigkeit, Fallenlassen der alten wirtschaftlichen Verbindungen des ehemaligen Staatsverbandes. Das bedeutete — Georg Ränki und Ivan Berend aus Budapest haben diese Folgen in den letzten Jahren sehr schlüssig untersucht —: die Einführung protektionistischer Zölle, die Errichtung von Zollummauerungen. Das bedeutete aber weiter: enge, eher schmalbrüstige Entwicklungen; damit geringe Chancen f ü r die Übernahme neuer Techniken und Methoden der Massenproduktion, so vor allem in der Maschinenindustrie; geringe Chancen für ein entsprechendes Wirtschaftswachstum; geringe Chancen für die Uberwindung der Arbeitslosigkeit, die sich nicht nur als Konjunktur-, sondern wesentlich als Strukturproblem präsentierte. Das bedeutete auch f ü r Osterreich eine von Anfang an als zweifelhaft angesehene Position. Und es taucht die Frage auf, eine Frage, die auch Fachexperten stellten, ob nicht vor allem die Industrie, nachdem sie von den Donauländern abgeschnitten worden war, das Ausschwingen in einem großen deutschen Wirtschaftsraum anstreben müsse, und ob dieses Osterreich denn wirtschaftlich — nicht zuletzt ernährungswirtschaftlich — überhaupt lebensfähig sei. Und die Antwort ließ 1918 und 1919 und besonders zu Zeiten anschwellender Wirtschaftskrisen die Zweifler laut werden, und sie hat den wirtschaftspolitischen Aspekt des Anschlußproblems mitbegründet. Und im sozial-politischen Aspekt erhoffte die Führung der Sozialdemokratie sich vom Anschluß eine langfristig wirksame Verbesserung der Position der Arbeiterbewegung, vielleicht — so O t t o Bauer im Frühjahr 1919 selbst die Extremmöglichkeit in Betracht ziehend — herbeigeführt sogar in einer „revolutionären Welle". 2. Die Impulse 1945/1955 Obwohl die Schwierigkeiten in der Beginnphase größer waren als 1918, war das Vertrauen in die Leistungskraft der österreichischen Wirtschaft von Anfang an stärker. Dieses Vertrauen fand nicht zuletzt im Wiederaufbau und im Auf-

Selbstverständnis und Kriterien nationaler Integration

465

s c h w u n g der I n d u s t r i e seinen N i e d e r s c h l a g : D i e I n d u s t r i e p r o d u k t i o n

Öster-

reichs h a t t e sich 1 9 5 5 g e g e n ü b e r d e r des J a h r e s 1 9 3 7 bereits u m 1 1 9 % gesteigert. D i e s e s V e r t r a u e n basierte weiters a u f der g e g e n ü b e r der Z w i s c h e n k r i e g s zeit b e d e u t e n d k o n s e q u e n t e r e n H e r a n z i e h u n g h e i m i s c h e r E n e r g i e r e s e r v e n in den P r o d u k t i o n s p r o z e ß — n e b e n den O l - und E r d g a s r e s e r v e n v o r allem der W a s s e r k r a f t : G e g e n ü b e r 1 9 3 7 h a t t e sich die E n e r g i e l e i s t u n g d e r letzteren 1 9 5 5 m e h r als v e r v i e r f a c h t . D i e s e s V e r t r a u e n f a n d z u s ä t z l i c h A n s ä t z e in l e b e n s n a h e n B e r e i c h e n , so in der S t e i g e r u n g der H e k t a r e r t r ä g e , mit der schrittweisen E n t s p a n n u n g im E r n ä h r u n g s b e r e i c h . E s stieg mit d e r sichtbaren U b e r w i n d u n g der K r i e g s z e r s t ö r u n g e n auf dem V e r k e h r s s e k t o r , mit massiven N e u a n s ä t z e n , wie mit der E l e k t r i f i z i e r u n g der B a h n e n . U n d es stieg schließlich mit der bald eins e t z e n d e n E r w e i t e r u n g des F r e m d e n v e r k e h r s : D e r Ö s t e r r e i c h e r e r l e b t e , d a ß er selbst mit einem L a n d wie der S c h w e i z auf d e m F r e m d e n v e r k e h r s s e k t o r e r f o l g reich in K o n k u r r e n z zu treten v e r m o c h t e . H i n z u k a m im G e g e n s a t z zu den J a h r e n n a c h d e m E r s t e n W e l t k r i e g ein neu e i n s e t z e n d e s V e r t r a u e n in die n o c h 1 9 4 5 e i n g e f ü h r t e S c h i l l i n g w ä h r u n g und in das in seinen S p i t z e n i n s t i t u t e n nun verstaatlichte B a n k w e s e n . U n d d a ß d e r S c h i l l i n g sich bald a u c h auf i n t e r n a t i o n a l e m Feld b e w ä h r t e und festigte, ging n i c h t wie in den 3 0 e r J a h r e n auf K o s t e n der A r b e i t s b e s c h a f f u n g , s o n d e r n im G e g e n t e i l : H a t t e m a n im W i n t e r 1 9 3 3 den b e d e n k l i c h e n R e k o r d von 4 8 0 . 0 0 0 A r b e i t s l o s e n e r r e i c h t , hielt nach 1 9 4 5 — mit w e l c h e n H i l f e n a u c h i m m e r — die T e n d e n z z u r V o l l b e s c h ä f t i g u n g an. U n d w a r e n s c h o n in d e r E r s t e n R e p u b l i k die A n s ä t z e

zum

Ausbau

der S o z i a l g e s e t z g e b u n g

beachtlich

gewesen,

die

Z w e i t e R e p u b l i k s e t z t e diese T r a d i t i o n von A n f a n g an eindrucksvoll f o r t . W i r d ü r f e n z u s a m m e n f a s s e n : N a c h 1918 h a b e n w i r t s c h a f t l i c h e K r i s e n und die G e f ä h r d u n g d e r E x i s t e n z vielfach z u m p o l i t i s c h e n U n b e h a g e n an Ö s t e r r e i c h , z u m Z w e i f e l a m S t a a t und z u r U n l u s t an ihm b e i g e t r a g e n . N a c h 1 9 4 5 hat das E r l e b n i s der Ü b e r w i n d u n g s c h w i e r i g e r N a c h k r i e g s v e r h ä l t n i s s e , der ansteig e n d e n w i r t s c h a f t l i c h e n P r o s p e r i t ä t u n d die d a m i t v e r b u n d e n e soziale M o b i lität ein neues S e l b s t v e r s t ä n d n i s u n t e r b a u t .

I I . Z U M PROGRAMMATISCHEN R O L L E N B I L D

1. D i e I m p u l s e 1918 D i e G r e n z z i e h u n g e n in O s t m i t t e l e u r o p a nach d e m E r s t e n W e l t k r i e g sollten e r k l ä r t e r m a ß e n — w e n n auch nicht i m m e r in der T a t — den s p r a c h n a t i o n a l e n G r u p p i e r u n g e n u n d i h r e m S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t in a u s g e p r ä g t e r W e i s e e n t g e g e n k o m m e n . D a s p r o g r a m m a t i s c h e R o l l e n b i l d auch des Ö s t e r r e i c h e r s w a r in seiner A u s d e h n u n g u n d A b g r e n z u n g 1 9 1 8 e b e n s o wie das der G r u p p e n seiner U m g e b u n g w e s e n t l i c h durch das K r i t e r i u m der g e m e i n s a m e n S p r a c h e und der v o n d i e s e r Basis h e r b e s t i m m t e n G e s c h i c h t s p e r s p e k t i v e g e p r ä g t .

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

Die Kriterien Sprache und Geschichte wirkten damit, tief schöpfend aus den im 19. Jahrhundert gewachsenen Integrationsansätzen, auf das Gros auch der Österreicher 1918 im Sinne eines Zuges zur deutschen Gemeinsamkeit. Die damals sich auch so bezeichnenden Deutsch-Österreicher verstanden sich — wenn auch nicht ohne besondere Nuance und nicht ohne sich der in der Zeit der Donaumonarchie gewachsenen besonderen Beziehungen zu anderen Nationen bewußt zu sein — als Glied der Deutschen, ähnlich wie Hannoveraner oder Bayern, Württemberger oder Preußen; der Krieg 1866 galt als Bruderkrieg, das deutsche Bürgertum hatte in der Bewahrung der Donaumonarchie eine nicht zuletzt auch deutsche Aufgabe gesehen, und die zentrale Wiener Sozialdemokratie war von den Bruderparteien der Monarchienationen nicht ohne Mißtrauen als „zu deutsch" geführt betrachtet worden. Die Erste Republik galt 1918 der überwiegenden Mehrheit ihrer Einwohner in nationaler Hinsicht neben Deutschland als zweiter deutscher Staat. Das Erlebnis des Ersten Weltkrieges hatte zusätzliche Akzente der Gemeinsamkeit gesetzt. In der Zwischenkriegszeit sollte von der Wiener Universität die Lehre von der gesamtdeutschen Geschichtsauffassung ausgehen, die österreichischen Patriotismus und deutsches Nationalbewußtsein in enge Beziehung stellte. Die anzustrebende größere Zusammenfassung der Deutschen einschließlich der Österreicher galt 1918 jedenfalls breiten Schichten und entscheidenden Führungsgruppen als die entwicklungsfähigere und erfolgversprechendere, als die dem nationalen Rollenbild gemäß attraktivere Staatseinheit. Und führende Vertreter der großen Parteien in Osterreich vertraten diese Auffassung. Der Fluchteffekt aus dem in St. Germain dekretierten Kleinstaat kam hinzu. 2. Die Entwicklung 1945/1955 Die Entwicklung des Rollenbildes in Osterreich erhielt nach dem furchtbaren Erlebnis des Zweiten Weltkrieges ab 1945 wesentliche neue Akzente. Was nun in ungleich höherem Maß zur Geltung kam als 1918, war die vom Staat her geprägte Wert- und Aufgabenvorstellung, gestützt auf das neugewonnene Vertrauen in seine Wirtschaft, getragen von der gestellten Herausforderung zu Mitbestimmung und Mitverantwortung unter besonders schwierigen Verhältnissen. Hinzu kam in der Entwicklung 1945/55 der Wegfall eines dominierenden Bezugspunktes: Mehrheitlich deutsch sprechende Bevölkerung verteilte sich bald auf vier Staaten. Dadurch fiel auch die nationale Anziehungskraft eines bestehenden großen Deutschland weg. Geblieben ist — von kurzatmigen negativen Übersteigerungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit abgesehen — eine vorurteilsfreie, unbelastete Partnerschaft Österreichs zu den drei übrigen Staaten mit deutschsprachiger oder mehrheitlich deutschsprachiger Bevölkerung. Daß aufgrund der gemeinsamen Kriterienaspekte in Sprache, Kultur und

Selbstverständnis und Kriterien nationaler Integration

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Geschichte besondere Beziehungsvoraussetzungen wirksam waren und sind, darf als gegeben unterstellt werden. Allerdings zeigten Inhalt und Effizienz der Kriterien sich etwas gewandelt. Die Bedeutung der Sprache als gefühlsmobilisierendes Symbol der nationalen Gemeinschaft hatte — von Minderheitenaspekten abgesehen — an Gewicht verloren. In einer Zeit zunehmender Internationalisierung trat stärker als bisher die Aufgabe der Sprache als Kommunikationsmittel, weniger ihre Bekenntnisbezogenheit in den Vordergrund. Dieser Bedeutungswandel erfuhr auch von der Geschichte her seine AbStützung. Zwar steht der hervorragende Anteil der österreichischen Vergangenheit auch an der allgemeinen deutschen zweifelsfrei fest. Aber nicht nur daß die Lehre von der Vergangenheit insgesamt an Verpflichtungskraft verloren hat, bald nahmen die Bestrebungen der staatlichen Führungsstellen zu, als Orientierungs- und Erziehungsfaktor besonders die jüngste Vergangenheit, die Zeitgeschichte in Diskussion und in den Vordergrund zu stellen. Und in den Schulbüchern wird nicht zuletzt f ü r die Zeit 1945/55 ein österreichisch-integrationswirksames Bild entworfen. U n d das Jahr 1955, und mit ihm der Staatsvertrag, bilden darin mit Grund einen besonderen Akzent. Die gezeichnete Gesamttendenz: Die Entstehung und Entwicklung der Zweiten Republik Osterreich präsentiert sich als dynamischer Vorgang — herausgewachsen aus der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschland; herausgewachsen aus einer schwierigen Anfangssituation, die erst noch Bewährung zu ihrer Bewältigung verlangen mußte — Zerstörungen, Notlagen, Besatzungsmächte, Besatzungszonen, Gefahr der Teilung Österreichs in eine westliche und östliche Hälfte; aber herausgewachsen auch aus der Uberwindung der Zweifel an Osterreich, wie sie 1918 bestanden hatten, entstanden aus dem „gemeinsamen Willen", „einen selbständigen, unabhängigen Staat zu schaffen". Die Bewährung wird nicht zuletzt in der Gemeinschaftsleistung im Wiederaufbau als absolviert erkannt: als Bewährung der Zusammenarbeit der Parteien wie der Sozialpartner; als Bewährung unter besonderer Belastung — der Besetzung des Landes durch die vier Alliierten Mächte —; freilich auch bald als Bewährung unter deutlicher Anerkennung nun auch von Seiten des Auslandes, das sich mit verbaler Unterstützung ebenso wie mit Hilfsmaßnahmen im Wirtschaftsbereich als an der neuen Staatlichkeit interessierter Partner zu erkennen gab. Das bedeutet freilich eine insgesamt unterschiedliche Entwicklung im Vergleich zu 1918: D o r t der Zug zum Anschluß Deutsch-Österreichs an Deutschland; hier der sich bewußt abgrenzende Aufbau eines eigenen Staates. D o r t der ideologische Wertgehalt des nationalen Rollenbildes noch in der ebenso erstrebten wie verbotenen großen deutschen Gemeinsamkeit; hier die Erziehung dahingehend, den Wertgehalt der eigenen Gruppe in erster Linie im österreichischen Bereich zu suchen. Dort zudem das Absacken in scharf umrissene partei-

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IV. Grenzübergreifende Wissenschaft und Neuorientierung

politische Frontstellungen, d. h. in schwerwiegende innere Zerwürfnisse; hier die überparteilich einheitlichen Anstrengungen unter Voranstellung des Staates. D o r t der G r u n d z u g der damaligen Alliierten, der aus der Feindhaltung gegenüber Osterreich nur schwer herausfinden wollte; hier die rasch einsetzende ausländische Hilfe, d. h. sichtbare Anerkennung der eigenen Bemühungen durch das Ausland. D o r t trotz aller auch vorhandenen Anstrengung eine Kette von Krisen, die Grundlinie der Vergeblichkeit; hier der sichtbare Erfolg des wirtschaftlichen Aufbaues, den man schließlich auch politisch honoriert empfand — mit dem Staatsvertrag. Der Staatsvertrag wirkte im Rollenbild des Österreichers zweifellos als integrierender Impuls: als eine auch im internationalen Vergleich attraktive Errungenschaft, als Erfolgserlebnis und Loyalitätsanreiz. Den Österreichern wurde damit — die Lehrbücher in den Schulen unterstreichen dieses Bild — der Wertgehalt ihrer eigenständigen Entwicklung besonders verdeutlicht: nach dornigen Staatsvertragsverhandlungen die volle Freiheit, der Abzug der Besatzungsmächte, zwischenstaatlich die so wichtige Anerkennung Österreichs als voll selbständiger Staat. Und hinzu trat ein auch international bedeutsamer Erfolgsakzent: der Staatsvertrag als Ansatz zur Überwindung des „Kalten Krieges". U n d nach den Belastungen und O p f e r n des Krieges eine besonders begrüßenswert erscheinende selbstgewählte neue Aufgabenstellung: die Neutralität laut Bundesverfassungsgesetz 1955. U n d auch in dieser Akzentsetzung des Staatsvertrages und der Neutralität im Sinne gemeinschaftsbildender Kriterien der eklatante Unterschied der Zeit nach 1945 zu der nach 1918: D o r t ein Staat, der mehr vergeblich als mit Erfolg um eine eigene, von seinen Bürgern anerkannte Aufgabenstellung rang; hier ein Staat, der mit Staatsvertrag und Neutralität nun seinen besonderen Wertgehalt und seine besondere Aufgabenstellung in der Staatengemeinschaft unterstrich — bis zu der durch die Wahl eines Osterreichers zum Generalsekretär der Vereinten Nationen reflektierten internationalen Anerkennung. Ich fasse zusammen: Für den jungen österreichischen Staatsbürger stellt sich die Frage nach der Nation als konfliktbeladene Herausforderung überhaupt nicht mehr. D a ß er Österreicher ist, ist ihm — unabhängig von wirksamen oder nicht wirksamen weiteren, auch weiteren nationalen Bindungen — selbstverständlich geworden. U n d diese Einstellung erscheint auch international abgestützt: Der Staat präsentiert sich zweifelsfrei als entscheidender Gemeinschaftsf a k t o r in einer primär nun etatistisch ausgegliederten Welt, die Vereinten N a tionen im Grunde als vereinte Staaten, als vereinte Staatsnationen. Umfrageergebnisse — so problematisch ihr Wert auch anzusehen ist — dürfen ergänzend als Bestätigung dieses neuen Selbstverständnisses des Österreichers genannt werden. Allerdings wird auch die laufende Entwicklung wie jeder Integrationsaufbau des gesellschaftspolitischen Prozesses ein Kind ihrer sich festigenden oder

469

Selbstverständnis und Kriterien nationaler Integration

schwindenden V o r a u s s e t z u n g s s t r u k t u r e n bleiben. U n d allerdings ist der in Bet r a c h t g e z o g e n e Entwicklungsabschnitt in historischer D i m e n s i o n auch relativ kurz.

Darüber

hinaus

werden

die

hier

notwendig

pointiert

gezeichneten

Grundlinien der Kriterienwirksamkeit immer wieder auch weiteren Ausgliederungsprinzipien R a u m lassen. S o wird nicht zuletzt die wirksame Bindekraft sprachnationaler Minderheiten bis tief in die N a c h b a r z o n e n hinein dazu beitragen, den F a k t o r Sprache als nationales Kriterium w a c h z u h a l t e n . Ich betone abschließend: Als Impuls zur Integration in O s t e r r e i c h nach 1 9 4 5 n a h m e n und nehmen Staatsvertrag und Neutralitätserklärung des J a h r e s 1 9 5 5 einen besonderen Stellenwert ein. W i r wissen in Osterreich, d a ß wir diesen Staatsvertrag den vier S i g n a t a r m ä c h t e n , d a r u n t e r nicht zuletzt d e r Sowjetunion, zu verdanken haben. W i r dürfen aber auch der M e i n u n g sein, daß Ö s t e r r e i c h sich inzwischen als vertrauensbildendes Glied innerhalb der Staateng e m e i n s c h a f t b e w ä h r t hat.

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RICHARD GEORG PLASCHKA

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1955 V o n P a l a c k y bis P e k a f , G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t und N a t i o n a l b e w u ß t s e i n bei den T s c h e chen. G r a z - Köln 1955, 119 S. 1956 * F r a n z P a l a c k y . In: N e u e Osterreichische B i o g r a p h i e . Bd. X I . 1956, 108 — 118.

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Schriftenverzeichnis

* Zum Begriff des Nationalismus und zu seinen Strukturen in Südosteuropa im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In: Österreichische Osthefte 20. Wien 1978, 48—78 [gemeinsam mit Horst Haselsteiner und Arnold Suppan]. "•Zwei historische Modelle jugoslawisch-österreichischen Zusammenwirkens in der Wissenschaft. Zur Entfaltung der Slawistik in Wien und Graz und zur jugoslawischen Historiographie über die franzisko-josephinische Zeit. In: Die Donaumonarchie und die südslawische Frage von 1848 bis 1918. Texte des ersten österreichisch-jugoslawischen Historikertreffens Gösing 1976. Wien 1978, 3 — 14. * Der Beitrag Österreichs zur slavischen Balkanforschung. In: Slavjanskie kul'tury i Balkany 2. Sofija 1978, 9—15 [gemeinsam mit Horst Haselsteiner und Arnold Suppan]. * Die Polnische Legion in der Beurteilung der österreichisch-ungarischen Führung am Beginn des Ersten Weltkrieges. In: Studia Austro-Polonica 1. Warszawa/Krakow 1978, 175—182. Kurt Wessely. In: Austrian History Yearbook 12/13. Houston 1978, 645—647. 1979 * Verhaltenskrisen gegenüber dem multinationalen Staat. Tschechen und tschechische Parteien im Oktober und November 1912. In: Die Erste Tschechoslowakische Republik als multinationaler Parteienstaat. München/Wien 1979. 23—41. *In memoriam Thorvi Eckhardt. In: Osterreichische Osthefte 21. Wien 1979, 183—190. 1980 Huszt (Chust) — Endstation des „Polski Korpus Posilkowy". In: Z dziejow Slowianszczyny i Europy Srodkowej w XIX wieku (Wroclaw 1980) 39—46. ''Von Pola nach Taku. Der Druck der Mächte auf China 1900 und Österreich-Ungarns Beteiligung an der maritimen Intervention. In: Revue International d'Histoire Militaire. Commitee International des Sciences Historiques. Commission d'Histoire militaire 45. Vienne 1980, 43—57. Ludwig Gogoläk — 70. In: Die Presse. Wien, 15. 3. 1980. 1981 * Zweimal Rebellion in Böhmen. Hussiten und Weißer Berg. In: Revolutionäre Bewegung in Osterreich, hg. Erich Zöllner. Schriften des Instituts für Osterreichkunde 38. Wien 1981, 52—66. ''Impulse und Tendenzen für zwei Jahrzehnte: Ostmitteleuropa 1918 —1938 [Ket evtized impulzusai es iränyzatai: Kelet-Közepeuröpa 1918 —1938. Poticaji i tendencije dvaju desetljeca: Srednjoistocna Evropa 1918—1938]. In: Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf, Bd. 11. Eisenstadt 1981, 79—106. 'Phänomene sozialer und nationaler Krisen in der k. u. k. Marine 1918. In: Menschenführung in der Marine, hg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Herford/Bonn 1981, 5 0 - 8 1 . ' Prag, September 1914. Nationale Impulse unter dem Eindruck der ersten Kriegswochen. In: Politik und Gesellschaft im alten und neuen Österreich. Bd. 1. Wien 1981, 356—364. ''Selbstverständnis und Kriterien nationaler Integration in Österreich: Impulse 1918 und 1945/1955. In: 25 Jahre Österreichischer Staatsvertrag. Symposion der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in der Zeit vom 12.—19. April 1980 in Moskau. Wien 1981, 3 9 - 5 0 .

Schriftenverzeichnis

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1982 U n g a r n und Österreich unter Maria Theresia und Joseph II. Neue Aspekte im Verhältnis der beiden Länder, ed. Anna M. Drabek, Richard Georg Plaschka und Adam Wandruszka. Wien 1982. 164 S. * Das Meer im Süden — ein gemeinsamer Akzent der ungarischen und österreichischen Geschichte. In: Demographie, Bevölkerungs- und Agrarstatistik, hg. von Gabor Erdödy. Budapest 1982, 11—26. Kriegsflotten und ihre Signale. Die Parallelen der Falkland-Krise 1982 zu 1914. In: Die Presse. Wien 17./18. 4. 1982. Ein O r t wie viele . . . Historischer Längsschnitt am Beispiel der Geschichte Bernhardsthals. In: Schriftenreihe „Das Weinviertel". H e f t 7. 1982, 11 — 17. Gegenwart und Z u k u n f t der österreichischen Universitäten und Kunsthochschulen. In: Stenographisches Protokoll. Parlamentarische Enquete, 26. Februar 1982, 6—10. Das sind die Probleme der Hochschulen. In: Österreichische Hochschulzeitung 34, März 1982, Nr. 3, 1 - 8 . Effizienz und Rationalisierung. Probleme der Hochschulen im Meinungsspektrum. In: Österreichische Hochschulzeitung 34, April 1982, Nr. 4, S. 9. N e u e Aufgaben der Absolventenweiterbildung. In: Österreichische Hochschulzeitung 34, September 1982, Nr. 9, S. II. Nicht Luxusliner, aber Qualität. In: österreichische Hochschulzeitung 34, September 1982, Nr. 9, S. 3. D e r Schritt zur Hochschulbildung. Die Universität Wien liegt mitten in Niederösterreich. In: Schriftenreihe „Das Weinviertel". H e f t 7. 1982, 20—24. 1983 Wegenetz europäischen Geistes. Wissenschaftszentren und geistige Wechselbeziehungen zwischen Mittel- und Südosteuropa von Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg, ed. Richard Georg Plaschka und Karlheinz Mack. Wien 1983, 498 S. * Einleitung. Im übernationalen Beziehungsfeld der Studentenströme. Ein Schritt zur Studiengeschichte Europas. In: Wegenetz europäischen Geistes. Wien 1983, 13 — 20. ^ D e r Prozeß Zrinski/Frankopan 1670/71. Eine Traditionsparallele zum P r o z e ß nach der Schlacht auf dem Weißen Berg und zur Hinrichtung auf dem Altstädter Ring. In: Die böhmischen Länder zwischen Ost und West. Wien 1983, 103—112. Zu Johann Gottfried Herders Vermächtnis an die junge Generation der Universitäten. Ansprache des Rektors der Universität Wien. In: Gottfried-von-Herder-Preise 1983. H a m b u r g 1983, 7—12. Studentenberg — Universität im Wandel. In: Universitäten: Partner der Industrie. Eine Dokumentation. Vereinigung österreichischer Industrieller. Wien 1983, 5—7. Genuine Aufgabe der Universitäten: Z u r Hochschulforschung/Osterreichische Rektorenkonferenz. In: Österreichische Hochschulzeitung 35, Nr. 5. 1983, 17—19. 1984 Matrosen, Offiziere, Rebellen. Krisenkonfrontationen zur See 1900—1918. T a k u — Tsushima — Coronel/Falkland; „Potemkin" — Wilhelmshaven — Cattaro. 2 Bde., Wien 1984. 1. Bd. 380 S., 32 Abb. auf 16 Tafeln, Graphiken i . T . , 2. Bd. 394 S., 32 Abb. auf 16 Tafeln, zahlr. Graphiken u. Karten i. T.

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Schriftenverzeichnis

Ausgangspunkt Triest, 5. 1. 1914. In: Österreichische Osthefte 26. Wien 1984, 107—113, und: Festschrift zum siebzigsten Geburtstag von Josef Breu. Wien 1984, 287—300. Vom Kartenoffizier zum Geographen. Professor Josef Breu 70. In: Die Presse, 7./8. 1. 1984, VIII. Das Studienjahr 1982/83 des 863. Rektorats. Bericht des Rektors der Studienjahre 1981/82 und 1982/83 [O. Prof. Dr. Richard Georg Plaschka]. In: Jahrbuch 1982/83 der Universität Wien 1984, 7—21. Péter Hanäk — um Wahrheit und Verstehen. In: Péter Hanâk, Ungarn in der Donaumonarchie. Probleme der bürgerlichen Umgestaltung eines Vielvölkerstaates. Wien/ München/Budapest 1984, 7—9.

PERSONENREGISTER

Abele, Christoph von 27, 31, 33 Abraham a Santa Clara (Ulrich Megerle) 426 Adalbert von Prag (Vojtéch) 199 Adamcek, Josip 27 Adler, Viktor 57 Aehrenthal, Aloys Lexa Graf von 211 Albrecht, Erzherzog, H e r z o g von T e schen 77 Albrecht, Graf von G ö r z 48 Albrecht, H e r z o g von Sachsen 21 Albrecht III., H e r z o g von Osterreich 414 Aleksic-Pejkovic, Ljiljana 406 Aleksandr (Alexander) Nevskij, Fürst von Novgorod 450 Alexandrescu, Dimitrie 418 Alpatov, Michail Vladimirovic 435 Andrässy, Gyula (Julius) d. Ä., Graf 98 Andrässy, Gyula (Julius) d. J., Graf 358 Andreas II., König von Ungarn 46 Anhalt, Christian von 17 Anna, Königin von Böhmen und Ungarn 64 Aprilov, Vasil 126 Arkonovic, Nikola 236 Arnim, Bernd von 400 Arsenije III. Crnojevic 138 Asachi, Gheorghe 136 Auffenberg, Moritz Ritter von 242 Augustin(us) Aurelius 189 Aust, Ludvik 218 Babukic, Vjekoslav 136 Baczynski von Leszkowicz, Raimund Ritter 287 Bälcescu, Nicolae 135 Balogh, Alexander von 301 Bancroft, George 194 Barcic, Erasmus 238 Bardolff, Carl Freiherr von 210, 214, 216, 242

Baernreither, Joseph Maria 192 Baudelaire, Charles 198 Bauer, Ernest 44, 442, 464 Becher, Johann Joachim 36 Beer, Adolf 43 Belcredi, Richard Graf 90, 97 ff. Belsky, Guido 86 Bendemann, Felix von 112 Benedek, Ludwig August Ritter von 7 4 - 7 7 , 7 9 - 8 2 , 84f., 87 Benedikti 180 Benes, Edvard (Eduard) 193 Beränek, Jan 211 Berchtold, Leopold Graf 211, 214 f., 425 Berend, Ivan T . 443, 464 Bethlen, Gabor (Gabriel), Fürst von Siebenbürgen 16 Bezaure, Comte 103 Bibl, Viktor 422 Bidlo, Jaroslav 198, 456 Billroth, T h e o d o r 427 Bittner, Ludwig 399 Blair, Robert 166, 182 Bleiweis, Janez 144 Bogdanov, Vaso 412 Bogisic, Valtazar 26 Böhm-Ermolli, Eduard Freiherr von 268 Bolfras, Arthur Freiherr von 214 Bolingbroke, Henry Viscount 166, 182 Bornemisza, Alexander von 297, 300 ff. Botev, Christo 136 Bozic, Ivan 412 Brajoveanul, Dimitrije Eustatievici 136 Brauner, Franz August 68 f., 90, 94, 160 Breuer, Josef 422, 426 Broch, H e r m a n n 426 Brüll, Ignaz 422 Buchta, Franz 279 Bukolic 234 Buquoy, Karl Bonaventura Graf von 16

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Personenregister

Cabrinovic, Nedeljko 281 Call, Rudolf Freiherr von 344 Capinius, Martin 415 Camus, Albert 372 Castle, Eduard 421 Cepelic, Milko 407 Cermak 302 Cesliar 236 Chaloupecky, Václav 198, 456 Chelcicky, Petr (Peter) 11, 455, 457 Churchill, Sir Winston Leonard 275 Cicero, Marcus Tullius 196, 458 Ciliga, Vera 409 Cirkovic, Sima 412 Cizmic, Ivan 412 Clam-Martinic, Heinrich Jaroslav Graf von 69, 71, 99 Clausewitz, Carl von 263, 370, 391 f. Cobenzl, Philipp G r a f von 40 Conrad, Franz Freiherr von Hötzendorf, G r a f 210, 214 ff., 230, 242 t o r o v i c , Vladimir 406 Cosmas von Prag 167 Cubrilovic, Vaso 276 f., 282 f., 285 Culinovic, Ferdo 412 Cyrill (Kyrillos) 224, 431 f. Czapka, Ludwig 249, 251 Czernin, Ottokar G r a f 18, 425 Dampierre, Henri Du val Graf 16 Danielopol, George 418 Daun, Leopold J o s e f Graf von 38 Davidovic, Obrad 237 Dedijer, Vladimir 412 Despot, Miroslava 409 Deutsch, Karl 133 Dezsényi, Miklós 43 Dimitrijevic, Dragutin („Apis") 144 Djordjevic, Dimitrije 406 Djukic, Lazar 277, 281 Dmitri) Donskoj, Großfürst von Moskau 450 Dobrovsky, J o s e f 166, 183, 195, 395, 403, 453, 455 Don Juan d'Austria 48 Dreyfus, Alfred 427 Drinkovic, Mate 234 Drinov, Marin 135, 396 Durski, Carl von 291, 293 Dvorácek 155 Dvorák, Max 198, 456

Ebner-Eschenbach, Marie von 426 Eckhardt, Thorvi 4 2 9 — 4 3 7 Eckhardt, Victor 429 Ekmecic, Milorad 411 f. Ellenbogen, Wilhelm 119 Eminescu, Mihai 136 Engel, Johann Christian von 26 Eötvös, Jözsef (Josef) Baron von 187, 416 Eylers, Johann 29

176,

Fabricius, Philipp 15 Favier, Alphonse 107 Fekete Nagy, A. 43 Ferdinand I., römisch-deutscher Kaiser 64, 66, 204 Ferdinand II., römisch-deutscher Kaiser 15, 66, 68 Fessler, Ignaz Aurelius 26 Festl, Lehel 302 Filip, Jan 236 Fishta, Gjergj 136 Flesch, Julius 284 Folliot de Crenneville, Franz 80 Fort, Josef 192 Frankopan, Fran Krsto (Franz Christoph) Graf 25 — 35, 238 Franz I., Fürst von und zu Liechtenstein 396 Franz I., Kaiser von Osterreich 425 Franz von Assisi 199 Franz Ferdinand, Erzherzog 231, 242, 423 ff. Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn 88, 115, 217, 221, 234, 237 f. Frasheri, Abdul 144 Frasheri, Naim 136 Freud, Sigmund 422 Frey, Georg 29 Fric, J o s e f Vaclav 92, 159 Friedjung, Heinrich 77 Friedrich I., Kurfürst von der Pfalz 22 Friedrich I., Herzog von Liegnitz 21 Friedrich II., Herzog von Liegnitz 21 Friedrich II., Kurfürst von Brandenburg 24 Friedrich III., römisch-deutscher Kaiser 22 Friedrich V. von der Pfalz („der Winterkönig") 15, 17

Personenregister Friedrich, Gustav 198 Frind, Wenzel 424 Gaj, Ljudevit 136, 144, 154 Garasanin, Ilija 144 Gelb, I. J. 431 Geneste, Marc E. 392 f. Gestrin, Ferdo 410 Gindely, Anton 89, 208 Glücklich, Julius 198, 456 Goethe, Johann W o l f g a n g von 167 Gogoläk, Lajos (Ludwig) 415 Goiginger, Ludwig 273 Göll, Amely 201 Göll, Jaroslav 168, 178, 192—202, 454, 458 Goluchowski, Agenor Graf 95, 97, 211 Gomperz, T h e o d o r 421, 426 Grabar, Anton 341 Grabez, T r i f k o 281 Grafenauer, Bogo 27, 410 Grafenauer, Franz 324—328, 333 Gregr, Edvard 89, 94 Greif, Karl 303 f. Grek, Feofan 434 Gross, Mirjana 44, 408 G r u n d , Alfred 44 Grünwald, Vendelin 155 f. Guizot, Guillaume 166 Hadzidakis, Georgios 136 H a h n , Johann Georg von 44, 56 H a j e k , Alois 167 H a j e k , Egon 399 Haller, Karol 291 ff. H a m m , Josip (Josef) 415, 430 Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von 395 Hansa, Alexander 340 f. Hatina, Alois 220 H a u p t m a n n , Ferdo (Ferdinand) 415 Havlicek Borovsky, Karel 68, 453, 455 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 181 Heimburg, Gregor 22 Heinrich VII., römisch-deutscher König 45 Helebrand, Thekla 306 Heller, Eduard 77 Helmer, Gilben 192 Henikstein, Alfred Freiherr von 82 Heralt 21

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Herder, Johann Gottfried von 134, 143, 169, 184 Hernädy, Ferenc 43 Hieronymus von Prag 7 Hiltebrandt, J. 112 Hitler, Adolf 457 H o b s o n , John A. 108 H o c h e r , Johann Freiherr von 27, 29 H ö f l e r , Constantin von 178, 185, 194 H o f m a n n , Ladislav 198, 456 Hofmannsthal, H u g o von 427 Hohenberg, Max H e r z o g von 423 H o h e n l o h e , Konrad Prinz 17, 279 Holub, Franz von 361 Hörnigk, Philipp von 36 H o r t h y , Miklös (Nikolaus) von 344, 346 Hribar, Ivan 409 H r o c h , Miroslav 141 f. H r u b a n , Moric 223 f. H u m b o l d t , Alexander Freiherr von 54 H u r b a n , Josef Miroslav 158 Hus, Jan (Johannes) 3, 5 — 8, 168, 452 f., 455, 457 Hüttisch 299 Iancu, Avram 144 Ivänka, Milan 236 Ivic, Aleksa 405 Jagic, Vatroslav 395 — 399, 403ff., 415, 418 Jagoditsch, Rudolf 399 f. Jankovic, Dragoslav 411 Jeglic, Anton Bonaventura 138, 439 Jekey de Porcsalma et Buly, Alois 301 f. Jelena Lijepa, kroatische Königin 46 Jelinek, Josef 307 Jessenius 12, 15 f., 18 f. Jirecek, Joseph Constantin 396, 398 f., 405, 418, 430 Johann von Luxemburg, König von Böhmen 63 Jokov, Jordan 436 Jonas 247 f., 251 f. Joseph II., römisch-deutscher Kaiser 36 f., 39 ff., 51, 67 f. Joseph Ferdinand Salvator, Erzherzog von Osterreich 294, 358 Jug, Richard 346 Jukic, Ivan Franjo 234 Jünger, Ernst 445

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Personenregister

Jungmann, Josef 165, 182 Justi, Johann Heinrich Gottlob von 36 Kaiser, Julius 290 Kalhous, Rudolf 359 f. Kalousek, Josef 62—67, 168 Kalvos, Andreas 137 Kann, Robert A. 274, 421—428 Kant, Immanuel 165, 181 Kapidzic, Hamdija 411 Kapistran, Johann 11 Karadzic, Vuk Stefanovifc 136, 155, 403, 418 Karaman, Igor 44, 408 Karavelov, Ljuben 136, 144 Kardelj, Edvard 409 Karl I., Kaiser von Osterreich, als König von Ungarn Karl IV. 315 Karl III. von Anjou 47 Karl IV., römisch-deutscher Kaiser 4 Karl VI., römisch-deutscher Kaiser, als König von Ungarn Karl III. 49 Kärolyi, Mihäly (Michael) Graf 357 f., 440 f. Kasimir IV., Großfürst von Litauen, König von Polen 24 Kastl, Josef 297, 299, 302 Katicic, Radoslav 415 Kaulbach, Eberhard 80 Kaunitz-Rietberg, Wenzel Anton Fürst von 36 f., 39 f. Keller, Alois 239 Kelsen, Hans 421 Kerenskij, Aleksandr Fedorovic 307 Kermavner, Dusan 410 Kerovic, Mitar 277, 281 Kerovic, Nedjo 277, 281 Kestfanek, Paul 364 Ketteier, Wilhelm Emmanuel Freiherr von 114 Klaic, Nada 27 Klapka, Georg 93 Klofac, Vaclav 218, 223f., 226, 228 Kloud, Josef 306 Kluckhohn, Paul 421 Knafelj (Knaffl), Luka (Lukas) 419 Knezevic, Krstofor 339 Knobloch, Theodor 299 Knott, Engelbert 321 Koch, Hans 399 Koch, Method 346

Kohn, Hans 207, 426 Kollär, Jan 134 Kollaf, Josef 113, 180, 455 Kolletis, Ioannes 144 Kolokotronis, Theodoros 144 Koloman, König von Ungarn 46 Komensky (Comenius), Jan Amos 455, 457 Konstantinovic, Zoran 415 Kopitar, Jernej (Bartholomäus) 136, 195, 395, 403, 418 Kopriwa 280 Korac, Vitomir 408 Korai's, Adamantios 136 Kornilov, Lavr Georgievic 307 Koroäec, Anton 439 Kosciuszko, Tadeusz Andrzej Bonaventura 165, 182 Kossuth, Lajos (Ludwig) von 52 Koucky, Franz 344 Kovacevic, Ivan 409 Kovalevskaja, Sofija 418 Kramär, Karel (Karl) 61 f., 66 f., 70, 192 f., 207, 223—229 Kranjcevic, Ivo 277, 282 f. Kratky, Franz 291 Kraus, Ljubomir 344 Krauß, Alfred 77, 80 Krcek, Josef 297, 302 f. Krek, Gregor 397, 404 Krek, Janez Evangelist 138, 144 Kremmer, Alois von 395 Krestic, Vasilije 407 Krismanic, Gideon Ritter von 78, 82 Kii2ek, Jurij 44 Krizman, Bogdan 409, 411 f. Krofta, Kamil 44, 97, 196, 198, 454, 456 Krstelj 234 Krumbacher, Karl 418 Krumpach, Jakob 29 Kukuljevic-Sakcinski, Ivan 26, 135, 153 f., 157 ff. Kun, Béla 442 Kunstadt, Anna von 21 Kunstadt, Bocek von 21 Kunstadt, Viktorin von 21 Kurelac, Fran 157 Kürschner 302 Küttner, Ferdinand 293 Kutuzov, Mihail Ilarionovic, Fürst 450 Kybal, Vlastimil 198, 456

Personenregister Lacy (Lascy), Franz Moritz Graf von 40 Ladislaus I., König von Ungarn 46 Ladislaus IV., König von Ungarn 45 Ladislaus V. Postumus, König von U n garn und Böhmen 21 Ladislaus von Neapel 47 Lalatta, Cesare Pettorelli 319 Lammasch, Heinrich 362 Laurian, August Treboniu 135 f. Lazansky, Anton Graf 86 f., 90 Lazarev, Viktor Nikitic 434 Lejhanec, Heinrich 297, 302 f. Lemberg, Eugen 136, 207 Lenin (Ul'janov), Vladimir Il'ic 274 f., 384 ff., 389f. Leopold I., römisch-deutscher Kaiser 136 Leopold II., römisch-deutscher Kaiser 37, 135, 410 Leopold III. von Habsburg, H e r z o g von Osterreich 47 Leopold V., Erzherzog von Steiermark 14 Leopold, Erzherzog 85 Lettow-Vorbeck, O s k a r von 80 Levit 284 Liechtenstein, Johannes Prinz von und zu 343 Liewehr, Ferdinand 399 Lilek, Emilijan 27 Lloyd George, David 374 Loën 101 Loga, Constantin Diaconovici 136 Löhner, Ludwig von 175, 187 Loncar, Dragotin 409 Lopasic, Radoslav 26 Lovrencic, René 409 Lubomirski, Georg Fürst 95 Lubomirski, Jerzy 160 Luden, Heinrich 164, 180 Ludwig I., König von Ungarn 46 f. Ludwig IX., Herzog von BayernLandshut 22 Lukes, Ludwig 311 Luk'janenko, A. M. 26 Mailäth, Jânos (Johann) Graf 26 Maior, Petru 135 Mair, Martin 22 Majar-Ziljski, Matija 144 Mal, Josip 410

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M a o Tse-tung 390—393 MareS, FrantiSek (Franz) 415 Maria Theresia, Königin von Ungarn und Böhmen, Erzherzogin von Osterreich 36 f., 39 ff., 49, 67 f., 394f. Marini, Anton 22 Martin von T o u r s 199 Martinitz, Jaroslav von 15 Masaryk, T o m á s (Thomas) Garrigue 56, 69, 71, 148, 179, 193, 201, 223, 227 ff., 265, 317, 356, 374, 379, 409, 418, 427, 441, 452 — 455 Matejka, Wenzel 302 f. Matl, Josef 401 Matthias, römisch-deutscher Kaiser 13 ff. Matthias Corvinus, König von Ungarn 21 f., 24, 48 Maulbertsch, Anton 426 Maurig, Ernst Ritter von 250 Mavrodinov, Nikola 434 Maximilian I., K u r f ü r s t von Bayern 16, 18

Mazuranic, Ivan 136 Mazzini, Giuseppe 134, 148 Medakovic, Bogdan 381 Medal 250 Mehmed II., Sultan 137 Melik, Vasilij 410 Menzel, Wolfgang 426 Metod (Method, Methodios) 224, 431 Michael III., Kaiser von Byzanz 432 Michálek, Antonin 299 Michalek, Franz 307 Mickiewicz, Adam 198 Micu, Samuil 136 Mihajlo (Michael) Obrenovic, Fürst von Serbien 155 Miklosic (Miklosich), Franc (Franz) von 155, 395, 398, 403 f., 415, 418 Miladinov, Dimitär 136 Miladinov, Konstantin 136 Miletic, Svetozar 144 Milic, Danica 407 Milos Obrenovic, Fürst von Serbien 155 Milosevic, Alexander 346f., 382 Milovic, Jakov 277, 281 Mitrovic, Andrej 411 Mlejnek, Karl 318, 320 M o h r , Nielas 35 Molisch, Paul 366 Molitor, T h o m a s 29, 33

482

Personenregister

Moltke, Helmuth Graf von 79 Montecuccoli, Rudolf Graf 107 ff. Moraczewski, Jfdrzej 160 Moritz von Oranien 15 Murko, Matija 397 f., 404 f., 418 Nädasdy, Ferenc (Franz) Graf 28 Nadler, Josef 421 Nahtigal, Rajko 398 f. Napoleon I. Bonaparte, Kaiser der Franzosen 461 Navrätil, Bohumil 198, 415, 456 Nejedly, Zdenék 179, 198 f., 450, 456 Némec, Antonin 218 f., 223, 228 Neruda, Jan 87, 101 Nikola I., Fürst, König von Montenegro 238 Nimitz, Chester W. 44 Njegos, Petar Petrovic 136 Nostitz, Erwein Graf 192 Novak, Grga 44 Novak, J. B. 198, 456 Noväk, Wenzel 300 Novotny, Vaclav 198, 456 Nozicka, Jaroslav 306 Oblak, Vatroslav 397, 404 Obradovic, Dositej 136 Odlozilik, Otakar 198, 456 Olip, Sebastian 373 Olsa 302 Opocensky, Jan 366 Oreäkovic, Antonije 95 Orlando, Vittorio Emanuele 265, 374 Ortega y Gasset, José 428 Otakar (Ottokar) II. Premysl, König von Böhmen 44 f. Otto 33 Ovcicka, Johann 247 f., 250 Pach, Zsigmond Päl 43 Paisij, Chilendarski 135 Palacky, Frantisek (Franz) 1, 69, 94 f., 98, 160 f., 163 — 179, 180-191, 194 — 197, 199 ff., 227, 451 ff., 455 Pamlényi, Ervin 44 Paparrègopoulos, Konstantinos 135 Pascal, Aristide 418 Pasic, Nikola 242, 355, 439 Patsch, Carl 399 Paul II., Papst 23

Pauler, Gyula 26 Paulovä, Milada 211 Pavelic, Ante 438 Pavic, Armin 407 Pekaf, Josef 59 ff., 71, 167, 197 ff., 260, 454 ff. Pekelsky, Josef 299 Pekmezi, Georg 398 Perin, Marko 277 Perlachius, Andreas 415 Pernerstorfer, Engelbert 218, 279 Perovic, Radoslav 406 Petar (Peter) I. Karadjordjevic, König von Serbien, König der Serben, Kroaten und Slowenen 221, 237 f. Petrovic, Kosta 406 Petrovic, Nikola 407 Petzval, Josef 415 Pflanzer-Baltin, Karl Freiherr von 289, 291, 293 Pitsudski, Jözef (Josef) 286, 288, 290 f., 317, 356 Pius II., Papst 23 Pivko, Ljudevit 315—323, 389 Piaton 5 Pleterski, Janko 410 f. Podebrad (Podiebrad), Bocek von 21 Podebrad (Podiebrad), Jiri (Georg) von, König von Böhmen 11, 21—24, 168 Podebrad (Podiebrad), Heinrich der Jüngere von, Herzog von Münsterberg 21 Podebrad (Podiebrad), Katharina von 21 Podebrad (Podiebrad), Kunigunde (Katharina) von 21 Podebrad (Podiebrad), Ludmila von 21 Podebrad (Podiebrad), Viktorin von, Herzog von Münsterberg 21 f. Podebrad (Podiebrad), Zdenka von 21 Polisensky, Josef 457 Popovifc, Cvjetko 277, 282f. Popovic, DuSan 406 Potiorek, Oskar 210, 216, 235 Potter, Elmar B. 44 Prazäk, Alois Frh. von 95, 98 Preradovic, Petar 136 Preseren, France 136 Pribicevic, Svetozar 438 Pribram, Alfred Francis 399, 421 f. Prijatelj, Ivan 410 Princip, Gavrilo 281, 283 ff., 369

Personenregister Prokesch-Osten, Anton Graf von 395 P r o k o p der Kahle 9 Puchalski, Stanislaw von 294 R a c k i , Franjo 2 6 f . , 135, 408 R a d e k , Karl 442 Radenic, Andrija 406 R a d e t z k y , Joseph Graf 75 f. Radic, Stjepan 345, 438 Radicevic, Branko 136 Radonic, Jovan 406 Rädulescu, Ion H e l i a d e 136 R a d w a n o v s k y , Karl 307 Rajacic, Josif 138 Rajevskij, M i h a i l Fedorovic 155 Rajic, J o v a n 135 R ä k ö c z i , Ferenc (Franz) I., Fürst von Siebenbürgen 28 R a k o v s k i , Georgij 144 Ranisch 91 R a n k e , Leopold 195 R ä n k i , G y ö r g y ( G e o r g ) 443, 464 Rasch, Franz 343 f. Rasin, Alois 360 Redei, Käroly 415 Redlich, Oswald 421 R e j z e k , Bozena 306 R e n a n , Ernest 207, 463 R e n n e r , Karl 424 Ressel, Joseph 54 R i e g e r , Bohus 68 f. R i e g e r , Frantisek Ladislav 88, 90, 93, 99, 101, 155 Rilke, R a i n e r M a r i a 198 Rilski, N e o f i t 136 Ristic, Jovan 135, 406 Robertson, W i l l i a m 166, 182 Roja, Josef 291 ff. Ronge, M a x i m i l i a n 361 R o s e n b e r g - G r u s z c z y n s k i , Heinrich von 91 Rosental, J o h a n n a von 21 R o s i c k y , Jaroslav 364 Rösser, J o h a n n 247 f., 251 R o t h k i r c h - P a n t h e n , Karl Graf 88 R o u s s e a u , Jean J a c q u e s 134 Rublev, A n d r e j 434 f. Rudolf I., römisch-deutscher Kaiser 44 f. Rudolf II., römisch-deutscher Kaiser 12 ff. Rudolf IV., H e r z o g von Osterreich 414

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Ruprecht von der Pfalz, römisch-deutscher König 6 Saar, Ferdinand von 427 S a f ä r i k ( S a f a r i k ) , Pavol Jozef (Pavel J o s e f ) 134, 161, 167, 180, 194, 455 Sagner, H u g o 342 Sambucus, J o h a n n e s 415 Sarkotic, Stephan Freiherr von 328 bis 333, 382 Scheiner, Josef 364 f., 367 Schemua, J o h a n n Edler von 210, 216, 242 Scherr, Johannes 418 Schieder, T h e o d o r 120, 413 Schlichting, L u d w i g 77 Schlick, M o r i t z Graf 18 f. Schlieffen, Alfred Graf von 77, 82 Schmid, Heinrich Felix 400 f. Schneider, Reinhold 202 Schnitzler, Arthur 426 Schönburg-Hartenstein, Alois Fürst 292 Schröder, W i l h e l m von 36 Schrott, Josef 303 S c h w a r z , H a n s - P e t e r 44 Sedläk, Jan 223 Seelau, J o h a n n von (Jan Zelivsky) 9 f. Sepie, Dragovan 44, 408, 411 f. Sesan, Anton 342 ff. S e y m o u r , Sir Edward 110 f. S i d a k , Jaroslav 27, 44, 408, 412 Sieger, Robert 44 S i g m u n d (Sigismund) von Luxemburg, römisch-deutscher Kaiser 8 f., 47 Simäk, J. V. 198, 456 §incai, Gheorghe 135 Sisic, Ferdo 26 f., 44, 407 f. Skalich, Paulus 415 Skrejsovsky, Frantisek 94 Slawata, Wilhelm von 15 Slepicka, Karel 221, 241 Slomsek, Anton M a r t i n 138 Smeral, Bohumir 220, 223 f., 226—230 Sokol, Anthony Eugene 43 Sokol, H a n s H u g o 43 Solomos, Dionysios 137 Sonnenfels, Joseph Reichsfreiherr von 427 S o u k u p , Frantisek 364 Spatny, Emil 278, 280 Spira, Julius 353

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Personenregister

Spiridon von G a b r o v o 135 Srbik, Heinrich Ritter von 399, 422 Stadler, Josip (Josef) 138 Stahl, Friedrich Julius 426 Stajic, Vasa 406 Stäjsky, J a n Ludmil 156 Stambulov, Stefan N i k o l o v 144 Stanek, Frantisek 71, 193 Stanislaus von Z n a i m 7 Stanojevic, Stanoje 405 Starcevic, Ante 144, 408 Stark, O s k a r 43 S t e f a n DuSan, Z a r d e r Serben u n d Griechen 396 Stefan, Josef 415 Stefänik, Milan 356 Stella, A d a m I g n a z 29 Stepinac, Alojzije 433 Sternberg, K u n i g u n d e von 21 Stipetic, Wilhelm 360 Stjepanovic, Cvijan 277, 281 ff. Stjepanovic, P e t a r 281 Stloukal, Karel 71, 198, 456, 458 Strekelj, Karel 397 f., 404 S t r n a d , F r a n z 307 Strossmayer, Josip J u r a j 95, 97, 138, 144, 407 f., 432 Stulli, Bernard 408, 412 Stür, L'udevit 156—159, 161 Stusche, V i k t o r 364 Sugiyama 113 Suklje, F r a n j o 409 Sulzer, J o h a n n G e o r g 418 Suslova, N a d e z d a 419 Susta, Josef 198 Suvorov, A l e k s a n d r Vasilevic Fürst 450 Szechenyi, Istvän (Stephan) Graf 137

Vaclav (Wenzel) IV., K ö n i g von B ö h m e n 4, 9 Valentic, M i r k o 409 V a s m e r , M a x 399 Vecerek, F r a n z 306 Victoria, Königin von G r o ß b r i t a n n i e n u n d Irland 425 Vladimirescu, T u d o r 144 V o n c i n a , Vitus von 347 Vossler, O t t o 461 Vrabec, J a n Josef 25 Vranesevic, Branislav 406 V u k o v i c de P o d k a p e l s k i , J a n k o 347

T a t t e n b a c h , E r a s m u s Graf von 28 T h i e r r y de Menonville, Wilhelm 280 T h o m s o n , H a r r i s o n S. 204 T h u n , J o s e p h M a t t h i a s Graf 161 f., 395 T h u n - H o h e n s t e i n , F r a n z Fürst 253, 2 5 6 f . , 259 T h u n - H o h e n s t e i n , L e o Graf 88 T h u n m a n n , Josef 418 T h u n - S a l m , Josef O s w a l d Graf 192 T h u m (-Valsassina), H e i n r i c h M a t t h i a s Graf 15, 17, 19 T h u m u n d Taxis, R u d o l f Fürst 92 Tilly, J o h a n n Reichsgraf 16

W a i t z , G e o r g 194 W a k n e r , A n t o n 300 Waldersee, A l f r e d Graf 115 W a l d s t ä t t e n , A l f r e d Freiherr von 359 Wallenstein, Albrecht, Herzog von Friedland 48, 198, 456 Wallisch, Friedrich 43 W a n d y c z , P i o t r 204 f. W a r b u r g , M a x 422 W a r t e n b e r g , J a n van 21 Weigl, Leopold Ritter von 73 W e i ß , F e r d i n a n d von 293 W e l h a r t i t z , A n n a v o n 21

T o m a n , H u g o 62, 64, 67 T o m ä s e k , FrantiJek 223 T o m e k , Vaclav Vladivoj 94, 194, 229 T r e b o n i u Laurian, A u g u s t 135 Tresic Pavicic, Ante 244 T r o e l s t r a , Pieter 218 T r o j a n , Alois Pravoslav 156 T r u b e c k o j ( T r u b e t z k o y ) , N i k o l a j Sergeevic Fürst 399 T r u b e c k o j , Sergej Petrovic Fürst 155 T r u m b i c , Ante 355, 439 T s c h e r n e m b l , G e o r g E r a s m u s 17 T u m a , H e n r i k 409 T ' u n g Fu-hsiang 113 T u r k i c 321 T u s a r , Vlastimil 56, 223 f., 226—229, 361 T z ' u - h s i , Kaiserin von C h i n a 106 U d e , Lojze 410 U d r z a l , Frantisek 223, 225 f., 228 U e b e r s b e r g e r , H a n s 396, 399 U r b ä n e k , R u d o l f 198, 456

Personenregister Wenger, Leopold 421 Wersebe 80 Werstadt, Jaroslav 208 Wesselenyi, Ferenc (Franz) 26 f. Wilamowitz-Moellendorf, Ulrich von 418 Wilfinger, Joseph 102 f. Wilhelm, H e r z o g von Sachsen 21 f. Wilhelm II., Deutscher Kaiser 423, 425 Wilhelm III., Kurfürst von Sachsen 21 Wilson, W o o d r o w 338, 341, 355, 357, 377, 379, 439 Wimetal, Josef 280 Winkler, Martin 399 Winter, Max 279 Wyclif, John 5 - 8 Wytrzens, Günther 415

485

Zagorac, Branko 277 Zahrâdka, Ferdinand 249 f. Zahradniczek, Karl 280 Zahradnik, Isidor 379 Zaleski, Mieczystaw Edler von 293 Zanantoni, Eduard 364 Zarnik, Valentin 144 Zeithammer, Anton O t t o k a r 69, 94 Ziemiatkowski, Floryan 157, 160 Zizka, Jan von T r o c n o v 9 f., 198, 456 f. Zöllner, Erich 44 Zrinski (Zrinyi), Nikola (Miklôs) Graf 27 Zrinski (Zrinyi) Petar (Péter) Graf 25 bis 35, 238 Zvonimir Dmitar, kroatischer König 46 Zwitter, Fran 410, 412

ORTSNAMENREGISTER Vorbemerkungen In das Ortsnamenregister wurden alle in den Beiträgen vorkommenden Siedlungs-, Länder- und Landschaftsnamen aufgenommen. Kommen im Text für ein geographisches Objekt mehrere Bezeichnungen vor, dann wurden sie alle im Register verzeichnet. Zusätzlich wird bei Siedlungsnamen in jedem Falle der amtliche, also heute gültige Name angeführt, um die Benützung des Registers zu erleichtern. Die amtlichen Siedlungs- und — soweit sie vorkommen — Länder- und Landschaftsnamen sind kursiv gesetzt. Englische geographische Namen der englischen Beiträge werden unter den deutschen und den amtlichen Namen in eckigen Klammern ausgewiesen. Die Transliteration aus dem griechischen Alphabet erfolgte nach den Regeln der alphabetischen Katalogisierung (RAK) der deutschen Bibliotheken, aus den cyrillischen Alphabeten wurde nach den Empfehlungen der Internationalen Organisation für Normung (ISO) transliteriert. Chinesische Namen erscheinen im Register in der im Text verwendeten Transkription.

Adrianopel, s. a. Edirne 129, 212 Ägypten 54, 214 Agram, s.a. Zagreb 30, 32, 127ff., 138, 237, 332f., 357, 360, 378, 381 f., 397, 407, 420 Albanien 140, 145, 213ff., 218, 229f., 243 Al-Djazair, s. a. Algier Alexandria, s. a. Al-Iskandarija 55 Algier, s. a. Al-Djazair 50 Al-Iskandarija, s. a. Alexandria Alsace-Lorraine, s. a. Elsaß-Lothringen 274 Amerika 54f., 356, 415, 421 f., 428 Ampelakia 122 Aquileia, s. a. Aquileja 45 Aquileja, s. a. Aquileia 414 Arad 127, 378 Asien 54 Athen, s. a. Athénai 127, 417 Athenai, s. a. Athen 127 Auschwitz s. a. Oswifcim Aussig, s. a. Üsti nad Labem 10 Australien 54 Avignon 6

Baden (bei Wien) 95, 97, 359, 376 Bakar, s. a. Buccari Balkan 36f., 39, 40f., 56, 119, 122, 136, 138, 140, 210—214, 217, 219, 223f., 227f., 230, 243f., 270, 361, 375f., 400 f., 434, 447 Banat 37 f., 49, 121, 128 Banja Luka 57, 331 Baranja, s. a. Baranya 38 Baranya, s. a. Baranja Basel 10, 23, 167f., 419 Batschka 38, 121, 132 Bayern 24, 214, 414, 419, 442 Belgrad [Belgrade], s. a. Beograd 37, 56, 123, 127, 129, 217, 226, 232, 236, 263, 315, 376, 397, 406, 415 Belluno 361 Beograd, s. a. Belgrad [Belgrade] 123, 129, 397 Beraun, s. a. Beroun Beroun, s. a. Beraun 87 Berlin 91, 107, 133, 167, 218, 316, 418, 425 Bitola, s. a. Monastir Bjelovar 127

Ortsnamenregister Blaj, s. a. Blasendorf 127 Blasendorf, s. a. Blaj 127 Böhmen [Bohemia] 8 f., 11 ff., 15 — 19, 21, 23f., 41, 45, 47, 49f., 52f., 61 f., 65 f., 71, 74 f., 78 f., 86—90, 92, 94, 98 — 101, 161 f., 167 ff., 171 ff., 175 f., 178, 180, 183 ff., 187, 190, 219, 221, 229, 236, 239, 246, 253 f., 256, 260, 314, 316, 372, 388, 414, 432f., 443, 451, 456 Boldogasszonyfalva, s. a. Gospodinci 236 Bologna 461 Bolzano/Bozen s. a. Bozen 41 Bombay, s. a. Mumbai/Bombay 55 Bormio 461 Bosnien [Bosnia] 40, 46, 121, 211, 220 f., 225, 231, 235, 237f., 276, 331, 396f., 404, 411 Bosnien-Herzegowina 53, 126, 140, 145, 147, 226, 283, 329, 331 ff., 405 Bozen, s . a . Bolzano/Bozen 50, 317, 320, 329, 389 Brabant 414 Bräila 124 Brandenburg 10, 414 Brasilien 415 Brajov, s. a. Brassó Brassó, s. a. Brajov 296 Bratislava, s. a. Preßburg 164 Braunau 14 Breslau, s.a. Wroclaw 11, 22, 24, 160, 287, 399 Brest/Brest, s. a. Brest-Litowsk Brest-Litowsk, s. a. Brest/Brest 375, 387 Brno, s. a. Brünn 175, 397 Brod na Savi, s. a. Slavonski Brod 439 Brugg 327 f. Brünn, s.a. Brno 13, 22, 377, 397, 415, 417, 419 Brüssel, s. a. Bruxelles/Brussel 213, 218 Brüssel, s. a. Brüssel, Bruxelles/Brussel Bruxelles/Brussel, s. a. Brüssel, Brüssel Buccari, s. a. Bakar 50 Bucurejti, s. a. Bukarest 126 f. Buda, s. a. Ofen, Tl. v. Budapest Budapest, s. a. Buda, Pest, Ofen 52 f., 56 f., 94, 119, 128 f., 211, 213, 218, 223, 236, 255, 332, 343, 345, 357f., 376, 378 — 382, 415, 438, 440f., 464 Budweis, s. a. Ceské Budèjovice 87, 298

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Buenos Aires 57 Bukarest, s. a. Bucurejti 126f., 135, 417f. Bukowina 37, 39f., 74, 96, 175, 187, 293, 376, 378 Bulgarien [Bulgaria] 40, 121, 123, 125, 131 f., 135, 140, 145, 212 f., 217, 221, 225, 329, 357, 397, 399, 404, 433, 444, 446 Bundesrepublik Deutschland, s. a. Deutschland (Deutsches Reich) 415 Burgund 23 Byzanz, s. a. Istanbul, Konstantinopel [Constantinople] 46, 432, 434 Qadalca, s. a. Cataldza Cakovec, s. a. Tschakathurn 28 Calceranica 315 Calcutta, s. a. Kalikätä/Calcutta 55 Campo/ormido 51 Carzano 316 ff., 320 ff. Castellare 321 Castelnuovo, s. a. Hercegnovi 234, 429 Castelnuovo (Val Sugana) 321 Cataldza, s. a. (Qadalca 212 Cattaro, s. a. Kotor 51, 53, 57, 334, 337, 347, 374, 387, 389, 429 Cemavodä 122 Cemovci, s. a. Cemivci/Cernovci, Czernowitz Ceské Budèjovice, s. a. Budweis Cesky Tésin, s. a. Cieszyn, Teschen Cetinje 429 Ceylon 55, 109 Cheb, s. a. Eger Chetm, s. a. Cholm Chiavenna 461 Chicago 306 China 50, 56, 102, 104, 106 ff., 112, 114—117 Chin-hai 103 Chlum nad Ohri 83 Cholm, s. a. Chelm 389 Christiania, s. a. Oslo 218 Churwalchen 414 Cieszyn, s. a. Cesky Tésin, Teschen Cluj, s. a. Cluj-Napoca, Klausenburg 128 Cluj-Napoca, s. a. Cluj, Klausenburg Colombo, s. a. Kolamba 108 f. Constanfa, s. a. Konstanza 122 Curtatone 75 Custoza 77

488 Czernowitz, s. a. Óernivci/Cernovci 378, 417 ff.

Ortsnamenregister 376,

Dakovo 138 Dalmatien [Dalmatia] 37, 46 f., 51 ff., 55, 57, 126, 128, 131, 136, 140, 147, 154, 175, 187, 233, 238, 244, 329, 331, 386 Damaskus [Damascus], s. a. Dimachq 165 D ä n e m a r k 414 Davanzo 264 Deblin, s. a. Ivangorod 286 Delatyn, s. a. Diljatyn/Deljatin 293 Denovic, s. a. Gjenovic Deutsch-Brod, s. a'. Havlicküv Brod 10 Deutschland (Deutsches Reich), s. a. Bundesrepublik Deutschland 7, 11, 16, 47, 50, 53, 92, lOOf., 104, 107, 180, 185, 214, 256, 306, 375, 386f., 419, 425, 441 f., 446 ff., 466f. Deutsch-Österreich [German Austria] 175, 328, 443, 467 Diljatyn/Deljatin, s. a. Delatyn 293 Dimachq, s. a. Damaskus [Damascus] Domazlice, s. a. T a u s Dresden 79, 167 Dubenec, s. a. D u b e n e t z Dubenetz, s. a. Dubenec 74, 82, 84 Dubrovnik, s. a. Ragusa 127, 396 D u r a z z o , s. a. Dürres 212 Dümkrut 44 Dürres, s. a. D u r a z z o Dvür Kràlové nad Labem, s. a. Königinhof an der Elbe Edinburgh 419 Edirne, s. a. Adrianopel 129 Eger, s. a. Cheb 10, 22 Egg 328 Eisenburg (Komitat) 102 Elsaß, s. a. Alsace 414 Elsaß-Lothringen, s. a. Alsace-Lorraine England, s.a. Großbritannien 7, 11, 16, 109, 214, 272, 414, 457 Erfurt 6 Esseg, s. a. Osijek 127, 329, 381 Ferrara 461 Fiume, s . a . Rijeka 41, 48ff., 52ff., 57, 129, 132, 238, 345, 377 Flandern 414

Frankfiirt am Main 4, 92, 153, 159f., 162, 172 ff., 176, 185 ff., 316 Frankreich 11, 16, 23, 27, 51, 103 f., 107, 357, 414, 419, 425, 447, 457 Friaul 45 Fünfkirchen, s. a. Pees Gabrovo 122 Gala(i, s. a. Galatz 124, 132 Galatz, s. a. Galafi 124, 132 Galizien [Galicia] 95 f., 98, 160, 175, 187, 204f., 246, 253 f., 257, 306, 353, 388 Gdöw 75 Geneve, s. a. Genf Genf, s. a. Geneve 419 Genova, s. a. Genua Genua, s. a. Genova 47, 53 Gjenovic s. a. Denovic 338 Glatz, s. a. Ktodzko 21, 67 G ö r z , s. a. Gorizia 128, 147 Görz-Gradisca 140 Göttingen 419 Gorizia, s. a. G ö r z 128 Gorlice 293 Gospodinci, s. a. Boldogasszonyfalva Gradiäka, s. a. Stara Gradiska 38 Granica 286 Graz 28, 133, 175, 377, 394, 398f., 401 f., 404 f., 415, 518, 420 Griechenland [Greece] 40, 54, 124, 127, 131, 140, 145, 206, 212, 225, 415, 417, 419 f., 447 Großbritannien, s. a. England 56, 104, 107, 447 Großpetersdorf 102 Györ, s. a. Raab H a i - m e n g 103 Halle (Saale) 133, 419 Hannover 79 Havlicküv Brod, s. a. Deutsch-Brod Heidelberg 6 Hercegnovi, s. a. Castelnuovo Hercegovina (Herzegowina) 211, 220, 238, 276, 331, 397, 411 Hodslavice 164, 181 Holice, s. a. Holitz Holitz, s. a. Holice 74 Holland 414 H o n a n 105 H o n g k o n g 55, 104

Ortsnamenregister Hradec Kralove, s. a. Königgrätz Hsi-ku 114 Iaji, s. a. Jassy 127, 417 f. Iglau, s. a. Jihlava 22, 180 Indien 50 f., 54 Innsbruck 175 löannina, s. a. Janina 126 Ipek, s. a. Pec 138 Irland 414 Istanbul, s. a. Byzanz, Konstantinopel [Constantinople] 122 ff., 129 Istrien 48, 51 f., 57, 128, 140, 147, 238 Italien [Italy] 41, 47, 49, 51, 75 ff., 107, 167, 211 f., 215, 219, 229 f., 235, 270, 293, 344, 359, 368, 374, 376, 411, 414, 419 Ivangorod, s. a. Dublin 286 Izmir, s. a. Smyrna 124 Janina, s. a. löannina 126 Japan 104, 107 Jaroslau, s. a. Jarostaw 246, 252 Jarostaw, s. a. Jaroslau Jassy, s. a. laji 127 Java 54 Jedenspeigen 44 Jelgava, s. a. Mitau Jena 133, 164, 180, 418 f. Jicin, s. a. Jitschin 78, 81 Jihlava, s. a. Iglau Jindfichüv Hradec, s. a. Neuhaus Jitschin, s. a. /¡ein Josefov, s. a. Josefstadt Josefstadt, s. a. /oje/oa 78, 80f., 87, 222 Jözeföw nad Wist$ 293 Judenburg 265, 374 Jugoslawien 327, 411, 415, 433, 439, 444—447 Jungbunzlau, s. a. Mlada Boleslav 220, 246 Kajnardza, s. a. Kütschük-Kainardsche Kalikätä/Calcutta, s. a. Calcutta Kaliningrad, s. a. Königsberg 45 Kamara 51 Kandy, s. a. Maha Nuwara 109 Karlovac, s. a. Karlstadt 127 Karlovy Vary, s. a. Karlsbad Karlowitz, s. a. Sremski Karlovci 38, 48, 127, 138, 406

489

Karlsbad, s. a. Karlovy Vary 427 Karlstadt, s. a. Karlovac 49, 53, 127 Kärnten [Carinthia] 45, 48, 128, 140, 147, 175, 187, 325 — 328, 395, 403, 410, 439 Kasan, s. a. Kazan' 329 Kassel 79 Kastilien 24 Kazan', s. a. Kasan Kerkyra, s. a. Korfu Kevevära, s. a. Kovin 237 Kiautschou (Chiao-chou) 104 Kielce 286 Kiev, s. a. Kiew, Ky'iv/Kiev 133 Kiew, s. a. Kiev, Ky'iv/Kiev 26, 133 Kladno 258, 297, 389 Klagenfurt 128 f., 324, 327 f. Klausenburg, s. a. Cluj, Cluj-Napoca, 128, 378, 441 Ktodzko, s. a. Glatz Kolamba, s. a. Colombo Kolin, s. a. Kolin Kolin, s. a. Ko/m 74, 91 Köln 6 Kolomea, s. a. Kolomyja 291, 293 Kolomyja, s. a. Kolomea 291 Kolumbien 415 Königgrätz, s. a. Hradec Kralove 73 f., 82, 85, 87, 100 f., 222, 239, 329 Könighof 78 Königinhof an der Elbe, s. a. Dvür Kralove nad Labem 162 Königsberg, s. a. Kaliningrad 45 Konstantinopel [Constantinople], s. a. Byzanz, Istanbul 16, 40, 55, 122 ff., 129, 137, 212 Konstanz 8 Konstanza, s. a. Constanfa 122 K o r f u , s. a. Kerkyra 319, 355, 411 Kosovska Mitrovica, s. a. Mitrovica Kotor, s. a. Cattaro 337 Kovin, s. a. Kevevära Kragujevac 121, 263, 265, 350 f., 375 Krain [Carniola] 45, 48, 132, 140, 147, 154, 175, 187, 238, 395, 403, 409 Krakau [Cracow], s. a. Krakow 6, 175, 187, 213, 251 f., 287, 289, 291, 345, 377 f., 441 Krakow, s. a. Krakau [Cracow] 287 Kraljevica, s. a. P o r t o Re Kremsier, s. a. Komefiz 175, 187 Kreutz, s. a. Krizevci 127

490

Ortsnamenregister

Krim Krizevci, s. a. Kreutz 127 Kroatien 27 f., 30, 46, 48, 51, 53, 95, 131, 136, 219, 226, 233, 238, 244, 397, 404 f., 407 ff., 432, 445 Kroatien-Slawonien 126, 128, 132, 140, 147, 409 Kroménz, s. a. Kremsier 175 Krycka, s. a. Kryczka 292 Kryczka, s. a. Krycka 292 Kuangtschouwan (Kuang-chou-wan) 104 Kumbor 338 Kunin, s. a. Kunwald Kunstadt, s. a. Kunstât 21 Kunstât, s. a. Kunstadt Kunwald, s. a. Kunin 164 Küstenland 175, 187 Kutnâ Hora, s. a. Kuttenberg Kütschük-Ka'inardsche, s. a. Kajnardza 39 Kuttenberg, s. a. Kutnâ Hora 6 Kyïv/Kiev, s. a. Kiev, Kiew 133 Laibach, s.a. Ljubljana 128f., 138, 324, 328, 345, 377 f., 397, 409, 439 Laski, 288 Lausitz, 22, 24, 63 f. Leiden 417 Leipzig 11, 133, 167, 395, 398, 418 ff. Lemberg, s. a. L'viv/L'vov, Lwöw 75, 213, 287, 345 Leningrad, s. a. Sankt Petersburg 384 Leoben 51 Lepanto, s. a. Naupaktos, 48 Lepoglava 127 Levante 46 Libérée, s. a. Reichenberg Liège, s. a. Lüttich 121 Lika 381 Limanowa 290 Linz 94, 175, 329 Lipany 10 Lissa, s. a. Vis 55, 57, 109 Litauen 414 Livland 414 Ljubljana, s.a. Laibach 128f., 138, 175, 397 f., 409, 411, 438—441 London 6, 218, 406, 422 Lublin 293 Lüshun, s. a. Port Arthur

Lüttich, s. a. Liege 121 Lugano 461, 463 Lu-tai 112 Luzan, s. a. Luzany 294 Luzany, s. a. Luzan L'viv/L'vov, s. a. Lemberg, L'vov, Lwów 287 L'vov, s. a. Lemberg, L'viv/L'vov, Lwów 175 Lwów, s. a. Lemberg, L'viv/L'vov 287 Madonna di Campiglio 427 Mähren [Moravia] 13, 15, 18, 21 f., 24, 53, 61—64, 66, 78, 168, 175, 181, 187, 221, 253, 372, 431, 456 Mährisch-Ostrau (bis 1945), s. a. Ostrava, Ostrau 251 Maha Nuwara, s. a. Kandy Mailand, s. a. Milano 218, 461 Makedonien (Mazedonien) 147, 212, 225, 329 Malec 93, 101 Marburg, s. a. Maribor 53, 316 Marburg a. d. Lahn 419 Marchfeld 44 Maribor, s. a. Marburg Martin, s. a. Turciansky Sväty Martin Melnik, s. a. Mèlnik Mélnik, s. a. Melnik 258, 296 Michatowice, s. a. Myhajlevyci 286 Miechów 286 Mikulov, s. a. Nikolsburg Milano, s. a. Mailand Miletin, s. a. Miletin Miletin, s. a. Miletin 78 Mitau, s. a. Jelgava 418 f. Mitrovica, s. a. Kosovska Mitrovica 212 Mladà Boleslav, s. a. Jungbunzlau Mnichovo Hradistè, s. a. Münchengrätz Modena 461 Möllersdorf277f., 2 8 0 - 2 8 4 Moldau [Moldavia] 39 f. Monastir, s. a. Bitola 212 Montenegro 140, 145, 212, 217, 225, 244 Mortara 75 Moskau [Moscow], s.a. Moskva 133, 177, 190, 417, 419, 441 Moskva, s. a. Moskau [Moscow] 133 Mostar 329 Mumbai/Bombay, s. a. Bombay

Ortsnamenregister München [Munich] 133, 167, 418, 429, 450 Münchengrätz, s. a. Mnichovo Hradisté 81

Murau 374 Myhajlevyci,

s. a. Michatowice

N a c h o d , s. a. Ndchod Nachod, s. a. N a c h o d 81, 86 Nadvirna/Nadvomaja, s. a. N a d w ó r n a 291 N a d w ó r n a , s. a. Nadvima/Nadvomaja 291 N a g ó r z e 292 Nagyszombat, s. a. Trnava, Tyrnau 236 Napoli, s. a. Neapel Naupaktos, s. a. Lepanto Neapel, s. a. Napoli 47, 49 Neuhaus, s. a. Jindfichüv Hradec 241 Neusandez, s. a. Nowy Sq.cz 290 Neusatz, s. a. A W i Sad, IJjvidék 127, 128, 406 Nevesinje 239 New Jersey 423 New York 55, 421 ff. Niederlande 11, 16, 49, 51, 56, 417 Niederösterreich [Lower Austria] 16, 175, 219, 256, 372, 421 Nikobaren-Inseln 51 Nikolsburg, s. a. Mikulov 421 Ning-po 103 Nova Gradiska 381 Nova Kapela 439 Nova Paka 222 Novara 75 Novi, s. a. Novi Vinodolski 50 Novi Sad, s . a . Neusatz, IJjvidék 127f., 406 Novi Vinodolski, s. a. Novi Nowy S$cz, S. a. Neusandez 290 Nürnberg 4, 11 Oberösterreich [Upper Austria] 372 Oberwart 102 Ochrid, s. a. Ohrid 138 O d e n b u r g , s. a. Sopron 75 Oderberg, s. a. Stdry Bochumin Odesa/Odessa, s. a. Odessa 124, Odessa, s. a. Odesa/Odessa 124, 419

16, 175,

252 126, 133 126, 133,

491

O f e n , Tl. von Budapest, s. a. Buda 122, 417,419 Ohrid, s. a. Ochrid 138 Ogulin 439 Olmütz, s. a. Olomouc 13, 22, 24, 63, 78, 255 Olomouc, s. a. Olmütz Oostende, s. a. Ostende Opava, s. a. T r o p p a u Orahovica 381, 439 Osijek, s. a. Esseg 127, 439 Oslo, s. a. Christiania Osmanisches Reich 129f., 140, 143 ff., 244, 395 Ostafrika 50 f. Ostende, s. a. Oostende 50 Österreich, [Austria] 28, 30, 36, 39ff., 44f., 47, 50f., 55, 57f., 68f., 72, 88 f., 91, 93, 95 f., 123, 153, 1 7 4 - 1 7 8 , 185—191, 214, 217 f., 220, 222, 2 2 6 - 2 2 9 , 231, 234f., 239, 241, 243f., 255, 274, 303, 305f., 326, 373, 402, 409, 414, 419, 422 f., 428, 430, 439, 442—447, 453, 464—469 Österreich-Ungarn [Austria—Hungary] 25, 53, 56, 102, 107, 114, 122—125, 140, 143, 145, 148, 177, 209, 214, 225 bis 229, 241, 244, 246, 255, 263, 272, 274, 286, 334, 345, 354 ff., 372, 377 f., 387 f., 398 f., 406 f., 409, 425 Ostrau, s. a. Mährisch-Ostrau (bis 1945), Ostrava Ostrava, s. a. Mährisch-Ostrau (bis 1945), Ostrau Oswigcim, s. a. Auschwitz 252 Otocac 377, 381, 439 Padova, s. a. Padua Padua, s. a. Padova 418 f. Pancevo, s. a. Pancsova Pancsova, s. a. Pancevo 237, 376 Pantyr-Paß 291 Pardubice, s. a. Pardubitz 87 Pardubitz, s.a. Pardubice 73f., 87, 92, 221, 239f., 246f., 388 Paris 94, 133, 167, 218, 406, 411, 418 ff., 422 Passarowitz, s. a. Pozarevac 38 Passau 14 Pearl Harbour 422 Pec, s. a. Ipek 138

492

Ortsnamenregister

Pees, s. a. Fünfkirchen 265, 373 f. Pecs-Bdnyatelep 374 Peiraieus, s. a. Piräus 132 Pei-t'ang 112, 114 Peking 106 ff., 111 — 115, 117 Pelhfimov 220 Pest, Tl. v. Budapest 122, 174, 417 Petervärad, s. a. Peterwardein, Petrovaradin 237 Peterwardein, s. a. Petervärad, Petrovaradin 38 Petrovaradin, s. a. Petervärad, Peterwardein Petrovice u Karvine, s. a. Petrowitz Petrowitz, s. a. Petrovice u Karvine 251 Pfalz 16 Pfauendorf 180 Philippopel, s. a. Plovdiv 122 Pilsen, s. a. Plzen 222, 305, 310, 313 f. Piräus, s. a. Peiraieus 132 Pisa 6, 419 Ploejti 132 Plovdiv, s. a. Philippopel 122 Plzen, s. a. Pilsen Pola, s.a. Pula 53f., 57, 107, 132, 329, 334, 338, 343 — 347, 382 Polen [Poland] 10, 21, 23f., 27, 39f., 157, 205, 246, 414f., 441, 444—447, 457 Polen-Litauen 11 Pompei, s. a. Pompeii Pompeii, s. a. Pompei 167 Port Arthur, s. a. Lüshun 104 Porto Re, s. a. Kraljevica 50 Portorose, s. a. Portoroz, 338, 342 Portoroz, s. a. Portorose Portugal 24 Posen, s. a. Poznan 160 Pozarevac, s. a. Passarowitz Pozega, s.a. Slavonska Pozega 127, 381, 439 Poznan, s. a. Posen Prag [Prague], s.a. Praha 1, 3—11, 1 3 - 1 8 , 21 ff., 23, 25, 60f„ 66, 86ff., 90f., 94, 133, 153, 155, 158 ff., 166, 170, 175f., 180, 182, 185ff., 190, 208, 210, 216 ff., 222, 239, 241, 253—256, 258, 261, 296 f., 301 f., 308, 310, 313, 316, 329, 345, 357, 359f., 363, 365—368, 378 — 382, 396ff., 403, 415, 417—420, 441, 453

Praha, s. a. Prag [Prague] 133, 397 Prerau, s. a. Pferov 255 Pferov, s. a. Prerau Presov 442 Preßburg, s.a. Bratislava 164f., 170, 180 f., 421, 445 Preußen [Prussia] 39 f., 67, 79, 89, 153 Princeton 422 f. Przemysl 213, 252, 301 Pula, s. a. Pola 132 Raab, s. a. Györ 21 Radkersburg 374 Radom 286 Radymno 246, 252 Rafajlove, s. a. Rafajlowa Rafajiowa, s. a. Rafajlove 291 f. Ragusa, s. a. Dubrovnik 51, 127, 213 Reichenberg, s. a. Liberec 57 Rijeka, s. a. Fiume 129, 132 Risan, s. a. Risano 337 Risano, s. a. Risan 234, 337 Rom [Rome], s. a. Roma 6 ff., 10 f., 20 f., 23, 137, 167, 182, 206, 218, 374, 432 Roma, s. a. Rom [Rome] 265 Romagna 461 Rostov na Donu, s. a. Rostow Rostow, s. a. Rostov na Donu 57 Rozbéfice, s. a. Rozbéiitz Rozbéiitz, s. a. Rozbéfice 83 Rumänien [Rumania] 121, 125, 131 f., 213, 272, 407, 419, 433, 444—447 Rumburg, s. a. Rumburk 265, 366, 375 Rumburk, s. a. Rumburg Ruse, s. a. Rustschuk 122 f. Rußland [Russia], s. a. Sowjetunion 37, 39f., 104, 107, 173, 211, 220, 248, 255, 263 f., 272, 286, 294, 324, 327, 335, 344, 351 f., 355f., 371, 374, 385, 389f., 432, 439, 441, 447 Rustschuk, s. a. Ruse 122 f. Saaz, s. a. Zatec 11 Sachsen 10, 12, 16, 78, 153, 414 Saint-Germain-en-Laye 466 Saloniki, s. a. Thessalonikè 56 f., 123, 129, 132, 144, 212, 218, 229, 439 Salzburg 187, 428 Sandzak Novi Pazar 213, 229 San Stefano, s. a. Yejilköy 135 Sankt Andrä, s. a. Szentendre 127

Ortsnamenregister Sankt Petersburg, s. a. Leningrad 177, 419 Sarajevo 138, 148, 213, 231, 235, 276 f., 282f., 3 2 9 - 3 3 2 , 369, 382, 399, 411, 415, 441 Savoyen 16 Schlan, s. a. Slany 389 Schlesien [Silesia] 10, 13, 15, 18, 21, 24, 53, 61 f., 64, 67, 78 f., 89, 175, 187 Schottland 414 Schwaben 414 Schweden 414 Schweiz 227, 231, 461 Sebenico, s.a. Sibenik 210, 217, 233f., 344 Serbien [Serbia] 40, 46, 121, 123, 125, 129, 131 f., 140, 145, 211 ff., 215f., 219, 221, 224 f., 230, 232 f., 236, 238 ff., 242, 244 ff., 248 f., 259, 263, 269, 329f., 355, 396f., 399, 405ff., 411, 445 Shanghai 55, 103, 107 Shan-hai-kuan 56, 112, 114 Shantung 105 Shi-ku 112 Shkoder, s. a. Skutari 122 Sibenik, s. a. Sebenico Siebenbürgen 16, 48, 122, 126, 128, 146, 378, 415 Sikiao (Hsi-chiao) 102 Sizilien 49 Skalica, s. a. Skalitz Skalitz, s. a. Skalica 81, 85 f. Skaljari 337, 374 Skopje, s. a. Skoplje, Üsküb 122 Skoplje, s. a. Skopje, Üsküb Skutari, s. a. Shkoder 122, 238 Slany, s. a. Schlan Slavonska Pozega, s. a. Pozega Slavonski Brod, s. a. Brod na Savi Slawonien (Slavonien) 30, 46, 48, 121, 136, 445 Sliven 122 Slowakei 181, 219, 442 Slowenien 405, 409 Smichov 218 Smyrna, s. a. Izmir 124 Sofia, s. a. Sofija 127, 129, 429 Sofija, s. a. Sofia 127, 129 Solferino 75 f. Solotvyn/Solotvin, s. a. Sofotwina 292

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Solotwina, s. a. Solotvyn/Solotvin 292 Sombor 127 Soor, s. a. Zärov 81 Sopron, s. a. Odenburg Sowjetunion, s. a. Rußland 447, 450, 469 Spalato, s. a. Split 46, 48, 53, 234f. Spanien 11, 414 Split, s. a. Spalato 53 Sremski Karlovci, s. a. Karlowitz 127, 138, 406 Stara Gradiska, s. a. Gradiska Stara Zagora 122 Stary Bochumin, s. a. Oderberg Steiermark [Styria] 45, 48, 127, 140, 147, 175, 187, 372, 395, 401, 403 Stockholm 387 Stuhlweißenburg, s. a. Székesfehérvàr 45 Suganer Tal, s. a. Val Sugana 316 f. Sulina 123 Sumadija 40 Syrmien 147 Szdszvdros 296 Szatmär 48 Szeged, s. a. Szegedin 296 Szegedin, s. a. Szeged 299—303 Székesfehérvàr, s. a. Stuhlweißenburg 45 Szentendre, s. a. Sankt Andrä 127 Tabor, s. a. Tabor Tdbor, s. a. Tabor 11 Tachau, s. a. Tachov 10 Tachov, s. a. Tachau Taku 56, 106f., 109—115 Taräbtilus, s. a. Tripolis Tarnów 290 Taus, s. a. Domazlice 10, 91 Telve 321 f. Temesvär, s. a. Timijoara 38, 213, 296 f., 301 Tendra-Bucht 384 f., 387 Teodo, s. a. Tivat 337 f., 342 Terezin, s. a. Theresienstadt Teschen, s. a. Cesky Tésin, Cieszyn 415 Tessin 461 Theresienstadt, s. a. Terezin 276 f., 281—285, 366, 369 Thessaloniké, s. a. Saloniki 123, 129, 132, 144 Thrakien 212 Tientsin 111, 114 Timijoara, s. a. Temesvär

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Ortsnamenregister

Tirol [Tyrol] 53, 175, 187, 372 Tmat, s. a. T e o d o 337 T o n g - k u 110, 112 Topla 337 Torino, s. a. Turin Trafalgar 55 T r a u t e n a u , s. a. Trutnov 81 f. Trebinje 329 Tfemosna 310 Trencin, s. a. Trencsén 164, 181, 263 Trencsén, s. a. Trencin 263, 350 Trento, s. a. Trient Trient, s. a. Trento 315, 317, 320 Triest, s . a . Trieste 47—50, 53f., 57, 128 f., 140, 147, 218 Trieste, s. a. Triest 41, 128 f., 175 Tripolis, s. a. Taräbulus 50, 225 Trnava, s. a. Nagyszombat, Tyrnau T r o p p a u , s. a. Opava 63 Trutnov, s. a. Trautenau Tschakathurn, s. a. Cakovec 28 Tschechoslowakei 443, 445 ff., 458 Tschili (Chihli) 105 Tschin-wang-tao (Ch'in-wang-tao) 114 Tunis 50 Turciansky Sväty Martin, s. a. Martin 378 Turin, s. a. Torino 47, 419 f. Türkei [Turkey] 3 9 f „ 212f., 226f., 231, 246, 415, 447 Tuzla 276 T y r n a u , s. a. Nagyszombat, Tmava 415 LJjvidék, s. a. Neusatz, Novi Sad 235 ff. Ukraine 270, 375, 389 Ungarn [Hungary] 9 f., 13, 16, 21, 23 f., 26, 28, 30, 38, 41, 44—48, 50f., 57f., 61, 69, 75, 93 f., 96, 102, 122, 128, 132, 135, 140, 147, 153 f., 158, 175, 187, 217, 233 f., 236, 255, 274, 303, 357, 372, 378, 407, 414, 439f., 4 4 2 - 4 4 7 USA (United States of America, Vereinigte Staaten von Amerika) 104, 107, 272, 415, 422 Usküb, s. a. Skopje, Skoplje, 122, 212 Usti nad Labern, s. a. Aussig Utrecht 419 Vàc, s. a. Waitzen Väb-Tzl 164 Valona, s. a. Vlore 56, 215, 230

Val Sugana, s. a. Suganer Tal Varazdin, s. a. Warasdin 127 Varna, s. a. Warna 122 f. Vasvâr, s. a. Eisenburg 27 Veltlin 461 Venedig [Venice], s. a. Venezia 23 f., 27, 41, 46ff., 50 f., 53, 56, 126, 359, 419 Venetien 95 Venezia, s. a. Venedig [Venice] 126 Vicenza 318 Vidin, s. a. Widin 123 Vilémov, s. a. Willomitz 24 Vinkovci 127 Vis, s. a. Lissa Vlorë, s. a. Valona Vojvodina 132, 136, 406, 445 Vorarlberg 175, 187 Vukovar, s. a. Vukovar 52 Vukovar, s. a. Vukovar Vysehrad 86 Waidbofen an der Ybbs 421 Waitzen, s. a. Vâc 21 Walachei [Wallachia] 40, 125 Warasdin, s. a. Varazdin 127 Warna, s. a. Varna 122 f. Warschau, s. a. Warszawa 378, 441 Warszawa, s. a. Warschau Wei-hai-wei 104 Weimar 16 Westfalen 414 Widin, s. a. Vidin 123 Wien [Vienna] 4, 6, 11, 15, 20, 23, 27—31, 35f., 39, 41, 48f., 52f., 56, 61, 67ff., 71, 74, 82, 87—90, 92, 94f., 98 ff., 102, 107, 119, 123, 126, 130, 133, 154—161, 164, 168, 174f., 187, 204f., 296, 308, 311, 316, 324, 326, 329, 331 ff., 343, 345 f., 357, 361 f., 364, 366, 372, 376, 378, 381, 394, 398—405, 414f., 418—424, 427—430, 437, 441, 450, 457 Wiener Neustadt 25—28, 32, 75, 372 Willomitz, s. a. Vilémov 24 Wismar 48 Wolbrom 289 Wollersdorf 329 Wroctaw, s. a. Breslau Yefilköy, s. a. San Stefano

Ortsnamenregister Zadar, s. a. Zara 128, 175 Zagreb, s. a. Agram 25 f., 53, 127 ff., 138, 213, 345 ff., 397, 407, 411, 415, 434, 438—441 Zara, s. a. Zadar 46, 128, 234 f. Zdrov, s. a. Soor 2atec, s. a. Saaz Zborö, s. a. Zborov 295

Zborov, s. a. Z b o r ö Zelena 291 f. Zenica 276, 28 3 ff. Zips 122 Znaim, s. a. Znojmo 22 Znojmo, s. a. Znaim Zürich 418, 420, 422

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