Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild: Eine empirische Studie zum schriftlichen Erzählen in der Grundschule [1. Aufl.] 978-3-476-04916-2;978-3-476-04917-9

An der Schnittstelle von Sprach- und Literaturdidaktik kristallisiert sich die schreibdidaktische Relevanz eines rezepti

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Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild: Eine empirische Studie zum schriftlichen Erzählen in der Grundschule [1. Aufl.]
 978-3-476-04916-2;978-3-476-04917-9

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIX
Einleitung (Lis Schüler)....Pages 1-10
Was macht eine Erzählung zur Erzählung? (Lis Schüler)....Pages 11-26
Sprachformen als narrative Muster (Lis Schüler)....Pages 27-46
Narrative Musterbildung (Lis Schüler)....Pages 47-66
Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter (Lis Schüler)....Pages 67-91
Methode der empirischen Studie (Lis Schüler)....Pages 93-144
Zugänge in Wort und Bild (Lis Schüler)....Pages 145-164
Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation (Lis Schüler)....Pages 165-203
Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung (Lis Schüler)....Pages 205-284
Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen (Lis Schüler)....Pages 285-334
Sich Einschreiben als individueller Prozess der Annäherung (Lis Schüler)....Pages 335-343
Diskussion der Befunde (Lis Schüler)....Pages 345-357
Back Matter ....Pages 359-512

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Lis Schüler

Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild Eine empirische Studie zum schriftlichen Erzählen in der Grundschule

Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild

Lis Schüler

Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild Eine empirische Studie zum schriftlichen Erzählen in der Grundschule Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Mechthild Dehn und Prof. Dr. Petra Hüttis-Graff

Lis Schüler Hamburg, Deutschland Dissertation unter dem Titel „Sich Einschreiben in narrative Muster. Schriftliches Erzählen im Kontext von Wort und Bild. Eine empirische Untersuchung in Klasse 3“, Universität Hamburg, 2018

ISBN 978-3-476-04916-2 ISBN 978-3-476-04917-9  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. J.B. Metzler © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. J.B. Metzler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Geleitwort Bisher ist schriftliches Erzählen in der Deutschdidaktik unter linguistischen Fragestellungen vor allem als Aneignung von Strukturen (einer Höhepunktgeschichte) behandelt worden. Die Arbeit von Lis Schüler stellt das Thema in den Kontext der kognitiven Narratologie (Herman, Fludernik, Caracciolo, Baroni). Mit dieser Öffnung des Themas für literaturwissenschaftliche Fragestellungen betritt sie Neuland. Im Mittelpunkt steht nun die Frage nach „experientiality“, der vorgestellten Erfahrung, die konstitutiv für das Erzählen ist, produktiv und rezeptiv. Es geht darum, wie sich Schreibaufgaben mit narrativem Gehalt auf das schriftliche Erzählen in Klasse 3 auswirken, auf narrative Muster für vorgestellte Erfahrung und auf narrative Muster für Ereignisfolgen. Untersucht werden Texte, die Kinder aus Klasse 3 zu einer vorgelesenen Sage, zu einem Gemälde und zu literarischen Figuren und Medienfiguren geschrieben haben. Der Ansatz nimmt nicht nur Strukturen in den Blick, sondern auch Inhalte – im Hinblick darauf, welche Zugänge zu vorgestellter Erfahrung die Vorgaben eröffnen, in welchen Textformen und mit welchen Sprachformen die Schreibenden darauf Bezug nehmen. Das ist ein sehr anspruchsvolles Vorhaben. Es erfordert, das schriftliche Erzählen an der Schnittstelle zwischen Sprach- und Literaturdidaktik neu zu verorten. Es erfordert, eine Theorie, die nicht im Hinblick auf Erwerbsprozesse formuliert ist, daraufhin auszubuchstabieren und ein Instrumentarium für die Analyse von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und für Ereignisfolgen zu entwickeln und an einem Korpus von Schülertexten zu erproben. – Anders als prominente neuere Arbeiten zum schriftlichen Erzählen (Augst u.a. 2007, Augst 2010, Uhl 2015) untersucht Lis Schüler ein umfangreiches Korpus (288 Texte), das Erzählungen mehrsprachig aufwachsender Kinder einschließt, auch solche aus Einzugsgebieten mit niedrigem Sozialindex. Die Arbeit zeichnet sich aus durch die umfassende und minutiöse Darstellung der Analysen. Indem die Sprachformen in den drei Texten aller Schüler und Schülerinnen vollständig erfasst werden, ist auch eine quantitative Auswertung möglich – mit brisanten Befunden zum Vorkommen in Texten von Kindern mit unterschiedlichem Sprachhintergrund und aus Einzugsgebieten mit unterschiedlichem Sozialindex und zur Wirkung jeder der drei Vorgaben auf die Texte. Forschungsmethodisch bedeuten die Befunde, dass Schreib- bzw. Erzählkompetenz nicht am einzelnen Text gemessen werden kann und Ergebnisse vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung betrachtet werden sollten. Didaktisch scheinen Schreibaufgaben, die die Vorstellung einer Geschichtenwelt nahelegen, in der Figuren Erfahrungen machen, und die einen Fundus an (sprachformalen) narrativen Mustern zur Verfügung stellen, besonders geeignet, Prozesse narrativer Musterbildung anzustoßen. Hamburg, im Februar 2019

Prof. Dr. Mechthild Dehn und Prof. Dr. Petra Hüttis-Graff

Danksagung Mein besonderer Dank gilt Petra Hüttis-Graff und Mechthild Dehn, die meine Arbeit mit großer Wertschätzung und Umsicht begleitet haben. Sie haben sich vorbildlich ergänzt darin, mir Freiraum und Orientierung zu geben, mich zu bestätigen und herauszufordern, Details zu würdigen und die große Linie im Blick zu behalten. Mein besonderes Interesse an dem, was Kinder schreiben und wie sie es schreiben, ist zuallererst im Seminar bei Mechthild Dehn geweckt worden. Dass daraus eine langjährige Zusammenarbeit entstanden ist, dafür bin ich zutiefst dankbar. Hans-Christoph Koller danke ich für Einsatz und Interesse über die Fachgebiete hinaus. Besonders wichtige Gesprächspartner waren mir außerdem Daniela Merklinger, Stefanie Klenz und Timm Christensen, sie haben auch jenseits des fachlichen Austauschs zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Von Herzen danken möchte ich zudem Renée-Cathrin Schlüter, Petra Matthies, Svenja Petersdorf, Susanne Lohstöter und Corinna Feisthauer sowie Angela Andersen und Irmtraud Schnelle, die mir immer wieder Mut gemacht haben. Darüber hinaus bin ich den Lehrerinnen Monika Ahrens, Imke Kuhlmann, Carina Wilhelm, Karoline Jensen, Adriana Román und Claudia Fischer dafür dankbar, dass sie mich in ihren Klassen willkommen geheißen und bei der Erhebung der Texte unterstützt haben. Ich danke meiner Mutter Hanne, durch die ich von Anfang an erleben konnte, wie aus Erfahrungen Geschichten werden, und Karl-Heinz, der glücklicherweise Teil unserer Geschichte geworden ist. Ich danke meinen Kindern, Linnea und Kolja, durch die ich erlebe, wie aus Geschichten Erfahrungen werden. Und ich danke meinem Mann Christian, der dafür sorgt, dass Erfahrungen nicht nur in der Vorstellung existieren. Hamburg, im Februar 2019

Inhaltsverzeichnis Einleitung................................................................................................................ 1 Einblick: Heimat weg und wieder hin, aber allein! ............................................ 1 Forschungsinteresse und theoretische Einordnung .......................................... 5 Aufbau der Arbeit .............................................................................................. 9 1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung? .......................................................... 11 1.1 Vorgestellte Erfahrung ....................................................................................... 13 1.2 Storyworlds ......................................................................................................... 18 2 Sprachformen als narrative Muster .................................................................... 27 2.1 Sprachformen für vorgestellte Erfahrung .......................................................... 29 2.2 Sprachformen für Ereignisfolgen........................................................................ 38 3 Narrative Musterbildung .................................................................................... 47 3.1 Textmuster und Mustertexte ............................................................................. 48 3.2 Narrative Muster als Material der Transformation ........................................... 60 4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter .................................... 67 4.1 „Sprachliche Mittel“ in Studien zum Erzählen ................................................... 70 4.2 Diskussion zur Perspektive auf „sprachliche Mittel“ ......................................... 85 5 Methode der empirischen Studie ....................................................................... 93 5.1 Zur Erhebung der schriftlichen Erzählungen ...................................................... 93 Zur Anlage der Studie ...................................................................................... 93 Zum Ablauf der Erhebung ................................................................................ 96 Zu den Aufgabenstellungen ............................................................................. 97 5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen ............................................. 101 Zur Aufbereitung der Daten........................................................................... 101 Zur Methode der Untersuchung .................................................................... 102 Zur Entwicklung der Kategorien .................................................................... 107 Kategorien: Sprachformen für vorgestellte Erfahrung .................................. 109 Kategorien: Sprachformen für Ereignisfolgen ............................................... 131

X

Inhaltsverzeichnis

6 Zugänge in Wort und Bild ................................................................................. 145 6.1 Sage: Dädalus und Ikarus .................................................................................. 145 6.2 Gemälde: Auf dem Segler ................................................................................. 151 6.3 Figuren: Von Pippi bis Spiderman .................................................................... 158 6.4 Zugänge: Zentrale Aspekte ............................................................................... 163 7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation .................................... 165 7.1 Sage: Von Dädalus und Flib .............................................................................. 168 7.2 Gemälde: Von Aufbruch und Ankunft .............................................................. 181 7.3 Figuren: Von Räuberei und Schläue ................................................................. 190 7.4 Textformen: Zentrale Befunde ......................................................................... 201 8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung ...................... 205 8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung .................................................................. 205 8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr ...................................................................... 233 8.3 Figuren: Von Stärke und Mut ........................................................................... 251 8.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für vorgestellte Erfahrung ................ 268 8.5 Narrative Muster für vorgestellte Erfahrung: Zentrale Befunde ..................... 281 9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen .................................. 285 9.1 Sage: Von Meisterschaft bis Sturz .................................................................... 285 9.2 Gemälde: Von Weg und Ziel ............................................................................. 301 9.3 Figuren: Von Verwandlung und Befreiung ....................................................... 311 9.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für Ereignisfolgen ............................. 321 9.5 Narrative Muster für Ereignisfolgen: Zentrale Befunde .................................. 331 10 Sich Einschreiben als individueller Prozess der Annäherung ............................ 335 10.1 Tamim: Darstellung einer Ereignisfolge zur Sage ........................................... 335 10.2 Nina: Entfaltung vorgestellter Erfahrung zum Gemälde ................................ 338 10.3 Luke: Die erste Geschichte zur Figur .............................................................. 340 10.4 Individueller Prozess der Annäherung: Zentrale Aspekte .............................. 343 11 Diskussion der Befunde .................................................................................. 345

XI

Literaturverzeichnis ............................................................................................ 359 Bildnachweise ..................................................................................................... 375 Anhang ............................................................................................................... 377 I. Verzeichnis der Schülerinnen und Schüler ........................................................ 377 II. Vorgaben zum Schreiben ................................................................................. 381 1. Textfassung der Sage .......................................................................................... 381 2. Die Figuren und ihre Geschichte ........................................................................ 382 3. Vermutlich rezipierte Geschichte zur Figur ........................................................ 388 III. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung........................................................ 391 1. Sprachformen zur Sage ....................................................................................... 391 Weite (alle erprobten Sprachformen) ........................................................... 391 Fliegen und Übermut ..................................................................................... 392 Verzweiflung .................................................................................................. 394 Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum ............................................................ 395 2. Sprachformen zum Gemälde .............................................................................. 396 Liebe ............................................................................................................... 396 Gefahr und Rettung oder Verderben ............................................................ 397 Weite .............................................................................................................. 398 Heimat und Fremde ....................................................................................... 399 3. Sprachformen zur Figur ...................................................................................... 400 Heldenhafte Eigenschaften............................................................................ 400 Gefahr und Rettung (oder Verderben) .......................................................... 401 Kampf gegen das Böse ................................................................................... 403 Freiheit und Selbstbestimmung..................................................................... 404 IV. Sprachformen für Ereignisfolgen .................................................................... 407 1. Sprachformen zur Sage ....................................................................................... 407 Meisterlehre bis Flucht (alle erprobten Sprachformen) ............................... 407 Heimweh bis Gefangenschaft ........................................................................ 412 Suche bis Flug................................................................................................. 414

XII

Inhaltsverzeichnis

2. Sprachformen zum Gemälde .............................................................................. 416 Gefahr bis Rettung oder Verderben .............................................................. 416 Ferner Ort ...................................................................................................... 418 Dauer der Fahrt .............................................................................................. 421 3. Sprachformen zu Figuren (unterschiedliche Ereignisfolgen) ............................. 422 V. Textkorpus ...................................................................................................... 425 1. Texte zur Sage ..................................................................................................... 425 2. Texte zum Gemälde ............................................................................................ 453 3. Texte zu Figuren.................................................................................................. 477 4. Formulierungen erster Gedanken, Eindrücke, Ideen zum Gemälde.................. 506 5. Transkript der Geschichte zur Sage von Stefan.................................................. 512

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18:

Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21:

Schreib- und Überarbeitungstipps für Erzählungen...................................... 1 C.D. Friedrich: Auf dem Segler (zwischen 1818 und 1820) ....................... 155 Figurenauswahl (N=96) ............................................................................. 160 Auswahl von stärker medial oder literarisch geprägten Figuren in den unterschiedlichen Einzugsgebieten (N=96) ............................................... 161 Auswahl weiblicher und männlicher Figuren von Mädchen und Jungen (N=96) ............................................................................................ 162 Textformen zur Sage (N=96) ..................................................................... 179 Textformen zum Gemälde (N=96) ............................................................. 189 Textformen zu Figuren (N=96) .................................................................. 200 Textformen beim Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt (N=96) ........................................................................................................ 202 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Weite einschreiben (Sage)................................................. 209 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung vom Fliegen und von Übermut einschreiben (Sage) ................ 212 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Verzweiflung einschreiben (Sage) ..................................... 215 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum einschreiben (Sage) .. 220 Anteile der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vier zentrale vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Sage) .......................................... 224 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Sage) .......................................... 228 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben (Sage) .................................................................. 229 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Liebe einschreiben (Gemälde)........................................... 236 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Gefahr und Rettung oder Verderben einschreiben (Gemälde) .................................................................................................. 238 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Weite einschreiben (Gemälde) ......................................... 241 Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Heimat und Fremde einschreiben (Gemälde) ................... 244 Anteile der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vier zentrale vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Gemälde) ................................... 246

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 22: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Gemälde) ................................... 248 Abb. 23: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Gemälde) ....................................................... 249 Abb. 24: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von heldenhaften Eigenschaften einschreiben (Figuren) ........ 254 Abb. 25: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Gefahr und Rettung (oder Verderben) einschreiben (Figuren) .................................................................................................... 257 Abb. 26: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung vom Kampf gegen das Böse einschreiben (Figuren) ................ 259 Abb. 27: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Freiheit und Selbstbestimmung einschreiben (Figuren) ... 262 Abb. 28: Anteile der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vier zentrale vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Figuren) ..................................... 263 Abb. 29: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Figuren) ..................................... 265 Abb. 30: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben (Figuren).............................................................. 266 Abb. 31: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben ............................................................................. 271 Abb. 32: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind ....... 273 Abb. 33: Anteile der Kinder aus unterschiedlichen Einzugsgebieten, die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben ........................... 274 Abb. 34: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten........................................................ 275 Abb. 35: Anteile der Kinder mit unterschiedlichem sprachlichen Hintergrund, die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben .......... 277 Abb. 36: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Sage) ..................... 279 Abb. 37: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Gemälde) .............. 279 Abb. 38: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Figuren)................. 280 Abb. 39: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (alle drei Vorgaben) .................................................................................................. 280 Abb. 40: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge von Meisterlehre bis Flucht einschreiben (Sage) ................ 287

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Abb. 41: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge von Heimweh bis Gefangenschaft einschreiben (Sage) ...... 292 Abb. 42: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge von Suche bis Flug einschreiben (Sage) ............................... 295 Abb. 43: Anteil der Kinder (N=96), die sich zu drei zentralen Abschnitten in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben (Sage).............................. 297 Abb. 44: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben (Sage) ................................................................................... 298 Abb. 45: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge von Gefahr bis Rettung oder Verderben einschreiben (Gemälde) .. 304 Abb. 46: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge an einem fernen Ort einschreiben (Gemälde) .................... 306 Abb. 47: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für die Dauer der Segelfahrt einschreiben (Gemälde) ........................................................... 307 Abb. 48: Anteil der Kinder (N=96), die sich zu drei zentralen Aspekten in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben (Gemälde)....................... 309 Abb. 49: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für die Ereignisfolge einschreiben (Gemälde) ...................................................... 309 Abb. 50: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben (Figuren)............................................................................... 320 Abb. 51: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben .............................................................................................. 322 Abb. 52: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind ............................................................................................................ 324 Abb. 53: Anteile der Kinder aus unterschiedlichen Einzugsgebieten, die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben......................................... 326 Abb. 54: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten ............................................... 327 Abb. 55: Anteile der Kinder mit unterschiedlichem sprachlichen Hintergrund, die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben........................ 328 Abb. 56: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Sage) ............. 329 Abb. 57: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Gemälde) ...... 329 Abb. 58: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Figuren) ........ 330 Abb. 59: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (alle drei Vorgaben) .................................................................................................. 330

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3:

Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8: Tab. 9:

Anzahl der Schülerinnen und Schüler ......................................................... 94 Anzahl mehrsprachig und einsprachig deutsch aufwachsender Schülerinnen und Schüler............................................................................ 95 Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit starken, mittleren oder schwachen Leistungen in drei zentralen Bereichen des Deutschunterrichts ...................................................................................... 96 Übersicht: Sprachformen für vorgestellte Erfahrung ............................... 128 Übersicht: Sprachformen für Ereignisfolgen ............................................. 143 Durchschnittliche Wortanzahl pro Text eines Kindes in unterschiedlichen Einzugsgebieten ........................................................... 268 Durchschnittliche Wortanzahl pro Text eines mehrsprachig oder einsprachig deutsch aufwachsenden Kindes ............................................ 270 Absolute Anzahl hervorgehobener Sprachformen ................................... 272 Absolute Anzahl zeitlicher und kausaler Markierungen der Ereignisfolge .............................................................................................. 323

Abkürzungsverzeichnis Zur Kennung der Schülerinnen und Schüler 1. Stelle der Kennung S

Sage: Text zur Sage „Dädalus und Ikarus“

G

Gemälde: Text zum Gemälde „Auf dem Segler“

F

Figur: Text zu einer der sechs Figuren

2. Stelle der Kennung 01-61

Kind aus einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex

01-20

Klasse A (Sozialindex 5)

21-42

Klasse B (Sozialindex 5)

43-61

Klasse C (Sozialindex 5)

62-102

Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex

62-76

Klasse D (Sozialindex 2)

77-89

Klasse E (Sozialindex 1)

90-102

Klasse F (Sozialindex 1)

3. Stelle der Kennung d

einsprachig deutsch aufwachsendes Kind

m

mehrsprachig aufwachsendes Kind

Zur Transkription der Texte { }

Streichungen

[ ]

Einfügungen

/ /

Korrekturen des Kindes

\ \

Wörter, die außerhalb des Textes stehen

kursiv

Wörter, die das Kind diktiert hat

|

Begrenzung zwischen zwei Texten desselben Kindes

Einleitung

Einblick: Heimat weg und wieder hin, aber allein! Der Fokus des schulischen Erzählens liegt zumeist auf der Gestaltung einer Ereignisfolge mit passenden sprachlichen Mitteln und auf der Entwicklung eines Stils, der die Erzählung ‚schmückt‘. Geübt wird die Gliederung in Einleitung, Hauptteil und Schluss und die Verwendung ‚treffender’ Wörter, unterschiedlicher Satzanfänge und wörtlicher Rede, die die Geschichte abwechslungsreich und spannend gestalten: „Finde einen Anfang, eine Mitte und einen passenden Schluss. Überlege dir eine Überschrift. Halte die Erzählzeit ein. Verwende treffende Adjektive und Verben. Verwende verschiedene Satzanfänge. Schreibe sinnvolle Sätze. Verwende die wörtliche Rede“ (s. Abb. 1).

Abb. 1: Schreib- und Überarbeitungstipps für Erzählungen (aus: Zebra 3. Wissensbuch Sprache/Lesen. Stuttgart 2013, U3. © Ernst Klett Verlag GmbH)

Solche Schreib- und Überarbeitungstipps haben das Ziel, den Schülerinnen und Schülern Bausteine zum Erzählen explizit zu vermitteln. Zu Aufgaben, die eine Ereignisfolge repräsentieren (wie z.B. die Bildergeschichte), einen Anfang zum Weiterschreiben vorgeben, eine Überarbeitung von (vorgegebenen oder eigenen) Erzählungen anregen oder thematische Impulse setzen, üben die Grundschülerinnen und -schüler geeignete sprachliche Mittel anzuwenden und strukturelle Aspekte von Erzählungen zu berücksichtigen. Fraglich ist, ob die Konzentration auf prototypische Formulierungen und Strukturen dem Gegenstand, der Vielfalt des Erzählens, überhaupt gerecht werden © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_1

2

Einleitung

kann. Fraglich ist auch, ob solche Tipps hilfreich sind, um schriftliches Erzählen zu lernen. Die Linguistin Ulla Fix betont, dass „wir beim Textproduzieren und -rezipieren mit Regeln wenig anfangen [können]. Zu viele Einzelentscheidungen müssten getroffen werden, und das große Ganze des Textes als kommunikative Einheit käme gar nicht erst in den Blick. Wir haben die sehr komplexen Text- und Stilvorgaben daher nicht als abzuarbeitende Regelinventare, die notwendigerweise unüberschaubar wären, verinnerlicht, sondern als Muster“ (Fix 2005, S. 16). Solche (mentalen) Muster beschränken sich allerdings nicht auf formale oder strukturbezogene Aspekte, sondern beziehen sich im Kern auf Inhaltlich-Thematisches. Folgt man diesem Gedanken in didaktischer Perspektive, gälte es, Schülerinnen und Schülern Zugänge zu vielen unterschiedlichen Erzählungen zu verschaffen, an denen sie Muster ausbilden können, und Aufgaben zu stellen, die ermöglichen, Muster zu erproben, um sie sich ein Stück weit anzueignen. Nachdem Emma, die in die dritte Klasse geht, die griechische Sage „Dädalus und Ikarus“ gehört hat, schreibt sie: Dädalus und Ikarus Heimat weg und wieder hin, aber allein! Es war einmal ein berühmter Künstler namens Dädalus. Wenn er in Steine Figuren schnitzte, dann sah das so aus, als wäre die Figur im Stein eingewachsen. Eines Tages hatte er einen Schüler. Dädalus zeigte ihm, wie man Figuren in den Stein schnitzte. Aber von Minute zu Minute wurde der Schüler besser als er. Der Schüler wurde nun auch berühmt. Dädalus wurde neidisch. Und als er mit dem Schüler am Abhang stand. Da schubste Dädalus seinen Schüler runter, den steilen Abhang runter, und der Junge war tot. Da musste Dädalus fliehen. Er floh über Wasser und Inseln. Bis er auf einer Insel von einem König angenommen wurde. Der König bemerkte schon bald, dass Dädalus ein berühmter Künstler war. Der König sagte zu Dädalus, baue mir ein schönes Schloss. Dädalus machte, was der König sagte. Dädalus bekam ein Kind namens Ikarus. Dädalus bekam Heimweh, der König merkte, dass Dädalus weg wollte, er schickte viele Wachen zu ihm, die sollten aufpassen, dass Dädalus und Ikarus nicht wegkamen. Dädalus dachte, übers Wasser können wir nicht. Wenn ich doch nur fliegen könnte. Da hatte Dädalus eine Idee, er sammelte Vogelfedern. Als er ganz viele hatte, baute er sich Flügel. Er übte und übte auf einem kleinen Abhang und es klappte, er konnte fliegen. Er baute für Ikarus auch noch ein Flügelpaar, er sagte zu Ikarus, fliege hinter mir und fliege nicht zu nah ans Wasser und nicht zu nah an die Sonne, und dann ging’s los über das Wasser, es war Sonnenuntergang. Das ganze Wasser strahlte. Dädalus [fand es] sehr, sehr schön. Ikarus fand es auch sehr, sehr schön und er fand es so schön, dass er zu nah an die Sonne flog und das Wachs an den Flügeln schmolz. Und zwar so schnell, dass er nicht mehr ‚Hilfe‘ rufen konnte. Dädalus bemerkte es nicht und

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flog weiter, als er sich dann umdrehte, um nach Ikarus zu sehen, war Ikarus nicht da. Er flog wie wild herum vor Verzweifeln. Dann wurde er auf einer Insel aufgenommen und Ikarus wurde tot an die Insel gespült und Dädalus wurde auf der Insel Künstler, aber wurde nie wieder glücklich (Emma S04d). 1 In Emmas Erzählung geht es ‚ums Ganze‘: Sie erzählt vom Mord des neidischen Künstlers und Lehrers an seinem Schüler, von der Flucht aus der Heimat, von Heimweh und Gefangenschaft, von Scharfsinn, Kunstfertigkeit und Befreiung, von Gefahr und Übermut, schließlich von der Verzweiflung über den Verlust des Sohnes. Die Geschichte ermöglicht eine Auseinandersetzung mit existentiellen Themen. Nicht nur die Themen, sondern auch etliche Sprachformen muten erstaunlich ‚literarisch‘ an und erzeugen intensive Vorstellungen der dargestellten Erfahrungen. Im Untertitel Heimat weg und wieder hin, aber allein! fasst Emma das Geschehen in nur sieben Worten prägnant zusammen: Den Verlust der Heimat, die Rückkehr, die normalerweise nicht „allein“ erfolgt wäre. Das Ausrufezeichen verstärkt die Besonderheit des Geschehens. In seiner Rätselhaftigkeit macht der Untertitel neugierig und realisiert damit eine typische Erzählstruktur, ein ‚Muster‘ der emotionalen Leserführung. Ein bildhafter Vergleich verdeutlicht Dädalus‘ Kunstfertigkeit: als wäre die Figur im Stein eingewachsen. Indem die Geschwindigkeit, in der der Schüler lernt, als Übertreibung dargestellt wird, wird die Bedrohung, die Dädalus dadurch empfindet, gesteigert: Aber von Minute zu Minute wurde der Schüler besser als er. Eine ergänzende Wiederholung hebt die Ungeheuerlichkeit der Tat des Lehrers nachdrücklich hervor: Da schubste Dädalus seinen Schüler runter, den steilen Abhang runter. Eine weitere Wiederholung ermöglicht, sich die lange Dauer und Mühsal des Übens vorzustellen: Er übte und übte. Ein innerer Monolog gewährt Lesern Zugang zu den Gedanken der Hauptfigur und ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, in Gefangenschaft zu sein und nach Fluchtmöglichkeiten zu suchen: übers Wasser können wir nicht. Wenn ich doch nur fliegen könnte. Die Formulierung Da hatte Dädalus eine Idee erzeugt Neugier und ermöglicht, Hypothesen zu bilden. Eine metaphorisch anmutende Sprachform lädt dazu ein, sich das Bild vorzustellen, das sich Dädalus und Ikarus zwischen Himmel und Wasser fliegend bietet: Das ganze Wasser strahlte. Antike Stilfiguren der Wiederholung bringen das Ausmaß der Empfindung beim Fliegen zum Ausdruck: sehr, sehr (Geminatio), schön (…) schön (…) schön (Epipher), dreimal … fand es (…) schön (Parallelismus). Ikarus‘ Übermut vermittelt sich in diesen Sprachformen ganz direkt. Schließlich erzeugt ein weiterer Vergleich eine Vorstellung von der Verzweiflung über den Verlust des Sohnes: Er flog wie wild herum 1

Die Kennung hinter dem Namen gibt an, zu welcher Vorgabe (S=Sage, G=Gemälde, F=Figur) der Text geschrieben wurde, in welchem Einzugsgebiet das Kind zur Schule geht (01-61=hoher Sozialindex, 62-102= niedriger Sozialindex), und ob es einsprachig deutsch (d) oder mehrsprachig aufwächst (m) (s. Kapitel 5.2). Bei Emma handelt es sich also um ein Mädchen, das in einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex zur Schule geht und einsprachig deutsch aufwächst.

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vor Verzweifeln. All diese Sprachformen tragen auf besondere Art und Weise dazu bei, dass die dargestellten Erfahrungen vorstellbar werden. Emmas Erzählung ist gegliedert. Sie enthält unterschiedliche Sprachformen für die Darstellung einer Ereignisfolge: es war einmal, eines Tages, von Minute zu Minute, nun, als, da, bis, bald, Sonnenuntergang, dann, nie wieder. Die typische Markierung der Abfolge durch „(und) dann“ kommt im gesamten Text nur zweimal vor. Der formelhafte Beginn scheint Emma den Einstieg in die Erzählung zu erleichtern. Die Angabe eines Zeitpunktes (eines Tages) kennzeichnet nach der Beschreibung der Hauptfigur den Beginn der Handlung, und bildet den Bezugspunkt für die folgenden deiktischen und anaphorischen Zeitangaben (nun, da, schon bald, dann), die die Vorstellung einer kohärenten Abfolge der Ereignisse ermöglichen. Dreimal erzeugt in Emmas Erzählung eine Zeitangabe die Vorstellung dichter Zusammenhänge zwischen den Ereignissen, indem sie Momente der Gleichzeitigkeit formuliert (Und als er mit seinem Schüler am Abhang stand. Da schubste Dädalus seinen Schüler runter – Als er ganz viele hatte, baute er sich Flügel) oder die Dauer eines Ereignisses in Relation zu einem anderen angibt (Er floh über Wasser und Inseln. Bis er auf einer Insel von einem König angenommen wurde). Umgekehrt trägt auch die explizite Formulierung von Zusammenhängen zu einer differenzierten Vorstellung der zeitlichen Abfolge bei, weil Ursache und Wirkung immer auch zeitlich determiniert sind (Wenn er in Steine Figuren schnitzte, dann sah das so aus, als wäre die Figur im Stein eingewachsen – so schön, dass er zu nah an die Sonne flog und das Wachs an den Flügeln schmolz – Und zwar so schnell, dass er nicht mehr ‚Hilfe‘ rufen konnte – Er flog wie wild herum vor Verzweifeln). Darüber hinaus wird die Vorstellung einer zeitlichen Abfolge durch die explizite Angabe von neuen Räumen und Raumwechseln erweitert (am Abhang – runter, den steilen Abhang runter – fliehen – über Wasser und Inseln – auf einer Insel – Heimweh – weg – übers Wasser – auf einem kleinen Abhang – hinter mir, nicht zu nah ans Wasser und nicht zu nah an die Sonne – über das Wasser – zu nah an die Sonne – weiter – nicht da – herum – auf einer Insel – an die Insel). Im Kontext der Erzählung von „Dädalus und Ikarus“ hat Emma sich eingeschrieben in narrative Muster für die Darstellung von (vorgestellter) Erfahrung und einer Ereignisfolge. Formen der Hervorhebung und Markierung laden dazu ein, sich vorzustellen, wie es ist, die dargestellte Erfahrung zu machen und welche Ereignisse aufeinander folgen. Ohne dass Emma darin unterrichtet wurde, erfüllt ihre Erzählung (auch) die oben genannten Kriterien (Gliederung, Überschrift, Präteritum, „treffende“ Adjektive und Verben, verschiedene Satzanfänge, Kohärenz). Sie verwendet zwar keine wörtliche Rede, formuliert aber einen inneren Monolog. Sowohl thematisch als auch sprachformal übersteigt Emmas Erzählung vermutlich die Erwartungen, die normalerweise an Texte von Schülerinnen und Schülern aus der dritten Klasse gestellt werden.

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Forschungsinteresse und theoretische Einordnung Etliche Beispiele wie die Erzählung von Emma belegen, dass Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter beim Geschichtenschreiben narrative Muster zu Papier bringen, die ihnen aus anderen Geschichten vertraut sind (vgl. Dehn 1999; Dehn et al. 2011; Wardetzky 1992, 2008; Weinhold 2000). In der kognitionswissenschaftlich orientierten Narrationsforschung wird davon ausgegangen, dass Erzählungen nicht (nur) im Text existieren, sondern vor allem im Kopf des Rezipienten 2, der in seiner Vorstellung mithilfe der Erzählung eine „Storyworld“ (Herman 2009) erzeugt. Mit der Studie „Sich Einschreiben in narrative Muster – Schriftliches Erzählen im Kontext von Wort und Bild“ wird aus didaktischer Perspektive untersucht, welche Rolle die durch die Rezeption eröffnete Möglichkeit zur Vorstellungsbildung für die Produktion von Erzählungen spielt: Wie wirkt sich der Zugang zu Vorgaben mit narrativem Gehalt auf das Erproben narrativer Muster beim schriftlichen Erzählen in Klasse 3 aus? In den meisten Studien zur Erzählentwicklung im Grundschulalter gilt das Strukturmodell der Höhepunkterzählung (abstract, orientation, complication, resolution, coda nach Labov/Waletzky 1967 bzw. Labov 1972) als prototypisch für das Erzählen. Die kindliche Erzählentwicklung wird dem Grad der Annäherung an das Modell entsprechend als Abfolge in Stufen beschrieben. Die Darstellung einer Handlung als Abfolge zusammenhängender, miteinander verketteter Ereignisse gilt dabei als der Kern des Erzählens. In Korrespondenz zu solch einer (strukturalistisch geprägten) Definition von ‚Erzählung‘ zeigen Erzählentwicklungsmodelle, dass Kinder zunächst lernen, eine Handlungsabfolge strukturiert darzustellen und später, diese auch stilistisch zu gestalten (grundlegend Boueke et al. 1995). In etlichen Studien (und auch im Unterricht) entspricht dieser Auffassung das (schriftliche) Erzählen zur Bildergeschichte, die in erster Linie einen Handlungsverlauf darstellt, und die Untersuchung (bzw. Vermittlung) ‚sprachlicher Mittel‘, die zur Strukturierung und zum ‚anschaulichen‘ Erzählen beitragen (Formen der Verknüpfung, Markierung der Plötzlichkeit, Gestaltung der Satzanfänge, schmückende Adjektive, wörtliche Rede etc.). Es ist das Verdienst von Gerhard Augst, zu zeigen, dass die „emotionale Involvierung“ nicht die höchste Stufe der Erzählentwicklung darstellt, sondern ein eigenständiges Phänomen, „das die erzählenden Kinder von Anfang an beschäftigt“ (Augst 2010, S. 65; vgl. auch Augst et al. 2007). Allerdings geht Augst davon aus, dass die Ursache der „emotionalen Involvierung“ der

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Die Verfasserin bemüht sich um eine gendergerechte Sprache. Begriffe, wie „Rezipient“, „Leser“ oder „Erzähler“, die in der Fachliteratur fast durchgängig in der männlichen Form verwendet werden, werden übernommen, um mit einer einheitlichen Form in Zitat und Text die Kohärenz zu gewährleisten.

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„Erzählton“ ist – also ein stilistisches Phänomen – und nimmt an, dass dieser eine eigene Ontogenese durchläuft, die von „pränarrativ rudimentär“ über „narrativ konventionell“ bis zu „literar-ästhetisch individuell“ verläuft (vgl. Augst 2010, S. 93). In der vorliegenden Arbeit werden Sprachformen, die Augst als stilistische Mittel versteht, – neben weiteren Sprachformen – als Formen des Ausdrucks von vorgestellter Erfahrung betrachtet, die Lesern den Zugang dazu eröffnen. Geht man davon aus, dass der Kern des Erzählens die Vermittlung von (vorgestellter) Erfahrung darstellt, scheint auch in didaktischer Hinsicht der Zugang zu vorgestellter Erfahrung zentral für das Erzählen(lernen). Untersucht werden soll, inwiefern der Zugang zu vorgestellter Erfahrung sprachbildendes Potenzial haben kann. In Anlehnung an Fludernik (1996; 2013) wird angenommen, dass die Struktur der Erzählung der Darstellung von (vorgestellter) Erfahrung innewohnt; dass vorgestellte Erfahrung sozusagen der Motor ist für die Darstellung einer Welt, in der sich etwas ereignet, weil Figuren Erfahrungen machen, indem sie handeln, fühlen und denken. Sprachformen, die basale Elemente von Narration (vgl. Herman 2009, s. Kapitel 1.2) konkretisieren, werden als narrative Muster bezeichnet. Während es im Rahmen textlinguistischer Überlegungen und in Studien zur Erzählentwicklung hauptsächlich um strukturbildende Muster geht, die sich auf die Erzählung als Ganzes beziehen, stehen in der vorliegenden Studie vorstellungsbildende Muster, die sich auf einzelne Sprachformen beziehen, im Mittelpunkt der Betrachtung. Im Rahmen eines erzähltheoretischen Ansatzes, dem die Darstellung von und der Zugang zu (vorgestellter) Erfahrung als der Kern des Erzählens gilt, werden (in Anlehnung an Fludernik 1996 und Herman 2009) Sprachformen betrachtet, die ermöglichen, -

sich Erfahrungen so vorzustellen, als wären es die eigenen, sich Ereignisse in einer Storyworld als Folge vorzustellen.

Damit wird weder der Anspruch erhoben, dass diese Sprachformen nur in Erzählungen vorkommen – Ereignisse werden z.B. auch in instruktiven Texten als Folge darstellt (in Rezepten, Spielanleitungen etc.) und die Möglichkeit vorgestellte Erfahrungen zu erzeugen, wird auch in argumentativen Texten genutzt (z.B. in der Werbung) – noch, dass es die einzigen Sprachformen sind, die narrative Muster konkretisieren. In Erzählentwicklungsstudien wurde der sprachlichen Markierung eines „Planbruchs“ besondere Aufmerksamkeit geschenkt, sie gilt als Kennzeichen einer höheren Entwicklungsstufe. Obgleich auch die Darstellung eines „Bruchs“ als narratives Muster gelten kann (vgl. Herman 2009), werden Sprachformen für Normdurchbrechungen in dieser Arbeit nicht betrachtet. Zugrunde liegt zum einen ein Verständnis von „Ereignishaftigkeit“, das sich nicht auf die einzelnen Segmente des dargestellten Geschehens bezieht, sondern auf die Gesamtstruktur der Handlung (vgl. Martínez 2011, S. 7). Zum

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anderen wird davon ausgegangen, dass Erzählwürdigkeit und Ereignishaftigkeit zu unterscheiden sind, da Erfahrungen auch jenseits von Normdurchbrechungen erzählwürdig erscheinen können (vgl. Baroni 2014). Insofern normdurchbrechende Erfahrungen dargestellt werden, sind diese in der Untersuchung von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung impliziert. Während strukturbildende Muster in Erzählungen von Lernenden im Grundschulalter mehrfach untersucht wurden, stellt die Untersuchung vorstellungsbildender Muster, insbesondere narrativer Muster für vorgestellte Erfahrung, jenseits von Einzelfallanalysen in dieser Altersgruppe ein Forschungsdesiderat dar. In der Deutschdidaktik wird über die Modellierung von Entwicklungsstufen und die Abhängigkeit der Textqualität von der Situierung der Schreibaufgabe diskutiert (s. Augst et al. 2007; Dehn et al. 2011; Pohl/Steinhoff 2010). Um das didaktische Potenzial zu untersuchen, das im schriftlichen Erzählen zu Vorgaben mit narrativem Gehalt für das Erproben narrativer Muster liegt, wurde folgenden Fragestellungen nachgegangen: -

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Welche Zugänge zu vorgestellter Erfahrung und Ereignisfolgen eröffnen die in der Studie erprobten Vorgaben mit narrativem Gehalt (Sage, Gemälde, Figuren)? In welchen Textformen nehmen die Schülerinnen und Schüler Bezug auf die Vorgaben mit narrativem Gehalt? Welche Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen erproben Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3, wenn sie im Kontext der Vorgaben mit narrativem Gehalt Gelegenheit haben, die Vorstellung einer Storyworld zu entwickeln, in der Figuren Erfahrungen machen?

Anhand einer größeren Stichprobe (N=102) wird untersucht, wie viele Schülerinnen und Schüler im Kontext der Vorgaben mit narrativem Gehalt Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen erproben und ob sich das Erproben solcher Sprachformen in quantitativer Perspektive unterscheidet -

bei den drei unterschiedlichen Vorgaben (Sage, Gemälde, Figuren), bei Schülerinnen und Schülern aus Einzugsgebieten mit niedrigem oder hohem Sozialindex, bei Schülerinnen und Schülern, die mehrsprachig oder einsprachig deutsch aufwachsen.

Es wurden schriftliche Erzählungen zu drei unterschiedlichen Vorgaben mit narrativem Gehalt erhoben, um den Schülerinnen und Schülern ein breites Spektrum an Zugängen zu eröffnen und das Potenzial der unterschiedlichen Zugänge für Sprachbildung herauszuarbeiten. Während die Sage Vorstellungen durch Sprache evoziert, bietet das Bild einen visuellen Zugang; die Figuren ermöglichen durch ihre Verankerung in multimedialen Erzählformen beide Zugänge. Die Untersuchung der erprobten Sprachformen in

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den Erzählungen zur Sage ermöglicht eine Analyse der Korrespondenzen von Rezeption und Produktion auf sprachlicher Ebene. Die Untersuchung der erprobten Sprachformen in den Erzählungen zum Gemälde strebt an, einen Beitrag zur Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Wort und Bild und ihres Potenzials für visuell evozierte Sprachbildung zu leisten. Die Untersuchung der erprobten Sprachformen in den Erzählungen zur Figur ermöglicht, die Bedeutung des zeitlichen Abstands zwischen Rezeption und Produktion für das Erproben narrativer Muster zu betrachten. Um ein möglichst großes Spektrum an Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen zu erfassen, die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 überhaupt erproben, wurde die Untersuchung in drei Klassen an Schulen durchgeführt, die in einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex liegen. Da zur Bestimmung der Sozialindizes neben dem „sozialen“ und „ökonomischen Kapital“ auch das „kulturelle Kapital“ (Bourdieu) und der Migrationshintergrund, bzw. die Häufigkeit, mit der in der Familie Deutsch gesprochen wird, erfasst wird (vgl. Schulte/Hartig/Pietsch 2014), ist davon auszugehen, dass Schülerinnen und Schüler, die in einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex zur Schule gehen, in ihrem Leben bisher durchschnittlich mehr und einen vielfältigeren Zugang zu (deutschsprachiger) Kinderliteratur – und damit zur Vorstellung einer schriftsprachlich evozierten Storyworld, in der Figuren Erfahrungen machen – hatten als Schülerinnen und Schüler, die in einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex zur Schule gehen. Um zu untersuchen, ob auch diese Lernenden im Kontext der Vorgaben mit narrativem Gehalt Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen erproben, wurde die Untersuchung in drei weiteren Klassen an Schulen durchgeführt, die in Einzugsgebieten mit (sehr) niedrigen Sozialindizes liegen. Da in allen sechs Klassen sowohl einsprachig deutsch als auch mehrsprachig aufwachsende Schülerinnen und Schüler sind, ermöglichen die erhobenen Texte darüber hinaus zu untersuchen, ob der sprachliche Hintergrund relevant für das Erproben von Sprachformen ist. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ist ein didaktisches. Der Schwerpunkt unterrichtlicher Bemühungen liegt zumeist auf der expliziten Vermittlung narrativer Strukturmerkmale und prototypischer Formulierungshilfen. Feilke betont, dass die Vermittlung metasprachlichen expliziten Wissens mit dem Ziel, „die von der Sprachgemeinschaft hervorgebrachten Ordnungen der Sprache selbstreflexiv – und in kritischer Absicht selbstbewusst – thematisieren zu können“ (Feilke 2001, S. 17), nicht aufgegeben werden darf, mahnt aber auch an, dass der hohe Stellenwert der Sprachbewusstheit in der Didaktik nicht dazu führen darf, „dass die Formen und das Potential impliziten und imitativen Lernens aus der Forschung ausgeblendet bleiben“ (ebd.). In didaktischer Perspektive ist ein Anliegen der vorliegenden Studie, das Potenzial impliziter Sprachbildung in der Grundschule – auch als Grundlage für explizite Vermittlung und Analyse – (wieder) in den Blick zu rücken. Sollte sich herausstellen, dass die Korrespondenz zwischen Rezeption und Produktion für viele Schülerinnen und Schüler fruchtbar ist für

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das Erproben narrativer Muster beim Schreiben, ist das Ergebnis didaktisch – für die Konzeption von Schreibaufgaben und die Betrachtung von Schülertexten – relevant. Es geht in dieser Studie nicht darum, anhand bestimmter Sprachformen den Stand der Erzählentwicklung von Drittklässlerinnen und Drittklässlern zu messen, sondern um die Bedeutung des Zugangs zu vorgestellten Erfahrungen und Ereignisfolgen für das Erproben narrativer Muster beim schriftlichen Erzählen. Sollte sich aber herausstellen, dass eine Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler Sprachformen erprobt, die „literarästhetische“ Qualität haben, stellt sich die Frage nach Funktion und Gültigkeit eines Stufenmodells zur Entwicklung eines „Erzähltons“, wie es Augst (2010) vorschwebt. Mit der Entwicklung eines narratologisch fundierten Analyserasters für narrative Muster möchte die vorliegende Studie dazu beitragen, dass in Erzählungen von Lernenden Gelungenes erkannt und differenziert beschrieben werden kann. Aufbau der Arbeit Die Arbeit besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil werden theoretische Grundlagen dargestellt. Im zweiten Teil geht es um die empirische Studie zum schriftlichen Erzählen. Die Frage, welche narrativen Muster Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 erproben, wenn sie beim Schreiben Zugang zu Vorgaben mit narrativem Gehalt haben, ist ein Forschungsdesiderat. Auch wenn eine intertextuell ausgerichtete Erzähldidaktik erste Orientierung bietet, lässt sich die Frage nicht theoretisch beantworten. Wohl aber sind theoretische Überlegungen unverzichtbar, um die Bedeutung der Rezeption für die Produktion untersuchen zu können und einen linguistisch geprägten Musterbegriff zu überwinden, der sich auf strukturelle Merkmale von Erzählungen konzentriert. Im Theorieteil wird zunächst ein narratologisch fundierter Musterbegriff dargestellt, der die Grundlage für die Betrachtung narrativer Muster in Erzählungen von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter bildet (Kapitel 1). Aus diesem Musterbegriff werden Sprachformen für zwei zentrale narrative Muster abgeleitet: Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und für Ereignisfolgen (Kapitel 2). Es folgt eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des narrativen Textmusters aus linguistischer Perspektive und didaktischen Überlegungen zur Musterbildung (Kapitel 3). Die meisten Studien zum kindlichen Erzählen beziehen sich auf die Erzählentwicklung und folgen einem linguistisch fundierten Musterbegriff. Bei der Darstellung des Forschungsstandes werden nur die Befunde fokussiert, die relevant für die Betrachtung der zu untersuchenden Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen erscheinen (Kapitel 4). Im empirischen Teil werden Sprachformen in Texten von Schülerinnen und Schülern aus Klasse 3 sowohl qualitativ als auch quantitativ analysiert. Es handelt sich dabei um eine narratologisch fundierte qualitative Inhaltsanalyse, bei der die Texte mit einem

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eigens entwickelten, theoriegeleiteten Analyseraster auf Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen untersucht werden, indem inhaltliche und formale Kategorien kombiniert werden (Kapitel 5). Da es hauptsächlich darum geht, zu untersuchen, welche Sprachformen (und Textformen) die Schülerinnen und Schüler beim Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt erproben und welche Formen der Korrespondenz sich dabei zeigen, liegt der Schwerpunkt der Studie auf der qualitativen Perspektive. Diese wird ergänzt um die Betrachtung der Häufigkeit, mit der bestimmte Schülergruppen bestimmte Sprachformen zu unterschiedlichen Vorgaben zu Papier bringen, um bestimmen zu können, wie relevant unterschiedliche Zugänge für unterschiedliche Schülergruppen sind. Um Korrespondenzen zwischen Vorgaben und Sprachformen in Texten von Schülerinnen und Schülern zu untersuchen, werden zunächst die Zugänge dargestellt, die Sage, Gemälde und Figuren für die Vorstellung von Erfahrungen und Ereignisfolgen eröffnen (Kapitel 6). Bevor es um die Untersuchung von Sprachformen geht, werden Formen der Korrespondenz auf der Ebene vollständiger Texte vorgestellt (Kapitel 7). Dabei wird (auch) nachvollziehbar, wie einzelne Sprachformen in den Text eingebettet sind. Die folgenden Analysen zu Sprachformen für vorgestellte Erfahrung (Kapitel 8) und für Ereignisfolgen (Kapitel 9) bilden das Herzstück der empirischen Studie. Hier gewähren zum einen Beispiele Einblick in die Vielfalt der unterschiedlichen Sprachformen, die narrative Muster konkretisieren, und in die Zusammenhänge zwischen Rezeption und Produktion. Zum anderen erfolgt zu jeder der drei Vorgaben eine systematische Auswertung aller erprobten Sprachformen zu zentralen Erfahrungen und Ereignisfolgen, die die Schülerinnen und Schüler in ihren Texten darstellen. Ergänzt werden die (hauptsächlich) kategorienorientierten Analysen um eine fallorientierte Perspektive auf Prozesse der Annäherung an die Darstellung von vorgestellter Erfahrung und Ereignisfolgen (Kapitel 10). Abschließend werden die zentralen Befunde vor dem Hintergrund des Forschungsstandes diskutiert, weiterführende Forschungsperspektiven eröffnet und lernförderliche Bedingungen für narrative Musterbildung herausgearbeitet (Kapitel 11). Der Anhang ergänzt die Darstellung um weitere Analysebeispiele von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und für Ereignisfolgen und enthält das gesamte Textkorpus.

1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung? Es braucht eine Geschichte, um zu vermitteln, wie es war, das erste Mal vom Dreimeterbrett zu springen, eine Freundin fürs Leben zu finden oder mit den Großeltern zu verreisen – zu viert in einem kleinen Wohnwagen. Es braucht eine Geschichte, um sich vorstellen zu können, wie es ist, begabt und berühmt zu sein, seine Heimat verlassen zu müssen, in Gefangenschaft zu leben oder einen geliebten Menschen zu verlieren. Menschen erzählen sich seit Jahrtausenden Geschichten, um ihrer Erfahrungen habhaft zu werden, sie zu ordnen, zu verstehen und sich im Spiegel der Geschichte selbst ein Stück weit besser kennenzulernen. Sie erzählen, um Erfahrungen mit anderen Menschen zu teilen, um sich zu unterhalten mit Lustigem und Spannendem, um Ängste zu bewältigen oder Wissen in Form von Geschichten weiterzugeben und zu bewahren. Erzählen gehört zu den elementaren kulturellen Handlungsformen des Menschen (vgl. Scheffel 2011, S. 74). Die Allgegenwart des Erzählens kennzeichnet den Menschen als „Homo narrans“: „… die Erzählung beginnt mit der Geschichte der Menschheit; nirgends gibt und gab es jemals ein Volk ohne Erzählung; alle Klassen, alle menschlichen Gruppen besitzen ihre Erzählungen, und häufig werden diese Erzählungen von Menschen unterschiedlicher, ja sogar entgegengesetzter Kultur gemeinsam geschätzt: Die Erzählung schert sich nicht um gute oder schlechte Literatur: Sie ist international, transhistorisch, transkulturell, und damit einfach da, so wie das Leben“ (Barthes [1985] dt. 1988, S. 102). Aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht scheint das Erzählen das älteste Speichermedium für menschliches Wissen darzustellen (vgl. Scheffel 2011, S. 76). Zum einen ermöglicht es, „nicht allein aus eigenen Erfahrungen, sondern auch und vor allem aus den Erfahrungen anderer zu lernen“ (ebd.), zum anderen stellen Erzählungen für den Menschen „ein konstruktives Verfahren der Sinnherstellung dar und bilden damit eine wichtige Voraussetzung für seine Orientierung in der Welt“ (ebd.). Erzählungen scheinen zu ermöglichen, dass Menschen bestimmte Ereignisse, die sie erlebt haben, als bedeutsam wahrnehmen können: „Im Sinne einer ‚narrativen Hermeneutik‘ treten Ereignisse erst im Medium der Erzählung aus dem prinzipiell offenen Raum der Erfahrung als solche hervor, werden unterscheidbar und gewinnen deutliche Gestalt“ (ebd., S. 77 mit Bezug auf Waldenfels 2004, S. 50). Das Bedürfnis von (jungen) Kindern, Bilderbücher, die alltägliche Ereignisse aus dem Kinderleben darstellen (Geburtstag, Tagesablauf), immer wieder zu betrachten und zu © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_2

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1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung?

hören, rührt vermutlich daher, dass sie sich in ihrer Ausbildung von scripts bestätigt sehen. Bestimmte Erfahrungen gewinnen durch die wiederholte Erzählung deutliche Gestalt. Wenn ein Erwachsener eine Geschichte vorliest oder erzählt, verbindet das Kind das Gesehene und Gehörte mit seiner Erfahrung (Wieler 1997). Es stellt sich etwas vor, erinnert sich, nimmt teil an der dargestellten Wirklichkeit und vergewissert sich damit auch seiner selbst (vgl. Dehn et al. 2014, S. 489 f.). 3 Erzählen scheint eine zentrale Bedeutung für die Konstruktion von menschlicher Identität zu haben (vgl. Bamberg 2014). Das Konzept der „narrativen Identität“ versteht die Identität einer Person als einen narrativen Zusammenhang und Geschichten als Muster, in denen sich eigene und fremde Identität ausbildet (vgl. Klein 2011, S. 84 mit Bezug auf Meuter 1995, S. 245 ff.). Dabei handelt es sich allerdings stets um einen Prozess, in dem Identität immer nur etwas Vorläufiges ist, das sich ständig bildet und wieder auflöst (vgl. Klein 2011, S. 84). Dasselbe gilt für die Funktion, die Erzählungen für die Ausbildung einer kollektiven Identität einer sozialen Gruppe haben: „Erzählungen basieren auf Erfahrungen und können in einem weiteren Schritt zu gemeinsamen Erfahrungen einer Gruppe von Menschen werden und damit ein kollektives Bewusstsein generieren“ (Schaff 2011, S. 89). Für die Schule bedeutet dies, dass Erzählungen zur Ausbildung eines kollektiven Bewusstseins der Lerngruppe beitragen können. Besondere Bedeutung hat in diesem Prozess vermutlich die Möglichkeit zum Austausch über unterschiedliche ‚Lesarten‘ einer Geschichte. Erzählen wird auch als Erkenntnisform beschrieben, die sich nicht auf Erkenntnis im Sinne von abstraktem Wissen beschränkt, das implizit in Geschichten enthalten sein und in der Auslegung expliziert werden kann, sondern auch andere Erkenntnisformen umfasst (vgl. Kaul 2011). Schon bei Aristoteles ist die Dichtung eine Form der Erkenntnis, weil sie „Allgemeinmenschliches ausdrückt und dies mithilfe von emotionalen Wirkungen treffend und tiefgreifend tut“ (ebd., S. 98). Aus der dargestellten Erfahrung lässt sich weniger in einem intellektuellen als in einem affektiven Sinn lernen (vgl. ebd.). 4

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Kaspar H. Spinners Analyse einer spontanen monologischen Erzählung einer 7-Jährigen gibt Einblick in den Zusammenhang von Geschichtenrezeption, Bearbeitung eigener Lebensprobleme und narrativer Fähigkeit (Spinner 2013). Mit Bezug auf Herman (2009) beschreibt Spinner das Erzählen als Prozess des Bewusstwerdens eigener Erfahrungen, in dem eine zuvor rezipierte Geschichte dem Kind dazu dient, eine narrative Form für den Ausdruck seiner Erfahrungen zu finden (vgl. Spinner 2013, S. 171). Susanne Kaul bezieht sich an dieser Stelle auf Otfried Höffe, der die Dichtung bei Aristoteles nicht der theoría (Erkenntnis) zuordnet, sie aber als eine Form der Rationalität beschreibt, durch die man zu einem Wissen gelangt (vgl. Kaul 2011, S. 98).

1.1 Vorgestellte Erfahrung

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Susanne Kaul betont, dass Einsichten, die auf dem Weg emotionalen Erschließens von Geschichten gewonnen werden, für das Verstehen von Geschichten eine wichtige Rolle spielen und lebensweltlich bedeutsam sind: „So kann beispielsweise die Rührung angesichts einer uneigennützigen Rettungsaktion in einem literarischen Text den ethischen Wert von Hilfsbereitschaft prägen. Und solcherart Einsichten sind es, die das literarische Erzählen besser als andere Darstellungsformen vermitteln kann“ (ebd., S. 100). Es ist eine didaktische Frage, wie Schule ermöglichen kann, aus der in Geschichten dargestellten Erfahrung auch in diesem „affektiven Sinn“ zu lernen. Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive wird das Erzählen im Kontext neuer Lernkulturen als Medium der Wissenserzeugung und -vermittlung angesehen (Fahrenwald 2011). Während die Literaturdidaktik den Zusammenhang zwischen Emotionen und Verstehen untersucht (vgl. z.B. Frederking et al. 2017), ist die Bedeutung der Emotion für Sprachbildungsprozesse kaum untersucht, obwohl bekannt ist, dass das emotionale Erschließen von Geschichten schreibdidaktische Relevanz hat, da eine hohe Affinität mit einer Geschichte einen Ausdruckswunsch erzeugen kann (vgl. Dehn 1996). Die Narratologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu beschreiben, was Erzählungen ausmacht. Die Bandbreite dessen, was in der Literaturwissenschaft unter dem Begriff des Erzählens verstanden wird, ist sehr groß (vgl. Aumüller 2012, S. 142 f.). Matthias Aumüller bezeichnet den Begriff der Literaturwissenschaft als „unspezifisch“ und zeigt, „dass es in der Literaturwissenschaft keinen allgemeinen Begriff des Erzählens gibt; denn die jeweiligen Merkmalskombinationen bzw. Bedingungen, die an den Begriff des Erzählens gestellt werden, sind nicht nur zu unterschiedlich, auch die Minimalbedingung, zu der sich fast alle – aber nicht einmal alle – bekennen, existiert in ganz unterschiedlichen Fassungen – von den unterschiedlichen Zielen, die mit den Erzählbegriffen verfolgt werden, ganz zu schweigen“ (ebd.). Vor diesem Hintergrund scheint es angemessen, die normative Prägung der schulischen Vermittlung des (schriftlichen) Erzählens in Frage zu stellen. Besonders fruchtbar für erfahrungsbezogene schreibdidaktische Überlegungen scheinen zwei Ansätze (Fludernik 1996; Herman 2009), die der kognitiven Narratologie nahestehen bzw. diese prägen.

1.1 Vorgestellte Erfahrung „‘Natural‘ narratology, as I envisage it, relies on a definition of narrativity as mediated human experientiality“ (Fludernik 1996, S. 36). Für die Narratologin Monika Fludernik ist „Erfahrungshaftigkeit“ (so übersetzt sie selbst ihren Begriff „experientiality“, vgl. Fludernik 2011) das entscheidende Merkmal

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1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung?

einer Erzählung. In ihrem natürlichkeitstheoretischen Ansatz begreift Fludernik das (mündliche) Erzählen im Alltag als Basis und Grundmodell des Erzählens an sich. Ihr geht es darum, „eine Definition von Narrativität zu entwerfen, die es erlaubt, in einfachen und elaborierten, in mündlichen und schriftlichen Erzählungen dieselbe Definition anzuwenden. Der von ihr proponierte gemeinsame Nenner besteht in der Erfahrungshaftigkeit (experientiality), die sich aus der Dynamik von tellability und point ergibt“ (ebd., S. 34). 5 Der Begriff der Erfahrungshaftigkeit bezieht sich nicht nur auf die dargestellten Erfahrungen der Figuren, sondern beschreibt auch die Erfahrung, die ein Leser (Hörer, Zuschauer, Spieler) 6 durch den narrativen Text macht. 7 Erfahrungshaftigkeit bezeichnet somit ein Phänomen, das wir alle kennen: Geschichten ermöglichen, gedanklich in eine Welt einzutauchen und Erfahrungen zu machen, als wären es die eigenen. Wenn uns eine Freundin von einer Verletzung erzählt und wir den Schmerz am eigenen Leib spüren, wenn wir einen Kriminalroman lesen und sich unsere Nackenhaare aufstellen, oder wenn wir im Kino sitzen und anfangen zu weinen, weil wir den Verlust empfinden, den eine Figur erleidet, löst die Vorstellung einer Erfahrung sogar ähnliche körperliche Reaktionen aus wie die Erfahrung selbst. Indem Fludernik betont, dass es die “quasi-mimetic evocation of real-life experience“ (Fludernik 1996, S. 12) ist, die Erzählungen kennzeichnet, grenzt sie sich von traditionellen (strukturalistisch geprägten) Definitionen ab, die sich auf die Handlung als Abfolge zusammenhängender, miteinander verketteter Ereignisse konzentrieren. Solche Definitionen von Narrativität bestimmen auch heute noch den Diskurs, z.B.: „Die Minimalbedingung der Narrativität ist, dass mindestens eine Veränderung eines Zustandes in einem gegebenen zeitlichen Moment dargestellt wird“ (Schmid 2014, S. 3). Fludernik schlägt vor, erfahrungsbezogenes Erzählen von Erzählformen, die einem Bericht ähneln und hauptsächlich Handlungen oder Ereignisfolgen zusammenfassen, zu unterscheiden. Letztere würden zwar traditionell dem Erzählen zugeordnet werden, stünden aber argumentativen Diskursformen näher als narrativen:

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Fludernik bezieht sich an dieser Stelle auf ihren eigenen Ansatz. Im Folgenden werden Leser, Hörer, Zuschauer, Spieler „Rezipienten“ genannt (lat. recipere=aufnehmen, empfangen). Ivo Steininger und Michael Basseler beschreiben diese doppelte Perspektive auf den Begriff der Erfahrungshaftigkeit als „Hinein- und Hinauswirken“: „Experientiality wird hier auf den beiden Ebenen des Textes und der Konstruktionsleistungen der Rezipienten wirksam. Oder anders gesagt: experientiality wird als ein Hinein- und Hinauswirken realisiert. Nicht nur, dass sich das Erzählte auf Erfahrungen beruft […]. Derjenige der die Erfahrung rezipiert, macht dabei zugleich seine eigene Erfahrung. […] Es liegt am Rezipienten, die dargestellte Erfahrung zu rekonstruieren und sie in die eigene Erfahrungswelt zu integrieren“ (Steininger/Basseler, S. 112; Hervorhebung i.O.).

1.1 Vorgestellte Erfahrung

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„If […] one defines narrative as a set of events in chronological sequence, then these two kinds of narrative are, indeed, equivalent. However, if – as I have proposed – the factor of experientiality, of emotional involvement, evaluative or empathetic, is placed at the centre of one’s analysis, then report-like narration does not qualify as narrative proper but becomes to occupy a place closer to argumentative discourse. Report […] has closer affinities with logical sequencing (chronology, after all, participates in the logos) than with the dynamics of experiential narrative“ (Fludernik 1996, S. 318; Hervorhebung i.O.). 8 Nach Fluderniks Auffassung kann es Erzählungen ohne Handlung geben, 9 aber keine ohne ein menschliches (anthropomorphes) Bewusstsein, das Erfahrungen macht (vgl. ebd., S. 13): „[P]rototypical experiential narrative, that is narrative which renders one’s own or another’s experience within an evaluative frame“ (ebd., S. 318). An Fluderniks Gleichsetzung von Narrativität und Erfahrungshaftigkeit ist deutlich Kritik geäußert worden (vgl. Caracciolo 2014a, S. 152). Zugrunde liegt der Schluss, dass für Fludernik jeder Text, der Erfahrung repräsentiert, ein erzählender Text sein müsste, auch wenn er keine deutliche Folge kausal verknüpfter Ereignisse abbildet (vgl. ebd., S. 151). Wenn Erfahrungshaftigkeit ein hinreichendes Merkmal von Narrativität ist, müssten z.B. auch „inarticulate screams of horror“ als Narration gelten, weil sie eine intensive Erfahrung darstellen (vgl. Alber 2002, S. 69). Fluderniks Erzählbegriff wird zudem entgegengesetzt, dass alle Kunstwerke auf eine Art und Weise mit menschlicher Erfahrung in einem Zusammenhang stehen, aber nicht alle narrativ verstanden werden können. So kann z.B. Lyrik menschliches Bewusstsein darstellen und dadurch Erfahrungshaftigkeit ermöglichen, ihre Narrativität ist aber eher gering (vgl. ebd., S. 68 f.). Diese Auffassung von Lyrik scheint im narratologischen Fachdiskurs allerdings auch umstritten zu sein. So weist z.B. Peter Hühn darauf hin, dass in Dramen und in einer Mehrzahl von lyrischen Gedichten im engeren Sinne (nicht nur in Balladen oder Versromanzen) Geschichten dargeboten werden, und zeigt – allerdings das Merkmal der Ereignishaftigkeit zugrunde legend – „narrative Elemente in der Lyrik“ (Hühn 2011, S. 14 ff.). Da

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Schon Konrad Ehlich (1983) hat das Erzählen vom Berichten (und Beschreiben) abgegrenzt. Beiden Handlungsmustern sei gemein, dass der Sprachproduzent dem Sprachrezipienten ein Ereignis mitteile. Im Gegensatz zum Berichten sei für das Erzählen kennzeichnend, dass sich Produzent und Rezipient mental in einen fiktiven Vorstellungsraum begäben, in dem ein erzählwürdiges Ereignis, das für den Produzenten etwas Unerwartetes darstelle, im Erzählvorgang zusammen noch einmal erlebt würde. Aus linguistischer Perspektive beschreibt auch Ehlich das Erzählen als „eines der prominentesten Mittel, mit denen der Transfer von Erfahrung bewältigt werden kann“ (Ehlich 1980, S. 20). Als Beispiele für eine Erzählung ohne Handlung nennt Fludernik die Bühnenwerke Becketts und den modernen Bewusstseinsroman (vgl. Fludernik 2013, S. 73).

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1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung?

Fludernik selbst nicht behauptet, dass jede Darstellung von Erfahrung narrativ ist, sondern dass Erfahrungshaftigkeit das zentrale Merkmal narrativer Texte ist, bleibt fraglich, ob diese Umkehrung nicht zu weit wegführt von dem, was Fludernik thematisiert. 10 Auch Definitionen, die eine Folge kausal verknüpfter Ereignisse als hinreichendes Merkmal narrativer Texte betrachtet, hielte einer solchen Umkehrung nicht stand (s. Kapitel 1.2). Sowohl der natürlichkeitstheoretische Ansatz von Fludernik (1996) als auch andere theoretische Entwürfe der Erzähltheorie wie die Theorie der möglichen Welten 11 stellen nicht die Handlungsabfolge, sondern die Existenz von fiktiven Personen in einer fiktiven Welt in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ereignisse sind aus kognitionstheoretischer Perspektive ein charakteristischer Teil von fiktiven Welten, in denen die Figuren der Geschichte leben, handeln, denken und fühlen, denn das Handeln, Denken und Fühlen – und damit die Ereignisse – folgen implizit aus der Existenz einer menschlichen (bzw. menschenähnlichen) Figur (vgl. Fludernik 2013, S. 14). Zehn Jahre nach Erscheinen von „Towards a ‚Natural‘ Narratology“ definiert Fludernik eine Erzählung wie folgt: „Eine Erzählung […] ist eine Darstellung in einem sprachlichen und/oder visuellen Medium, in deren Zentrum eine oder mehrere Erzählfiguren anthropomorpher Prägung stehen, die in zeitlicher und räumlicher Hinsicht existenziell verankert sind und (zumeist) zielgerichtete Handlungen ausführen (Handlungs- oder Plotstruktur)“ (ebd., S. 15). Fluderniks Definition verdeutlicht, dass es in den meisten Erzählungen in der Geschichte auch aus ihrer Sicht um Ereignisketten geht, aber eben nicht vorrangig oder im Sinne einer Minimalbedingung, sondern als „Existenzbedingung einer menschlichen Figur“ (ebd., S. 14). Als Teil menschlicher Erfahrung figurierten Ereignisfolgen zwar deutlich in Erzählungen, das eigentlich Narrative lasse sich aber nicht auf den Bericht von Handlungsabfolgen beschränken (vgl. ebd., S. 73). Es bestehe vielmehr in der Vermittlung anthropozentrischer Erfahrung, „da nicht die Schilderung von Ereignissen, sondern das Überraschende, Aufregende, Schreckliche an ihnen das Thema der Erzählung ist (tellability) und die Bedeutung des Erzählten (point) die Bewältigung und Interpretation der Erfahrung darstellt“ (ebd.). Erzählwürdig ist ein Ereignis demnach nicht, weil es in einem Kausalzusammenhang mit anderen Ereignissen steht, sondern weil es eine Erfahrung vermittelt, die es lohnt zu erzählen. Erzählen erfordert also keine 10

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Ein weitaus größeres Hindernis stellt für die meisten Literaturwissenschaftler wohl dar, dass Fludernik den wissenschaftlichen historiographischen Diskurs aus der Gattung Narratives hinausnimmt – weil historiographische Texte in der Regel keine Bewusstseinsdarstellungen enthielten – und ihn zu den argumentativen Gattungen transferiert. Fluderniks Ansatz hat dennoch Potenzial, den literaturwissenschaftlichen Erzählbegriff zu prägen: „Ob ihre Konzeption die etablierten Merkmale ergänzen oder gar ablösen wird, bleibt abzuwarten“ (Aumüller 2012, S. 156). Zur Verknüpfung der possible world theory mit der Narratologie vgl. grundlegend Ryan 1991; 2001.

1.1 Vorgestellte Erfahrung

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objektive Darstellung von Ereignissen, sondern gerade der wertende oder empathische Ausdruck emotionaler Involviertheit ist es, der die Bedeutsamkeit bestimmter Erfahrungen vermittelt und das Erzählte erzählwürdig macht. Ebendieser Zugang zu emotionaler Involviertheit ermöglicht, sich Erfahrungen vorzustellen, als wären es die eigenen. Folgt man den Gedanken Fluderniks, ist die Darstellung von Ereignissen nicht an sich narrativ, sondern wird es erst, wenn wir uns die Welt der Figuren vorstellen und ihre Erfahrungen in der Vorstellung ‚miterleben‘ – Geschichten ermöglichen also vorgestellte Erfahrung. Unter den meisten Narratologen gilt Erfahrungshaftigkeit entweder als notwendiges oder als mögliches, nicht aber als hinreichendes Merkmal einer Erzählung. So bezeichnet z.B. Matías Martínez das Merkmal „Erfahrungshaftigkeit“ (wie auch die Merkmale „Ereignishaftigkeit“ und „tellability“) nur als mögliches (fakultatives) Kennzeichen von Erzähltexten, da es keine trennscharfe Abgrenzung des Erzählens im Sinne einer binären Entweder-oder-Unterscheidung gegenüber anderen Textsorten liefere, sondern vielmehr eine skalare oder graduelle Eigenschaft, die mehr oder weniger in einem Erzähltext vorhanden sein könne (vgl. Martínez 2011, S. 11). 12 Allerdings sei das Merkmal der Erfahrungshaftigkeit durchaus typisch für bestimmte Formen des literarischen und nicht-literarischen Erzählens (vgl. ebd.). Trotz seiner Kritik an der Gleichsetzung von Narrativität und Erfahrungshaftigkeit räumt Martínez ein, dass „die Repräsentation von subjektiver Erfahrung zweifellos ein wichtiger Grund dafür ist, weshalb wir uns überhaupt für Erzählliteratur interessieren: Im Lesen von fiktionalen Romanen und Erzählungen, aber auch von faktualen Reportagen und Biographien können wir vorübergehend am Leben anderer teilhaben und dadurch unsere Wirklichkeitserfahrung erweitern“ (ebd., S. 8). 13 In didaktischer Perspektive wohnt diesem Grund entscheidende Bedeutung inne. Darüber hinaus erscheint die Frage, ob bestimmte Kunstwerke narratives Potenzial haben, also Narration in der Vorstellung von Rezipienten erzeugen oder eröffnen können, in schreibdidaktischer Perspektive relevanter als die Frage, ob eine

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Bei Martínez‘ Versuch zu beschreiben, was Erzählen ist, bleibt nach der Diskussion zahlreicher Merkmale das „Was“ des Erzählens, die Geschichte, übrig, die er über das Merkmal der Ereignisfolge definiert: „Eine Geschichte besteht aus einer chronologisch geordneten Sequenz von konkreten Zuständen und/oder Ereignissen, die kausal miteinander vernetzt sind und tendenziell in Handlungsschemata gefasst werden können“ (Martínez 2011, S. 11). Allerdings rät Martínez deutlich davon ab, das Erzählen nur mit einer Minimaldefinition zu beschreiben. Das literarische Erzählen sei so vielgestaltig, dass es sich empfehle, ein möglichst breites Spektrum seiner Erscheinungsformen zu erfassen (vgl. ebd.). Fludernik unterscheidet nicht zwischen fiktionalen und nicht-fiktionalen Erzählungen. Sie kennzeichnet Erzählen als grundlegend ‚fiktional‘, weil es auf Bewusstsein(sdarstellung) basiert (vgl. Fludernik 1996; 2013, S. 73). Das aktuelle DFG-Graduiertenkolleg „Faktuales und fiktionales Erzählen“ erforscht „das Zusammenspiel von Faktualität und Fiktionalität in einer großen Spannbreite von Text(sort)en sowie (audio-)visuellen und materiellen Medienprodukten“ (Fludernik 2016, S. 4).

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1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung?

Darstellung im engeren Sinne als Narration gilt. 14 Erfahrungshaftigkeit als Darstellung von und Zugang zu vorgestellter Erfahrung – so die These dieser Arbeit – ist ein zentrales und fruchtbares, bisher schreibdidaktisch aber zu wenig beachtetes Element von Erzählungen. Während in der klassischen Erzähltheorie grundlegende Elemente und Prinzipien des Erzählens strukturell bestimmt werden, geht es in der kognitionswissenschaftlich ausgerichteten Narratologie um die Vorstellungen, die Rezipienten von und durch Erzählungen entwickeln: „Approaches to narrative study that fall under the heading of cognitive narratology share a focus on the mental states, capacities, and dispositions that provide grounds for – or, conversely, are grounded in – narrative experience“ (Herman 2014, S. 46). David Herman, als einer ihrer wichtigsten Vertreter, ist der Ansicht, dass bei der Rezeption von Geschichten „Storyworlds“ im Kopf der Rezipienten erzeugt werden. Erfahrungshaftigkeit – bzw. das Element „What it’s like“ – gilt ihm als eins von vier grundlegenden, also notwendigen, Elementen von Erzählungen.

1.2 Storyworlds „Science explains the atmospheric process that (all other things being equal) account for when precipitation will take the form of snow rather than rain; but it takes a story to convey what it was like to walk along a park trail in fresh-fallen snow as afternoon turned to evening in the late autumn of 2007“ (Herman 2009, S. 2). Mit diesem Vergleich veranschaulicht der Narratologe Herman grundlegende Elemente einer Erzählung. Im Zentrum steht die Erfahrung eines besonderen Ereignisses zu einem bestimmten Zeitpunkt. Herman definiert Geschichten als „[…] accounts of what happened to particular people 15 – and of what it was like for them to experience what happened – in particular circumstances and with specific consequences“ (ebd., S. 2). Erzählungen existieren für ihn nicht (nur) im Text, sondern vor allem im Kopf des 14

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Abgesehen davon, dass die Darstellung „undeutlich artikulierter Schreie des Horrors“ keine Erfahrung ist, um die es im Grundschulunterricht gehen sollte, hat sie – auch wenn sie für sich genommen keine Erzählung ist – narratives Potenzial, weil sie Gedanken anstößt, die nach Ursache und Lösung der prekären Situation suchen. Innerhalb einer Erzählung (oder z.B. als Bild von Edvard Munch etc.) kann eine solche Darstellung einen hohen Grad an Erfahrungshaftigkeit ermöglichen. Herman will den Begriff „people“ verstanden wissen als Kurzschrift für „embodied human or human-like individuals invested with felt, conscious awareness of the situations and events recounted in the narrative“ (Herman 2009, S. 195).

1.2 Storyworlds

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Rezipienten, in dessen Vorstellung eine „Storyworld“ entsteht (vgl. ebd., S. 8). 16 Herman beschreibt Storyworlds als mentale Modelle der erzählten Situationen und Ereignisse, die von Erzählungen (und anderen narrativen Artefakten) erzeugt werden: „Storyworlds can be defined as the worlds evoked by narratives […] storyworlds are mental models of the situations and events being recounted – of who did what to and with whom, when, where, why, and in what manner. Reciprocally, narrative artifacts (texts, films, etc.) provide blueprints for the creation and modification of such mentally configured storyworlds. Storytellers use the semiotic cues available in a given narrative medium to design these blueprints for creating and updating storyworlds“ (ebd., S. 105 ff.). Herman folgt einem weiten Erzählbegriff, der nicht nur gedruckte Texte, sondern auch Filme, Graphic Novels, Zeichensprache, Alltagskonversation und sogar Erzählungen umfasst, die zwar schon entworfen, aber noch nicht vergegenständlicht sind. 17 Vermutlich können alle Kunstwerke (auch Einzelbilder), die narratives Potenzial haben, eine Storyworld im Bewusstsein des Rezipienten erzeugen, da sie als Formen der Darstellung menschlicher Erfahrung Zugänge zu ebendieser eröffnen. Die Entwicklung einer Vorstellung der Geschichtenwelt, einer Storyworld, ist laut Herman zentral für die Rezeption. Die vorliegende Studie untersucht, inwiefern sie das auch für die Produktion ist. Herman charakterisiert vier grundlegende Elemente einer prototypischen Erzählung. Dabei können die einzelnen Elemente eine Erzählung mehr oder weniger kennzeichnen, fehlt jedoch eins der Elemente, handelt es sich bei der Darstellung eher nicht um eine Erzählung. Die Narrativität eines Textes lässt sich laut Herman also nicht absolut, sondern nur graduell bestimmen: „[W]hat constitutes a prototypical story is defined in a gradient, more-or-less way“ (ebd., S. 6). Das erste Element beschreibt die Bedeutung des Kontextes, in dem eine Geschichte erzählt wird: 1. Situatedness [Situiertheit]: „Narrative is a mode of representation that is situated in – must be interpreted in light of – a specific discourse context or occasion for telling“ (ebd., S. 37). Das Verständnis einer Erzählung ergibt sich nicht allein aus ihrer Darstellung, sondern ist auch immer abhängig von dem kommunikativen Kontext, in den sie eingebettet ist 16

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Herman bezieht sich hier auf Roland Barthes: „Barthes’s larger point here is that narrative is not (or rather not, not only) something in the text. To the contrary, stories are cognitive as well as textual in nature, structures of mind as well as constellations of verbal, cinematic, pictorial, or other signs produced and interpreted within particular communicative settings“ (Herman 2009, S. 8; Hervorhebung i.O.). Vgl. auch Ryan: „As a mental representation, story is not tied to any particular medium, and it is independent of the distinction between fiction and non-fiction“ (Ryan 2007, S. 26).

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1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung?

(vgl. ebd., S. 17). Einerseits rekonstruieren Interpreten eine Storyworld auf der Basis textueller Hinweise, andererseits müssen sie auch Rückschlüsse bezüglich der kommunikativen Ziele ziehen, aufgrund derer die Geschichte so und nicht anders erzählt wird (vgl. ebd., S. 37 f.). Ein Erzähler des Mythos um Dädalus und Ikarus verfolgte in der Antike ein anderes Ziel als Wolf Biermann, der 1978 Lieder, Balladen, Gedichte und Prosa unter dem Titel „Preußischer Ikarus“ veröffentlichte. Dichter, die sich auf die Episode des Sturzes konzentrieren (wie z.B. Theodor Fontane 1895 in seinem Gedicht „Ikarus“), präsentieren die Geschichte möglicherweise in höherem Maße als Beispiel für Ungehorsam und Hybris als Erzähler, die von beiden Stürzen erzählen, die Dädalus zu verantworten hat: dem des Schülers und dem des Sohnes. Wenn Schülerinnen und Schüler heute zu diesem Mythos erzählen, sind ihre kommunikativen Ziele (auch) im Kontext der heutigen Zeit – und dem der schulischen Aufgabe – zu betrachten. Das schriftliche Erzählen in der Schule ist immer eingebettet in den institutionellen Kontext, den sozialen Kontext der Lerngruppe und den Kontext, den die Aufgabenstellung erzeugt. Oft wird dieselbe Geschichte immer wieder auf unterschiedliche Art und Weise, aus unterschiedlichen Gründen und zu unterschiedlichen Zwecken erzählt. Den propositionalen Gehalt einer Geschichte unabhängig von dem Kontext, in den sie eingebettet ist, zu bestimmen, ist – laut Herman – zwar möglich, aber ebenso wenig sinnstiftend, wie sich auf den semantischen Gehalt eines Kompliments zu konzentrieren, ohne zu beachten, ob es ehrlich oder ironisch gemeint ist (vgl. Herman 2009, S. 74). Erzählen und Kontext beeinflussen sich gegenseitig: „[J]ust as storytelling shapes the discourse contexts in which it unfolds, those contexts are what give any story its point or reason for telling“ (ebd.). Herman diskutiert die Erforschung von „Narrative occasions“ im Rahmen unterschiedlicher Theorien in beiden Perspektiven. Indem er soziolinguistische, sozialpsychologische und narratologische Erkenntnisse nutzt, überträgt er Erkenntnisse, die sich auf soziale Interaktionen beziehen, auf das Erzählen und zeigt die Bedeutung der Situiertheit für mündliches und schriftliches Erzählen gleichermaßen (vgl. ebd., S. 37-74). Mit Bezug auf das Basismodell eines Kommunikationsprozesses, das die Komponenten „sender – message – receiver“ (Sender – Nachricht – Empfänger) umfasst, haben Narratologen ein analoges Modell entwickelt, das narrative Kommunikation mit den Komponenten „narrator – narrative message – narratee“ (Erzähler – Erzählung – Adressat) 18 beschreibt (vgl. ebd., S. 65). Das Kommunikationsmodell des Erzählens wurde

18

Der Begriff „narratee“ meint die vom Erzähler implizit oder explizit adressierten (fiktiven) Leser/Zuhörer/Zuschauer.

1.2 Storyworlds

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sowohl auf produktiver als auch auf rezeptiver Seite erweitert, um z.B. zwischen Erzähler und tatsächlichem Autor bzw. Leserfigur und tatsächlichem Leser zu unterscheiden. 19 Aspekte der Situiertheit sind z.B., -

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wie viele Autoren eine Erzählung hat: ob es sich – wie bei einem klassischen Roman – um einen Autor handelt oder um mehrere Autoren eines Films oder eines Bilderbuchs, die unterschiedliche Komponenten bearbeitet haben (z.B. auf der Bild- oder Textebene); wer als Erzähler „spricht“: ob es sich z.B. um eine homodiegetische Erzählung handelt (bei der der Erzähler gleichzeitig eine Figur der Handlung ist, wie z.B. Peter Parker in dem Comic „Spiderman“, dessen Erzählposition sogar eine autodiegetische ist) 20 oder um eine heterodiegetische Erzählung (bei der der Erzähler in der Handlung selbst nicht vorkommt, wie z.B. Astrid Lindgren in ihrer Erzählung „Pippi Langstrumpf“); die Erzählebene: ob eine Geschichte z.B. in eine Rahmenerzählung eingebettet ist oder eine Binnenerzählung darstellt; Prozeduren des Sprecherwechsels, die dazu beitragen, dass Äußerungen oder Texte als Erzählungen konstituiert werden: in mündlichen Erzählungen können dies Ankündigungen der Absicht, eine Geschichte erzählen zu wollen, sein; in schriftlichen Erzählungen können das sowohl paratextuelle Hinweise sein, wie die explizite Kennzeichnung eines Textes als Erzählung (z.B. „Der Räuber Hotzenplotz. Eine Kasperlgeschichte von Otfried Preußler“, Preußler 2012a), als auch textuelle Hinweise, wie z.B. Einleitungsformeln („Es war einmal…“), ein etischer Textbeginn, der Personen und Objekte der fiktionalen Welt nicht einführt, sondern als vorgegeben und bekannt voraussetzt (z.B. „Einmal saß Kasperls Großmutter auf der Bank vor ihrem Häuschen in der Sonne und mahlte Kaffee“, ebd., S. 7), oder die direkte Leseransprache, die auf Traditionen mündlicher Erzählungen zurückgreift (z.B. „Höre …“).

Auf der produktiven Seite des Erzählprozesses ist dieses Grundmodell erweitert worden um den dramatisierten Erzähler („dramatized narrator“ – gemeint ist eine Figur, die in Form einer Binnenerzählung zum Erzähler wird), den dramatisierten Autor („dramatized author“), den impliziten Autor („implied author“ – gemeint ist eine Art vermittelnde Instanz zwischen tatsächlichem Autor und Erzähler) und den tatsächlichen Autor („author“). Die Erweiterung des Modells umfasst auf rezeptiver Seite einen dramatisierten Adressaten („dramatized narratee“ – gemeint ist eine Figur, der in Form einer Binnenerzählung etwas erzählt wird), ein Publikum der Erzählung („narrative audience“ – gemeint ist ein Publikum, das sich in die Geschichte ziehen lässt und mit den Figuren fühlt), ein Publikum des Autors („authorial audience“ – gemeint ist ein Publikum, das sich der Fiktionalität bewusst ist und aus der Handlung Rückschlüsse zieht über die Normen und Werte, die der Storyworld zugrunde liegen) und ein tatsächlicher Leser (vgl. Herman 2009, S. 72). Die Autodiegese gilt als Sonderfall der Homodiegese: Der Erzähler ist nicht nur an der Handlung beteiligt, sondern er ist selbst die Hauptfigur (vgl. Genette [1972/1983] dt. 2010, S. 159).

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1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung?

All diese (und weitere) Aspekte beeinflussen maßgeblich die Konstruktion einer Storyworld in der Vorstellung von Rezipienten. 2. Event sequencing [Ereignisfolge]: „Narrative representations cue interpreters to draw inferences about a structured time-course of particularized events“ (Herman 2009, S. 75). Für Herman ist der Aspekt der Zeitlichkeit weder das einzige noch das wichtigste Element, das Erzählungen kennzeichnet, sondern eine Minimalbedingung: “At a minimum, stories concern temporal sequences – situations and events unfolding in time” (ebd., S. 1). Das bedeutet nicht, dass im Umkehrschluss gilt, was Labov/Waletzky im Rahmen ihrer Untersuchung mündlicher Erzählungen formulieren: „Jede beliebige Teilsatzfolge, die zumindest eine temporale Grenze enthält, ist eine Erzählung“ (Labov/Waletzky 1973, S. 105). Da es noch andere Textsorten gibt, für die eine zeitliche Abfolge konstitutiv ist (z.B. instruktive Texte wie Rezepte und Spielanleitungen), kann man nicht allein aus dem Vorkommen einer temporalen Grenze (mit oder ohne Zeitangabe) in einem Text darauf schließen, dass es sich um eine Erzählung handelt, es bedarf weiterer Elemente, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen (nach Herman insbesondere die Elemente „World making/world disruption“ und „What it’s like“). 21 Durch das Element „Event sequencing“ unterscheidet Herman insbesondere Beschreibungen, bei denen die Reihenfolge, in der etwas beschrieben wird, prinzipiell beliebig sein kann, 22 und Erklärungen, bei denen es nicht um die Darstellung bestimmter Ereignisse (particularized events) 23, sondern um Allgemeingültigkeit geht, von Texten, die einen hohen Grad an Narrativität aufweisen (vgl. Herman 2009, S. 18 f.). Die temporale Struk-

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Auch Labov/Waletzky betonen, dass eine Erzählung, die lediglich durch eine temporale Grenze gekennzeichnet ist, „abnorm ist: sie kann als leere bzw. zwecklose Erzählung aufgefasst werden“ (Labov/Waletzky 1973, S. 79). Sie unterscheiden daher zwei Funktionen des Erzählens, die referentielle und die evaluative (s. Kapitel 3.1). Der Umkehrschluss ist damit aber nicht entkräftet. Herman veranschaulicht dies an einem Beispiel: „[N]arrative’s temporal profile helps distinguish the prototypical narrative from many examples of description. I can in principle describe the objects on my desk in any order“ (Herman 2009, S. 18). Er räumt ein, dass es Beschreibungen gibt, in denen die temporale Struktur bedeutsam ist (z.B. in Rezepten, vgl. ebd., S. 198). Für Rezepte gilt aber nicht das Kriterium des Einzelfalls (particularity), da sie als Instruktionen allgemeine Gültigkeit und Wiederholbarkeit beanspruchen. Das Wort „particularized“ lässt sich nicht direkt ins Deutsche übersetzen. Herman erklärt die Bedeutung von „particularized events“ in Abgrenzung zur Darstellung allgemeingültiger Aussagen über die Welt: „Whereas stories are prototypically concerned with particular situations and events, it can be argued that explanations by their nature concern themselves with ways in which, in general, the world tends to be. Particularity is, however, a scalar, more-or-less notion, with context determining whether a text or a discourse counts as more or less particularistic“ (Herman 2009, S. 92). Demnach geht es in Erzählungen um bestimmte, einzelne, besondere Ereignisse.

1.2 Storyworlds

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tur einer Darstellung von Ereignissen in einer bestimmten Reihenfolge trägt laut Herman entscheidend dazu bei, dass Rezipienten die Vorstellung einer Storyworld entwickeln können: „… representations of particularized sequences of events – representations that likewise have a kind of temporal structure specific to narrative – are best viewed as cues used by interpreters to construct mental representations of narrated worlds, that is, storyworlds“ (ebd, S. 19). 3. Worldmaking/World disruption [Welterzeugung/Welt-Bruch]: „The events represented in narrative are such that they introduce some sort of disruption or disequilibrium into a storyworld involving human or human-like agents, whether that world is presented as actual or fictional, realistic or fantastic, remembered or dreamed, etc.“ (ebd., S. 105). Bei der Beschreibung der „world-disruption“ bezieht sich Herman sowohl auf Vladimir Propp, der Ereignisse, die eine Art Bruch in die Erzählung einführen, als Motor des Erzählens darstellt, und Tzvetan Todorov, der eine ‚Phase des Ungleichgewichts‘ in Erzählungen ausmacht, nach der das Gleichgewicht auf einer anderen Basis als am Anfang wiederhergestellt wird, als auch auf Jérôme Bruner, der die Erzählwürdigkeit an den Bruch mit einem „implicit canonical script“ knüpft (vgl. ebd., S. 133). Während in manchen Handlungsverläufen nur von einzelnen Rezipienten Brüche wahrgenommen werden, gelten Ereignisse, bei denen ein sozio-kulturell anerkanntes Handlungsschema durchbrochen wird, in einer ganzen Gemeinschaft als Bruch. Nicht zuletzt erfreuen sich deshalb Kriminalgeschichten einer hohen Beliebtheit. Wird in einer Geschichte erzählt, dass ein Kind arbeiten muss, stellt dieses Ereignis nur in (dargestellten) Gesellschaften oder sozialen Gruppen, in denen Kinder nicht arbeiten müssen, einen Bruch mit einem gewohnten Handlungsschema dar. Und wenn jemand erzählt, dass er am nächsten Tag zur Arbeit geht, ist möglicherweise nur für vertraute Gesprächspartner, die wissen, dass der Erzähler seit langer Zeit arbeitslos ist, ein Bruch erkennbar. Vor diesem Hintergrund geht es also weniger darum, wie Geschichten strukturiert sind, um sie erzählwürdig zu gestalten, sondern vielmehr um die Frage, was für wen unter welchen Umständen erzählwürdig ist (vgl. Baroni 2014, S. 840 mit Bezug auf Polanyi 1979, S. 207). Unter didaktischer Perspektive ist relevant zu bedenken, dass für Kinder ganz andere Aspekte einer Geschichte erzählwürdig sein können (bzw. als Bruch wahrgenommen werden) als für Erwachsene. 24 Und auch wenn Erwartungsbrüche dazu beitragen können, dass eine Geschichte erzählwürdig ist, besteht die 24

Bei einem Gespräch zu der Geschichte eines Mädchens zum Gemälde, in der der Name „Gargamel“ vorkam, wurde z.B. deutlich, dass die Geschichte den Kindern in hohem Maße erzählwürdig erschien, weil sie den Namen aus Geschichten kannten, in denen ein böser Zauberer „Gargamel“ heißt. Für die Kinder stellte der Umstand, dass eins der von dem Paar auf dem Schiff sehnsüchtig

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1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung?

Erzählwürdigkeit nicht immer in einer Abweichung von der Normalität, im Ungewöhnlichen: „The breaching of a canonical development tends to transform a mere incident into a tellable event, but the tellability of a story can also rely on purely contextual parameters (e.g. the newsworthiness of an event)“ (Baroni 2014, S. 836). Darüber hinaus kann die Erzählwürdigkeit eines Handlungsverlaufs, der den Erwartungen entspricht, weil der Protagonist sein Ziel erreicht, darin bestehen, dass die Vorstellung erzeugt wird, dass er erfolglos hätte sein können (vgl. ebd., S. 840 f. mit Bezug auf Ryan 1991). In diesem Fall geht es nicht um einen tatsächlichen Bruch, sondern einen virtuellen. Für Herman besteht ein Bruch darin, dass Erwartungen in Bezug auf den Handlungsverlauf innerhalb einer vorgestellten Welt verletzt werden: „[S]tories place an accent on unexpected or noncanonical events – events that disrupt the normal order of things for human or human-like agents engaged in goal-directed activities and projects within a given world, and that are experienced as such by those agents“ (Herman 2009, S. 133). Ob ein Ereignis als unerwartet oder ungewöhnlich gilt, hängt also davon ab, was in der Storyworld von den Figuren (im Verständnis des Lesers) als vorhersehbar oder normal bzw. unerwartet oder ungewöhnlich empfunden wird. Auch für Fludernik sind Ereignisse nicht um ihrer selbst willen erzählwürdig. Erzählwürdigkeit ergibt sich für sie aber nicht aus der Darstellung eines Bruchs, sondern aus der Bedeutsamkeit des Erzählten für den Erzähler, also aus der Darstellung von Erfahrung: „The events become tellable precisely because they have started to mean something to the narrator on an emotional level. It is this conjunction of experience reviewed, reorganized, and evaluated (‘point’) that constitutes narrativity“ (Fludernik 2003, S. 245). Das Erzählte kann demnach bedeutsam für den Erzähler sein, weil es um etwas Unerwartetes oder Ungewöhnliches geht, es kann aber auch aus anderen Gründen erzählwürdig erscheinen (z.B. aufgrund des Neuigkeitswerts, der Erleichterung oder Freude über einen reibungslosen Verlauf der Ereignisse, einer Gemeinschaft stiftenden Erinnerung etc.). Indem Fludernik die Darstellung eines Bruchs der Darstellung von Erfahrung unterordnet, weitet sie den Erzählbegriff. Ein solches Verständnis scheint aus didaktischer Perspektive der Vielfalt und dem Sinn des Erzählens gerecht zu werden und Heranwachsenden zu ermöglichen, zu thematisieren, was ihnen wichtig ist.

erwarteten Kinder Gargamel heißt, einen reizvollen Bruch dar, der den Erwachsenen aufgrund fehlender Kenntnisse von Geschichten zu den Schlümpfen nicht zugänglich war.

1.2 Storyworlds

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4. What it’s like [Wie es ist]: „Narrative representations convey the experience of living through storyworlds-in-flux, highlighting the pressure of events on real or imagined consciousnesses affected by the occurrences at issue. Thus – with one important proviso – it can be argued that narrative is centrally concerned with qualia, a term used by philosophers of mind to refer to the sense of ‘what it is like’ for someone or something to have a particular experience. The proviso is that recent research on narrative bears importantly on debates concerning the nature of consciousness itself“ (Herman 2009, S. 137; Hervorhebungen i. O.). Mit Bezug auf die Philosophie des Geistes zeigt Herman, dass Erzählungen mit „qualia“ zu tun haben, was etwas uns sehr Vertrautes bezeichnet, nämlich die Art und Weise, in der die Dinge uns erscheinen (vgl. ebd., S. 145). Mit dem vierten Element charakterisiert Herman Erzählungen als Darstellungsformen, die dafür geschaffen sind, Erfahrungen zu vermitteln: „Narrative […] is a mode of representation tailor-made for gauging the felt quality of lived experiences“ (ebd., S. 137 f.). Im Grunde bezeichnet das vierte Element das, was Fludernik mit dem Begriff „Erfahrungshaftigkeit“ beschreibt. Um zu vermeiden, dass die anderen drei Elemente – wie bei Fludernik – dem Kriterium der Erfahrungshaftigkeit untergeordnet werden, hat sich Herman für andere Begriffe entschieden (vgl. ebd., S. 211, Fußnote 2). Thematisiert wird, wie Geschichten die Auswirkungen von Ereignissen auf diejenigen, die Erfahrungen innerhalb einer Storyworld machen, hervorheben (vgl. ebd., S. 137). Je weniger dargestellt wird, „wie es ist“, bestimmte Ereignisse zu erleben, desto weiter entfernt sich ein Text davon, eine Erzählung zu sein (vgl. ebd., S. 138). Darstellungen, denen das Element „what it’s like“ gänzlich fehlt, sind laut Herman keine Erzählungen: „[T]he absence of the element of what it’s like from a text or a representation is tantamount to zero-degree narrativity – even if one or more of the elements of situatedness, event sequencing, and worldmaking/world diruption is in play“ (ebd., S. 142). Je weniger z.B. die Darstellung einer Ereignisfolge das Element „wie es ist“ enthält, desto eher handelt es sich um eine Form der Beschreibung. Umgekehrt ist aber eine Darstellungsform auch keine Erzählung, wenn das Element „what it’s like“ zwar enthalten ist, aber keine Ereignisfolge dargestellt wird (z.B. undeutliche Schreie des Horrors) (vgl. ebd., S. 143). Wie die drei anderen dargestellten Elemente betrachtet Herman auch das Element „what it’s like“ nicht als ein Kriterium, das einen Text eindeutig und zuverlässig – also hinreichend – als Erzählung kennzeichnet, aber als eins, das Erzählungen zu Erzählungen macht:

26

1 Was macht eine Erzählung zur Erzählung?

„[W]hat it’s like to experience storyworld events constitutes a critical property of but not a sufficient condition for narrative“ (ebd., S. 141).

2 Sprachformen als narrative Muster Oh nein! Der Schüler konnte es viel besser als er selber (Heike S27d). Für die Untersuchung narrativer Muster in schriftlichen Erzählungen ist von Interesse, wie „linguistisch beschreibbare Elemente auf der Text-/Diskursebene dazu beitragen, Leserreaktionen zu steuern bzw. die fiktionale Welt überhaupt erst zu entwerfen“ (Fludernik 2013, S. 51). Fludernik betont, dass die Vorstellung solcher Welten ohne die Fantasie des Lesers nicht möglich sei, denn „der Leser füllt im Leseakt die Unbestimmtheitsstellen oft durch konkrete Bilder und Vorstellungen aus, auch wenn manches vage und unbestimmt bleibt“ (ebd.). Während des Leseprozesses werden diese Vorstellungen entweder bestätigt und verfestigen sich oder sie müssen modifiziert und konkretisiert werden: „Ein sprachlicher Text lässt also sehr viel Freiraum für die Vorstellung, zügelt diese aber auch immer durch textliche Konkretisierung“ (ebd., S. 51 f.). Wenn es beim Erzählen im Kern um die Vermittlung von (vorgestellter) Erfahrung geht, stellt sich die Frage, wie Sprache dazu beitragen kann, Vorstellungen darüber zu erzeugen, wie es ist, eine bestimmte Erfahrung zu machen. Eine Folge von Ereignissen allein kann keine Erfahrung vermitteln – dazu braucht es ein Bewusstsein, das Erfahrungen macht. Erzähltheoretische Ansätze, die ein erfahrendes Subjekt als notwendige Bedingung für eine Erzählung voraussetzen, gehen davon aus, dass Ereignisfolgen deshalb deutlich in Erzählungen figurieren, weil sie Teil menschlicher Erfahrung sind, und nicht, weil sie die Erzählung konstituieren (vgl. ebd., S. 73). In der Sage von Dädalus und Ikarus z.B. geht es demnach nicht vordergründig darum zu schildern, dass Dädalus Bildhauer war, einen Schüler hatte und diesen getötet hat, sondern um die Vermittlung der Erfahrung, wie es ist, als berühmter Meister einen Schüler zu haben, der einen überflügelt. Wie Dädalus diese Erfahrung bewältigt und warum er das auf diese Weise tut, stellt die Bedeutung des Erzählten dar. Literatur zeichnet sich dabei durch ein weites Erfahrungs- und Deutungspotenzial aus, Divergenz und Mehrdeutigkeit eröffnen Spielräume für unterschiedliche Erfahrungen. Der Literaturwissenschaftler Robert Vellusig betont, dass Erzählen verzichtbar wäre, wenn es nur darum ginge, zu informieren oder Wissen zu vermitteln. Beim Erzählen gehe es vielmehr um „die poetische Vergegenwärtigung eines Ereigniszusammenhangs“ (Vellusig 2009, S. 301): „Immer dann aber, wenn das Erzählen elementare ästhetische Qualitäten gewinnt […], informieren wir nicht darüber, wo wann was mit wem geschehen ist, sondern teilen mit, wie wir das, was uns widerfahren ist, erlebt haben. […] Dann

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_3

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2 Sprachformen als narrative Muster

aber und nur dann, wenn wir mitteilen wollen, welche Erlebnisqualitäten die vergangenen Ereignisse für uns besaßen, kommen wir ohne das Erzählen nicht aus“ (ebd., S. 290). Eine (menschliche) Figur bedingt, indem sie lebt, eine Ereignisfolge; ihr Handeln, Denken und Fühlen folgt implizit aus ihrer Existenz (vgl. Fludernik 2013, S. 14). Die Darstellung von Erfahrung impliziert also die Darstellung von Ereignisfolgen. Die Auswahl bestimmter Ereignisse aus dem „Ereignisstrom“, der einer menschlichen Existenz entspringt, ergibt sich beim Erzählen aus der Erfahrung, die ein Erzähler vermitteln möchte, nicht umgekehrt. Dieser Zusammenhang wird auch als Formungsprozess beschrieben: „I will define narrative as the sequential and retrospective representation of experience as an interpreted/evaluated series of events (i.e. the experiential sequence has been interpreted and evaluated and thereby forged into a sequence of events)“ (García Landa 2008, S. 422). Erfahrung lässt sich durch narrative Texte nicht unmittelbar erzeugen, sondern nur durch die Darstellung von Ereignissen, in denen Figuren Erfahrungen machen: „[C]haracters‘ consciousness and experience cannot be represented as such by narrative texts; what we commonly call ‘the representation of an experience’ is the representation of an event in which a person (e.g. a fictional character) undergoes an experience“ (Caracciolo 2014b, S. 30). Fludernik geht – wie auch Herman – davon aus, „dass Sprache in Erzählungen mögliche Welten produziert, indem Sätze über Wörter (Lexeme) Charaktere, Schauplätze, Geschehen und zeitliche Determinierung [Bestimmung, Zuordnung] sowie Abfolge projizieren“ (Fludernik 2013, S. 51; vgl. auch Herman 2009, S. 105 ff.). 25 Über Figuren, die in fiktiven Welten – an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten durch das, was in einer bestimmten Abfolge (durch ihr zumeist zielgerichtetes Handeln) geschieht, – Erfahrungen machen, die wiederum so dargestellt werden, dass eine Vorstellung darüber entstehen kann, wie es ist, diese Erfahrungen zu machen, vermögen Erzählungen Erfahrungen zu vermitteln. Bei der Bestimmung narrativer Muster geht es demnach sowohl um Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung erzeugen (können), als auch um Sprachformen, die die Vorstellung einer Ereignisfolge in einer fiktiven Welt erzeugen (können). Zu bieten hat Sprache beides:

25

Für Herman ist das Abbilden von Worten auf Welten eine fundamentale Voraussetzung für narrative Sinnbildung: „Mapping words (or other semiotic cues) onto worlds is a fundamental – perhaps the fundamental – requirement for narrative sense-making […] narrative artifacts (texts, films, etc.) provide blueprints for the creation and modification of such mentally configured storyworlds” (Herman 2009, S. 105 ff.; Hervorhebung i.O.).

2.1 Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

29

„Language has both representational and expressive properties: it provides instructions to imagine some object-like entities (events and existents) and at the same time it invites readers to respond to these entities in certain ways, thereby creating the story driven experience“ (Caracciolo 2014 b, S. 31; Hervorhebung i.O.). Auch Sprachformen, die eine Erzählung situieren, und Sprachformen, die einen Bruch darstellen, werden als narrative Muster verstanden. Da sie aber in höherem Maße kontextabhängig sind und die Darstellung eines Bruchs der Darstellung von Erfahrung untergeordnet wird, konzentriert sich die Untersuchung auf Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen.

2.1 Sprachformen für vorgestellte Erfahrung Plötzlich überrollte Ikarus der Übermut und wollte höher und höher (Niko S17d). Über den Zusammenhang zwischen spezifischen Merkmalen des Textes und dem, was für Rezipienten erfahrbar wird, ist bisher wenig bekannt, sodass der Narratologe Marco Caracciolo fordert: „[F]uture research should concentrate on how specific textual cues can modulate recipients‘ experience of narrative“ (Caracciolo 2014a, S. 155). Zentrale Fragen betreffen aus seiner Sicht die Rolle, die Empathie spielt als Brücke zwischen den Erfahrungen der Figuren und den Erfahrungen, die Rezipienten von Geschichten machen, und wie Narration Stimmungen und andere existentielle Gefühle erzeugen kann. Damit spricht er den Zusammenhang zwischen Darstellung und Vorstellung an: „What is the role of mental imagery in the reading experience, and to what extent does it depend on textual cues?“ (ebd., S. 156). Caracciolo selbst ist der Ansicht, dass Sprache Erfahrung vermitteln kann, indem sie sich das zu Nutze macht, was er „den erfahrungshaften Hintergrund“ des Lesers nennt: „Stories can express experience via the tension between recipients’ experiential background and the expressive devices […]: using a variety of devices, from evaluative statements to stylistic choices, story producers can invite recipients to respond experientiality to the text“ (Caracciolo 2014b, S. 202). Caracciolo beschreibt das Phänomen der erfahrungshaften Reaktion auf Erzählungen als simulativen Prozess: Indem Leser ihre kognitiven Ressourcen in einem „off-line“Modus nutzen, können sie sich das Erzählte so vorstellen, als ob es wirklich ist (vgl.

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2 Sprachformen als narrative Muster

ebd., S. 32). Er veranschaulicht diesen Prozess an einem Beispiel: Wenn wir sehen, wie jemandem ein schwerer Gegenstand auf den Fuß fällt, ist es nicht unüblich, dass wir so etwas Ähnliches wie Schmerz erfahren, manchmal zeigen wir sogar Reaktionen von Schmerz (z.B. reißen wir den Mund auf). Solche Reaktionen sind ein Zeichen dafür, dass wir den Schmerz der anderen Person in der Vorstellung erfahren. Aber dasselbe kann uns passieren, wenn jemand beschreibt, wie ihm ein schwerer Gegenstand auf den Fuß gefallen ist (vgl. ebd., S. 37). Caracciolo ist der Ansicht, dass nicht die Worte selbst die vorgestellte Erfahrung bestimmen, sondern die Art und Weise, wie die Worte die Vertrautheit des Zuhörers mit Schmerz wirksam werden lassen (vgl. ebd.). „Expression is therefore a double-sided concept: it ties together the subject’s experience (which is expressed) with the experiential background of other subjects (who interpret an utterance as an expression)“ (ebd., S. 37). Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass Rezipienten von Erzählungen – also auch Schülerinnen und Schüler – mit ganz unterschiedlichen Erfahrungshintergründen unterschiedliche und mehr oder weniger intensive Vorstellungen von Erfahrungen entwickeln. Formen der Darstellung, die Leser besonders dazu einladen, sich Erfahrungen vorzustellen, indem sie sich deren erfahrungshaften Hintergrund zu Nutze machen, nennt Caracciolo „expressive devices“. Er beschreibt unterschiedliche „expressive devices“, die entweder auf der Ebene der Geschichte („story level“) oder auf der Ebene der Erzählung („discourse level“) wirksam werden können (vgl. ebd., S. 42 ff.): 1. Bestimmte Inhalte der Geschichte („story level“): Manches von dem, was dargestellt wird, erzeugt eher erfahrungshafte Reaktionen als anderes, weil es aufgrund evolutionärer, kultureller oder persönlicher Veranlagungen, emotionale Reaktionen hervorruft (wie z.B. eine Geschichte über ein Tier, das an einer infizierten Wunde stirbt, bei den meisten Lesern vermutlich ein Gefühl von Ekel hervorruft, die Geschichte, wie jemand vom Tellerwäscher zum Millionär wird, einen kulturell bedeutsamen „masterplot“ vieler westlicher Erzählungen darstellt oder bestimmte Situationen eine stärkere Wirkung auf Menschen haben, weil sie sie aus eigener Erfahrung kennen, insbesondere wenn es Situationen sind, die ihr Selbstkonzept beeinflusst haben). Diese Ebene betrifft also die Inhalte und Themen der Geschichte. Existentielle Themen und Emotionen (wie z.B. Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Neugier, Scham, Schuld, Traurigkeit und Überraschung) scheinen in besonderem Maße vorgestellte Erfahrung zu erzeugen (z.B. König Triton schrie voller Angst: „Athena! Athena!“, Anoush F70m). 2. Explizite Wertungen des Erzählers („discourse level“): Die Funktion evaluativer Sprachformen besteht nach Labov (1972) darin, dem Zuhörer die Erzählwürdigkeit des Erzählten zu vermitteln, um einer „So what?“-Reaktion vorzubeugen (s. Kapitel 3.1). Das erfahrungshafte Potenzial wertender Sprachformen liegt laut

2.1 Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

31

Caracciolo darin, dass wertende Sprachformen, die die Einstellung des Erzählers gegenüber dem Erzählten anzeigen, Rezipienten ermutigen, Stellung zu beziehen, ob sie diese Wertung teilen oder nicht (z.B. Und sie hatten ein Haus  zum Glück, Merik G83m). 3. Stilistische Aspekte wie Hervorhebung oder „mind style“ 26 („discourse level“): Auch bestimmte „stylistical choices“ können bei Lesern vorgestellte Erfahrung erzeugen. Caracciolo bezieht sich auf psycholinguistische Studien, die gezeigt haben, dass stilistische Hervorhebungen in Erzählungen die Reaktionen von Lesern signifikant beeinflussen (vgl. Miall/Kuiken 1994). Am Beispiel der Metapher zeigt er, wie Sprachformen Lesern sogar eine Vorstellung von Erfahrungen eröffnen können, die sie selbst noch nie gemacht haben. Metaphern machen sich den erfahrungshaften Hintergrund des Lesers zu Nutze, indem sie eine dem Leser unbekannte Erfahrung in ihm vertrauten Begriffen ausdrücken. So wird z.B. durch die Metapher „bittere Tränen“ (Dädalus weinte bittere Tränen, Djannah S54m) die Erfahrung schmerzlicher Trauer vorstellbar, ohne dass man selbst schon einen derartigen Verlust erlitten haben muss, weil man als Leser auf seine Erfahrungen mit Bitterkeit in Form eines (sehr) unangenehmen Geschmacks zurückgreifen kann. In ähnlicher Art und Weise kann eine Formulierung ermöglichen, sich Zwänge vorzustellen, die die Herkunft mit sich bringt, ohne dass man selbst solchen Zwängen unterworfen ist, weil man z.B. auf die Erfahrung zurückgreifen kann, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die eine Krone besitzen (Ihr Vater, der König, sagte aber immer, wenn man eine Prinzessin ist, muss man jemanden heiraten, der `ne Krone hat, Amanda G66d). Ohne sich auf diese zu beschränken, scheinen Sprachformen der Hervorhebung insbesondere in literarischen Erzählungen eine zentrale Rolle für die Vermittlung von Erfahrung zu spielen. Dieser Aspekt wird weiter unten vertieft. 4. Narrative Struktur („discourse level“): Auch die narrative Struktur kann als „expressive device“ fungieren. Das, was Sternberg (1992) „narrative universals“ nennt – Spannung, Neugier und Überraschung – ist ein Beispiel dafür, wie durch die strukturelle Dynamik, die durch das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit entsteht, emotionale Leserreaktionen hervorgerufen werden können. Während Spannung entsteht, wenn ungewiss ist, was in der Zukunft passieren wird (z.B. … nun war der spannende Moment, würde er es schaffen?, Noema S32d), beziehen sich Neugier und Überraschung auf vergangene Ereignisse, die noch nicht erzählt wurden. Neugier entsteht, wenn man als Leser erfährt, dass 26

Mit dem Begriff Mentalstil („mind-style“) ist gemeint, „dass Figuren durch spezifische lexikalische und syntaktische Besonderheiten eine eigene ‚Denkweise‘ suggerieren, die in der Darstellung ihres Bewusstseins im Text zutage tritt“ (Fludernik 2013, S. 100).

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2 Sprachformen als narrative Muster

man etwas Bedeutsames noch nicht weiß (z.B. Der Mann hatte ihr etwas versprochen, aber erst am Abend, Maria G81m), und Überraschung, wenn man etwas Bedeutsames im Nachhinein erfährt (z.B. „Ich glaube, ich weiß, woher das Gerumpel kommt. Nicht weit von hier wohnt doch das Nashorn, das macht manchmal Spießübungen.“ Und so wusste Simba endlich, woher das Rumpeln kommt, Helle F37d). Wenn man auch den Anteil, den der Text an sich an der Vorstellungsbildung hat, nicht kennt und davon ausgehen kann, dass Vorstellungsbildung grundsätzlich individuell und kulturell geprägt ist, so scheint es also (neben Inhalten, die Rezipienten Erfahrungen ermöglichen) Sprachformen zu geben, die die Vorstellungsbildung mehr anregen als andere. Indem sie etwas hervorheben oder die Bedeutungsebene erweitern, ziehen sie potenziell Aufmerksamkeit auf sich. Literarische Texte sind dadurch gekennzeichnet, dass die Wörter des Textes über ihre bloß lexikalische Bedeutung hinaus eine Beziehung untereinander eingehen, aus denen sich sprachliche Muster bilden können, wie z.B. Formen des Reims, der Wiederholung oder Metaphorik. So geht der Ausdruck Dädalus weinte und weinte (Eda-Nur S39m) über die Bedeutung zweimaligen Weinens hinaus. Diese „ästhetische Funktion der Sprache“ (Mukařovský [1948] dt. 1967), die die Komposition der Sprachzeichen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, so „dass die Aufmerksamkeit des Zuhörers […] zum sprachlichen Zeichen selbst, zu seinen Eigenschaften und seiner Zusammensetzung, kurz seinem inneren Aufbau hingezogen wird“ (ebd., S. 105) 27, eröffnet einen Spielraum für die Vorstellungsbildung und die innere Beteiligung des Lesers an der Erzählung. 28

27

28

Mukařovský betont die Bedeutung des Kontextes für die ästhetische Wahrnehmung: „Aber die aktive Qualifikation zur ästhetischen Funktion ist keine reale Eigenschaft des Gegenstandes, selbst wenn er absichtlich auf die ästhetische Funktion hinzielt, sondern sie tritt nur unter bestimmten Umständen, nämlich in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext zutage: eine Erscheinung , die zu einer bestimmten Zeit oder einem bestimmten Land eine privilegierte Trägerin einer ästhetischen Funktion war, kann zu einem anderen Zeit oder in einem anderen Land für diese Funktion ungeeignet sein“ (Mukařovský [1948] dt. 1967, S. 13 f.). Auch die subjektive Bewertung der Erscheinungen spielt dabei eine Rolle: „[W]ir wissen aus der persönlichen Erfahrung, daß die Grenze zwischen dem ästhetischen und dem außerästhetischen Bereich, die abhängig ist von dem Maß des ästhetischen Wahrnehmungsvermögens, sich für jeden von uns mit dem Wandel des Lebensalters, des Gesundheitszustandes oder gar nach der augenblicklichen Stimmung verschiebt“ (ebd., S. 14). Das Phänomen der poetischen bzw. künstlerischen Wahrnehmung stellte den theoretischen Ausgangspunkt des russischen Formalismus dar: „Und gerade, um das Empfinden des Lebens wiederherzustellen, um die Dinge zu fühlen, um den Stein steinern zu machen, existiert das, was man Kunst nennt. Ziel der Kunst ist es, ein Empfinden des Gegenstandes zu vermitteln, als Sehen, und nicht als Wiedererkennen; das Verfahren der Kunst ist das Verfahren der ‚Verfremdung‘ der Dinge und das Verfahren der erschwerten Form, ein Verfahren, das die Schwierigkeit und die Länge der Wahrnehmung steigert, denn der Wahrnehmungsprozeß ist in der Kunst Selbstzweck und muß verlängert werden“ (Šklovskij [1916] dt. 1981, S. 15).

2.1 Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

33

Der Linguist Roman Jakobson betrachtet die Poetik als einen Teil der Linguistik (vgl. Jakobson [1960] dt. 2007, S. 157). Er erweitert das Bühlersche Modell, das drei Funktionen der Sprache beschreibt (Ausdruck – Appell – Darstellung), um drei weitere Funktionen (die poetische, die phatische und die metasprachliche). Die poetische Funktion der Sprache ist die „Einstellung, auf die Botschaft als solche, die auf die Botschaft um ihrer selbst willen zentriert ist“ (ebd., S. 168; Hervorhebung i. O.). Wie die poetische Funktion die „Greifbarkeit die Zeichen verstärkt“ (ebd.), verdeutlicht Jakobson an Beispielen wie der Formulierung „the horrible Harry“, die über das „poetische Verfahren der Paronomasie“ (vgl. ebd.), d.h. über die Kombination klangähnlicher Wörter, den Ausdruck von Ablehnung verstärkt. Das unabdingbare Merkmal eines dichterischen Werks liegt für Jakobson in der Gleichwertigkeit, die durch die Kombination von Wörtern erzeugt wird: „Die poetische Funktion bildet das Prinzip der Äquivalenz von der Achse der Selektion auf die Achse der Kombination ab“ (ebd., S. 170). Während auf der Ebene der Selektion statt „Harry“ auch „the boy“ oder „my neighbour“ und statt „horrible“ auch „dreadful“ oder „terrible“ ausgewählt werden könnten, stellt die Kombination von „horrible“ und „Harry“ über den ähnlichen Klang eine Äquivalenz her. In ähnlicher Art und Weise steigern mehrere Drittklässlerinnen und klässler den Ausdruck von Kunstfertigkeit, indem sie Dädalus als „berühmten Baumeister“ beschreiben und nicht als „berühmten Mann“ oder „geschickten Baumeister“. Jacobsons Poetik bezieht sich im Kern auf die Analyse von Versen. Sie befasst sich aber auch außerhalb der Dichtung, wenn eine andere Funktion der poetischen übergeordnet ist, mit der poetischen Funktion (vgl. ebd., S. 173). Wenn die poetische Funktion in der Narration die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Botschaft (die weder bloß den Inhalt noch die Form meint, sondern beides; vgl. ebd., S. 168, Fußnote 46) um ihrer selbst willen richtet, könnte sie als (formale) Hervorhebung (inhaltliche) Erfahrungshaftigkeit ermöglichen. Der Literaturwissenschaftler Johannes Anderegg nennt den alltäglichen Sprachgebrauch, bei dem wir die Sprache gebrauchen, „ohne uns auf sie zu besinnen“ (Anderegg 1985, S. 36), bei dem Sprache „ein Instrument zur Bezeichnung von Gegebenem“ (ebd., S. 43) ist, den „instrumentellen Sprachgebrauch“ (ebd., S. 36 ff.). 29 Demgegenüber stellt er den „medialen Sprachgebrauch“, bei dem die Mitteilungsfunktion in den Hintergrund tritt und eine Sinnbildung herausgefordert wird, die nicht auf den alltäglichen und gewohnten Bedeutungszusammenhang der Wörter zurückgreifen kann: 29

Anderegg weist daraufhin, dass die Alltagssprache ein Beispiel für instrumentelle Sprachverwendung ist. Letztere finde sich auch in anderen, nicht alltagsprachlichen Bereichen, etwa dem der Wissenschaft (vgl. Anderegg 1985, S. 43).

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2 Sprachformen als narrative Muster

„Wenn der instrumentelle Sprachgebrauch bezeichnend und bezugnehmend die Gegebenheit dessen setzt, wovon er spricht, so läßt der Sprachgebrauch, der uns zur Sinnbildung anhält und der uns Sinnbildung ermöglicht, der mediale Sprachgebrauch also, das, worum es geht, als etwas erfahren, das in erprobendem Begreifen und Konstituieren prozeßhaft gebildet werden muß“ (ebd., S. 51; Hervorhebung i.O.). Auffällig an dieser Formulierung Andereggs ist die Nähe zur Erfahrungshaftigkeit: Wir erfahren das, worum es geht, durch den Prozess der erprobenden Sinnbildung. Indem unsere Vorstellungsbildung in besonderem Maße herausgefordert ist, wird etwas für uns erfahrbar – wenn wir uns auf den Prozess der Sinnbildung einlassen (können): „Konstitutiv für den medialen Sprachgebrauch ist sein spezifischer Zeichencharakter, der sich erst im Prozeß der Sinnbildung erweist und den deshalb nur derjenige identifizieren kann, der sich auf die Zeichen- und Sinnbildung einläßt“ (ebd., S. 58). 30 Der mediale Sprachgebrauch ermöglicht also, mehr und anderes zu meinen als zu sagen. Diese Differenz macht das Sinnbilden möglich, „denn Sinnbildung heißt: Auseinandersetzung mit der medialen Differenz“ (ebd., S. 66). Dabei beziehen sich instrumenteller und medialer Sprachgebrauch nicht etwa auf unterschiedliche, sondern auf dieselben sprachlichen Zeichen, nämlich auf die, die uns zur Verfügung stehen. Anderegg beschreibt den medialen Sprachgebrauch als einen Prozess der Verwandlung: „Insofern die medialen Zeichen aus jenen Zeichen gebildet werden, die uns durch den instrumentellen Umgang mit der Sprache vertraut sind, kann man von einer Verwandlung von der Instrumentalität in die Medialität sprechen“ (ebd., S. 57; Hervorhebung i.O.) Der mediale Sprachgebrauch ist besonders kennzeichnend für lyrische Texte, aber er ist nicht auf diese Gattung beschränkt, da Literatur im allgemeinen Sinnbildung und ästhetische Erfahrung ermöglicht (ebd., S. 142, Fußnote). Grundsätzlich ist diese Form des Sprachgebrauchs immer möglich, wenngleich es Textsorten gibt, die Medialität zu vermeiden suchen, wie z.B. ein Gesetzestext. 31 Der Literaturwissenschaftler Wolfgang Iser beschreibt diese Form des Sprachgebrauchs in literarischen Texten als Figuration. Indem literarische Texte „von etwas handeln, das nicht unmittelbar gegeben ist, sondern hervorgebracht werden muss“ (Iser 30

31

„Der mediale Sprachgebrauch ist medial nur für denjenigen, der sich auf den Prozess der Zeichenund Sinnbildung einläßt, die Fiktion ist nur dort Fiktion, wo sie als Fiktion inszeniert wird, und Ästhetisches ist nur dem ästhetisch, der selbst die Verwandlung vollzieht und der die Erfahrung des ästhetischen Dazwischen auszuhalten bereit ist“ (Anderegg 1985, S. 135). Allerdings nutzt auch die Rechtssprache Metaphern, wie z.B. „die Verletzung des Grundrechts“, die über einen instrumentellen Gebrauch der Sprache hinausgehen (vgl. z.B. Kleinhietpaß 2005).

2.1 Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

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1993, S. 430) – in der Vorstellung – sind sie durch sich selbst bestimmt, während das Pragmatische „nicht durch sich selbst bestimmt ist“ (ebd., S. 11). So bezieht sich ein pragmatischer Text wie z.B. ein Rezept als konkrete Handlungsanweisung auf die außersprachliche Wirklichkeit, während ein literarischer Text Realität nicht abbildet, sondern eine Textwelt – die Herman in rezeptiver Perspektive als Storyworld bezeichnet – schafft. Die Kombination von Textelementen, bei der die „lexikalische Bedeutung abgeblendet [wird], um eine indexikalische aufblenden zu können“ (ebd., S. 28), verwandelt in einem literarischen Text laut Iser die „Funktion des Bezeichnens in eine solche des Figurierens“ (ebd., S. 33). Der figurative Sprachgebrauch, in dem „der denotative Charakter der Sprache stillgelegt ist“ (ebd.), scheint Zugang zu vorgestellter Erfahrung zu eröffnen: „Wenn eine solche Sprache nicht mehr bezeichnet, dann eröffnet sie durch ihre Figuration die Vorstellbarkeit dessen, worauf sie hinzielt“ (ebd., S. 34). Über einen solchen Sprachgebrauch ist es möglich, das Imaginäre im Medium des Fiktiven zu gestalten, auch wenn ein Imaginäres 32 „niemals ganz in Sprache eingehen können“ (ebd.) wird: „[D]as Fiktive als Konkretisierung des Imaginären [bedarf] der Bestimmtheit sprachlicher Formulierung […], um das, was es vorzustellen gilt, so zu modalisieren, daß es wirksam zu werden vermag“ (ebd., S. 34). In welcher Gestalt aber treten solche Figurationen in Erzählungen auf, woran kann man sie erkennen und wie lassen sie sich beschreiben? Martínez zeigt das Potenzial von Erzählungen, subjektive Erfahrung von Wirklichkeit darzustellen, an einem Beispiel, indem er verschiedene „Stilmittel“ analysiert, die den Erlebnischarakter einer Erzählung (eine Passage aus David Peaces biographischem Roman The Damned Utd) verstärken (vgl. Martínez 2011, S. 8): -

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Wiederholungen, die Kälte und Unwirtlichkeit betonen; Lautmalerei, die ein tragisches Ereignis hervorhebt; das Tempus Präsens, das die Evokation des Geschehens in der Wahrnehmung des Lesers intensiviert; kurze, syntaktisch unvollständige Sätze, die den Text als Bewusstseinsprotokoll inszenieren und den Leser in den Wahrnehmungsstandpunkt des erlebenden Subjekts versetzen;

Iser bezeichnet das Imaginäre als „Energie“, als „Konstituens“ literarischer Prozesse und zugleich als „menschliche Disposition“, die auf Gestaltung drängt (vgl. Iser 1993, S. 15). Literatur – so Iser – ist gekennzeichnet durch den organisierten Verbund von Fiktivem und Imaginärem, die füreinander zu Kontexten werden (vgl. ebd.).

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2 Sprachformen als narrative Muster

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ein Gedankenstrich als Abbild einer vorübergehenden Ohnmacht des Protagonisten.

Gemein ist diesen „Stilmitteln“, dass sie etwas hervorheben, indem sie abweichen von einer gewöhnlichen Darstellung der Ereignisse. Sprachformen, die in ihrer Funktion von Mukařovský als ästhetisch, von Jakobson als poetisch, von Anderegg als medial und von Iser als solche des Figurierens zu fassen gesucht werden, beschreibt die Systematische Rhetorik als Figuren, die eine „deviante Spracheinheit“ darstellen (vgl. Plett 2000, S. 20). Mit sprachlichen Abweichungen von der primärsprachlichen Norm werden Figuren generiert, deren Ästhetik sich auf den Selbstverweisungscharakter der Sprache gründet. Heinrich Plett weist darauf hin, dass die „elokutionelle Kompetenz“ sich keinesfalls mit der „poetischen Kompetenz“ deckt, sondern „innerhalb der poetischen Kompetenz nur als eine von verschiedenen miteinander rivalisierenden Teilkompetenzen“ auftritt (ebd., S. 41). Dennoch bieten gerade die rhetorischen Figuren die Möglichkeit, eine Erfahrung hervorzuheben auf eine Art und Weise, die die Vorstellung weitet, weil sie als Abweichungen Aufmerksamkeit erregen und Deutungsprozesse anstoßen. Rhetorische Figuren, die in literarischen Texten zu finden und – das zeigt die Wirksamkeit der Werbetexte – im unbewussten Wissen der Sprachteilnehmer durchaus lebendig sind, haben eine hohe Bedeutsamkeit (vgl. Betten/Fix/Wanning 2015, S. 461 f.): „Wenn sie auch nicht mehr – wie z.B. in den Gedichten des Barock – das vorherrschende Textgestaltungsmittel bilden, sind doch grammatische Figuren wie Wiederholung, Parallelismus, Klimax, Antithese oft gebrauchte Elemente der Textstrukturierung und dienen Tropen wie Metapher, Metonymie, Synekdoche der Lenkung von Aufmerksamkeit, evozieren Anschauung, wecken Vorstellungskraft und provozieren die Verfremdung des Blickes auf die Welt“ (ebd.). Auch wertende Sprachformen des Erzählers und das Erzeugen von Spannung, Neugier und Überraschung lassen sich als Formen der Hervorhebung betrachten: Explizite Wertungen des in der Geschichte Dargestellten stellen insofern Hervorhebungen dar, als sie nicht in die Zeit der erzählten Geschichte eingebunden sind. Das Erzähltempo wird bei einer expliziten Wertung bis zu einem Extremwert verringert, „die Geschichte und damit die erzählte Zeit steht in diesem Fall still“ (Martínez/Scheffel 2012, S. 46). Eine explizite Wertung lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf das, was bewertet wird, und hebt es damit hervor (z.B. Aber Arielle ließ sich nicht fangen, sie war einfach zu schlau, Viola F03d). Indem eine Wertung des Erzählers den Leser herausfordert, sich selbst wertend zu dem Dargestellten zu verhalten, legt sie nahe, sich die dargestellten Erfahrungen so vorzustellen, als wären es die eigenen. Diese Vorstellung ist Grundlage der eigenen Wertung. Indem das Erzeugen von Spannung, Neugier oder Überraschung Emotionen bei Lesern auslösen, heben sie die Ereignisse, um die es geht, hervor. Die

2.1 Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

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Andeutung eines Geschehens (z.B. … da passierte etwas unvorhergesehen, Lilja G12m) kann z.B. Neugier darauf erzeugen, was passiert sein könnte, und regt an, Hypothesen über mögliche Ereignisse zu bilden. Die dadurch angeregte Vorstellungsbildung intensiviert möglicherweise die vorgestellte Erfahrung von Gefahr, von der Lilja im Folgenden erzählt (Es donnerte und regnete, ein Blitz schlug in das Schiff). Weil Spannung, Neugier oder Überraschung den Leser emotional involvieren, richtet er die Aufmerksamkeit auf das (noch nicht) dargestellte Ereignis und verknüpft es auf der Suche nach einem möglichen Ausgang der Ereignisse mit seinem eigenen Erfahrungshintergrund. Bevor ein Ereignis dargestellt wird, stellt der Leser es sich vor, sodass es erfahrbar für ihn wird. 33 In ihrer kritischen Betrachtung von Caracciolos Buch, die überwiegend positiv ausfällt, bedauert Marie-Laure Ryan, dass die “expressive devices“ nicht expliziter beschrieben und analysiert worden sind. Möglicherweise entzieht sich aber auch der Gegenstand einer systematischen Kategorisierung: „But just as the ‚felt nature of experience’ escapes propositional representation, so perhaps the means of expressing it escape categorization“ (Ryan 2016, S. 383). Vor diesem Hintergrund sind auch die Kategorien, die in dieser Arbeit zur Betrachtung von Sprachformen in schriftlichen Erzählungen von Schülerinnen und Schülern entwickelt werden, als Kategorien zur Sensibilisierung für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung erzeugen können, zu verstehen. Zu beachten ist, dass Sprachformen niemals „an sich“, sondern nur im Kontext ihre Wirkung entfalten können: „Jedes sprachliche Mittel kann literarisch gebraucht werden in Abhängigkeit von Intention und Kontext“ (Betten/Fix/Wanning 2015). 34 Hervorgehobene Sprachformen werden in dieser Arbeit dementsprechend nicht als „sprachliche Mittel“ losgelöst von dem, was sie hervorheben, untersucht, sondern im Kontext der Erfahrung, die sie hervorheben. Darüber hinaus werden sie als eine Möglichkeit der Darstellung von vorgestellter Erfahrung betrachtet, ohne zu behaupten, es sei die einzige Möglichkeit. Der Kern des Schreibens als „kultureller Tätigkeit“ ist für Mechthild Dehn „der Zugang zu den inneren Bildern im ‚Formulieren der Gedanken beim Schreiben‘“ (Dehn 1999, S. 70). Ebendiesen Zugang eröffnen Sprachformen, die

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Bei der Überraschung verhält es sich etwas anders: Die vorgestellte Erfahrung verändert sich durch die Kenntnis eines Ereignisses im Nachhinein. Auch das kann die Vorstellung einer Erfahrung intensivieren. Mit Bezug auf das „Proteus Principle“ (Sternberg 1982) betont auch Herman, dass es kein formales Kriterium geben kann, das Narrativität garantiert, weil die Funktion einer Form immer kontextabhängig ist. Dementsprechend beschreibt Herman die Situierung als erstes basales Element von Narration.

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2 Sprachformen als narrative Muster

Sinnbildungsprozesse erzeugen, weil sie abweichen vom bloßen Bezeichnen oder aber das Bezeichnete hervorheben, indem sie es modifizieren.

2.2 Sprachformen für Ereignisfolgen Es war einmal eine Prinzessin, sie war sehr hübsch. Eines Tages kam ein Seemann und fragte: „Hast du Lust auf eine kleine Reise mit dem Schiff?“ Kaum hatte er gefragt, und sie sagte: „Ja!“ Sie stiegen beide in das Schiff. Sie segelten los. Nach einer Weile… (Kalea G35m). Im Gegensatz zu Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung evozieren, gibt es für Sprachformen, die Rezipierenden ermöglichen, Vorstellungen über die Ereignisfolge (in einer möglichen/fiktiven Welt) zu entwickeln, deutliche Bezugspunkte. Die Darstellung von Zeit ist dabei – neben der Darstellung von Raum und Kausalität – besonders bedeutsam. In den meisten Definitionen, die Erzählungen als Repräsentationen einer Ereignisfolge charakterisieren, spielt der Aspekt der Zeitlichkeit eine zentrale Rolle. Die temporale Organisation des Erzählten gilt als die „Minimalbedingung schlechthin“ (Aumüller 2012, S. 149). Die Darstellung von Ereignissen in der Zeit wird dabei weniger in ihrer Funktion für die Vorstellungsbildung betrachtet, sondern als Merkmal der Struktur von Erzählungen – auch in Abgrenzung zu anderen Textsorten wie z.B. der Beschreibung: -

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„I take temporality to be that structure of existence that reaches language in narrativity, and narrativity to be the language structure that has temporality as its ultimate reference“ (Ricœur 1981, S. 165). „Narrative is the representation of at least two real or fictive events in a time sequence, neither of which presupposes or entails the other“ (Prince 1982, S. 4). „The semiotic representation of a sequence of events, meaningfully connected in a temporal and causal way“ (Onega/García Landa 1996, S. 3). „Texte, die im strukturalistischen Sinne narrativ genannt werden, präsentieren im Gegensatz zu deskriptiven Texten eine temporale Struktur und stellen Veränderungen eines Zustands dar. (…) Die Minimalbedingung der Narrativität ist, dass mindestens eine Veränderung eines Zustandes in einem gegebenen zeitlichen Moment dargestellt wird“ (Schmid 2014, S. 2 f.).

Auch Herman rückt mit dem Element „Event sequencing“ die Darstellung von zeitlicher Abfolge als grundlegend für Narration in den Vordergrund. Bei ihm liegt der Akzent aber auf der Möglichkeit zur Vorstellungsbildung. Im Kern geht es ihm darum, dass Rezipienten die Vorstellung einer Storyworld entwickeln können (s. Kapitel 1.2), und zwar

2.2 Sprachformen für Ereignisfolgen

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einer Welt, in der Figuren zu bestimmten Zeitpunkten Entscheidungen treffen, die zu Konsequenzen führen, die vor einem größeren Hintergrund Gestalt annehmen, weil sie alternative Handlungsmöglichkeiten ausgeschlossen haben: „… narrative traces paths taken by particularized individuals faced with decision points at one or more temporal junctures in a storyworld; those paths lead to consequences that take shape against a larger backdrop in which other possible paths might have been pursued, but were not“ (Herman 2009, S. 18). In der Sage von Dädalus und Ikarus ist z.B. der Abend, an dem Dädalus seinen Schüler von den Felsen der Burg in die Tiefe stürzt, ein Zeitpunkt, an dem Dädalus seine Gefühle von Neid und Hass auch hätte bekämpfen können oder den Schüler hätte anweisen können, die Stadt zu verlassen, statt ihn zu töten. Auch die Entscheidung des Königs, Dädalus nicht ziehen, sondern bewachen zu lassen, ist zeitlich markiert (in diesem Fall in Relation zu einem anderen Ereignis: „Als Minos, der König, merkte, dass Dädalus wegwollte, wollte er ihn nicht ziehen lassen“). Eine alternative Handlung wird, indem sie verneint wird, sogar benannt. Zeitpunkte, an denen Figuren Entscheidungen treffen, stehen in einem engen Zusammenhang mit der Vermittlung von Erfahrung. Wie im ‚echten Leben‘ sind diese Entscheidungen eingebettet in ein Vorher und ein Nachher. Darstellungsformen, die Erfahrungen ‚im Strom der Zeit‘ zu vermitteln suchen, scheinen besonders geeignet, um vorgestellte Erfahrung zu ermöglichen. Denn jede menschliche Erfahrung ist an Zeit gebunden: „Broadly defined, time is a constitutive element of worlds and fundamental category of human experience“ (Scheffel et al. 2014, S. 868). Eine Welt ohne Zeit ist für uns Menschen nicht vorstellbar. Indem unsere Lebenszeit durch Geburt (bzw. Zeugung) und Tod begrenzt ist, befinden wir uns immer innerhalb einer Zeitfolge, in der es Vergangenheit und Zukunft gibt. Wie für das Leben ist auch „für jeden narrativen Text ein zeitliches Nacheinander konstitutiv“ (Martínez/Scheffel 2012, S. 34). Indem Erzählungen Ereignisse, in denen Figuren Erfahrungen machen, in einer zeitlichen Abfolge darstellen, ermöglichen sie durch die Nähe zum ‚Leben in der Zeit‘, sich die Erfahrungen so vorzustellen, ‚als wären es die eigenen‘. 35 Dabei spielt die Verschiebung des deiktischen Zentrums eine besondere Rolle: 35

Darüber hinaus wird die Bedeutung der zeitlichen Dimension für das Empathievermögen hervorgehoben. Das Narrative ermöglicht ein hohes Maß an Empathie, „weil es die zeitliche Dimension des Aufeinanderfolgens von Handlungen und Situationen zu erfassen vermag“ (Steininger/Basseler 2011, S. 110). Mit Bezug auf Breithaupt (2009, S. 11) verdeutlichen Steininger/Basseler, dass unser Mitfühlen deutlich höher ist, wenn wir ein Ereignis wahrnehmen, das sich aus dem Bezug auf vorherige Ereignisse erklärt (wie z.B. das Leid eines Menschen, das durch einen Unfall verursacht wurde), als in vollkommen abrupten, willkürlichen oder unübersichtlichen Situationen (wenn z.B. jemand einfach leidet, ohne dass wir wissen oder ahnen, was passiert ist) (vgl. Steininger/Basseler

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2 Sprachformen als narrative Muster

„By transferring her deictic centre to the coordinates of another’s mentality, the reader indirectly participates in the fictional process and recuperates or re-organizes characters’ experientiality in a vicarious manner“ (Fludernik 1996, S. 374). 36 Ähnliches gilt für die Darstellung von Erfahrungen im Raum. Jede menschliche Existenz ist nicht nur an die Zeit gebunden, sondern ebenso an einen Raum, in dem sie lebt: den Lebensraum. Zeit und Raum gelten als die beiden fundamentalen Kategorien zur Strukturierung menschlicher Erfahrung (vgl. Ryan 2014c, S. 796). Ryan hebt hervor, dass allen Erzählungen nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine räumliche Ausdehnung innewohnt: „Events, however, are changes of state that affect individuated existents, which are themselves bodies that both occupy space and are situated in space (…) all narratives imply a world with spatial extension, even when spatial information is withheld“ (ebd.). Hinzu kommt die menschliche Fähigkeit, sinnhafte Zusammenhänge zwischen Ereignissen herzustellen. Wie im Leben geht es auch in Erzählungen um Ereignisse, „die nicht nur aufeinander, sondern auch auseinander folgen“ (Martínez/Scheffel 2012, S. 27). Im Bereich der Handlung unterscheiden Martínez/Scheffel zwischen dem „Geschehen“, das die chronologische Abfolge der Ereignisse bezeichnet, und der „Geschichte“, die zusätzlich zum chronologischen auch einen kausalen Zusammenhang aufweist (vgl. ebd.). 37 In der klassisch-mechanistischen Physik bezeichnet der Begriff der Kausalität, dass ein zeitlich früheres Ereignis die Ursache für ein zeitlich späteres ist. Indem Kausalität ein Ursache-Wirkungsverhältnis zugrunde liegt, erzeugt es nicht nur die Vorstellung eines Zusammenhangs, sondern auch die einer zeitlichen Abfolge. Zeitliche, räumliche und kausale Sprachformen eignen sich also nicht nur dafür, eine Ereignisfolge strukturiert darzustellen, sondern ermöglichen darüber hinaus, sich die Erfahrungen einer Figur ‚lebhaft‘ in Zeit und Raum und im Zusammenhang vorzustellen. Im empirischen Teil der Studie werden Sprachformen, die Ereignisse zeitlich, räumlich und im Zusammenhang darstellen, als elementare narrative Muster betrachtet,

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2011, S. 110). Wenn Empathie ein Faktor ist, der vorgestellte Erfahrung ermöglicht, trägt die Darstellung einer Erfahrung in Form einer Ereignisfolge dazu bei, diese Möglichkeit zu eröffnen. Grundlegend hat Käte Hamburger auf die Möglichkeit der Narration zur Darstellung von Subjektivität hingewiesen: „Die epische Funktion ist der einzige sowohl sprach- wie erkenntnistheoretische Ort, wo von dritten Personen nicht oder nicht nur als Objekten, sondern auch als Subjekten gesprochen, d.h. die Subjektivität einer dritten Person als einer dritten dargestellt werden kann“ (Hamburger 1957, S. 115; Hervorhebung i.O.). Grundlegend hat Edward Morgan Forster zwischen „story“ und „plot“ unterschieden. Während die „story“ auf die temporale Struktur abhebt, stellt ein „plot“ die Kausalität besonders heraus: „A plot is also a narrative of events, the emphasis falling on causality“ (Forster 1969, S. 82).

2.2 Sprachformen für Ereignisfolgen

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ohne dass damit impliziert ist, dass sie nicht auch Muster für andere Textsorten sein können. Zeit Vor vielen Millionen Jahren gab es einen Künstler namens Dädalus (Antonia S88d). Besondere Aufmerksamkeit hat die Erzählforschung dem Verhältnis zwischen der Zeit der erzählten Geschichte und der Zeit des Erzählens gewidmet. Im Kontext von Erzählungen betrifft das Phänomen Zeit drei verschiedene Ebenen, die Genettes Unterscheidung von Geschichte (histoire), Erzählung (récit) und Narration (narration) folgen (vgl. Martínez/Scheffel 2012, S. 22-49 und S. 72-78; Scheffel et al. 2014, S. 870-873): 1. Zeit der Geschichte (Story Time/erzählte Zeit), 2. Zeit der Erzählung (Discourse Time/Erzählzeit), 3. Zeitpunkt des Erzählens (Narrating time/Tempus). Als Rezipient einer Erzählung ist man mit zwei verschiedenen Zeitvorgängen konfrontiert. Die Zeitspanne, von der die Geschichte erzählt, unterscheidet sich in der Regel von der Zeit, die ein Erzähler benötigt, um eine Geschichte zu erzählen, bzw. die für die Rezeption der Geschichte benötigt wird. Darüber hinaus nimmt der (fiktive) Erzähler gegenüber seiner Geschichte eine zeitliche (und räumliche) Position ein, die den Zeitpunkt des Erzählens bestimmt. Je nachdem ob eine Geschichte in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft erzählt wird, kann zwischen einem späteren, gleichzeitigen oder früheren Zeitpunkt des Erzählens differenziert werden. Aus dem Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit (Müller [1948] 1968) entstehen unterschiedliche Möglichkeiten der Darstellung einer Ereignisfolge in Bezug auf die Ordnung, die Dauer und die Frequenz (Genette 2010). Ereignisse können chronologisch erzählt werden oder in einer anderen Ordnung, als sie sich ereignet haben. Genette unterscheidet zwei grundsätzliche Arten von Anachronie: Prolepsen bezeichnen Vorwegnahmen späterer Ereignisse, Analepsen das Nachtragen bereits zurückliegender Ereignisse (vgl. ebd., S.25). Prolepsen und Analepsen werden durch das verbale Tempus oder entsprechende Zeitangaben gekennzeichnet (z.B. Die Mutter ist vor 10 Jahren gestorben (…), aber das war alles 1994, Munira S89m) oder müssen aus dem Kontext erschlossen werden. Neben der Anachronie ist der Zeitbestimmung noch eine andere Besonderheit eigen, die sich von der Chronologie abhebt: die Synchronie (vgl. Fludernik 2013, S. 54 f.), bei der (bedingt durch das Medium Schrift/Sprache) nacheinander dargestellt wird, was sich gleichzeitig ereignet (Alle waren glücklich, als sie geheiratet haben, Luise S58m). 38 In 38

Für Handlungen, die parallel stattfinden, aber nur nacheinander dargestellt werden können, schlagen Lahn/Meister in Anlehnung an Genettes Terminologie das Kunstwort „Simullepse“ vor (vgl. Lahn/Meister 2013, S. 140). Da dieser Begriff aber suggeriert, es würde sich bei der Darstellung von

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2 Sprachformen als narrative Muster

Bezug auf die Dauer unterscheidet Genette fünf verschiedene Realisationstypen: bei einer Szene entsprechen sich Erzählzeit und erzählte Zeit nahezu, eine Raffung fasst das Geschehen zusammen, während bei einer Dehnung die Erzählzeit länger ist als die erzählte Zeit. Eine Pause bezeichnet eine Unterbrechung der Zeit und stellt einen Extremfall von Dehnung dar, während eine Ellipse einen Zeitsprung meint und einen Extremfall von Raffung darstellt. Alle diese Typen können als narrative Muster zur Darstellung einer Ereignisfolge betrachtet werden. Martínez/Scheffel heben die besondere Relevanz von Szene und Raffung für einen „narrativen Grundrhythmus“ hervor: „Während wohl kaum eine Erzählung ohne den Wechsel von zeitdeckendem und zeitraffendem Erzählen sowie verschiedene Zeitsprünge auskommt, stellen das zeitdehnende Erzählen und die Pause eher eine Ausnahme dar“ (Martínez/Scheffel 2012, S. 46; Hervorhebungen im Original). Während zeitdeckendes Erzählen häufig über die wörtliche Wiedergabe der Figurenrede (gesprochene Rede oder Gedankenrede) realisiert wird, spielen für zeitraffendes Erzählen Zeitangaben eine wichtige Rolle, da sie ermöglichen, beliebig große Zeitabschnitte zu überspringen (am nächsten Tag, Clifton F97m; 5 Jahre später, Farouk F82m). Mit der Kategorie Frequenz beschreibt Genette Wiederholungsbeziehungen: wird ein Ereignis, das einmal stattfindet, auch nur einmal erzählt, ist die Erzählweise singulativ, wird einmal erzählt, was sich wiederholt ereignet hat, ist sie iterativ und wird ein Ereignis mehrfach erzählt, nennt Genette sie repetitiv. In Bezug auf die Darstellung einer Ereignisfolge lässt sich die Frequenz auch der Dauer unterordnen: bei einer iterativen Erzählweise wird das Geschehen gerafft dargestellt, eine repetitive Erzählweise kann die Darstellung des Geschehens dehnen und eine singulative Erzählweise ermöglicht zeitdeckendes Erzählen. Wenn Lernende Sprachformen erproben, die die Ordnung, Dauer oder Frequenz des Geschehens darstellen, erproben sie fundamentale narrative Muster zur Darstellung einer Ereignisfolge. Für alle diese Darstellungsformen sind Zeitangaben Sprachformen mit zentraler Bedeutung. Narratologische Ausführungen zum Phänomen der Zeit auf der Ebene der erzählten Geschichte sind rar, zumeist knapp und wenig differenziert: „Obwohl diegetische Zeit sowohl bei der Konzeption von Narrativität eine entscheidende Rolle spielt als auch im Verhältnis zur Erzählzeit als hypothetische Referenzgröße zugrunde gelegt wird, bleibt sie selbst theoretisch unreflektiert“ (Werner 2011, S. 150 f.).

Gleichzeitigkeit um eine Form der Anachronie handeln, wird dieser Begriff hier nicht übernommen. Der Begriff „Synchronie“ dagegen verdeutlicht, dass die Darstellung von Gleichzeitigkeit sich auf der gleichen Ebene wie Chronologie und Anachronie von diesen unterscheidet.

2.2 Sprachformen für Ereignisfolgen

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Das betrifft z.B. die Frage, wie Zeit durch die erzählerische Koordination von Ereignissen narrativ hervorgebracht wird (vgl. ebd., S. 151). Einige Narratologen geben zumindest Orientierung für die Unterscheidung unterschiedlicher Zeitangaben: Während Tomasevskij bei der Angabe von Zeitpunkten absolute („12 th Nov. 2012“) und relative Datierung („five years later“) unterscheidet sowie Zeitraum und Dauer, differenziert de Toro zwischen der Art der Konkretion von Zeitangaben, die entweder exakt bestimmt werden („after two days“) oder vage („a few weeks have passed“), manchmal auch implizit sind (vgl. Scheffel et al. 2014, S. 870 f.). Lahn/Meister (2013, S. 154) berücksichtigen z.T. beide Unterscheidungen bei der Einteilung in drei verschiedene Typen von Zeitangaben: konkrete oder unkonkrete kalendarische Zeitangaben, deiktische Adverbien der Zeit und konkrete oder unbestimmte relationale Zeitangaben. Evelyn Gius und Janina Jacke entwickeln auf der Grundlage von „etablierten narratologischen Analysekategorien für die zeitliche Gestaltung von Erzählungen, die in der klassisch-strukturalistischen Tradition entwickelt wurden“ (Gius/Jacke 2016, S.10) mit Bezug auf Lahn/Meister (2013) ein umfassendes System zur computergestützten Annotation narratologischer Kategorien der Zeit, mit dem sie unterschiedliche Aspekte der zeitlichen Gestaltung von Erzähltexten untersuchen: narrative Ebenen, Zeit (Tempus und Zeitausdrücke), Zeitpunkt des Erzählens, Beziehung zwischen discours und histoire (Ordnung, Frequenz, Dauer). Auf der Ebene der Zeit der Geschichte unterscheiden Gius/Jacke explizite Zeitausdrücke, die Zeitpunkte, Zeitspannen, Frequenz und Geschwindigkeit angeben und implizite Zeitausdrücke, die Hinweise auf diese Zeitangaben geben, indem sie auf Jahreszeiten anspielen (z.B. durch die Angabe, dass es schneit) oder darstellen, dass Zeit vergeht (z.B. durch die Angabe, dass Haare ergrauen). 39 Diese Kategorien eignen sich, um die von den Drittklässlern erprobten Sprachformen zur Darstellung einer Ereignisfolge näher zu betrachten, weil sie Vorstellungen von zeitlicher Abfolge unterscheiden. Sprachliche Ausdrücke können sich in unterschiedlicher Art und Weise auf Zeit beziehen. Sie können eine Vorstellung darüber erzeugen, wann und in welcher Reihenfolge die Ereignisse stattfinden, wie lange Ereignisse oder Zeiträume zwischen zwei Ereignissen dauern bzw. wie oft und mit welcher Geschwindigkeit sich etwas ereignet. Die explizite Angabe von -

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Zeitpunkten, an denen etwas geschieht (am nächsten Morgen, Adin F86m); Zeitspannen, innerhalb derer etwas geschieht (sehr, sehr lange, Malia S79m); Frequenzen, in denen etwas geschieht oder (Tag für Tag, Micha G19d); Geschwindigkeiten, in denen etwas geschieht (Der Nebel lichtet sich ganz schnell, Noema G32d),

Gius/Jacke führen zudem das Nennen gesellschaftlicher Veränderungen und den Verweis auf allgemeine zeitrelevante Ereignisse als implizite Zeitausdrücke an (vgl. Gius/Jacke 2016, S. 37 f.). Diese Aspekte spielen altersbedingt für die Untersuchung von Texten von Drittklässlern keine Rolle.

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2 Sprachformen als narrative Muster

trägt dazu bei, dass Rezipierende eine Vorstellung von Chronologie und Dauer des erzählten Geschehens entwickeln können. Darüber hinaus sind Rezipienten oftmals in der Lage, aufgrund ihrer Erfahrung mit Zeit, sich bestimmte Ereignisse chronologisch vorzustellen und die Dauer von Ereignissen mit Hilfe ihres Weltwissens zu erschließen, auch wenn es in einer Erzählung keine expliziten Angaben zur zeitlichen Abfolge oder Dauer gibt (z.B. können sie bei der Erwähnung eines Frühstücks auf die Tageszeit schließen und die folgenden Ereignisse vor oder nach dem Frühstück einordnen, außerdem haben sie vermutlich eine ungefähre Vorstellung von der Dauer). Raum Tief unten im Meer, wo wir es gar nicht glauben, liegt ein Reich, ein Reich unter den Wassern. Dort gibt es tausende Wunder, die wir nicht glauben (Lina F33d). Wenn Räume nicht nur beschrieben werden, sondern Schauplätze einer Handlungsfolge sind, dann werden sie zu narrativen Räumen: „We may call the dynamic presentation of spatial information the textualization of space (…). This textualisation becomes a narrativization when space is not described for its own sake, as it would be in a tourist guide, but becomes the setting of an action that develops in time“ (Ryan 2014c, S. 799). Ryan unterscheidet vier Formen textueller Räumlichkeit: „narrative space“, „the spatial extension of the text“, „the space that serves as Context and Container for the text“ and „the spatial form of the text“ (ebd., S. 797-801). Für die Untersuchung narrativer Muster als Sprachformen ist die erste Form von Interesse, denn mit dem „narrativen Raum“ ist die physisch existierende Umwelt gemeint, in der die Figuren leben und sich bewegen, während die anderen Formen weiterführende Aspekte betreffen (vgl. ebd., S. 797). 40 Ryan beschreibt unterschiedliche Ebenen des narrativen Raums: -

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„Spatial frames“ bezeichnen die unmittelbare Umgebung der aktuellen Ereignisse, die verschiedenen Orte, die der narrative Diskurs oder das Bild zeigen (z.B.

Der Unterscheidung von „erzählter Zeit“ („story time“) und „Erzählzeit“ („discourse time“) (Müller [1948] 1968) folgend beschreibt Ryan die räumliche Ausdehnung des Textes („the spatial extension of the text“) in Bezug auf die Materialität Textes und auf die Dimension der Verbindung mit dem Rezipienten (vgl. Ryan 2014c, S. 799). Räumliche Ausdehnung reicht, so Ryan, von gar keiner räumlichen Ausdehnung (mündliche Erzählungen, Gestik und Mimik ausgeschlossen, Musik) bis zu dreidimensionaler Ausdehnung (Theater, Ballett, Skulptur). Bei schriftlichen Erzählungen, Filmen und Gemälden ist die räumliche Ausdehnung zweidimensional. Der dritte Aspekt („the space that serves as Context and Container for the text“) betrifft die Situierung von Erzählungen in der realen Welt. Der vierte Aspekt („the spatial form of the text“) beschreibt einen modernen Typus narrativer Organisation, bei dem Zeitlichkeit und Kausalität durch Zersplitterung, Montage oder der Gegenüberstellung paralleler Handlungsstränge heruntergespielt werden (z.B. bei Hypertext-Erzählungen).

2.2 Sprachformen für Ereignisfolgen

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Dann plötzlich sprang eine Meerjungfrau vom Wasser bis zum Strand, Anniara S80m). „Spatial frames“ sind Handlungsschauplätze, die sich im Laufe der Erzählung verändern und möglicherweise ineinanderfließen (vgl. ebd., S. 797 f.). „Setting“ bezeichnet das allgemeine soziale, historische, geographische Umfeld, in dem die Handlung stattfindet (z.B. Er wohnte in einer Stadt in Ägypten und er konnte arabisch reden, Maria S81m). Als relativ stabile Kategorie umfasst es den gesamten Text (vgl. ebd., S. 798). „Story space“ bezeichnet den Raum, der handlungsrelevant ist. Abgebildet wird er von Handlungen und Gedanken der Charaktere und umfasst demnach alle „spatial frames“ und alle Räume, die im Text erwähnt werden, ohne dass sie Schauplätze des tatsächlichen Geschehens sind (z.B. Ihr Mann hat gesagt, eines Tages werden wir in Paris sein […] Sie waren da, Nayo G93m. In diesem Fall trägt die Angabe des möglichen, gedanklichen Raumwechsels dazu bei, dass Rezipienten eine Vorstellung von der Ereignisfolge entwickeln können, in der eine Planungshandlung einer realen Handlung vorausgeht, sodass als Angabe des neuen Raumes der anaphorische Verweis reicht) (vgl. ebd.). „Narrative (or story) world“ bezeichnet den Raum der Erzählung, den Rezipienten auf der Basis von kulturellem Wissen und realen Erfahrungen in ihrer Vorstellung vervollständigen. In der Vorstellung wird eine kohärente, einheitliche, ontologisch vollständige und geographisch existierende narrative Welt erzeugt (z.B. Eines Tages wurde er vom König geladen […] Dort lebte er immer, Kambiz S84m. Die Formulierung evoziert die Vorstellung, dass Dädalus, dessen Position am Anfang des Textes „auf dem Berg“ lokalisiert wurde, den Raum wechselt und fortan in den Räumen des Königs lebt, ohne, dass diese explizit benannt werden) (vgl. ebd.). „Narrative universe“ bezeichnet die Welt, die die Erzählung präsentiert und „mögliche Welten“, die die Charaktere als Vorstellungen, Wünsche, Ängste, Spekulationen, Hypothesen, Träume und Fantasien konstruieren (z.B. „Mama, Papa, ich will in die Welt! Die Schlangen haben mir davon erzählt!“, Noema F32d) (vgl. ebd., S. 798 f.).

Kausalität Ein Mann und eine Frau segeln {die} [der] Sonne hinterher. Weil sie dachten, dass die irgendwann Land entdeckten (Kendrik G25d). Martínez/Scheffel unterscheiden drei Arten von narrativer Motivierung: kausale, finale und kompositorische/ästhetische Motivierung (vgl. Martínez/Scheffel 2012, S. 114 ff.). Die kausale Motivierung erklärt ein Ereignis, indem sie es als Wirkung in einen UrsacheWirkungs-Zusammenhang einbettet. Bei der finalen Motivierung kommt hinzu, dass

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2 Sprachformen als narrative Muster

der Handlungsverlauf von Beginn an festgelegt ist (z.B. durch eine göttliche Allmacht) und die kompositorische/ästhetische Motivierung bezieht sich nicht auf die Ordnung der erzählten Welt, sondern auf künstlerische Kriterien der Gesamtkomposition. Eine notwendige Eigenschaft wohlgestalteter narrativer Texte ist laut Martínez/Scheffel „[n]icht dass auf eine bestimmte Weise motiviert, sondern dass überhaupt motiviert wird“ (ebd., S. 122). Während sich die kompositorische/ästhetische Motivierung nur implizit vermitteln lässt, können kausale und finale Motivierungen des Geschehens auch explizit durch erklärende Aussagen in der Erzähler- oder Figurenrede vermittelt werden. Bei der impliziten Vermittlung von Motivationen spielen unsere empirische Weltkenntnis oder auch unsere Kenntnis des jeweiligen Typs der erzählten Welt eine zentrale Rolle. So muss in der Sage nicht explizit begründet werden, warum ein König Dädalus aufnimmt, für eine realistische Geschichte, die in der heutigen Zeit am gleichen Ort spielte, wäre dieses Geschehen erklärungsbedürftig. Allerdings scheint die implizite Vermittlung von Motivationen für narrative Texte typischer als die explizite: „Die Motivation der Ereignisse wird im Text selten explizit ausgesprochen. Ausdrückliche Begründungen des Geschehens erfolgen meist nur dann, wenn eine Wendung des Geschehens überraschend und deswegen besonders erklärungsbedürftig ist. Im Regelfall unterstellt der Leser einfach die Existenz bestimmter Motivationen“ (ebd., S. 115). Mit Bezug auf Roman Ingardens Begriff der „Unbestimmtheitsstellen“ von Texten betonen Martínez/Scheffel die Konkretisierung der Motivationen durch den Leser: „Wenn im Text die kausalen Verknüpfungen der dargestellten Ereignisse nicht explizit gemacht sind, sind diese Verknüpfungen in der erzählten Welt nicht etwa nicht vorhanden, sondern unbestimmt-vorhanden und werden vom Leser im konkretisierenden Akt der Lektüre, gesteuert durch entsprechende Textsignale, als gegeben vorausgesetzt und hinzuimaginiert“ (ebd., S. 116). Um eine Geschichte zu schreiben, in der das Geschehen vom Leser als ein motiviertes konkretisiert werden kann, scheint es umso bedeutsamer, dass der Autor eine Vorstellung von Ursache und Wirkung hat, auch wenn er diese nicht expliziert. Wenn die Motivierung des Geschehens in der Regel implizit vermittelt wird, sind Sprachformen, die die Motivierung des Geschehens explizieren, Muster, die den Zusammenhang bestimmter Ereignisse hervorheben. Vor diesem Hintergrund scheint zudem fraglich, ob die Zunahme syntaktischer Komplexität auf die Entwicklung von Erzählkompetenz hinweist, wie das linguistisch geprägte Studien zur Erzählentwicklung nahelegen (s. Kapitel 4).

3 Narrative Musterbildung Wie es dann zu dem Titel „Pippi außer Rand und Band“ kommt, das erzähle ich dir jetzt (Tanja F50d). Im Alltagsgebrauch bezeichnet der Begriff des Musters oft eine Norm, die es zu reproduzieren gilt, z.B. ein Schnittmuster, das die Form für den Zuschnitt eines Kleides vorgibt, oder einen Rapport, der die Wiederholung eines Musters auf einem Stoff definiert. Diesem Musterbegriff entsprechend dienten im frühen Rhetorikunterricht Vorlagen pragmatischer oder literarischer Texte als Muster für die Aneignung formaler Eigenschaften, für Imitationen oder der Übernahme inhaltlicher Ideen und weltanschaulicher Vorstellungen (vgl. Ludwig 1988; Haueis 1995). Auch im traditionellen Aufsatzunterricht ging (und geht) es darum, Texte nach Mustervorgaben zu schreiben – dem Prototyp einer Textsorte entsprechend. Bei der schulischen Vermittlung scheinen prototypische Merkmale einer Textsorte Orientierung zu bieten, sie haben aber auch eine normierende Wirkung. So kennzeichnet in der Schreibentwicklungsforschung der Begriff des Textmusters die Annäherung an Vorgegebenes – beim Erzählen zumeist die Annäherung an das prototypische Strukturmodell der Höhepunkterzählung. Neben den Textsorten Schildern, Berichten und Beschreiben stand die schriftliche Erlebniserzählung von Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu den 70er Jahren im Mittelpunkt des Schreibunterrichts. Das Repertoire an Textsorten hat sich bis heute um Argumentation und Instruktion erweitert (auf das Schildern wird verzichtet) und das Erzählen beschränkt sich nicht mehr auf die Erlebniserzählung. Trotz grundlegender Kritik (Geißler 1968) wirken die Mustervorgaben der Erlebniserzählung jedoch bis heute in den Unterricht – und zwar auch für Formen des literarischen Erzählens. Das könnte zum einen daran liegen, dass die Formen literarischen Erzählens so vielfältig sind, dass eine Reduktion auf ein Textmuster unmöglich ist. Zum anderen liegen für literarische Erzählungen kaum textlinguistische Analysen vor, weil die Textlinguistik sich überwiegend der Beschreibung von Gebrauchstextsorten widmet und die Analyse literarischer Erzählungen der Literaturwissenschaft überlässt. In didaktischer Perspektive konzentriert sich die Literaturwissenschaft jedoch hauptsächlich auf die Rezeption von Texten. Schreibdidaktische Konzeptionen und Impulse sind in der Regel – abgesehen von einigen Ausnahmen – linguistisch fundiert. Da die Erlebniserzählung die Erzählform ist, deren Struktur im Rahmen linguistischer Untersuchungen differenziert beschrieben worden ist, liegt mit ihr ein Bezugsrahmen für die Vermittlung von Musterhaftem vor.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_4

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3 Narrative Musterbildung

3.1 Textmuster und Mustertexte Dädalus sagte zu Ikarus, wir müssen fort in das Weite hinaus (Sandra S92m). Der Begriff des „Textmusters“ ist in der Textlinguistik eng verwoben mit dem der „Textsorte“, teilweise wurden die Begriffe sogar synonym verwendet (vgl. Heinemann 2000, S. 516). Dem zugrunde liegt ein Verständnis von Textsorten als Mustern sprachlichen Handelns: „Die Beobachtung, dass bestimmte Textstrukturen und -formulierungen zur Bewältigung spezifischer kommunikativer Aufgaben in bestimmten Textexemplaren immer wieder begegnen, andere dagegen grundsätzlich auszuschließen waren, bildete die Basis für die Grundannahme, daß solche Rekurrenzen nicht zufällig, sondern regelhaft bedingt sind, daß man folglich auch von der grundsätzlichen Textsortengeprägtheit aller Texte sprechen kann“ (ebd., S. 508). Gerd Fritz gründet aus handlungstheoretischer Perspektive die Annahme von Texttypen 41 im Wesentlichen darauf, „dass sich in einer Gesellschaft zur Lösung bestimmter, wiederkehrender kommunikativer Aufgaben bestimmte textuelle Lösungen als besonders geeignet etablieren, Mustercharakter bekommen und sogar in manchen Aspekten normativ fixiert werden“ (Fritz 2013, S. 449). Eine wiederkehrende kommunikative Aufgabe ist z.B. die Vermittlung der Zubereitung einer Mahlzeit, für die das Rezept sich als textuelle Lösung etabliert hat. Aspekte wie die (separate) Angabe von Zutaten und einer Reihenfolge der Arbeitsschritte, instruktive Formulierungen etc. sind im Rezept normativ fixiert. 42 Mit Bezug auf Fludernik (s. Kapitel 1.1) ließe sich auch die Vermittlung von Erfahrung als wiederkehrende kommunikative Aufgabe betrachten. Für eine Vermittlung, die den Rezipienten ermöglicht, diese Erfahrung sich so vorzustellen, als wäre es die eigene, eignen sich Geschichten in besonderem Maße. Während Wolfgang Heinemann den Begriff „Textsorte“ (wie auch Fritz den Begriff „Texttyp“) als Sammelbegriff für eine begrenzte Menge von Textexemplaren mit spezifischen Gemeinsamkeiten verwendet, beschreibt er Textmuster als kognitive Größen: „Textmuster sind komplexe kognitive Muster für die Lösung spezifischer kommunikativer Aufgaben, einschließlich der Herstellung von Texten. Sie dürfen als Teilmenge des Interaktionswissens der Kommunizierenden verstanden werden“ (Heinemann 2000, S. 518). 41

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Texttypen werden hier als Textsorten verstanden. Fritz verwendet den Ausdruck Texttypen, um an den international gebräuchlichen Ausdruck text types anzuschließen und verweist auf einschlägige deutschsprachige Literatur zum Gang und Stand der Diskussion um „Textsorten“ (vgl. Fritz 2013, S. 448, Fußnote 35). Die Norm hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt: 1866 wurde die separate Angabe von Zutaten noch als „Innovation“ bezeichnet (vgl. Fritz 2013, S. 465).

3.1 Textmuster und Mustertexte

49

Die spezifischen Gemeinsamkeiten sind in dem Sinne „musterhaft“, als sie zur Ausbildung und Erkennung eines Textmusters beitragen. Textseitig sorgen prototypische Merkmale (auf unterschiedlichen Ebenen) dafür, dass ein kognitives Textmuster aktiviert und identifiziert wird bzw. ausgebildet werden kann. Textmuster bezeichnen also einerseits Merkmale von Texten und andererseits kognitive Wissensbestände des Individuums (für eine detaillierte Unterscheidung und einen Forschungsüberblick vgl. Birkle 2012): „Weisen einzelne Textexemplare Merkmale auf, die für eine Textsorte oder ein literarisches Genre prototypisch sind, können diese als Textsortenmerkmale oder synonym als textsorten- bzw. genrespezifische Textmuster gelten. (…) Davon zu unterscheiden sind kognitive Textmuster, die sich ebenfalls auf konkrete Merkmale von Textexemplare beziehen, die aber als vernetzte Schemata auf hoher Abstraktionsstufe beim Rezipienten mental aktiv sind“ (ebd., S. 108 f.). Der Begriff der Textsorte bezeichnet also eine Gruppe von Texten, die einem gemeinsamen Textmuster folgen (vgl. Fix et al. 2003, S. 26). Ulla Fix, Hannelore Poethe und Gabriele Yos bezeichnen unser Alltagswissen über Textsorten als „Musterwissen“ und betonen, dass sich Textmuster nicht nur als eine Anweisung mit prototypischen Elementen, sondern auch mit Freiräumen betrachten lässt (vgl. ebd., S. 25 f.): „Wir haben Textsorten als Muster (im Sinne der kognitiven Psychologie) gespeichert, als Möglichkeitsfelder, in denen es sowohl einige überindividuelle Handlungsorientierungen gibt als auch Ermessensspielräume. Anders gesagt: Es gibt innerhalb der Muster Elemente des Normativen als Handlungsorientierung, und es gibt Nichtgenormtes, Freiräume, die man individuell füllen muss“ (ebd., S. 26). Auch Fritz beschränkt das Musterhafte nicht auf Prototypisches. Die Gemeinsamkeiten von Texttypen sieht er nicht in universalen Merkmalen, die für alle Einzelbeispiele zutreffen, sondern in einer Verbindung, die auf Ähnlichkeit beruht: „Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es für viele Texttypen einerseits prototypische Vertreter gibt und andererseits Spielräume für vielfältige Variationen und Erweiterungen, so dass eine Sammlung von verwandten Texten in vielen Fällen eher durch Familienähnlichkeiten im Wittgensteinschen Sinne als durch das Erfüllen derselben notwendigen und hinreichenden Bedingungen zu charakterisieren ist“ (Fritz 2013, S. 450). Eine solche Perspektive berücksichtigt, „dass Texttypen historisch offen sind, variabel und im Fluss – auch im Hinblick auf unterschiedliche Grade der Verfestigung bestimmter Muster“ (ebd.). Im Rahmen seiner „dynamischen Texttheorie“ plädiert Fritz für eine höhere Flexibilität bei der Beschreibung von Texten, explizit bezieht er sich dabei auch

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3 Narrative Musterbildung

auf Erzähltexte (vgl. Fritz 2013, S. 431 ff.). Didaktisch ist mit einer solchen Perspektive auf Texte viel gewonnen, weil sie die Dichotomie von richtig und falsch auflöst. In der vorliegenden Untersuchung werden vor dem Hintergrund eines weiten Musterbegriffs Sprachformen als narrative Muster in Texten betrachtet, die basale Elemente von Narration konkretisieren. Im Erproben sind diese Muster möglicherweise (noch) nicht Teil des kognitiven Wissensbestandes, bergen aber das Potenzial in sich, ihn an ihnen auszubilden. Das Rezipieren und Erproben musterhaltiger Sprachformen wird als Grundlage für die Ausbildung kognitiver Textmuster angesehen. Gemeinsame Merkmale als Muster von Textsorten Er suchte und suchte, aber er fand sie nicht (Lene F60m). Textsorten sind also zunächst einmal Gruppen von Texten mit gemeinsamen Merkmalen. Diese Merkmale sind zwar keineswegs beliebig (Sprache, Autor oder Entstehungszeit des Textes sind z.B. keine textsortenkonstituierenden Eigenschaften; vgl. Adamzik 2008, S. 145), aber dennoch schwer zu bestimmen. Während im Alltag bestimmte Texte fast automatisch als zusammengehörig empfunden werden, gestaltet sich die Entwicklung eines dementsprechenden Kategoriensystems, das wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, als schwierig. Das Problemfeld der Textsortenlinguistik wird als „außerordentlich vielschichtig und weit gespannt“ (Heinemann 2000, S. 508) beschrieben, nicht nur weil es textuelle, soziale, situative, funktionale und kognitive Aspekte umfasst, sondern auch, weil es mit sehr heterogenen Texteinheiten zu tun hat bezüglich des Umfangs, des thematischen Inhalts, der lexikalischen und grammatischen Belegungen, des Abstraktionsgrades, der hierarchischen Abstufung, der historischen und pragmatischen Relevanz und des Geltungsgrades (vgl. ebd.). 43 Textsorten zu beschreiben und zu unterscheiden, scheint also aus textlinguistischer Perspektive nicht einfach – noch schwieriger wird es, wenn es sich um narrative Texte handelt. In einer der Entwicklung von Texttypologien übergeordneten Dimension prägen zunächst zwei elementare Grundunterscheidungen die Diskussion um Textsorten. Gegenübergestellt werden fiktionale und nicht-fiktionale Texte sowie gesprochene und geschriebene Texte (vgl. Adamzik 2008, S. 154 ff.). Während sich die Linguistik hauptsächlich mit Gebrauchstexten auseinandersetzt, gelten fiktionale Texte als Gegenstand der Literaturwissenschaft, die keine Textsorten, sondern verschiedene Gattungen bzw.

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Erschwerend kommt hinzu, dass der Terminus „Textsorte“ von Vertretern der Linguistik nicht einheitlich gebraucht wird (vgl. Adamzik 2008, S. 145; Heinemann 2000, S. 509).

3.1 Textmuster und Mustertexte

51

Genres unterscheidet. Literarisches wird oft aus dem Gegenstandsbereich der Text(sorten)linguistik ausgeklammert: 44 „Vielfach wird der Terminus ‚Textsorte‘ nur für Gebrauchstexte der Schriftkommunikation verwendet (…) ausgeschlossen vom Geltungsbereich des Terminus ‚Textsorte‘ ist das weite Feld literarischer Texte“ (Heinemann 2000, S. 514 f.). Heinemann schlägt vor, die Bezeichnungen „Gattung“ und „Genre“ auf die Charakterisierung ästhetisch geprägter Texte zu beschränken, sie aber unmittelbar auf entsprechende Einheiten der Textsortenskala zu beziehen (vgl. ebd, S. 515). Kirsten Adamzik kritisiert die Zweiteilung in literarische vs. nicht-literarische Texte auf der Grundlage der Unterscheidung von fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten grundsätzlich, da das Kriterium zum einen relativ sei – für die Unterscheidung von Gattungen könne relevant sein, wie weit ein literarischer Text von der „Normalwelt“ entfernt sei (z.B. für die Unterscheidung von Märchen und Novelle) –, zum anderen würden bestimmte nicht-fiktionale Texte schon lange mit zur Literatur gerechnet (z.B. Aphorismen) und schließlich würde nicht nur im Rahmen der Literatur Fiktionales ersonnen (vgl. Adamzik 2008, S. 155). Für eine Grobunterscheidung, die die Dimension des situativen Kontextes betrifft, hält Adamzik die Frage, auf welche Welten Texte sich beziehen, geeigneter als eine Unterscheidung von fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten. Sie schlägt vor, literarische Texte der „Welt des Spiels/der Fantasie“ unterzuordnen, in der auch Fantasiewelten, die Kinder ganz geläufig kreieren, enthalten sind (vgl. ebd., S. 155 f.; dies. 2004, S. 63). 45 Eine solche Unterscheidung korrespondiert mit dem Begriff der Storyworld, den Herman als grundlegend für Narration herausgestellt hat (s. Kapitel 1.2). Eine Erlebniserzählung ließe sich mit Adamziks Modell der Standardwelt zuordnen und ein Roman der Welt der Fantasie, ohne dass damit ihre Fiktionalität bestimmt wäre. Das würde auch Fluderniks Auffassung gerecht, nach der Erzählen – unabhängig davon, ob es von ‚erfundenen‘ oder fantastischen Dingen handelt – grundlegend fiktional ist, weil es auf Bewusstsein(sdarstellung) basiert (s. Kapitel 1.1).

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45

Das Gleiche gilt traditionell in umgekehrter Perspektive für die Literaturwissenschaft: „Stempel trennt in aller Schärfe gebrauchssprachliche Textsorten, unter deren Normen Einzeltexte mittels bloßer Reproduktion erzeugbar seien, und die singuläre literarische ‚Schöpfung‘ außerhalb aller generischen Regeln“ (Dammann 2000, S. 550 mit Bezug auf Stempel 1972). Adamzik grenzt die „Welt des Spiels/der Phantasie“ ab von der „Standardwelt“, der „Welt des Übersinnlichen“, der „Welt der Wissenschaft“ und der „Welt der individuellen Sinnfindung“ (vgl. Adamzik 2004, S. 61 ff.). Die Unterscheidung der Welten begreift Adamzik als analytische. Nicht alle Texte seien ausschließlich auf eine Welt zu beziehen, sondern für ihre Interpretation sei es wichtig zu berücksichtigen, welche Welten sie als Bezugssysteme einbeziehen oder auch ausschließen (vgl. Adamzik 2008, S. 156).

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3 Narrative Musterbildung

Die zweite grundlegende Unterteilung in mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch ist laut Adamzik (ebd., S. 157 ff.) ebenso problematisch, da sich hinter dieser Unterscheidung nicht nur eine mediale Dichotomie, sondern auch das graduelle Kriterium der Konzeption von Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit verbirgt (vgl. Koch/Österreicher 1985). Eine Textlinguistik, die sich auf medial schriftliche Texte beschränkt, kann demnach sehr wohl mit konzeptionell mündlichen Texten zu tun haben, während konzeptionell schriftliche Texte auch Gegenstand gesprächslinguistischer Betrachtung sein können (das betrifft Erzählungen in besonderem Maße). Darüber hinaus hält Adamzik die Dichotomie gesprochen – geschrieben angesichts des Multimedia-Zeitalters für anachronistisch: „Zum Sprachlichen – sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Realisation – kommen Bilder und Grafiken, Musik, Filme, Animationen und natürlich parasprachliche Merkmale sowie Gestik und Mimik hinzu“ (Adamzik 2008, S. 159). Eine Typologisierung nach medialen Gesichtspunkten hätte demnach viel mehr Formen zu berücksichtigen. Auch hier ist das Erzählen in besonderem Maße betroffen. Eine intermediale Erzählforschung versucht, dem gerecht zu werden (vgl. z.B. Ryan 2014a; Wolf 2013). Versuche der Annäherung von Textlinguistik und Literaturwissenschaft sind allerdings rar, sodass es für schreibdidaktische Überlegungen kaum tragfähige theoretische Bezugspunkte gibt, die beide Disziplinen vereinen (was sich auch in der Trennung von Sprach- und Literaturdidaktik widerspiegelt). Da die Schreibdidaktik in der Linguistik verankert ist, orientiert sie sich auch in Bezug auf narrative Texte hauptsächlich an deren linguistischer Betrachtung. Während man bei den Versuchen, in der Linguistik theoretisch befriedigende Texttypologien zu entwickeln, zunächst Textsorten auf der Basis einzelner Kriterien voneinander abgegrenzt hat, wird in Mehr-Ebenen-Modellen die These vertreten, dass „das Textmusterwissen durch multidimensionale Zuordnungen von prototypischen Repräsentationen auf unterschiedlichen Ebenen (Schichten) zustandekommt“ (Heinemann/Vieweger 1991, S. 147). 46 Die Ebenen leiten sich aus den Eigenschaften von Texten ab, die sich grob in vier Aspekte unterteilen lassen (vgl. Adamzik 2004) und den zuvor einzeln betrachteten Ebenen entsprechen: 46

(sprachliche) Gestalt, Thema/Inhalt, Funktion, situativer Kontext.

Heinemann ersetzt den Begriff „Textmusterwissen“ später in einem Handbuchartikel durch die Formulierung „das Wissen der Kommunizierenden über Textsorten“ (Heinemann 2000, S. 513) und grenzt Textsorten und Textmuster voneinander ab (vgl. ebd., S. 515 ff.).

3.1 Textmuster und Mustertexte

53

Alle Versuche, Texte einheitlich und eindeutig zu typologisieren, sind bisher gescheitert, da Einzeltextsorten in unterschiedliche kontextuelle und funktionale Zusammenhänge eingebettet werden können (vgl. Heinemann 2000, S. 512). 47 Adamzik betont, dass die vier Aspekte quer zueinander liegen und daher auch nicht in eine einzige Typologie eingehen, sondern nebeneinander verwendet werden sollten: „Typologien (…) sind kein Sortier-, sondern ein Beschreibungswerkzeug – ganz so, wie wir es aus Lexikologie und Grammatik gewohnt sind: Ein Wort kann u.a. in Bezug auf seine Wortart, seine morphologische Komplexität, seine Herkunft klassifiziert werden, ein Satz in Bezug auf seine Länge, seine Komplexität, den Satzbauplan usw., mit Wort- oder Satzsorten im Sinne von Typologien, die mehrere dieser Eigenschaften kombinieren, rechnen diese Disziplinen aber nicht, und das ist zweifellos auch gut so“ (Adamzik 2008, S. 164). Die Merkmale von Texten einer Textsorte differieren dementsprechend je nach Zusammenhang und Zweck einer Klassifizierung. Auch das ist schreibdidaktisch relevant, weil es die einseitige Orientierung an einer einzigen Klassifikation in Frage stellt. Zwei Kriterien stehen in der Linguistik bei den Versuchen, theoretisch befriedigende Texttypologien zu entwickeln, bisher im Vordergrund: die Textfunktion und die Themenentfaltungstypen bzw. Vertextungsmuster. Letztere bilden die Basis für die Vermittlung unterschiedlicher Textsorten in der Schule, die sich in expliziten Lernformen hauptsächlich an dieser einzigen Klassifikation orientiert. Zur Textfunktion narrativer Texte Und Ikarus konnte seinen Kindern die Geschichte noch erzählen (Bolko S36d). Die Ordnung von Texten nach ihrer Textfunktion ist begründet durch die Erkenntnis, dass Texte nicht isoliert für sich stehen, sondern immer eingebettet sind in einen kommunikativen Zusammenhang, in dem der Text als sprachliche Handlung eine Funktion hat: „Unter pragmatischer (sprechakttheoretischer) Perspektive erscheint der Text nicht mehr als grammatisch verknüpfte Satzfolge, sondern als (komplexe) sprachliche Handlung, mit der Sprecher oder Schreiber eine bestimmte kommunikative Beziehung zum Hörer oder Leser herzustellen versucht“ (Brinker 2014, S. 15f.; Hervorhebung i.O.).

47

Angesichts der Vielfalt und Uneinheitlichkeit von Textsortenbeschreibungen hatte Isenberg 1978 gefordert, theoretisch fundierte Kriterien wie Homogenität, Monotypie, Striktheit und Exhaustivität für die Darstellung von Textsorten zugrunde zu legen, diese erwiesen sich jedoch als inadäquat (vgl. Heinemann 2000, S. 512).

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3 Narrative Musterbildung

Mit der Textfunktion wird „die im Text mit bestimmten, konventionell geltenden, d.h. in der Kommunikationsgemeinschaft verbindlich festgelegten Mitteln ausgedrückte Kommunikationsabsicht des Emittenten“ (ebd., S. 97; Hervorhebung i.O.) bezeichnet. Die Textfunktion beschreibt also, als was der Rezipient den Text insgesamt auffassen soll, nicht, welche Wirkung er tatsächlich auf ihn ausübt (vgl. ebd., S. 97 f.). Im Anschluss an die Sprechakttypen von John R. Searle unterscheidet Brinker grundlegend fünf Textfunktionen, denen Texte entsprechend ihrer Grundfunktion zugeordnet werden können: Informations-, Appell-, Obligations-, Kontakt- und Deklarationsfunktion (vgl. ebd., S. 105 f.). In einer Fußnote erwähnt Brinker auch „die sog. poetische (ästhetische) Funktion, die in literarischen Texten dominiert, und primär Gegenstand literaturwissenschaftlicher Untersuchungen ist“ (ebd., S. 106, Fußnote 68). Für eine funktionale Einordnung literarischer Texte wird also auf die Literaturwissenschaft verwiesen. Mit Bezug auf Fludernik, für die das eigentlich Narrative in der Vermittlung anthropozentrischer Erfahrung besteht, könnte man die Grundfunktion einer Erzählung als „Erfahrungsfunktion“ bezeichnen. Während Sachtexte die Funktion haben, den Leser zu informieren, besteht die Kommunikationsabsicht beim Erzählen darin, (vorgestellte) Erfahrungen zu vermitteln. Das Poetische/Ästhetische würde dann nicht die Kommunikationsabsicht (im Sinne einer Textfunktion) darstellen (z.B. die Absicht, etwas besonders „schmückend“ darzustellen), sondern eine Form, die in besonderem Maße geeignet ist, Erfahrungen auszudrücken. In didaktischer Perspektive würden mit der Bestimmung einer solchen Grundfunktion die Inhalte von Erzählungen an Bedeutung gewinnen. Die Zuordnung von Texten zu einer Grundfunktion wird aber auch grundsätzlich kritisiert. So hält Fritz es für problematisch, konkreten Texten eine Textfunktion klar zuzuordnen. Sogar innerhalb einzelner Textabschnitte sind zum Teil unterschiedliche Textfunktionen ineinander verschränkt (vgl. Fritz 2013, S. 467). Als Beispiel führt Fritz eine empirische Untersuchung von Packungsbeilagen an, die zeigt, dass die Abschnitte über Neben-/Wechselwirkungen und Gegenanzeigen eine Verschränkung informierender, aufklärender, anweisender und empfehlender Textteile aufweisen: „Der empirische Befund deutet aber darauf hin, dass das vermutete Problem vor allem ein Problem dieser Theoriekonzeptionen ist. Die ‚Verschränkung‘ ist für manche Texttypen gerade der Normalfall“ (vgl. ebd. mit Bezug auf Schuldt 1998, S. 585). Narrative Texte können (aus pragmatischer Perspektive) ganz unterschiedliche Funktionen haben: Geschichten werden erzählt, um zu überzeugen, zu unterhalten, Wissen zu vermitteln etc. Auch eine einzelne Erzählung kann mehreren Funktionen gerecht werden. Zudem entziehen sich literarische Texte schon allein aufgrund ihres (vom Autor durchaus beabsichtigten) Deutungsspielraums einer eindeutigen Funktion, sodass

3.1 Textmuster und Mustertexte

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die Bestimmung einer einheitlichen Funktion narrativer Texte unterhalb der Vermittlung von Erfahrung kaum möglich scheint. Eine Orientierung an einer einzigen Funktion (z.B. der Funktion, den Leser spannend zu unterhalten) bei der Konzeption von Unterricht zum schriftlichen Erzählen wird der Vielfalt des Gegenstandes jedenfalls nicht gerecht.

Zum strukturellen Muster narrativer Themenentfaltung Spiderman ging in der Stadt spazieren, als er plötzlich {er} ein Schreien einer Frau hörte (Anoop F99m). Als Gegenstand linguistischer Forschung wird Erzählen nicht (nur) als Textsorte, sondern als eine Grundform von Kommunikation aufgefasst. Es wird davon ausgegangen, dass es ein vom Medium (schriftlich oder mündlich, face-to-face oder medial vermittelt), vom Kontext (alltägliche Interaktion oder Literatur) und von der speziellen Form, in der erzählt wird (der Gattung oder der Textsorte), unabhängiges „narratives Vertextungsmuster“ gibt, das sich von anderen grundlegenden Mustern abgrenzen lässt (vgl. Gülich/Hausendorf 2000, S. 369 f.): „Erzählen gilt als eine Grundform: in verschiedenen Ansätzen zur Unterscheidung von Texttypen, Textsorten oder Textmustern gehört das narrative Muster – meist neben dem argumentativen, dem deskriptiven und dem explikativen – zu den fundamentalen Mustern […] oder zu den ‚Prototypen‘“ (ebd., S. 370). Elisabeth Gülich und Heiko Hausendorf stellen drei Perspektiven vor, unter denen Erzählen analysiert werden kann (vgl. ebd., S. 370 ff.): -

die Perspektive der Interaktion, die Perspektive auf den – aus dem Interaktionszusammenhang herausgelösten – Erzähltext („discours“), die Perspektive auf die Geschichte („histoire“).

Die Perspektive der Interaktion ist grundlegend für Forschungsarbeiten, die sich auf die Analyse der Interaktionsstruktur mündlicher Erzählungen beziehen. Gülich/Hausendorf regen an, diese Perspektive auch für die Analyse schriftlicher Erzählungen fruchtbar zu machen. Ausgehend von dem konversationsanalytischen Ansatz von Hausendorf/Quasthoff (1996) bestimmen sie „narrationsspezifische Aufgaben“, die sie für eine Mündlichkeit und Schriftlichkeit übergreifende Erzählkonzeption geeignet halten: Darstellen von Inhalts- und/oder Formrelevanz, Thematisieren, Elaborieren und Dramatisieren, Abschließen, Überleiten. Konkrete Textelemente und -strukturen gelten ihnen dabei als Formen und Mittel der Bearbeitung und Lösung dieser Aufgaben. So eröffnet im Schriftlichen z.B. die Überschrift (z.B. der Titel „Der Räuber Hotzenplotz“

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3 Narrative Musterbildung

oder die Überschrift des ersten Kapitels „Der Mann mit den sieben Messern“) in ähnlicher Art und Weise die Erzählung wie die Thematisierung eines Ereignisses im Mündlichen (z.B. „Neulich habe ich gesehen, wie jemand bestohlen wurde…“). Die textlinguistisch geprägte Forschung konzentriert sich vor allem auf den Erzähltext. Für diese Perspektive unterscheiden Gülich/Hausendorf zwei Zugänge: „der Zugang von einzelnen sprachlichen Phänomenen aus, die wesentlich zur Konstitution von Erzählungen beitragen, und der Zugang von einer Gesamtstruktur aus“ (Gülich/Hausendorf 2000, S. 371). Bei der Untersuchung einzelner sprachlicher Phänomene handelt es sich hauptsächlich um grammatische Phänomene, die unabhängig vom Inhalt der Geschichte als erzähltypisch betrachtet werden. Untersuchungen zum Tempus, zu verschiedenen Formen pronominaler Substitution und zu Gliederungselementen werden als exemplarisch für den ersten Zugang genannt (vgl. ebd.). 48 Für den Zugang von der Globalstruktur aus gilt die Arbeit von Labov/Waletzky (1967) als grundlegend, und zwar nicht nur für mündliche Erzählungen (die Gegenstand der Untersuchung der Autoren waren), sondern auch für schriftliche. Die zentralen thematischen Kategorien der narrativen Themenentfaltung gehen auf die in dieser Untersuchung herausgearbeitete prototypische Struktur für die „Normalform des Erzählens“ (Labov/Waletzky 1973, S. 124) zurück. Labov/Waletzky verstehen Erzählen als eine „verbale Technik der Erfahrungsrekapitulation (…) im besonderen als die Technik der Konstruktion narrativer Einheiten, die der temporalen Abfolge der entsprechenden Erfahrung entsprechen“ (ebd., S. 79). Sie definieren die Minimalbedingung einer Erzählung wie folgt: „Jede beliebige Teilsatzfolge, die zumindest eine temporale Grenze enthält, ist eine Erzählung“ (ebd., S. 105). Auf der Basis mündlicher Erlebniserzählungen zu einer lebensbedrohlichen Situation, die die Probanden selbst erlebt haben, arbeiten Labov/Waletzky die prototypische Struktur einer (Höhepunkt-) Erzählung heraus: Orientierung (orientation), Komplikation (complication), Auflösung (resolution), Coda (coda). Labov ergänzt das Strukturmodell um das Element der (kurzen) Zusammenfassung (abstract), mit der Erzähler ihre Geschichte beginnen (vgl. Labov 1972, S. 363 f.). Neben dieser referentiellen Funktion des Erzählens, die die Frage nach dem „Und dann?“ beantwortet, beschreiben die Soziolinguisten noch eine zweite Funktion: die evaluative. Ohne eine Evaluation ist eine Erzählung laut Labov/Waletzky keine vollständige Erzählung (vgl. Labov/Waletzky 1973, S. 114). Erst durch die Evaluation wird die Bedeutsamkeit der Geschehnisse vermittelbar, sodass sich die Frage des Zuhörers nach dem „Na, und?“ erübrigt.

48

Die Untersuchung von Gliederungselementen (Gülich/Raible 1979) stellt eine Verbindung zwischen beiden Zugängen her, indem sie die Funktion einzelner sprachlicher Elemente für die Gesamtstruktur betrachtet.

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„That is what we term the evaluation of the narrative: the means used by the narrator to indicate the point of the narrative, its raison d‘ȇtre: why it was told, and what the narrator is getting at“ (Labov 1972, S. 366). Labov beobachtet in den untersuchten Erzählungen eine Konzentration der Evaluationen zwischen Komplikation und Auflösung, fügt aber hinzu, dass sie über die ganze Erzählung verteilt vorkommen können (vgl. ebd., S. 369). Die Evaluation einer Erzählung wird von Labov/Waletzky als „jener Teil der Erzählung definiert, der die Einstellung des Erzählers gegenüber seiner Erzählung dadurch anzeigt, daß die relative Wichtigkeit bestimmter narrativer Einheiten mit Bezug auf andere hervorgehoben wird“ (Labov/Waletzky 1973, S. 118 f.) – die evaluative Funktion betrifft also Sprachformen der Hervorhebung. Nach Labov wird Erzählwürdigkeit erzeugt, indem das „Ungewöhnliche“ hervorgehoben wird: „Evaluative devices say to us: this was terrifying, dangerous, weird, wild, crazy; or amusing, hilarious, wonderful; more generally, that it was strange, uncommon, or unusual – that is, worth reporting. It was not ordinary, plain, humdrum, everyday, or run-of-the-mill“ (Labov 1972, S. 371). Das Kriterium der „Ungewöhnlichkeit“ prägt in Entwicklungsstudien die Perspektive auf die Geschichte. Gülich und Hausendorf kritisieren diese Einschränkung: „Wenn eine Erzählung jedoch nur unter bestimmten Bedingungen wie etwa Ungewöhnlichkeit als ‚Geschichte‘ gilt, dann werden gegenüber einem umfassenden Begriff von Erzählen (…) schon Einschränkungen deutlich“ (vgl. Gülich/Hausendorf 2000, S. 372 f.). Keine Untersuchung zum Erzählen hat Studien zur kindlichen Erzählentwicklung und den schulischen Erzählbegriff so stark geprägt wie die (formale) Analyse der Globalstruktur von Erzählungen der Soziolinguisten Labov/Waletzky. Die Analyse der referenziellen Funktion, die in dem Aufsatz von Labov/Waletzky dreimal so umfangreich ist wie die Analyse der evaluativen Funktion (22 von 30 Seiten), hat dabei einen weitaus größeren Niederschlag in der didaktischen Diskussion und im Unterricht gefunden als die knappe Darstellung der evaluativen Funktion. Explizite strukturbezogene Musterbildung Er ging zu seinem Schüler und sagte, ich bringe dir Kunst bei (Elizna S91m). Im „Lexikon Deutschdidaktik“ definiert Kurt Rose ein „Textmuster“ als „prototypisches Textbeispiel für eine Textsorte mit abstrahierten textsortenspezifischen Kennzeichen in Bezug auf Textaufbau und/oder Auswahl sowie Einsatz bestimmter sprachlicher Mit-

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3 Narrative Musterbildung

tel, das Normen für sprachlich-kommunikatives Handeln mit gleicher Absicht in gleichen/ähnlichen Situationen repräsentiert und im Sprachlernprozess bewusst zur Entwicklung der Textsortenkompetenz eingesetzt wird“ (Rose 2006, S. 758). Ein solches Textmuster ist demnach kein authentisches Textexemplar, sondern ein für didaktische Zwecke konstruiertes Textbeispiel, dessen Aufbau und sprachliche Mittel als prototypisch für eine bestimmte Textsorte erachtet werden. Textmuster dieser Art sind bekannt aus Sprachlehrbüchern. Rose weist darauf hin, dass das Textmuster „nicht als zu imitierende Vorgabe betrachtet werden, sondern die Grundlage für individuelle gegenstands- und situationsangemessene Textgestaltungen bilden“ (ebd.) soll. Die Orientierung an prototypischen Textmustern mag für (stark) normierte Textsorten (wie Kochrezept oder Lebenslauf in Bewerbungen etc.) funktional erscheinen. Wenn im Schreibunterricht aber konstruierte ‚spannend‘ und ‚anschaulich‘ erzählte Geschichten präsentiert werden anstelle von Literatur, die durch Individualität und Vielfalt geprägt ist, besteht die Gefahr einer Stereotypisierung. So bezeichnet Klaus Maiwald das bekannte Modell der „Erzählmaus“, 49 nach dem in der Schule üblicherweise Höhepunkterzählungen verfasst werden, als ein „schematisiertes und reduziertes Erzählmuster“ (Maiwald 2011, S. 62). Statt dramaturgischer Vielfalt repräsentiert die Mauskurve eine „Monokultur“ (ebd., S. 69). „Zweitens ist der Automatismus des dramatischen Höhepunkts künstlich und erzeugt fast immer sprachliche Klischees und Banalitäten. In typischen Schüleraufsätzen heißt es auf dem Weg zum Höhepunkt gerne ‚Gesagt, getan!‘ oder […] ‚Doch da!‘. Am Höhepunkt selbst gibt es bevorzugt ‚rasende Herzen‘, ‚schlotternde Knie‘ oder […] ‚feuchte Hände‘. Am Ende ist man dann gerne ‚noch einmal davongekommen‘, hat man ‚noch mal Glück gehabt‘ und wird ‚dieses Erlebnis nicht so schnell vergessen‘“ (Maiwald 2011, S. 62 f.). 50 Ein Problem der schulischen Vermittlung von Textsorten durch Mustertexte besteht darin, dass die gewünschte Vereinfachung wegführt von konkreten Texten, an denen Lernende differenzierte Muster ausbilden können.

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Das Modell der „Erzählmaus“ ist deutlich erkennbar aus der Theorie des geschlossenen Dramas abgeleitet und ähnelt dem Plotmuster des typischen Hollywoodfilms (vgl. Maiwald 2011, S. 62). Sie bildet die Struktur einer Höhepunkterzählung ab, wie sie Labov/Waletzky (1973) als „Normalform des Erzählens“ beschreiben. Solche Formulierungen entsprechen denen in Mustertexten, die Lehrerinnen und Lehrer in Schulbüchern und auch im Internet für die Vermittlung der einzelnen Erzählschritte finden, z.B. heißt es in dem Mustertext „Wie Lea ihre Angst überwand“: „Gesagt getan. Alle sprangen problemlos, bis Lea dran war. Sie stand zitternd auf dem Turm, die glitschigen Fußabdrücke hinter ihr. Ihr lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Sie hatte weiche Knie. ‚Wie soll ich das nur schaffen?‘, flüsterte sie“ (Weber/Weiß 2013).

3.1 Textmuster und Mustertexte

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Während der traditionelle Aufsatzunterricht davon ausgeht, dass Textsorten durch die Vermittlung ihres spezifischen Textaufbaus und bestimmter sprachlicher Mittel lehrund lernbar sind, begreift die kommunikationsorientierte Didaktik Schreiben als kommunikative Handlung und thematisiert die Situierung der Aufgabe als relevanten Faktor für die Ausbildung von Schreibkompetenz. Vor diesem Hintergrund grenzt sich Helmuth Feilke in seiner „Didaktik der Textprozeduren“ von „starren Mustern und globalen Produktvorgaben“ (Feilke 2010, S. 8) für Texte ab: „Nicht das Muster an sich, sondern der Gebrauchszusammenhang ist kompetenzrelevant, und der ist über ein Memorieren von Ausdrucksmustern gerade nicht zu ermitteln“ (ebd., S. 3). Für Feilke steht der Handlungsaspekt der Sprache beim Textschreiben im Vordergrund. Literale Prozeduren, die Schreibprozeduren und Textprozeduren umfassen, bilden aus Feilkes Sicht das „lehr- und lernbare Schreibwissen“ (Feilke 2012, S. 10). Während es bei Schreibprozeduren darum geht, was man beim Schreiben tun muss (z.B. Planen, Überarbeiten etc.), bezeichnen Textprozeduren, was man beim „Texten“ tun muss (z.B. beim Erzählen, Argumentieren etc.). Textliche Handlungsschemata „erwachsen aus dem Gebrauch der Sprache in Texten und verbinden sich mit typischen grammatischen Konstruktionen, lexikalischen Wendungen und satzübergreifenden Mustern der Textorganisation zu Textprozeduren als den Werkzeugen der Textbildung und des Schreibens“ (Bachmann/Feilke 2014, S. 8). Unterschiedliche Prozedurausdrücke können ein bestimmtes Handlungsschema eines Texthandlungstyps realisieren, so können z.B. Ausdrücke wie „plötzlich“ oder „es zogen dunkle Wolken auf“ beim Erzählen Spannung aufbauen (vgl. Feilke 2009, S. 5 u. 9). Am differenziertesten sind die strukturbildenden Funktionen prozeduraler Ausdrucksmuster für das Argumentieren beschrieben (z.B. die konzedierende Funktion von Ausdrücken wie „zwar…aber“, vgl. z.B. Feilke 2014, S. 24 ff.). Eine systematische Übersicht, wie sie zu Textprozeduren des Argumentierens vorliegt, ist für Textprozeduren des Erzählens bisher noch nicht veröffentlicht. 51 Feilke erkennt die „Bedeutung der Texterfahrung als Ressource für Erzählkompetenz“ (Feilke 2013, S. 6): „So, wie für das mündliche Erzählen der Dialog wichtige Stützstrukturen bereitstellt, zeigt sich für die literale Erzählkompetenz schon früh die Wirksamkeit der ästhetischen Spracherfahrung im Umgang mit Schrifttexten“ (ebd., S. 7). Im Mittelpunkt seiner didaktischen Überlegungen – die sich vorwiegend auf den Unterricht in der Mittel- und Oberstufe bzw. das Studium beziehen – stehen aber Möglichkeiten, explizites prozedurales Sprach- und Textwissen als Textprozedur verfügbar 51

Exemplarisch nennt Feilke den Aufbau von Spannung und die Vorbereitung des Planbruchs als „Subhandlungsschemata“ des Erzählens (vgl. Feilke 2014, S. 25).

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3 Narrative Musterbildung

und anwendbar zu machen. In Feilkes Verständnis der „Sprache als Werkzeug“ kommt es ihm darauf an, „den Umgang mit den Werkzeugen zu lernen, das heißt die prozedurale Kompetenz zu stärken und Texttechniken zu schulen. Damit die Schüler überhaupt eine Ahnung bekommen können, muss man die Werkzeuge selbst erst einmal zeigen und die Aufmerksamkeit darauf lenken“ (Feilke 2010, S. 9). In diesem Sinne wird die Rezeption und Analyse von Texten im Unterricht als elementarer Bestandteil des Schreibunterrichts begriffen. Eine prozedurenorientierte Didaktik scheint geeignet, den funktionalen Gebrauch von Sprachformen explizit zu lehren. Während es bei den Prozedurausdrücken in der schreibdidaktischen Konzeption von Feilke aber hauptsächlich um strukturbildende Sprachformen geht, werden hier vorstellungsbildende Sprachformen untersucht. Es geht nicht darum, „Werkzeuge“ des Erzählens zu bestimmen, sondern um die Frage, wie Lernende zur Sprache bringen, was sie sich vorstellen, wie vorgestellte Erfahrung zum Motor für Sprache werden kann und welches didaktische Potenzial im schriftlichen Erzählen zu Vorgaben mit narrativem Gehalt liegt – jenseits einer expliziten Vermittlung sprachlicher Werkzeuge. Ein impliziter Zugang wird darüber hinaus als Basis für explizite Formen des Lernens verstanden.

3.2 Narrative Muster als Material der Transformation Und sie steuern ohne Fehler hinaus ins weite schöne Meer, hinaus in das Leben, weit hinaus (Anna G08d). Aus schreibdidaktischer Perspektive setzt Dehn (2005) dem festgelegten Muster eines Prototyps, dem sich Lernende stufenweise annähern, einen anderen, sehr weiten Musterbegriff entgegen. Sie kennzeichnet Muster als etwas Bewegliches, als Qualität, die sich ausdehnt: „Sie werden generiert bei der Wahrnehmung und Aneignung der Lebenswelt, bezeichnen einen präexistenten Zustand, eine Qualität, in der Erfahrungen, Begriffe, Symbolisierungen und Gestaltungen virulent vorhanden sind“ (ebd., S. 13). Dehn beschreibt die Musterbildung als „eine Art Pendelbewegung (…), nämlich die Internalisierung von Erzeugtem und Vorgefundenem (…) und die Entäußerung davon beim Schreiben“ (ebd.). Erst im „Spiel zwischen Vorgegebenem und Hervorgebrachtem, zwischen Rezeption und Produktion“ (Dehn et al. 2014, S. 496) können Muster sichtbar werden. Das Schreiben ist dabei ein fruchtbarer Transformationsprozess, weil es bedingt durch seine Linearität auf besondere Art und Weise das „entfalten kann, was in der inneren Sprache ‚verdichtet‘ ist“ (Dehn 2005, S.11 mit Bezug auf Wygotski 1969). Narrative Muster sind in diesem Verständnis Grundlage für Transformations-

3.2 Narrative Muster als Material der Transformation

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prozesse (als Muster im Vorgegebenen, im verfügbaren Geschichtenfundus) und Ergebnis von Transformationsprozessen (als Muster im Hervorgebrachten, in der schriftlichen Erzählung). Sie sind das „Material der Transformation“ (ebd., S. 13). In dieser Perspektive ist bedeutsam, welche Auswahl und welchen Spielraum Lernende bei der Wahrnehmung und Aneignung von Erzählungen für das Generieren narrativer Muster haben und erhalten. Zur Intertextualität … und sein Fell war so weiß wie Schnee (Keona F34m). Im schreibdidaktischen Konzept von Dehn (1999; et al. 2011) gilt Intertextualität als grundlegend für das Schreiben. „Literarität“ wird neben „Literalität“ als wesentlicher Aspekt des Schreibens als kultureller Tätigkeit bestimmt: „Schreiben erfolgt in Korrespondenz zum Lesen, allgemeiner: in Korrespondenz zu dem, was das Subjekt bei der Rezeption von symbolisch vermittelten Inhalten in der Vorstellung konkretisiert“ (Dehn et al. 2011, S. 33). Für das Erzählen bedeutet das, dass das Schreiben von Erzählungen zum einen immer im Kontext der Storyworlds erfolgt, die die oder der Einzelne während der literarischen Sozialisation in der Vorstellung erzeugt hat, und zum anderen, dass Literatur- und Sprachunterricht in der Schule zusammengehören. Dementsprechend schlägt das Konzept vor, Schülerinnen und Schülern einen vielfältigen musterhaltigen Geschichtenfundus in der Schule zugänglich zu machen und mit der Aufgabenstellung zum Schreiben sowohl die Vorstellungsbildung aus der direkten Wahrnehmung anzuregen, als auch den Rückgriff auf den Fundus an narrativen Welten zu ermöglichen, den sich das Kind bereits angeeignet hat, indem Texte im Kontext von Vorgaben geschrieben werden – das können Geschichten, Bilder, Bilderbücher, eine Beobachtung, Filme, Computerspiele etc. sein. Das Schreiben zu Vorgaben ermöglicht damit in inhaltlicher Perspektive Auswahl- und Distanzierungsmöglichkeiten. Ist die Vorgabe sprachlich gefasst, eröffnet sie darüber hinaus einen Zugang zu einem Fundus an narrativen Mustern als Sprachformen. Dehn zeigt an etlichen Beispielen, dass Texte von Grundschülerinnen und schülern literarische und mediale Muster enthalten, die den Text zum Text machen: „Geschichtenform, Chiasmus, Metapher, erlebte Rede, Selbstreferenzialität der Zeigwörter, Spiel mit Erzählhaltung und Perspektive sind nicht Zusatz, schmückendes Beiwerk in den Kindertexten, sondern sie konstituieren sie“ (ebd., S. 64 f.).

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3 Narrative Musterbildung

Deutlich wird, „dass die ästhetische Sprachfunktion schon für junge Kinder handhabbar und nicht abhängig ist etwa von einem bewussten Gebrauch von Mitteln“ (ebd., S. 65; Hervorhebung i. O.). Allerdings bedarf es dafür geeigneter Kontexte. Aufgaben, die eine Korrespondenz zum Geschichtenfundus ermöglichen, scheinen das Erproben narrativer Muster zu befördern: Während z.B. Schülerinnen und Schüler, die am Ende von Klasse 1 im Abstand weniger Tage in ihren Erlebniserzählungen zumeist nur ein einziges Ereignis benennen oder mehrere reihend formulieren und der Leser die Erzählwürdigkeit selbst erschließen muss (z.B. „Im Zirkus. Ich bin am Samstag in den Zirkus gegangen und mit meinen Eltern“, Isabel), entfaltet die deutliche Mehrzahl derselben Kinder beim Schreiben zum Bilderbuch ganze Geschichten („Die Maus. Es war einmal eine Haselmaus. Die Maus war sehr klug und sehr schnell und vor allem war sie mutig. Aber sie hatte keine Freunde. Eines Tages beschloss sie wegzugehen. Sie ging und ging davon. Eines Tages traf sie einen Riesen und der Riese und die Maus waren sehr gute Freunde“, Isabel) (vgl. ebd., S. 8-10). Zu einem lernförderlichen Kontext gehören zudem Leser, die aufmerksam sind für das „Spiel der Schreibenden mit Mustern, wie sie ihnen aus Texten, aus alten und neuen Medien, bekannt sind“ (ebd.). Das Erkennen intertextueller Bezüge kann auch für das Verständnis eines Textes bedeutsam sein: „Texte hängen oft mit anderen Texten zusammen. Das gilt für Vorbilder, an denen sich die Schreiber orientieren, das gilt für Texte, die sich dialogisch auf andere Texte beziehen (Antworten auf E-Mails, Kontroversenbeiträge), das gilt für ‚Texte zu Texten‘ wie Rezensionen und Kommentare und es gilt für die zahllosen Texte, die andere Texte zitieren, von den alltäglichen Zeitungen bis zu wissenschaftlichen Arbeiten. In vielen Fällen strukturieren die Bezugstexte die auf sie bezogenen Texte in allen Bereichen der Textorganisation auf vielfältige und subtile Art, sodass intertextuelle Beziehung entsteht, die für das Verständnis des jeweiligen Textes und seiner Struktur eine wichtige Rolle spielt“ (Fritz 2013, S. 16). Fritz veranschaulicht einen solchen intertextuellen Bezug am Beispiel von Lesern, die regelmäßig Kriminalromane einer Serie lesen und aus einer bestimmten Handlung des Kommissars Rückschlüsse auf seine psychische Verfassung ziehen können, weil sie seine Gewohnheiten kennen. Als Beispiel führt Fritz Donna-Leon-Leser an, die wissen, dass Commissario Brunetti gerne klassisch-lateinische Literatur in der Originalsprache liest, wenn er von seiner Arbeit etwas frustriert ist, sodass sie die Mitteilung, dass der Kommissar zu einem bestimmten Zeitpunkt ein dementsprechendes Buch zur Hand nimmt, als Hinweis auf seine psychische Verfassung verstehen können (vgl. Fritz 2013, S. 448). In ähnlicher Art und Weise werden Leser, die die Trilogie „König der Löwen“ kennen, kein Verständnisproblem mit dem Anfang von Rafaels Erzählung haben, die die Überschrift „König der Löwen 4“ trägt: Klara und Kufo dürfen endlich zusammen sein (Rafael F23d). Mit diesem Satz schließt Rafaels Erzählung direkt an den Disney-

3.2 Narrative Muster als Material der Transformation

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Film an, der mit der Vereinigung der verfeindeten Rudel der beiden Löwenkinder endet. 52 Antonias Erzählung hingegen entfaltet gerade im Bruch mit dem Original ihre Erzählwürdigkeit: Es war einmal ein Mädchen namens Rotkäppchen. Ihre Oma war sehr krank. Sie sollte Chips und einen Pokertisch und Pokerkarten ihrer Oma bringen. Da sah der Wolf Rotkäppchen, da kam er und sagte, wollen wir pokern. Da sagte Rotkäppchen, ja, gerne. Da pokerten sie, bis sie starben (Antonia F88d). Nur Leser, die das Märchen von Rotkäppchen kennen, können Gefallen an der Übertragung des Stoffs in die heutige Zeit und an dem unerwarteten Verhalten des Wolfs finden oder die Variation aus diesem Grund ablehnen. Implizite Musterbildung Es gab kleine Wellen. Die schubsten das Schiff (Alex G49m). Die hohe Komplexität von Erzählungen legt in Erwerbsperspektive Lehrarrangements nahe, die implizites Lernen ermöglichen: Der implizite Lernmodus tritt vor allem unter Bedingungen hoher Komplexität in Erscheinung und ist unter diesen Bedingungen erfolgreicher als das ausdrücklich angeleitete Lernen (vgl. Neuweg 2000, S. 203). Für den Schrifterwerb wurde festgestellt, dass es für die Erweiterung und Differenzierung von Strukturen wichtig ist, dass ein Lese- und Schreibanfänger eine erste „umrisshafte Vorstellung“ von Schrift gebildet hat (vgl. Dehn 2013, S. 73). Solange er „noch keinen Begriff von Schrift hat, der seine Aufmerksamkeit richten, seine Tätigkeiten steuern und die Ergebnisse so ordnen könnte, dass daraus neue Fragestellungen entstehen“, wird er Aufgaben „allenfalls mechanisch absolvieren können“ (ebd., S. 72). Übertragen auf den Erzählerwerb würde das bedeuten, dass eine explizite Vermittlung sprachlicher Mittel zu einer bloß „mechanischen“ Verwendung führen könnte. Das Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt dagegen ermöglicht, Vorstellungen einer Geschichte zu gewinnen, Interesse dafür zu entwickeln und persönliche Bedeutsamkeit zu entdecken – insbesondere, wenn der Geschichtenfundus einzelner Schülerinnen und Schüler sehr begrenzt ist. Neben den Studien von Dehn belegen folgende Studien implizit-intertextuell evozierte Musterbildung im Grundschulalter 53: Gerhard Augst, Katrin Disselhoff, Alexandra Henrich, und Thorsten Pohl (2007) untersuchen in ihrer „echten Longitudinalstudie zur Entwicklung der Textkompetenz im 52

53

Im Original heißen die Figuren „Kiara“ und „Kovu“ (vgl. König der Löwen 2). Da der dritte Teil der Trilogie die Geschichte nicht weitererzählt, sondern den ersten Teil aus der Perspektive zweier Nebenfiguren neu erzählt, ist Rafaels „König der Löwen 4“ eine logische Fortsetzung von „König der Löwen 2“. Zur Musterbildung beim Diktieren (v.a. zu Bilderbüchern) im Vorschulalter vgl. Hüttis-Graff 2012.

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3 Narrative Musterbildung

Grundschulalter“ die Formen Erzählung, Instruktion, Beschreibung, Argumentation und Bericht. Sie zeigen, dass Grundschulkinder sich Textformen wie Argumentation und Instruktion ‚erschreiben‘ können, ohne dass diese in der Schule gelehrt wurden. Besonders auffällig ist das Ergebnis bei der Instruktion: Knapp die Hälfte der Kinder erreicht am Ende der vierten Klasse die höchste Entwicklungsstufe. Die Instruktion entwickelt sich am stärksten in der 3. Klasse, wenn sie noch nicht Gegenstand des systematischen Übens ist (vgl. ebd., S. 355). Das deutet darauf hin, dass die Schreibanfängerinnen und -anfänger über kulturelle Muster verfügen (vgl. Dehn et al. 2011, S. 79). Augst et al. vermuten, dass die von Bereiter (1980) beschriebene epistemische Komponente des Schreibens, die bei kompetenten Schreibern auf Sach- und Erkenntnisfragen ausgerichtet werden kann, bei Grundschulkindern dazu führt, „dass diese sich grundlegende Aspekte des Schreibauftrags (u.a. in der Sachdimension) überhaupt erst erschreiben. Bei ihnen ist jene epistemische Dimension auf den Aneignungsgegenstand selbst bezogen, zeigt aber letztlich denselben Wirkmechanismus“ (Augst et al. 2007, S. 364 f.; Hervorhebung i.O.). Die Autorinnen und Autoren plädieren dafür, „das epistemische Schreiben in seinem Status als Bedingung der Möglichkeit von Schreibentwicklungsvorgängen überhaupt zu begreifen“ (ebd.; Hervorhebung i. O.). Auch Swantje Weinhold (2000) konnte bei der Untersuchung von Texten, die Erstklässler zu Figuren aus Kinderliteratur und -medien geschrieben haben, zeigen, dass das epistemische Schreiben bereits in Schriftstücken von Schreibanfängern aus Klasse 1 erkennbar ist. Schreibanfänger, denen es gelingt, „ihre Aufmerksamkeit auf eine einzelne und kurze Begebenheit zu konzentrieren“, verfassen „kleine Geschichten“, die typische strukturelle Erzählmuster enthalten (wie Erzählanfang und -abschluss, Markierung eines Teilereignisses oder einer Ereignis-Folge, Komplikation, Wendepunkt), obwohl sie noch keine Instruktion im Geschichtenschreiben erhalten haben (vgl. ebd., S. 151-160). Kristin Wardetzkys (1992) empirische Studie, in der sie ca. 2000 schriftliche Märchenerzählungen von Grundschulkindern (2. – 4. Klasse) untersucht, zeigt, dass die Texte inhaltliche Strukturmuster und Motive von Märchen realisieren, die im Unterricht nicht explizit gelehrt wurden. Sie beobachtet zum Teil eine „erstaunliche poetische Qualität“ (ebd., S. 200) von Stil, Ikonographie und Sprache in den Märchen der Kinder und führt diese auf die Rezeption zurück: „Märchen schreiben heißt für die Kinder offensichtlich, dem Märchen in seiner literarischen Gestalt so nahe zu kommen wie möglich, was für die Kinder wohl auch heißen mag, jene Faszination wieder zu erleben, die sie einst in der Rezeption (beim Lesen oder Vorlesen) verspürten. Damals, so muß man annehmen, erlagen sie der Verführungskraft dieser Poesie, und eben jenes Angerührtsein schlägt uns als Gestaltungwille in ihren eigenen Märchen entgegen“ (Wardetzky 1992, S. 199; Hervorhebung i.O.).

3.2 Narrative Muster als Material der Transformation

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Darüber hinaus beobachten Wardetzky/Weigel (2008) in ihrem Berliner Erzählprojekt, in dem professionelle Erzählerinnen Kindern aus sozialen Brennpunkten regelmäßig erzählen, dass auch diese Kinder literarische Sprachformen in ihren Erzählungen erproben und einen Zugang zu narrativen Mustern finden. Die Sprachformen in den Erzählungen der Grundschulkinder werden in beiden Studien nicht systematisch analysiert, sondern beispielhaft veranschaulicht. Tabea Becker kommt in ihrer Entwicklungsstudie zum mündlichen Erzählen 5-9jähriger Kinder zu dem Ergebnis, dass sich Textvorlagen sehr positiv auf die Erzählleistung auswirken. Im Vergleich zu Bildergeschichte, Erlebniserzählung und Phantasiegeschichte liegt die Nacherzählung „in den Bereichen Struktur und Länge sowie Affektmittel und rhythmische Elemente ganz vorne“ (Becker 2013a, S. 181). Interessant ist z.B., dass der Gebrauch der wörtlichen Rede bei der Nacherzählung in allen Altersgruppen sehr hoch ist. Becker führt dies zurück auf den großen Anteil an direkter Rede im Originaltext. Die Kinder erproben also offensichtlich in Korrespondenz zur Vorgabe ein erzähltypisches Muster. Abgesehen von der Nacherzählung ist die Phantasiegeschichte diejenige Erzählform, bei der die Kinder am besten ihre Erzählfähigkeiten entfalten konnten. Becker konstatiert, dass die „Nacherzählung, aber auch Inhalt und Thematik der Phantasiegeschichten belegen, wie stark die Kinder in ihrer Textproduktion von dem thematischen und sprachlichen Input, den sie von ihrer Umwelt erhalten, gesteuert werden“ (ebd.). Sonja Birkle (2012) zeigt in ihrer Interventionsstudie zum „Erwerb von Textmusterkenntnis durch Vorlesen“, dass Zweitklässler(innen) sich beim Zuhören in Vorlesesituationen Textmuster der vorgelesenen Texte aneignen. Schülerinnen und Schüler, denen während der fünfwöchigen Interventionsphase zwischen Vor- und Nacherhebung in zehn Vorlesestunden jeweils ein Märchen vorgelesen wurde, treffen weniger Fehlentscheidungen bei dem Erkennen von Musterbrüchen in „manipulierten“ Märchen als die Vergleichsgruppe, in der kein Märchen vorgelesen wurde. Die Differenz von Treffern und Zusatznennungen verbesserte sich in der Versuchsgruppe signifikant, in der Kontrollgruppe nicht (vgl. ebd., S. 206). Birkle interpretiert den Rückgang der Zusatznennungen in der Versuchsgruppe als Anzeichen dafür, dass ein Proband sich von impliziter Textmusterkenntnis leiten lässt: „Der Proband rezipiert in der Erhebungssituation einen Text, der Merkmale enthält, die ein bei ihm vorhandenes kognitives Textmuster aktivieren. Das signalisiert ihm, dass ‚alles richtig ist‘ und verhindert, dass er sich zu einer Reaktion in Form des Anhaltens des Bandes veranlasst sieht“ (ebd., S. 207).

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3 Narrative Musterbildung

Es konnte allerdings nicht gezeigt werden, dass das Vorlesen sich auch auf das Erkennen von Musterbrüchen auswirkt. Die Trefferanzahl beider Gruppen in Vor- und Nachuntersuchung zeigt, dass die Kontrollgruppe in der Nacherhebung eine kaum weniger ausgeprägte Verbesserung aufweist als die Versuchsgruppe (vgl. ebd., S. 206). Dass beide Gruppen schon in der Vorerhebung Musterbrüche erkennen, zeigt aber auch, dass die Zweitklässlerinnen und -klässler über Textmuster aus außerschulischen Rezeptionserfahrungen verfügen. Eine systematische Untersuchung einer größeren Stichprobe zur Transformation narrativer Muster beim Schreiben zu Vorgaben steht aus und soll hier im Forschungskontext einer intertextuellen Perspektive auf das schriftliche Erzählen geleistet werden. Narrative Musterbildung wird in der Studie im Kontext von Schreibaufgaben untersucht, die mit einer literarischen, bildlichen oder medialen Vorgabe einen Spielraum für Korrespondenz und Transformation beim schriftlichen Erzählen eröffnen. Von Interesse ist, welche Sprachformen als Konkretion narrativer Muster Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 erproben, wenn sie vor dem Schreiben Zugang zu „Literarität“ (vgl. Dehn 1999) haben. Mit der Entwicklung einer Übersicht zu narrativen Mustern in schriftlichen Erzählungen von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter möchte die Studie dazu beitragen, solche Muster in Lernertexten erkennen und beschreiben zu können.

4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter „Der König ist Herrscher von Land und Wasser, aber nicht der Luft!“, sagte er stolz (Maja S44d). In den letzten 30 Jahren bestand in der (deutschsprachigen) Schreibentwicklungsforschung ein klares Übergewicht zugunsten der Textsorte Erzählung (vgl. Augst et al. 2007, S. 29). Während man lange Zeit vermutet hat, dass dem Erzählen eine „Schlüsselfunktion für die sprachliche Sozialisation zuzugestehen ist“ (Wolf 2000, S. 375), zeigt die Studie von Augst et al. (2007) sehr deutlich, dass nicht der Erwerb der einen Textsorte (Erzählen) Voraussetzung ist für den Erwerb einer anderen (Instruieren, Beschreiben, Argumentieren oder Berichten). In den letzten Jahren stehen überwiegend andere Textsorten als das Erzählen im Mittelpunkt der Schreibforschung. Die empirische schreibdidaktische Forschung im deutschsprachigen Raum hat sich allerdings – auch zum Erzählen – bislang mehr auf die Schreibentwicklung, als auf die Schreibförderung konzentriert. Obwohl seit einiger Zeit in der Deutschdidaktik über die Abhängigkeit der Textqualität von der Situierung der Schreibaufgabe diskutiert wird (s. Pohl/Steinhoff 2010; Augst et al. 2007; Dehn et al. 2011), gibt es kaum Studien zum Zusammenhang von Schreibförderung/-aufgabe und schriftlicher Erzählkompetenz. 54 Auch die Wirksamkeit verschiedener Konzepte des Schreibunterrichts, die den Deutschunterricht prägen (z.B. die traditionelle Aufsatzlehre, das freie Schreiben, die prozessorientierte Schreibdidaktik) ist bislang kaum erforscht (vgl. Rüßmann et al. 2016, S. 42; in Bezug auf das Erzählen ist die Studie von Winter 1998 eine Ausnahme). Allerdings gibt es Studien, die das Erzählen intertextuell betrachten und die Wirksamkeit der Rezeption auf das Erzählen im Grundschulalter qualitativ untersuchen. Dementsprechend lassen sich Studien zum Erzählerwerb im Grundschulalter in zwei Gruppen teilen (vgl. Dehn et al. 2014, S. 493 ff): -

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Studien, die den Grad der Annäherung an das Modell einer prototypischen Höhepunkterzählung (abstract, orientation, complication, resolution, coda nach Labov/Waletzky 1967 bzw. Labov 1972) messen und die kindliche Erzählentwicklung als Abfolge in Stufen beschreiben (Boueke et al. 1995; Hausendorf & Quasthoff 1996; Ohlhus & Quasthoff 2005; Augst et al. 2007; Becker 2013a);

Einige aktuelle Studien widmen sich Aspekten der Schreibförderung. So untersucht z.B. Anskeit den Einfluss von Schreibmedium, Textsorte und Profilierung auf die Qualität der Textproduktion in der Grundschule (vgl. Anskeit/Steinhoff 2014). Im Rahmen des Forschungsschwerpunkts „Sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit“, wird derzeit untersucht, wie sich der wiederholte Einsatz verschiedener „didaktischer Textproduktionssettings“ auf die Qualität der Texte von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Familiensprachen in der 6. Jahrgangsstufe in Gymnasien, Gesamtschulen und Oberschulen auswirkt (vgl. Rüßmann et al. 2016, S. 41).

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_5

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4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

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Studien, die das Erzählen intertextuell betrachten und Bezüge zwischen Rezeption und Produktion fokussieren (Wardetzky 1992; Dehn 1999; 2002; 2005; Weinhold 2000; 2005; Wieler 2005; 2011).

Studien, die den Grad der Annäherung an das Modell einer prototypischen Höhepunkterzählung messen, untersuchen mündliche und/oder schriftliche Erzählungen. Bei der Untersuchung der mündlichen Erzählentwicklung wird auch betrachtet, welche Funktion der Diskurs zwischen Kind und Erwachsenem dabei hat (grundlegend Hausendorff/Quasthoff 1996). Während sich die Befunde in Bezug auf die referentielle Funktion des Erzählens ähneln, unterscheiden sie sich in Bezug auf die evaluative Funktion. Grundlegend beschreiben Dietrich Boueke, Frieder Schülein, Hartmut Büscher und Evamaria Terhorst (1995) zum (medial) mündlichen Erzählen zur Bildergeschichte die Entwicklungsstufen: isoliert-enumerativ (Aufzählung einzelner Fakten), linear-sequentiell (auf der Zeitachse ergibt sich ein Vorher/Nachher), kontrastiv-diskontinuierlich (unerwarteter Planbruch und Rückkehr zur Normalität), evaluativ-involvierend/narrativ (emotionale Qualifizierung der Ereignisse, ästhetische Eigenschaften des Textes). Auch Augst et al. (2007) unterscheiden beim schriftlichen Erzählen vier Stufen und heben für das Schreiben zu einem Einzelbild für das Ende dieser Entwicklung die Bedeutung des Planbruchs, das Herausarbeiten einer Pointe, die Rahmung durch eine Coda, die szenische Dramaturgie durch Rede und Gegenrede, schließlich das Erreichen eines durchgängigen „Erzähltons“ hervor (ebd., S. 51 f.). 55 Das Entwicklungsmodell zum Erzählen von Boueke et al. zeigt, dass die Evaluation von den Lernenden erst auf der höchsten Stufe realisiert wird (vgl. Boueke et al. 1995). Das könnte damit zusammenhängen, dass die Aufgabe, zu Bildergeschichten (aus: „Der kleine Herr Jakob“, Press 1981) zu erzählen, die Darstellung eines Handlungsablaufs in den Mittelpunkt stellt und ein Ereignis vorgibt, das (von den Erwachsenen) als erzählwürdig betrachtet wird. In den Bildergeschichten geht es um: -

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einen Zusammenstoß zweier Männer auf Fahrrädern; um weiterfahren zu können, baut einer der Männer die beiden kaputten Räder zu einem zusammen („Gemeinsamer Weg“);

Im Unterschied zu Boueke et al. entsteht Erzählwürdigkeit für Augst et al. erst durch die Pointe, nicht durch den Planbruch allein. Die Pointe ist „der meist witzige, aber auf jeden Fall für den Leser unerwartete, daher überraschende Einfall, der sich gegen das bisher abgelaufene Geschehen plötzlich auftut“ (Augst et al. 2007, S. 51). Eine „kurze Geschichte, die mit einer unerwarteten Wendung, einem überraschenden Effekt, einer Pointe am Ende zum Lachen reizt“ (Duden 2007b, S. 1941) ist laut Duden ein „Witz“. Dieses Kriterium scheint aber kaum übertragbar auf andere narrative Genres wie z.B. das der Sage. So ist der Sturz von Ikarus weder witzig, noch überraschend, vielmehr bestätigen sich die Befürchtungen des Lesers. Wenn Stufenmodelle sich an einem bestimmten Genre orientieren, laufen sie Gefahr, der Vielfalt des Erzählens nicht gerecht werden zu können.

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einen Mann, der unsanft beim Schlafen auf einem Holzstapel gestört wird, weil dieser zusammenstürzt, als sein an den Stapel angebundener Hund einem Hasen hinterherjagt und dabei den Haltepflock zu Fall bringt („Frühjahrsmüdigkeit“); einen Mann, der sich an einem anderen Mann rächt, nachdem er von ihm mit einem Schneeball am Kopf getroffen wird – der Mann wirft seinen Schneeball so auf ein Hausdach, dass er beim Herunterrollen immer größer wird und auf den schadenfroh lachenden Mann zustürzt („Schneeballschlacht“).

Durch den fehlenden Erfahrungsbezug und Aufgaben, die die Möglichkeit ausschließen, selbst zu thematisieren, was erzählwürdig ist, beschränkt sich die Evaluation auf die stilistische Ausgestaltung der Erzählung, die die Lernenden erst spät beherrschen. Die Fähigkeit, literarisch erzählen zu können, sprechen Boueke et al. ‚Kindern‘ von vorneherein ab: „Da es im vorliegenden Fall um eine Untersuchung der Erzählfähigkeit von Kindern geht, läßt sich der Gegenstand ‚Erzählen‘ zunächst dadurch eingrenzen, daß es sich dabei um ‚alltägliches‘ – im Gegensatz zu ‚literarischem‘ Erzählen handelt“ (S. 13). Augst dagegen findet stilistische Mittel, die „das ästhetische Vergügen des Lesers“ (Augst 2010, S. 83) steigern, schon bei Zweitklässlern. Er zeigt, „dass die emotionale Qualifizierung ein eigenständiges Phänomen ist, das die erzählenden Kinder von Anfang an beschäftigt“ (ebd., S. 65). Diese Erkenntnis gewinnt er allerdings nicht aus der Analyse von Erzählungen, die sich auf die Wiedergabe vorgegebener Handlungsabläufe konzentrieren, sondern aus der Analyse von Phantasieerzählungen, die zu einem Einzelbild geschrieben wurden, das den Schreiberinnen und Schreibern die Gestaltung einer Ereignisfolge und das Thematisieren von Erzählwürdigem selbst überlässt. Geht man davon aus, dass das Bild Betrachtenden einen Vorstellungsraum eröffnet, bezieht sich die emotionale Qualifizierung auf die (vorgestellte) Erfahrung, die die Grundschülerinnen und -schüler mit dem Bild machen. Es könnte also sein, dass das Vorkommen literarischer Sprachformen, die emotional qualifizierend wirken, in Texten junger Schreiberinnen und Schreiber auch von der Aufgabe abhängt. Augst schätzt den Schwierigkeitsgrad der schriftlichen Phantasieerzählung höher als den einer Erlebniserzählung ein: Die Herausforderung sei beim schriftlichen Erzählen von Phantasiegeschichten groß, weil Grundschülerinnen und -schüler diese – im Gegensatz zu mündlichen Erlebniserzählungen – seit der Kindergartenzeit kaum selbst erzählt hätten (vgl. ebd., S. 77). Zudem gelte ihnen die eigene Betroffenheit oder Erfahrung als „Stütze“ bei der Erlebniserzählung, „weil beides eine pragmatische oder inhaltliche Entlastung für die Textabfassung liefert“ (Augst et al. 2007, S. 35). Der Bildimpuls bedeute (im Vergleich zur Erlebniserzählung und zur Reizwortgeschichte) die

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4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

größte Herausforderung, da auf jeden Fall ein fiktionales Ereignis zu versprachlichen sei (vgl. ebd.). Vertreterinnen beider Forschungsansätze haben jedoch gezeigt, dass Erwerbsprozesse beim fiktionalen Erzählen deutlich schneller fortschreiten als beim faktualen (vgl. Becker 2013a; Weinhold 2010; Andresen 2011; Wieler 2011). Das deutet daraufhin, dass Kinder ihre Rezeptionserfahrungen mit fiktionalen Geschichten beim Erzählen nutzen, während ihnen die beim faktualen Erzählen im Alltag übliche Unterstützung durch (meist) erwachsene Gesprächspartner fehlt, wenn sie (allein) Erlebniserzählungen produzieren sollen. Becker kommt in ihrer Entwicklungsstudie zum mündlichen Erzählen 5-9jähriger Kinder zu dem Ergebnis, dass unterschiedliche Erzählformen (Bildergeschichte, Phantasiegeschichte, Erlebniserzählung, Nacherzählung) Unterschiede in ihrem Entwicklungsverlauf aufweisen (Becker 2013a). Es zeigt sich, dass beim Erzählen zur Bildergeschichte „die Erzählleistungen der Kinder […] in fast allen Bereichen deutlich schlechter waren als bei den anderen Formen“ (ebd., S. 201). Bei der Phantasiegeschichte und der Nacherzählung zeigt sich die Entwicklungen in fast allen Bereichen früher (vgl. ebd., S. 181). Augst betrachtet die schriftliche Erzählentwicklung unabhängig von der Aufgabenstellung. Er vermutet, dass sowohl die Erzählstruktur als auch der „Erzählton“ beim Erzählerwerb eine Ontogenese durchlaufen und schlägt ein dreistufiges Entwicklungsmodell vor, das in beiden Bereichen eine Entwicklung von „pränarrativ-rudimentär“ über „narrativ-konventionell“ bis „literarästhetisch-individuell“ beschreibt (vgl. Augst 2010, S. 93). Studien, die das Erzählen intertextuell betrachten, untersuchen die Auswirkungen der Aneignung von Geschichten (und Bildern) auf Inhalt und Sprachform des Erzählens. In dieser Perspektive geht es in der Studie zum schriftlichen Erzählen im Kontext von Wort und Bild darum, die Wirksamkeit des Schreibens zu Vorgaben auf das Erproben von Sprachformen zu untersuchen. Das Hauptinteresse ist dabei didaktischer Art. Die Studie möchte dazu beitragen, förderliche Bedingungen für die Erzählentwicklung herauszuarbeiten. Unter dieser Perspektive werden Ergebnisse unterschiedlicher Studien zum Erzählerwerb erörtert. 4.1 „Sprachliche Mittel“ in Studien zum Erzählen Er hat Vogelfedern gesammelt und Wachs von einer Kerze geholt und beides verbunden und einen Flügelflieger gemacht und auch einen kleineren für Ikarus und [sie] sind dann auf einen Hügel gestiegen und losgeflogen (Samet S52m). Im Folgenden werden Studien zum schriftlichen Erzählen im Grundschulalter (sowie die grundlegende Studie von Boueke et al. 1995) auf die Untersuchung von Sprachformen betrachtet, die in struktureller Perspektive als „affektive“ oder „stilistische Mittel“ bzw. als „episodische“ oder „konnektive Mittel“ dargestellt werden, da sich aus

4.1 „Sprachliche Mittel“ in Studien zum Erzählen

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dieser Darstellung Bezugspunkte für die Untersuchung von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen ergeben bzw. Unterschiede in der Betrachtung kindlichen Erzählens herausgearbeitet werden können. Zudem wird vor dem Hintergrund einer intertextuellen Perspektive in den Blick genommen, welche Auswirkungen die jeweilige Schreibaufgabe auf die Ergebnisse haben kann. Boueke et al. 1995: Mündliche Erzählungen zu Bildergeschichten Die Studie von Boueke et al. (1995) wird (abgesehen von Referenzen auf die Studie von Becker 2013a) als einzige Studie zum (medial) mündlichen Erzählen vorgestellt, weil sie den meisten Studien zum schriftlichen Erzählen als Bezugspunkt dient. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass das Erzählen in der monologischen Erhebungssituation der Studie von Boueke et al. als interaktiv und diskursiv entbundenes Erzählen dem konzeptionell schriftlichen Erzählen nahesteht (vgl. Augst et al. 2007, S. 46). Im Mittelpunkt der Untersuchung von Erzählungen zu Bildergeschichten (Kindergartenalter – vierte Klasse) steht die Frage nach der „Entwicklung derjenigen Fähigkeiten, durch die es einem Erzähler gelingt, einen Text strukturell als ‚Geschichte‘ zu organisieren“ (Boueke et al. 1995, S. 16; Hervorhebung i. O.). Auf der Grundlage der Analyse von Labov/Waletzky unterscheiden Boueke et al. episodische und affektive Markierungen. Während durch die „Ereignisstruktur-Markierungen“ die Ereignisstruktur zustande komme, würden durch „Affekt-Markierungen“ die Ereignisfolgen emotional qualifiziert und kontrastiert; dadurch werde die „Ereignisstruktur“ in eine „affektive Struktur“ transformiert (vgl. ebd., S. 77). Bei episodischen Markierungen geht es um die Markierung der Ausgangsbedingung, des Kontrasts und der erneuten Wendung bzw. Rückkehr zur Normalität. Episodische Markierungen werden auf drei Ebenen unterschieden, die Anfang, Hauptteil und Schluss der Erzählung betreffen: -

-

-

Setting: Einführung von Hauptaktanten, des Handlungs-/Ereignisortes, des genauen Zeitpunktes einer Handlung/eines Ereignisses oder einer laufenden Handlung (mit implizitem Plan); Episode: Einführung eines neuen Ereignisortes/Ereigniszeitpunktes/Aktanten, Handlungsbedingungen (z.B. Ursache) bzw. kontrastive Konnektoren für folgende Ereignisse; Abschluss: Verstärkte Problemlöse-Aktivitäten, neuer Zeitpunkt, neue interne und externe Bedingungen, kontrastive Konnektoren, explizite Wiederaufnahme des Settings.

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4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

In der Untersuchung von Boueke et al. gelten Konnektoren als wesentliches Mittel, mit dem „Ereignisse untereinander verkettet und in eine temporale oder auch kausale Abfolge gebracht werden“ (ebd., S. 149). Die Autoren unterscheiden zwischen „dann“ und „sonstigen temporalen“ Konnektoren, sowie zwischen „und da“ und „additiven“ Konnektoren. Ein Ergebnis der Untersuchung ist, dass die Anzahl der additiven Konnektoren und des Konnektors „dann“ pro Text mit dem Alter zunimmt. Die Verwendung von „da“ und „hier“ nimmt mit steigendem Alter statistisch ab. Sonstige temporale Konnektoren werden im Kindergarten und im 2. Schuljahr bis auf jeweils eine Ausnahme nicht verwendet, im vierten Schuljahr einer in jedem sechsten Text (vgl. ebd.). Kausale Konnektoren kommen „im Kindergarten bis auf eine Ausnahme nicht vor, im 2. Schuljahr in jedem zehnten Text einmal und im vierten Schuljahr ungefähr in jedem dritten Text einmal“ (ebd.). Ähnliches gilt für adversative Konnektoren. Den konstant hohen Anteil von „dann“ und von additiven Konnektoren erklären die Autoren durch die Zunahme der Länge der Texte und der Mündlichkeit (vgl. ebd., S. 151). Die relativ niedrige Häufigkeit kausaler, adversativer und sonstiger temporaler Verbindungen begründen sie damit, dass die Kinder, die wenigstens die Stufe der „strukturierten“ Texte erreicht hätten, die erzählspezifischen makrostrukturellen Gruppierungen nicht vorrangig durch Konnektoren, sondern durch andere sprachliche Mittel vornähmen (vgl. ebd.). Auffällig ist, dass beim mündlichen Erzählen zu allen drei Bildergeschichten extrem wenig Zeitangaben (außer „dann“) vorkommen. Betrachtet man die Bildvorlagen, verwundert das nicht, denn in keiner werden größere Zeitsprünge zwischen den Einzelbildern abgebildet, bei zwei der Geschichten ist lediglich die Jahreszeit erkennbar. Auch das Fehlen kausaler Konnektoren lässt sich möglicherweise durch die Bildergeschichte erklären: Alle drei Bildergeschichten haben eine Pointe und sind dem Genre „Witz“ (bzw. „Bildwitz“) zuzuordnen. Charakteristisch für den Witz ist, dass die Pointe den Rezipienten durch eine weitere Deutungsmöglichkeit überrascht und den in der Komplikation verborgenen Doppelsinn aufdeckt. Die Überraschung – und damit das Vergnügen – gelingt umso besser, wenn der Zusammenhang der Ereignisse vom Rezipienten selbst hergestellt wird. 56 Die Ergebnisse der Studie von Boueke et al. müssen also nicht auf mangelnde narrative Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler hindeuten, sondern könnten auch auf einen Zusammenhang zwischen der Vorgabe und den Erzählungen der Schülerinnen und Schüler hinweisen. Abgesehen davon wären auch entwicklungspsychologische Erkenntnisse in Bezug auf das Witzerzählen zu berücksichtigen. 57 56

57

Darauf verweist auch die etymologische Bedeutung des Wortes „Witz“, das als Ableitung des Vorläufers von „wissen“ die Grundbedeutung „Verstand, Klugheit, Schlauheit“ trägt (vgl. Duden 2007a, S. 932). Obgleich Jolles den Witz als eine „einfache narrative Form“ (Jolles 1958) bezeichnet, stellt das Erzählen eines Witzes komplexe kognitive Anforderungen. Zum Witzerzählen „braucht es mehr als

4.1 „Sprachliche Mittel“ in Studien zum Erzählen

73

Die von Labov/Waletzky beschriebene evaluative Funktion wird von Boueke et al. weiter ausgearbeitet. Nach Boueke et al. geht es beim Erzählen einer Geschichte vor allem darum, „den Zuhörer im weiteren Sinne zu unterhalten […] ihn […] zu ‚erregen‘, daß bei ihm eine angenehme Emotion ausgelöst wird (was im Übrigen auch durch ‚tragische‘ Inhalte geschehen kann)“ (ebd., S. 92). Affektive Markierungen bezeichnen „jene Emotionalisierung und Strukturierung, durch die es dem Erzähler in besonderer Weise gelingt, den Zuhörer in das Geschehen einzubeziehen“ (ebd., S. 78). Sie werden in drei Kategorien unterschieden: -

-

-

Valenz: Betonung der emotionalen Grundqualität (durch Textelemente mit deutlich positiven oder negativen Konnotationen, expressive Verben, wiederholte Nennung der Pläne des Hauptaktanten, Benennung mehrerer negativer Konsequenzen des auslösenden Ereignisses, interne Reaktionen); Plötzlichkeit: Betonung der Unerwartetheit (durch Temporaladverbien, die die Plötzlichkeit ausdrücken, Betonung der Ahnungslosigkeit des ‚Opfers‘ vor der Komplikation) Psychologische Nähe: Hineinziehen des Zuhörers in das Geschehen (durch direkte Rede, szenisches Präsens, Präsentation der Gedanken der Aktanten, onomatopoetische Ausdrücke, andere Arten der Wiedergabe von akustischen Sinneseindrücken, z.B. Interjektionen).

Die Autoren zeigen mit steigendem Alter der Versuchspersonen eine „starke Zunahme der Anzahl von semantischen Einheiten, in denen Affekt-Markierungen vorkommen, und von Versuchspersonen, die solche Markierungen produzieren“ (ebd., S. 139). Sie beobachten, dass sich die affektive Qualifizierung vor allem bei jüngeren Kindern, die Texte des „isolierten“ oder „linearen“ Strukturtyps produzieren, nur auf ein einziges Ereignis bezieht und dementsprechend keine Affekt-Struktur etabliert, während in den Texten der zumeist Neunjährigen, in denen der unerwartete Bruch einen Kontrast zum auslösenden Ereignis darstellt, affektive Qualifizierungen die Funktion haben, „globale Konstituenten zu markieren und den ‚strukturierten‘ Text auf die Ebene des ‚narrativ strukturierten‘ zu überführen“ (ebd., S. 141). Affektive Markierungen gelten demnach als Strukturmerkmal narrativer Texte. Lokal scheinen sie schon auf niedrigeren Stufen der Erzählentwicklung vorzukommen. Auch Becker unterscheidet in Anlehnung an Boueke et al. affektive Mittel, die die „wesentlichen, strukturell relevanten Stellen“ (Becker 2013a, S. 107) markieren, von solchen, durch die „lokal im Text psychologische nur die Fähigkeit, einzelne Textelemente sprachlich miteinander zu verbinden. Vielmehr muss bei der narrativen Gestaltung auf die doppelte Bedeutungsstruktur des Textes geachtet werden, was vom Erzähler nicht nur die Übersicht über den gesamten Textverlauf, sondern auch die Fähigkeit erfordert, die Inkongruenz am Textende erzählerisch so zu verankern, dass der Umschlag von der einen Bedeutungsebene auf die andere überraschend erfolgt“ (Hauser 2005, S. 242).

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4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

Nähe und Anschaulichkeit erzeugt“ (ebd., S. 108) wird, um die „Stelle im Text zu beleben und auszuschmücken“ (ebd.). 58 Letztere gelten ihr als defizitär: „Das bedeutet […], dass die affektiven Mittel hier ebenfalls noch keine globalstrukturierende Funktion haben, sie dienen lediglich dazu, eine Textstelle lokal zu gestalten, entsprechend dem Bild in der Vorstellung der Kinder“ (ebd., S. 108 f.). Das Ergebnis ihrer Untersuchung affektiver Mittel bei der (mündlichen) Nacherzählung der 5jährigen deutet darauf hin, dass die Kinder intensive Vorstellungen erzeugen konnten: „Die Nacherzählung ist außerdem die Erzählform, bei der die meisten parasprachlichen und nonverbalen Affektmittel erzeugt werden. Hier verstellen die Kinder ihre Stimme und gestikulieren viel mehr und viel auffälliger als bei den übrigen Formen“ (ebd., S. 112). 59 Wenn man davon ausgeht, dass das Bild in der Vorstellung der Kinder Sprachformen für vorgestellte Erfahrung erzeugen kann, haben (auch) lokale Hervorhebungen eine zentrale Bedeutung für das Erzählen. Sie sind nicht nur Schmuck oder ein belebendes stilistisches Element, sondern ermöglichen einen Zugang zum Kern des Erzählens: der Vermittlung von Erfahrung.

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Becker kritisiert die von Boueke et al. vorgenommene Zuordnung von Temporaladverbien, die eine Plötzlichkeit oder Unerwartetheit ausdrücken, zu den affektiven Mitteln, die aus ihrer Sicht zur Ereignisstruktur gehörten, und stellt die affektive Funktion direkter oder indirekter Rede in Frage, da ihr Vorkommen von der jeweiligen Erzählform abhänge (vgl. Becker 2013a, S. 93). Beide Mittel untersucht sie deshalb getrennt von den „affektiven Mitteln im eigentlichen Sinne, welche da wären: expressive Verben, positiv oder negativ konnotierte Adjektive und Nominalgruppen, Darstellung innerer Wahrnehmungen oder Vorgänge, Onomatopoeia“ (ebd., S. 94). Ähnliches gilt für den Gebrauch rhythmischer Elemente. Unter Rhythmisierung versteht Becker die „regelmäßige Wiederholung bestimmter sprachlicher Mittel und Strukturen“ (Becker 2013a, S. 161). Sie stellt fest, dass nahezu alle Kinder in allen Altersstufen bei der Nacherzählung rhythmische Elemente realisieren und ein geringerer Anteil an Kindern in ihrer Phantasiegeschichte (ebd., S. 171), während in zwei Altersstufen in den Erlebniserzählungen (1. und 3. Klasse) und in den Erzählungen zur Bildergeschichte (Kindergartenalter und 1. Klasse) (fast) gar keine rhythmischen Elemente vorkommen. Schon die Kindergartenkinder übernehmen bei der Nacherzählung „erstaunlich viele dieser Elemente“ (ebd., S. 163). Allerdings gibt sie zu bedenken, „daß die Kinder in den Nacherzählungen keine völlig eigenen rhythmischen Elemente entwickeln, sie übernehmen lediglich diejenigen aus dem Originaltext, wenn auch meist in abgewandelter Form“ (ebd., S. 162). In einer intertextuell ausgerichteten Erzähldidaktik würde dies als sprachbildendes Potenzial und nicht als Mangel an Kreativität gewertet werden. Dass die Schülerinnen und Schüler die Sprachformen nicht einfach imitieren, sondern abwandeln, weist auf eine Form der Aneignung hin. Mit steigendem Alter beobachtet Becker eine Verschiebung der Funktionen rhythmischer Elemente von der lokalen auf die globale Ebene (vgl. ebd., S. 175).

4.1 „Sprachliche Mittel“ in Studien zum Erzählen

75

In den Erzählungen zu der Bildergeschichte „Frühjahrsmüdigkeit“ finden Boueke et al. besonders wenige „emotionale Qualifizierungen“ aus der Kategorie der „Psychologischen Nähe“. Die Autoren erklären das damit, dass in dieser Bildergeschichte keine weiteren menschlichen Aktanten auftreten, sodass das wichtigste Mittel aus dieser Kategorie, die wörtliche Rede, nicht vorkommen konnte (vgl. Boueke et al. 1995, S. 141). Auch an diesem Beispiel wird eine Korrespondenz zwischen Vorgabe und Sprachformen in den Erzählungen der Schülerinnen und Schüler deutlich. Die Ergebnisse zu einer der anderen Bildergeschichten („Schneeballschlacht“) zeigt einen Anstieg des Gebrauchs wörtlicher Rede vom Kindergartenalter bis zum vierten Schuljahr. Auch diese Bildergeschichte zeigt keinen richtigen Dialog (lediglich höhnisches Auslachen des jeweils anderen), aber zumindest Interaktion. Um zu überprüfen, in welchem Umfang jüngere Schülerinnen und Schüler wörtliche Rede erproben (können), bedürfte es vermutlich eines funktionalen Anlasses. Insbesondere Bildergeschichten scheinen kaum geeignet, wörtliche Rede zu evozieren, weil sie sich gerade dadurch auszeichnen, einen Witz „ohne Worte“ zu erzählen. Schmidlin 1999: Mündliches und schriftliches Erzählen zu einer Bildergeschichte Regula Schmidlin (1999) betrachtet den Erwerb mündlicher und schriftlicher Erzählfähigkeiten in der Deutschschweizer Diglossiesituation. In Erzählungen zu einer Bildergeschichte („Frog, where are you“, Mayer 1969) von sieben-, neun- und elfjährigen deutschschweizerischen und deutschen Primarschulkindern werden sprachliche Variablen im textstrukturellen und lexikalischen Bereich untersucht. Die textuelle Verknüpfung analysiert Schmidlin, indem sie die Referenteneinführung, die Textkohärenz, die Erzählstruktur und die Konnexion untersucht. Die Lexik wird im Bereich der Varianz, der Wortarten und der Wortbildung sowie der Phraseologie analysiert. Für die Betrachtung von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen sind insbesondere die Ergebnisse zu Konnexion und Phraseologie interessant und werden deshalb im Folgenden dargestellt. Schmidlin unterscheidet lokale (z.B. dort, hinter), temporale (z.B. bald, bis, als), modale (z.B. aber, indem), kausale (z.B. weil, so dass) 60 und kopulative/disjunktive Konnektoren (und/oder). Sie beobachtet die Entwicklung als „Zunahme subordinierender und kausaler Konjunktionen […] und als Abnahme des typisch mündlichen ‚Default‘-Konnektors ‚und dann‘“ (ebd., S. 270). Die Zunahme subordinierender und kausaler Konjunktionen hänge zusammen mit der sich entwickelnden Fähigkeit der Kin-

60

Schmidlin versteht „kausal“ in einer weitgefassten Bedeutung und bezeichnet damit z.B. auch konsekutive, konzessive und finale relationale Bezüge (vgl. Schmidlin 1999, S. 134).

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4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

der, Handlungen nicht nur zu beschreiben, sondern die Intentionen der an den Handlungen beteiligten Figuren in ihre Erzählung einzubeziehen (vgl. ebd., S. 185). Aus der Perspektive einer intertextuell ausgerichteten Erzähldidaktik ließe sich daraus die Vermutung ableiten, dass ein Zugang zur Vorstellung von Intentionen der Figuren sich förderlich auf das Erproben subordinierender und kausaler Konnexion auswirken könnte. Den leichten Rückgang von Konjunktionen-Types zwischen neun und elf Jahren interpretiert Schmidlin als Indiz für die Zunahme impliziter Konnexion. Sie weist darauf hin, dass bei der Analyse offenbleiben muss, ob das Fehlen expliziter Konnektoren für fehlende Konnexion steht oder für implizite Konnexion, die sich aus semantischen und/oder pragmatischen Relationen ergibt. Schmidlin vermutet aber, dass „bei den jüngeren Kindern das Fehlen von Konnektoren – und sei es auch ‚nur‘ das Fehlen des Konnektors ‚(und) dann‘ – eher mit dem Fehlen von Satzverknüpfungen gleichzusetzen ist, während es bei den älteren Kindern dahingehend zu interpretieren ist, dass diese ihre Propositionen zunehmend implizit verknüpfen“ (ebd., S. 131). Das Erproben expliziter Konnexion erscheint hier als notwendiger Entwicklungsschritt, um Zusammenhänge auch implizit verknüpfen zu können. Abgesehen davon, dass möglicherweise auch jüngere Kinder in der Lage sind, Ereignisse implizit verknüpfen, scheint es vor diesem Hintergrund günstig, den Zugang zur Vorstellung von Zusammenhängen zu eröffnen, damit Lernende ihren Zugriff entfalten können. Während im Mündlichen ein solcher Zugang durch Nachfragen unterstützt werden kann, sind Schreibende (und Rezipierende) auf sich allein gestellt. Schmidlin vermutet, dass sich hinsichtlich der Konnektoren in den Texten der Kinder mit zunehmendem Alter „einerseits eine zunehmende Diversität von Formen zeigt, dass andererseits aber auch die Diversität ihrer semantischen Funktionen zunimmt. Das heißt nicht nur, dass die Kinder einen bestimmten Konnektor mit immer mehr Funktionen gebrauchen können; es kann auch heißen, dass sie den semantischen Kern eines Konnektors immer schärfer einkreisen können, wodurch sein (aus der Perspektive der Kinder) polysemer Gebrauch zurückgeht“ (ebd., S. 186; Hervorhebung i.O.). Als Beispiele nennt Schmidlin den Gebrauch des Konnektors „plötzlich“, der nicht mehr eine „Verlegenheitslösung“ sei, um eine neue narrative Einheit einzuführen, sondern im Sinne einer unvermittelt und schnell einsetzenden Handlung gebraucht würde, und den Gebrauch des kopulativen Konnektors „und“, der eine Verlagerung, Einschränkung oder Ausweitung seiner Funktionen (konzessiv, temporal) erfahren könne (vgl. ebd.). Solche Analysen sind allerdings nur im Kontext zu leisten, eine quantitative Auswertung der Konnektoren gibt darüber keinen Aufschluss. Bei der Untersuchung von Phraseologismen unterscheidet Schmidlin drei Formen (vgl. ebd., S. 96 f. und S. 142 ff.): -

Phraseologische idiomatische oder teilideomatische Ganzheiten sind Wendungen, bei denen die Gesamtbedeutung der Wortverbindung verschieden ist von

4.1 „Sprachliche Mittel“ in Studien zum Erzählen

-

77

der Summe der Bedeutung der einzelnen Elemente, d.h. es sind Phraseologismen im engeren Sinne („seine letzte Stunde hat geschlagen“, der „blinde Passagier“); Kollokationen sind nicht oder nur schwach ideomatisch („vor Schreck“, „jemanden in Gefahr bringen“); Routineformeln sind pragmatische Formeln und narrative Stereotype („müde, aber glücklich“, „ein Junge namens“).

Schmidlin kommt zu dem Ergebnis, dass sich in sämtlichen Erzählungen, auch in denjenigen der siebenjährigen Kinder, phraseologische Wendungen finden (vgl. ebd., S. 261). Mit zunehmendem Alter weist sie eine hochsignifikante Zunahme phraseologischer Wendungen aller Kategorien in mündlichen Erzählungen nach, in den schriftlichen Erzählungen steigen nur die idiomatischen Wendungen, also die Phraseologismen im engeren Sinne, hochsignifikant an (vgl. ebd., S. 262). Allerdings verwenden die Kinder in allen Altersstufen in ihren schriftlichen Erzählungen mehr Phraseologismen als in ihren mündlichen Erzählungen (vgl. ebd.). Schriftlichkeit scheint also in höherem Maße das Erproben solcher Sprachformen zu befördern als Mündlichkeit. Schmidlin betont, dass Kinder „einen Phraseologismus als lexikalische Einheit akzeptieren und ihren Inhalt verstehen [können], ohne die metaphorische Struktur zu erkennen“ (ebd., S. 101). In der Forschung müsse differenziert werden zwischen Metaphernbewusstsein, Metaphernverstehen und Metapherngebrauch (vgl. ebd., S. 101). Die Beobachtung des frühen Gebrauchs phraseologischer Wendungen lässt sich aus der Perspektive einer intertextuell ausgerichteten Erzähldidaktik als Hinweis auf implizite Sprachbildung interpretieren. Wenn schon das Verstehen zum Gebrauch bestimmter Sprachformen führen kann, scheint die Vermittlung deklarativen Wissens über Strukturen nicht der einzige Weg Schreiben zu lernen zu sein. Schmidlin hebt hervor, dass umstritten sei, ob Phraseologismen zu einer vereinfachten, noch undifferenzierten Ausdruckweise gehören oder als stilistisch hochwertig einzustufen sind, insbesondere bei idiomatischen Wendungen sei die Grenze zwischen floskelhafter Ausdrucksweise und sprachlicher Originalität schwer zu ziehen (vgl. ebd., S. 263). Da auch floskelhafte Ausdrücke Erfahrungen hervorheben können und damit eine intensivere Vorstellung der Erfahrung eröffnen, spielt diese Unterscheidung für die Untersuchung von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung im empirischen Teil der Studie keine Rolle. Hug 2001: Schriftliche Erzählungen zu Bildergeschichten Zeitsprachliche Aspekte in schriftlichen Erzählungen werden am differenziertesten in der Untersuchung von Michael Hug (2001) unterschieden. Der Fokus der empirischen Studie liegt allerdings nicht auf der Betrachtung kindlicher Erzählentwicklung, sondern

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4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

auf der Analyse der Entwicklung sprachlicher Komplexität, unabhängig davon, ob komplexere zeitsprachliche Formen zu einer Zunahme von Narrativität führen. Hug zeigt, dass die Verwendung komplexerer zeitsprachlicher Kategorien mit steigender Klassenstufenzugehörigkeit (Klasse 3, 5 und 7) in unterschiedlichen sprachlichen Teilbereichen (textstrukturell, konzeptuell-semantisch und morphologisch-syntaktisch) zunimmt. Bezogen auf den Bereich der konzeptuell-semantischen Formen wird davon ausgegangen, dass die „Zunahme an interner Komplexität aus der Anzahl und Unterschiedlichkeit der Elemente eines Systems und den Relationen zwischen diesen Elementen bestimmt“ (ebd., S. 99). Zeitpunktangaben (z.B. „an einem Tag“, „um halb zehn“, „dann“) und darauf folgend Zeiteinheitsangaben (z.B. „als es regnete, …“) 61 gelten als die einfachsten Formen zeitlicher Referenzbildung, weil sie keine räumliche Erstreckung enthalten. Als zunehmend komplexer werden Zeitraumangaben (z.B. „den ganzen Tag“; „ziemlich lang“), Zeitgleichheitsangaben – innerhalb derer die Komplexität steigt mit der Darstellung von Zeitpunktgleichheit (z.B. „um acht Uhr … zur gleichen Zeit“) und Zeitraumgleichheit (z.B. „während“) – und Zeitlichkeit zusammenfassende Formen (z.B. „So machten sie es jetzt mehrere Tage“) beschrieben (vgl. ebd., S. 58 ff.; S. 99). 62 Interessant ist die Feststellung, dass Unterschiede in Bezug auf die Nutzung der komplexesten Formen Zeitraumgleichheit auf der einen und Zeitlichkeit zusammenfassende Formen auf der anderen Seite in der gesamten Gruppe der Probanden in Abhängigkeit vom Thema zustande kommen (vgl. ebd., S., 106). Die Bildfolge zu Thema 1 (T1) zeigt einen Einbruch, der geschieht, während die Bewohner des Hauses im Theater sind. Gleichzeitigkeit ist durch die doppelte Perspektive auf Innen- und Außenraum sowie durch kleine Uhren in der rechten oberen Ecke nebeneinanderstehender Einzelbilder erkennbar. Die Bildfolge zu Thema 2 (T2) zeigt Tiger und Bär, die bei schönem Wetter im Sommer zum Angeln gehen, nachts am Lagerfeuer sitzen und im strömenden Regen im Herbst nach Hause zurückkehren. Zudem werden die Probanden in der Aufgabe explizit aufgefordert, zwischen den Bildern mit Strichen einzuzeichnen, „ob es kurz = I, mittel = II oder lang = III geht bis zum nächsten Bild“ (ebd., S. 216).

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Hug unterscheidet Angaben zur Zeiteinheit und Zeitgleichheit, die normalerweise beide der Kategorie ‚Gleichzeitigkeit‘ angehören. Bei Angaben zur Zeiteinheit bilden die in eine zeitliche Relation gesetzten Ereignisse eine nachvollziehbare situative Einheit, während Angaben zur Zeitgleichheit zwei Vorgänge oder Ereignisse mit personaler oder lokaler Origodifferenz in eine zeitliche Beziehung zueinander setzen (vgl. Hug 2001, S. 60). Hug zeigt eine „Zunahme in der Verwendung komplexerer zeitsprachlicher Kategorien“ auch anhand „textueller Daten“ (relative Tempora, relative Adverbialsätze, Type-Token-Relation) und „morphologisch-syntaktischer Daten“ (Präteritumsformen starker Verben, Attribuierung des Temporaladverbials, Temporaladverbiale nach dem finiten Verb in Matrixsätzen, Temporaladverbiale in Hypotaxen) (vgl. Hug 2001, S. 81-98; S. 112-118; Zsf. s. S. 142).

4.1 „Sprachliche Mittel“ in Studien zum Erzählen

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„In T1 bildet die Darstellung der Zeitgleichheit von Vorgängen eine wesentliche Anforderung, in T2 muss über einen äußeren Rahmen auf die Dauer der dazwischen liegenden Vorgänge geschlossen werden. Eine resümierende Form, wie sie mit Argument und Funktion vorliegt, ist hierzu besonders geeignet“ (ebd., S. 106). 63 Während zur ersten Bildfolge die meisten Probanden (89,08%) Zeitgleichheit ausdrücken, aber nur ein kleiner Anteil (13,97%) resümierende Formen nutzen, drücken zur zweiten Bildfolge nur wenige Probanden Zeitgleichheit aus (18,59%), aber fast die Hälfte (42,95%) nutzt resümierende Formen (vgl. ebd., S. 99-105). In ähnlicher Weise wirken sich die unterschiedlichen Bildergeschichten auch auf den Gebrauch zeitsprachlicher Formen in Klasse 3 aus (vgl. ebd., S. 167-173): Während zur ersten Bildfolge nur ein geringer Teil der Schülerinnen und Schüler Zeitraumangaben machen (12,07%), und zwar deutlich weniger als in Kl. 5 (28,92%) und Kl. 7 (47,62%), sind es zur zweiten Bildfolge, die das Vergehen von Zeit durch die unterschiedlichen Jahreszeiten zeigt, mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (54,29%), und zwar etwas mehr als in Klasse 5 (40,00%) und Kl. 7 (47,83%). Bei den jüngsten Schülerinnen und Schülern schlägt sich der Unterschied der thematischen Vorgabe hier also in höherem Maße nieder als bei den älteren. Zur ersten Bildfolge, bei der die Gleichzeitigkeit von Ereignissen eine bedeutsame Rolle spielt, formulieren zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 Zeitpunktgleichheit (67,24%) und ein Viertel stellt Zeitraumgleichheit dar (24,14%), während beides fast niemand zur zweiten Bildfolge tut (Zeitpunktgleichheit: 2,86%; Zeitraumgleichheit: 0%). Hier aber nutzen deutlich mehr Kinder (20%) resümierende Formen als beim Schreiben zur ersten Bildfolge (6,9%). Auch wenn bei den letzten drei zeitsprachlichen Formen die Ergebnisse jeweils unter denen der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 5 und 7 liegen, zeigt der Vergleich der Ergebnisse zu den unterschiedlichen Themen deutlich, dass der Gebrauch bestimmter Sprachformen nicht nur vom Entwicklungsstand, sondern auch in hohem Maße von der Vorgabe, zu der die Schülerinnen und Schüler erzählen, abhängt. Augst et al. 2007 bzw. Augst 2010: Schriftliche Erzählungen zu einem Bild Während Augst 2010 Zeitangaben nur als (Teil von) „Formeln“ in Einleitung und Schluss untersucht, betrachtet er sie 2007 im Rahmen der Untersuchung syntaktischer Formate. 64 Bestätigt wird die Beobachtung anderer Studien, „dass die Kinder am Anfang häufig reihend mit ‚… dann‘ erzählen“ (Augst et al. 2007, S. 62). Parataktisch bilde 63

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Hug nennt die Kategorie, in der Zeitlichkeit zusammenfassende Formen beschrieben werden, in Analogie zur modernen Logik „Argument und Funktion“ (vgl. Hug 2001, S. 62). Im Folgenden wird nur Augst zitiert, weil er als Autor des Abschnitts „Einzelanalyse der Textsorte Erzählung“ in Augst et al. 2007 angegeben ist.

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4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

sich dabei das „Handlungsnacheinander“ der erzählten Zeit als sprachliches Nacheinander der Erzählzeit ab (vgl. ebd., S. 63). „Neben der Parataxe – gestützt durch Konjunktionen, Adverbien und Substantive mit Zeitangabe unter Einschluss des Weltwissens – kann die sprachliche Organisation des Geschehens auch hypotaktisch erfolgen. Dadurch entsteht eine Fokussierung des Geschehens: eine subordinierte Information wird in Beziehung gesetzt zu einer superordinierenden im Trägersatz“ (ebd.). In der syntaktischen Hierarchisierung der Erzählinhalte sieht Augst die „mikrostrukturelle Möglichkeit, die stilistische Eintönigkeit der ‚und/aber dann‘-Parataxe aufzubrechen, sie erhöht außerdem die Dynamik“ (ebd.). Obgleich Augst „keineswegs behauptet, dass eine Erzählung umso erzählerischer sei, je mehr Hypotaxe sie aufweist“ (ebd.), sieht er einen Zusammenhang zwischen der Zunahme einer mikrostrukturellen Syntaktisierung mit der temporalen Konjunktion „als“ (statt „(und) dann“) und der makrostrukturellen Entwicklung der Erzählstruktur (vgl. ebd., S. 64 f.). Auch Augst betrachtet Zeitangaben nicht im Hinblick auf ihre vorstellungsbildende Funktion, sondern als Teil der syntaktischen Struktur und auf ihre stilistische und erzählstrukturbezogene Funktion. Zudem wird der Zusammenhang zwischen dem Gebrauch präteritaler Formen und Strukturstufen untersucht. Auch hier steht der strukturelle Aspekt der Zeitlichkeit im Vordergrund. Aus narratologischer Perspektive ließe sich die „Fokussierung des Geschehens“ durch Hypotaxe als eine Sprachform beschreiben, durch die in der Vorstellung ein Zusammenhang der Ereignisse entsteht, der relevant ist für die dargestellte Erfahrung (im Sinne der von Herman dargestellten „temporal juncture“). Zusammenfassend stellt Augst die Entwicklung der Erzählstruktur in drei Stufen dar (vgl. Augst 2010, S. 92 f.): Auf der ‚pränarrativ rudimentären Stufe‘ realisierten Zweit- und Drittklässler eine Erlebniserzählung als Ich-Erzählung und eine nur an Inhalten festgemachte Erzählwürdigkeit. Der meist kohärente Inhalt würde anfangs formal additiv aneinandergereiht, da schriftliche Mittel der Textkohäsion noch fehlten. Die ‚narrativ konventionelle Stufe‘ kennzeichneten bei Viert- bis Siebtklässlern der erzählstrukturelle Fünf-Schritt (Setting-Planbruch-Spannung-Pointe-Coda) und formale Gestaltungsmittel für Planbruch und Pointe (insbesondere Ausdrücke für Plötzlichkeit). Auf der ‚literarästhetisch individuellen Stufe‘ bauten Neuntklässler die Struktur aus und spielten mit ihr, z.B. indem sie eine analytische Rahmenerzählung realisierten. 65

65

Augst weist darauf hin, dass die dritte Stufe noch weiterer empirischer Erhellung bedürfe, weil in seiner Untersuchung die Zahl der Probanden (N=20) in der Sekundarstufe recht klein sei und die Texte in einem unechten Längsschnitt erhoben wurden. Die Anzahl der Probanden in der Grundschule ist (fast) doppelt so hoch (N=39) und die Texte wurden innerhalb einer echten Längsschnittuntersuchung erhoben.

4.1 „Sprachliche Mittel“ in Studien zum Erzählen

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Indem Augst den textnahen Terminus „Erzählton“ als Ursache der „emotionalen Involvierung“ einführt, eröffnet er einen textanalytischen Zugang zu der Funktion, die das Erzählerische ausmacht (vgl. Augst 2010, S. 80). Er kritisiert die Beschränkung von Boueke et al. auf drei Kategorien, von denen er eine, und zwar die Kategorie der „Plötzlichkeit“, schon durch die Strukturanalyse abgearbeitet sieht (vgl. ebd., S. 82). Jenseits der Strukturanalyse schlägt Augst fünf Aspekte für die Betrachtung des Erzähltons vor (vgl. ebd., S. 82 f.): -

-

-

-

Weltausbreitung: Durch Details, die nicht handlungsrelevant sind, aber geteiltes Wissen und Atmosphäre schaffen, breitet der Erzähler „einen Raum, eine fiktionale Welt aus, die der Leser sich durch den Text vorstellen soll“ (ebd., S. 82). Gedanken und Gefühle: Figuren handeln nicht nur strukturbildend, sondern der Erzähler kann durch die Darstellung von Gedanken und Gefühlen auch ihre Handlungsmotive, Strategien und Taktiken darlegen. Kommunikation der Figuren: Durch Monologe und Dialoge wird die Welt zur Szene. Kommentierende Bewertung: Der Erzähler kann mit der kulturell geprägten Textsorte und mit dem Verhältnis von Autor, Erzähler und Leser spielen, indem er das Geschehen kommentierend bewertet. Stilistische Formen der Intensitätsmarkierung: Der Erzähler kann die Intensität des zu Erzählenden im Schriftlichen durch stilistische und rhetorische Figuren steigern; im Mündlichen v.a. durch Stimmführung, begleitende Gestik und Mimik: „Dies alles steigert das ästhetische Vergnügen des Lesers“ (ebd., S. 83).

Augst nimmt Detailuntersuchungen zur Weltausbreitung, zur Kommunikation und zu stilistischen Formen vor, indem er die Ontogenese des Erzähltons (von Klasse zwei bis neun) anhand der Verwendung von Relativsätzen, Figurenrede und stilistischen Mitteln betrachtet. Als stilistische Mittel nennt Augst Vergleiche, Phraseologismen, Augmentationen, Umgangssprache, Interjektionen, Zweierketten (Wiederholungen, Synonyme, Antonyme), Herausstellungen, rhetorische Fragen und graphische Merkmale. Diese Mittel findet Augst vor allem in Texten von Neuntklässlern, aber in geringerem Maße auch schon in Texten von Zweitklässlern. In Klasse 3 kommen die genannten Stilmerkmale in 60% der Texte vor (in 12 von 20 Texten kommen 20 Stilmerkmale vor). Dass Kinder von Anfang an solche Mittel nutzen, gilt Augst als Beweis, dass die emotionale Markierung nicht wie im Modell von Boueke et al. erst auf der höchsten Stufe der Entwicklung auftritt, sondern dass es zwei Fäden sind, „die eine Erzählung ausmachen und die das Kind als Erzähler (…) zu spinnen lernen muss: der rote Faden für die globale Struktur der Geschichte und der blaue Faden für die emotionale Involvierung des Lesers“ (ebd., S. 90). Zusammenfassend stellt Augst die Entwicklung des Erzähltons

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4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

in drei Stufen dar (vgl. ebd., S. 92 f.): Auf der ‚pränarrativ rudimentären Stufe‘ realisierten Zweit- und Drittklässler memorierte Elemente wie feste Fügungen, Floskeln und Interjektionen. Die ‚narrativ konventionelle Stufe‘ kennzeichneten bei Viert- bis Siebtklässlern konventionelle Elemente wie der Gebrauch wörtlicher Rede, die szenische Darstellung und qualifizierende Attribute. Auf der ‚literarästhetisch individuellen Stufe‘ realisierten Neuntklässler individuelle Stilmerkmale, die sie als ‚Epiker‘, ‚Dramatiker‘ oder ‚Stilisten‘ kennzeichneten. Becker 2013: Vergleich mündlicher und schriftlicher Fantasieerzählungen und Erzählungen zu Bildergeschichten Anhand eines Vergleichs von mündlichen und schriftlichen Fantasieerzählungen und Erzählungen zu Bildergeschichten, die Drittklässlerinnen und -klässler verfasst haben, untersucht Becker „wie narrative Muster und literale Konzeptionalisierungen in der jeweiligen Medialität realisiert werden“ (Becker 2013b, S. 193). Unter narrativen Mustern versteht Becker „jene sprachlichen Mittel […], die die Sprecher/Schreiber einsetzen, um das Textmuster Narration zu evozieren“ (ebd., S. 196). Sie wählt für die Analyse sprachliche Mittel aus, die einen medial mündlichen oder schriftlichen Text in der konzeptionellen Schriftlichkeit verorten (vgl. ebd.): -

die syntaktische Komplexität (im Bereich Syntax) den Gebrauch literaler Lexeme und Wendungen (im Bereich Lexikon) den Tempusgebrauch (im Bereich Morphologie)

Zunächst stellt Becker fest, dass die Fantasieerzählungen in beiden Medialitäten im Durchschnitt um mehr als 50 % länger sind als die Erzählungen zur Bildergeschichte, während es kaum einen Unterschied macht, ob die Schülerinnen und Schüler mündlich oder schriftlich zur selben Form erzählen, am längsten sind die schriftlichen Fantasieerzählungen (vgl. ebd., S. 202). In der Auswertung der syntaktischen Komplexität zeigt sich, dass die mündlichen Fantasiegeschichten die Texte mit der höchsten syntaktischen Komplexität sind (vgl. ebd., S. 203). Während sich die Anzahl der hypotaktischen Strukturen im Verhältnis zur Textlänge bei den Erzählungen zur Bildergeschichte kaum unterscheidet, fällt sie bei den schriftlichen Fantasieerzählungen niedriger aus (die Probanden formulieren alle 11,5 Propositionen eine hypotaktische Struktur) als bei den mündlichen Fantasieerzählungen (die Probanden formulieren alle 8,6 Propositionen eine hypotaktische Struktur). Dieses Ergebnis verwundert, weil zu erwarten gewesen wäre, dass die schriftliche Medialität sich in höherem Maß auf die syntaktische Komplexität auswirkt als die mündliche. Eine mögliche Erklärung könnte in den Unterschieden der Erhebungssituation liegen. Während die Schülerinnen und Schüler beim mündlichen Erzählen die Aufgabe hatten, sich eine Erzählung selbst zu überlegen und sie

4.1 „Sprachliche Mittel“ in Studien zum Erzählen

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einem anderen Kind zu erzählen, 66 bestand die Schreibaufgabe beim schriftlichen Erzählen darin, sich zu einem kurzen Gedicht ein Erlebnis auszudenken, das die Hauptfigur auf einer Reise hat, also die Geschichte weiterzuschreiben. Dazu erhielten die Schülerinnen und Schüler zahlreiche Schreibhinweise (Anfang und Ende überlegen; Gefühle und Gedanken der Hauptperson zu beschreiben; passende Überschrift wählen; unterschiedliche Satzanfänge wählen; im Präsens schreiben). Während die Schülerinnen und Schüler bei der mündlichen Erzählung also aus ihrem Geschichtenfundus schöpfen konnten (auch wenn das Nacherzählen bekannter Geschichten untersagt war), mussten sie beim schriftlichen Erzählen in kognitiver Perspektive viele formale Aspekte beachten. Dass sich dies (im Vergleich) eher ungünstig auf die syntaktische Komplexität der Erzählungen ausgewirkt hat, könnte darauf hindeuten, dass die Vorstellungsbildung sich auf die sprachliche Produktion auswirkt. Ein weiterer Grund für die geringere syntaktische Komplexität könnte in der Aufforderung liegen, im Präsens zu erzählen. Uhl zeigt, dass Satzkonnektoren desto eher variiert werden, je eher eine Erzählung mithilfe präteritaler Tempora verfasst wird (vgl. Uhl 2015, S. 148). Er beobachtet, dass Erzählungen mit einem geringen Gebrauch präteritaler Formen hauptsächlich parataktisch organisiert werden (vgl. ebd., S. 150), während in Erzählungen mit einem hohen Vorkommen präteritaler Formen hypotaktische Satzkonstruktionen zwar nicht vorherrschen, aber durchaus vorkommen (vgl. ebd., S. 154). In der Untersuchung von Becker wurden die mündlichen Fantasieerzählungen „bis auf einen Text in den Vergangenheitstempora Präteritum und Perfekt realisiert“ (Becker 2013b, S. 201 f.), während in dreiviertel der Bildergeschichten in beiden Medialitäten das Präsens verwendet wird. In fast der Hälfte der schriftlichen Fantasiegeschichten hingegen tauchen trotz der ausdrücklichen Anweisung, das Präsens zu gebrauchen, auch präteritale Formen auf. Auch die Daten von Becker weisen demnach auf einen Zusammenhang zwischen dem Gebrauch präteritaler Formen und syntaktischer Komplexität hin. Die Aufforderung, im Präsens zu erzählen, wird von Becker als „kontraproduktiv“ bezeichnet, deutlich geworden sei aber auch die Wirksamkeit des Musters, wenn Anweisungen, die dem Textmuster zuwiderlaufen, nicht von allen Kindern (durchgehend) umgesetzt würden (vgl. ebd., S. 206). Unter „literalen Lexemen und Wendungen“ versteht Becker „Ausdrücke, die standardsprachlicher, semantisch differenzierter oder fachsprachlich sind. Ebenso zählen hierzu einfache Lexeme in metaphorischer oder origineller Gebrauchsweise“ (ebd., S.

66

Die Aufgabe zum Erzählen einer Phantasiegeschichte lautete: „Heute ist deine Aufgabe, dir selbst eine Geschichte auszudenken. Es soll eine Phantasiegeschichte sein, die du selbst erfunden hast, also keine Geschichte, die du schon irgendwo gelesen oder im Fernsehen gesehen hast. Du kannst dir so lange Zeit nehmen, wie du willst, um dir etwas zu überlegen. Wenn du dir eine Geschichte ausgedacht hast, sagst du mir Bescheid“ (Becker 2013a, S. 71).

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4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

203). Diese Definition erscheint – auch der Autorin selbst – recht vage, sodass sie Beispiele anführt (z.B. „ebenfalls“; „Meeresrauschen“; „als der Schneesturm nachgelassen hatte“). Bei der Identifikation entsprechender Wörter und Ausdrücke scheint sie sich nach ihrem Sprachgefühl zu richten und nutzt unter Hinzuziehung einer weiteren Person ein Interrater-Verfahren, um zu einem höheren Maß an Objektivität zu gelangen (vgl. ebd.). Vor dem Hintergrund dieses eingeschränkt transparenten und theoretisch nicht fundierten Verfahrens kommt Becker kommt zu dem Ergebnis, dass „literale Lexeme und Wendungen“ in Fantasiegeschichten von den Drittklässlerinnen und -klässlern innerhalb beider Medialitäten häufiger eingesetzt werden als in Bildergeschichten; in den schriftlichen Fantasiegeschichten wurden die meisten „literalen Lexeme und Wendungen“ verwendet (vgl. ebd., S. 204). Dieses Ergebnis deutet auf einen Einfluss der Aufgabe auf den Gebrauch „literaler Lexeme und Wendungen“ und implizite Erwerbsprozesse hin, zeigt aber auch, dass die Bestimmung narrationsspezifischer Sprachformen einer Präzisierung bedarf. Uhl 2015: Schriftliche Erzählungen zu Bildimpulsen (Person, Ort, Gegenstand) In seiner Untersuchung des Zusammenhangs von Tempus und Narration in schriftlichen Erzählungen von Schülerinnen und Schülern aus Klasse 3 zeigt Benjamin Uhl, dass eine Erzählung desto eher „Merkmale einer narrativen Vertextung“ trägt, je mehr präteritale Tempora sie aufweist (vgl. Uhl 2015, S. 244). Als Schreibanlass dienten Bilder, auf denen Personen (König, Riese, Tiger, Drache, Zwerg, Prinzessin, Hexe, Ente), Orte (Wald, Wüste, Haus, Schloss, Wiese, Strand) oder Gegenstände (Buch, Zauberkugel, Fliegenpilz, Krone, Wunderlampe) zu sehen waren (vgl. ebd., S. 118). Die Aufgabe lautete: „Schreibe eine Erzählung. Als Hilfe kannst du dir dazu aus jeder Gruppe Karten aussuchen. Verwende in deiner Erzählung die wörtliche Rede“ (ebd., S. 119). Eins von sieben Merkmalen narrativer Vertextung ist die Evaluation, 67 die in der Studie auf die Verwendung folgender „evaluativer Mittel“ reduziert wird (vgl. ebd., S. 126 f.): -

67

Adjektive, die Emotionen des Erzählers oder von Aktanten der Erzählung kennzeichnen (z.B. „Alles war friedlich und es war noch ein schöner Tag“), oder die Orte bzw. Gegenstände beschreiben (z.B. „das Schloss war geheimnisvoll“), und Adverbien, die eine evaluative Funktion besitzen (z.B. „Und sie ritten zusammen in den Sonnenuntergang“);

Die anderen Merkmale sind Kohärenz (die über das Urteil zweier Rater ermittelt wird), Kohäsion (Variation der Satzkonnektoren), Textmuster (Anzahl der einzelnen narrativen Phasen: Orientierung, Komplikation, Coda), Planbruch (Anzahl des skizzierten Handlungsplans und Planbruchs), Etablierung der Erzählerperspektive (Anzahl der Elemente – z.B. Ort, Zeit, Personen –, die zu Beginn der Erzählung genannt werden) und die Protagonistenperspektive (Anzahl der Redebeiträge) (vgl. Uhl 2015, S. 121 ff.).

4.2 Diskussion zur Perspektive auf „sprachliche Mittel“

-

85

Expressive Verben, d.h. Verben, die Emotionen der Protagonisten kenntlich machen (z.B. freuen, hoffen, trauern, wundern, fürchten).

Die quantitative Analyse der evaluativen Mittel (im Verhältnis zur Textlänge) entspricht dem Gesamtergebnis: „Je mehr präteritale Tempora eine Erzählung aufweist, (…) desto eher werden Adjektive, Adverbien und expressive Verben verwendet, um die Erzählung zu evaluieren“ (ebd., S. 244). Dass sich Uhl im didaktischen Fazit gegen die schreibdidaktische Empfehlung, schmückende Adjektive zu verwenden, ausspricht, wirkt etwas bemüht. Die sprachdidaktische Forschung sollte sich der normierenden Wirkung ihrer Untersuchungskriterien bewusst sein. Auch die quantitative Analyse der Variation kohäsiver Mittel (Subjunktion, Konjunktion, satzverknüpfende Adverbien, Adverbialphrasen und Konjunktionaladverbien) bestätigt das Gesamtergebnis der Studie: „Je mehr präteritale Tempora eine Erzählung aufweist, (…) desto eher werden satzkohäsive Mittel variiert“ (ebd., S. 244). Die Untersuchung kohäsiver Mittel wird textlinguistisch begründet. Ob die Variation kohäsiver Mittel narrationsspezifisch ist, wird nicht diskutiert. 4.2 Diskussion zur Perspektive auf „sprachliche Mittel“ Sie beschlossen, davon zu segeln (Meryem G67m). In Studien zur Erzählentwicklung werden sprachliche Mittel in strukturbildender oder stilbildender Funktion untersucht, nicht aber in ihrer Funktion, die Vorstellung von Erfahrungen und Ereignisfolgen zu evozieren. Der Gebrauch (bestimmter) konnektiver, emotionaler und wertender Sprachformen kennzeichnet dabei bestimmte Entwicklungsstufen bzw. Grade an Narration. Unabhängig davon, was in der Erzählung zum Ausdruck gebracht wird, werden reihende und formelhafte Sprachformen als defizitär betrachtet, während gestaltende Sprachformen wie z.B. Formen der Subordination oder rhetorische Figuren als Zeichen einer höher entwickelten Erzählfähigkeit gelten. Formulierungen wie Wiederholungen, Interjektionen oder Vergleiche werden als „affektive“ oder „stilistische Mittel“, mit denen das Erzählte emotional qualifiziert wird – in ihrer Funktion für die Evaluation – betrachtet und meist quantitativ ausgewertet. So sieht z.B. Augst die Funktion stilistischer Mittel darin, die Intensität des Textes zu erhöhen, um dem Leser einen ästhetischen Genuss zu bereiten (vgl. Augst 2010, S. 88). Im Rahmen eines erzähltheoretischen Ansatzes, der die Darstellung von und den Zugang zu (vorgestellter) Erfahrung als den Kern des Erzählens betrachtet, stellen literarische Sprachformen, wie Metaphern, Wiederholungsfiguren, Topikalisierungen u.Ä. kein „schmückendes Beiwerk“ dar, sondern als vorstellungsbildende Muster eine basale

86

4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

Form der Darstellung von Erfahrung. Aus dieser Perspektive können literarische Sprachformen die Vorstellung einer Erfahrung intensivieren oder überhaupt erst erzeugen; sie sind darüber hinaus – als einzige sprachliche Form – in der Lage, Unsagbares auszudrücken. So wird z.B. die Erfahrung des Sturzes von Ikarus in der Sage vorstellbar durch einen Vergleich: „Es ging so schnell, Ikarus konnte nicht einmal schreien.“ Während einem beim Lesen (bzw. Hören) dieser Formulierung der Schrei förmlich selbst „im Halse stecken bleibt“, würden Formulierungen, die sich auf den Aspekt der Geschwindigkeit konzentrierten (z.B. „Er stürzte mit 100 km/h ins Wasser“), mehr Sachlichkeit und Distanz erzeugen. Vorstellungbildende Formulierungsmuster sind in Form und Inhalt nicht zu trennen. Während es bei den strukturbildenden Formulierungsmustern beliebig ist, was „plötzlich“ geschieht oder „einmal war“, sind bei vorstellungsbildenden Formulierungsmustern Sprachform und propositionaler Gehalt aneinandergebunden: Er weinte und weinte (Djannah, S54m) ermöglicht die Erfahrung unendlicher Verzweiflung; Mit dem Segel an dem Mast kamen sie gut voran (Lennart, G21d) hebt die Bedeutung des Segels für das Vorankommen hervor. Aus narratologischer Perspektive erscheint es z.B. verwunderlich, dass der Gebrauch von wörtlicher Rede als Kennzeichen einer hohen Entwicklungsstufe gilt. Grundsätzlich werden zwei Modi unterschieden, die den Grad der Distanz beim Erzählen kennzeichnen: der „narrative Modus (= mit Distanz)“ und der „dramatische Modus (= ohne Distanz)“ (Martínez/Scheffel 2012, S. 51). Das Herstellen von „Nähe“ scheint also kein Kriterium zu sein, das für alle (Teile von) Erzählungen gilt. Grundsätzlich können beide Modi sowohl Erzählungen prägen, die Ereignisse jenseits von sprachlichem Handeln erzählen, und solchen, in denen Worte von Figuren präsentiert werden, worunter „all das, was eine Figur im Rahmen der erzählten Geschichte spricht oder denkt“ (ebd., S. 53) verstanden wird. Während sich der Eindruck einer unmittelbaren Präsenz in Erzählungen von nicht-sprachlichen Ereignissen z.B. durch die Erzählperspektive oder zeitdeckendem Erzählen vermitteln lässt (vgl. ebd.), nimmt der Grad der Mittelbarkeit beim Erzählen von Worten in folgender Reihenfolge ab (vgl. ebd., S. 65): -

-

-

erzählte Rede als Erwähnung des sprachlichen Akts (z.B. Dann hat er Dädalus gefragt, Ariana S62m) oder als Gesprächsbericht (z.B. Dädalus hat Ikarus erzählt über sein Leben, Farouk S82m); transponierte Rede als indirekte Rede (z.B. Der Vater hat gesagt, dass wir die Insel Ikaria nennen, Amanda S66d) oder als erlebte Rede (z.B. Wie vermisste sie das königliche Leben!, Paula G30d); zitierte Rede als direkte Rede (z.B. Ein Mann fragte: „Dädalus, was ist denn?“, Djannah S54m) oder als autonome direkte Rede (z.B. „Und wer ist das?“, Clifton S97m).

4.2 Diskussion zur Perspektive auf „sprachliche Mittel“

87

Was hier für die Präsentation von gesprochener Rede dargestellt wurde, lässt sich auf die Präsentation von Gedankenrede übertragen, bei der der Bewusstseinsbericht den höchsten Grad an Mittelbarkeit hat, während im (zitierten) inneren Monolog die Distanz scheinbar auf Null reduziert wird (vgl. ebd. und S. 58 ff.). Figurenrede kann demnach im distanzierten oder dramatisierten Modus formuliert werden, sie ist also kein Mittel, das per se „psychologische Nähe“ herstellt. Alle diese Präsentationsformen von Figurenrede stellen sprachliche Ereignisse in einem bestimmten Modus dar und können als narrative Muster für die Darstellung von Figurenrede betrachtet werden. Das heißt aber nicht, dass sie notwendige narrative Muster sind, und auch nicht, dass sie gleichzeitig narrative Muster für vorgestellte Erfahrung sind. Grundsätzlich kann eine Erfahrung vorstellbar werden, indem sprachliche oder nicht-sprachliche Ereignisse erzählt werden: Er schrie: „Ich will meinen Ikarus!!!!“ (Anoush S70m) bzw. Er flog wie wild herum vor Verzweifeln (Emma S04d). Der unmittelbare Modus an sich hebt eine Erfahrung nicht automatisch mehr hervor als der mittelbare: so vermittelt Dädalus sagte: „Herein“ (Leona S73d) vermutlich weniger Erfahrung als Er antwortete immer wieder weinend (Djannah S54m), obwohl die Figurenrede im ersten Beispiel im dramatischen Modus und im zweiten Beispiel im narrativen Modus präsentiert wird. Beide Modi können also mehr oder weniger ermöglichen, sich vorzustellen, wie es ist, eine bestimmte Erfahrung zu machen. Entscheidend ist vielmehr, ob überhaupt und wie innerhalb der Figurenrede eine Erfahrung thematisiert wird. Eine quantitative Auswertung des Gebrauchs von Figurenrede kann demnach keinen Einblick in den Umfang des Erprobens von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung geben. Die Auswertung des Gebrauchs von Figurenrede als „affektives Mittel“ scheint vor diesem Hintergrund ähnlich problematisch: Dädalus sagte: „Herein“(Leona S73d) erzeugt vermutlich weniger Nähe als Er flog wie wild herum vor Verzweifeln (Emma S04d) – abgesehen von der Abhängigkeit vom Kontext. 68 Der (schulische) Hinweis, in Erzählungen „wörtliche Rede“ zu benutzen, wird dem Gegenstand also weder in Bezug auf die unterschiedlichen Modi des Erzählens gerecht noch in Bezug auf die Vermittlung von Erfahrung. Ähnliches gilt vermutlich auch für den angeleiteten Gebrauch weiterer sprachlicher Mittel wie z.B. Adjektive, Metaphern etc., die losgelöst von ihrem inhaltlichen Gehalt kaum (vorgestellte) Erfahrungen zum Ausdruck bringen können. Wörtliche Rede ist ein Mittel, mit dem bei der Präsentation von Figurenrede Nähe erzeugt werden kann, es ist aber zum einen nicht das einzige Mittel, das im dramatischen Modus Nähe erzeugen kann, und zum anderen ist fehlende wörtliche Rede bzw. Figurenrede kein Hinweis auf ein fehlendes Vermögen, den Rezipienten emotional zu involvieren. Narratologisch angemessen beschränkt

68

Es sind Kontexte denkbar, in denen ein „Herein“ ein hohes Maß an emotionaler Involvierung erzeugen kann.

88

4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

Augst die Figurenrede nicht auf die wörtliche Rede, sondern wertet alle Präsentationsformen aus. Unter Berücksichtigung beider Modi unterscheidet er auf der höchsten Stufe der Entwicklung eines Erzähltons Erzähler nach ihrem individuellen Stil in „Epiker“, „Dramatiker“ und „Stilisten“. Die Kategorien erscheinen allerdings nicht trennscharf, denn „Stilisten“ müssten eigentlich gleichzeitig entweder „Epiker“ oder „Dramatiker“ sein, da stilistische Mittel allein kaum eine Erzählung vermitteln können und der Gebrauch stilistischer Mittel in beiden Modi möglich ist. Für die Betrachtung von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung ist von Interesse, wie durch Sprache Vorstellungen erzeugt und geweitet werden können, sodass vorstellbar wird, wie es ist, eine bestimmte Erfahrung zu machen. Während davon ausgegangen wird, dass beide Modi gleichermaßen dazu geeignet sind, Vorstellungen zu erzeugen, erscheint die Betrachtung sprachästhetischer Phänomene relevant für den Grad an Vorstellungsbildung. Es scheint angemessen, Sprachformen für vorgestellte Erfahrung unabhängig vom Modus auszuwerten. Was hier beispielhaft für die Figurenrede diskutiert wurde, lässt sich auf die anderen „affektiven Mittel“ übertragen, die Boueke et al. (und andere darauf bezugnehmend) zum Erzeugen von psychologischer Nähe vorstellen (szenisches Präsens, Wiedergabe von akustischen Sinneseindrücken). Interjektionen und andere Onomatopoetika sind nicht nur narrative Muster für den dramatischen Modus, weil sie durch die Ähnlichkeit zum tatsächlichen akustischen Erleben psychologische Nähe erzeugen, sondern weil sie durch den Klang (z.B. „Aua!“) die Vorstellung einer Erfahrung (z.B. Schmerz) erzeugen, und zwar auch durch wortbildende Onomatopoetika wie „schluchzen“ und „summen“ bei einer Erzählung im narrativen Modus. Onomatopoesie benennt eine Erfahrung nicht direkt, sondern durch semantische Substitution (die in diesem Fall die Vorstellung der Erfahrung direkter vermittelt als eine Benennung). Mit Ausnahme der Untersuchung von Augst (2010) und der Analyse einzelner Phänomene wie z.B. Phraseologismen (Schmidlin 1999) und Rhythmisierung (Becker 2013a) sind literarische Sprachformen in Erzählungen von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter in Studien, die den Grad der Annäherung an das Modell einer prototypischen Höhepunkterzählung messen, kaum betrachtet worden. Den emotionalen bzw. evaluativen Gehalt einer Erzählung auf den Gebrauch von Adjektiven und expressiven Verben zu beschränken, scheint weder dem Gegenstand noch den Texten der Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter gerecht zu werden. Es wird angenommen, dass narrative Muster als Sprachformen für Inhalte darstellbar und als solche auch Lernenden im Grundschulalter kognitiv zugänglich sind. Im Mittelpunkt des Interesses steht, welche Sprachformen Lernende erproben, um vorgestellte Erfahrung narrativ zum Ausdruck zu bringen und zu erzeugen.

4.2 Diskussion zur Perspektive auf „sprachliche Mittel“

89

Äquivalent dazu lassen sich Sprachformen zur Darstellung einer Ereignisfolge nicht nur als Formen der Markierung von Erzählanfang, Höhepunkt und Schluss oder als Variationen syntaktischer Verknüpfung betrachten, sondern können als vorstellungsbildende Muster eine basale Form der Darstellung eines in Zeit und Raum verankerten Bewusstseins darstellen. Schon Werner Knapp stellt fest, dass strukturalistische Modelle sich nicht eignen, um die laufende Orientierung über Ort, Zeit und Personen zu analysieren: „Die referentielle Bewegung in den Bereichen Ort, Zeit und Person stellt ein konstitutives Merkmal von Erzählungen dar. Der Erzählerwerb besteht ganz wesentlich darin, diese referentielle Bewegung handhaben zu lernen. Zum Erzählen gehört nicht nur, zu Beginn über Ort, Zeit und Personen zu orientieren, die Orientierung muss vielmehr laufend aufrechterhalten, erweitert und erneuert werden. Daß dies mit den vorliegenden strukturalistischen Modellen nicht analysiert werden kann, stellt eine entscheidende Schwäche bei der Untersuchung der Erzählfähigkeit dar“ (Knapp 1997, S. 78). Obwohl Knapp auf die Bedeutung der „referentiellen Bewegung in den Bereichen Ort, Zeit und Person“ für den Erzählerwerb hinweist, erfolgt in seiner Studie (in der hauptsächlich schriftliche Erzählungen von zweisprachig aufwachsenden Fünft- bis Siebtklässlern in der Hauptschule untersucht werden) keine Analyse derselben. Stattdessen wird lediglich ausgewertet, ob eine explizite Orts- und Zeitangabe innerhalb der Orientierungssequenz erfolgt (vgl. ebd., S. 112). Dabei gelten Wendungen, die mit einer temporalen Konjunktion versehen sind und bei denen der Zeitpunkt aus dem Weltwissen erschlossen werden kann (z.B. „…als ich von der Schule kam…“), als Zeitangaben, während temporale Konjunktionen allein (z.B. „Klaus kam gerade vom Spielplatz…“, „Als Florian ein Auto wegfahren hörte…“) oder auch eine Verschiebung ohne expliziten Bezugspunkt (z.B. „Am nächsten Tag war schulfrei, …“) die Kategorie Zeitangabe nicht realisieren (vgl. ebd., S. 112 f.). Deutlich wird, dass solche deiktischen und ereignisrelationalen Zeitangaben als irrelevant für die Orientierungssequenz betrachtet werden, obwohl sie die Vorstellung eines anderen Ereignisses (z.B. dem Tag, an dem Klaus auf dem Spielplatz war; der Zeit, in der es leise bei Florian war; dem Tag, an dem Schule war) und im Verhältnis zu diesem die Vorstellung einer Ereignisfolge erzeugen können. Aus narratologischer Perspektive sind die genannten Beispiele typisch für einen etischen Textbeginn, der im Gegensatz zu einem emischen Textbeginn dadurch gekennzeichnet ist, dass auf Personen und Objekte der fiktionalen Welt als bekannt referiert wird (vgl. Fludernik 2013, S. 56). 69 Wie bei der Betrachtung der wörtlichen Rede zeigt

69

Etische Textanfänge gibt es auch in der Kinderliteratur: „Am Rand der kleinen, kleinen Stadt…“ (Lindgren 2007, S. 7). Neben dem Gebrauch des Pronomens ohne Antezedens ist für einen etischen Textbeginn charakteristisch, dass im zweiten Satz der Name „Pippi Langstrumpf“ unvermittelt genannt wird. Die Voraussetzung der Bekanntheit kann sich auch auf die zeitliche Situierung beziehen

90

4 Diskussionsstand zum Erzählerwerb im Grundschulalter

sich, dass eine narratologische Betrachtung eine andere Perspektive auf die Sprachformen in Texten von Schülerinnen und Schülern eröffnet. Die zeitsprachlichen Kategorien von Hug hingegen sind eigentlich geeignet, um Formen zu beschreiben, die unterschiedliche Vorstellungen von Zeit erzeugen können. Indem es Hug aber darum geht, unterschiedliche Grade an sprachlicher Komplexität zu unterscheiden, liegt sein Fokus auf der Entwicklung literaler Kompetenzen und nicht auf der Untersuchung narrativer Muster. Ein Text wird nicht deshalb ‚narrativer‘, weil er viele ‚komplexe‘ Zeitausdrücke enthält, sondern dadurch, dass die Zeitangaben ermöglichen, sich eine Ereignisfolge vorzustellen – und dazu eignen sich auch weniger ‚komplexe‘ Zeitausdrücke. Dementsprechend geht es im empirischen Teil der Studie weder um die Analyse zeitsprachlicher Formen, die Anfang, Höhepunkt oder Schluss kennzeichnen, noch steht die Untersuchung syntaktischer Komplexität im Vordergrund, sondern es werden Sprachformen betrachtet, die eine „laufende Orientierung“ über die Folge der Ereignisse ermöglichen. Im Mittelpunkt des Interesses steht, welche Sprachformen Lernende erproben, um Vorstellungen einer Ereignisfolge zum Ausdruck zu bringen und zu erzeugen. Die Fokussierung auf die Höhepunkterzählung – als Strukturform – schränkt die Betrachtung und Bewertung kindlichen Erzählens gegenüber dem Interesse an den dargestellten Inhalten ein (vgl. Dehn et al. 2014, S. 493). Wenn die (vorgegebenen) Inhalte beliebig sind, reduziert sich die Evaluation – losgelöst von der „echten“ Einstellung gegenüber einem (eigenen) erzählwürdigen Erlebnis (wie die „lebensbedrohliche Situation“ in der Studie von Labov/Waletzky) – auf eine stilistische Mittelwahl (z.B. den Gebrauch von Adjektiven). Für einen Zugang zu literarischen Mustern scheint es bedeutsam zu sein, sprachliche Hervorhebungen nicht nur als adressatenbezogene evaluative Mittel zu betrachten, sondern vor allem in ihrer Funktion für die Darstellung und Vorstellung von Erfahrung. Vor diesem Hintergrund sollten auch Sprachformen, die die Folge der Ereignisse kennzeichnen, nicht nur als strukturelle Mittel zur Gliederung der Erzählung betrachtet werden, sondern im Zusammenhang mit einem in räumlicher und zeitlicher Hinsicht existenziell verankerten Bewusstsein. In Entwicklungsmodellen wird davon ausgegangen, dass eine zunehmende Diversität konnektiver Formen und ihrer semantischen Funktionen sowie der Gebrauch evaluativer und stilistischer Mittel am zunehmenden Alter der Lernenden liegen. Bei der Darstellung der Studien zur Erzählentwicklung wurden aber auch Zusammenhänge zwischen Erzählanlässen und bestimmten Sprachformen in Erzählungen von Schülerinnen und Schülern deutlich. Auch wenn damit ein Entwicklungsverlauf nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird, zeigt dies, dass das didaktische Potenzial von Aufgaben (bzw. Vorgaben) unter-

(vgl. Fludernik 2013, S. 56). Die erste explizite Zeitangabe in der Erzählung „Pippi Langstrumpf“ ist z.B. eine deiktische: „Früher hatte Pippi mal einen Papa gehabt…“ (Lindgren 2007, S. 8).

4.2 Diskussion zur Perspektive auf „sprachliche Mittel“

91

schiedlich hoch und spezifisch sein kann. In der Studie zu narrativen Mustern in Schülertexten wird die Bedeutung der Aufgabe (bzw. Vorgabe mit narrativem Gehalt) und der damit verbundenen Möglichkeit zur Vorstellungsbildung für das Erproben bestimmter Sprachformen in didaktischer Perspektive untersucht, um Möglichkeiten der Förderung von Erzählfähigkeiten zu erörtern. Entwicklungsbezogene Analysen bedürften weiterer Studien.

5 Methode der empirischen Studie 5.1 Zur Erhebung der schriftlichen Erzählungen Zur Bearbeitung der Fragestellung ist ein qualitatives, explorativ angelegtes Untersuchungsdesign nötig, in dem die Schreibaufgaben einen großen Spielraum für das Erproben von Mustern eröffnen.

Zur Anlage der Studie In der empirischen Feldstudie werden im März/April 2014 an drei unterschiedlichen Tagen Texte von 102 Schülerinnen und Schülern in sechs dritten Klassen an vier Hamburger Grundschulen erhoben. 70 Zwei der Schulen liegen in Einzugsgebieten mit hohem Sozialindex (5), der Anteil der Schülerinnen und Schüler aus diesen Gebieten beträgt 60%. Die beiden anderen Schulen liegen in Einzugsgebieten mit (sehr) niedrigen Sozialindizes (1 und 2), der Anteil dieser Schülerinnen und Schüler beträgt 40%. 71 Die Stichprobe wird aufgrund folgender Kriterien ausgewählt: -

-

70

71

Alter: Da Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 über ausreichend Schreibfähigkeiten verfügen, ohne dass sie schon stark durch normative Schreibvorgaben beeinflusst wurden, scheint diese Altersgruppe geeignet, um das Erproben von Sprachformen zu untersuchen. Sozialindex: Um ein möglichst breites Spektrum an Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen zu erfassen und Einblick darin zu gewinnen, wie Schülerinnen und Schüler mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen den Zugang, den die Vorgaben eröffnen, für das Erproben von Sprachformen nutzen,

Insgesamt nahmen 107 Schülerinnen und Schüler an der Studie teil. Fünf Schülerinnen und Schüler, die aufgrund von körperlichen oder anderen Beeinträchtigungen nicht selbst schreiben konnten und deshalb einer Lehrerin oder einer Erzieherin ihre Texte diktierten (je zwei Schülerinnen und Schüler aus Klasse A und C und ein Schüler aus Klasse D), werden aus der Untersuchung ausgeschlossen, weil nicht nachvollziehbar ist, ob die Texte eigenständig verfasst wurden. Drei Textteile, die der Verfasserin selbst diktiert wurden, werden bei der Auswertung berücksichtigt, da die Hilfe sich auf das Aufschreiben beschränkt. Die diktierten Textteile sind im Anhang durch kursive Schrift gekennzeichnet (Anniara S80m und G80m; Isra F63m). Der Hamburger Sozialindex beschreibt die soziale Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler: „Wenn die meisten von ihnen aus bildungsfernen Schichten und schwierigen Verhältnissen kommen, hat die Schule einen Sozialindex von 1. Wenn sie aber hauptsächlich aus bildungsnahen Schichten und wohlhabenden Verhältnissen kommen, hat die Schule einen Sozialindex von 6“ (Behörde für Schule und Berufsbildung 2017). Der Sozialindex wird in Hamburg aus 24 Variablen errechnet und hat z.B. Auswirkungen auf den Personalbedarf, sodass an Schulen mit niedrigem Sozialindex in der Regel kleinere Klassen gebildet werden. Aus diesem Grund ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler in den beiden Gruppen der Studie unterschiedlich hoch.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_6

94

5 Methode der empirischen Studie

-

werden die Texte an Schulen erhoben, die in Einzugsgebieten mit unterschiedlich hohen Sozialindizes liegen. Umfang: Da es bereits eine Reihe von Analysen zum Schreiben zu Vorgaben gibt, die sich auf Texte einzelner Kinder beziehen (vgl. z.B. Dehn et al. 2011), besteht ein besonderes Forschungsinteresse darin, zu untersuchen, wie sich das Schreiben zu Vorgaben auf das Erproben von Sprachformen bei einer größeren Anzahl von Schülerinnen und Schülern auswirkt. Zugleich wird darauf geachtet, dass der Umfang der Stichprobe im Rahmen einer Qualifikationsarbeit zu bewältigen ist.

Die Schülerinnen und Schüler haben dreimal die Aufgabe, eine Geschichte zu schreiben: 1. zu der vorgelesenen Sage von Dädalus und Ikarus, 2. zu dem Gemälde „Auf dem Segler“ von C.D. Friedrich, 3. zu einer von sechs Figuren aus Literatur und Medien (Pippi Langstrumpf, Räuber Hotzenplotz, Rotkäppchen, König der Löwen, Arielle und Spiderman). Da zu allen drei Erhebungszeitpunkten sechs Kinder fehlen, umfasst der zu untersuchende Korpus die Texte von jeweils 96 Schülerinnen und Schülern zu drei unterschiedlichen Vorgaben (s. Tab. 1). Tab. 1: Anzahl der Schülerinnen und Schüler Sozialindex der Einzugsgebiete Stichprobe niedrig 41 hoch 61 insgesamt 102

Sage 37 59 96

Gemälde 40 56 96

Figuren 37 59 96

Alle drei Vorgaben (Durchschnitt) 38 58 96

Zudem werden Gespräche zu besonderen Formulierungen im eigenen Text und dem einer Mitschülerin oder eines Mitschülers mit jeweils zwei Kindern erhoben. Diese werden nach exemplarischer Analyse von der Untersuchung ausgeschlossen, weil ihre Analyse den Rahmen der Arbeit sprengen würde (vgl. Schüler/Dehn 2018). Die Erhebung personenbezogener Daten bezieht sich auf das Geschlecht, die Sprache(n), die Leistungen im Rechtschreibtest (Hamburger Schreib-Probe 3) und im Lesetest (Stolperwörter Lesetest 2 oder Kermit 2) 72 sowie eine allgemeine Einschätzung der 72

Der Stolperwörter-Lesetest „misst Lesegeschwindigkeit und -sicherheit auf der Satzebene. Sinnerfassung und Überprüfung der syntaktischen Stimmigkeit sind im Test implizit enthalten“ (Nottbusch

5.1 Zur Erhebung der schriftlichen Erzählungen

95

Leistungen im Textschreiben durch die Lehrerin (stark, durchschnittlich, schwach). Insgesamt nehmen (zufälligerweise) mehr Mädchen (58) als Jungen (44) an der Studie teil. Im Unterschied zu anderen Untersuchungen zum Erzählen im Grundschulalter, die mehrsprachige Schülerinnen und Schüler explizit ausschließen (z.B. Augst et al. 2007, Uhl 2015) oder sich ausschließlich auf diese Gruppe beziehen (z.B. Blaschitz 2014), wird kein Kind aufgrund seiner Sprache von der Untersuchung ausgeschlossen, um einen Einblick in die Spannbreite schulischer Realität zu gewinnen. Etwas mehr als die Hälfte (55%) aller Schülerinnen und Schüler spricht nur deutsch, der andere Teil der Stichprobe (45%) hat einen mehrsprachigen Hintergrund (s. Tab. 2). Während in den Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes nur ein gutes Viertel (28% bzw. 29% im Durchschnitt) der Schülerinnen und Schüler mehrsprachig aufwächst, sind es in den Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes fast drei Viertel (71% bzw. 68% im Durchschnitt). Tab. 2: Anzahl mehrsprachig und einsprachig deutsch aufwachsender Schülerinnen und Schüler

Sprache mehrsprachig einsprachig deutsch

Sozialindex niedrig hoch insgesamt niedrig hoch insgesamt

Stichprobe 29 17 46 12 44 56

Sage 26 17 43 11 42 53

Gemälde 28 17 45 12 39 51

Figuren 25 16 41 12 43 55

Alle drei Vorgaben (Durchschnitt) 26 17 43 12 41 53

Auf der Grundlage der vorliegenden Daten zu drei zentralen Bereichen des Deutschunterrichts (Rechtschreibung, Lesen, Textschreiben) werden die Schülerinnen und Schüler einem Leistungsbereich zugeordnet, der angibt, ob es sich tendenziell um ein Kind mit starken, durchschnittlichen oder schwachen Leistungen handelt. 73 Ein Viertel der Kinder (25%) wird als leistungsstark eingestuft, etwas mehr als die Hälfte (57%) in einem durchschnittlichen Leistungsbereich und etwas weniger als ein Viertel (18%) als

73

2018). Mit KERMIT („Kompetenzen ermitteln“) – führen alle Hamburger Grundschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien seit dem Schuljahr 2012/13 standardisierte Tests durch (vgl. Behörde für Schule und Berufsbildung Hamburg o. J.). Schülerinnen und Schüler, die mehr als 80 Graphemtreffer bei der Hamburger Schreibprobe haben oder im Lesetest überdurchschnittliche Leistungen zeigen (KERMIT: Bereich D), werden im jeweiligen Bereich als leistungsstark eingestuft, diejenigen, die in der Hamburger Schreibprobe weniger als 20 Graphemtreffer haben oder im Lesetest unterdurchschnittliche Leistungen zeigen (KERMIT: Bereich A), als leistungsschwach, und die übrigen als durchschnittlich. Schülerinnen und Schüler, die in mindestens zwei der drei Bereiche dieselbe Leistung zeigen, werden dem überwiegenden Leistungsbereich zugeordnet, liegen drei verschiedene Werte vor, wird die Leistung als durchschnittlich eingeschätzt.

96

5 Methode der empirischen Studie

leistungsschwach (s. Tab. 3). Während die leistungsstarken Kinder fast alle in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, stammen die leistungsschwachen Kinder fast alle aus Gebieten mit niedrigen Sozialindizes. Da die Daten zur Leistung nicht einheitlich erhoben wurden, wird auf eine systematische Auswertung der Sprachformen von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Leistungsbereiche verzichtet. Tab. 3: Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit starken, mittleren oder schwachen Leistungen in drei zentralen Bereichen des Deutschunterrichts

Leistung stark durchschnittlich schwach

Sozialindex niedrig hoch insgesamt niedrig hoch insgesamt niedrig hoch insgesamt

Stichprobe 3 23 26 24 34 58 14 4 18

Sage 2 22 24 23 34 57 12 3 15

Gemälde 3 21 24 23 32 55 14 3 17

Figuren 3 23 26 21 32 53 13 4 17

Alle drei Vorgaben (Durchschnitt) 3 22 25 22 33 55 13 3 16

Zum Ablauf der Erhebung 74 Das Forschungsinteresse und der Ablauf der Untersuchung wird den Schülerinnen und Schülern am ersten Tag der Untersuchung mitgeteilt: „Ich forsche über das Geschichtenschreiben: Was schreiben Kinder, wenn sie Geschichten schreiben und wie schreiben sie Geschichten – mit welchen Wörtern drücken sie das aus, was sie erzählen möchten? Das interessiert mich schon lange und jetzt bin ich froh, dass ich mit euch dazu arbeiten kann. Ich werde an drei Tagen in der nächsten Zeit kommen und jedes Mal bringe ich etwas Anderes mit zum Geschichten schreiben.“ Nach der gemeinsamen Rezeption der Vorgabe, wird den Schülerinnen und Schülern die Aufgabenstellung mitgeteilt. Sie haben den Rest der Doppelstunde Zeit zum Schreiben, einige sind nach 15 Minuten fertig, andere schreiben die gesamte Zeit, einzelne bitten darum, in der Pause noch weiterschreiben zu dürfen. Zu jeder Vorgabe wird an-

74

Das Potenzial der einzelnen Vorgaben als Zugang zu vorgestellter Erfahrung und Ereignisfolgen wird in Kapitel 6 thematisiert. Hier konzentriert sich die Darstellung auf die Vorstellung der Erhebungssituation und der Aufgabenstellungen zum Schreiben.

5.1 Zur Erhebung der schriftlichen Erzählungen

97

schließend ein Buch für die Klasse mit allen orthographisch korrekt abgetippten Geschichten erstellt. Es wird den Lehrerinnen freigestellt, ob die Geschichten (z.B. am Tag nach dem Schreiben oder später aus dem Buch) vorgelesen werden. Tonaufnahmen stellen sicher, dass der Ablauf der Erhebung und der Wortlaut der Aufgabenstellungen in allen Klassen gleich sind.

Zu den Aufgabenstellungen Um zu untersuchen, wie sich der Zugang zu Vorgaben mit narrativem Gehalt auf das Erproben narrativer Muster beim Schreiben auswirkt, welche Rolle also die durch die Rezeption eröffnete Möglichkeit zur Vorstellungsbildung für die Produktion von Erzählungen spielt, erscheinen Aufgaben geeignet, die „Literarität als Impuls für das Schreiben wirksam werden lassen“ (Dehn et al. 2011, S. 104). Im schreibdidaktischen Konzept des ‚Schreibens als kultureller Tätigkeit‘ wird davon ausgegangen, dass Schreiben in Korrespondenz zu dem erfolgt, was das Subjekt bei der Rezeption von symbolisch vermittelten Inhalten in der Vorstellung konkretisiert (vgl. ebd., S. 33). Da auch Sehen kein Prozess des Abbildens ist, sondern ein Konstruktionsprozess (Singer 2004, S. 75), wohnt nicht nur literarischen Texten (wie z.B. Sagen, Märchen und Kinderbüchern), sondern auch Bildern das Potenzial inne, Vorstellungen zu erzeugen. Auch ein Bild kann Vorstellungs- und Schreibprozesse in Gang setzen, wenn es gelingt, dass sich die Schülerinnen und Schüler für das Bild interessieren. Erst wenn sie sich gedanklich auf das Bild einlassen (können), kann eine vertiefte Bildwahrnehmung angestoßen werden. Dehn nennt dafür zwei Aufgaben: -

„Eine erste Aufgabe […] ist das Innehalten, nicht am ersten Blick Genüge zu finden. Dafür sind die Inhalte und Präsentationsformen wichtig. […] Eine zweite Aufgabe ist auf Transformationsprozesse gerichtet, damit die rekursiven Prozesse des Bild- (und des Text-)verstehens verhandelbar werden“ (Dehn 2007, S.35, Hervorhebung i.O).

Transformationsprozesse können in Sprache, aber auch in Bild, Geste, Klang oder Bewegung gestaltet sein (vgl. ebd.). Für das Fokussieren des ersten Blicks sind ‚Unbestimmtheit‘ und ‚Mehrdeutigkeit‘ besonders geeignet (vgl. Dehn/Schüler 2014, S. 154). Sie widersetzen sich automatischer Normalisierung und provozieren ein Innehalten. Im Spannungsfeld zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem können Vorstellungen entstehen, die eine Geschichte evozieren. Eine methodische Möglichkeit, den ersten Blick sprachlich zu fokussieren, ist die Aufgabe, eine Formulierung zu schreiben. In der Materialität des kleinen Formats der Zettel sind Impression und Wort aufs engste verbunden (vgl. ebd., S. 158). Der Austausch der ersten Gedanken kann bewirken, dass eine

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5 Methode der empirischen Studie

weitere, vertiefte Beschäftigung mit dem Bild stattfindet – in Korrespondenz oder Abgrenzung zu dem Gehörten, den Gedanken der anderen. Im Konzept des „Schreibens als kulturelle Tätigkeit“ ist es wichtig, dass mit der Vorgabe Erinnerungen, Impressionen, Erfahrungen virulent werden, die auf eine sprachliche Gestaltung drängen, aber auch weniger subjektinvolvierende Formen zulassen. Die Vorgabe enthält keine Vorschrift, eröffnet aber einen weiten Spielraum für unterschiedliche und individuelle Zugriffsweisen und ist so anspruchsvoll, dass ein breites Spektrum an Differenzierung beim Lösen entsteht (vgl. Dehn et al. 2011, S. 100). Die Aufgabenstellung sollte so weit gefasst sein, dass die Schülerinnen und Schüler selbst bestimmen, worüber sie schreiben, was sie erzählen wollen. Aus der Vielzahl der thematischen Zugänge, die die Vorgaben eröffnen, müssen sie etwas auswählen, etwas akzentuieren (vgl. ebd., S. 99): „Thematisieren ist ein notwendiger Vorgang, um die Fülle der Eindrücke und Erinnerungen zu strukturieren, die mit der Vorgabe geweckt sind“ (ebd., S. 106). Die Vorgaben wirken also als Anregung und Herausforderung zugleich (vgl. ebd., S. 99). Indem die Form der Aufgabenstellung auch Reproduktion zulässt, enthält die Aufgabe schon in sich selbst eine Differenzierung (vgl. ebd., S. 100). Dementsprechend finden die Lernenden, die an der Studie teilgenommen haben, durch die Vorgaben mit narrativem Gehalt einen Inhalt vor, zu dem sie ihre Erzählung schreiben. In der Sage ist der Inhalt bereits sprachlich gestaltet, im Gemälde bildnerisch und die Figurenauswahl eröffnet einen Zugang zu multimedialen Gestaltungsformen, der individuell den Formen entspricht, in denen die Geschichte der Figur von einer Schülerin oder einem Schüler im außerschulischen Kontext rezipiert wurde. Die Entscheidung darüber, was erzählwürdig ist, liegt bei den Schreiberinnen und Schreibern selbst. Sie können die Geschichte bzw. den Moment, den das Bild darstellt, als Anstoß nehmen, um Erinnerungen, Erfahrungen, Vorstellungen zu formulieren, also auch Projektionen, oder mit etwas mehr Abstand zur eigenen Person erzählen, sie müssen aber keine spezifische Erwartung erfüllen (vgl. ebd., S. 99 f.): eine Nacherzählung zu verfassen, eine Geschichte zu Ende zu schreiben, sich eine Geschichte auszudenken, wörtliche Rede zu benutzen, Spannung zu erzeugen, unterschiedliche Satzanfänge zu formulieren etc. Zudem wird davon ausgegangen, dass es für die Transformation von Gedanken in Schrift förderlich ist, wenn Mündlichkeit vor dem Schreiben vermieden wird. Während für das Schreiben die Fähigkeit zur Dekontextualisierung wesentlich ist (Dehn 1999, Andresen 2005), ergibt sich das Sprechen meist aus den Kontexten, sodass sich Mündlichkeit und Schriftlichkeit konzeptionell stark unterscheiden (vgl. Koch/Österreicher 1985). Um den direkten Weg in die Schriftlichkeit zu ermöglichen, wird nach der

5.1 Zur Erhebung der schriftlichen Erzählungen

99

Rezeption von Sage, Gemälde und Figurenauswahl nicht (bzw. kaum) gesprochen. 75 Der Austausch erster Gedanken zum Bild erfolgt zwar medial mündlich, konzeptionell aber schriftlich, da die zuvor geschriebenen Formulierungen vorgelesen werden. Auch hier erfolgt anschließend kein Gespräch. Dadurch, dass direkt nach der gemeinsamen Rezeption einer Vorgabe geschrieben wird, steigert sich auch das Interesse der Schülerinnen und Schüler am Austausch nach dem Schreiben. Alle drei Aufgaben sind im Kontext des Schreibens zu Vorgaben bereits erprobt worden (Dehn et al. 2011; Dehn/Schnelle 2000; Christensen/Dehn 2012; Weinhold 2000). Aufgabe zur Sage Folgende Worte führen in die Arbeit zur Sage „Dädalus und Ikarus“ ein: „Heute habe ich euch eine Sage mitgebracht, eine griechische Sage, von der schon seit sehr langer Zeit erzählt wird – die lese ich euch vor und danach sollt ihr schreiben. Also diesmal nicht zuerst sprechen. Die Sage handelt von einem Menschen, einem Mann. Er heißt Dädalus.“ Der Name wird an die Tafel geschrieben. Danach wird die Sage von Dädalus und Ikarus vorgelesen (s. Anhang, S. 381 f.; vgl. Dehn/Schnelle 2000, S. 19). 76 In allen sechs Klassen hören die Kinder der Geschichte konzentriert zu, kaum ein Wort fällt zwischendurch. Um das, was sich an Vorstellungen im Kopf bildet, für das Schreiben fruchtbar machen zu können, folgt die Aufgabe ohne Gespräch gleich im Anschluss: „Das war die Geschichte von Dädalus und Ikarus. Lass‘ deine Gedanken nochmal wandern, um sie zu sortieren. Dann entscheide dich. Sammle deine Gedanken dazu, deine wichtigsten Gedanken. Schreibe deine Geschichte von Dädalus und Ikarus“ (ebd., S. 18/20). Es wird davon ausgegangen, dass die Schülerinnen und Schüler die Sage von Dädalus und Ikarus noch nicht kennen. Zum Zeitpunkt der Erhebung ist die Sage in keiner der Klassen im Unterricht thematisiert worden und keinem Kind scheint die Geschichte aus anderen Erwerbskontexten bekannt zu sein.

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Spontane Reaktionen werden nicht unterbunden. So kommentiert z.B. eine Schülerin nach dem Vorlesen die Sage: „Das ist aber traurig!“ Die vorgelesene Fassung entspricht im Wesentlichen der Erzählung von Irmtraud Schnelle, die mit Bezug auf unterschiedliche Quellen (v.a. Schwab 1997 und die Textauswahl in Aurnhammer/Martin 1998) die Sage für den Unterricht in der Grundschule bearbeitet hat.

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5 Methode der empirischen Studie

Aufgabe zum Gemälde Die Schülerinnen und Schüler betrachten das Gemälde „Auf dem Segler“ von C. D. Friedrich (s. Abb. 2), das als Poster an der Tafel hing, ohne zu sprechen. Um den ersten Blick sprachlich zu fokussieren, sollen sie das, was ihnen dazu einfällt, ihre erste Idee, ihren Gedanken auf einem kleinen Stück Papier notieren: „Schreibe eine Formulierung zu dem Bild auf – einen Eindruck, einen Gedanken oder eine Idee.“ Um eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Bild anzustoßen, ohne den Deutungsspielraum einzuschränken, werden die Formulierungen alle vorgelesen, aber nicht besprochen. Danach folgt die Aufgabe: „Schreibe nun deine Geschichte zu dem Bild – deine Geschichte. Es soll um deine Gedanken zum Bild gehen – das, was du dir vorstellst, was dir wichtig ist.“ Es wird davon ausgegangen, dass die Schülerinnen und Schüler das Gemälde noch nicht kennen. In keiner Klasse ist es zum Zeitpunkt der Erhebung bereits im Unterricht thematisiert worden und keinem Kind scheint das Bild aus anderen Erwerbskontexten bekannt zu sein. 77 Aufgabe zu Figuren aus Literatur und Medien Für das Schreiben stehen sechs Figuren zur Auswahl, die an der Tafel auf Postern (im Format DINA3) präsentiert werden: Pippi Langstrumpf, Räuber Hotzenplotz, Rotkäppchen, König der Löwen, Arielle und Spiderman. Auch auf den entsprechenden Schreibblättern ist jeweils eine der Figuren abgebildet, sodass die Kinder sich mit der Wahl eines Schreibblattes für eine Figur (und ihre Geschichte) entscheiden. Die Aufgabe zum Schreiben lautet: „Ich bitte euch heute, Geschichten zu schreiben. Es gibt sechs verschiedene Möglichkeiten, etwas zu schreiben, ihr könnt eine aussuchen. Überlegt schon mal, über wen ihr schreiben wollt. Zu jeder Figur gibt es ein Schreibblatt. Wenn du weißt, zu welcher Figur du deine Geschichte schreiben möchtest, nimmst du dir das Blatt, gehst an deinen Platz und fängst an“ (vgl. Weinhold 2000, S. 102). Es wird davon ausgegangen, dass die Schülerinnen und Schüler mindestens eine Geschichte zu einer der Figuren kennen (bei der Erhebung sagt ein Schüler, dass er keine der Geschichten kenne).

77

Zwei der Klassen (E, F) hatten im Rahmen einer Kooperation mit der Kunsthalle Hamburg bereits andere Bilder von C.D. Friedrich betrachtet, aber nicht dazu geschrieben.

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

101

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen Die Datenauswertung stellt eine Kombination aus qualitativer und quantitativer Analyse dar, bei der die transkribierten Schülertexte auf Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen untersucht werden. Zur Aufbereitung der Daten Bei der Transkription werden die Texte der Schülerinnen und Schüler anonymisiert. Das Pseudonym wird so gewählt, dass das Geschlecht und der kulturelle Kontext, aus dem der Name eines Kindes stammt, beibehalten wird (vgl. Kuckartz 2016, S. 171). Die Kennung hinter dem Namen des Kindes enthält Informationen über: -

-

die Vorgabe, zu der das Kind geschrieben hat (S -> Sage; G -> Gemälde; F -> Figur), die Nummer, über die der Sozialindex des Einzugsgebiets, in dem das Kind zur Schule geht (hoher Sozialindex: 01-61, niedriger Sozialindex: 62-102), und die Klasse des Kindes (Klasse A: 01-20, Klasse B: 21-42, Klasse C: 43-61, Klasse D: 62-76, Klasse E: 77-89, Klasse F: 90-102) zu ermitteln ist, der sprachliche Hintergrund des Kindes (d -> das Kind wächst einsprachig deutsch auf; m -> das Kind wächst mehrsprachig auf).

Die Kennung „S01d“ bedeutet also, dass es sich um den Text zur Sage von einem Kind aus Klasse A handelt, das in einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex zur Schule geht und einsprachig deutsch aufwächst. Es wird darauf geachtet, die Formulierungen der Kinder beim Transkribieren nicht zu verändern. Korrekturen beziehen sich hauptsächlich auf Folgendes: -

-

Rechtschreibung (z.B. *Auser dem sammelte er ganz fiele federn -> Außerdem sammelte er ganz viele Federn, Noema S32d); Kasusfehler (z.B. *Er sah Käpt‘n Hook mit seinen Kind Jonas -> Er sah Käpt’n Hook mit seinem Kind Jonas, Jelena G71m); Zeitformen (v.a. präteritale Formen), bei denen die gemeinte Zeit deutlich zu erkennen ist (z.B. *Und der Leim schmiltzte -> Und der Leim schmolz, Annika S09d); Die Zeichensetzung wird behutsam korrigiert. Fehlende Kommata werden eingefügt. In Texten, in denen kaum Punkte gesetzt sind, werden Punkte eingefügt, ansonsten wird eher ein Komma gesetzt, wenn ein Punkt fehlt. Veränderungen, die Fragezeichen, Ausrufezeichen und Doppelpunkte betreffen, werden ge-

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5 Methode der empirischen Studie

-

kennzeichnet (s.u.). Die (fehlende) Redemarkierung wird weitestgehend übernommen, im Einzelfall werden Redezeichen ergänzt oder weggelassen (je nachdem, ob Redezeichen überwiegend gesetzt wurden oder nicht); Absätze werden bei der Transkription nicht markiert.

Änderungen und Ergänzungen werden folgendermaßen gekennzeichnet: -

-

-

-

Wörter (und Zeichen, s.o.), die beim Transkribieren gestrichen werden, sind durch geschweifte Klammern gekennzeichnet (z.B. und dann ist Dädalus {ist} gestorben, Kabelo S87m); Wörter (und Zeichen, s.o.), die beim Transkribieren eingefügt werden, sind durch eckige Klammern gekennzeichnet (z.B. Sie haben ein Fest gefeiert und [sich] gefreut, Luise S58m); Wörter, die ein Kind beim Vorlesen des eigenen Textes mündlich ergänzt oder korrigiert hat, sind durch Schrägstriche in Schreibrichtung gekennzeichnet (z.B. Danach machten Prinz Erik /und Arielle/ eine romantische Bootsfahrt, Elizna F91m); Wörter, die ein Kind außerhalb des Textes (z.B. am unteren Rand) geschrieben hat, sind durch Schrägstriche gegen die Schreibrichtung gekennzeichnet (z.B. „… Aber jetzt ist es 14.32 und 37 Sekunden.“ \Wie geht es weiter? Weiter auf Seite 2 Fortsetzung von Seite 1.\ „Wo bin ich?!“, fragte sich Victor Ürscheni, Carla G01d).

Zur Methode der Untersuchung Bei der Untersuchung narrativer Muster handelt es sich um eine narratologisch fundierte qualitative Inhaltsanalyse, bei der die Texte der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 mit einem eigens entwickelten, theoriegeleiteten Analyseraster auf Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen untersucht werden. Indem es dabei vor allem um Sprachformen geht, die bestimmte Erfahrungen oder Ereignisse thematisieren, nämlich solche, die auch in der Vorgabe thematisiert werden, handelt es sich um ein Verfahren, das inhaltliche und formale Kategorien kombiniert (vgl. Stamann/Janssen/Schreier 2016 [13]). Die narratologische Textanalyse gehört zu den als „postklassisch“ (Herman 1999) bezeichneten Ansätzen der Erzählforschung. Sie wird als eine „textimmanente Methode zur Untersuchung narrativer Darstellungsverfahren und Erzählstrategien“ (Sommer 2010, S. 95) beschrieben. Im Unterschied zu strukturalistischen Ansätzen ist das primäre Ziel der Analyse nicht die Theoriebildung, sondern besteht darin, im Sinne eines „Werkzeugkastens“ Kategorien für die Erzähltextanalyse bereitzustellen (vgl. ebd.).

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

103

Zentrale Analysekriterien beziehen sich z.B. auf Handlung, Figuren, Raumdarstellung, Zeitdarstellung, erzählerische Vermittlung, Figurenrede und Bewusstseinsdarstellung (vgl. ebd., S. 96 f.). Bei der narratologisch fundierten Textanalyse geht es nicht darum, auf jeden Text alle verfügbaren Konzepte anzuwenden, sondern nur die für die jeweilige Fragestellung relevanten (vgl. ebd., S. 98). „Im Mittelpunkt der narratologischen Erzähltextanalyse steht die Frage nach der Semantisierung literarischer Verfahren, also nach der Funktion textueller Strategien für die Bedeutungskonstitution“ (ebd., S. 95, Hervorhebung i.O.). In der kognitiven Narratologie richtet sich dabei der Blick auf Prozesse der Rezeption und Kognition, da Bedeutung „erst im Wechselspiel zwischen textuellen Signalen und ihrer Interpretation durch die Leser/innen realisiert und konkretisiert wird“ (ebd., S. 95 f.). In der vorliegenden Arbeit geht es nicht um eine Analyse ganzer Texte, sondern um die Analyse von Sprachformen in Erzählungen. Es werden also „textuelle Signale“ in den Blick genommen in ihrer Funktion, Vorstellungen von Erfahrungen und Ereignisfolgen erzeugen zu können, auf deren Grundlage Bedeutung generiert wird. So ermöglichen Formulierungen wie z.B. er schrie und schrie (…) Dädalus war sehr traurig (…) aber er wurde nie glücklich (Lilja S12m), sich Dädalus‘ Verzweiflung über den Verlust seines Sohnes vorzustellen. Die morphologische Figur der Wiederholung weitet die Vorstellung von Verzweiflung und die Intensitätspartikel (sehr) verstärkt sie, sodass das Ausmaß der Verzweiflung nachvollziehbar wird. Auch die Angabe zur Frequenz (nie), die ausschließt, dass Dädalus glücklich wird, trägt dazu bei. Die dargestellte Erfahrung wird als bedeutsam hervorgehoben und eröffnet einen Spielraum für Sinnbildungsprozesse, die sich auf den gesamten Text beziehen können: Die Verzweiflung kann als (gerechte) Strafe für den Mord am Schüler gedeutet werden oder als göttliche Strafe für seine Hybris in Bezug auf das Fliegen. Diana interpretiert sie als Voraussetzung, in die Heimat zurückkehren zu dürfen: Sie haben ihn wieder aufgenommen, weil er jetzt auch Schmerz gefunden hat. Aber er wurde nicht glücklich (Diana S11d). Um zu untersuchen, welche Erfahrungen und Ereignisse Schülerinnen und Schüler in ihren Erzählungen thematisieren und welche Sprachformen sie dabei erproben, eignet sich eine inhaltsanalytische Vorgehensweise. Der Kern qualitativ-inhaltsanalytischen Arbeitens liegt in der „Systematisierung von Kommunikationsinhalten mit dem Ziel einer in hohem Maße regelgeleiteten Interpretation“ (Stamann/Janssen/Schreier 2016, Absatz 9), und zwar sowohl in stärker qualitativ als auch in stärker quantitativ-orientierten qualitativ-inhaltsanalytischen Verfahren (vgl. ebd.). Bei der qualitativen Inhaltsanalyse spielen Textverstehen und Textinterpretation eine wesentlich größere Rolle als in der klassischen, sich auf den manifesten Inhalt beschränkenden Inhaltsanalyse (vgl.

104

5 Methode der empirischen Studie

Kuckartz 2016, S. 26f.). Indem Codierungen aufgrund von Interpretation, Klassifikation und Bewertung vorgenommen werden, ist die Textauswertung bei der qualitativen Inhaltsanalyse an eine menschliche Verstehens- und Interpretationsleistung geknüpft (vgl. ebd., S. 27). Als Forschungsmethode zur Systematisierung von manifesten und latenten Kommunikationsinhalten zeichnet sich die qualitative Inhaltsanalyse „durch eine Vielzahl von forschungskontextuell spezifischen Verfahren aus“ (Stamann/Janssen/Schreier 2016, Absatz 9). In der Literatur werden verschiedene Varianten qualitativer Inhaltsanalyse beschrieben, z.B. die inhaltlich-strukturierende, die evaluative, die skalierende, die zusammenfassende oder die typenbildende Inhaltsanalyse. Margrit Schreier betont, dass es ‚die‘ qualitative Inhaltsanalyse nicht gibt und kein Konsens darüber besteht, was qualitative Inhaltsanalyse ausmacht (vgl. Schreier 2014, Absatz 4). Mit dem Ziel, Orientierung zu ermöglichen, beschreibt sie verschiedene Varianten in ihren zentralen Merkmalen und setzt sie miteinander in Beziehung. Auf generellster Ebene unterscheidet sie dabei zwei Varianten des Verfahrens: die strukturierende Inhaltsanalyse, die sie als Basisvariante inhaltsanalytischer Verfahren versteht, und die Inhaltsanalyse durch Extraktion, bei der der Fokus bei der Interpretation auf einer verdichteten, extrahierten Textbasis liegt und nicht mehr auf dem Ausgangsmaterial (vgl. ebd., Absatz 46). Die Varianten strukturierender Inhaltsanalyse unterscheiden sich in erster Linie darin, welche Aspekte am Material identifiziert und in Form inhaltsanalytischer Kategorien genauer beschrieben werden (vgl. ebd., Absatz 50). Statt Varianten qualitativer Inhaltsanalyse zu unterscheiden, schlägt Schreier am Ende ihrer Ausführungen das Konzept eines Werkzeugkastens vor, „aus dem Forschende bei der Durchführung der qualitativen Inhaltsanalyse diejenigen Werkzeuge auswählen können, die zu der jeweiligen Forschungsfrage und dem jeweiligen Material am besten passen“ (ebd., Absatz 58). Sie betont, dass gerade die Kombination von Systematik und Gegenstandsangemessenheit charakteristisch für qualitative Inhaltsanalyse ist: „Das Durchlaufen einer festgelegten Abfolge von Schritten gewährleistet die Systematik, während die unterschiedlichen Möglichkeiten, diese Schritte konkret zu realisieren, die Gegenstandsangemessenheit des Verfahrens sichern“ (ebd., Absatz 59). Im Zentrum inhaltsanalytischen Vorgehens steht die Anwendung eines Kategoriensystems auf das zu untersuchende Material (vgl. Mayring 2015, S. 20; Kuckartz 2016, S. 29ff.; Schreier 2014, Absatz 48), das im Sinne eines erweiterten Textbegriffs aus Texten aller Art bestehen kann (vgl. Stamann/Janssen/Schreier 2016, Absatz 9). Charakteristisch für die strukturierende Inhaltsanalyse „ist ein iteratives Vorgehen, bei dem ein Kategoriensystem entwickelt, im Rahmen einer Probekodierung sukzessive modifiziert und schließlich in seiner Gesamtheit auf das Material angewandt wird“ (Schreier 2014,

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

105

Absatz 48). Nachdem das Material ausgewählt und Analyseeinheiten bestimmt wurden, geht es bei einer qualitativen Inhaltsanalyse also darum, Kategorien zu bilden. Udo Kuckartz beschreibt Prozesse der Kategorienbildung als fundamentale kognitive Prozesse: „Die Umwelt wahrnehmen, das Wahrgenommene einordnen, abstrahieren, Begriffe bilden, Vergleichsoperationen durchführen und Entscheidungen fällen, welcher Klasse eine Beobachtung angehört – ohne solche fundamentalen kognitiven Prozesse wäre für uns weder der Alltag lebbar noch Wissenschaft praktizierbar“ (vgl. Kuckartz 2016, S. 31). Das Spektrum dessen, was als Kategorie verstanden werden kann, ist sehr weit. Kuckartz unterscheidet z.B. Fakten-Kategorien, thematische Kategorien, evaluative Kategorien, analytische bzw. theoretische Kategorien, natürliche Kategorien und formale Kategorien (ebd., S. 34 f.). Bei der Analyse narrativer Muster in den Texten der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 handelt es sich primär um eine inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse, bei der sprachformale Kategorien, die auf der Grundlage narratologischer Überlegungen und Erkenntnisse theoretisch entwickelt bzw. ausgewählt wurden, auf das Material angewandt werden. Eine formale qualitative Inhaltsanalyse gilt als eine Variante strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse (vgl. Schreier 2014; Mayring 2015), bei der das Material unter formalen und strukturellen Gesichtspunkten erfasst und beschrieben wird (vgl. Schreier 2014, Absatz 24). Da eine Inhaltsanalyse also nicht nur Inhalte der Kommunikation zum Gegenstand hat, sondern auch formale Aspekte, wäre der Begriff „kategoriengeleitete Textanalyse“ (Mayring 2015, S. 13) eigentlich passender. Während Kuckartz unter formalen Kategorien „Daten und Informationen über die zu analysierende Einheit“ (Kuckartz 2016, S. 35) versteht und als Beispiele die Länge eines Interviews in Minuten, das Datum des Interviews, den Namen des Interviewers und die Länge des Transkripts in Byte nennt, schlägt Phillip Mayring vor, Texte auf ihre syntaktische, thematische, semantische oder dialogische Struktur hin zu untersuchen (vgl. Mayring 2015, S. 100 f.). Schreier verweist auf ihre Studie zu Absichtsindikatoren beim unintegren Argumentieren (1997), in der sie ein umfassendes Kategoriensystem entwickelt hat, das in wesentlichen Teilen aus formalen Kategorien besteht, zu denen z.B. sprachlich-linguistische Indikatoren von Unsicherheit wie „Auftreten von Hesitationsphänomenen“, „Pausen“ oder „Selbstkorrekturen“ u.a. zählen (vgl. Schreier 2014, Absatz 26). Unter Rückgriff auf gängige Kategorien pragmalinguistischer Gesprächsanalysen wurden die formalen Kategorien dabei mehrheitlich induktiv am Material erstellt (vgl. ebd., Absatz 27). Schreier weist daraufhin, dass die Beschränkung auf eine kleinere Anzahl an Kategorien, die auf Vorwissen basieren, bei der formalen qualitativen Inhaltsanalyse typischer ist als die induktive Entwicklung einer größeren

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5 Methode der empirischen Studie

Anzahl von Kategorien in ihrer Studie und nennt als Beispiel die Nutzung von Stephen Toulmins Argumentationsschema, um verschiedene Arten argumentativer Äußerungen zu bestimmen (vgl. ebd.). Beide Beispiele von Schreier zeigen ein Verständnis von formaler qualitativer Inhaltsanalyse, das sich nicht nur auf äußere Merkmale des Materials bezieht, sondern auch auf sprachliche Phänomene, die charakteristisch für bestimmte Texte sind und mittels derer Bedeutung generiert werden kann. In diesem Sinne wird die Untersuchung der Schülertexte als formale Inhaltsanalyse verstanden. Um zu untersuchen, wie sich der Zugang zu Vorgaben mit narrativem Gehalt bzw. die Möglichkeit zur Vorstellungsbildung auf das Erproben narrativer Muster beim schriftlichen Erzählen in Klasse 3 auswirkt, werden sprachformale Kategorien in erster Linie auf ausgewählte Textstellen angewandt, die eine deutliche Korrespondenz zu der rezipierten Vorgabe zu erkennen geben. Das Vorgehen bei der Bestimmung dieser Textstellen ist ebenfalls ein inhaltsanalytisches, allerdings handelt es sich hier um inhaltliche Kategorien (zur Bestimmung von dargestellter Erfahrung und dargestellten Ereignisfolgen), die in einem Vergleich der erhobenen Texte mit der jeweiligen Vorgabe mit narrativem Gehalt generiert werden. Die formale Analyse ist also inhaltlich fundiert. In qualitativer Perspektive wird dabei unterschiedlichen Formen der Korrespondenz nachgegangen. Um verschiedene Personengruppen (Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit hohem und niedrigem Sozialindex) und Vorgaben (Texte zur Sage, zum Gemälde und zu Figuren) zu berücksichtigen, wird ein relativ großer Teil des erhobenen Materials (44%) in die Probekodierung einbezogen. Es stellt sich heraus, dass es im Rahmen der Qualifikationsarbeit nicht möglich ist, die Texte von mehreren Personen unabhängig voneinander kodieren zu lassen (Intercoder-Kodierung). Als weitere Möglichkeit, einen gewissen Grad an Reliabilität zu gewährleisten, gilt das wiederholte Kodieren des Materials von derselben Person zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten (Intracoder-Kodierung) (vgl. Mayring 2015, S. 124). Von dieser Möglichkeit wird Gebrauch gemacht. Abweichende Kodierungen werden überprüft und eindeutig zugeordnet oder führen ggf. zu einer Überarbeitung des Kategoriensystems. Im Anschluss an die Analyse der Sprachformen werden zudem Frequenzanalysen durchgeführt. Bei einer Frequenzanalyse werden bestimmte Elemente des Materials ausgezählt und in ihrer Häufigkeit mit dem Auftreten anderer Elemente verglichen (vgl. ebd., S. 13). Eine Betrachtung der Häufigkeit bestimmter Sprachformen hat das Ziel, Einblick in den Umfang zu gewähren, in dem die unterschiedlichen Vorgaben unterschiedlichen Gruppen von Kindern einen Zugang zur Erprobung bestimmter Sprachformen eröffnen. In der Regel wird mit quantitativen Analyseschritten eine Verallgemeinerung der Ergebnisse angestrebt (vgl. ebd., S. 53). Bei der Untersuchung der Häufigkeit bestimmter narrativer Muster in den Texten der Schülerinnen und Schüler geht es

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

107

in hypothesenbildender Absicht vielmehr darum, die Relevanz der Möglichkeit zur Vorstellungsbildung für sprachliche Lernprozesse zu zeigen, als darum, statistisch abgesicherte Schlüsse zu ziehen.

Zur Entwicklung der Kategorien Das Vorgehen bei der Untersuchung narrativer Muster in Erzählungen von Schülerinnen und Schülern in Klasse 3 ist einerseits als deduktiv zu bezeichnen, da theoretische Vorüberlegungen zu Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen (s. Kapitel 2) leitend sind bei der Suche nach Sprachformen in den Texten der Schülerinnen und Schüler. Andererseits ist das Vorgehen induktiv, weil der Ausgangspunkt für die theoretische Auseinandersetzung bei der Kategorienbildung das Material selbst ist und die Hauptkategorien (Thematisierung, instrumentelle Hervorhebung und literarische Hervorhebung bzw. Thematisierung, Markierung von Raum, Zeit oder Kausalität) aus den empirischen Daten generiert werden. Bei der theoretischen Fundierung der Sprachformen wird nur solchen Phänomenen nachgegangen, die im Material vorkommen. Die Kategorienbildung, die wie die Gesamtauswertung mithilfe der Software MAXQDA erfolgt, umfasst vier wesentliche Schritte: 1. Kodierung besonderer Formulierungen vor dem Hintergrund des sprachsensiblen Vorwissens der Forscherin (explorativ); 2. Gezielte Auseinandersetzung mit einschlägiger Literatur (aus der Sprach- und Literaturwissenschaft), um relevante Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen theoretisch fundiert zu beschreiben (theoretisch); 3. Entwicklung der Kategorien zur Analyse von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen (deduktiv-induktiv); 4. Probekodierung und Modifikation der Kategorien. Bei der ersten Durchsicht der Texte fallen vor dem Hintergrund einer sprachsensiblen Wahrnehmung zunächst „besondere Formulierungen“ auf, die eine Erfahrung hervorheben und dadurch eine intensive Vorstellung des Dargestellten ermöglichen. Etliche dieser Sprachformen, die etwas mit Nachdruck verstärken, etwas fokussieren oder im Verbund mehr ausdrücken, als die einzelnen Worte bedeuten, muten „literarisch“ an, andere heben etwas auf „direktem“ Wege hervor. Es stellt sich heraus, dass diese Formulierungen mit den üblichen Kategorien, die in der linguistisch fundierten Erzählentwicklungsforschung verwendet werden, nicht erfasst werden können. Sprachformen, die etwas hervorheben, insbesondere literarische Sprachformen, sind in Texten von Schülerinnen und Schülern kaum systematisch untersucht, sodass ein eigenes Analyseraster entwickelt werden muss, das solche Sprachformen beschreibt. Die Narratologie

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5 Methode der empirischen Studie

wird zum wichtigsten Bezugspunkt für die Untersuchung narrativer Muster als Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen. Während das Phänomen der Zeit in Erzählungen umfassend untersucht ist (vgl. Gius/Jacke 2016) und (v.a. strukturalistisch fundierte) narratologische Erkenntnisse für die Entwicklung von Kategorien zur Analyse von Sprachformen für die Ereignisfolge in Schülertexten genutzt werden können, steckt die Analyse von „Erfahrungshaftigkeit“ (im Original „experientiality“, Fludernik 1996) in Erzählungen noch in den Kinderschuhen. Auf der Grundlage erster Überlegungen von Caracciolo (2014b) werden Kategorien für die Analyse von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung in Schülertexten entwickelt. In Anlehnung an Caracciolos Ausführungen zur Bedeutung stilistischer Aspekte und Dehns Beispielen zu literarischen Sprachformen in Texten junger Schreiberinnen und Schreiber (vgl. v.a. Dehn 1999) wird die systematische Rhetorik (Plett 2000) als ein sprachwissenschaftlicher Zugang zu literarischer Sprache gewählt. Die systematische Beschreibung „figurative[r] Sprache“ (ebd., S. 11) hat den Vorteil, dass weitaus mehr ‚besondere‘ Sprachformen, die Schülerinnen und Schüler erproben, erfasst werden können als mit klassischen Rhetorik-Modellen. Da aber die klassischen rhetorischen Figuren in der systematischen Rhetorik enthalten sind, kann auf die tradierten Formen verwiesen werden. Allerdings führt die theoretische Auseinandersetzung mit sprachformalen Phänomenen auch dazu, dass das Material gezielt nach bestimmten Sprachformen durchsucht wird. Bei der ersten Durchsicht der Texte fällt z.B. auf, dass Sprachformen, die etwas wiederholen (z.B. Er floh und floh, Fabian S47d), die Vorstellung einer Erfahrung (z.B. von Weite) erweitern (z.B. bedeutet „Er floh und floh“ mehr, als dass er zweimal flieht). Mit der systematischen Rhetorik wird eine Möglichkeit gefunden, diese Sprachformen als morphologische Wiederholungsfiguren theoretisch fundiert zu beschreiben. Zugleich ermöglicht die Systematik, auch andere (morphematische, aber auch phonologische, syntaktische oder semantische) Wiederholungsfiguren zu erkennen, sodass das Material auf weitere Wiederholungsfiguren hin untersucht wird. Die Kategorien werden also in einer zwischen erhobenem Material und theoretischen Erkenntnissen pendelnden Auseinandersetzung gebildet, die man als deduktiv-induktive Vorgehensweise bezeichnen kann (vgl. z.B. Kuckartz 2016, S. 95). Die beschreibende Darstellung des Kategoriensystems ist ein wesentlicher Teil der Ergebnisdarstellung (vgl. Schreier 2014, Absatz 58), da sie die zentrale Frage nach den Sprachformen, die Schülerinnen und Schüler beim Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt erproben, beantwortet und einen systematischen Einblick in die Vielfalt unterschiedlicher Sprachformen in Texten von Kindern im Grundschulalter gewährt. Hervorgehobene Sprachformen, insbesondere literarische, systematisch zu bestimmen, ist ein heikles Unterfangen (s. Kapitel 2.1). In dem Bewusstsein, dass solche Sprachformen, nur „in Abhängigkeit von Intention und Kontext“ (Betten/Fix/Wanning 2015) beschrieben werden können, bezieht sich die Analyse weitestgehend auf die Erfahrung, die hervorgehoben wird. Das

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

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Kategoriensystem ist als Mittel zur Sensibilisierung für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung oder die Vorstellung einer Ereignisfolge erzeugen können, zu verstehen und erhebt keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit.

Kategorien: Sprachformen für vorgestellte Erfahrung Bei der Analyse der Erzählungen kristallisieren sich drei verschiedene Formen der Darstellung von vorgestellter Erfahrung heraus: Thematisierung ohne Hervorhebung, instrumentelle Hervorhebung und literarische Hervorhebung (s. Tab. 4). In Anlehnung an Anderegg, der den alltäglichen Sprachgebrauch, bei dem Sprache „ein Instrument zur Bezeichnung von Gegebenem“ (Anderegg 1985, S. 43; Hervorhebung i.O.) ist, den „instrumentellen Sprachgebrauch“ nennt (s. Kapitel 2.1), werden Sprachformen, die unmittelbar etwas hervorheben, als „instrumentelle Hervorhebungen“ bezeichnet. Formen der Hervorhebung, die eine Sinnbildung herausfordern, die nicht (nur) auf den alltäglichen und gewohnten Bedeutungszusammenhang der Wörter zurückgreifen kann, werden als „literarische Hervorhebungen“ bezeichnet. 78 1. Bei der Thematisierung ohne Hervorhebung wird die Vorstellung einer Erfahrung erzeugt, indem die Erfahrung oder ein Wort, das die Bedeutung der Erfahrung enthält, explizit benannt wird: - Weite: Jetzt kommt ein langes Stück Fliegen (Lola S40d); - Gefahr: … doch dann werden sie überfallen (Joel G65d); - Trauer: Rotkäppchen war traurig (Hayal F98m). 2. Bei der instrumentellen Hervorhebung wird die Vorstellung einer Erfahrung durch eine Modifikation verstärkt. Intensifikatoren, Grad- oder Abtönungspartikeln, Interjektionen und graphische Elemente heben eine dargestellte Erfahrung durch Steigerung, Verstärkung oder Gewichtung hervor oder verleihen ihr Nachdruck: - Weite: Wenig später waren sie schon sehr weit (Anna S08d); - Gefahr: … und ausgerechnet dort, wo die großen Felsen sind, fuhren sie entlang (Emilia G07d); - Verzweiflung: Neeeiiiinnnn! (Merik F83m). 3. Bei der literarischen Hervorhebung wird die Vorstellung einer Erfahrung durch eine Sprachform, die vom bloßen Bezeichnen abweicht, geweitet. Rhetorische 78

Hier wird nicht auf den Begriff des „medialen Sprachgebrauchs“ von Anderegg (1985) rekurriert, um einen irreführenden Bezug zum aktuellen Diskurs über Formen der Medialität zu vermeiden.

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5 Methode der empirischen Studie

Figuren fordern die Sinnbildung heraus, strukturelle Merkmale können emotionale Leserreaktionen hervorrufen, indem sie Spannung, Neugier oder Überraschung erzeugen, und explizite Wertungen laden dazu ein, Stellung zu beziehen: - Weite: Er floh und floh (Fabian S47d); - Gefahr: Sie sahen was. Kakarott fragte: „Sind das feindliche Schiffe?“ (Adin 86m); - Rettung: Zum Glück aber war er nicht verletzt (Carla F01d). Instrumentelle Hervorhebung Unter instrumentellen Hervorhebungen werden Sprachformen verstanden, in denen ein Ausdruck, der das Gemeinte direkt bezeichnet (im Sinne Andereggs, vgl. Kapitel 2.1), das Dargestellte so modifiziert, dass die Vorstellung einer Erfahrung verstärkt wird.

Intensifikatoren Unter Intensivierung wird ganz allgemein das semantisch-funktionale Phänomen der Gradspezifikation verstanden, die auf morphologische und syntaktische Weise realisiert werden kann (vgl. Kirschbaum 2002a, S. 6). 79 Bei der syntaktischen Intensivierung wird das Dargestellte vor allem durch Intensitätspartikeln intensiviert. 80 Als Intensitätspartikeln wird eine „Klasse von unflektierbaren Ausdrücken mit intensivierender Funktion und sehr als zentralem Vertreter“ (Breindl 2009, S. 397, Hervorhebung i.O.) bezeichnet. Da Ausdrücke, die semantisch die Funktion der Intensivierung innehaben, zwischen Partikelhaftigkeit und Adjektivhaftigkeit oszillieren, ist es schwer, sie eindeutig einer Wortart zuzuordnen (vgl. ebd., S. 400). Zu den Intensifikatoren gehören sowohl ‚echte‘ Intensitätspartikeln (z.B. sehr, fast), als auch (z.T. eingeschränkt) attributiv verwendbare Adjektive, die in der (adverbialen) Intensifikatorfunktion unflektiert sind (z.B. ziemlich, total), 81 und Adverbien (z.B. extra, so) (vgl. ebd., S. 401). Intensifikatoren 79

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Intensivierung ist auch durch nicht-morphologische bzw. nicht-syntaktische Mittel wie Akzentuierung/Intonation möglich (vgl. Kirschbaum 2002a, S. 6), für die Untersuchung schriftlicher Texte spielt diese Form der Intensivierung jedoch keine Rolle. Auch Vergleichsphrasen (Ihr Geist flog herum wie ein Vogel, Hayal F98m) und Konsekutivsätze (aber der Sturm war so fest, dass er wieder unter Bord musste, Niko G17d) können Formen grammatischer Intensivierung darstellen. Da sie im Folgenden als literarische Hervorhebungen betrachtet werden, wird hier nicht näher auf sie eingegangen. Kirschbaum (2002b) zeigt, dass kognitive Prozesse der Adjektiv-Intensivierung größtenteils auf metaphorischen und metonymischen Mustern basieren. So werden Lexeme nicht mehr in ihrem wörtlichen, räumlichen oder quantitativen Sinne, sondern in einem metaphorischen, d.h. intensivierenden Sinne interpretiert (vgl. ebd., S. 203 ff.) (z.B. Er hieß Dädalus, er war ein hoch geehrter Mann,

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

111

„nehmen Bezug auf den Ausprägungsgrad einer Eigenschaft, die einem Bezugsargument zugeschrieben ist“ (ebd., S. 199). Unterschieden werden Bereichs-Intensifikatoren, die einen Ausdruck steigern (z.B. sehr, überaus), mäßigen (ziemlich) oder abschwächen (z.B. etwas, kaum) und Grenzwert-Intensifikatoren, die einen absoluten (z.B. total), approximativen (z.B. fast) oder affirmativen (z.B. echt) Ausprägungsgrad betonen. Intensitätspartikeln stehen unmittelbar vor dem modifizierten Ausdruck (vgl. ebd., S. 402). Im Unterschied zu den Grad- oder Abtönungspartikeln, deren Wirkungsbereich (Skopus) den ganzen Satz umfasst, beziehen sich Intensifikatoren nur auf den Intensifikand (vgl. ebd.). Dieser kann entweder ein Adjektiv (z.B. Alle waren sehr überrascht, Verena F85m), ein Adverb (z.B. Und er klaute sehr gerne und viel, Olga F14m) oder ein Verb (… und er ist fast explodiert, Leona F73d) sein. Morphologische Intensivierung entsteht durch Komposition und Präfigierung (vgl. Kirschbaum 2002a, S. 6). Intensifikatoren und Intensifikanden sind vor allem Substantive und Adjektive (… eine wunderschöne Meerjungfrau, Luise F58m; eine Riesenbombe, Alea G31d), aber auch Verben können intensivierende Funktion haben (… und jetzt war der Vater stinksauer, Leona F73d). 82 Gradpartikeln Als Gradpartikeln wird eine Klasse von Partikeln bezeichnet, die einen bestimmten Ausdruck in das Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, indem sie ihn als Fokus binden, „wobei diese Ausdrücke einen Fokusakzent aufweisen und meist der Gradpartikel folgen“ (Altmann 2009, S. 359). 83 Additive Gradpartikeln (z.B. auch, sogar, gerade, schon) schließen Alternativen zu diesen Fokusausdrücken als gültig ein, während exklusive Gradpartikeln (z.B. nur, bloß, lediglich) diese ausschließen (vgl. ebd.). Darüber hinaus gibt es auch rein identifizierende Gradpartikeln, die einem Ausdruck (der meist etwas

82

83

Lola S40d) oder metonymisch, indem der Grad der Intensivierung indirekt über einen Vergleichswert erschlossen wird (vgl. ebd., S. 209 ff.) (z.B. Schon bald merkten sie, wie unglaublich stark Pippi war, Anna F08d). Mit zunehmender Konventionalisierung der Intensivierungsfunktion verblasst allerdings die ursprüngliche dimensionale oder evaluative Bedeutung (vgl. Breindl 2009, S. 400), sodass Adjektiv-Intensifikatoren als instrumentelle Hervorhebung betrachtet werden können. Inhärent intensivierende Adjektive, die schon von sich aus einen extrem hohen Grad der Intensivierung bezeichnen (vgl. Kirschbaum 2002a, S. 7) wie z.B. „himmlisch“ oder „wunderbar“ werden nicht als instrumentelle Hervorhebung betrachtet, um Abgrenzungsprobleme zu vermeiden. Gradpartikeln werden auch als „Fokuspartikeln“ bezeichnet (vgl. Institut für deutsche Sprache: Fokuspartikel). Altmann weist daraufhin, dass intonatorische Merkmale für die syntaktische und semanto-pragmatische Beschreibung von Gradpartikeln eine wichtige Rolle spielen (vgl. Altmann 2009, S. 365). Der Fokusakzent lässt sich bei der Analyse geschriebener Texte daher nicht immer eindeutig bestimmen.

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5 Methode der empirischen Studie

Unerwartetes thematisiert) Nachdruck verleihen (z.B. gerade, ausgerechnet, besonders) (vgl. ebd., S. 376). 84 Einige Gradpartikeln können nur skalierend verwendet werden (z.B. sogar), andere nur quantifizierend (z.B. allein) und manche sowohl quantifizierend als auch skalierend (z.B. auch, nur) (vgl. ebd., S. 359 f.). Skalierende Gradpartikeln ordnen die Fokusausdrücke auf einer Skala als Extremwert ein, entweder als besonders niedriger Wert (z.B. Nur der König mochte ihn, Kambiz S84m) oder besonders hoher (z.B. Er konnte sogar Wände hochklettern, Luke F20m). Zu beachten ist, dass alle Wörter, die Gradpartikeln sein können, mit Ausnahme von „sogar“ auch noch andere Funktionen aufweisen können (vgl. ebd., S. 360). So kann das Wort „schon“ z.B. eine Gradpartikel (z.B. „Oh, wenn du schon so fragst, ups, wenn Sie…“, Noema F32d) oder ein Temporaladverb (z.B. Sie wollten schon lange ein Kind, Verena F85m) sein. Nur die erste Sprachform wird als instrumentelle Hervorhebung betrachtet, Zeitangaben werden als Sprachformen für die Ereignisfolge untersucht. Abtönungspartikeln Als Abtönungspartikeln wird eine Klasse von Partikeln bezeichnet, die keine referentielle, sondern eine relationale und sprecherbezogene Bedeutung haben (vgl. Diewald 2009, S. 127 f.). Wörter wie z.B. „aber“, „ja“, „denn“, „vielleicht“ zielen auf Erwartungen und Einstellungen des Sprechers (bzw. Erzählers) und des Hörers (bzw. Lesers) ab und tragen dazu bei, Äußerungen in Handlungszusammenhänge zu integrieren (vgl. Institut für deutsche Sprache: Abtönungspartikel). Mit einer Abtönungspartikel kann einer Aussage eine bestimmte Tönung geben werden: Sie kann z.B. Zustimmung, Ablehnung, Erstaunen, Interesse, Verstärkung oder Einschränkung anzeigen. Allerdings versprachlichen Abtönungspartikeln eine Proposition nicht direkt, sondern verweisen auf eine, die der Sprecher als pragmatisch gegeben behandelt (vgl. Diewald 2009, S. 131). Indem auf diese implizite Proposition verwiesen wird, wird die explizit ausgedrückte Proposition hervorgehoben. Zu beachten ist, dass es Wörter gibt, die sowohl zu den Abtönungspartikeln als auch zu einer anderen Wortart gehören können (vgl. ebd., S. 125). So kann das Wort „aber“ eine Abtönungspartikel sein (z.B. Ja, das ist aber eine gute Idee, Jelena G71m) oder ein Konnektor (z.B. Gegen Abend haben sie alle Lala gesucht, aber nicht gefunden, Leona F73d). Nur die erste Sprachform wird als instrumentelle Hervorhebung betrachtet. Konnektoren, die temporale Relationen darstellen, werden als Sprachformen für die Ereignisfolge untersucht. 84

Die semanto-pragmatischen Eigenschaften der Gradpartikeln, insbesondere der temporal orientierten (schon, noch, erst, bereits) und der identifizierenden Gradpartikel, bedürfen weiterer Untersuchungen (Altmann 2009, S. 379).

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

113

Interjektionen Interjektionen werden üblicherweise als „Ausdruckspartikeln oder Empfindungswörter“ (Duden 2009, S. 597) bezeichnet, die z.B. Empfindungen von Schmerz, Ekel, Bedauern, Überraschung, Erleichterung, Spott oder Freude zum Ausdruck bringen (z.B. Au!, Ih!, Ach!, Oh!, Uff!, Ätsch!, Juchhu!). Ehlich kritisiert, dass Interjektionen weithin auf die Emotionalität reduziert werden (vgl. Ehlich 2009, S. 425) und definiert Interjektionen als Ausdrücke, die eine wesentliche Rolle für das Gelingen von Kommunikation spielen, da die Äußernden mit ihnen „direkten Einfluss auf den Handlungs- und Empfindungsverlauf der Adressaten nehmen“ (ebd., S. 424) können: „Durch Interjektionen wird eine elementare interaktionale Übereinstimmung hinsichtlich des Kontakts überhaupt, hinsichtlich der emotionalen Befindlichkeit, hinsichtlich der diskursiven und mentalen Wissensverarbeitung und hinsichtlich des weiteren Handlungsverlaufs gewährleistet“ (ebd.). Interjektionen wie „ah“, „oh“, „ih“ und „au“ bringen nicht nur eine Empfindung zum Ausdruck, sondern „erfüllen gleichfalls sehr wichtige interaktionale Aufgaben, nämlich die Synchronisierung gemeinsamer Handlungs- und Erwartungssysteme“ (ebd., S. 433). In der Erzählung von Lia (Wow, staunte der Mann. Ja, Wahnsinn, staunte auch die Frau, Lia G45d) ermöglicht die Interjektion „Wow“, sich die Bewunderung des Mannes (angesichts eines fremden Landes) vorzustellen. Diese wird nicht nur benannt, sondern durch die Interjektion hervorgehoben. Im dargestellten Gespräch zwischen Mann und Frau erfüllt sie ihre interaktionale Funktion eines „emotionalen Abgleichs“ (ebd.). Auch die Frau bringt daraufhin ihre Bewunderung (in Form einer sekundären Interjektion, s.u.) zum Ausdruck. Indem man als Rezipient an diesem kommunikativen Prozess (in der Vorstellung) teilnimmt, wird die Vorstellung des bewundernden Staunens intensiviert. Mit der Interjektion „hm“ kann „der Hörer bei der sprachlichen Produktion des Sprechers kontinuierliche Rückmeldungen über die mentalen Prozesse der Verarbeitung des Gesprochenen“ (ebd., S. 430) geben. Je nach Intonation bringt der Hörer durch „hm“ Konvergenz (z.B. im Sinne von „einverstanden“) oder Divergenz (z.B. im Sinne von „wieso das denn?“ oder „da haben wir den Salat“) zum Ausdruck (vgl. ebd., S. 430 f.). In schriftlichen Texten lässt sich die Intonation allerdings nur über den Kontext erschließen. Auch im inneren Monolog können Interjektionen Einblick in die Verarbeitung von Gedanken bieten: Also, Binos ist Herrscher über Land und Meere, hm, aha, über den Himmel kann Binos aber nicht verfügen (Noema S32d). Die Interjektion „na“ kann der Kontaktaufnahme dienen, Verzögerungen sprachlicher Produktion überbrücken, eine Diskrepanz zwischen erwarteten und faktischen Ereignissen artikulieren sowie als „Neutralisationsform“ dienen (vgl. ebd., S. 432): Spider

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5 Methode der empirischen Studie

Man ruft: „Professor Shy, was machen Sie hier.“ Shy sagt: „Na, Skorpions Gebrülle kann man doch nicht überhören (Luke F20m). Mit der Sprachform „na“ wird in Lukes Erzählung die Diskrepanz zwischen der Annahme Shys, dass sein Auftauchen am Ort des Kampfes logisch ist, und Spider Mans tatsächlicher Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht. Ausdrücke, die eine komplexere Struktur als Interjektionen aufweisen, mit denen aber ebenso sprachökonomisch und effizient Einfluss genommen werden kann (wie z.B. Wahnsinn, Mist!, Toll!), werden als „sekundäre Interjektionen“ bezeichnet (vgl. ebd., S. 435). Da die Verwendung von Interjektionen vornehmlich auf diskursive Zusammenhänge beschränkt ist (vgl. ebd., S. 424), kommen Interjektionen in Erzählungen zumeist innerhalb der Figurenrede vor. Graphische Hervorhebung Graphische Elemente der geschriebenen Sprache lassen sich formal in Grapheme und lineare oder flächige Supragrapheme einteilen (vgl. Gallmann 1995, S. 9 ff.). Bei den Graphemen im engeren Sinne handelt es sich entweder um selbstständige Grapheme (z.B. Buchstaben, Ziffern oder Hilfszeichen wie Punkt, Ausrufezeichen, Fragezeichen etc.) oder um unselbstständige Grapheme (diakritische Zeichen) 85. Lineare suprasegmentale graphische Mittel sind solche, die auf Grapheme angewendet werden und sie deshalb überlagern; unterschieden werden konkrete (Unterstreichung) und abstrakte (z.B. Großschreibung, Schriftauszeichnung) lineare Supragrapheme (vgl. ebd., S. 12 f.). Flächige suprasegmentale graphische Mittel beziehen sich auf die Anordnung des Textes; unterschieden werden konkrete (z.B. Umrandung, Unterlegung) und abstrakte (z.B. Zeile, Textblock) flächige Supragrapheme (vgl. ebd., S.13 f.). 86 Bei der Untersuchung narrativer Muster in Erzählungen von Schülerinnen und Schülern gelten graphische Elemente dann als instrumentelle Hervorhebung, wenn sie eine dargestellte Erfahrung verstärken, indem die ihr Nachdruck verleihen oder die Aufmerksamkeit auf sie lenken. Hinzugefügte Buchstaben ermöglichen, sich die Quantität sprachlicher Einheiten (z.B. Neeeiiiinnnn!“, Merik G83m) und die Art und Weise ihrer Aussprache vorzustellen (die gehäufte Wiederholung von Buchstaben ist zumeist in wörtlicher Rede oder in Lautmalerei zu finden). Durch Unterstreichung oder Großbuchstaben können prosodische Elemente wie die Intonation (z.B. AUSländer, Adin G86m) im Medium der Schrift dargestellt werden. Ein einzelnes Ausrufezeichen wird nur dann als instrumentelle Hervorhebung betrachtet, wenn es gesetzt wurde, ohne dass es 85 86

Im Deutschen beschränkt sich diese Graphemklasse auf die Umlautpunkte. Flächige Supragrapheme werden bei der Analyse der Erzählungen aus Klasse 3 nicht betrachtet, weil sie sich nicht auf Sprachformen beziehen.

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

115

grammatisch notwendig oder üblich wäre, an dieser Stelle ein Ausrufezeichen zu setzen (z.B. Plötzlich hörten sie ein Brüllen!, Lina F33d), d.h. dass einzelne Ausrufezeichen, die nach Ausrufen, Wünschen oder Aufforderungen üblicherweise gesetzt werden (vgl. Duden 2009, S. 891 ff.) nicht als instrumentelle Hervorhebungen codiert werden (z.B. „Schnell, holt das Rettungsboot!“, Keona G34m). Das Setzen von mehr als einem Ausrufezeichen oder Fragezeichen hingegen wird immer als Hervorhebung betrachtet (z.B. Er schrie: „Ich will meinen Ikarus!!!!“, Anoush S70m). Ähnliches gilt für Unterstreichungen und Umrandungen: Das Unterstreichen einer Überschrift, das üblicherweise der Gliederung dient, gilt nicht als instrumentelle Hervorhebung (z.B. Der Waffenschatz, Heike G27d), wohl aber das Unterstreichen oder Umranden einzelner Wörter oder Sätze im Text (z.B. Da sagte Peter, Oh, nein., Fabian F47d). Wenn sich die Gestaltung der Schrift in einzelnen Sätzen, Wörtern oder Buchstaben deutlich abhebt vom Rest des Textes, wird dies ebenso als graphische Hervorhebung betrachtet. Auch graphische Elemente wie Icons, insbes. Emoticons, die Emotionen bildlich darstellen, oder Emojis („Bildschriftzeichen“) werden als instrumentelle Hervorhebungen betrachtet, da ein graphisches Symbol innerhalb eines Textes als andere Form des Ausdrucks besonders ins Auge fällt (Am nächsten Tag sah er eine schöne Frau und die heiratete  ihn ♡ , Alexa G77d). Es ist nicht ausgeschlossen, dass Emojis auch eine poetische Wirkung entfalten können. 87 Die wissenschaftliche Untersuchung des literarischen Gebrauchs und Verständnisses von Emojis u.ä. steckt allerdings noch in den Kinderschuhen (vgl. z.B. Lebduska 2014, Danesi 2017), sodass auf eine Interpretation im Sinne einer literarischen Hervorhebung hier verzichtet wird. Literarische Hervorhebung Unter literarischen Hervorhebungen werden Sprachformen verstanden, die Sinnbildungsprozesse erzeugen, indem sie vom bloßen Bezeichnen abweichen oder Leserreaktionen evozieren, sodass die Vorstellung einer Erfahrung geweitet wird. Dabei wird keine Sprachform nur aufgrund ihrer Form als literarisch bezeichnet. Durch die Wiederholung eines Wortes wird nicht automatisch eine Erfahrung literarisch hervorgehoben (z.B. „reicher und reicher“ oder „Und so wurden und wurden sie reicher“), sondern erst, wenn durch die Wiederholung ein Deutungsspielraum eröffnet wird, der ermöglicht, das Dargestellte in einem weiteren Sinne zu verstehen. Nachdem z.B. Lene erzählt

87

Die Sprachforscherin Lisa Lebduska betrachtet Emojis als „creative graphic expression“ (Lebduska 2014). Das Ersetzen von Wörtern durch ein Icon bzw. Emoticon könnte auch als „Substitution außerhalb desselben Graphemsystems“ (Plett 2000, S. 221) betrachtet werden. Icons bzw. Emoticons ersetzten dann auf ähnliche Art und Weise Wörter wie z.B. „Xmas“ das Wort „Christmas“ ersetzt, weil der griechische Buchstabe X als Logogramm für Christus fungiert (vgl. ebd.; S. 222).

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5 Methode der empirischen Studie

hat, was Dädalus und Ikarus alles bauen, und dass die Menschen in der Stadt so begeistert davon sind, dass sich „hunderte von Reihen“ anstellen, um die Sachen zu kaufen, vermag die Wiederholung (Und so wurden sie reicher und reicher, Lene 60m) die Vorstellung von endlos wachsendem Reichtum zu erzeugen. Literarische Sprachformen lassen sich also immer nur kontextuell bestimmen. Dennoch gibt es Formen, die sich in besonderem Maße eignen, etwas so hervorzuheben, dass Sinnbildungsprozesse angeregt werden (können). Dazu gehören rhetorische Figuren, Sprachformen, die Spannung, Neugier oder Überraschung erzeugen, und metanarrative Elemente. Im Folgenden werden die Formen, mit denen die Schülerinnen und Schüler vorgestellte Erfahrung in ihren Texten literarisch hervorheben, systematisch dargestellt. Die Übersicht versteht sich dabei als eine Sammlung von Sprachformen, die etwas literarisch hervorheben können, die offen ist für die Ergänzung weiterer Kategorien. Rhetorische Figuren Rhetorische Figuren werden hier in ihrer Funktion betrachtet, die Vorstellung einer dargestellten Erfahrung zu weiten, und nicht etwa im Hinblick auf ihre meinungsbildende Funktion. Rhetorische Sprachformen können vorgestellte Erfahrung befördern, weil ihnen das Potenzial innewohnt, einen Zugang zur ästhetischen Funktion von Sprache (vgl. Mukařovský [1948] dt. 1967, s. Kapitel 2.1) zu eröffnen. Indem sie durch Abweichungen von der primärsprachlichen Norm vermögen, die Aufmerksamkeit des Rezipienten zum Zeichen selbst zu ziehen, können sie – bezogen auf die Erfahrung, die sie hervorheben, – die Vorstellungsbildung in besonderem Maße herausfordern und Sinnbildungsprozesse anstoßen. Da rhetorische Figuren nicht automatisch ihr literarisches Potenzial entfalten und literarische Sprachformen sich nicht auf rhetorische Figuren beschränken, können sie nicht gleichgesetzt werden – auch wenn rhetorische Sprachformen innerhalb der Übersicht literarischer Sprachformen einen großen Raum einnehmen. Die Analyse rhetorischer Formen in Schülertexten dient dazu, einen Zusammenhang zwischen (möglicher) Vorstellungsbildung und Sprachbildung sichtbar zu machen. Sie zielt nicht – wie die klassische (Schul-)Rhetorik – auf eine bewusste Vermittlung und Anwendung sprachlicher Mittel (vgl. Kapitel 3.1). Die systematische Beschreibung rhetorischer Sprachformen, die Schülerinnen und Schülern rezeptiv zugänglich sind und die sie beim Schreiben unbewusst erproben (und sich dabei ein Stück weit aneignen), möchte zur Sensibilisierung für Sprachformen für vorgestellte Erfahrung in Schülertexten beitragen. Die Darstellung rhetorischer Sprachformen orientiert sich im Wesentlichen an der Systematischen Rhetorik (Plett 2000), deren primäre Intention nicht die Herstellung, sondern die Analyse von Texten ist (vgl. ebd., S. 13). Eine Grundannahme der systematischen Rhetorik ist, dass eine rhetorische Figur eine „deviante Spracheinheit“ (ebd., S.

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

117

20) darstellt, die auf unterschiedliche Art und Weise von einer primärsprachlichen (z.B. standardsprachlichen, alltagssprachlichen) Norm abweicht (vgl. ebd.). Wie die Sprache sind demnach auch die rhetorischen Figuren einem Wandel unterworfen. Wenn Nele heutzutage im Kontext des Gemäldes schreibt, man sehe einen Käpt’n mit einer holden Maid (Nele G53d, Formulierung), ist dies als diachrone Abweichung von der sprachlichen Norm zu betrachten. Mit der Formulierung „holde Maid“ bringt Nele eine altertümliche Wendung zu Papier, die heute so besonders ist, dass sie als Wortfigur betrachtet werden kann, die ermöglicht, die Vorstellung vom Wesen der Frau, die auf dem Gemälde abgebildet ist, zu weiten. Die Systematische Rhetorik ermöglicht, den Blick zu schärfen für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung literarisch hervorheben, indem sie sprachliche Abweichungen auf unterschiedlichen linguistischen Ebenen beschreibt: -

phonologisch, morphologisch, syntaktisch, semantisch, graphemisch, textologisch und intertextuell.

Zudem unterscheidet sie fünf linguistische Operationen, die punktuell die primäre Sprachnorm in eine sekundäre transformieren. Die Operationen werden zwei Typen von Regeln zugeordnet, „solchen, welche die primärsprachliche Norm verletzen (Lizenz: A-grammatikalität) und solchen, welche sie verstärken (Äquivalenz: Syn-grammatikalität)“ (ebd., S. 21). Die Operationen sind: -

Addition (Erweiterung), Subtraktion (Tilgung), Substitution (Ersetzung), Permutation (Umstellung) und Äquivalenz (Wiederholung von Gleichem oder Ähnlichem).

Die ersten vier Operationen gehören zu den regelverletzenden; die regelverstärkenden bestehen vornehmlich aus der Wiederholung von Zeichen (Äquivalenz) (vgl. ebd.). Indem fünf linguistische Operatoren auf sieben Sprachebenen projiziert werden, beschreibt das Modell der systematischen Rhetorik 35 verschiedene Arten von Figuren. Eine weitere Differenzierung ergibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Figuren. Die Systematik erfasst Stilfiguren aus der antiken Rhetorik, ordnet sie zeichensyntaktisch eindeutig zu und erweitert das klassische Repertoire um Figuren, die sich aus der Systematik ergeben – auf der morphologischen Ebene z.B. um Wiederholungsfiguren, die nicht in Form einer Geminatio (z.B. „nein, nein“) oder eines Kyklos (z.B. „nein, sagte er,

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5 Methode der empirischen Studie

nein“) auftreten und nun allesamt als Figuren der morphologischen Äquivalenz beschrieben werden können, die sich in Position und Frequenz unterscheiden (z.B. stellt „er sagte nein, und nochmals nein“ einen Distanztypus dar, den die klassische Rhetorik nicht erfasst) (vgl. ebd., S. 120 ff.). Die systematische Erweiterung bietet den Vorteil, dass auch Formen der Hervorhebung erkannt werden können, die keiner klassischen Figur entsprechen, aber dennoch die Vorstellung einer Erfahrung erweitern. Die Übersicht beschränkt sich auf die Darstellung der Figuren, die bei der Analyse der Erzählungen der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 gefunden worden. Phonologische Figuren können vorgestellte Erfahrung literarisch hervorheben, indem sie auf der Phonemebene von der alltagssprachlichen Grammatik innerhalb einer sprachlichen Einheit (z.B. Wort) abweichen. Eine Erweiterung, Tilgung, Umstellung oder Ersetzung von Phonemen oder Phonemkombinationen oder eine Wiederholung äquivalenter Lauteinheiten (vgl. ebd., S. 50 ff.) kann bewirken, dass Sinnbildungsprozesse angestoßen werden, die die Vorstellung einer Erfahrung weiten. Die meisten Figuren der phonologischen Deviation spielen allerdings für die Analyse narrativer Texte kaum eine Rolle, weil sie vor allem im Vers vorkommen, z.B. als Additionsfigur, die die Regelmäßigkeit des Metrums wahrt. 88 Als relevant für die Betrachtung dargestellter Erfahrung in Schülertexten haben sich Ersetzung und Wiederholung herauskristallisiert. Ist die Ersetzung eines oder mehrerer Phoneme im Vokal- oder Konsonantenbereich von semantischen Veränderungen begleitet, kann ein Wortspiel entstehen (Räuber Kozenplotz statt „Räuber Hotzenplotz“, Bolko F36d). 89 Die Ersetzung phonologischer Elemente kann auch eine dialektale oder umgangssprachliche Wirkung entfalten, die ansonsten hauptsächlich durch morphologische Figuren erzeugt wird (Isch habe disch gschad schkeinde Fragsche geschelscht, Carla G01d; Supi, Lennart S21d). Bei einer Wiederholung phonologischer Elemente am Anfang entsteht eine Alliteration (Dädalus war ein berühmter Baumeister, Luise S58m), in der Mitte eine Assonanz (er teilte Wachen Tag und Nacht ein, Helle S37d) und am Ende eine Konsonanz (… da war der Schüler besser als sein Lehrer, Ariana S62m). Durch Wiederholungen größeren Umfangs können Reime gebildet werden (Es leuchtet in der Ferne wie eine hochgewachsene Laterne, Lars G06d). Bei der Lautmalerei (Onomatopoiie) werden akustische Phänomene der Gegenstandswelt durch Laute und Lautkombinationen imitativ denotiert 88

89

Neben den Lautfiguren gehören auch prosodische Figuren, die sich z.B. auf Akzent, Pause und Tonhöhe im Vers beziehen, zu den phonologischen Figuren. Sie sind für die Analyse der Schülertexte nicht relevant. Auch in der Kinderliteratur findet man solche phonologischen Substitutionsfiguren, z.B. in Bezug auf den Namen einer Figur: Herr Taschenbier wird von seiner Haushälterin „Herr Flaschenbier“ genannt, woraufhin das Sams Frau Rotkohl „Frau Rosenkohl“ nennt und dabei zudem das Metrum des Reims einhält: „Frau Rosenkohl – ist innen hohl“ (vgl. Maar 1973, S. 33).

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

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(Er ist eingeschlafen. Zzzzzzzzz, Munira F89m), hier bezieht sich die Äquivalenz nicht auf die Wiederholung phonologischer Elemente, sondern auf die Umsetzung akustischer Eindrücke in ein phonologisches System. Morphologische Figuren vermögen vorgestellte Erfahrung literarisch hervorzuheben, indem sie von der morphologischen Norm wortintern oder kontextgebunden abweichen. Eine Erweiterung, Tilgung, Umstellung oder Ersetzung von Morphemen oder eine Wiederholung von Wörtern (vgl. ebd., S. 100 ff.) kann einen Zugang zur ästhetischen Funktion von Sprache eröffnen und die Vorstellung einer Erfahrung weiten. 90 Zur morphologischen Erweiterung gehören die Bildung ungewöhnlicher Komposita (Flügelflieger, Samet S52m) und Neologismen, die durch Affigierung gebundener Morpheme entstehen (Brüllerchen, Luke F20m; schrottig, Johannes S15d). Auch das Verfahren der morphologischen Ersetzung kann ungewöhnliche Wortkompositionen erzeugen (Dädäteuf, Ikangel, Paula S30d). Kontextgebundene morphologische Figuren entstehen, wenn morphologische Elemente durch schichtenspezifische, regionale, multilinguale oder historische Ausdrücke, die z.B. eine charakterisierende, ironische oder humorvolle Funktion haben, ersetzt werden (Würgman, Joel F65d; holde Maid, Nele G53d Formulierung; Eure Hoheit, Paula G30d). Eine zentrale morphologische Figur, mit der die Schülerinnen und Schüler Erfahrungen hervorheben, ist die Wortwiederholung, die an unterschiedlichen Positionen einer Satzsequenz, eines Satzes oder eines Satzteils – in Anfangsstellung (Da, da, rief Bernard zu ihnen, Nele G53d), Mittelstellung (Dädalus baute sehr, sehr lange, Malia S79m) oder Endstellung (Er überlegte lange, ziemlich lange, Niko S17d) – erfolgt und in unterschiedlich hoher Frequenz auftritt (Immer weiter und weiter und weiter und weiter und weiter, Arbesa G96m). Werden statt gleicher ähnliche Wörter wiederholt, können Wortspiele wie Polyptoton oder Paronymie entstehen (z.B. in Form einer klassischen „Figura Etymologica“: und wachste sie mit Wachs zusammen, Diana S11d). Syntaktische Figuren können der literarischen Hervorhebung vorgestellter Erfahrung dienen, indem sie von einer syntaktischen Norm abweichen. Werden syntaktische Bestandteile erweitert, getilgt, umgestellt oder ersetzt, oder syntaktische Einheiten ganz oder teilweise wiederholt (vgl. ebd., S. 138 ff.), können Sinnbildungsprozesse angestoßen werden, die sich auf die dargestellte Erfahrung beziehen. 91 Bei der syntaktischen Erweiterung wird ein anderer Satz oder Teilsatz in einen Satz eingefügt, es handelt sich 90

91

Die morphologischen Figuren beziehen sich auf freie Morpheme, die im Unterschied zu den gebundenen Morphemen eine lexikalische Bedeutung besitzen. Als Grundnorm gilt z.B. die Folge von Subjekt – Prädikat – Objekt (bzw. Nominalphrase 1 – Verbalphrase – Nominalphrase 2) für Aussagesätze (vgl. Plett 2000, S. 138 f.).

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also um eine klassische Parenthese, die durch Kommata, Striche oder eine Klammer gekennzeichnet sein kann (Sie ging in das Haus und hörte schon – \Wird sie es schaffen? Weiter auf Seite 4, Fortsetzung von Seite 3\ bald ein lautes Schnarchen, Carla G01d). Auch ganze Sätze können durch Klammern aus dem übrigen Textzusammenhang herausgestellt werden (Dann kamen sie zu Felsen. (Sie wurden Teufelsfelsen genannt.) Das Boot fing an zu schwanken und kippte, Emilia G07d). Parenthesen bieten die Möglichkeit zur Etablierung einer zweiten Kommunikationsebene, die Spannung erzeugen kann (s.u. „metanarrative Elemente“ und „narrative Struktur“). Zudem können andere Formen der Herausstellung (Altmann 1981) als syntaktische Figuren betrachtet werden, z.B. Linksversetzung (Einige Tage später, da war der Schüler besser als sein Lehrer, Ariana S62m), Rechtsversetzung (Warum erschreckst du mich, du Jaguar!, Malia F79m) oder appositive Nominalphrase (Ikarus, mein Sohn, Clifton S97m). 92 Figuren, die durch Tilgung grammatisch notwendiger syntaktischer Elemente entstehen sind Ellipse (Eres sagte, nein, kein Hunger; Alexa G77d) und Zeugma, das vorliegt, wenn infolge der Tilgung relevanter syntaktischer Einheiten die übrigen Satzeinheiten in einer grammatisch abweichenden Weise kombiniert werden (sie durften Dädalus nicht aus den Augen lassen und schon gar nicht ins Meer; Lilja S12m). Bei einem Zeugma kann sich die Abweichung darüber hinaus auch auf morphologische oder semantische Aspekte beziehen. Bei der Umstellung syntaktischer Elemente wird die normale Wortstellung im Satz verändert (Dann musste Dädalus fliehen, weit über das Meer; Olga S14m). Solche Veränderungen werden auch als ‚Anastrophe‘ oder ‚grammatische Inversion‘ bezeichnet. Wird z.B. ein anderes Satzglied anstelle des Subjekts an den Anfang des Satzes gestellt (Topikalisierung), wird es hervorgehoben (Besonders fiel ihm eine Frau auf, Ben G51d). Unter der Bezeichnung „Parallelismus“ werden Figuren der Wiederholung syntaktischer Einheiten subsumiert. Syntaktische Einheiten können ganz (flieg nicht zu tief, die Flügel könnten das Wasser berühren, du könntest untergehen, flieg nicht zu weit oben, das Wachs könnte schmelzen, du könntest stürzen, Lilja S12m) oder teilweise (… nicht zu hoch fliegen und auch nicht zu tief, Nayo S93m) wiederholt werden. Die klassische Bezeichnung für eine parallele Satzstruktur in Überkreuzstellung lautet Chiasmus (wenn mein Sohn stirbt, dann sterbe ich auch, Isra S63m). Der syntaktische Parallelismus kann in unterschiedlich hoher Frequenz und in unterschiedlichem Umfang auftreten (gesagt, getan, Tanja G50d; Simba wollte nicht behütet werden, er wollte nicht

92

Appositive Nominalphrasen sind „spezielle Typen von Parenthesen, nämlich solche, die sich auf eine Basis im gleichen Satz beziehen und zu dieser syntaktisch und semantisch in bestimmten Beziehungen stehen“ (Altmann 1981, S. 63). Formen der Herausstellung werden bei Plett nicht explizit dargestellt.

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

121

hinter Gitter sitzen und die große weite Welt nur auf dem Poster am Affengehege sehen. Er wollte auch nicht ganz viel Essen in sich reinstopfen, bis er dick und fett wurde, Paula F30d). Semantische Figuren können als literarische Hervorhebungen einer Erfahrung ihr Potenzial entfalten, indem sie von einer normalgrammatischen Bedeutungseinheit (Sem) abweichen. Erweiterungen, Tilgungen, Umstellungen, Ersetzungen oder Wiederholungen von Semen (vgl. ebd., S. 172 ff.) können Sinnbildungsprozesse anregen, die die Vorstellung einer Erfahrung weiten. Eine einfache additive Reihung von semantischen Einheiten erzeugt noch keine semantische Figur der Erweiterung. Diese entsteht erst, wenn nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ eine semantische Abweichung erzeugt wird, wie z.B. eine Kombination von Zeichen, deren eines alle Seme des anderen enthält (Leo wollte immer in die weite Welt, Diana F11d). So impliziert z.B. das Wort „Welt“ das Merkmal „weit“. Die klassische Rhetorik bezeichnet solche Kombination von Zeichen als Pleonasmus. Im pragmatischen Kontext kann der semantische „Fehler“ (die Redundanz) eine emphatische Wirkung entfalten, sodass die dargestellte Erfahrung für Rezipienten vorstellbar wird. Die vollständige Tilgung semantischer Bedeutungseinheiten würde zu Bedeutungslosigkeit führen. Die Satzfiguren der Ellipse und des Zeugmas beinhalten das Weglassen von semantischen Teilen (s.o.). Eine andere Art semantischer Tilgung entsteht, wenn Seme von Ausdrücken sich gegenseitig ausschließen (Spinnenmann, der schlechteste Superheld der Welt, Hans F18d). Aus der klassischen Rhetorik sind solche semantischen Figuren als Oxymora bekannt. Die Bezeichnungen „schlecht“ und „Superheld“ stehen logisch im Widerspruch zueinander, lassen sich aber auf einen gemeinsamen semantischen Nenner zurückführen. 93 Semantische Figuren der Ersetzung, die in der antiken Figurenlehre als Tropen („Wendungen“) bezeichnet werden, können vorgestellte Erfahrung durch den Austausch von semantischen Einheiten literarisch hervorheben. Die Figur entsteht, indem ein Begriff oder ein Gedanke nicht so verbalisiert wird, wie er eigentlich gemeint ist, sondern durch einen anderen Ausdruck ersetzt wird, wie es insbesondere Metaphern und Metonymien vermögen. Um eine Metapher zu verstehen, müssen Rezipienten nicht nur vorhandene Ähnlichkeiten gedanklich nachvollziehen, sondern sinnbildend aktiv werden:

93

Plett nennt diesen gemeinsamen Nenner „Hypersemem“ und nimmt an, „dass die Wechselbeziehung zwischen Oxymoron und dem ihm jeweils übergeordneten (in der Regel unbenannten) Hypersemem einen Teil des ästhetischen Reizes dieses Metasemems ausmacht. (…) Oxymora haben die Aufgabe, die Widersprüchlichkeiten im menschlichen Dasein aufzudecken. Vor allem verdeutlichen sie die Diskrepanz von Sein und Schein“ (Plett 2000, S. 175 f.). Die Geschichte „Spinnenmann, der schlechteste Superheld der Welt“ (Hans F18d) handelt von genau dieser Diskrepanz.

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5 Methode der empirischen Studie

„Bei der metaphorischen Umschreibung ‚die See schlief‘ lässt sich beispielsweise eine so konkrete ‚eigentliche‘ Aussage denken wie: ‚das Meer liegt ruhig da‘; darin verschlüsselt ist aber auch eine sehr viel bildmächtigere Vorstellung, etwa: ‚es atmet ruhig im Schlaf – wie ein riesiges lebendiges Wesen‘, wobei die regelmäßigen Wellenbewegungen an das Auf und Ab eines Leibes erinnern, was sich dann, zusammen mit der Größe des Meeres, zur mythologischen Vorstellung des schlafenden Riesen ausweitet“ (Ottmers 2007, S. 176, mit Bezug auf Horn 1987, S. 12). Eine Metapher gehört zwar einem anderen Wortfeld an, steht aber durch ein gemeinsames semantisches Merkmal in einer Ähnlichkeitsrelation zu dem eigentlichen Ausdruck. Das Spektrum der Substitutionsmöglichkeiten ist breit: etwas Unbelebtes kann belebt werden (ein schöner Gesang lag in der Luft, Diana G11d) 94 bzw. umgekehrt, etwas Abstraktes kann konkretisiert werden (weil er jetzt auch Schmerz gefunden hat, Diana S11d) 95 bzw. umgekehrt, Sinneswahrnehmungen können semantisch vertauscht werden (Es war funkelstille, Jayne F72d) etc. Während „funkelstille“ eine Wortschöpfung ist (als Gelegenheitsbildung könnte man es als einen „Okkasionalismus“ bezeichnen, der eine Nähe zu „knisternder Stille/Spannung“ aufweist), wird der Ausdruck „jemanden zur Rede stellen“ (Eines Tages traute sich Dädalus‘ Ältester, Sonotus, Dädalus zur Rede zu stellen, Paula S30d) kaum noch als Metapher wahrgenommen, weil er in hohem Maße konventionalisiert ist. Solche fest im Wortschatz etablierte Metaphern gelten als ‚tot‘ und werden in der Sprachwissenschaft den Phrasemen (bzw. Phraseologismen) 96 zugeordnet. Phraseme sind Verbindungen von mindestens zwei Wörtern, die in immer gleicher (bzw. ähnlicher) Weise wiederholt werden (vgl. Donalies 2009). Phraseme können vollideomatisch, teilideomatisch oder nichtideomatisch sein (vgl. ebd., S. 21): Wer einen Plan „über Bord wirft“, steht nicht auf einem Schiff und wirft einen Plan ins Wasser, sondern gibt den Plan auf, ein „blinder Passagier“ ist zwar ein Passagier, aber nicht blind, und „der stolze Vater“ ist nichts anderes als ein Vater, der stolz ist. Phraseme, die wie das letztgenannte keine idiomatischen Bestandteile haben, werden bei der Untersuchung narrativer Muster nicht als literarische Sprachformen betrachtet. Strukturell lassen sich zwei Typen von Phrasemen unterscheiden: Satzteilphraseme und Satzphraseme (vgl. ebd., S. 57). Satzteilphraseme haben vor allem Sub-

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96

Plett führt als klassisches Beispiel Eichendorffs „Die Bächlein von den Bergen springen“ an (vgl. Plett 2000, S. 184). In der Sprachform von Diana verschmelzen die Metaphern „liegender Gesang“ und „singende Luft“ ineinander. Als klassisches Beispiel nennt Plett „Slough of Despond“ [Sumpf der Verzweiflung] (vgl. Plett 2000, S. 184). Phraseme werden auch als „Phraseologismen“ bezeichnet. Donalies begründet die Bezeichnung der Erscheinungen im Gebiet der Phraseologie als Phraseme mit der Ähnlichkeit zu linguistischen Begriffspaaren wie „Phonologie – Phonem“, „Morphologie – Morphem“ oder „Lexikologie – Lexem“ (vgl. Donalies 1994, S. 346).

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

123

stantive, Adjektive oder Verben als syntaktischen Kern. Substantivphraseme sind Phraseme mit Adjektivattribut (Na gut, sagte Dädalus schweren Herzens, Noema S32d),97 Genitivstruktur (z.B. Zahn der Zeit), Präpositionalstruktur (z.B. ein Fels in der Brandung) oder Mehrlingsformeln (Pippi außer Rand und Band, Tanja F50d) (vgl. ebd., S. 58 ff.). Adjektivphraseme sind Phraseme mit Vergleichspartikeln (sein Fell war so weiß wie Schnee, Keona F34m) oder Mehrlingsformeln (Aber sie sahen weit und breit kein Land, Niko G17d) (vgl. ebd., S. 75 ff.). In Verbphrasemen können Verben verbunden sein mit Substantiven (fasste sich Dädalus ein Herz, Paula S30d), Adjektiven (Alles lief glatt, Noema S32d) oder mit komplexen Satzteilen (z.B. schlafende Hunde wecken); besondere Typen von Verbphrasemen sind Funktionsverbgefüge (z.B. in Erfahrung bringen), deren Idiomatizität allerdings strittig ist, und Verbphraseme mit Vergleichspartikeln (Doch den nächsten Tag hatten alle ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter, Jayne S72d) oder Mehrlingsformeln (z.B. recken und strecken) (vgl. ebd., S. 79 ff.). Satzphraseme sind feststehende, meist kurze Sätze (z.B. „Der Klügere gibt nach“) oder unvollständige syntaktische Einheiten, die nicht als Satzteilphraseme fungieren können (Abwarten und Tee trinken, Lia G45d) (vgl. ebd., S. 90 ff.). Zu den Satzphrasemen gehören Sprichwörter, Geflügelte Worte und Routineformeln (vgl. ebd.). Die Grenzen zwischen ‚lebendigen‘ und ‚toten‘ Metaphern sind nicht immer eindeutig zu bestimmen. Für die Analyse der Sprachformen in den Erzählungen der Schülerinnen und Schüler ist entscheidend, dass sowohl Metaphern als auch Phraseme mit metaphorischer Bedeutung vermögen, die dargestellte Erfahrung hervorzuheben, die Vorstellung zu weiten und Sinnbildungsprozesse anzustoßen. Auch bei der Metonymie lässt sich die Gesamtbedeutung nicht aus den lexikalischen Einzelbedeutungen ableiten. Im Unterschied zur Metapher stehen aber Gemeintes und Ausdruck in einem Kontiguitätsverhältnis auf der gleichen semantischen Ebene zueinander, z.B. ersetzt in dem Ausdruck „reif ist die Traube“ die Einzahl die Mehrzahl und in dem Ausdruck „ein Glas trinken“ das Gefäß den Inhalt. Auch Konsekutivsätzen liegt ein metonymisches Muster zugrunde, wenn die Wirkung die Ursache ersetzt. In dem Satz Es ging alles so schnell, dass er nicht mal schreien konnte (Ben S51d) wird der Grad der Geschwindigkeit indirekt über einen Vergleichswert, nämlich die Zeit, die es braucht, um zu schreien, erschlossen und nicht über eine direkte Bezeichnung. Die Systematische Rhetorik weitet den Metaphernbegriff zudem auf alle Similaritätstropen aus und interpretiert auch Hyperbel (in Windeseile, Noema G32d; Seine Bande würde ihn umbringen, Alea F31d) und Ironie (Der Einbruch war eine Leichtigkeit für sie, hört selbst. Komm in das Haus, sagte Kong-Ching zu

97

„Schweren Herzens“ ist eine „in vergangenen Zeiten eingefrorene Form, die heute so nicht mehr gebildet wird“ (Donalies 2009, S. 61). Ein typisches Substantivphrasem mit Adjektivattribut ist z.B. „roter Faden“.

124

5 Methode der empirischen Studie

Spinnenmann. Sie klingelten an der Tür und liefen weg, das war der Einbruch für sie, Hans F18d) als spezifische metaphorische Aspekte (vgl. Plett 2000, S. 183). Figuren der semantischen Wiederholung entstehen eigentlich, wenn Art und Anzahl der semantischen Merkmale einer linguistischen Einheit gleich sind (vgl. morphematische und syntaktische Wiederholungsfiguren). Im Fall der Synonymie bezieht sich die Gleichheit nur auf den Inhalt, nicht aber auf den Wortkörper, sodass man Synonymie durch die Wiederholung ähnlicher semantischer Einheiten charakterisieren könnte. Synonymie spielt insbesondere bei der Aufzählung von Spracheinheiten, deren Semstrukturen miteinander verwandt sind, eine Rolle (Er bekämpft Räuber, Gangster und Diebe, Samet F52m). Die Zusammenführung zweier semantisch äquivalenter Ausdrücke mit Hilfe der Konjunktion ‚und‘ verleiht dem Ausdruck Nachdruck. Beim Hendiadyoin bilden erst beide Wörter zusammen die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks (Pippi außer Rand und Band, Tanja F50d). Bei einer Tautologie bedeuten beide einzelnen Bestandteile dasselbe wie der gesamte Ausdruck (glücklich und zufrieden, Clifton G97m). Beide treten häufig in sogenannten „Zwillingsformeln“ als feststehende Ausdrücke (Phraseme) auf. Graphemische Figuren sind Schriftfiguren, die von der grammatischen Norm, der die Schriftzeichen unterliegen, abweichen, indem graphemische Zeichen wie z.B. Buchstaben oder diakritische Zeichen hinzugefügt, getilgt, umgestellt oder ersetzt werden, oder ganz bzw. teilweise wiederholt werden (vgl. ebd., S. 211 ff.). Die systematische Rhetorik skizziert eine „Graphästhetik“ nach eigener Aussage nur in ersten Umrissen (vgl. ebd.) und führt insbesondere Beispiele der konkreten Poesie an, um die unterschiedlichen Schriftfiguren zu verdeutlichen. 98 Da solche Figuren im Korpus nicht vorkommen, wird nicht näher auf sie eingegangen. Buchstabenhäufungen und Großbuchstaben, die oben als instrumentelle Hervorhebung dargestellt wurden, könnten möglicherweise als graphemische Figuren der Hinzufügung bzw. Ersetzung bzw. betrachtet werden, da sie jedoch zumeist keine semantische Funktion erfüllen, die über die Bedeutung des Dargestellten hinausgeht, werden sie als instrumentelle Hervorhebung betrachtet. Einzig die Gestaltung von Schrift ließe sich den graphemischen Figuren zuordnen (Monster, Lars S06d; das „M“ wird in „Zitterschrift“ dargestellt, die die Angst vor dem Monster ausdrückt), doch das Vorkommen ist so gering, dass auf diese Kategorie verzichtet wird. 98

Beispiele für graphemische Figuren sind die Hinzufügung von Schriftzeichen („pssnt es pssniest ein psnychologe“ in Ernst Jandls Laut und Luise), das Ersetzen von Groß- bzw. Kleinbuchstaben („EIn woRT adElt sEInE buchsTabEn“ in Ernst Jandls Gedicht dER RITTER) oder die Wiederholung graphischer Elemente in Christian Morgensterns Gedicht „Fischers Nachtgesang“, deren Zeichen dem metrischen Notationssystem entstammen (vgl. Plett 2000, S. 213ff.).

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

125

Textologische Figuren sind Textfiguren, die von der Norm der (primären) Textgrammatik abweichen, indem ganze Text(segment)e eingefügt, getilgt, ersetzt, umgestellt oder wiederholt werden (vgl. ebd., S. 236 f.). Ein Beispiel für eine textologische Figur ist die graphemisch markierte Tilgung von satzübergreifenden Elementen durch Einfügung von Strichen oder Punkten (Es hätte wohl niemals diesen Kampf gegeben, wenn nicht… aber ich will nicht zu viel verraten, Carla F01d). 99 Da solche Figuren im Korpus kaum vorkommen, wird nicht näher auf sie eingegangen. Intertextuelle Figuren sind Figuren, die aus einem Prätext Segmente in einen Text aufnehmen und neu konfigurieren (Rotkäppchen & der liebe Wolf, Nelly F29d, Unterstreichung i.O.), oder die eine (bekannte) Textur wiederholen (Warum hast du so große Ohren? Damit ich dich besser hören kann. Mutter, warum hast du so einen großen Mund. Damit ich dich besser essen kann, Ariana F62m) (vgl. ebd., S. 239 ff.). Da Intertextualität dem Schreiben zu Vorgaben zugrunde liegt, erübrigt sich die gesonderte Untersuchung solcher Figuren. Sie sind quasi ein übergreifendes Thema der gesamten Untersuchung. Narrative Struktur Auch Sprachformen, die aufgrund der strukturellen Dynamik, die durch das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit entsteht, emotionale Leserreaktionen wie Spannung, Neugier oder Überraschung zu evozieren vermögen (vgl. Sternberg 1992), können einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung eröffnen. Indem sie den Rezipienten emotional in die Geschichte verstricken, werden potenziell Sinnbildungsprozesse angestoßen und Perspektivübernahmen eröffnet, die ermöglichen, sich die dargestellten Erfahrungen ein Stück weit zu eigen zu machen. Spannung lässt sich als Wirkung beschreiben, die das Erzählte bei Rezipierenden auslöst: „Spannung entsteht, wenn wir von der Ereignisfolge wissen wollen, wie sie weiter- oder ausgeht, und wenn wir in Bezug auf bestimmte Folgeereignisse, die nicht selbstverständlich sind, Präferenzen entwickeln. Wir hoffen dann, kurz gesagt, dass etwas Bestimmtes passiert, und fürchten zugleich, dass es nicht passiert. Spannung in diesem Sinne, gilt oft als (komplexe, kognitiv fundierte) emotionale Reaktion, die nur manchen Erzählungen gegenüber angemessen ist: eine in

99

Der „wohl berühmteste Gedankenstrich der deutschen Literatur“ (Martínez/Scheffel 2012, S. 46) – der die Darstellung der Vergewaltigung der ohnmächtigen Marquise von O.… durch einen russischen Offizier ausspart – ist eine solche textologische Figur: „Hier – traf er, da bald darauf ihre erschrockenen Frauen erschienen, Anstalten einen Arzt zu rufen“ (Kleist [1808] 2011, S. 12).

126

5 Methode der empirischen Studie

diesem Sinne besonders spannende Erzählung verfügt über einen besonders ausgeprägten Spannungsbogen, der sich durch die Intensität der beteiligten Emotionen (z.B. Hoffnung, Furcht, Erleichterung) auszeichnet“ (Köppe/Kindt 2014, S.69 mit Bezug auf Carroll 1996). Spannung ist also zukunftsgerichtet. Sie entsteht, weil man noch nicht weiß, was als nächstes passiert, aber gedanklich unterschiedliche Möglichkeiten entwirft. So vermag z.B. Dädalus‘ Warnung an Ikarus, nicht zu hoch oder zu tief zu fliegen, Spannung zu erzeugen, weil man noch nicht weiß, ob der Flug gelingt. Man hofft, dass Ikarus in der Mitte fliegt und befürchtet zugleich, dass er es nicht tut. Sprachformen, die Ungewissheit über den Verlauf der Ereignisse erzeugen, sind Sprachformen, die Spannung erzeugen können. Noema thematisiert die Ungewissheit explizit (aber würden sie den weiten Weg schaffen?, Noema S32d). Wenn die Ereignisse in einer anderen Ordnung erzählt werden, als sie sich ereignet haben, können Neugier und Überraschung entstehen: „Suspence arises from rival scenarios for the future. (…) It‘s fellow universals rather involve manipulations of the past, which the tale communicates in a sequence discontinuous with the happening. Perceptibly so, for curiosity: knowing that we do not know, we go forward with our mind on the gapped antecendents, trying to infer (bridge, compose) them in retrospect. For surprise, however, the narrative first unobtrusively gaps or twists its chronology, then unexpectedly discloses to us our misreading and enforces a corrective rereading in late re-cognition“ (Sternberg 2001 [4]). Neugier kann also durch Sprachformen entstehen, die Lesenden vermitteln, dass sie etwas Bedeutsames noch nicht wissen. Eine Darstellung, die eine solche Andeutung direkt danach verdeutlicht, folgt dabei in verdichteter Form dem gleichen Schema wie ein klassischer Kriminalroman, in dem zu Beginn eine Leiche entdeckt wird und im Folgenden erzählt wird, was zum Tod des Opfers geführt hat – also, was davor geschah (vgl. Sternberg 1992, S. 525). Befindet sich der Held z.B. in einer prekären Lage, kann die Andeutung eines Auswegs Neugier erzeugen und anstoßen, darüber nachzudenken, welcher dies sein könnte (… er wollte zurück. Er konnte aber nicht, weil der König seine Wachen holt. Er hat überlegt und überlegt. Er hatte eine Idee, Nayo S93m). Nayos unbestimmte Formulierung, durch die ein Leser weiß, dass er (noch) nicht weiß, welche Idee Dädalus hat, erzeugt Neugier. Auch wenn die Idee bereits im nächsten Satz durch ihre Umsetzung in die Tat offenbart wird (Er hat Flügel gebastelt, für seinen Sohn auch…, Nayo S93m), verleiht die Andeutung der Idee Bedeutsamkeit und ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, nach einem Ausweg aus der Gefangenschaft zu suchen. Überraschung kann entstehen, wenn von einem Ereignis erzählt wird, das auf der Ebene der erzählten Zeit in der Vergangenheit liegt, und durch das das bisher Erzählte

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

127

eine andere Bedeutung erlangt. So erfährt man z.B. in Aleas Geschichte (in der die Figuren des Schülers und des Sohnes zu einer verschmelzen) im Nachhinein, dass Ikarus nicht gestorben ist, sondern sich retten konnte (Eines Tages war Ikarus tot. Die anderen Menschen fanden Dädalus gemein, {sie sagten:} „Dädalus soll fliehen“, schrien alle. Dädalus fing an zu weinen. Und floh. Da fing er wieder an zu weinen und sagte: „Warum habe ich Ikarus getötet? Ich war so doof.“ Aber in Wirklichkeit lebte Ikarus noch, er ist geschwommen, Alea S31d). Indem diese nachträgliche Information Lesende dazu zwingt, ihre bisherige Vorstellung vom Verlauf der Ereignisse zu revidieren, vermag sie Sinnbildungsprozesse anzuregen, die die vorgestellte Erfahrung von Rettung weiten. Auch wenn nicht jede zeitliche Diskontinuität zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit Neugier oder Überraschung erzeugt, weil es für die Vermittlung von Erfahrung auf die Bedeutsamkeit dessen, was vorweggenommen oder nachträglich erzählt wird, ankommt (vgl. ebd., S. 526), sind Sprachformen, die zeitliche Diskontinuität markieren, potenziell Sprachformen, die eine Erfahrung hervorheben können, indem sie Neugier oder Überraschung erzeugen. Metanarration Metanarration kann umgangssprachlich als „ein Erzählen über das Erzählen“ (Lahn/Meister 2008, S. 170) bezeichnet werden. Am offenkundigsten tritt Metanarration hervor, wenn Erzähler explizit markieren, dass sie Erzähler sind, z.B. indem sie von sich erzählen (ich weiß es nicht, denn ich war ja nicht live dabei, um zu sehen, wie weiß seine Haut war, Keona F34m). Auch in expliziten Wertungen und Kommentare kann der Erzähler hervortreten (Und sie hatten ein Haus  zu[m] Glück, Merik G83m). Da ein Erzähler sich auch zu erkennen gibt, wenn er seine Adressaten dazu zwingt oder ihnen nahelegt, sich in die Rolle des Lesers zu begeben (vgl. ebd., S. 176), bewirkt auch die direkte Ansprache, dass das Erzählen explizit thematisiert wird (Ihr denkt bestimmt, die sind nur dumm und faul, Hans F18d). 100 Indem der Leser diese Rolle annimmt, verstrickt er sich bereits in die Erzählillusion (vgl. ebd.). Metanarrative Elemente können Erfahrungen hervorheben, indem sie Leser dazu einladen, eine bestimmte Perspektive auf das Erzählte einzunehmen.

100

Lahn/Meister bestimmen weitere „Typen von Textsignalen“, durch die eine Erzählillusion hervorgerufen werden kann (Kolloquialität, Generalisierung, Selbstreflexion) (vgl. Lahn/Meister 2008, S. 175 ff.). Da diese für die Analyse der Sprachformen in den Erzählungen der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 keine Rolle spielen, wird auf eine Darstellung weiterer Typen hier verzichtet.

128

5 Methode der empirischen Studie

Tab. 4: Übersicht: Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

Thematisierung ohne Hervorheb.

Kategorien

Sprachformen (und Signalwörter) [Vorgestellte Erfahrung]

Instrumentelle Hervorhebung

Intensitätspartikeln und andere Intensifikatoren

‚Echte‘ Intensitätspartikeln (sehr, ein bisschen, etwas, fast, kaum, gar, zu, besonders) Intensivierende Adjektive (ziemlich, total, echt, richtig, einfach, ganz, extrem, furchtbar, unglaublich) Intensivierende Adverbien (so, extra, viel mit Komparativ, viel zu, immer mit Komparativ) Intensivierung durch Komposition oder Präfigierung (über-, schwer-, stink-, wunder-, riesen-/Riesen-, super/Super-, erz-/Erz-)

Gradpartikeln (sogar, nicht einmal, gerade, ausgerechnet, besonders, schon, erst, noch, bereits, auch, mindestens, nur, bloß)

Abtönungspartikeln (aber, auch, ja, schon, einfach, eben, halt, überhaupt, eigentlich, denn, doch, natürlich, etwa, ruhig, mal, bloß, nur, vielleicht, wohl) Primäre Interjektionen Interjektionen (oh, ah, ach, juhu, wow, yeah, au, aua, he, hey, na, huch, oje, hm, aha) Sekundäre Interjektionen (Toll!, Wahnsinn!, Cool!, Mann!)

Graphische Elemente

Grapheme Hinzufügung von Buchstaben Hinzufügung von Hilfszeichen Supragrapheme Unterstreichung Umrandung Großschreibung Schriftauszeichnung Graphische Sinnbilder Icon Emoji (Smiley)

Beispiele aus dem Korpus … und er fiel in die Tiefe (S45d) Nach fünf Stunden sind die beiden angekommen und haben sich geküsst (G68d) Rotkäppchen war traurig (F98m) Alle waren sehr überrascht (F85m) … und Dädalus hat gar nichts bemerkt (S96m) Damals waren die Leute nicht besonders reich (G60m) Sie war echt traurig (F95m) Er war richtig tapfer (G72d) Jetzt ist er ganz allein und traurig (S43d) Sie war so schön (F67m) … die machte das alles noch viel romantischer (G50d) Dann flog er immer näher an die Sonne (S71m) … und brachte sie zu einem wunderschönen See (G85m) Dädalus baute dem König ein riesengroßes Königreich (S52m) Die hatten einen Erzfeind namens: Geezer (F82m) … irgendwann war der Schüler sogar noch besser (S51d) … und ausgerechnet dort, wo die großen Felsen sind, fuhren sie entlang (G07d) Ja, bloß wie könnte ich hier wieder rauskommen (F13d) „Du bist aber auch ein Trotzkopf.“(F50d) Er war ja ein Erfinder (S56d) Da fuhr das Boot einfach los (G92m) Der eine Räuber sagt: „Oh, wie rührend“ (F66d) Wow, staunte der Mann (G45d) Also, Binos ist Herrscher über Land und Meere, hm, aha,über den Himmel kann Binos aber nicht verfügen (S32d) Der König sagte: Toll, können Sie mir ein Königreich bauen (S79m) Simba antwortete, ja, bin ich. Cool, sagte sie (F67m) Oh, Mann (G89m) Der König der Löwen schrie: „Wo, wo ist mein Kind, neeeiiiinnnn!“ (F83m) Die Dame stotterte: „B-b-bitte t-t-tu mir nichts.“ (F43d) Er schrie: „Ich will meinen Ikarus!!!!“ (S70m) Rotkäppchen & der liebe Wolf (F29d) Er zog sich um und wurde zu SPIDER-Man (F47d) Ein Soldat schrie: „AUSländer!“ (G86m) Da kam ein riiiesiges Monster (S06d) [Zitterschrift] Am nächsten Tag sah er eine schöne Frau und die heiratete  ihn ♡ (G77d)

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

Kategorien

Sprachformen Phonologische Figuren

Literarische Hervorhebung

Morphologische Figuren

Ersetzung Wortspiel Dialekt Umgangssprache Wiederholung Alliteration Assonanz Konsonanz Reim Lautmalerei (Semant. Aspekt der Phonästhesie) Hinzufügung Komposition Derivation (Affigierung) Ersetzung Komposition multilingual historisch Wiederholung Anfangsstellung Mittelstellung Endstellung Frequenz Paronymie Wortspiel

Syntaktische Figuren

Erweiterung Parenthese

Herausstellung - Linksversetzung - Rechtsversetzung - Apposition Tilgung Ellipse Zeugma Umstellung Stellung Topikalisierung Wiederholung Parallelismus - ganz - teilweise - Unterschiede in Frequenz und Umfang Chiasmus

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Beispiele aus dem Korpus Räuber Kozenplotz (F36d) Isch habe disch gschad schkeinde Fragsche geschelscht (G01d) Nun hatte Ikarus einen Freund. Supi (S21d) Dädalus war ein berühmter Baumeister (S58m) … er teilte Wachen Tag und Nacht ein (S37d) … da war der Schüler besser als sein Lehrer (S62m) Es leuchtet in der Ferne wie eine hochgewachsene Laterne (G06d) Er ist eingeschlafen. Zzzzzzzzz. Es war morgens (F89m) Knallll Bumm, jetzt war Otto geplatzt (G18d) Er hat (…) einen Flügelflieger gemacht (S52m) Spider Man sagt: „Du Brüllerchen denkst, dass du eine Chance gegen mich hast.“ (G20m) „Bau mir mal einen neuen Palast aus Stein, dieser hier ist schrottig“, sagte Minos (S15d) Dädäteuf, Ikangel (S30d) Als er gerade durch die Stadt ging, sah er Würgman (F65d) … sprecht sie mit „Eure Hoheit“ an (G30d) Da, da, rief Bernard zu ihnen (G53d) Dädalus baute sehr, sehr lange (S79m) Er überlegte lange, ziemlich lange (S17d) Immer weiter und weiter und weiter und weiter und weiter (G96m) … und wachste sie mit Wachs zusammen (S11d) Sie blieben mitten im Meer stehen, der Motor ging auch nicht mehr (G09d) Sie ging in das Haus und hörte schon \ – Wird sie es schaffen? Weiter auf Seite 4, Fortsetzung von Seite 3\ bald ein lautes Schnarchen (G01d) Dann kamen sie zu Felsen. (Sie wurden Teufelsfelsen genannt.) Das Boot fing an zu schwanken und kippte (G07d) Einige Tage später, da war der Schüler besser als sein Lehrer (S62m) Warum erschreckst du mich, du Jaguar! (F79m) Ikarus, mein Sohn (S97m) Eres sagte, nein, kein Hunger (G78m) … sie durften Dädalus nicht aus den Augen lassen und schon gar nicht ins Meer (S12m) Dann musste Dädalus fliehen, weit über das Meer (S14m) Besonders fiel ihm eine Frau auf (G51d) … flieg nicht zu tief, die Flügel könnten das Wasser berühren, du könntest untergehen, flieg nicht zu weit oben, das Wachs könnte schmelzen, du könntest stürzen (S12m) … nicht zu hoch fliegen und auch nicht zu tief (S93m) Simba wollte nicht behütet werden, er wollte nicht hinter Gitter sitzen und die große weite Welt nur auf dem Poster am Affengehege sehen. Er wollte auch nicht ganz viel Essen in sich reinstopfen, bis er dick und fett wurde (F30d) – Also, gesagt, getan (G50d) … wenn mein Sohn stirbt, dann sterbe ich auch (S63m)

130

Kategorien

5 Methode der empirischen Studie

Sprachformen (und Signalwörter) Semantische Figuren

Erweiterung Tilgung Oxymoron

Literarische Hervorhebung

Ersetzung Metapher Phrasem (metaph.) metaph. Vergleich Metonym met. Konsekutivsatz Hyperbel Ironie

Narrative Struktur

rhetorische Frage Wiederholung Synonymie Zwillingsformel - Hendiadyoin - Tautologie Spannung

Neugier

Überraschung

Metanarrative Elemente

Selbstbeschreibung

Explizite Wertungen/Kommentare Leseransprache

Beispiele aus dem Korpus Leo wollte immer in die weite Welt (F11d) Schnell floh Dädalus weit weg übers Meer davon (S45d) Spinnenmann, der schlechteste Superheld der Welt (F18d) Sie waren auf dem weiten Meer gefangen (G33d) … weil er jetzt auch Schmerz gefunden hat (S11d) … eines Abends (…) fasste sich Dädalus ein Herz (S30d) Da waren Palmen, Kokosnüsse, Sand wie ein Paradies (G94d) Dädalus sagte zu Ikarus, wir müssen fort in das Weite hinaus (S92m) Es ging alles so schnell, dass er nicht mal schreien konnte (S51d) Seine Bande würde ihn umbringen (G31d) Der Einbruch war eine Leichtigkeit für sie, hört selbst. Komm in das Haus, sagte Kong-Ching zu Spinnenmann. Sie klingelten an der Tür und liefen weg, das war der Einbruch für sie (F18d) Warum musste er bloß von Kreta fliehen?! (S01d) Er bekämpft Räuber, Gangster und Diebe (F52m) Pippi außer Rand und Band (F50d) Und die drei waren glücklich und zufrieden (G97m) Alles lief glatt, aber würden sie den weiten Weg schaffen? (S32d) Da sagt Käpt’n Hook: Gib‘ mir das Kind. Nein, sagte Pirat Jackson. Da sagt Käpt’n Hook: Doch, gib es mir oder deine Frau und dein Kind sterben (G71m) … plötzlich stand sie vor einer dunklen Höhle, sie wusste nicht, was auf sie zukommen würde, aber schwamm rein (F04d) Er hatte eine Idee (S93m) Der Mann hat ihr etwas versprochen. Aber erst am Abend (G81m) … und dann ist es passiert. Lala ist in die Schlucht gefallen (F73d) Aber in Wirklichkeit lebte Ikarus noch, er ist geschwommen (S31d) „… Nicht weit von hier wohnt doch das Nashorn, das macht manchmal Spießübungen.“ Und so wusste Simba endlich, woher das Rumpeln kommt (F37d) Helin und Julian waren nur beste Freunde, mehr nicht, sie waren nicht verliebt oder so was, sie waren nur Freunde. (…) Julian liebte nämlich Helin (G58m) Rotkäppchen kam langsam näher und aus dem Baum sprang ein Hase raus und sein Fell war so weiß wie Schnee, vielleicht aber auch heller, ich weiß es nicht, denn ich war ja nicht live dabei, um zu sehen, wie weiß seine Haut war (F34m) … oh nein, beide fliegen zu nah an die Sonne (S44d) Und sie hatten ein Haus  zu[m] Glück (G83m) So hatte alles ein gutes Ende (F71m) PS: Alle starben im ruhigen Altersheim… (G12m) Wenn ihr eine Meerjungfrau mit roten Fischschwanz seht… (G30d) So, jetzt hast du einen Eindruck gekriegt, wie diese Pippi lebt (G50d)

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

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Kategorien: Sprachformen für Ereignisfolgen Die Vorstellung einer Ereignisfolge entsteht zunächst einmal dadurch, dass (zumeist) zielgerichtete Handlungen einer (oder mehrerer) Figur(en) dargestellt werden. Die Aneinanderreihung von Ereignissen, die losgelöst von einer handelnden Figur „passieren“, z.B. „Es regnete. Dann schneite es. Ganz Hamburg war weiß“, kann zwar der Anfang einer Erzählung sein, aber wenn weiterhin nur beschrieben wird, wie sich das Wetter ändert, wird der Text höchstwahrscheinlich kein narrativer sein. Durch die Handlungen der Figuren, die in zeitlicher und räumlicher Hinsicht existenziell verankert sind, entsteht die zeitliche Grundkonstellation der Geschichte (vgl. Fludernik 2013, S. 41). Bei der Analyse der Erzählungen zeigten sich vier verschiedene Formen der Darstellung von Ereignisfolgen (s. Tab. 5): 1. Eine Thematisierung ohne Markierung der Abfolge erzeugt die Vorstellung einer Ereignisfolge, indem sie Handlungen von Figuren (nacheinander) explizit benennt. 2. Eine zeitliche Markierung erzeugt die Vorstellung einer Ereignisfolge, indem Zeitpunkte, Zeitspannen, Frequenzen oder Geschwindigkeiten von Ereignissen angegeben werden. 3. Eine räumliche Markierung erzeugt die Vorstellung einer Ereignisfolge, indem sie einen Raumwechsel angibt oder impliziert. 4. Eine kausale Markierung erzeugt die Vorstellung einer Ereignisfolge, indem sie Ereignisse in einem Ursache-Wirkungsverhältnis (bzw. durch Gefüge, denen ein Konditionalschema zugrunde liegt) miteinander verknüpft. Auch ohne Markierungen von Zeit, Raum oder Kausalität, kann eine Ereignisfolge durch die dargestellten Handlungen von Figuren vorstellbar werden: … und sie flehten ihn an, doch der König sagte nein (Silvia S16m). Die Ereignisse ‚sie flehten ihn an‘ und ‚der König sagte nein‘ folgen in der Darstellung aufeinander. Da diese Reihenfolge unseren konzeptuellen Deutungsmustern entspricht (nach denen eine Reaktion auf eine dringliche Bitte folgt), entsteht in der Vorstellung eine kohärente Ereignisfolge, in der das eine Ereignis zeitlich nach dem anderen Ereignis stattfindet. Zeitliche Markierungen der Ereignisfolge ermöglichen, eine Vorstellung von Zeitpunkt, Dauer, Frequenz oder Geschwindigkeit eines Ereignisses zu entwickeln. Zeitangaben markieren bestimmte Ereignisse innerhalb eines chronologischen Ablaufs: Eines Tages ging er zum Meer, doch da kam der König und sagt: „Du darfst nicht gehen.“ Und er teilte Wachen Tag und Nacht ein, die auf ihn aufpassen sollen (Helle S37d).

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5 Methode der empirischen Studie

Dargestellt ist, wann Dädalus zum Meer geht („eines Tages“), und dass „da“ der König kommt; „da“ kann in diesem Fall räumlich (am Meer) oder temporal (in diesem Augenblick) verstanden werden, je nachdem fällt der Zeitpunkt, an dem der König kommt, in den Zeitraum, den Dädalus für den Weg zum Meer braucht oder und in den Zeitraum seines Aufenthalts dort. Außerdem wird vorstellbar, wie lange er bewacht wird, nämlich immer („Tag und Nacht“). Ein enger Zusammenhang der Ereignisse wird hervorgehoben, wenn zwei Ereignisse in temporaler Relation zueinander dargestellt werden, z.B. indem (mit der Konjunktion „als“) Gleichzeitigkeit zum Ausdruck gebracht wird: Als der König das merkte, dass er nach Hause wollte, schickte [er] Wachen zu Dädalus, die ihn nicht aus den Augen lassen sollten (Olga S14m). Aber auch ohne zeitliche Markierungen kann die Vorstellung einer Ereignisfolge entstehen. In der Formulierung von Emma trägt die Angabe eines Raumwechsels (der die Wachen betrifft) dazu bei, sich die Ankunft der Wachen bei Dädalus und das Aufpassen zeitlich nach ihrem Losschicken vorzustellen: … er schickte viele Wachen zu ihm, die sollten aufpassen, dass Dädalus und Ikarus nicht wegkamen (Emma S04d). Kausale Markierungen stellen einen Zusammenhang zwischen Ereignissen her. Indem ein Ereignis als logische Folge eines anderen dargestellt wird, entsteht die Vorstellung einer Ereignisfolge: Als der König das merkte, wollte er natürlich nicht, dass er geht, also stellte er Wachen zu ihm (Noema S32d). Das Konjunktionaladverb „also“ verbindet den Willen des Königs mit seiner Handlung, Wachen zu Dädalus zu stellen, konsekutiv, sodass das zweite Ereignis als Folge des ersten verstanden wird. In umgekehrter Weise werden Ereignisse in Kausalgefügen verbunden: … er wollte zurück. Er konnte aber nicht, weil der König seine Wachen holt (Nayo S93m). Indem eine Begründung ein Ursache-Wirkungsverhältnis beschreibt (dass der König seine Wachen holt, ist die Ursache dafür, dass Dädalus nicht zurückkann), wird zugleich eine Folge dargestellt. Im Unterschied zu einem Konsekutivgefüge steht die Ursache in der Darstellung nach der Folge. Im Vergleich wird deutlich, welche Funktion Angaben zu Zeit, Raum und Zusammenhängen für die Vorstellungsbildung haben können. In einem Abschnitt der vorgelesenen Sage ermöglicht die Zeitangabe „da“, sich den Zeitpunkt vorzustellen, an dem Ikarus die sichere Flughöhe verlässt (vgl. Anhang, S. 382). Diese Zeitangabe, die sich auf den Zeitpunkt bezieht, an dem Dädalus und Ikarus ihrem Ziel „schon“ nahe sind, hebt

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

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die Bedeutsamkeit hervor, die der Zeitpunkt Ikarus‘ Handlung verleiht. Es ist – im Sinne Hermans – ein Zeitpunkt, an dem Ikarus eine folgenschwere ‚Entscheidung‘ trifft. Auch der Zusammenhang zwischen Glücksgefühl und Übermut wird durch die Angabe von Zeitgleichheit hervorgehoben („da“), was das Potenzial für die vorgestellte Erfahrung von Übermut steigert: „Und sie flogen. Tief unten lag das glitzernde Meer, die Luft schimmerte, und sie flogen an vielen Inseln vorbei. Sie waren schon fast in der Nähe der Heimat. Da flog Ikarus nicht immer in der mittleren Höhe. Er war so froh und glücklich, dass er fliegen konnte, da packte ihn der Übermut. Und er flog zu dicht an die Sonne.“ Entfernt man aus diesem Abschnitt der vorgelesenen Sage von Dädalus und Ikarus die Zeitangaben, kann man sich den Ablauf der Ereignisse zwar vorstellen, aber keines der Ereignisse wird hervorgehoben (wohl aber die Erfahrung von Glück und Übermut): Und sie flogen. Tief unten lag das glitzernde Meer, die Luft schimmerte, und sie flogen an vielen Inseln vorbei. Sie waren fast in der Nähe der Heimat. Ikarus flog nicht in der mittleren Höhe. Er war so froh und glücklich, dass er fliegen konnte. Ihn packte der Übermut. Und er flog zu dicht an die Sonne. Entfernt man zusätzlich zu den Zeitangaben in diesem Abschnitt auch die Angaben zu Raumwechseln, wird es entweder schwierig, überhaupt den Sinn zu erfassen oder es braucht ein hohes Maß an Vorstellungskraft: Und sie flogen. Tief unten lag das glitzernde Meer, die Luft schimmerte, und sie flogen. Sie waren. Ikarus flog. Er war so froh und glücklich, dass er fliegen konnte. Ihn packte der Übermut. Und er flog. Auch die Darstellung eines Zusammenhanges zwischen zwei Ereignissen ermöglicht nicht nur die Vorstellung einer Ereignisfolge, sondern kann auch die Vorstellung einer Erfahrung steigern: „Der Vater flog besonders sorgfältig, damit Ikarus genau sehen konnte, wie es geht.“ Das Ausmaß der Sorge vermittelt sich stärker durch die ereignisrelationale Darstellung, auch wenn es möglich ist, ohne konsekutive Verknüpfung einen Zusammenhang herzustellen: Der Vater flog besonders sorgfältig. Ikarus konnte genau sehen, wie es geht. Thematisierung ohne Markierung Neben Weltwissen und Handlungswissen tragen konzeptuelle Deutungsmuster dazu bei, dass Leser einen Text verstehen (vgl. Linke et al. 2004, S. 256 ff.). Es handelt sich

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5 Methode der empirischen Studie

dabei um „Interpretationsmuster, die unsere alltägliche (und meist unbewusste) Wahrnehmung von ‚Welt‘ steuern bzw. strukturieren und die es uns erlauben, verschiedene Tatbestände, Sachverhalte oder Ereignisse als in einer bestimmten Art und Weise aufeinander bezogen zu verstehen“ (ebd., S. 258), und zwar auch, wenn die Anordnung auf der Textoberfläche abweicht von einer linearen Darstellung: -

Eines Tages hatte Dädalus Heimweh. Er wollte weg (Fabian S47d) … aber später wollte Dädalus weg. Er wollte seinem Sohn Ikarus seine Heimat zeigen (Anna S08d)

In beiden Satzfolgen werden wir das Verhältnis zwischen den Ereignissen automatisch als Begründungsverhältnis deuten, in dem das Heimweh (bzw. das Bedürfnis, dem Sohn die Heimat zu zeigen) die Absicht wegzugehen begründet. Während die lineare Anordnung der Ereignisse in der ersten Satzfolge diesem Begründungsverhältnis entspricht, ordnen wir in der zweiten Satzfolge das zweite Ereignis zeitlich vor dem zuerst dargestellten ein, auch ohne dass Kausalität explizit sprachlich realisiert wird (vgl. ebd., S.269). Unterschieden werden drei Grundmuster konzeptueller Deutung (vgl. ebd., S. 259 f.): -

-

-

Koordinative Beziehung: Die Suche nach „einer gemeinsamen räumlichen, situativen oder sachlich-thematischen Einordnungsinstanz“ (ebd.) ermöglicht uns, Dinge, Ereignisse oder Sachverhalte als zusammengehörig wahrzunehmen. So können wir z.B. unter der Perspektive „König“ den Palastbau und Dädalus‘ Bewachung als zusammengehörig verstehen. Das für dieses Muster prototypische Kohäsionssignal ist das simple „und“, das aber nicht explizit sprachlich realisiert sein muss (vgl. ebd., S. 270). Temporale Beziehung: Die temporale Verknüpfung der wahrgenommenen Phänomene spezifiziert die Suche nach einer koordinativen Beziehung, indem sie eine Ordnung des Wahrgenommenen in den Dimensionen von ‚vorher‘, ‚nachher‘ oder ‚gleichzeitig‘ vornimmt. So ordnen wir den Palastbau zeitlich vor der Bewachung ein. Das prototypische Kohäsionssignal ist „und dann“, das nicht explizit sprachlich realisiert sein muss und durch etliche andere Kohäsionssignale, die auf eine chronologische Vernetzungsstruktur verweisen, realisiert werden kann, wobei die Anordnung der Textelemente nicht der zeitlichen Anordnung der erzählten Ereignisse entsprechen muss (vgl. ebd., S. 270 f.). Kausale Beziehung: In einem weiteren Schritt können temporale Beziehungen „als Ursache-Wirkung- bzw. Grund-Folge-Beziehungen interpretiert werden – und wo immer das möglich ist, tun wir es auch“ (ebd., S. 259). So deuten wir Dädalus‘ Geschick als Baumeister als Grund für seine Bewachung, indem wir es als Ursache für den Wunsch des Königs, Dädalus als Baumeister zu behalten, ansehen. Das prototypische Kohäsionssignal ist „weil“. Im Weiteren gehören

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

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auch Beziehungen von Konditionalität, Konsekutivität, Konzessivität und Finalität zu diesem Vernetzungstyp (vgl. ebd., S. 271). Markierung von Zeit Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive lässt sich Zeitlichkeit entweder grammatisch oder lexikalisch ausdrücken (vgl. Comrie 1985). Das verbale Tempus (z.B. er lacht, er lachte, er hat gelacht etc.) lokalisiert Ereignisse grammatisch in der Zeit. Bezugspunkt für die temporale Darstellung ist der Zeitpunkt des Erzählens. In Erzählungen tragen insbesondere Tempuswechsel zur Vorstellung einer zeitlichen Abfolge bei (z.B. kann ein Tempuswechsel Vorzeitigkeit kennzeichnen: Er ging wieder rein und machte sich an die Arbeit. Ikarus half ihm. Bald waren sie fertig. Dädalus hatte einige Federn mit Wachs zusammengesteckt, Henrik, S10d). Auf die systematische Untersuchung grammatischer Formen der Darstellung einer Ereignisfolge wird im Rahmen dieser Arbeit allerdings verzichtet. 101 Als Sprachformen für die Ereignisfolge werden vielmehr lexikalische Formen untersucht, die das Phänomen der Zeitlichkeit über freie Lexeme wie Temporaladverbien (z.B. später), temporale Präpositionalphrasen (z.B. am Morgen, seit gestern) oder temporale Nebensätze (als der König das bemerkte, Anna S08d) zum Ausdruck bringen. Temporaladverbien, einige temporale Präpositionen und die Konjunktionen in temporalen Nebensätzen geben an, ob ein Ereignis vorzeitig, gleichzeitig oder nachzeitig in Relation zu einem anderen Ereignis stattfindet. Die Dauer eines Ereignisses oder einer Zeitspanne zwischen zwei Ereignissen kann nominal (drei Stunden) oder adverbial ([seit] gestern) angegeben werden. Die Vorstellung von Zeit kann auf unterschiedliche Art und Weise über freie Lexeme erzeugt werden (vgl. Gius/Jacke 2016): -

durch die Angabe eines Zeitpunktes, an dem sich etwas ereignet, durch die Angabe einer Zeitspanne, in der sich etwas ereignet, durch die Angabe der Frequenz, in der sich etwas ereignet, durch die Angabe der Geschwindigkeit, in der sich etwas ereignet.

Die Angabe eines Zeitpunktes ist absolut, wenn sie ohne weitere Bezugnahmen die Vorstellung eines Zeitintervalls innerhalb dessen ein Ereignis stattfindet, erzeugt (Am Morgen ging sie auf den See, Anoush F70m). Bei der Angabe eines Zeitpunktes durch zeitliche Präpositionalphrasen variieren die angegebenen Zeitintervalle, innerhalb derer die Ereigniszeit liegt, in ihrer Länge. Während eine Uhrzeit (um 16 Uhr, Stella S46d) die Ereigniszeit innerhalb eines sehr schmalen Intervalls präzise angibt, liegt sie bei der 101

Aufschlussreich könnte insbesondere eine Untersuchung des verbalen Tempus sein, die sich auf die Funktion des Tempuswechsels bezieht und zwischen stereotypischer Norm und textstruktureller Funktion unterscheidet (vgl. Dehn 1996, S. 172).

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5 Methode der empirischen Studie

Angabe eines Wochentages (am Samstag, Munira S89m), einer Jahreszeit (an einem schönen Sommertag, Nele F53d) oder eines Zeitalters (im Mittelalter, Tanja G50d) in einem zunehmend größeren Zeitintervall. Davon zu unterscheiden sind absolute Zeitangaben, deren Intervallgröße gänzlich unbestimmt bleiben („einmal“, „irgendwann“). Die Angabe mehrerer absoluter Zeitangaben kann die Vorstellung einer Abfolge erzeugen und je nachdem, wie konkret sich die Angaben auf kalendarische Daten beziehen, können Rezipienten ihr Weltwissen nutzen, um eine Abfolge zu konstruieren (so erlauben z.B. die aufeinanderfolgenden absoluten Zeitangaben „am Morgen – am Mittag – am Abend“ eine präzise Vorstellung der Abfolge). Eine Zeitpunktangabe ist deiktisch, wenn sie auf einen Zeitpunkt relational zum Sprechzeitpunkt verweist (Jetzt gingen Seppel und Kasper gerade im Wald, Tom F05d). Temporaldeiktische Angaben unterscheiden sich in Anlehnung an das lokaldeiktische System sowohl im Grad ihrer Nähe (jetzt – gleich – bald) als auch in ihrer vor-, gleich- oder nachzeitigen Position (vorhin – jetzt – bald) zum (fiktiven) Sprechzeitpunkt. Wenn deiktische Zeitangaben durch zeitliche Präpositionalphrasen näher bestimmt werden (Der Computer sagt: Morgen um 9 in Hamburg ist dein 1. Kampf!, Antonia S88d) kann eine präzisere Vorstellung des Zeitpunktes oder der Dauer einer Zeitspanne entstehen. Uhl weist darauf hin, dass mit der Erzählperspektive und der Protagonistenperspektive jeweils zwei unterschiedliche deiktische Systeme aktiviert werden: „Wird beim Erzählvorgang ein Erzählraum so gestaltet, dass sich einer oder mehrere Protagonisten quasi-kopräsent innerhalb des Erzählraums austauschen, so liegt eine Protagonistenperspektive vor. Das sprachliche Handeln der in den Erzählraum eingeführten Protagonisten erfolgt (innerhalb des Erzählraums) diskursiv. Als deiktisches Orientierungsverfahren der Protagonistenperspektive dient daher die Deixis ad oculus et aures, die entsprechend flexionsmorphologisch kodiert wird (keine t-Markierung bzw. Ablautung)“ (Uhl 2015, S. 116). Während diese Unterscheidung für die Untersuchung des Tempus eine hohe Bedeutung hat, weil für den temporalen Bezugspunkt entscheidend ist, „wer spricht“, ist sie für die Betrachtung von (freien) Zeitangaben irrelevant, da sich Zeitangaben aus Protagonisten- und Erzählerperspektive auf der Ebene der erzählten Geschichte auf dasselbe „JETZT“ beziehen, so ist z.B. in dem Satz „Morgen war Weihnachten“ (Hamburger 1957) dasselbe „morgen“ gemeint wie in dem Satz „Er sagte: ‚Morgen ist Weihnachten‘“. Für Zeitangaben ist vielmehr die Unterscheidung der Referenz auf die Erzählzeit oder den Zeitpunkt des Erzählens von Bedeutung (i.S.v. „Ich erzähle euch heute eine Geschichte darüber, wie eines Tages morgen Weihnachten war). Anaphorische Zeitpunktangaben verweisen auf ein Ereignis, das im Text zuvor genannt ist (so bastelte die Frau eine Angel und dann angelte sie viele Fische, Anke G02d). Ein narrationstypischer Vertreter anaphorischer Zeitangaben ist das Wort „dann“, das sich etymologisch aus

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

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einem Ortsadverb mit der Bedeutung „von da aus“ entwickelt hat (mhd. Dan[ne], ahd. dan[n]a; vgl. Duden 2007b, S. 373) und wie „danach“ angibt, dass etwas nach dem zuvor erwähnten Ereignis passiert. Während „davor“ angibt, was vor dem erwähnten Ereignis geschehen ist, kann mit dem Wort „da“ die Vorstellung von Gleichzeitigkeit erzeugt werden. Manchmal ist es möglich, sich den Zeitpunkt eines Ereignisses vorzustellen, ohne dass er explizit benannt wird, weil es z.B. um ein Ereignis geht, das an eine Jahres- oder Tageszeit gebunden ist (Sie fuhren hinaus und genossen den Sonnenuntergang, Verena G85m) oder an das Vergehen von Zeit (Simba wurde älter, Helle F37d). Ein Zeitpunkt wird in diesem Fall implizit angegeben. Ereignisrelationale Zeitpunktangaben stellen den Zeitpunkt eines Ereignisses dar, indem sie angeben, ob ein Ereignis vor (bevor er einen Schrei ausstoßen konnte, landete er im Wasser, Annika S09d), nach (Nach dem Geschirr abspülen, findet Pippi ein Ding, Eda-Nur F39m) oder gleichzeitig (Als er unter der Schutzmauer ist, saust sie runter, Rafael F23d) mit einem anderen Ereignis stattfindet. Die Angabe einer Zeitspanne ist absolut, wenn sie ohne weitere Bezugnahmen die Vorstellung von der Dauer eines Ereignisses erzeugt (und da spielten sie lange und zufrieden, Till F28d). Bei der Angabe einer Zeitspanne durch zeitliche Präpositionalphrasen variiert die angegebene Ereignisdauer (für eine Nacht, Niko G17d – seit ungefähr sechs Monden, Paula F30d). Davon zu unterscheiden sind absolute Zeitangaben, deren Angaben zur Dauer unbestimmt bleiben (kurz, lange). Die Angabe einer Zeitspanne ist deiktisch, wenn sie auf eine Zeitspanne relational zum Sprechzeitpunkt verweist (und niemand ist bis jetzt abgehauen, Viola S03d). Wenn deiktische Angaben einer Zeitspanne durch zeitliche Präpositionalphrasen näher bestimmt werden (drei Tage später waren sie fertig, Alea S31d), kann eine präzisere Vorstellung des Zeitpunktes oder der Dauer einer Zeitspanne entstehen. Anaphorische Angaben verweisen auf ein davor genanntes Ereignis, indem sie sich auf die Dauer des Ereignisses beziehen (Leo war inzwischen ein großer Löwe, Diana F11d) oder den Zeitraum, der zwischen den Ereignissen liegt (Und seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört, Annika G09d). Ereignisse, die die Vorstellung einer Zeitspanne erzeugen, ohne sie explizit zu benennen, implizieren, dass Zeit vergeht (Er wurde älter, Amanda S66d). Zeitspannen können auch ereignisrelational angegeben werden. Die Dauer eines Ereignisses wird in diesem Fall über den Startzeitpunkt (seitdem Ikaria da ist, kümmert ihr euch nur um ihn, Amanda S66d) oder den Endzeitpunkt (Damit ruderte und ruderte [er], bis er auf Land stieß, Johannes S15d) oder die Zeitspanne (Ich gehe es holen, währenddessen du dich ausruhst, Meryem G67m) eines anderen Ereignisses bestimmt. Angaben zur Frequenz ermöglichen, sich vorzustellen, wie oft ein Ereignis stattfindet. Die Angaben können in der Genauigkeit variieren (Er machte das drei Male und er schaffte das, Clifton S97m; Kasper und Seppel sind gute Freunde, sie gehen oft im Wald,

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5 Methode der empirischen Studie

Micha S19d). Manche Angaben erzeugen die Vorstellung einer hohen Frequenz (Wie immer ging Peter zur Schule, Fabian F47d), andere schließen durch eine Frequenzangabe das Vorkommen von Ereignissen aus (Sie hatten sich noch nie gestritten, Lene G60m) oder bringen zum Ausdruck, dass sich ein Ereignis wiederholt (und die haben wieder Hilfe gerufen, Arbesa G96m). Angaben zur Geschwindigkeit ermöglichen, sich vorzustellen, mit welcher Geschwindigkeit ein Ereignis geschieht (Er zieht sich schnell um und kämpft gegen ihn, Joel F65d). Wenn (mehrere) Ereignisfolgen, die unterschiedliche Figuren betreffen, zeitgleich stattfinden, können verschiedene Handlungsstränge über simultane Zeitangaben verknüpft werden (In der Zwischenzeit kaufte die Frau alles Nötige. Jetzt zählte sie durch, ob sie alles hat (…) Der Mann war schon lange auf dem Schiff, Stella G46d). Zeitangaben beziehen sich entweder auf die erzählte Zeit oder auf den Zeitpunkt des Erzählens, einige Zeitangaben markieren einen Wechsel. So kann eine Zeitangabe am Anfang einer Erzählung dazu beitragen, den Zeitraum, in dem die Geschichte spielt, über einen (großen) zeitlichen Abstand zum Zeitpunkt des Erzählens („vor vielen Jahren“, „1994“) oder eine zeitliche Unbestimmtheit („einmal“, „eines Tages“) zu markieren. Solche Verschiebungen sind aber auch während der Erzählung (Er baute die kleine Nixe, die jetzt in irgendeiner Stadt von Deutschland Wahrzeichen ist, Carla S01d) oder am Ende einer Erzählung (und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, Henrik S10d) möglich. Da eine einzige Zeitangabe zur Verschiebung der Origo (z.B. durch „Es war einmal“ am Anfang der Erzählung) noch keine Vorstellung einer Ereignisfolge erzeugt, werden nur solche Zeitangaben als Sprachformen für die Ereignisfolge betrachtet, die sich auf die erzählte Zeit beziehen und die Vorstellung einer zeitlichen Folge von (mindestens zwei) Ereignissen erzeugen können. Markierung von Raumwechseln Sprachliche Ausdrücke können sich in unterschiedlicher Art und Weise auf Räume, bzw. Objekte in Räumen beziehen. Beschrieben werden kann die Lage eines oder mehrerer Objekte im Raum (Positionierung), die Bewegung eines oder mehrerer Objekte von einem Ort an einen anderen (Direktionalisierung) oder die Größe eines oder mehrerer Objekte im Raum (Dimensionierung) (vgl. Brandt et al. 2006, S. 299). Für die Konstruktion einer Ereignisfolge ist insbesondere der Raumwechsel von Figuren von Interesse: „Während Chronologie und daher Abfolge im Zeitlichen die Regel sind, so dass die Synchronie sich als Abweichung abhebt, verhält es sich im Räumlichen genau umgekehrt – Räume sind statisch; es ist der Raumwechsel, den es zu markieren gilt“ (Fludernik 2013, S. 54 f.).

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

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Die explizite Angabe eines Raumwechsels impliziert in Erzählungen eine Ereignisfolge – zumindest wenn dieselbe Figur den Raum wechselt –, denn es vergeht zwingend Zeit, wenn eine Figur sich von einem Raum zum anderen bewegt: „Jeder Weg ist eine Folge von Ort-Zeit-Paaren. Er beginnt an einem Ort zu einer Zeit und endet an einem (meist anderen) Ort zu einer späteren Zeit“ (ebd., S. 296). Die Vorstellung eines Raumwechsels kann auf unterschiedliche Art und Weise erzeugt werden: -

-

durch die Angabe eines Raumes (oder der Position einer Figur/eines Gegenstandes im Raum), der sich von dem Raum, in dem die Handlung bisher stattfand, unterscheidet, durch die Referenz auf eine Bewegung von einem Ort weg, auf einen Ort zu oder von einem Ort zu einem anderen.

Die Angabe eines Raumes (oder der Position einer Figur/eines Gegenstandes im Raum), der sich von dem Raum, in dem die Handlung bisher stattfand, unterscheidet, impliziert einen Raumwechsel. Eine Raumbezeichnung ist absolut, 102 wenn sie einen Ort ohne weitere Bezugnahmen angibt (Jetzt leben sie im Himmel weiter, Maja S44d), sie ist deiktisch, wenn sie auf einen Raum relational zur Origo (innerhalb der erzählten Zeit oder der Erzählzeit) verweist (Nach einiger Zeit waren sie unten, Amanda F66d) oder sie ist anaphorisch (bzw. kataphorisch), wenn sie auf einen Raum verweist, der im Text genannt wird (jetzt sehen sie eine Stadt … als sie dort ankamen, Silvia G16m). Raumangaben können auch einen Raumwechsel von der Erzählzeit in die erzählte Zeit markieren. Eine Raumangabe am Anfang der Erzählung trägt dazu bei, dass ein narrativer Vorstellungsraum entsteht und der Text als Erzählung wahrgenommen wird. Nicht immer wird ein solcher Raum explizit benannt, sondern wird aufgrund der Ereignisse vorstellbar. In diesem Fall kann aus der Angabe eines anderen Raumes geschlossen werden, dass ein Raumwechsel stattgefunden hat. Wenn z.B. in einer Erzählung ein Felsen die erste Angabe eines Ortes ist (an dem Abend schmiss er seinen Schüler vom Felsen, Jelena S71m) und das vorherige Geschehen (Bildhauen, einen Schüler bekommen etc.) wahrscheinlich nicht direkt am Felsen stattfindet, impliziert die Angabe des Felsens einen Raumwechsel von Dädalus mit seinem Schüler (vermutlich) vom Haus zum Felsen (abgesehen davon gibt die Formulierung noch einen zweiten Raumwechsel des Schülers vom Felsen hinab an). 102

Mit „absolut“ ist hier nicht ein physikalisch absoluter Raum gemeint – den es nicht geben kann, weil Räume nach der Relativitätstheorie nicht absolut sein können – sondern, es ist gemeint, dass solche Raumbezeichnungen aus sich heraus eine Vorstellung erzeugen können, freilich auf der Basis von Welt-, Sprach- und Handlungswissen.

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5 Methode der empirischen Studie

Meistens jedoch wird die Angabe eines Raumwechsels durch die Referenz auf eine Bewegung von einem Ort weg, auf einen Ort zu oder von einem Ort zu einem anderen gekennzeichnet. Auch hier kann der Ort absolut (Dädalus muss ins Gefängnis, Maria S81m), deiktisch (Sie flogen sehr weit weg, Carla S01d), anaphorisch (bzw. kataphorisch) (Plötzlich sieht er einen Laden und geht dahin, Mahboob S78m) oder implizit (Dädalus musste fliehen, Farouk S82m) angegeben werden. Zu den impliziten Angaben gehören insbesondere Verben, die einen Raumwechsel auch ohne Angabe eines Ortes implizieren, indem sie das Verlassen eines Ortes (z.B. abfahren, verreisen), die Ankunft an einem Ort (z.B. ankommen, landen), die Bewegung von einem Ort an einen anderen (z.B. überqueren, stürzen, ertrinken) oder den Wechsel in ein anderes Element (fliegen, schwimmen) anzeigen. Ein Raumwechsel kann auch durch onomatopoetische Interjektionen, die eine Bewegung angeben (Tick Tock Tick Tock, Meryem, G67m) gekennzeichnet werden. Auch implizite Angaben tragen dazu bei, eine Vorstellung von Ereignissen als Abfolge von Handlungen in Raum und Zeit zu gewinnen. Darüber hinaus können in Erzählungen (mehrere) Ereignisfolgen, die unterschiedliche Figuren betreffen, in unterschiedlichen Räumen stattfinden. In diesem Fall markiert ein Raumwechsel nicht zwingend das Vergehen von Zeit, wohl aber trägt dessen Angabe dazu bei, dass Rezipienten zwischen den Handlungssträngen unterscheiden können und damit eine genauere Vorstellung der einzelnen Ereignisfolgen gewinnen. Kausale Markierung Durch kausale Angaben kann ein Wirkungszusammenhang zwischen Ereignissen explizit zur Sprache gebracht werden. Da das Prinzip der Kausalität ausdrückt, dass jedem Ereignis, jeder Wirkung eine zeitlich früher liegende Ursache vorausgeht, entsteht die Vorstellung einer Ereignisfolge. Sie kann erzeugt werden durch die Darstellung einer: -

konditionalen Relation, die angibt, dass ein Ereignis ein anderes bedingt, kausalen Relation, die angibt, dass ein Ereignis ein anderes begründet, konsekutiven Relation, die angibt, dass ein Ereignis aus einem anderen folgt, konzessiven Relation, die angibt, dass ein Ereignis trotz eines anderen Ereignisses stattfindet, finalen Relation, die angibt, dass ein Ereignis ein anderes bezweckt.

Mithilfe von Konnektoren können zwei Ereignisse in eine spezifische semantische Beziehung zueinander gesetzt werden. (vgl. Institut für deutsche Sprache: Konnektoren). Konnektoren können Konjunktionen sein, aber auch bestimmte Adverbien und Partikeln. Jedoch nicht alle Konnektoren legen nahe, sich den dargestellten Zusammenhang (auch) als Abfolge aufeinander bezogener Ereignisse vorzustellen.

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

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Konnektoren, die eine konditionale Relation angeben (z.B. wenn – dann, sonst), verknüpfen zwei Ereignisse, indem das eine Ereignis als Voraussetzung oder Bedingung für ein anderes Ereignis dargestellt wird (aber wenn ich groß bin, dann darf ich da runter, Diana F11d). Da die Bedingung erfüllt sein muss, bevor das Ereignis eintritt, entsteht die Vorstellung einer Ereignisfolge. Auf der logischen Struktur des Konditionalschemas, das aus Vorausgehendem (Antezedenz) und Folgendem (Konsequenz) besteht, basieren außer Konditionalsätzen auch Kausalsätze, Konsekutivsätze, Konzessivsätze und (vgl. Institut für deutsche Sprache: Konditionalsätze). Konnektoren, die eine kausale Relation angeben (z.B. weil, da, denn, nämlich, wegen, vor), verknüpfen zwei Ereignisse, indem ein Ereignis als Ursache für ein anderes Ereignis dargestellt wird, und zwar durch einen kausalen Nebensatz (Er hat Spinnenpower, weil eine Spinne ihn gebissen hat, Maria F81m) oder ein kausales Konjunktionaladverb (Auf der Insel suchten sie nach ein paar Tagen nach einem Schatz. Sie hatten nämlich eine Schatzkarte gefunden, Djannah G54m). Jedes Ursache-Wirkungsverhältnis erzeugt zugleich die Vorstellung einer zeitlichen Folge, in der das ursächliche Ereignis vor dem daraus folgenden Ereignis stattfindet oder begonnen hat. Kausalen Verhältnissen liegt ein Konditionalschema zugrunde, bei der die Voraussetzung als erfüllt gilt (-> Wenn eine Spinne ihn beißt, dann hat er Spinnenpower) (vgl. Institut für deutsche Sprache: Kausalsätze). Konnektoren, die eine konsekutive Relation angeben (z.B. sodass, so – dass, also, deswegen, darum, damit), verknüpfen zwei Ereignisse, indem das eine Ereignis als Folge eines anderen Ereignisses dargestellt wird, und zwar durch einen Nebensatz (… springt er sehr schnell hoch, sodass der Feuerball den Roboter hinter ihm trifft, Kai F41d) oder ein konsekutives Konjunktionaladverb (aber die Frau konnte nicht schwimmen und das Wasser war echt kalt. Also mussten sie es auf dem Schiff aushalten, Anisha G95m). Auch konsekutive Verhältnisse können auf ein Konditionalschema zurückgeführt werden, bei dem die Voraussetzung erfüllt ist (-> Wenn die Frau nicht schwimmen kann und das Wasser echt kalt ist, dann müssen sie es auf dem Schiff aushalten) (vgl. Institut für deutsche Sprache: Konditionalsätze). Konnektoren, die eine konzessive Relation angeben (z.B. obwohl, auch wenn, trotzdem), verknüpfen zwei Ereignisse, die sich normalerweise entgegenstehen würden (Obwohl Oberwachtmeister Dimpfelmoser Räuber Hotzenplotz schon mehrmals ins Gefängnis gesteckt hat, ist der Räuber immer und immer wieder ausgebüxt, Micha F19d). Auch konzessive Relationen sind konditional fundiert, da in Konzessivgefügen eine unerwartete Ausnahme von einer Regularität formuliert wird (-> Wenn Oberwachtmeister Dimpfelmoser Räuber Hotzenplotz ins Gefängnis steckt, kann der Räuber nicht ausbüxen) (vgl. Institut für deutsche Sprache: Konzessivsätze). Auch konzessive Relationen ermöglichen also, sich die Ereignisse als aufeinander folgend vorzustellen.

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5 Methode der empirischen Studie

Konnektoren, die eine finale Relation angeben (z.B. um – zu, damit), verknüpfen zwei Ereignisse, indem ein Ereignis als ein Zweck, eine Absicht oder ein Ziel eines anderen Ereignisses dargestellt wird (Ich baue Flügel, um hier rauszukommen, Elizna S91m). Auch finale Verhältnisse sind konditional fundiert (-> Wenn ich Flügel baue, dann komme ich hier raus) (vgl. Institut für deutsche Sprache: Finalsätze). Das formulierte Ziel folgt in der Vorstellung zeitlich auf das Ereignis, das zu dem Ziel führt.

5.2 Zur Untersuchung der schriftlichen Erzählungen

143

Tab. 5: Übersicht: Sprachformen für Ereignisfolgen Sprachformen (und Signalwörter)

Thematisierung ohne Markierung

Kategorie

[Ereignisse]

Zeitpunkt (Wann?)

absolut (einmal, eines Tages, irgendwann, im [Sommer], um x Uhr, am [Morgen], [Jahreszahl]) deiktisch (jetzt, heute, nun, bald, morgen, gleich, sofort, gestern, gerade, [x Tage] später, nach/in/vor [x Tagen], am nächsten [Tag]) anaphorisch (da, dann, danach, davor)

Zeitliche Markierung

ereignisrelational (bevor, als, nachdem) implizit

Zeitspanne (Wie lange?)

absolut (lange, kurz, [x Tage], für immer) deiktisch (immer noch, bis/ab jetzt, von nun an, noch, noch heute/ein bisschen, schon/seit [x Tage/n], die nächsten [Tage] anaphorisch (seitdem, inzwischen, währenddessen, in der Zeit) ereignisrelational (bis, während, seit) implizit

Frequenz (Wie oft?) (x-mal, nochmal, manchmal, nie, immer, wieder, oft, jeden Tag) Geschwindigkeit (Wie schnell?) (schnell, langsam)

Beispiele aus dem Korpus … und er findet einen Stein und er baut aus dem Stein eine Statue von seinem Kind (S64d) Er trank sie mit einem Schluck aus. Schrecklich! Die Frau fing an zu weinen (G30d) Und Spider kämpfte und kämpfte und er tötete und gewann {das} [den] Kampf gegen J. Jameson (F99m) Eines Tages kam eine Schlange (S81m) Dädalus war in Hamburg zum Wrestle-Turnier um 9 Uhr (S88d) Es begann 1988 (G71m) Aber jetzt war Jimba noch böser (F73d) … und bald sahen sie, dass das Schiff untergluckerte (G91m) Und wenig später hatte er einen Sohn (S94d)

Spider Man dreht sich ruckartig um, da sieht er Skorpion (F20m) … sie waren fast am Ziel. Doch dann kam ein Schmugglerschiff (G55m) … und er war tot und danach wollte er fliehen (S52m) Als sie ankamen, gingen sie spazieren (G71m) Nachdem sie {das} [den] Stier gegessen haben, geht Skar zum Zauberer Kuckuck (F86m) … und dann war es dunkel (S28d) Sie fuhren hinaus und genossen den Sonnenuntergang (G85m) … und da spielten sie lange und zufrieden (F28d) Dädalus baute ein Jahr an dem Palast aus Stein (D15d) … und so blieben sie für immer reich (G54m) … aber sie sahen immer noch kein Land (G37d) Ich bettle schon seit Tagen (S60m) Sie blieben den ganzen Tag in der Höhle (F07d)

Und seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört (G09d) Leo war inzwischen ein großer Löwe (F11d) In der Zeit hatte er einen Sohn bekommen (S11d) Er konnte nichts mehr tun, bis er starb (S93m) Und seit sie die Kaffeemühle hat, trank sie jetzt doppelt so viel (F53d) Er wurde älter (S66d) … aber sie lebten als unsterbliche Geister weiter (S06d) Er machte das drei Male und er schaffte das (S97m) Sie hatten sich noch nie gestritten (G38d) Aber die Böse versuchte es immer wieder (F03d) Er zieht sich schnell um und kämpft gegen ihn und besiegt ihn (F65d) Sie wollten fliehen, aber sie waren zu langsam (G55m)

144

Räumliche Markierung

Kategorie

5 Methode der empirischen Studie Sprachformen (und Signalwörter)

absolut Raum Raumwechsel deiktisch Raum Raumwechsel anaphorisch Raum Raumwechsel implizit Raum Raumwechsel Konditionale Relation (Voraussetzung?) (wenn – dann, sonst)

Kausale Markierung

Kausale Relation (Warum?) (weil, denn, da, nämlich, wegen)

Konsekutive Relation (Folge?) (so – dass, sodass, also, deswegen, darum, damit)

Konzessive Relation (Einräumung?) (obwohl, auch wenn, trotzdem)

Finale Relation (Zweck/Absicht?) (um – zu, damit)

Beispiele aus dem Korpus Jetzt leben sie im Himmel weiter (S44d) Dädalus muss ins Gefängnis (S81m) Nach einiger Zeit waren sie unten“ (F66d) Sie flogen sehr weit weg (S01d) … jetzt sehen sie eine Stadt … als sie dort ankamen (G16m) Plötzlich sieht er einen Laden und geht dahin (S78m) Und sie sind angekommen (G25d) Dädalus musste fliehen (S82m) … aber wenn ich groß bin, dann darf ich da runter (F11d) … und du darfst nicht so hoch fliegen, sonst schmilzt das Wachs (S07d) Er hat Spinnenpower, weil eine Spinne ihn gebissen hat (F81m) Dädalus las ihn sich durch und erschrak auf einmal, denn der Brief kam vom anderen Ende der Welt (S41d) Auf der Insel suchten sie nach ein paar Tagen nach einem Schatz. Sie hatten nämlich eine Schatzkarte gefunden“ (G54m) … springt er sehr schnell hoch, sodass der Feuerball den Roboter hinter ihm trifft (F41d) … aber die Frau konnte nicht schwimmen und das Wasser war echt kalt. Also mussten sie es auf dem Schiff aushalten (G95m) Da wurde Dädalus eifersüchtig. Deswegen schubste Dädalus seinen Schüler von seinem Berg (S52m) Obwohl Oberwachtmeister Dimpfelmoser Räuber Hotzenplotz schon mehrmals ins Gefängnis gesteckt hat, ist der Räuber immer und immer wieder ausgebüxt (F19d) Eines Tages, später, wollte er zurück, auch wenn [er] ein Haus gebaut hat, er wollte zurück (S93m) Aber die Böse versuchte es immer wieder. Aber trotzdem ließ sie sich nicht fangen (F03d) Ich baue Flügel, um hier rauszukommen (S91m) Warum hast du so große Ohren? Damit ich dich besser hören kann (F62m)

6 Zugänge in Wort und Bild Um Korrespondenzen zwischen Vorgaben und Sprachformen in Texten von Schülerinnen und Schülern untersuchen zu können, werden im Folgenden die Zugänge dargestellt, die Sage, Gemälde und Figuren für die Vorstellung von Erfahrungen und Ereignisfolgen eröffnen.

6.1 Sage: Dädalus und Ikarus Sie haben ihn wieder aufgenommen, weil er jetzt auch Schmerz gefunden hat. Aber er wurde nicht glücklich. Ende (Diana S11d). Sage und Narration Die literaturwissenschaftliche und volkskundliche Forschung unterscheidet drei Grundformen der Volkspoesie, die als „Modelle der Literarisierung primär lebenswichtiger Funktionen“ (Schrader 1980, S. 13) gelten können: Märchen, Sage und Schwank (vgl. Petzold 2002, S. 43). „Es gibt […] eine Art, die Welt märchenhaft, d.h. in mythisch-heroischer Erhöhung zu bewältigen, seit es dem Menschen gegeben ist, so zu hoffen und zu denken; es gibt eine Art, die Welt sagenhaft, d.h. in erschütternder Ungelöstheit und Tragik zu erleben, seit es dem Menschen gegeben ist, so zu leiden und zu denken; es gibt eine Art, der Welt lächelnd, d.h. im erlösenden Gelächter über ihre Anfälligkeit zu widerstehen, seit es dem Menschen gegeben ist, sich so zu behaupten und zu denken“ (Ranke 1978, S. 33). Kinderliteratur entspricht normalerweise der ersten Art zu denken. Die Hoffnung, dass die Geschichte gut ausgeht, wird am Ende bestätigt. Die tragische Sage eröffnet den Schülerinnen und Schülern aus Klasse 3 einen anderen, möglicherweise neuen Zugang und ist darum nicht nur fremd, sondern kann auch dazu reizen, das neue Genre zu erproben. Als Teil der griechischen Mythologie ist die Geschichte von Dädalus und Ikarus eigentlich ein Mythos. Da die Geschichte aber herausgelöst wurde aus dem Kontext der Götterwelt, wird sie hier als Sage im Sinne einer aus der alten Zeit überlieferten Erzählung bezeichnet. Die Sage scheint (ähnlich wie das Märchen) als „einfache Form“ (Jolles 1958) besonders geeignet, um Schülerinnen und Schülern Zugang zu elementaren Formen des Erzählens zu eröffnen:

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_7

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6 Zugänge in Wort und Bild

„Die Sage ist eine mündlich und/oder schriftlich produzierte und tradierte Erzählung von einem aussergewöhnlichen, übernatürlichen oder wunderbaren, wahren oder fiktiven, geglaubten oder abgelehnten, oftmals datierten/lokalisierten Ereignis [Erlebnis], die in unterhaltender/didaktischer Absicht vorgebracht wird und zur Bestätigung oder Erweiterung des Erfahrungskreises der Rezipienten sowie der Aufrechterhaltung oder Infragestellung eines jeweils geltenden Gesellschaftsbildes dient“ (Schenda 1988, S. 12; Hervorhebung i.O.). Außergewöhnlich ist die Sage von Dädalus und Ikarus – Menschen, denen es gelingt zu fliegen, können fast schon als übernatürlich gelten. Ikarus‘ Übermut bringt ihn allerdings als Menschen zu Fall. Und die Schuld, die Dädalus mit dem Mord an seinem Schüler auf sich geladen hat, fällt auf ihn zurück. In didaktischer Hinsicht lässt sich die Sage als Warnung lesen, sich nicht gottgleich über die Menschheit zu erheben – weder durch den Bau von Flügeln noch als Richter über Leben und Tod. In der Definition von Schenda gilt das, was in Kapitel 1 als Kern des Erzählens herausgearbeitet wurde, als spezifisch für die Sage: die Bestätigung oder Erweiterung der Erfahrung all jener, die die Erzählung rezipieren. Dädalus und Ikarus Die Sage von Dädalus und Ikarus wird den Schülerinnen und Schülern in einer Fassung vorgelesen, die den Stoff als Ganzen präsentiert (vgl. Anhang, S. 381 f.). Sie beginnt mit Dädalus‘ Berühmtheit als Bildhauer, erzählt von dem Mord – aus Neid – an seinem Schüler, von der Flucht nach Kreta, wo Dädalus wieder ein geachteter Baumeister wird und einen Sohn hat. Erst dann folgt der bekannte Ausschnitt, in dem es um die Sehnsucht nach der Heimat und die Flucht aus König Minos‘ Gefangenschaft durch die Luft geht, die tragisch mit dem Tod des übermütigen Ikarus und der Trauer des alten Dädalus endet. Auf den ersten Blick scheint die dichte Geschichte eine Überforderung für Neun- bis Zehnjährige. Sie widerspricht ihren Erwartungen an Geschichtenabläufe, insbesondere der Erwartung eines guten Endes. „Auch was das moralische Urteil betrifft, ist ‚Dädalus und Ikarus‘ eine starke Herausforderung. Der Mord wird nicht ausdrücklich geahndet. Der Mörder ist die Hauptfigur der Geschichte“ (Dehn/Schnelle 2000, S. 21). Umso wichtiger erscheint es, dass die Schreibaufgabe Distanzierung und Variation zulässt, indem sie ermöglicht, das (als Geschichte) zu thematisieren, was der oder dem Einzelnen wichtig ist. Die Irritation kann ein starker Motor sein, sich gedanklich und schreibend mit dem Stoff auseinanderzusetzen, auch indem die Geschichte umgeschrieben und damit aushaltbar wird. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die

6.1 Sage: Dädalus und Ikarus

147

Sage eine Fülle an thematischen Anknüpfungspunkten bietet, auch für Grundschülerinnen und -schüler. Sie eröffnet vielfältige Zugänge zur Erfahrung existentieller Lebensthemen wie Begabung, Ruhm und Ehre, Neid und Mord, Heimat und Fremde, Heimweh und Gefangenschaft, Habgier und Scharfsinn, Sorge und Gebot, dem Traum vom Fliegen, Übermut, Verlust und Verzweiflung. Sowohl die vorgestellte Erfahrung als auch die in anderen Kontexten gesammelte Erfahrung mit diesen Themen kann zum Fundus werden für das eigene Erzählen – im Schutz der Geschichte. Zugang zu vorgestellter Erfahrung Immer wieder ermöglicht die Sage, sich vorzustellen, wie es ist, begabt und berühmt zu sein. Schon der Beginn der Sage zeichnet ein eindrückliches Bild von Dädalus‘ Kunstfertigkeit und Ruhm. Er erscheint als jemand, der Steine zum Leben erwecken und damit den größtmöglichen Gegensatz zwischen unbelebter und belebter Materie überwinden kann („Die Menschen schlug er so kunstvoll, dass man dachte, sie würden einen richtig anschauen; so genau konnte er das Gesicht aus Stein schlagen. Und die Kleider, die schlug er so fein aus dem Stein heraus, dass man dachte, die Person macht gleich den nächsten Schritt“). Dädalus ist so berühmt, dass die Leute „aus aller Welt“ in die Stadt kommen. Der Künstler, der „oben auf dem Berg“ seine Werkstatt hat, genießt hohe Ehre und Anerkennung („Er war geachtet und geehrt, ein berühmter Erfinder, ein kunstreicher Mann, ein Künstler“). Als der Schüler besser wird als Dädalus, vermittelt sich seine Begabung nicht nur über die Beispiele seiner Erfindungen, sondern vor allem im Vergleich zu Dädalus. Indem die Sage Dädalus‘ Neid, seine Angst, „dass der Schüler besser sein würde als er selber“, seine Eifersucht und schließlich seinen Hass, der ihn zum Mord treibt, thematisiert („Dädalus hasste diesen Jungen so sehr, dass er ihn eines Abends oben von den Felsen der Burg in die Tiefe stürzte, sodass er tot war“), wird vorstellbar, wie es ist, von seinem Schüler überflügelt zu werden und seine Gefühle nicht beherrschen zu können. Nach dem Sturz des Schülers in die Tiefe, muss Dädalus seinen Platz an der Spitze der Künstler zwar nicht mehr teilen, aber seine Heimat verlassen („Er floh weit über das Meer, bis er an eine große Insel kam“). Die Darstellung der Weite verdeutlicht sowohl die Vergrößerung des Abstands zur Heimat als auch die Rettung vor der Bestrafung. Als Baumeister des Königs auf Kreta wird er wieder „geachtet und geehrt“, er hat einen Sohn und fühlt sich wohl, doch dann bekommt er Sehnsucht nach seiner Heimat. Vorstellbar wird die Erfahrung von Weite, Flucht und Heimweh. König Minos, der nicht auf Dädalus‘ Kunst verzichten möchte, verwehrt ihm die Heimreise. Ein missglückter Fluchtversuch zeugt von gründlicher Bewachung („Dädalus wollte mit Ikarus über das Meer wegfahren, aber die Wachen ließen ihn nicht“). Doch Dädalus ergibt sich nicht seinem Schicksal, sondern sinnt auf eine Möglichkeit zu fliehen („Mag Minos mir auch das Meer versperren, so bleibt mir doch

148

6 Zugänge in Wort und Bild

noch der freie Himmelsraum. Minos ist Herrscher zu Land und zu Wasser, aber nicht Herrscher der Lüfte“). Die Sage ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, gefangen zu sein und nach einem Ausweg zu suchen. Dädalus‘ Plan, es den Vögeln gleichzutun, erscheint nicht nur als Ausweg aus der Gefangenschaft, sondern auch als Erhebung über die Menschen. Mit Erfindungsgeist und handwerklicher Begabung gelingt Dädalus eine Flucht, die abermals das Ausmaß seiner Kunst vorstellbar macht. Während Dädalus als Bildhauer das Menschenmögliche zu übertreffen scheint, gelingt es ihm mit dem Bau von Flügeln, die Grenzen der Menschheit tatsächlich zu überwinden – allerdings zu einem hohen Preis. Dädalus scheint die Gefahr zu ahnen: Eindringlich weist er Ikarus wiederholt an, ihm aufmerksam zu folgen („Ikarus, schau mir genau zu, wie ich fliege, wie ich meine Arme bewege. Folge mir, mach es genau, wie ich es dir vormache“). Er warnt seinen Sohn vor der Gefahr vom Weg abzukommen, indem er mögliche Folgen benennt („Sei vorsichtig, fliege nicht zu tief aufs Wasser, die Federn könnten ins Wasser tauchen und schwer werden, und du könntest versinken. Fliege auch nicht zu hoch, die Sonne oben ist heiß, das Wachs könnte schmelzen“). Die Gefahrenzone wird räumlich vorstellbar. Auch die Umarmung, das Weinen und der Vergleich von Dädalus mit einer Vogelmutter („Als sie flogen, wandte Dädalus immer ganz ängstlich seinen Kopf, so wie Vogelmütter das tun, wenn sie ihre ersten Flüge mit ihren Vogeljungen machen, ob Ikarus auch fliegen konnte“) eröffnen einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Sorge um einen geliebten Menschen. Indem die Sage erzählt, wie Dädalus und Ikarus sich vom Klippenrand fallenlassen und von der Luft getragen werden, eröffnet sie einen Zugang zu der Vorstellung, wie es ist, zu fliegen („Dann stellten sie sich oben an den Klippenrand und ließen sich wie die Vögel in die Tiefe fallen, breiteten die Schwingen aus – und die Winde unten am Wasser trugen sie“). Das Bild, das sich den Fliegenden bietet, wird so dargestellt, dass man für einen Moment ihre Perspektive einnehmen kann („Tief unten lag das glitzernde Meer, die Luft schimmerte“). Das Schimmern der Luft und das Glitzern des Meeres schaffen eine Atmosphäre zwischen Phantasie und Wirklichkeit, die dem Traum vom Fliegen entspricht. Vorstellbar wird sowohl das Glück, das Ikarus beim Fliegen empfindet, als auch der Übermut („Er war so froh und glücklich, dass er fliegen konnte, da packte ihn der Übermut. Und er flog zu dicht an die Sonne: Er wollte hoch fliegen, hoch und höher“). Wie zuvor Dädalus wird Ikarus von den eigenen Gefühlen überwältigt, sodass er höher fliegt, ohne die Folgen zu bedenken. Zum zweiten Mal stürzt ein Schutzbefohlener von Dädalus in die Tiefe. Dädalus bemerkt den Sturz des Sohnes erst, als dieser schon nicht mehr zu sehen ist. Das Bild der Federn auf dem Wasser führt ihm die eigene Schuld am Tod des Sohnes vor Augen: Übrig bleibt seine Erfindung, deren Gebrauch Ikarus das Leben gekostet hat. Die große Verzweiflung, die Dädalus empfindet, spiegelt sich auch in seinen ziellosen Handlungen wider. Die Sage ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren und zu trauern und gewährt damit Zugang zu vorgestellter

6.1 Sage: Dädalus und Ikarus

149

Erfahrung von Verlust und Verzweiflung. Am Ende der Geschichte ist Dädalus noch immer ein berühmter Baumeister, muss aber die Grenzen seiner Kunst für den Rest seines Lebens schmerzlich erleiden.

Zugang zur Vorstellung einer Ereignisfolge Die komplexe Geschichte ist gegliedert durch eine zeitliche Folge, die den größten Teil des Lebens von Dädalus umspannt (eines Abends – im Laufe der Jahre – als sie flogen). Sie beginnt – ohne Zeitangabe – mit der Charakterisierung Dädalus‘ als Künstler. Der Zeitpunkt, an dem die eigentliche Handlung beginnt, ist deiktisch gekennzeichnet: „Nun hatte er einen Schüler.“ Weitere Angaben zu Zeitpunkten, Dauer, Frequenz und Geschwindigkeit von Ereignissen tragen dazu bei, eine differenzierte Vorstellung der Ereignisfolge erzeugen zu können und sich die dargestellten Erfahrungen wie im eigenen Leben im Strom der Zeit vorzustellen: Nun – bald – da – eines Abends – bis er an eine große Insel kam – heute noch – damals – schnell – in den nächsten Jahren – wieder – bald – im Laufe der Jahre – als Minos, der König, merkte, dass Dädalus weg wollte – nie mehr – da – lange – schließlich – fortan – immer – dann – da – schließlich – nun – nun – noch einmal – dann – als sie flogen – da – da – da – so schnell, Ikarus konnte nicht einmal schreien – als er sich umschaute – nicht mehr – irgendwann – seitdem – noch – wieder – noch lange – nicht mehr. Etliche Angaben beziehen sich auf Zeitpunkte, an denen eine Figur – zumeist Dädalus – eine folgenreiche Entscheidung trifft („temporal juncture“, s. Kapitel 2.2): einen Schüler zu haben („nun“), den Schüler vom Berg zu stürzen („eines Abends“), auf Kreta die Flucht zu beenden („bis er an eine große Insel kam“), für König Minos zu bauen („in den nächsten Jahren“), Dädalus nicht ziehen zu lassen („als Minos, der König, merkte, dass Dädalus weg wollte“), einen Ausweg zu suchen („da“), den Fluchtplan in die Tat umzusetzen („fortan“), die Flügel auszuprobieren („dann“), Flügel für Ikarus zu bauen („da“), den Flug zu wagen („dann“), nicht mehr in der Mitte der Höhe zu fliegen („da“). Hätten die Figuren zu diesen Zeitpunkten andere Entscheidungen getroffen, wären die Ereignisse anders verlaufen: ohne Schüler wäre Dädalus nicht neidisch geworden und hätte nicht morden und fliehen müssen; wäre Dädalus nicht Minos‘ Baumeister geworden, hätte dieser ihn vielleicht ziehen lassen; hätte Ikarus Warnung und Gebot des Vaters beachtet, wäre er nicht abgestürzt usw. Indem die Figuren aber so entscheiden, wie dargestellt, vermag die Geschichte Erfahrungen zu vermitteln: wie es ist, fliehen zu müssen, einen Ausweg aus der Gefangenschaft zu finden, von den eigenen Gefühlen überwältigt zu werden usw.

150

6 Zugänge in Wort und Bild

Auch Raumangaben tragen dazu bei, eine differenzierte Vorstellung der Ereignisfolge erzeugen zu können und sich die dargestellten Erfahrungen wie im eigenen Leben raumgebunden vorzustellen. Im Wesentlichen wird die Ereignisfolge durch drei Räume strukturiert (Heimatstadt – Insel Kreta – Luftraum), jeden der drei Handlungsorte kennzeichnet ein „Bruch“ (Mord – Gefangenschaft – Übermut), auf den ein Raumwechsel folgt (Flucht über das Meer nach Kreta – Flucht durch die Luft in Richtung Heimat – Sturz ins Wasser). Weitere Raumangaben ermöglichen, sich Bewegungen der Figuren innerhalb dieser großen Räume als Folge vorzustellen: aus aller Welt – in die Stadt – oben auf dem Berg (…) Werkstatt – oben von den Felsen der Burg in die Tiefe stürzte – die Stadt verlassen – fliehen – weit über das Meer – an eine große Insel (…) Kreta – ein großes Reich – Palast – Heimat – wegwollte – irgendwohin – über das Meer wegfahren – der freie Himmelsraum – durch die Luft – auf einen kleinen Hügel – richtig weit – nicht zu tief aufs Wasser – ins Wasser – versinken – nicht zu hoch – oben – oben an den Klippenrand – in die Tiefe fallen – unten am Wasser – flogen – tief unten (…) das glitzernde Meer – an vielen Inseln vorbei – fast in der Nähe der Heimat – nicht immer in der mittleren Höhe – zu dicht an die Sonne – hoch – hoch und höher – stürzte ins Wasser – da –hinunter – auf dem Wasser – umher – an Land – umher – an Land (…) Insel Ikaria – in ein anderes Land. 103 Darüber hinaus ermöglicht die explizite Formulierung von Zusammenhängen zwischen Ereignissen, sich die Ereignisse als Folge vorzustellen. Die meisten kausalen Markierungen beziehen sich auf zentrale Erfahrungen: Besonders häufig sind Ereignisse konsekutiv verknüpft („so … dass“). Fünfmal wird die besondere Kunstfertigkeit Dädalus vorstellbar, indem die außergewöhnlichen Folgen seiner künstlerischen Tätigkeit dargestellt werden („Die Menschen schlug er so kunstvoll, dass man dachte, sie würden einen richtig anschauen; so genau konnte er das Gesicht aus Stein schlagen“; „Und die Kleider, die schlug er so fein aus dem Stein heraus, dass man dachte, die Person macht gleich den nächsten Schritt“; „Dem brachte er bei, wie man den Stein schlug, wie man bohrte, wie man schmirgelte und Maß nahm, sodass alles genau passte“; „er knetete sie in Wachs von der Kerze, sodass sie festsaßen“; „und alles schob er so zurecht, dass es wie ein gewachsener Flügel aussah“). Drei weitere konsekutive ereignisrelationale Verknüpfungen beziehen sich auf die Erfahrung der Eifersucht, die zum Mord führt („Dädalus hasste diesen Jungen so sehr, dass er ihn eines Abends oben von den Felsen der Burg in die Tiefe stürzte, sodass er tot war“), einen Ausweg aus der Gefangenschaft zu finden („Mag Minos mir auch das Meer versperren, so bleibt mir doch noch der freie Himmelsraum“) und der Geschwindigkeit des Sturzes („Es ging so schnell, Ikarus 103

Räume, die zwar genannt werden, an denen die Handlung aber (noch) nicht stattfindet, sind grau gekennzeichnet.

6.2 Gemälde: Auf dem Segler

151

konnte nicht einmal schreien“). Kausale Verknüpfungen begründen, warum der Schüler Dädalus überflügelt („… der konnte es bald noch besser. Der Schüler erfand nämlich auch Werkzeug“), warum Dädalus Ansehen genießt („Und wieder wurde Dädalus geachtet und geehrt, weil er so gut bauen konnte und so viel erfinden konnte“) und Dädalus‘ Verhalten beim Fliegen, das seine Sorge zum Ausdruck bringt („Der Vater flog besonders sorgfältig, damit Ikarus genau sehen konnte, wie es geht“). Die Sage präsentiert einen sprachlich gefassten Inhalt, der vielgestaltig und aspektreich ist und der potenziell Erfahrungen von Selbst und Welt ermöglicht, die Kindern im Grundschulalter zugänglich sind. Sie enthält Sprachformen, die einen solchen Zugang eröffnen, indem sie bestimmte Erfahrungen hervorheben oder den Bedeutungsspielraum weiten. Als sprachlich gefasster Inhalt bietet die Sage die Möglichkeit, sich beim Schreiben an der sprachlichen Form der Vorgabe zu orientieren. Da das Schreiben direkt im Anschluss an das Vorlesen der Sage erfolgt, liegt die Erinnerung nah. 6.2 Gemälde: Auf dem Segler Sind es die Gebrüder Grimm, die das Bild gemalt haben? (Nuar G102m) Bild und Narration In der Narratologie werden drei verschiedene Arten bildlicher Erzählung unterschieden (vgl. Wolf 2008): -

das monoszenische Einzelbild, das einen Moment einer Geschichte evozieren kann, das polyszenische Einzelbild, das mehrere, unterschiedliche Momente einer Geschichte enthält, Bildserien, die eine Ereignisfolge zeigen.

Das Einzelbild stellt die größte narrative Herausforderung dar, weil die Geschichte in einer einzigen Szene verdichtet dargestellt ist (vgl. Ryan 2014a, S. 477). Viele Dimensionen der Geschichte können erst in der Vorstellung entfaltet werden: Im Unterschied zu sprachlichen Erzählungen fehlt dem Einzelbild nicht nur die zeitliche Dimension, es kann zudem weder Sprache, Gedanken, kausale Relationen oder mehrere Möglichkeiten darstellen noch kommentieren, erklären oder durch Andeutungen bzw. das Zurückhalten von Informationen Spannung bzw. Überraschung erzeugen – allerdings generiert die narrative Unvollständigkeit eines Bildes in hohem Maße Neugier (vgl. ebd., S. 478). Eine „narrative ‚Lektüre‘“ bedarf beim Bildmedium in weit höherem Maße der Mitarbeit der Rezipienten als Medien, die Sprache als wesentlichen Bestandteil nutzen

152

6 Zugänge in Wort und Bild

(vgl. Wolf 2016, S. 113). Einzelbilder, so Wolf, sind nicht als „narrativ“ zu bezeichnen, sondern man sollte eher von „direkt narrations-indizierenden Einzelbildern“ sprechen (ebd.): ‚Direkt‘ ist das Auslösen von Narrativierung, wenn es über die Bilddarstellung selbst statt nur über eine intermediale Referenz erfolgt (wie z.B. bei einem Heiligenbild, das auf eine Geschichte referiert), ‚indizierend‘ ist es, da nicht eigentlich z.B. ereignishafte Situationsveränderungen dargestellt, sondern nur angedeutet werden (vgl. ebd.). Wolf betont, dass keineswegs alle Einzelbilder narrations-indizierend seien, sondern vor allem solche, die „zentrale Narreme einzulösen gestatten, insbesondere eine chronologisch und kausal geordnete Folge von ereignishaften Handlungen von Figuren“ (ebd., S. 114). Auch Ryan bindet die Erzählwürdigkeit eines Bildes an die Darstellung von etwas nicht Alltäglichem, an die „Ereignishaftigkeit“. Damit in der Vorstellung der Rezipienten eine Geschichte erzeugt werden kann, reiche es nicht aus, einen Moment einer dynamischen Aktion einzufrieren (wie z.B. die Darstellung von Jagdszenen in der Höhlenmalerei), sondern das Bild müsse auch Neugier in Bezug auf die Motivation der Agierenden wecken (vgl. Ryan 2014a, S. 477): „A truly narrative image must depict one-of-a-kind events that cause a significant change of state for the participants: not baking bread but stealing a loaf; not hunting animals for food, but killing a dragon to save a princess; not making music as a group, but secretly fondling a fellow musician” (ebd., S. 477 f.). Dass die Ungewöhnlichkeit nicht durch das Ereignis an sich bestimmt ist, sondern (auch) durch den Kontext, ist bereits dargestellt worden (s. Kapitel 1.2). 104 Darüber hinaus hebt Ryan narrative Stärken des Bildes gegenüber der Sprache hervor: Bilder ermöglichten eine bessere Vorstellung der Raumgestaltung, sie könnten durch die Darstellung von Mimik und Körpersprache Emotionen vermitteln und Schönheit auf direkterem Wege als die Sprache zeigen; zudem seien auch visuelle Symbole in der Lage, abstrakte Ideen zu vermitteln, z.B. bei der Darstellung von Lilien als Symbol für Reinheit (vgl. Ryan 2014a, S. 478; vgl. hierzu auch die Bildanalyse von Wolf 2016, S. 11 ff.). Auch Wolf gilt die „Erfahrungs-/Erlebnisqualität“ als „zentrales Narrem“ (ebd., S. 104), am Beispiel der Analyse des Bildes „Broken Vows“ (Hermogenes 1856) zeigt er, dass Bilder „gewisse Erfahrungs- bzw. Erlebnisqualität“ besitzen und den Betrachter „zum empathischen Mitfühlen“ einladen können (vgl. ebd., S. 111). Mit Bezug auf Fludernik und Herman (s. Kapitel 1) wird in der Studie zum schriftlichen Erzählen dem Erfahrungsgehalt eines Bildes eine weitaus höhere Bedeutung für die Vorstellung einer Geschichte beigemessen.

104

So kann z.B. die Darstellung der Erfahrung, wie es ist, ein Brot zu backen, im Kontext (der Darstellung) von Zeiten des Hungers und der Armut in hohem Maße erzählwürdig sein.

6.2 Gemälde: Auf dem Segler

153

Auch in Bezug auf die Vorstellung einer Ereignisfolge hat das Bild möglicherweise mehr Potenzial, als es scheint: Während Geschichten die zeitliche Dimension innewohnt, dominiert bei Bildern die räumliche Dimension. Da Zeit und Raum jedoch immer aneinandergeknüpft sind, legt die Darstellung der einen Dimension eine Vorstellung der jeweils anderen nahe. Wenn wir hören, dass Dädalus „in den nächsten Jahren“ einen Palast für den König baut, stellen wir uns die Orte vor, an denen er baut, auch wenn diese nicht benannt werden: z.B. den Raum, in dem er die Zeichnungen anfertigt, die Baustelle, an der er selbst Hand anlegt oder Anweisungen gibt, sein Zuhause etc. Dementsprechend können wir uns vorstellen, was vorher oder nachher passiert, wenn wir das Gemälde „Auf dem Segler“ sehen: z.B. dass die Frau und der Mann mit dem Boot losgefahren sind und dass die Fahrt enden wird, was sie auf dieser Fahrt etwas erlebt haben und noch erleben werden, und dass es einen Grund für die Bootsfahrt gibt. Ein Bild als Erzählung zu ‚lesen‘, bedeutet auch, folgenden Fragen nachzugehen (vgl. Ryan 2014a, S. 478): -

Wer sind die dargestellten Figuren? Welches Verhältnis haben sie zueinander? Was haben sie vorher getan? Was tun sie gerade? Aus welchen Gründen handeln sie? Welche Veränderungen wird die Handlung bewirken? Wie werden die Figuren auf die Veränderungen reagieren?

Bilder, die solche Fragen eröffnen, sind vornehmlich Bilder, auf denen (u.a.) Figuren abgebildet sind, oder – wenn auch in geringerem Maße – Bilder, die auf die Existenz von Figuren schließen lassen (wie z.B. das Schiffswrack auf dem Gemälde „Das Eismeer“ von C.D. Friedrich). Mit Bezug auf Fludernik, Herman, Ryan und Wolf ist davon auszugehen, dass Bilder narratives Potenzial haben, wenn sie -

die Vorstellung von (existentiellen) Erfahrungen erzeugen, die Vorstellung einer Storyworld erzeugen, in der Figuren fühlen und handeln, die Vorstellung einer Ereignisfolge erzeugen.

Die Vielfalt der Geschichten, die ein Einzelbild in der Vorstellung der Rezipienten evozieren kann, ist dabei außerordentlich groß: “An indeterminant picture opens a small window on time through the technique of the pregnant moment, but many different narrative arcs can pass through this window, corresponding to the multiple ways of imagining the long-term past and

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6 Zugänge in Wort und Bild

future that expand the content of the window into a complete story” (Ryan 2014a, S. 478). 105 Welchen Spielraum für die Vorstellungsbildung, für vorgestellte Erfahrung und die Vorstellung einer Ereignisfolge eröffnet also das Bild, das in dieser Studie als Vorgabe zum schriftlichen Erzählen ausgewählt wurde? Auf dem Segler Das Bild „Auf dem Segler“ von Caspar David Friedrich zeigt ein Paar, Mann und Frau, das sich einander an der Hand haltend auf dem Bug eines Segelschiffes sitzt, den Blick – bildeinwärts – auf das weit entfernte Panorama einer Stadt gerichtet (vgl. Abb. 2). Der Mann ist in Rückenansicht zu sehen, die Frau sitzt etwas seitlich, sodass man ihr Profil erkennen kann. Beide tragen die altdeutsche Tracht: der Mann die Jacke mit Keulenärmeln, das dunkle Barett und lange Haare, die Frau ein rotes Kleid mit Spitzenkragen. Das Schiff ist nur halb zu sehen, es schiebt sich von unten in das Bild hinein, sodass der Eindruck des Fahrens entsteht. Die Segel sind leicht Richtung Stadt gebläht und nehmen fast die gesamte rechte Bildhälfte ein. Über dem nur leicht bewegten, dunklen Meer hebt sich der leuchtende, bewölkte Himmel ab, der sich nach oben hin etwas verdunkelt. Während das Segelschiff im Vordergrund auch in Details wie der Struktur von Seilen und Holzplanken deutlich erkennbar ist, lässt sich die Stadt im dunstigen Hintergrund nicht eindeutig als real identifizieren. Zugang zu vorgestellter Erfahrung „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht“ (C. D. Friedrich, zit. nach Hofmann 2007, S. 27). Wie beim Erzählen scheint es auch Caspar David Friedrich beim Malen im Kern darum zu gehen, Erfahrungen zum Ausdruck zu bringen. Wer nichts in sich sehe, brauche gar nicht erst zu malen, so Friedrich. In didaktischer Perspektive verdeutlicht dies die Relevanz, etwas „in sich“ sehen zu können, um zu malen, zu erzählen, und nicht bloß das Sichtbare abzubilden, Ereignisse zu beschreiben. Die Darstellung von Erfahrung scheint die Schnittstelle zu sein, an der sich Bild und Wort treffen und durch die das Bild als Vorgabe für das Erzählen fruchtbar werden kann.

105

Ryan vermutet, dass humoristische Einzelbilder, Cartoons ohne Untertitel, die einzigen Einzelbilder sind, die eine bestimmte Geschichte erzählen (vgl. Ryan 2014a, S. 478).

6.2 Gemälde: Auf dem Segler

155

Abb. 2: C.D. Friedrich: Auf dem Segler (zwischen 1818 und 1820)

Ein Bild kann Erfahrung vermitteln, in Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung. Als sichtbarer Gegenstand ermöglicht es eine konkrete Seherfahrung, die Konstruktion ‚innerer Bilder’ und es kann erinnern an vergangene Erlebnisse, auch an Erfahrungen mit Erzählungen und Bildern. Als Form der „Auslegung von Welt“ (Otto/Otto 1987, S. 23) hat das Gemälde Potenzial, einen Zugang zu ‚Erfahrung von Leben‘ zu eröffnen. In seiner Form der Darstellung lädt das Bild dazu ein, sich als Betrachter in das Bild zu begeben. Durch die nur halbe Ansicht des Schiffes am unteren Bildrand scheint man selbst mit auf dem Schiff sein. Vorstellbar wird, wie es ist, auf einem Segelschiff zu

156

6 Zugänge in Wort und Bild

sitzen und den Fahrtwind im Gesicht zu spüren, und vielleicht auch, wie es ist, gemeinsam einem unbestimmten Ziel entgegenzufahren. Indem man in die gleiche Richtung blickt, wie die Figuren, wird ein sich Hineinversetzen in deren Perspektive nahegelegt. Die durch das Bild vermittelte Naturerfahrung kann so zur Projektionsfläche für Empfindungen und Sehnsüchte der Betrachtenden werden. Für die Vorstellung einer Welt, in der die Geschichte spielt, einer Storyworld, bietet das Dargestellte konkrete Anknüpfungspunkte, sodass vorstellbar wird, „who did what to and with whom, when, where, why, and in what manner“ (Herman 2009, S. 106 f.), das Warum ist im Bild wohl am wenigsten konkretisiert, wenngleich die Richtung des Schiffes eine Bewegung auf ein Ziel nahelegt. Doch das Bild enthält auch Ambivalenzen, Etliches bleibt unbestimmt. Wir sehen Mann und Frau, aber ihre Gesichter, ihre Befindlichkeit und auch, was sie verbindet, bleiben uns verborgen. „Ebenso unbestimmt sind ihre Erfahrungen: Haben sie Gefahren durchlebt oder eine friedliche Reise unternommen? Sind sie getrieben von Sehnsucht und Hoffnung auf ein besseres Leben oder genießen sie die Weite des Meeres?“ (Christensen/Dehn 2012, S. 111). Wir sehen Teile von Boot und Segel, aber wie hoch das Segel ist, wie der hintere Teil des Bootes aussieht oder was sich in der Tiefe des Bootsraums verbirgt, können wir nur erahnen. Wir sehen eine Stadt im Hintergrund, aber ob sie Heimat oder Fremde für die beiden Figuren bedeutet, ob sie erreicht werden kann und will, vielleicht auch, ob sie wirklich da ist oder nur Einbildung, Wunsch oder Traum, das bleibt in der Schwebe. Wir nehmen den Kontrast wahr von hell und dunkel und können doch nicht mit Gewissheit bestimmen, welche Tageszeit oder welches Wetter das Bild zeigt. Und wir sehen, dass um das Schiff herum Wasser ist, ob noch anderes, z.B. weitere Schiffe oder Wesen in der Nähe sind, wissen wir nicht, weil das Bild nur einen Ausschnitt zeigt. Für den Kunsthistoriker Werner Hofmann prägt das Gemälde „Auf dem Segler“ die Vereinigung von Gegensätzlichem: „Die Komposition des Bildes läuft auf den Gegensatz von Nähe und Ferne, Augenblick und Ewigkeit, Materie und Vision hinaus. […] Ist jeder Teil des Bootes eindeutig erkennbar, so befindet sich das Paar in einer Zwischenzone, in der das Portrait sich dem Prototyp annähert. Die ferne Stadt schließlich scheint ganz und gar ins Wunderbare entrückt“ (Hofmann 2007, S. 119). Die Ambivalenz des Bildes, seine Unbestimmtheit eröffnet einen weiten Spielraum für Sinnbildung. Die Deutungen der Kunsthistoriker reichen von der Schiffsfahrt als Gleichnis des gemeinsamen Lebens, das sich in der Abendstimmung dem Tod nähert (indem die Stadt als eschatologisches Sinnbild, das auf das Jenseits verweist, gedeutet wird) bis zur Schiffsfahrt als Bild für Friedrichs Hochzeitsreise, auf der die Stadt im Morgenlicht nahendes Glück verheißt (vgl. ebd., S. 114). Dem Journalisten Dieter Bartetzko

6.2 Gemälde: Auf dem Segler

157

scheint das Paradies auf Erden nahe, da die „Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits verschwimmen“ (Bartetzko 1979, S. 13). Er eröffnet die Möglichkeit, die Lichtwirkung als Zuversicht des Jungverheirateten, die die ganze Welt im rosigen Licht erscheinen lasse, zu lesen (vgl. ebd.). Für Ulrich Greiner, ebenso Journalist, scheint die Heimat, wohin Friedrichs Bilder uns locken, aber nicht der heimische Herd zu sein, „sondern die ungewisse, verheißungsvolle Ferne, unsere wahre Bestimmung. Worin sie genauer besteht, das hat er in seinen Bildern rastlos gesucht“ (Greiner 2006). Als Vorgabe zum Schreiben setzt das Gemälde „einen Rahmen, der sicherstellt, dass jedes Kind der Lerngruppe einen kognitiven, emotionalen oder sozialen Bezug zur eigenen Erfahrungswelt herstellen kann“ (Christensen/Dehn 2012, S. 111). Indem das Bild existentielle Themen enthält, eröffnet es Zugänge zu vorgestellter Erfahrung von Heimat und Fremde, Liebe und Einsamkeit, Sehnsucht und Zufriedenheit, Verlust und Gewinn, Gefahr und Rettung (oder Verderben), Realistischem und Phantastischem. In der Vereinigung von Gegensätzlichem entzieht sich das Bild einer eindeutigen Auslegung und schafft damit die Grundlage, Vorstellungen und Erinnerungen als Geschichte zu thematisieren. Zugang zur Vorstellung einer Ereignisfolge Der größte Unterschied zwischen Bild und Text liegt vermutlich in der Darstellung von Ereignissen. Während das im Bild Dargestellte gleichzeitig und nebeneinander auf der Fläche erscheint, verlangt die Geschichte auf dem Papier eine zeitliche Abfolge von Ereignissen. Doch Bilder können ‚Türöffner‘ in den Strom der Zeit einer Erzählung sein. Indem das auf dem Bild Dargestellte Bezugspunkt ist für die sprachliche Darstellung einer Ereignisfolge, strukturiert es die Geschichte in ein Vorher und Nachher. In der Vorstellung der Schülerinnen und Schüler kann beim Schreiben ein Vorher und/oder ein Nachher entstehen zu dem Moment, den das Bild zeigt. Eine besondere Rolle für die Vorstellung einer Ereignisfolge spielt die Darstellung des Raumes. Indem das Bild unterschiedliche Räume zeigt – nah und fern, oben und unten, Schiff und Stadt, Wasser und Himmel – bzw. Räume andeutet, wie z.B. den hinteren Teil des Schiffes oder dessen Innenraum, in den der dunkle Niedergang zu führen scheint, eröffnet es Möglichkeiten, sich Raumwechsel der Figuren vorzustellen: die Reise in die Ferne, die Fahrt über das Wasser zur Stadt auf dem Land, den Sturz ins Meer, den Gang unter Deck. Da solche Raumwechsel immer an das Vergehen von Zeit gebunden sind, implizieren sie eine Ereignisfolge. Der dargestellte Moment der Bewegung des Schiffes in eine Richtung und der in die Ferne gerichtete Blick der abgebildeten Figuren, das Motiv der Reise laden – etwa im Gegensatz zu einem Stillleben – in besonderem Maße dazu ein, eine Vorstellung von Vorher und Nachher zu entwickeln. Das Provokative und Aufrüh-

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6 Zugänge in Wort und Bild

rerische, das die Kleidung in der Zeit Friedrichs zum Ausdruck brachte, ist den Schülerinnen und Schülern vermutlich aufgrund fehlender historischer Kenntnisse nicht zugänglich. Doch wie die historische Stadtkulisse und das altertümliche Schiff, die sich deutlich von einer modernen Skyline und Kreuzfahrtschiffen unterscheiden, trägt auch die Kleidung der Figuren dazu bei, dass das Dargestellte in der Vergangenheit verortet wird. Stadtkulisse, Segler und Kleidung können so die Funktion einer Eröffnungsformel für eine Geschichte übernehmen: „Es war einmal“; „Vor langer, langer Zeit“. Das Gemälde „Auf dem Segler“ von C. D. Friedrich lässt sich als Bild mit „narrativem Potenzial“ bezeichnen, weil es -

-

(menschliche) Erfahrungen darstellt, sodass vorstellbar wird, wie es ist, diese Erfahrungen zu machen; Figuren, Räume, Zeit und Bewegung darstellt, sodass es Anknüpfungspunkte für die Vorstellung einer Storyworld bietet und in seiner Deutungsoffenheit und Ambivalenz eine weitere gedankliche Auseinandersetzung anstößt; einen „prägnanten Moment“ zeigt, der ein Türöffner für die Vorstellung einer Ereignisfolge ist; sich als Bild deutlich abhebt von der Wahrnehmung der Realität und in seiner Form das Dargestellte als Darstellung von etwas situiert, ohne es selbst zu sein (ähnlich wie die Medialität eines Buches die darin enthaltene Erzählung als Erzählung situiert).

6.3 Figuren: Von Pippi bis Spiderman Sie retten die Welt bis zum Ende (Farouk F82m). Figuren und Narration „For most readers characters are one of the most important aspects of a narrative” (Jannidis 2014, S. 31). Eine Geschichte ohne menschenähnliche Figuren (die wie im Grimmschen Märchen „Strohhalm, Kohle und Bohne“ auch durch unbelebte Dinge repräsentiert werden können) ist kaum vorstellbar. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Handeln, Denken und Fühlen aus der Existenz einer menschlichen Figur folgen, geht es aus kognitionstheoretischer Perspektive auch „in Geschichten nicht vorrangig um Ereignisketten, sondern um fiktive Welten, in denen die Figuren der Geschichte leben, handeln, denken und fühlen” (Fludernik 2013, S. 14). Auch wenn es manche Erzählgattungen gibt,

6.3 Figuren: Von Pippi bis Spiderman

159

die fast ausschließlich vom Interesse am Fortgang der Handlung leben, stehen in Erzählungen die Figuren immer im Mittelpunkt (vgl. ebd.). Für die Vermittlung von Erfahrung haben die Figuren einer Erzählung zentrale Bedeutung. Nur in der Fiktion ist es möglich, Einblick in die Gedanken von anderen Personen zu erhalten (vgl. Hamburger 1957). Figuren eröffnen Rezipienten auf unvergleichliche Weise einen Zugang zu einem internen Standpunkt, der die Entwicklung komplexer kognitiver, affektiver und volitiver Einstellungen gegenüber fiktiven Personen wie z.B. Bewunderung, Mitleid, Furcht oder Abscheu ermöglicht (vgl. Köppe/Kindt 2014, S. 124). Indem Rezipienten ihre Gefühle auf Figuren übertragen (Projektion), die Gefühle von Figuren übernehmen (Empathie/Simulation) oder andere Gefühle als die Figuren entwickeln (Divergenz) (vgl. ebd.), wird für sie vorstellbar, wie es ist, die Erfahrung einer Figur selbst zu machen. Eine Folge der Anteilnahme ist, dass Leser „normalerweise eine Reihe von Wünschen in Bezug auf das Schicksal der Figuren“ (ebd., S. 124 f.) entwickeln. Geht man davon aus, dass Geschichten erzählen, was bestimmten Figuren passiert und wie es für sie ist, bestimmte Erfahrungen zu machen (vgl. Herman 2009, S. 2), eignen sich Abbildungen von Figuren, um Erinnerungen an ihre Geschichte zu wecken. Von Pippi bis Spiderman Für das Schreiben zu Figuren stehen sechs Figuren zur Auswahl, die einen hohen Bekanntheitsgrad bei Kindern im Grundschulalter haben: Pippi Langstrumpf, Räuber Hotzenplotz, Rotkäppchen, König der Löwen, Arielle und Spiderman. Während die ersten drei Figuren als Vertreter klassischer Kinderliteratur als „stärker literarisch geprägte Figuren“ bezeichnet werden können, sind die Geschichten der anderen drei Figuren den Kindern vermutlich hauptsächlich aus der Rezeption von Filmen bekannt, sodass sie als „eher medial geprägte Figuren“ bezeichnet werden können. 106 Allerdings besteht bei allen sechs Figuren die Möglichkeit, sich über unterschiedliche Medien Zugänge zur Geschichte zu verschaffen (vgl. Anhang, S. 382-388): „Die Spezifik der Figuren liegt darin, dass sie nicht einen Platz als Märchen-, Kinderbuch- oder Comicfigur beanspruchen und ein klar definiertes entweder literarisches oder mediales Umfeld haben, sondern in vielfältigen intermedialen Bezügen stehen“ (Weinhold 2000, S. 103, Hervorhebung i.O.). Die Abbildung der Figur auf dem Schreibblatt konkretisiert den Bezug zu Geschichten, die zu der jeweiligen Figur gehören, legt die Schülerinnen und Schüler aber nicht auf eine bestimmte Geschichte oder einen bestimmten medialen Zugang fest, sodass sie 106

Die Geschichte von Spiderman entstammt ursprünglich dem Comic und die Geschichte von Arielle ist eine Adaption des Märchens „Die kleine Seejungfrau“ von Hans Christian Andersen, der Bekanntheitsgrad der Filme scheint jedoch um ein Vielfaches höher.

160

6 Zugänge in Wort und Bild

aus dem Geschichtenfundus schöpfen können, den sie mit der ausgewählten Figur in Verbindung bringen. Um allen Kindern einen Zugang zu einer Figur mit dem Geschlecht ihrer Wahl zu ermöglichen, wurden drei weibliche und drei männliche Figuren zur Auswahl gestellt. Auch mit der Mischung aus (eher) phantastischen und (eher) realistischen Figuren und Geschichten wurde intendiert, die Vorlieben der Kinder zu berücksichtigen und ein möglichst breites Spektrum an Auswahlmöglichkeiten zu eröffnen. Von den Schülerinnen und Schülern aus Klasse 3 werden alle Figuren für das Schreiben von Geschichten ausgewählt. Die meisten Kinder entscheiden sich für Spiderman (22%) und König der Löwen (22%) gefolgt von Räuber Hotzenplotz (20%) und Arielle (16%), am wenigsten Kinder wählen Pippi Langstrumpf (10%) und Rotkäppchen (10%) aus (s. Abb. 3). 107

25% 20% 15% 10% 5% 0%

Pippi Rotkäppchen Langstrumpf

Arielle

Räuber Hotzenplotz

König der Löwen

Spiderman

Abb. 3: Figurenauswahl (N=96)

107

Bei der Ermittlung, wie groß der Anteil der Kinder ist, die eine bestimmte Figur zum Schreiben auswählen, wird berücksichtigt, dass es Kinder gibt, die zu mehr als einer Figur schreiben. Ein Kind, das zu genau einer Figur geschrieben hat, wird mit seinem vollen Anteil (1) bei dieser Figur gewertet. Hat ein Kind zu mehr als einer Figur geschrieben, wird der Anteil auf die Anzahl der ausgewählten Figuren aufgeteilt. Das heißt, dass z.B. ein Kind, das eine Geschichte zu Rotkäppchen verfasst hat und eine weitere zu Spiderman, bei beiden Figuren mit einem halben Anteil (0,5) gewertet wird. Auf diese Weise ist es auch möglich, unterschiedliche Schwerpunkte der Kinder zu berücksichtigen. Schreibt ein Kind z.B. eine lange Geschichte zu Räuber Hotzenplotz und dann noch eine kurze zu Arielle, kann dementsprechend bei Räuber Hotzenplotz ein höherer Anteil (z.B. 0,8) und bei Arielle ein niedrigerer Anteil (z.B. 0,2) in die Wertung eingehen. Eine Auf- oder Abrundung der Gesamtwerte erfolgt erst am Ende einer Berechnung. Zwei Kinder (Heike F27d, Kabelo F87m) verfassen Geschichten, in denen zwei der Figuren vorkommen. Diese Geschichten werden der auf dem Schreibblatt abgebildeten Figur zugeordnet, die in beiden Geschichten die Hauptfigur darstellt.

6.3 Figuren: Von Pippi bis Spiderman

161

Insgesamt wählen mehr Schülerinnen und Schüler (60%) die stärker medial geprägten Figuren (Spiderman, König der Löwen, Arielle) aus, um eine Geschichte zu verfassen, als die stärker literarisch geprägten Figuren (Rotkäppchen, Pippi Langstrumpf, Räuber Hotzenplotz) (40%) (s. Abb. 4). In den Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes zeigt sich dieser Unterschied noch deutlicher: Nur ein Fünftel der Kinder (19%) wählt eine stärker literarisch geprägte Figur zum Schreiben, alle anderen (81%) entscheiden sich für eine stärker medial geprägte Figur. In Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes ist der Unterschied zwar gering, aber auch hier wird den stärker medial geprägten Figuren der Vorzug gegeben (53%).

100% 90% 80%

literarisch geprägte Figur

70% 60% 50% 40% 30%

medial geprägte Figur

20% 10% 0%

niedriger Sozialindex

hoher Sozialindex

insgesamt

Abb. 4: Auswahl von stärker medial oder literarisch geprägten Figuren in den unterschiedlichen Einzugsgebieten (N=96)

Während fast alle Jungen (92%) eine männliche Figur zum Schreiben auswählen und nur einzelne Jungen (8%) eine weibliche, ist der Unterschied bei den Mädchen deutlich geringer: etwas mehr als die Hälfte der Mädchen (57%) entscheidet sich für eine weibliche Figur und ein etwas geringerer Anteil (43%) für eine männliche Figur (s. Abb. 5). Ob sich mehr Kinder für eine männliche Figur entscheiden, weil mehr männliche Figuren stärker medial geprägt sind, oder ob sich mehr Kinder für eine stärker medial geprägte Figur entscheiden, weil mehr stärker medial geprägte Figuren männlich sind, muss offenbleiben. Für die Jungen aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes ist vermutlich beides ausschlaggebend.

162

6 Zugänge in Wort und Bild

100% 90% 80%

weibliche Figur

70% 60% 50% 40% 30%

männliche Figur

20% 10% 0%

Mädchen

Jungen

insgesamt

Abb. 5: Auswahl weiblicher und männlicher Figuren von Mädchen und Jungen (N=96)

Zugang zu vorgestellter Erfahrung und Ereignisfolgen 108 Alle sechs Geschichten erzählen Abenteuer, die ihre Helden in Wald und Meer, Savanne und Großstadt, in außergewöhnlichen Situationen und im Alltag bestehen. Mit Stärke und Mut, Klugheit und List, Hilfe, Glück und Humor erkunden sie die Welt, überstehen Gefahren, bekämpfen das Böse oder sorgen dafür, dass das Leben lebenswert ist. Das Märchen von Rotkäppchen erzählt von einem Mädchen, das auf die List eines Wolfes hereinfällt, gefressen und wieder befreit wird. Sie ermöglicht Rezipienten u.a. sich vorzustellen, wie es ist, sich allein auf den Weg zu machen, auf eine List hereinzufallen und ein Gebot zu missachten, eine Gefahr zu ahnen, jemandem ausgeliefert zu sein, gerettet zu werden und das Böse zu besiegen. Die Kasperlgeschichte von Räuber Hotzenplotz erzählt von zwei Jungen, die versuchen, den Räuber zu fangen, der ihre Großmutter überfallen hat. Sie ermöglicht u.a., sich vorzustellen, wie es ist, überfallen und bestohlen zu werden, sich auf eine gefährliche Suche zu machen, jemanden zu überlisten und überlistet zu werden, in Gefangenschaft zu geraten und sich befreien zu können. Die Geschichte von Pippi Langstrumpf erzählt von der Freundschaft zweier Kinder mit dem stärksten Mädchen der Welt. Sie eröffnet einen Zugang zu vorgestellter

108

Da eine detaillierte Analyse der Geschichten zu vorgestellter Erfahrung und zu Ereignisfolgen im Rahmen dieser Arbeit weder möglich noch nötig erscheint, wird hier nur ein knapper Überblick über das Potenzial der Geschichten zu den sechs Figuren gegeben. Um Lesenden, die die Geschichten nicht kennen, zu ermöglichen, Korrespondenzen zwischen Rezeption und Produktion der Kinder nachvollziehen zu können, werden die Geschichten im Anhang etwas ausführlicher dargestellt (vgl. Anhang, S. 382-388).

6.4 Zugänge: Zentrale Aspekte

163

Erfahrung von Stärke und Mut, Freundschaft und Vertrauen, Überraschung und Sicherheit, Lüge und Wahrheit, Großzügigkeit und Einfallsreichtum. Sie ermöglicht u.a., sich vorzustellen, wie es ist, frei und selbstbestimmt zu leben und das Leben zu genießen. Die Geschichte vom König der Löwen erzählt von einem Löwenjungen, der seine Heimat verlässt, weil er glaubt, schuld zu sein an dem Tod seines Vaters, und die Wahrheit erst erkennt, als er sich seinen rechtmäßigen Platz auf dem Thron zurückerobert. Sie eröffnet einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Neugier und Mut, Vertrauen und Verrat, Neid und Rache, Zusammenhalt und Liebe, Gefahr und Rettung, Sorge und Wut, Verlust und Trauer, Schuld und Vergebung, Frieden und Wohlstand. Sie ermöglicht u.a., sich vorzustellen, wie es ist, sich schuldig zu fühlen und die Heimat zu verlassen, zu verdrängen, sich der Verantwortung zu stellen, für sein Recht zu kämpfen und Teil eines ewigen Kreislaufs zu sein. Die Geschichte von Arielle erzählt von einer Meerjungfrau, die sich aus Liebe zu einem Prinzen in Gefahr begibt und zu einem Menschen wird. Sie eröffnet u.a. einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Sehnsucht und Liebe, Verbot und Selbstbestimmung, Wut und Rache, Gefahr und Rettung, Täuschung und Freundschaft, Verlust und Verzweiflung, Gefangenschaft und Befreiung, Verrat und Einsicht. Die Geschichte von Spiderman erzählt von einem Jungen, der durch den Biss einer genetisch manipulierten Spinne außergewöhnliche Kräfte und Fähigkeiten entwickelt und als Superheld Verbrechen bekämpft. Sie eröffnet einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung einer doppelten Identität und den Schwierigkeiten, mit beiden im Einklang zu leben, und ermöglicht u.a., sich vorzustellen, wie es ist, ein Außenseiter zu sein, sich zu verwandeln, etwas Besonderes zu sein und zu können, einen geliebten Menschen zu verlieren, gegen das Böse zu kämpfen und (geliebte) Menschen zu retten. Während (Bilder-) Bücher zu diesen Geschichten Rezipienten vorgestellte Erfahrungen und Ereignisfolgen durch Worte und zum Teil durch (einzelne) Bilder zu vermitteln suchen und bei Hörmedien Intonation, Geräusche, Musik und Gesang hinzukommen, eröffnen Filme und Theaterinszenierungen einen Zugang, bei dem Sprache, bewegte Bilder und Klang zusammenwirken.

6.4 Zugänge: Zentrale Aspekte Alle drei Vorgaben mit narrativem Gehalt eröffnen vielfältige Zugänge zu vorgestellter Erfahrung und Ereignisfolgen. In allen drei Vorgaben geht es um existentielle Themen, die Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter grundsätzlich zugänglich sind. Unterschiede bestehen in -

der thematischen Auswahl; dem zeitlichen Abstand von Rezeption und Produktion;

164

6 Zugänge in Wort und Bild

-

der Medialität der Vorgabe, v.a. im Hinblick auf eine sprachliche und/oder visuelle Orientierung, die sie für das Schreiben bieten.

Während Sage und Gemälde zeitnah vor dem Schreiben rezipiert werden und das Gemälde als Bezugspunkt sogar während des Schreibens präsent bleibt, ist beim Schreiben zu Figuren die Aktivierung vorangegangener (außerschulischer) Rezeptionserfahrungen eine Voraussetzung für das Schreiben. Hinter dem Schreiben zur Figur können sehr intensive, auch multimediale, Rezeptionserfahrungen stehen, die einem Kind vielfältige Zugänge eröffnen. Aber auch wenn die Auswahl an Figuren wohl die größte Vielfalt an Themen und Formen des Zugangs eröffnet, kann die Notwendigkeit, die Geschichte einer Figur zu kennen und sich an sie zu erinnern, auch ein Ausschlusskriterium sein. Als sprachlich gefasster Inhalt ermöglicht die Sage, sich beim Schreiben an der sprachlichen Form der Vorgabe zu orientieren. Das Gemälde hingegen bietet als rein visueller Zugang keinen sprachlichen Fundus, aus dem beim Schreiben geschöpft werden kann. Das Aufschreiben und Vorlesen erster Gedanken, Eindrücke, Ideen zum Gemälde in der Lerngruppe eröffnet einen ersten sprachlichen Zugriff. Da die Geschichten der Figuren multimedial zugänglich sind, ermöglichen sie sowohl sprachliche als auch visuelle Zugänge. Eine Besonderheit stellt hier ein filmischer Zugang dar, bei dem die Geschichte sich über bewegte Bilder vermittelt und die sprachliche Orientierung aufgrund der Dialoge weniger konzeptionell schriftliche Orientierung bietet als ein Buch (bzw. Hörbuch). Während es beim Schreiben zu Sage und Figuren darum geht, eine Auswahl zu treffen, einen Fokus zu finden für das eigene Erzählen, eröffnet das Bild durch seine Deutungsoffenheit eine Fülle an Möglichkeiten, vorgestellte Erfahrungen und Ereignisse als Geschichte zu entfalten. In allen Fällen stellt die Vorgabe einen Bezugspunkt dar, sodass die Erzählungen der Schülerinnen und Schüler zwar „subjektiv, aber nicht beliebig“ (Dehn 2015, S. 21) sind.

7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation Ihr Geist flog herum wie ein Vogel (Hayal F98m). In der Lese- und Textverstehensforschung wird davon ausgegangen, dass Menschen, die Geschichten lesen, mentale Modelle vom fiktionalen Raum, von den Figuren und von den Geschehensabläufen entwickeln (vgl. Schneider 2010, S. 74): „Auf jeder Stufe der Informationsverarbeitung interagieren die Textinformationen mit den Wissensbeständen des Rezipienten, die in größeren Strukturen wie Schemata (oder Skripts, Kategorien, Prototypen und Modellen) gespeichert sind. Es können bei dieser Interaktion einerseits neue Informationen gesammelt und nach und nach mit bestehendem Wissen verbunden werden (bottom up processing). Gleichzeitig leiten andererseits einmal aktivierte Wissensstrukturen die Wahrnehmung neu eintreffender Informationen (top down processing), was eine sehr effiziente Nutzung der begrenzten Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses ermöglicht“ (ebd., Hervorhebung i.O.). Innerhalb literaturwissenschaftlich-kognitivistischer Ansätze, „die komplexe mentale Operationen und Tendenzen des kognitiven Systems beim Verstehen von Sprache und Literatur auf abstrakter Ebene beschreiben […] geht es um grundsätzliche Mechanismen des Gehirns bei der Wahrnehmung und beim Verstehen, wie z.B. die Nutzung von (oft prototypischem) Wissen, die Tendenz, Unterscheidungen zu treffen und die Aufmerksamkeit auf besonders hervorgehobene Textelemente zu richten“ (ebd., S. 76 mit Bezug auf Stockwell 2002). Eine kognitivistische Orientierung erlaubt „eine Wahrnehmung von der immensen und oft unbewussten Komplexität des menschlichen Geistes, welche die Produktion und Rezeption von Literatur erst möglich machen“ (ebd., S. 89). Rezeptionsästhetische Ansätze verdeutlichen die zentrale Rolle des Lesers bei der literarischen Sinnkonstitution (vgl. Iser 1994). Aus kognitions- und rezeptionswissenschaftlicher Perspektive „kann es eine ‚kognitive Textinterpretation‘ eigentlich nicht geben: Was ‚der Text‘ bedeutet, lässt sich nur im Hinblick auf sehr unterschiedliche Leser/innen mit sehr unterschiedlichen Rezeptionsvoraussetzungen feststellen“ (Schneider 2010, S. 87, Hervorhebung i.O.).Das gilt auch für die Schülerinnen und Schüler, die die Sage von Dädalus und Ikarus hören, die das Gemälde von C.D. Friedrich betrachten und die im außerschulischen Kontext unterschiedliche Geschichten zu den sechs Figuren rezipieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kinder unterschiedliche mentale Modelle vom fiktionalen Raum, von den Figuren und von den Geschehensverläufen entwickeln und Leerstellen des Textes (Iser 1970) unterschiedlich ausfüllen. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass auch Sehen kein Prozess des Abbildens ist, sondern ein Konstruktionsprozess (Singer 2004), sodass die Kinder höchstwahrscheinlich auch zu Bildern unterschiedliche mentale Modelle erzeugen: © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_8

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

„Imaginationen sind mentale Repräsentationen. Re-präsentiert werden kann nur, was zuvor wahrgenommen wurde. […] Eine Imagination ist ein inneres Bild dessen, was wir gesehen haben oder was wir sehen könnten. […] In beiden Fällen ist Imagination eine konstruktive, interpretative Leistung“ (Uhlig 2012, S. 117). Uhlig betont, dass das „innere Bild“ kein zusammenhängendes Bild ist, sondern dass im Prozess des Imaginierens „Verknüpfungen zu verschiedensten Gedächtnisinhalten aktiviert und eingebunden werden“ (Uhlig 2013, S. 40). Aus kunstdidaktischer Perspektive unterscheidet sie „die wiederkehrende, rekonstruierende Imagination […] und die vertiefte, angereicherte Imagination“ (ebd.; Hervorhebung i.O.). Erstere macht allerdings nur einen Bruchteil der imaginativen Fähigkeiten aus: „Erst das Konkretisieren, Erweitern und Variieren des ‚inneren Bildes‘ eröffnet die Spielräume der Imagination“ (ebd.). Uhlig nennt als eine von fünf Ebenen einer solchen vertieften Bildwahrnehmung die Möglichkeit, das imaginierte Bild in einen erzählerischen Zusammenhang zu stellen (vgl. ebd.). Welche Erfahrungen sich Schülerinnen und Schüler bei der Rezeption vorstellen, welche sich ihnen als bedeutsam vermitteln, kann stark differieren, sodass Erzählungen zu Vorgaben mit narrativem Gehalt keine Imitationen der Vorgabe darstellen, sondern Transformationen, die sich von Individuum zu Individuum (stark) unterscheiden. Das Erzählen zu einer Vorgabe stellt immer einen Transformationsprozess dar, der geprägt ist von Wiederholung und Verwandlung: „Narrative […] is always retelling what is told in order to extract further meaning, or to make it mean otherwise, to change the story […] A narrative is often a transformation of a previous narrative: already narrativized elements are reinterpreted, reconfigured and retold. Alternatively, a narrative may rework quasi-narrative patterns of experience, i.e. patterns of experience which have been prestructured by narrative schemata. Narrativity therefore involves, to a greater or lesser extent, repetition – a reworking of previous experience to produce new experience, a retrospective reconfiguration of previously available signs which are combined with new ones in a new articulation” (García Landa 2008, S. 419). Im Gegensatz zu der gängigen Auffassung, dass das Nacherzählen einer vorgegebenen Geschichte weniger anspruchsvoll ist, als sich eine Geschichte „kreativ“ (selbst) auszudenken, betont García Landa, dass dem Erzählen immer auch – in unterschiedlichem Ausmaß – die Wiederholung innewohnt. Auch hier wird deutlich, dass das Wiedererzählen keine Imitation, sondern eine Transformation darstellt, die eine Erweiterung oder Veränderung der ursprünglichen Bedeutung eröffnet. Beim Wiedererzählen kann immer etwas „Neues“ entstehen, sei es (nur) durch die Akzentsetzung der Auswahl

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dessen, was von der ursprünglichen Geschichte erzählt wird, durch eine Ergänzung oder durch eine Umgestaltung, die eine (ganz) andere Erfahrung als die ursprüngliche Geschichte ermöglicht. Indem die Vorstellung einer Erfahrung schreibend konkretisiert wird, kann das Wiedererzählen bei Schreibenden eine „neue Erfahrung“ erzeugen. Das Wiedererzählen unterscheidet sich deutlich von der Rezitation und der Abschrift, weil es auf Erinnerung beruht: „Erinnerung […] ist im Gegensatz zum Wissen […] eine Form des je neuen WiederErlebens. Das soll nicht heißen, dass das Gedächtnis wie ein faktengetreues Speichermedium funktioniert – im Gegenteil: Die Erinnerung ist unser poetisches Vermögen; sie konfiguriert das Erlebte je neu und ist dabei zudem von der Situation des Erinnerns geprägt“ (Vellusig 2009, S. 291 mit Bezug auf Schacter 1999). Die erprobten Aufgabenstellungen ermöglichen beide Formen der Transformation: Das Erzählte (oder Teile davon) wiederzuerzählen und das Erinnerte dabei neu zu „konfigurieren“ oder die Geschichte zu verändern, um die ursprüngliche Bedeutung zu erweitern oder zu variieren. Die Erzählungen der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 zu Sage, Gemälde und Figuren geben folgende Formen der Korrespondenz zu erkennen: -

Konkretion: Die Geschichte bzw. der dargestellte Moment (oder ein Teil davon) wird wiedererzählt. Erweiterung: Die Geschichte bzw. der dargestellte Moment (oder ein Teil davon) wird ergänzt. Variation: Die Geschichte bzw. der dargestellte Moment (oder ein Teil davon) wird verändert.

Im Folgenden werden Formen der Korrespondenz zur vorgelesenen Sage, zum betrachteten Gemälde und zu den im Vorwege rezipierten Geschichten der Figuren dargestellt und auch die Häufigkeit, mit der die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 diese Textformen zu Papier bringen. Am differenziertesten lassen sich Bezüge zur Vorgabe anhand der Erzählungen zur Sage untersuchen, zum einen, weil die Sage – im Gegensatz zum Gemälde und zu den zahlreichen medialen Formen der Geschichten zu den Figuren – als Text zum Vergleich vorliegt und zum anderen, weil allen Schülerinnen und Schülern die gleiche Geschichte vorgelesen wurde – im Gegensatz zu dem Fundus, aus dem beim Schreiben zu Figuren geschöpft werden kann. Die Auswahl der Beispiele gibt einen Einblick in Texte von Kindern aus Einzugsgebieten mit hohen und niedrigen Sozialindizes, die mehrsprachig oder einsprachig deutsch aufwachsen. Während der Fokus der Studie auf der Betrachtung einzelner Sprachformen liegt (s. Kapitel 8 und 9), gewähren die folgenden Analysen Einblick in vollständige Texte, sodass (exemplarisch) eine Vorstellung von der Einbettung einzelner Sprachformen in den Gesamtzusammenhang entstehen kann.

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

7.1 Sage: Von Dädalus und Flib Dädalus war ein Baumeister, der auf einem Berg seine Werkstatt hatte (Lia S45d). Bestimmte Elemente der Sage finden in (nahezu) alle Geschichten Eingang: -

mindestens eine der Figuren: Dädalus, Ikarus, König Minos, der Schüler; mindestens einer der Handlungsorte: Stadt/Werkstatt – Insel/Kreta – Luftraum/Wasser; die (frühere) Zeit; mindestens ein Handlungselement: das Bildhauen (oder eine andere Kunst), das Lehren, der Mord, die Flucht, das Bauen, die Geburt, das Heimweh, die Gefangenschaft, das Nachdenken, der Flügelbau, die Warnung, der Flug, der Sturz, das Umherirren, die Trauer.

Fast alle Schülerinnen und Schüler schreiben eine Geschichte, in der Dädalus, wie in der Sage, die Hauptfigur ist. Drei Kinder erfinden andere Hauptfiguren (die allerdings ähnliche Erfahrungen machen wie Figuren aus der Sage). In den meisten Geschichten (81%) geht es auch um Ikarus. Knapp die Hälfte aller Kinder (43%) schreibt über den Schüler, den Dädalus seine Kunst lehrt, und fast ebenso viele (40%) schreiben über den König. Auch neue Figuren werden in die Geschichte integriert (z.B. weitere Familienmitglieder, Freunde, eine Schlange, eine Meerjungfrau, ein Kommissar). Abgesehen von 10 Kindern (10%), deren Geschichten an anderen Orten spielen, nutzen die Schreiberinnen und Schreiber mindestens einen der in der Sage vorkommenden Räume, um Lesenden eine Vorstellung von Schauplätzen des Geschehens zu eröffnen. Die meisten Geschichten spielen, wie die Sage, in einer früheren Zeit. In mehr als Dreiviertel der Texte (78%) ist dies gekennzeichnet durch Eingangsformeln (z.B. Es war einmal, Vor langer, langer Zeit), Schlussformeln (z.B. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, bis an ihr Lebensende), die Angabe eines Datums (z.B. Es begann alles am 8.1.1819), ‚historische‘ Figuren (z.B. König, Kaiserin) und Erfindungen (z.B. Wasserleitungen, die Uhr). Ein knappes Viertel der Texte (22%) bleibt zeitlich unbestimmt. 109 In den meisten dieser Texte wird das Geschehen allerdings temporal in der Vergangenheit verortet. Insgesamt kennzeichnet das Tempus in fast allen Texten (96%), dass das Geschehen in der Vergangenheit spielt (vor allem durch präteritale Formen). 110 Die anderen Texte (4%) sind vollständig im Präsens verfasst. Die vorgelesene Sage, die die 109

110

Drei Texte lassen sich durch die Angabe von Gegenständen (z.B. Rasierapparat, Bonbonfabrik, Roboter) in der jüngeren Vergangenheit oder der heutigen Zeit verorten. Gut Zweidrittel aller Texte (69%) sind durchgehend in Zeitformen der Vergangenheit (überwiegend im Präteritum, einige im Perfekt) verfasst, ein Viertel aller Texte (27%) enthält präteritale und präsentische Zeitformen, allerdings handelt es sich bei den meisten dieser Texte (22%) nur um einzelne präsentische Zeitformen, die nicht immer grammatisch falsch sind, sondern mit dem Wechsel der Zeitform einen besonderen Moment hervorheben (z.B. wird der Moment, in dem das Wachs

7.1 Sage: Von Dädalus und Flib

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Geschichte von Dädalus und Ikarus im Präteritum erzählt, regt die meisten Schülerinnen und Schüler dazu an, selbst im Präteritum zu erzählen. In fast allen Geschichten (92%) entspricht ein Teil der Handlung der der Sage. Auch wenn dabei nicht immer dieselbe Geschichte erzählt wird, tun die Figuren dasselbe wie Dädalus und Ikarus: sie bauen oder erfinden etwas, sie bringen jemandem etwas bei, sie ermorden jemanden, sie fliehen, sie bekommen ein Kind, sie haben Heimweh, sie geraten in Gefangenschaft und überlegen, wie sie sich befreien können, sie warnen jemanden vor einer Gefahr, sie fliegen, stürzen und trauern. Durch die Bezugnahme auf Figuren, Räume, Zeit und Handlung nutzen die Schülerinnen und Schüler die vorgelesene Geschichte für die Gestaltung zentraler Elemente, die das Erzeugen einer Storyworld (in der Vorstellung der Rezipierenden) ermöglichen. Im Folgenden werden Formen der Korrespondenz zwischen Erzählung und Sage dargestellt. Konkretion (von Teilen) der ganzen Geschichte Dädalus war ein sehr berühmter Baumeister, er lebte auf einem Berg. Doch eines Tages bekam er einen Schüler und er wurde bald besser als Dädalus. Dädalus wurde eifersüchtig und neidisch, so dass er eines Tages den Jungen von seinem hohen Berg schubste, so doll, dass er tot war. Dädalus musste seine Heimat verlassen. Er zog auf die Insel Kreta, dort nahm ihn der König Minus auf. Auch auf dieser Insel wurde er ein berühmter Baumeister und bald hatte er auch schon ein Kind. Es trug den Namen Ikarus. Aber Dädalus bekam Heimweh nach seiner alten Heimat. Er wollte Ikarus seine Heimat zeigen, doch als Minus das mitbekam, schickte er Wachen los und sie durften Dädalus nicht aus den Augen lassen und schon gar nicht ins Meer. Dädalus wollte Ikarus aber so gerne seine Heimat zeigen. Er beobachtete die Vögel, wie sie flogen und dann sammelte er die Federn von den Vögeln und so baute er sich Flügel, damit er fliegen konnte. Er probierte es an einem kleinen Hügel aus, ob die Flügel funktionieren und es klappte tatsächlich. So baute er auch welche für Ikarus. Sie übten an dem kleinen Hügel, bis sie dann auf die Klippe gingen. Dädalus sagte, mach es genauso wie ich, flieg nicht zu tief, die Flügel könnten das Wasser berühren, du könntest untergehen, flieg nicht zu weit oben, das Wachs könnte schmelzen, du könntest stürzen, sondern flieg genau in der Mitte, hinter mir, und so ließen sie sich fallen. Sie flogen. Ikarus gefiel es so doll, dass er die Flügel unterschätzte. Er flog höher zur Sonne, das Wachs ist so schnell geschmolzen, dass er nicht einmal mehr Hilfe rufen konnte. Dädalus bemerkte nichts, doch nach eini-

schmilzt im Präsens dargestellt: Dann flog er immer näher an die Sonne. Langsam schmilzt {der} [das] Wachs, die Federn fallen runter. Dann stürzte er ab, Jelena S71m).

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

ger Zeit drehte sich Dädalus um. Er sah Ikarus nicht mehr, er schrie und schrie, er landete auf einer Insel. Ikarus wurde tot an Land gespült. Dädalus war sehr traurig, er wurde auf der Insel aufgenommen. Auch hier wurde er Baumeister, aber er wurde nie glücklich (Lilja, S12m). Lilja erzählt (fast) die ganze Geschichte. Sie erzählt von Dädalus und seinem Schüler, von dem Mord und der Flucht nach Kreta, von Dädalus‘ Heimweh und König Minos, der ihn nicht gehen lassen will, von dem Flügelbau, der Gefahr und dem Flug, auf dem Ikarus stirbt und auch von Dädalus‘ Verzweiflung über den Verlust seines Sohnes. Wie die Sage ermöglicht Liljas Geschichte Rezipierenden sich vorzustellen, wie es ist, begabt und berühmt zu sein und übertroffen zu werden, aus Neid einen Mord zu begehen und die Heimat verlassen zu müssen, Heimweh zu bekommen und bewacht zu werden, nach einem Ausweg aus der Gefangenschaft zu suchen und zu finden, aus Sorge eine Warnung auszusprechen, zu fliegen, übermütig zu werden und zu stürzen und schließlich verzweifelt und traurig zu sein. Etliche dieser Erfahrungen vermitteln sich besonders eindrücklich, weil Lilja sie sprachlich hervorhebt: Eine Intensitätspartikel (sehr) und eine Alliteration (berühmter Baumeister) betonen Dädalus‘ Fähigkeiten und seine Berühmtheit, eine semantische Wiederholungsfigur seinen Neid (eifersüchtig und neidisch). Das Ausmaß des Neides (und des Schubsens) wird in Form einer semantischen Ersetzung an dessen Folgen deutlich (so dass er eines Tages den Jungen von seinem hohen Berg schubste, so doll, dass er tot war). In Korrespondenz zur Sage, die thematisiert, dass der König Dädalus ständig bewachen lässt (nie mehr konnte er allein irgendwohin gehen) und die Wachen ihn daran hindern, über das Meer wegzufahren (aber die Wachen ließen ihn nicht), erprobt Lilja eine besondere syntaktische Tilgungsfigur, die ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, gefangen zu sein (sie durften Dädalus nicht aus den Augen lassen und schon gar nicht ins Meer). Lilja hebt dabei die Bewachung hervor, indem sie sie semantisch durch ein Phrasem mit metaphorischer Bedeutung ersetzt (nicht aus den Augen lassen). Die Begrenzung des Raumes betont sie durch eine Kombination aus Abtönungs- und Intensitätspartikeln (schon gar nicht ins Meer). Mit der klassischen Figur eines Zeugmas führt sie beides über das Verb „lassen“ so eng zusammen, dass das Ausmaß der Bewachung und die Begrenzung des Raumes in der Vorstellung verschmelzen und sich gegenseitig verstärken. Das Heimweh hebt Lilja durch ein intensivierendes Adverb hervor (so gerne). Sorge und Warnung vermittelt – wie in der Sage – eine syntaktische Wiederholungsfigur, ein Parallelismus, in der eine Intensitätspartikel die Gefahrenzone begrenzt (flieg nicht zu tief, die Flügel könnten das Wasser berühren, du könntest untergehen, flieg nicht zu weit oben, das Wachs könnte schmelzen, du könntest stürzen, sondern flieg genau in der Mitte, hinter mir). Indem Lilja das Unterschätzen der Flügel als Folge der Begeisterung darstellt, hebt sie den Übermut hervor (Ikarus gefiel es so doll, dass

7.1 Sage: Von Dädalus und Flib

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er die Flügel unterschätzte). Der Sturz wird von ihr nicht benannt, sondern implizit vermittelt: Die Geschwindigkeit, in der das Wachs schmilzt, wird vorstellbar, indem sie an dem Zeitraum gemessen wird, den man benötigt, um einen Hilfeschrei auszustoßen. Eine morphologische Wiederholungsfigur drückt Dädalus‘ Verzweiflung aus (er schrie und schrie) und eine Intensitätspartikel seine Trauer (sehr traurig). Bestimmte Erfahrungen werden zudem durch Sprachformen hervorgehoben, die auch die Vorstellung einer Ereignisfolge intensivieren: Dadurch, dass Lilja mehrere Ereignisse thematisiert, Raumwechsel darstellt und Ereignisse sowohl zeitlich als auch kausal markiert, wird für Rezipierende eine Ereignisfolge vorstellbar, die Erfahrungen ‚im Strom der Zeit‘ vermittelt und (dafür) bedeutsame Ereignisse hervorhebt: Zeitangaben markieren die Ankunft des Schülers (Doch eines Tages bekam er einen Schüler), seine Überlegenheit (er wurde bald besser), den Mord (so dass er eines Tages den Jungen von seinem hohen Berg schubste), Ikarus‘ Geburt (bald hatte er auch schon ein Kind) und das Bemerken seines Verschwindens (nach einiger Zeit drehte er sich um). Eine Angabe zur Frequenz vermittelt das Ausmaß von Dädalus‘ Unglück (aber er wurde nie glücklich). Ereignisrelationale Zeitangaben markieren Ereignisse, die zur Gefangenschaft (doch als Minus das mitbekam, schickte er Wachen los) führen und die Flucht ermöglichen (Sie übten an dem kleinen Hügel, bis sie dann auf die Klippe gingen). Kausale Markierungen stellen Zusammenhänge dar zwischen Eifersucht und Mord (Dädalus wurde eifersüchtig und neidisch, so dass er eines Tages den Jungen von seinem hohen Berg schubste, so doll, dass er tot war), Vorbereitung und Flucht (und so baute er sich Flügel, damit er fliegen konnte) sowie Begeisterung, Übermut und Sturz (Ikarus gefiel es so doll, dass er die Flügel unterschätzte. Er flog näher zur Sonne, das Wachs ist so schnell geschmolzen, dass er nicht einmal mehr Hilfe rufen konnte). Obwohl Lilja die Sage erzählt, ist ihre Geschichte keine Imitation, sondern eine Wiedererzählung, die die gehörte Geschichte mit anderen Worten so konkretisiert, wie Lilja, sie sich vorstellt und erinnert. Einige andere Kinder erzählen nicht die ganze Geschichte, sondern konkretisieren einen Teil: Der Künstler Dädalus ist ein ganz guter Bildhauer. Er hatte einen Schüler. Dädalus lehrte ihn, bis er es konnte. Aber der Schüler war nicht mehr der Schüler, sondern der Lehrer. Das hat Dädalus gar nicht gefallen. Er tötete ihn (Alsan, S38d). Alsan erzählt den Anfang der Sage bis zu dem Mord an dem Schüler. Dabei stellt er das Geschehen stark gerafft dar. Mit einem Satz charakterisiert er Dädalus als Künstler und betont die Güte seines Handwerks (ganz guter Bildhauer – das Wort „ganz“ hat in diesem Fall wahrscheinlich verstärkende, und keine einschränkende, Bedeutung). Die Zeitspanne der Lehre fasst er zusammen, indem er durch die Darstellung des Zusammenhangs von Lehren und Können das Ende der Lehrzeit markiert (Dädalus lehrte ihn, bis er es konnte). Als doppelte Entgegensetzung bringt Alsan die Verkehrung der Rollen

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

zum Ausdruck (Aber der Schüler war nicht mehr der Schüler, sondern der Lehrer) und hebt damit die Kunstfertigkeit des Schülers durch eine semantische Ersetzungsfigur hervor. In Alsans Geschichte geht es um die Erfahrung, wie es ist, als begabter Künstler und Lehrer vom Schüler überflügelt zu werden. Durch die Intensitätspartikel (gar nicht) wird Dädalus‘ Missfallen über diesen Umstand ein Stück weit erfahrbar. Abgesehen von der (ereignisrelationalen) Markierung des Zeitpunkts, an dem der Schüler das Bildhauen erlernt hat – der bedeutsam ist für die Darstellung der Erfahrung der Unterlegenheit – entsteht die Vorstellung einer Ereignisfolge aus der Kohärenz der erzählten Ereignisse. Erweiterung der Geschichte um Teile Es war einmal ein Mann, der hieß Dädalus. Dädalus war ein Künstler. Er hatte auch einen Lehrling. Er wurde hoch geehrt. Doch sein Lehrling wurde auch nicht schlecht. Man sagte sich, er hätte die Säge erfunden. Der Bildhauer wurde neidisch, würde er besser, als er werden? Nein, das durfte nicht passieren. Und so voller Neid stieß er den Jungen den steilen Abgrund der Felsen runter. Er wusste, dass man da schlecht überleben kann. Nun aber musste er fliehen. Die Menschen waren wütend. Weil er ja einen Mord begangen hatte. Voller Angst schwamm er zu einer Insel, die es noch heute gibt. Die Insel heißt Kreta. Auf der Insel lebte ein König, sein Name war Binos. Schon bald sah er das Talent, was in dem Erfinder und Bauer steckte. Dädalus fühlte sich auf Kreta wohl. Bald hatte er auch einen Sohn namens Ikarus. Doch irgendwann hatte Dädalus Heimweh. Außerdem wollte er seinem Sohn seine Heimat zeigen. Als der König das merkte, wollte er natürlich nicht, dass er geht, also stellte er Wachen zu ihm. Nirgends konnte er alleine hin. Er versuchte mit seinem Sohn übers Wasser zu fliehen, doch die Wachen ließen sie nicht durch. Dädalus dachte nach. Ich bin doch ein Erfinder, also streng dich an. Also, Binos ist Herrscher über Land und Meere, hm, aha, über den Himmel kann Binos aber nicht verfügen, das heißt, mir bleibt nur der freie Himmel. Jeden Tag stand Dädalus nun früher auf und beobachtete die Vögel. Außerdem sammelte er ganz viele Federn. Die Wachen schauten verdutzt zu. Eine fragte sogar, hei, Dädalus, was soll das sein? Dädalus antwortete nur[:] Für mein Leben wird es bedeutend sein. Endlich hatte er es geschafft, alle Federn nebeneinander gelegt und die Gerüste aufgestellt, alles war fertig, würde sich Ikarus trauen? Ja, ich will auch in die Luft. Dädalus probierte auf dem kleinen Hügel, sich alles anzulegen, nun war der spannende Moment, würde er es schaffen? Ja, Dädalus flog, ja, wirklich. Wow, ich will auch, rief Ikarus! Nun baute er auch ein kleineres für Ikarus. Jetzt übten sie. Alles lief glatt, aber würden sie den weiten Weg schaffen? Also, mein Sohn, ich würde dir gerne meine Heimat zeigen, willst du? Ja, klar doch, fliegen ist sooo toll, es wird klasse. Na gut, sagte Dädalus schweren Herzens. Nun schnallte er Gürtel und Ständer straff, band die Bänder noch dicker

7.1 Sage: Von Dädalus und Flib

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um und fing an zu fliegen. Als er neben seinem Sohn landete, sprach er, fliege nicht zu tief, es ist gefährlich, wenn Flügel Wasser oder zu heiße Sonnenstrahlen dich treffen. Und nun flogen sie los. Nach einiger Zeit wurde Ikarus übermütig und ließ die Beine in die Strömung, die Wellen rissen ihn in die Fluten, nach 1 Woche wurde die Leiche angespült. Vor Traurigkeit, alles verloren zu haben, stürzte Dädalus in die Tiefe! Ende (Noema S32d). 111 Auch Noema erzählt die ganze Geschichte wieder, allerdings erweitert sie sie an etlichen Stellen (und variiert darüber hinaus das Ende). Indem sie ergänzt, dass sich Dädalus der Folgen des Sturzes bewusst war, verdeutlicht sie Dädalus‘ Schuld am Tod seines Schülers. Während es in der Sage nur heißt „Dädalus musste die Stadt verlassen; er musste fliehen“, ermöglicht Noemas Geschichte Lesern, (wie Dädalus) die Perspektive der Menschen in der Stadt einzunehmen und sich Dädalus‘ Angst auf der Flucht vorzustellen (Nun aber musste er fliehen. Die Menschen waren wütend. Weil er ja einen Mord begangen hatte. Voller Angst schwamm er zu einer Insel). Noema stellt die Wut der Menschen durch die kausale Konjunktion als logische Folge des Mordes dar. Eine Abtönungspartikel hebt dabei die allgemeine Gültigkeit dieses Zusammenhangs hervor, indem sie die Haltung des Lesers einzubeziehen sucht. Durch Ergänzungen, die sich auf die Wachen und auf Ikarus beziehen, werden weitere Perspektiven eröffnet. Die Reaktion der Wachen ermöglicht, sich vorzustellen, wie ungewöhnlich ihnen das erscheint, was Dädalus tut, und auch, dass Unverständnis der Grund ist, warum niemand Dädalus am Bau der Flügel hindert (Die Wachen schauten verdutzt zu. Eine fragte sogar, hei, Dädalus, was soll das sein? Dädalus antwortete nur[:] Für mein Leben wird es bedeutend sein). Die Vorwegnahme der Bedeutsamkeit einer Handlung für das eigene Leben (die es durch die Platzierung an der Satzspitze syntaktisch hervorhebt) erhöht die Neugier auf den Fortgang der Geschichte – und damit die Anteilnahme der Lesenden. In der ursprünglichen Sage erfährt man nichts darüber, wie Ikarus zu dem Vorhaben zu fliegen steht. Bezogen auf die Zeit des Flügelbaus heißt es lediglich, dass Ikarus immer dabei war, seinem Vater zuschaute und half, und auf Dädalus‘ Warnung folgt keine Reaktion von Ikarus. Noemas Geschichte ermöglicht, sich Ikarus‘ Mut und Begeisterung für das Unternehmen vorzustellen, weil seine Reaktionen als wörtliche Rede (z.T. im Gespräch mit Dädalus) ergänzt werden. Wieviel Mut der Flug erfordert, wird durch eine spannungssteigernde (rhetorische) Frage hervorgehoben (würde sich Ikarus trauen?), die Ikarus positiv beantwortet. Eine Interjektion, eine Abtönungspartikel und das Hinzufügen von Buchstaben bei einem intensivierenden Adverb ermöglicht, sich Ikarus‘ Begeisterung auf die Aussicht fliegen zu können, vorzustellen (Ja, ich will auch in die Luft. […] Wow, ich will auch, rief Ikarus! […] Also, mein Sohn, ich würde dir gerne meine Heimat zeigen, willst du? Ja, klar doch, fliegen ist sooo toll, es wird 111

Erweiterungen sind durch gestrichelte Unterstreichung gekennzeichnet.

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

klasse). In Noemas Geschichte deutet sich Ikarus‘ Hang zum Übermut somit schon früher an. Obwohl Noemas Geschichte etliche Ergänzungen enthält, stellt sie als Ganzes keine Ergänzung dar, sondern hauptsächlich eine Konkretion (mit Ergänzungen und einer Variation am Ende). Da es in diesem Abschnitt um die Darstellung von Erweiterungen geht, wurde auf die Analyse der übrigen Sprachformen, mit denen Noema Lesenden ermöglicht, sich Erfahrungen und Ereignisfolge vorzustellen, verzichtet. Wie Noema fügen auch andere Schülerinnen und Schüler szenische Elemente in ihre Erzählung ein. Sie ermöglichen, eine Vorstellung zu entwickeln von Dädalus‘ Begegnung mit dem König (Johannes S15d, Malia S79m) oder seiner Verzweiflung nach dem Tod des Sohnes (Stella S46d, Anoush S70m, Jelena S71m). Weitere Ergänzungen beziehen sich auf Ereignisse vor oder nach dem in der Sage dargestellten Geschehen (Micha S19d, Mina S22d, Senad S26m, Stella S46d) oder Dädalus‘ Gefühle und Erinnerungen (Farouk S82m, Nayo S93m). Variation (von Teilen) der Geschichte Dädalus war sehr traurig. Deshalb nannte er die Insel Ikarien. Er begrub seinen Sohn Ikarus und dachte dabei: „Ach, mein lieber Sohn, hätte ich bloß besser auf dich aufgepasst, dann wär er nicht ertrunken!“ Auf einmal, Dädalus glaubte seinen Augen kaum, er rief erleichtert: „Ikarus, mein Sohn, du lebst!“ Sie erholten sich eine Weile und dann flogen sie weiter. Nach 4 Stunden waren sie in Dädalus‘ heimischer Stadt angekommen. Sie gingen in die Werkstatt von Dädalus. Sie aßen etwas, danach ruhten sie sich aus. Sie ließen es sich gut gehen. Am nächsten Morgen wachte Ikarus auf, vor seinem Bett stand sein Vater, er hatte einen Kuchen in der Hand und sagte: „Happy Birthday!“ Ikarus bekam eine Schaukel (Stella S46d). Stella variiert das Ende der ursprünglichen Geschichte. Nachdem Dädalus‘ Trauer über den Tod seines Sohnes und die Vorwürfe, die er sich selbst macht, durch eine Intensitätspartikel (sehr traurig) und eine Interjektion („Ach, mein lieber Sohn“) vorstellbar werden, geschieht ein Wunder und Ikarus lebt wieder. Wie es ist, sich zu wundern, hebt Stella durch ein Phrasem als syntaktische Parenthese hervor (Dädalus glaubte seinen Augen kaum) und sie markiert diese Erfahrung auch zeitlich (Auf einmal). Dädalus‘ Erleichterung wird durch eine Herausstellung vorstellbar, die die Rettung des Sohnes betont („Ikarus, mein Sohn, du lebst!“). Nach einer Erholungszeit fliegen Dädalus und Ikarus in die Heimat. Diesmal gelingt der Flug und Dädalus zieht mit seinem Sohn wieder in die alte Werkstatt ein. Dort kehrt Normalität ein: Zum Geburtstag gibt es einen Kuchen und eine Schaukel. Damit erfährt auch das Motiv des Fliegens eine Variation – wie es ist zu fliegen, kann Ikarus in Zukunft – altersgemäß – auf der Schaukel erfahren.

7.1 Sage: Von Dädalus und Flib

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Eine Reihe von Zeitpunktangaben (dann, Nach 4 Stunden, danach, Am nächsten Morgen) erzeugt die Vorstellung einer Ereignisfolge, die der Erfahrung von Normalität entspringt. Indem Stella einen Teil der Sage variiert, schreibt sie sich ein in Sprachformen, die Lesenden ermöglichen, sich Erfahrungen und Ereignisfolge vorzustellen. Auch wenn Stella an den in der Sage dargestellten Tod von Ikarus anknüpft und einen Teil, insbesondere Dädalus‘ Verzweiflung, konkretisiert, stellt ihre Geschichte hauptsächlich eine Variation eines Teils (des Endes) dar. Etwas mehr als ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler (22%) formuliert wie Stella ein gutes Ende: die Flucht gelingt, Ikarus überlebt, Dädalus findet Trost bei (einem) anderen Menschen. Bei einem weiteren Drittel (30%) enden die Geschichten aus anderen Gründen gut (z.B., weil sie einen anderen Teil der Geschichte thematisieren oder die Variation sich nicht nur auf das Ende bezieht). Vier weitere Kinder variieren das Ende so, dass Dädalus kein langes Leben in Trauer mehr vor sich hat, sondern kurz nach Ikarus stirbt. Auch andere Teile der Geschichte werden variiert, am häufigsten der Mord am Schüler, der entweder auf andere Art und Weise vollzogen wird, oder misslingt, aber auch das Verhältnis zum König oder der Grund für Ikarus‘ Tod. Andere Kinder variieren nicht nur einen Teil der Geschichte, sondern die ganze Geschichte, wobei der Grad an Nähe unterschiedlich hoch ist, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen. Flib und Flob 1. Kapitel Flib ist sauer. Es war einmal ein Mann, er hieß Flib. Flib lebte auf einem großen Berg. Da hatte er ein großes Schloss stehen. Flib war Erfinder. Und Baukünstler. Unten am Berg war eine Stadt, die hatte einen König und Flib diente dem König. Einmal kam ein Junge, er hieß Tet. Tet wollte das auch können. Flib brachte ihm bei, wie das geht. Tet lernte immer mehr und mehr. Tet war dann besser als Flib. Tet erfand auch einen Zirkel und die Säge. Flib fand das doof und darum nahm er ihn an die Hand und brachte ihn mit seinen Gespensterkräften auf eine einsame Insel. Und ging mit seinen Gespensterkräften wieder zurück. 2. Kapitel Die Flucht Als er wieder zu Hause war, fiel ihm ein, dass er Ärger kriegen würde, deshalb ging er auf die Insel Takatuka. Auf der Insel war schon jemand, der König von Fliegenburg. Der König wollte ein Schloss haben. Flib baute ein Schloss. Flib hatte so viel Spaß daran, dass er das Schloss immer größer machte. Nach 4 Jahren bekam er ein Kind. Das hieß Flob. Flob half ihm immer. 3. Kapitel Sehnsucht Flib bekam Sehnsucht nach Zuhause. Flib wollte Flob sein Zuhause zeigen. Der König hörte das. Der König wusste, dass Flib Gespensterkräfte hatte und deshalb band er Flib

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

eine kleine Kugel fest, die nicht durch den Boden konnte. Flib erfand das Boot. Flib und Flob fuhren mit diesem Boot weg vom grausamen König. Als sie angekommen waren, wurden sie freundlich begrüßt. Sie waren glücklich und zufrieden, wieder zu Hause zu sein. Ende (Rafael S23d). 112 In Form einer Parallelerzählung stellt Rafael Erfahrungen und Ereignisse, die die Sage vermittelt, mit einigen Variationen dar. Rafael gliedert seine Geschichte in drei Abschnitte, die in den Zwischenüberschriften zentrale Erfahrungen benennen, um die es auch der ursprünglichen Sage geht: Wut, Flucht und Sehnsucht. Die Figuren und Schauplätze entsprechen denen der Sage, sie haben aber andere Namen. Flib ist wie Dädalus ein Erfinder und Baukünstler, der einen Schüler (Tet) bekommt und von diesem überflügelt wird. Den Lernprozess des Schülers hebt Rafael sprachlich hervor durch eine morphematische Wiederholungsfigur und eine Intensivierung (Tet lernte immer mehr und mehr). Flib missfällt der Erfolg des Schülers, er stürzt ihn aber nicht von seinem Felsen, sondern bringt ihn mit „Gespensterkräften“ auf eine einsame Insel. Die übermenschliche Kunstfertigkeit wird somit ausgeweitet zu übernatürlicher Kraft. Wie in der Sage flieht Flib aus Angst, Ärger zu bekommen, auf eine Insel, die nicht Kreta, sondern so, wie die Insel in der Geschichte von Pipi Langstrumpf, heißt: Takatuka. Wie Dädalus baut Flib ein großes Schloss für den König von Fliegenburg und bekommt ein Kind namens Flob. Durch eine semantische Ersetzung und eine weitere Intensivierung wird vorstellbar, wie viel Freude Flib am Bauen hat (Flib hatte so viel Spaß daran, dass er das Schloss immer größer machte). Auch Flib bekommt Sehnsucht nach Hause, wird aber vom König mithilfe einer kleinen Kugel, die nicht durch den Boden konnte, gehindert, mit seinen Gespensterkräften die Insel zu verlassen. Anstelle von Flügeln erfindet Flib das Boot und im Unterschied zum dramatischen Ende der Sage gelingt die Flucht. Eine tautologische Schlussformel ermöglich, sich Flibs und Flobs Glück vorzustellen, wieder zu Hause zu sein (glücklich und zufrieden). Eine Ereignisfolge wird sowohl vorstellbar durch das Thematisieren mehrerer Ereignisse (Ankunft und Lehre des Schülers, Entledigung des Schülers auf einer einsamen Insel, Flucht, Bauen, Geburt des Kind, Aussprache des Wunsches nach Hause zurück zu kehren, Gefangenschaft, Erfindung, Flucht, Ankunft), die Darstellung von Raumwechseln (zu Hause auf dem Berg – einsame Insel – zu Hause – Insel Takatuka – zu Hause) als auch durch Zeitangaben und die Formulierung kausaler Zusammenhänge, die im Hinblick auf die dargestellten Erfahrungen bedeutsame Ereignisse markieren. Zeitan-

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Variationen sind durch gestrichelte Unterstreichung gekennzeichnet. Unterstreichungen, die Rafael gemacht hat, sind als normale Unterstreichungen sichtbar. Auf der Rückseite des ersten Schreibblattes befindet sich eine Zeichnung, die ein weinendes Strichmännchen auf einer Insel zeigt, mit der Bildunterschrift: „einsame Insel“.

7.1 Sage: Von Dädalus und Flib

177

gaben markieren Ereignisse, die zur Eifersucht führen, und zwar die Ankunft des Schülers (Einmal kam ein Junge) und den Moment, in dem er Flib überflügelt (Tet war dann besser als Flib) und das Ereignis, das die Sehnsucht nach Zuhause auslöst – die Geburt des Sohnes (Nach 4 Jahren bekam er ein Kind). Ereignisrelationale Zeitangaben markieren den Moment der Erkenntnis, der zur Flucht führt (Als er wieder zu Hause war, fiel ihm ein, dass er Ärger kriegen würde) und den Moment, an dem sich Flibs Befürchtung, Ärger zu bekommen, aufhebt (Als sie angekommen waren, wurden sie freundlich begrüßt). Kausale Verknüpfungen von Ereignissen stellen Zusammenhänge dar zwischen Eifersucht und Gefangenschaft (Flib fand das doof, darum nahm er ihn an die Hand und brachte ihn mit seinen Gespensterkräften auf eine einsame Insel), Angst und Flucht (Als er wieder zu Hause war, fiel ihm ein, dass er Ärger kriegen würde, deshalb ging er auf die Insel Takatuka), Freude und Baukunst (Flib hatte so viel Spaß daran, dass er das Schloss immer größer machte), Wissen und Art der Gefangenschaft (Der König wusste, dass Flib Gespensterkräfte hatte und deshalb band er Flib eine kleine Kugel fest, die nicht durch den Boden konnte). Während Rafaels Erzählung einen hohen Grad an Nähe zur ursprünglichen Geschichte aufweist, erzählt Isra eine Geschichte, die sich weiter von der Sage entfernt: Es war einmal ein Mann, der Mann hieß Dädalus. Dädalus konnte ganz viele Statuen bauen. Er hatte einen Sohn, der Sohn hieß Ikarus. Die zwei waren in Afrika. Dädalus ging schwimmen. Sie wussten nicht, dass [da] Krokodile sind. Ikarus ging ins Wasser. {Der} [Das] Krokodil war neben ihm. Er starb. Der Vater schrie, warum, warum, wenn mein Sohn stirbt, dann sterbe ich auch. Dann war er tot. Ende (Isra, S63m). Isras Geschichte von Dädalus und Ikarus spielt nicht in Griechenland, sondern in Afrika. In Korrespondenz zur Sage begeben sich Dädalus und Ikarus in ein anderes Element, hier vom Land in das Wasser statt in die Luft, um zu fliegen. Im Gegensatz zur Sage scheinen sie sich aber nicht aus einer Gefangenschaft befreien zu wollen, sondern gehen ohne erkennbaren Grund schwimmen. Während sich Dädalus in der Sage über die Gefahr des Fliegens bewusst ist und Ikarus warnt, verdeutlicht in Isras Geschichte die Erzählinstanz, dass die beiden nicht wissen, dass im Wasser Krokodile sind – der Leser befürchtet in beiden Geschichten, dass etwas Schlimmes passieren wird. Wie in der Sage ist es Ikarus, für den die Gefahr tödlich im Wasser endet. Die durch eine morphologische Wiederholungsfigur zum Ausdruck gebrachte Verzweiflung des Vaters (Der Vater schrie, warum, warum) korrespondiert mit Dädalus‘ Reaktion auf den Tod seines Sohnes in der vorgelesenen Sage („Voller Verzweiflung schrie er“), doch die Konsequenz, die Dädalus daraus zieht, ist eine andere: anstatt noch lange unglücklich zu leben, beschließt er, lieber auch zu sterben. Diesen Zusammenhang, der die Folge eines Ereignisses auf ein anderes verdeutlicht, formuliert Isra als Konditionalsatz (wenn mein Sohn stirbt, dann sterbe ich auch). Abgesehen davon ist nur der Zeitpunkt von Dädalus‘

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

Tod zeitlich markiert (Dann war er tot), die Vorstellung der Ereignisfolge entsteht ansonsten aus der Thematisierung kohärent aufeinander folgender Ereignisse. Dem Drama entsprechend wird der Bruch nicht durch Plötzlichkeit gekennzeichnet, sondern angedeutet: die Gefahr, in der sich die nichtsahnenden Helden befinden, wird ins Bewusstsein des Lesers gerückt, und die Spannung wird gesteigert, indem die Gefahr (das Krokodil) förmlich näher rückt ({Der} [Das] Krokodil war neben ihm). In Korrespondenz zur Sage hat Isra eine neue dramatische Geschichte geschrieben und dabei Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und eine Ereignisfolge erprobt. Wie Isras Geschichte vermitteln die meisten Variationen eine oder mehrere Erfahrungen, die in der ursprünglichen Sage dargestellt werden, durch eine andere Geschichte. Anstatt die Kunst des Bildhauens zu beherrschen, haben die Figuren z.B. ein außergewöhnliches Talent für die Herstellung von Robotern, Wrestling, Politik oder Tanz. Nicht der Schüler wird ermordet, sondern z.B. die Ehefrau, die Söhne oder ein Kommissar. Auch die Motive für den Mord variieren. Die Heimat wird nicht aus Angst verlassen, sondern z.B. aus Neugier, aufgrund eines Versagens oder einer Entführung. Die Figuren sind zwar gefangen, aber nicht auf einer Insel, sondern z.B. in einem Gebäude, Käfig oder auf einem Piratenschiff und befreien sich durch eine andere Art von Scharfsinn und Geschicklichkeit. Anstatt den eigenen Sohn zu verlieren, sterben andere nahestehende Figuren und auf andere Art und Weise, z.B. aufgrund eines Hurrikans, Sturms oder Unvermögens. Zwei Erzählungen könnten in Gänze als Erweiterungen der ursprünglichen Geschichte betrachtet werden (Lina S33d, Jayne S72d). Beide Geschichten erzählen, wie Dädalus eine Familie gründet und einen Sohn bekommt, sie füllen also einen Teil, den die vorgelesene Sage ausspart. Da beide Geschichten aber grundlegende Aspekte der Geschichte verändern, wurden sie in der Gesamtauswertung als Variationen betrachtet. Nahezu alle Variationen zeigen Korrespondenzen zur ursprünglichen Geschichte. Bei vier Geschichten konnte über den Gebrauch der Namen hinaus kaum ein Bezug zur ursprünglichen Sage festgestellt werden, allerdings geht es in allen vier Geschichten um Freundschaft (Lennart S21d, Till S28d, Anoop S99m, Nuar S102m). Ob diese Geschichten den Mangel an Freundschaft in der Sage auszugleichen suchen, in Korrespondenz zu einem weiter gefassten Geschichtenfundus entstanden oder als Selbstausdruck zu lesen sind, muss offenbleiben. Zur Häufigkeit der Textformen beim Schreiben zur Sage Ein Drittel aller Kinder (35%) konkretisiert beim Schreiben zur Sage die Geschichte von Dädalus und Ikarus (vgl. Abb. 6). Wie Lilja (und Emma, vgl. Einleitung) erzählen zwei Drittel dieser Kinder (22% der Gesamtgruppe) dabei die ganze Geschichte. Die anderen

7.1 Sage: Von Dädalus und Flib

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(13% der Gesamtgruppe) konkretisieren Teile der Geschichte, indem sie wie Alsan einen Ausschnitt der Sage wiedererzählen oder (nahezu) die ganze Geschichte in Ausschnitten – stark zusammengefasst – darstellen. Einzelne Geschichten (8% der Gesamtgruppe) enthalten Erweiterungen. In einigen Geschichten werden auch kleine Teile variiert (z.B. Namen oder das Ende), da die Sage aber hauptsächlich konkretisiert wird, werden sie den Konkretionen zugeordnet. Darüber hinaus konkretisieren weitere Schülerinnen und Schüler (27% der Gesamtgruppe) Teile der Geschichte innerhalb einer Variation (s.u.). Ein Achtel aller Kinder (12%) erweitert beim Schreiben zur Sage die vorgelesene Geschichte um Details, die die dargestellten Erfahrungen verstärken oder den Zusammenhang der Ereignisse verdeutlichen. Aber keine der Erzählungen stellt hauptsächlich eine Erweiterung dar. Zwei Drittel aller Kinder (65%) variiert beim Schreiben zur Sage die Geschichte von Dädalus und Ikarus. Wie Stella verändert die Hälfte dieser Kinder (32% der Gesamtgruppe) nur Teile der Geschichte. In den meisten dieser Geschichten werden auch (kleine) Teile der Sage konkretisiert, da aber die Variation überwiegt, wurden sie dieser Gruppe zugeordnet. Einzelne dieser Geschichten (4% der Gesamtgruppe) enthalten auch Erweiterungen Die andere Hälfte (33% der Gesamtgruppe) variiert wie Rafael oder Isra die ganze Geschichte. Der Grad an Nähe zur ursprünglichen Geschichte ist dabei unterschiedlich hoch. Darüber hinaus variieren weitere Kinder (12%) kleine Teile der Geschichte innerhalb einer Konkretion (s.o.).

100% Variation

90% 80% 70%

Variation mit Erweiterung

60% 50%

Konkretion mit Erweiterung

40% 30% 20%

Konkretion

10% 0%

Sage

Abb. 6: Textformen zur Sage (N=96)

180

7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

Beim Schreiben zur Sage nutzen die Schülerinnen und Schüler den weiten Spielraum der Aufgabe, um mit deutlicher oder geringer Nähe zur Vorgabe zu thematisieren, was ihnen wichtig ist. Bemerkenswert ist, dass fast doppelt so viele Kinder Variationen (65%) wie Konkretionen (35%) zu Papier bringen, obwohl das Wiedererzählen (von Teilen) des Gehörten auf den ersten Blick leichter erscheint. In der Gruppe der Kinder, die in Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes zur Schule gehen und die einen deutlich höheren Anteil leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler hat als die Gruppe der Kinder, die in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, zeigt sich dieser Trend sogar noch deutlicher (30% Konkretionen und 70% Variationen), während er in der anderen Gruppe etwas schwächer zutage tritt (39% Konkretionen und 61% Variationen). Der Grund für den höheren Anteil an Variationen könnte zum einen in der Komplexität des Stoffes liegen, die den Schülerinnen und Schülern aus Klasse 3 einen hohen Grad an Verständnis abverlangt. Eine Variation ermöglicht in diesem Fall, die Geschichte dem eigenen Verständnis anzupassen. Zum anderen scheint das dramatische Ende für etliche Kinder ein Grund zu sein, die Geschichte zu verändern. Die Hälfte aller Geschichten (52%) endet gut. 113 Die vorgelesene Sage wird von den Schülerinnen und Schülern so variiert, dass sie ihrem vertrauten Muster von Geschichtenverläufen entspricht und damit aushaltbar wird. Fünf Kinder formulieren weder ein gutes noch ein dramatisches Ende. Aber etwas weniger als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler (43%) schreibt Geschichten mit einem dramatischen Verlauf. Sie schreiben sich dabei ein in ein narratives Genre, das vermutlich neu für sie ist. 114 Beide Formen zeigen, dass die Sage die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 nicht überfordert, sondern dass die Irritationen ein starker Motor zu sein scheinen, sich gedanklich und schreibend mit dem Stoff auseinanderzusetzen. Ein weiterer Grund für den hohen Anteil an Variationen liegt vermutlich auch in der kommunikativen Funktion des Schreibens. Da die potenziellen Leserinnen und Leser, und zwar die Kinder (und die Lehrerin) aus der eigenen Lerngruppe, die Sage bereits gehört haben, könnte es vielen Kindern erzählwürdig(er) erscheinen, die Geschichte zu variieren. Die Beispiele zeigen, dass nicht nur die Konkretion der gehörten Sage ein Sich-Einschreiben in narrative Muster befördert, sondern auch bei der Konkretion von Teilen, Erweiterung und Variation Sprachformen erprobt werden, die vorgestellte Erfahrung thematisieren und hervorheben, oder die die Vorstellung einer Ereignisfolge ermöglichen. Vor diesem Hintergrund scheinen (klassische) Aufgaben wie die Nacherzählung, die nur die Konkretion ermöglicht und auf Vollständigkeit ausgerichtet ist, oder die 113

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Einige dieser Geschichten sind Konkretionen, weil sie die Sage im Wesentlichen wiedererzählen und nur einen kleinen Teil am Ende variieren. Dass die Vorgabe ein solches Sich-Einschreiben beeinflusst, bestätigt der Befund, dass der Anteil der Kinder, die die Geschichte dramatisch enden lassen, beim Schreiben zum Gemälde (16%) und beim Schreiben zu Figuren (16%) deutlich geringer ist als beim Schreiben zur Sage (43%).

7.2 Gemälde: Von Aufbruch und Ankunft

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Weitererzählung, die sich auf das Erweitern beschränkt und Konkretion und Variation ausschließt, Zugänge zum sprachbildenden Potenzial, das eine vorgelesene Geschichte bietet, einzuschränken. Auf welche Art und Weise und in welchem Umfang die Schülerinnen und Schüler das Potenzial der Sage – über die Beispiele hinaus – genutzt haben, wird in Kapitel 8.1 und 9.1 dargestellt.

7.2 Gemälde: Von Aufbruch und Ankunft Es waren einmal eine Frau und ein Mann. Sie saßen auf einem Schiff. Sie wollten in eine Stadt und sie waren fast am Ziel (Jabar G55m). Bestimmte Elemente des Bildes finden in (nahezu) alle Geschichten Eingang: -

die beiden Figuren, das Schiff bzw. das Wasser und/oder die Stadt bzw. das Land, die (frühere) Zeit, die Fahrt bzw. eine Bewegung.

Fast alle Schülerinnen und Schüler nutzen die abgebildete Figurenkonstellation für die Gestaltung der zentralen Figuren ihrer Geschichte. Die Hälfte der Kinder (53%) bestimmt das Verhältnis der beiden Figuren näher: Meistens sind Mann und Frau ein (Ehe- oder Liebes-) Paar, in einzelnen Geschichten geht es um Geschwister, Freunde oder Feinde. In einem Fünftel der Geschichten (19%) wird der Mann darüber hinaus z.B. als Seefahrer, Pirat oder Prinz und die Frau z.B. als Piratin, Prinzessin oder Königin von England bezeichnet. Der Mann wird dabei doppelt so oft näher bestimmt als die Frau. In einigen Geschichten (15%) bleiben die Figuren unbestimmt (z.B. sie, die beiden, zwei Menschen). In einzelnen Geschichten (8%) befinden sich noch weitere Personen auf dem Schiff (z.B. Piraten, der Bootsfahrer, der Rest der Familie). Alle Schülerinnen und Schüler nutzen die abgebildeten Räume für die Gestaltung zentraler Orte in ihren Geschichten. In einem Drittel der Geschichten (34%) wird der Ort in der Ferne nicht nur als Stadt, Land oder Insel bezeichnet, sondern näher bestimmt, z.B. als Paris, New York, oder Bethlehem, als England, Italien oder Amerika. In einem knappen Drittel der Geschichten (31%) wird die Erscheinung in der Ferne nicht thematisiert, Ort des Geschehens ist in diesen Erzählungen das Schiff bzw. das Wasser, in das sich die Figuren begeben. Die meisten Geschichten spielen in einer früheren Zeit. In knapp Dreiviertel der Texte (69%) ist dies gekennzeichnet durch Eingangsformeln (z.B. Es war einmal, Eines Tages), Schlussformeln (z.B. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, bis an ihr Lebensende), die Angabe eines Datums (z.B. 1988), ‚historische‘ Figuren (z.B. König, Pirat) und Gebräuche (z.B. sie machte Feuer) oder eine Zeitreise (z.B. von einem Strudel eingezogen). Ein knappes Drittel der Texte (31%) bleibt zeitlich

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

unbestimmt. 115 In einem Drittel dieser Texte wird das Geschehen allerdings temporal in der Vergangenheit verortet. Insgesamt kennzeichnet das Tempus in fast allen Texten (90 %), dass das Geschehen in der (unterschiedlich weit entfernten) Vergangenheit spielt. 116 Die anderen Texte (10%) sind im Präsens verfasst. Das Gemälde von C.D. Friedrich aus dem 18. Jahrhundert regt also die meisten Schülerinnen und Schüler dazu an, eine Geschichte aus der Vergangenheit zu erzählen und dies auch grammatisch zu kennzeichnen. In allen Geschichten ist ein Teil der Handlung davon bestimmt, dass die Figuren sich von einem Ort zu einem anderen bewegen, die meisten Kinder (91%) konkretisieren dabei die dargestellte Fahrt auf einem Schiff, einzelne Texte handeln von anderen Bewegungen von Ort zu Ort (z.B. dem Schwimmen zu einer Insel) oder beziehen sich auf den Plan oder die Möglichkeit einer Fahrt. Durch die Bezugnahme auf Figuren, Räume, Zeit und Handlung nutzen die Schülerinnen und Schüler das auf dem Bild Dargestellte für die Gestaltung zentraler Elemente, die das Erzeugen einer Storyworld (in der Vorstellung der Rezipierenden) ermöglichen. Das Bild eröffnet also vielfältige Zugänge zur Vorstellung einer Storyworld, konkretisiert mit der Darstellung der Bewegung auf ein Ziel zu (bzw. von einem Ort weg) aber nur vage den Grund der Segelfahrt. In ihren Geschichten zum Bild entwerfen die Schülerinnen und Schüler ganz unterschiedliche Gründe: -

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Ausflug oder Reise; Feier eines besonderen Tages, z.B. Hochzeitstag oder Geburtstag; Fernweh oder Freude am Segeln; Flucht vor Krieg/Gewalt im Heimatland; Flucht vor Familienangehörigen, die der Liebe der beiden Menschen im Wege stehen, z.B. der Exmann oder Eltern; Überwindung von Armut; Suche eines gemeinsamen neuen Heims; Rückkehr nach Hause; Sorge um Familienangehörige; Leben auf dem Schiff, bzw. das Schiff ist (arbeitsbedingt) ein natürlicher Aufenthaltsort, z.B. für Seefahrer, Händler oder Piraten.

Vier Texte lassen sich durch die Angabe von Gegenständen (z.B. Euro, Auto, Mikroskop) in der jüngeren Vergangenheit oder der heutigen Zeit verorten. Zweidrittel aller Texte (64%) sind durchgehend in Zeitformen der Vergangenheit (Präteritum oder Perfekt) verfasst, ein Viertel der Texte (26%) enthält Zeitformen der Vergangenheit und der Gegenwart, wobei die meisten (18%) hauptsächlich in Vergangenheitsformen verfasst sind (z.B. wird in einigen Geschichten der auf dem Bild dargestellte Moment im Präsens dargestellt und der Rest der Geschichte im Präteritum: Auf dem Schiff ist ein Mann mit einer Frau. Der Mann und die Frau halten Händchen und schauen auf das blautönige Wasser. Plötzlich blitzte und donnerte es. Eine Flamme entstand vor ihnen..., Djannah G54m).

7.2 Gemälde: Von Aufbruch und Ankunft

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Indem das Bild etwas zeigt, aber keinen Grund darstellt, vermag es die Suche nach dem Grund anzustoßen. Vermutlich trägt diese Leerstelle entscheidend dazu bei, dass das Bild Narration evoziert. Die narrative Erweiterung des Bildes um den Grund der Segelfahrt ist zugleich ein Deutungsprozess. Im Folgenden werden Formen der Korrespondenz zwischen Erzählung und Bild dargestellt.

Konkretion des Bildes Es war einmal ein Mann und eine Frau. Sie segelten übers Meer auf eine Stadt zu. Das Wasser war wellenlos. Der Mann und die Frau genossen den Sonnenuntergang (Johannes G15d). Johannes bleibt mit seinem Text im Bild: Er erzählt von den beiden Figuren auf dem Segelschiff, ihrem Ziel und ihrer Stimmung. Das Geschehen wird gleich zu Anfang zeitlich in der Vergangenheit verortet (Es war einmal). Im streng strukturalistischen Sinne kann Johannes Text nicht als Erzählung bezeichnet werden, weil es nur um ein einziges Ereignis geht und von keiner Veränderung erzählt wird. Wohl aber vermittelt der Text die Erfahrung, wie es ist, im Sonnenuntergang eine Segelfahrt zu genießen. Vorstellbar wird, wie das Schiff mühelos durch das Wasser gleitet – die Glätte der Wasseroberfläche wird durch einen Neologismus hervorgehoben, der Teil einer Alliteration ist, die die Leichtigkeit des Segelns zum Ausdruck bringt: Das Wasser war wellenlos. Betrachtet man Erfahrungshaftigkeit als zentrales Element von Narration, lässt sich Johannes Text als narrativer Text verstehen, der das Bild konkretisiert. Andere Texte, die, wie der von Johannes, über das im Bild Dargestellte nicht hinausgehen, thematisieren die Liebe oder die Weite und die Frage nach dem Grund der Reise (Fabian G47d, Isra G63m, Tamim G69m, Meik G74d,). Alle diese Texte lassen sich als (Teile von) Geschichten verstehen. Ein weiterer Text ist keine Erzählung, sondern ein Kommentar zum Bild, der die Pracht von Sonnenuntergang, Boot und Segel zum Ausdruck bringt (Helen G13d). Auch in den Texten, die über das im Bild Dargestellte hinausgehen, wird der auf dem Bild dargestellte Moment konkretisiert. Insgesamt fassen ihn mehr als Dreiviertel der Kinder (82%) explizit in Worte (z.B. Als sie schon lange gefahren sind, konnten sie Paris entdecken und einen schönen Sonnenuntergang sehen, Henrik G10d). In einigen weiteren Texten (13%) ist der auf dem Bild dargestellte Moment implizit enthalten (z.B. Sie sind losgefahren. Sie sind da, Nayo G93m). Selten (in 5% aller Texte) kommt der dargestellte Moment gar nicht vor. Da diese Geschichten aber von den abgebildeten Figuren bzw. dem Schiff handeln, ist es möglich, sich den Moment, den das Bild zeigt, als Teil der Geschichte vorzustellen (z.B. erzählt eine Geschichte, wie sich Mann und Frau kennenlernen und heiraten, sodass die Schiffsfahrt einen stimmigen Anschluss darstellt, Bolko G36d). Die Konkretionen ermöglichen, sich

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

vorzustellen, wie es ist, (im Sonnenuntergang) auf einem Segelschiff zu fahren, einen weiten Weg zurück zu legen, ein Ziel vor Augen zu haben, Gefahren (der Natur) ausgesetzt zu sein, zu lieben und Sehnsucht zu empfinden. Diese (und weitere) Erfahrungen werden zu längeren Geschichten, indem der Moment, den das Bild zeigt, erweitert wird.

Erweiterung des Bildes: Anfang – Mitte – Ende In den Texten der Schülerinnen und Schüler, die mehr erzählen, als das Bild zeigt, kommt der auf dem Bild dargestellte Moment am Anfang, in der Mitte oder am Ende vor. Sie schreiben also ihre Geschichte vom Bild weg, um das Bild herum oder auf das Bild zu und entfalten so eine Ereignisfolge. Bild am Anfang Die Ausländer Es waren einmal 2 Geschwister, eine hieß Maria, der andere hieß Kakarott. Eines Tages schwammen sie mit dem Boot übers Meer. Es war bereits dunkel und Nebel. Sie sahen was. Kakarott fragte: „Sind das feindliche Schiffe?“ Maria antwortet: „Nein, wir sind bald in Großbritannien.“ WOWWWW, sagte Kakarott. Komm, wir segeln noch einmal, damit wir schneller vorankommen. Sie waren da. Sie sahen nur Soldaten. Sie erschraken sich. Ein Soldat schrie: „AUSländer!“ Jemand nahm eine Minigamm und traf das Boot. Das Boot sank und Maria und Kakarott starben. Ende  (Adin G86m). In Adins Geschichte steht der Moment, den das Bild zeigt, am Anfang. Zwei Geschwister sind mit dem Boot unterwegs, eine unbestimmte Zeitangabe (eines Tages) markiert den Zeitpunkt der Bootsfahrt. Die ambivalente Darstellung von hell und dunkel und die nur undeutlich erkennbare Stadtkulisse im Hintergrund schlägt sich in Adins Geschichte nieder in der Bestimmung der Tageszeit (bereits dunkel) und des Wetters (Nebel). Nach dem ersten Blick auf das Bild hat Adin viele Fragen formuliert: Ist das New York? Sind sie Geschwister? Was ist da unter? Wer hat es gemalt? Welche Jahreszeit ist es? Wie alt sind sie? Wann wurde es gemalt? (s. Anhang, S. 510). Seine Geschichte beantwortet die Fragen nach der Stadt und der Figurenkonstellation und greift die Unbestimmtheit der Jahreszeit als Kontrast zwischen hell und dunkel auf. Dunkelheit und Nebel schränken die Sicht erheblich ein, sodass die Geschwister – wie der Betrachter des Bildes – zwar etwas sehen, aber nicht genau bestimmen können, was es ist (Sind das feindliche Schiffe?). Dass das, was die Geschwister sehen, zunächst unbestimmt ist (was), erzeugt Neugier und regt Lesende an, die Ungewissheit nachzuvollziehen und Hypothesen zu bilden. Die Schwester meint, dass sie bald in Großbritannien seien. An der Reaktion des

7.2 Gemälde: Von Aufbruch und Ankunft

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Bruders wird vorstellbar, dass dieses Ziel eine hohe Bedeutung für ihn hat (WOWWWW). Adin hebt dies als Interjektion und graphisch in Großantiqua und Buchstabenhäufung hervor. Im Folgenden geht er mit seiner Erzählung über das im Bild Dargestellte hinaus. Die Vorfreude auf die Ankunft motiviert die Geschwister sich anzustrengen, um schneller voranzukommen. Doch als sie da sind, entspricht die Realität nicht ihren Vorstellungen: Sie erschrecken, denn sie sehen nur Soldaten. Maria und Kakarott sind nicht willkommen, sondern werden lautstark als „AUSländer!“ identifiziert und beschossen. Durch die Großantiqua wird vorstellbar, wie der Soldat die erste Silbe betont und wie es ist, ausgegrenzt zu werden. Die Geschwister erreichen das ersehnte Land nicht, sondern sterben kurz vor dem Ziel an den Folgen des Beschusses. 117 Adins Geschichte erinnert an Bilder von Flüchtlingen, die vergeblich versuchen, sich mit einem Schiff in ein anderes Land zu retten. Maria und Kakarott werden nicht als Menschen angenommen, sondern einzig und allein – das repräsentiert auch das einzelne Wort – als Ausländer bezeichnet und abgelehnt. Adins Geschichte ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, voller Hoffnung in ein fremdes Land, ins Ungewisse zu fahren und feststellen zu müssen, dass man keineswegs willkommen ist, sondern anscheinend eine Bedrohung für die Bewohner darstellt, die mit Gewalt abgewehrt wird. Auch die Überschrift benennt das zentrale Thema der Geschichte, in der es im Kern darum geht, wie es ist, ein Ausländer zu sein. Adin transformiert das im Bild Dargestellte in eine Geschichte über eine Fahrt ins Ungewisse und den Umgang mit Fremdem. Die Vorstellung der Ereignisse als Folge entsteht – abgesehen von der Markierung des Anfangs und zwei weiteren Zeitangaben (bald, noch einmal) hauptsächlich aus der Kohärenz aufeinander folgender Ereignisse und der Darstellung von Raumwechseln, die sich auch aus der Darstellung von Bewegung ergeben (schwammen … übers Meer, in Großbritannien, segeln, vorankommen, da, sank). Bild in der Mitte Ein Mann mit seiner Frau wollten mit ihrem 5 Jahre alten Segelboot hinaus auf das weite Meer fahren. Das Schiff schwankte. Sie fuhren und fuhren, bis die Sonne bald unterging. Dann legten sie sich schlafen. Am nächsten Morgen mussten sie weiter fahren. Es war himmlisch, das Schaukeln auf dem Meer. Nach dem späten Nachmittag wurden die Wellen immer höher und höher. Und der Wind wurde stürmischer. Der Mann blieb die Nacht über auf dem Deck, damit er alles unter Kontrolle haben konnte, in der Zeit legte sich die Frau schlafen. Am nächsten Morgen legte sich der Sturm wieder

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Der Smiley am Ende des Textes könnte eine Art Distanzierung darstellen. Möglicherweise war Adin selbst von der Wucht seines Textes überrascht.

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

und sie konnten weiterfahren. Aber es verfing sich was in der Schiffsschraube. Sie konnten nicht mehr weiter fahren. Sie blieben mitten im Meer stehen, der Motor ging auch nicht mehr. Ihre Vorräte gingen langsam leer. Und seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute! Ende (Annika G09d). Annika schreibt einen kleinen Teil der Geschichte auf das Bild zu, bis sie den Moment in Worte fasst, den das Bild für sie zeigt (Sie fuhren und fuhren, bis die Sonne bald unterging). Dann schreibt sie – scheinbar vom Bild weg – was danach geschieht. Annikas Geschichte ist uns zunächst vertraut: Sie erzählt von zwei Menschen, die sich auf den Weg machen. Die rhetorische Form des Pleonasmus (das weite Meer) und die Wiederholungsfigur (Sie fuhren und fuhren) erzeugen die Vorstellung einer weiten Reise. Die Länge der Fahrzeit wird in Relation zum Sonnenuntergang dargestellt: bis die Sonne bald unterging. Diese Kombination von einer deiktisch auf die Zukunft verweisenden Zeitangabe (bald) und dem Präteritum ist grammatisch nur in der Dichtung möglich (zum epischen Präteritum vgl. Hamburger 1957). Am nächsten Morgen scheint das Schaukeln zunächst ein Genuss zu sein: Es war himmlisch, das Schaukeln auf dem Meer. Die Topikalisierung in Voranstellung an die Satzspitze hebt den metaphorischen Ausdruck „himmlisch“ für die vorgestellte Erfahrung des Schaukelns emphatisch hervor. Doch durch die Kraft der Elemente wird der Weg immer gefährlicher, die Wellen werden höher und der Wind stürmischer. Dieser Gegensatz zum himmlischen Schaukeln markiert auf semantischer Ebene einen Wendepunkt. Eine weitere Wiederholungsfigur (immer höher und höher) verstärkt die Größe der Wellen, die förmlich zu wachsen scheinen vor unserem inneren Auge, und bewirkt eine Steigerung der Spannung. Die Situation scheint so bedrohlich, dass der Mann über Nacht an Deck bleibt, um alles unter Kontrolle zu haben. Am nächsten Morgen entspannt sich die Situation zunächst (im Drama ließe sich diese Szene als „retardierendes Moment“ begreifen), aber dann verfängt sich etwas in der Schiffsschraube und die Fahrt kann nicht fortgesetzt werden. Der Stillstand bewirkt als Gegensatz zur vorherigen Bewegung eine noch größere Komplikation. Die Form der Alliteration (mitten im Meer) verstärkt den Eindruck der Hoffnungslosigkeit. Zudem steht diese Formulierung in einem Verbund mit den Sätzen, die als Reim folgen: der Motor ging auch nicht mehr. Ihre Vorräte gingen langsam leer. Die Sprache scheint sich zu verdichten am Höhepunkt der Spannung. War die immer stärker werdende Bewegung noch unter Kontrolle zu halten, entzieht sich der Stillstand dem Einfluss menschlicher Macht. Als Leser erhofft und erwartet man nun die Rettung und ein glückliches Ende, Annika aber lässt das Ende in der Schwebe: Und seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört. Während die durchgängig auktoriale Erzählperspektive immer nah an den Figuren ist, entfernt sich die Erzählerin mit dieser Formulierung von den Figuren, sie sind sogar die einzigen Menschen, die das Wort „man“ ausschließt. Man weiß nicht genau, ob der Mann und die Frau gestorben sind, die Geschichte endet

7.2 Gemälde: Von Aufbruch und Ankunft

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offen – trotz märchentypischer Schlussformel, die nahezu ironisch anmutet nach der Andeutung der Lebensbedrohung. Auch am Ende hat Annikas Erzählung eine Nähe zum Bild: Das Bild als ‚eingefrorener Moment‘ zeigt den Stillstand des Schiffes und die vage Formulierung über den Ausgang der Geschichte korrespondiert mit der unbestimmten Darstellung der Stadt im Hintergrund. Annikas erster Gedanke, den sie vorab notiert hat, bezieht sich genau darauf: Gedanke: Ich dachte, als ich das Bild gesehen habe, die beiden kommen nicht mehr auf das Land. Dieser Gedanke ist konstitutiv für ihre Geschichte. Sie schreibt sie von der Situation, die das Bild zeigt, weg auf diesen Gedanken, der sehr nah am Bild ist, zu. In Annikas Geschichte geht es um Aufbruch und Gefahr, um Leben und Tod. Die Kontraste, die das Bild als Ambivalenz enthält, spielen dabei eine zentrale Rolle: als Übergang vom Tag zur Nacht, in der Bestimmtheit des Anfangs und der Vagheit des Schlusses, in der Weite des Meeres und der Nähe zu den Figuren auf dem Schiff, in dem Stillstand nach der starken Bewegung, in dem Ausgeliefertsein des Menschen in der Natur. Eine Ereignisfolge wird vorstellbar durch eine Reihe von Zeitangaben (bis die Sonne bald unterging, dann, am nächsten Morgen, nach dem späten Nachmittag, die Nacht über, in der Zeit, am nächsten Morgen, langsam, seitdem) und eine konsekutive Verknüpfung der Ereignisse (Der Mann blieb die Nacht über auf dem Deck, damit er alles unter Kontrolle haben konnte). Bild am Ende Es war einmal ein Kapitän. Er wollte das Meer sehen, aber er war einsam, er hatte nur seinen Papagei Felix. Er sagte: „Ach, Felix, was mach ich bloß.“ Auf einmal sah er eine Dame im Wasser. Sie schrie: „Hilfe, Hilfe, rettet mich.“ Er sagte: „Ich komme.“ Doch es war zu spät, sie versank. Doch zum Glück retten sie Seehunde und Delfine. Der Kapitän war froh und bedankte sich bei den Seehunden und Delfinen, die Dame ebenso. Ein Seehund sagt, ow, ow, und er ging. Der Mann und die Frau gingen ganz nach vorne. Sie sahen den Sonnenuntergang. Da sahen sie die Seehunde und Delfine und rufen: „Tschüss“, und lebten glücklich und zufrieden (Anoush G70m). Anoush schreibt ihre Geschichte auf den im Bild dargestellten Moment zu (und in der Schlussformel darüber hinaus). Sie erzählt, was davor geschah. Die Sehnsucht und die Einsamkeit des Kapitäns werden vorstellbar durch den Gegensatz (Er wollte…, aber…), das Beispiel, das die Einsamkeit veranschaulicht (er hatte nur seinen Papagei Felix), und Interjektion und Abtönungspartikel in der wörtlichen Rede, die das Leid des Kapitäns hervorheben („Ach, Felix, was mach ich bloß“). In Anoushs Geschichte wird das Meer zur Lebensbedrohung der Dame und zur Bedrohung des Lebensglücks des Mannes, das zum Greifen nah schien. Doch dann naht Hilfe, die auch aus dem Meer kommt. An der

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

ambivalenten Darstellung des Meeres, das das Schiff ruhig trägt, in seiner Dunkelheit aber bedrohlich wirkt, hat Anoush die Vorstellung von Gefahr und Rettung entwickelt. Wiederholungsfiguren verleihen dem Notruf („Hilfe, Hilfe“) und dem Seehundruf (ow, ow) Nachdruck. Das Bild der rettenden Tiere im Sonnenuntergang, mutet wie die Szene eines Happy Ends im Film an und macht zugleich den auf dem Bild verborgenen Blick der Figuren sichtbar. Die tautologisch anmutende Schlussformel (glücklich und zufrieden) unterstreicht das glückliche Ende. Die Ereignisfolge wird vorstellbar durch Zeitangaben (auf einmal, zu spät, Sonnenuntergang) und Kohärenz. Während der auf dem Bild sichtbare Moment in Anoushs Geschichte am Ende steht, geht es allerdings von Anfang an um Erfahrungen, die das Bild darstellt oder vorstellbar werden lässt: Sehnsucht und Einsamkeit, Lebensgefahr, Rettung und schließlich das Glück der Liebe. Schon die Formulierung des ersten Gedankens zum Bild zeigt, dass Anoush das Meer und die Liebe der beiden Menschen im Blick hat: Man könnte leichte Wellen sehen und die beiden küssen sich und da ist ein Nordlicht. Mit ihrer Erzählung geht sie weit über diesen ersten Gedanken hinaus und bringt dennoch beides in einen narrativen Zusammenhang. Variation des Bildes Im gesamten Korpus befindet sich keine Geschichte, die eindeutig eine Variation des Bildes darstellt. Denkbar wären z.B. Geschichten, die von einer Schiffsreise zweier Fabelwesen (statt Mann und Frau) oder einer Fahrt mit einem anderen Gefährt (statt eines Segelschiffs) erzählen. Solche Geschichten sind aber nicht geschrieben worden. Fünf Geschichten könnte man als Variation der auf dem Bild dargestellten harmonischen Figurenkonstellation lesen (Paula G30d, Kalea G35m, Bolko G36Bd, Lola G40d, Munira G89m). In diesen Geschichten stellt sich heraus, dass die die Beziehung zwischen den beiden Figuren anders ist als sie scheint. Genau dieses Moment ist aber durch die diffuse, phantastisch anmutende Darstellung von Stadt und Lichtverhältnissen im Bild enthalten. Da der dargestellte Moment in diesen Geschichten zudem explizit enthalten ist bzw. in der Vorstellung ergänzt werden kann, werden sie als Erweiterungen des Bildes betrachtet. 118 Vier weitere Geschichten könnten in Bezug auf die Protagonisten als Variation verstanden werden, weil die auf dem Bild zentral dargestellten Figuren in den Geschichten der Kinder zu Nebenfiguren werden (Alea G31d, Alsan G38d, Nele G53d, Antonia G88d). Da aber der dargestellte Moment auch in diesen Geschichten enthalten ist, werden sie nicht als Variationen des Dargestellten, sondern als Erweiterungen betrachtet. 118

Eine Schülerin interpretiert das Halten an den Händen schon nach dem ersten Blick als Gefangenschaft: Ich sehe einen Piratenkäpt’n, der eine Frau gefangen hat (Paula G30d, Formulierung).

7.2 Gemälde: Von Aufbruch und Ankunft

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Zur Häufigkeit der Textformen beim Schreiben zum Gemälde Einzelne Schülerinnen und Schülern (6%) schreiben wie Johannes Texte, die ausschließlich das auf dem Bild Dargestellte konkretisieren (vgl. Abb. 7). Auch in fast allen anderen Geschichten (89%), die mehr erzählen, als das Bild zeigt, wird der auf dem Bild dargestellte Moment entweder explizit oder implizit konkretisiert. In einzelnen Geschichten (5%) kommt der dargestellte Moment gar nicht vor, lässt sich aber gedanklich ergänzen. Fast alle Schülerinnen und Schüler (94%) aus Klasse 3 erweitern in ihrer Geschichte den dargestellten Moment um das, was davor und/oder danach geschah. Einige Kinder (16%) gehen mit ihrer Geschichte dabei nur einen kleinen Schritt über das Bild hinaus, indem sie von der Ankunft und einem glücklichen Leben, der Weiterfahrt oder dem Untergang des Schiffes erzählen. Doch die meisten (78%) entfalten (in unterschiedlichem Umfang) eine längere Geschichte, in der das auf dem Bild Dargestellte als Moment enthalten ist. Knapp die Hälfte aller Kinder (47%) schreibt eine Geschichte, in der das, was das Bild zeigt, wie bei Adin Ausgangspunkt der Ereignisse ist, die folgen. Ein knappes Drittel aller Kinder (30%) schreibt eine Geschichte, in der das im Bild Dargestellte wie bei Annika mitten im Text zu finden ist. Diese Kinder schreiben ihre Geschichte auf das Bild zu und über das Bild hinaus. Sie erweitern den dargestellten Moment also um eine Vorgeschichte und eine Fortsetzung. Ein knappes Fünftel aller Kinder (17%) schreibt die Geschichte wie Anoush auf den im Bild dargestellten Moment hin, z.T. als Entstehungsgeschichte des Bildes.

100% Erweiterung (Bild am Ende)

90% 80% 70%

Erweiterung (Bild in der Mitte)

60% 50%

Erweiterung (Bild am Anfang)

40% 30% 20%

Konkretion

10% 0%

Gemälde

Abb. 7: Textformen zum Gemälde (N=96)

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

Die Aufgabe, zu einem Bild eine Geschichte zu schreiben, beschränkt sich demnach nicht auf das Weitererzählen, sondern bietet die Möglichkeit, sich das Dargestellte als Ausschnitt vorzustellen, der (auch) eine Vorgeschichte hat. Bilder, die wie das Gemälde von C. D. Friedrich durch die halbe Ansicht des Bootes das Ausschnitthafte (das jedem Bild innewohnt) betonen, laden vermutlich in besonderem Maße dazu ein, das Dargestellte in der Vorstellung zu erweitern. In den Geschichten der Kinder kommt das Bild nicht nur als ‚Moment‘ innerhalb einer Ereignisfolge vor, sondern vor allem als ‚Thema‘ der Erzählung. Die Beispiele zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 vorgestellte Erfahrungen von Aufbruch und Ankunft, Heimat und Fremde, Weite, Liebe, Sehnsucht, Gefahr und Rettung oder Verderben thematisieren. Indem die Kinder sich mit diesen Erfahrungen in ihren Geschichten auseinandersetzen, schreiben sie über existentielle Lebensthemen. Das macht zu einem großen Teil auch die Erzählwürdigkeit der Geschichten aus. Im Unterschied zum Schreiben zur Sage können die Kinder zudem davon ausgehen, dass ihre Leser die Geschichte noch nicht kennen, vor allem, wenn sie über das im Bild Dargestellte hinausgehen. Obwohl das Bild keine Geschichte erzählt, ist es nicht nur ein Impulsgeber, der die Phantasie anregt (im Sinne eines kreativen Schreibanlasses), sondern es ist konstitutiv für die Vorstellung von Erfahrungen und Ereignisfolgen, die als Geschichte zum Ausdruck gebracht werden. Auf welche Art und Weise und in welchem Umfang die Schülerinnen und Schüler dieses Potenzial – über die Beispiele hinaus – nutzen, wird in Kapitel 8.2 und 9.2 dargestellt. 7.3 Figuren: Von Räuberei und Schläue Eines Tages ging Rotkäppchen in den Wald (Mina F22d). Bestimmte Elemente der Geschichten zu den Figuren finden in die meisten Geschichten Eingang: -

die Figuren; Handlungsorte, an denen die Geschichten der Figuren spielen; die (frühere) Zeit; mindestens ein Handlungselement der jeweiligen Geschichte zur Figur.

Fast alle Schülerinnen und Schüler schreiben eine Geschichte, in der die Figur, die sie ausgewählt haben, die Hauptfigur ist (95%). 119 Einzelne Kinder (5%) erzählen zwar eine Geschichte zur abgebildeten Figur, es ist aber nicht die bekannte Figur, sondern eine 119

In zwei Geschichten zu Räuber Hotzenplotz sind – wie in der Geschichte von Otfried Preußler – zwei Kinder, die den Räuber fangen, die Hauptfiguren.

7.3 Figuren: Von Räuberei und Schläue

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neu erfundene, sodass kein Bezug zur Geschichte der Figur zu erkennen ist. Die meisten Kinder (80%) erzählen – wie beim Schreiben zur Sage – nicht nur von der Hauptfigur, sondern auch von weiteren aus der Geschichte bekannten Figuren. So geht es z.B. in Geschichten zu Rotkäppchen auch um die Mutter, den Wolf, die Großmutter oder den Jäger. Die abgebildete Figur weckt also bei den meisten Kindern zugleich die Erinnerung an Figurenkonstellationen der Geschichte, sodass sie sich einschreiben in die Darstellung von Spielern und Gegenspielern, von Haupt- und Nebenfiguren. Viele Schülerinnen und Schüler (73%) nutzen mindestens einen der in den Geschichten vorkommenden Räume, um Lesenden eine Vorstellung von Schauplätzen des Geschehens zu eröffnen. Schauplätze sind z.B. die Villa Kunterbunt, der Wald, das Haus der Großmutter, die Savanne, das Meer oder die Stadt. Die meisten Geschichten spielen in einer früheren Zeit. In knapp Zweidrittel der Texte (61%) ist dies vor allem durch Eingangsformeln (z.B. Es war einmal, Eines Tages) gekennzeichnet, z.T. auch durch Schlussformeln (z.B. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, bis an ihr Lebensende). Ein gutes Drittel der Texte (39%) bleibt zeitlich unbestimmt. In den meisten Texten wird das Geschehen allerdings temporal in der Vergangenheit verortet. Insgesamt kennzeichnet das Tempus auch beim Schreiben zu Figuren in fast allen Texten (96%), dass das Geschehen in der Vergangenheit spielt. 120 Die anderen Texte sind durchgängig im Präsens (4%) verfasst. Die Erinnerung an die Geschichte einer Figur regt die meisten Schülerinnen und Schüler dazu an, selbst im Präteritum zu erzählen, obwohl die Rezeption einer Geschichte als Film kaum einen sprachlichen Zugang dazu eröffnet. In fast allen Geschichten (91%) entspricht ein Teil der Handlung dem der Geschichten der Figuren. Auch wenn dabei nicht immer dieselbe Geschichte erzählt wird, tun die Figuren, von denen die Kinder erzählen, dasselbe wie die Figuren der bekannten Geschichten: sie essen Leckereien, spielen oder verlieben sich, sie gehen durch den Wald, ziehen in die Welt hinaus, sind auf der Suche, kämpfen, retten oder befreien sich, sie bedrohen jemanden oder stehlen, brechen aus dem Gefängnis aus oder flüchten. Vier Kinder beschreiben ausschließlich eine der Figuren (zwei weitere schreiben jeweils zu zwei Figuren und jeweils nur einer ihrer Texte konzentriert sich auf die Figurenbeschreibung). In diesen Fällen endet der Text, bevor die Handlung beginnt, sodass es sich im strukturalistischen Sinne nicht um Erzählungen handelt. Da Figuren jedoch ein zentrales Element von Narration darstellen und ihre Beschreibung ein Teil von Geschichten ist, sind auch in solchen Texten Ansätze des Sich-Einschreibens in narrative Muster erkennbar.

120

Dreiviertel der Texte (67%) sind durchgehend in Zeitformen der Vergangenheit (überwiegend im Präteritum, einzelne im Perfekt) verfasst, ein Viertel aller Texte (28%) enthält Zeitformen der Vergangenheit und der Gegenwart.

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

Durch die Bezugnahme auf Figuren, Räume, Zeit und Handlung nutzen die Schülerinnen und Schüler die erinnerte Geschichte für die Gestaltung zentraler Elemente, die das Erzeugen einer Storyworld (in der Vorstellung der Rezipierenden) ermöglichen. Im Folgenden werden Formen der Korrespondenz zwischen den Erzählungen der Schülerinnen und Schüler und Geschichten der Figuren dargestellt. Konkretion der Geschichte Der Räuber Hotzenplotz und die Kaffeemühle Es war einmal an einem schönen Sommertag. Als der Mohn blüht und die Sonnenblumen durch den Zaun ragten, saß Großmutter im Garten auf der Bank. Sie hatte erst letztens Geburtstag, da hat sie von Kasperl und Seppel eine Kaffeemühle geschenkt gekriegt und mit der Kaffeemühle mahlt sie Kaffee. Und wenn man da dran kurbelt, spielt sie ein Lied. Alles neu macht der Mai. Das ist Großmutters Lieblingslied. Und seit sie die Kaffeemühle hat, trank sie jetzt doppelt so viel. Doch als sie zum 13. Mal mit der Kaffeemühle mahlt, rauschte es in den Büschen, da kam der Räuber Hotzenplotz aus dem Gebüsch hervor. Und Hotzenplotz drohte der Großmutter, gib mir das KaffeemühlenDing. Doch Großmutter dachte nicht im Traum daran, ihre Kaffeemühle dem Hotzenplotz zu geben. Aber Hotzenplotz zückte das Messer und sagte wieder, gib mir die Kaffeemühle, sonst ist es {mit dir} [um dich] geschehen. Da gab sie ihm die Kaffeemühle (Nele F53d). Nele erzählt den Anfang der Geschichte von Räuber Hotzenplotz. Der Niederschlag der Rezeption ist in ihrer Geschichte und ihren Sprachformen deutlich zu erkennen. Wie schön es an dem Sommertag ist, wird durch den blühenden Mohn und die Sonnenblumen, die durch den Zaun ragen, vorstellbar. Mit der ereignisrelationalen Darstellung von dem Zeitpunkt der Blüte und Großmutters Sitzen auf der Gartenbank (Als der Mohn blüht und die Sonnenblumen durch den Zaun ragten, saß Großmutter im Garten auf der Bank) erweitert Nele die Vorstellung, die die Geschichte von Preußler sprachlich erzeugt („Einmal saß Kasperls Großmutter auf der Bank vor ihrem Häuschen in der Sonne und mahlte Kaffee“, Preußler 2012a, S. 7; s. Anhang, S. 388). Allerdings findet hier ein Bild im Buch von Preußler, auf dem blühende Sonnenblumen, die hinter Großmutters Bank aufragen, zu sehen sind (vgl. ebd., S. 8), Eingang in Neles Sprachform. Indem Nele – mit demselben Humor wie Preußler – beschreibt, wie Großmutter im Garten sitzt und doppelt so viel Kaffee mahlt wie bisher, um ihrem Lieblingslied lauschen zu können, wird nachvollziehbar, wie wohl sie sich fühlt und wie friedlich es ist, bevor Räuber Hotzenplotz kommt. Wie in der Geschichte von Preußler („rauschte und knackte“, ebd., S. 7) wird durch eine phonologische Figur der Lautmalerei (rauschte es in den Büschen) das Geräusch des Rauschens (das in diesem Fall die Idylle durchbricht)

7.3 Figuren: Von Räuberei und Schläue

193

vorstellbar, in Neles Geschichte wird dies zusätzlich durch die Assonanz verstärkt. Während Preußler den Zeitpunkt des Rauschens anaphorisch mit dem Zeitpunkt gleichsetzt, an dem Großmutter Kaffee mahlt („da“, ebd.), bringt Nele die Gleichzeitigkeit mit einer weiteren ereignisrelationalen Zeitangabe zum Ausdruck (Doch als sie zum 13. Mal mit der Kaffeemühle mahlt, rauschte es in den Büschen). Die Weigerung der Großmutter, ihre Kaffeemühle herzugeben, die in der Geschichte von Preußler durch Figurenrede dargestellt wird (ebd., S. 8 f.), ersetzt Nele in ihrer Geschichte durch eine semantische Figur, ein Phrasem, das eine Vorstellung von der Vehemenz, mit der sich die Großmutter weigert, erzeugt (Großmutter dachte nicht im Traum daran). Durch eine explizite Angabe zur Frequenz (wieder), stellt Nele Hotzenplotz‘ wiederholt geäußerte Aufforderung, ihm die Kaffeemühle zu geben, zusammenfassend dar. Den Zusammenhang zwischen Großmutters Verweigerung, Hotzenplotz die Kaffeemühle zu geben, und den Konsequenzen, die darauf folgen, die im Buch nur durch das Heben der Pistole angedeutet werden, bringt Nele explizit zur Sprache, indem sie die Ereignisse in konditionaler Relation zueinander darstellt (gib mir die Kaffeemühle, sonst ist es {mit dir} [um dich] geschehen). Die unausgesprochene Drohung bringt Nele somit durch ein Phrasem zum Ausdruck, das auf andere Art und Weise vermeidet, den Mord explizit zu benennen. Neles Geschichte ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, das Leben zu genießen, überfallen zu werden, Widerstand zu leisten und ihn aufzugeben, um das eigene Leben zu retten. Indem Nele den Anfang der Geschichte von Preußler konkretisiert, schreibt sie sich ein in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen. Höchstwahrscheinlich hat Nele das Buch von Räuber Hotzenplotz selbst gelesen oder es vorgelesen bekommen. Wie groß der Abstand zwischen Rezeption und Produktion (des Anfangs) der Geschichte ist, ist nicht bekannt. Neles Konkretion zeigt deutlich, dass Schreibaufgaben, die außerschulisch rezipierte Geschichten einbeziehen und ermöglichen, Teile von Geschichten wiederzuerzählen, sprachbildendes Potenzial innewohnt. Dass dies nicht nur für die Rezeption von Büchern gilt, sondern auch für die Rezeption von Geschichten, die durch (bewegte) Bilder und Worte vermittelt werden, zeigt die Geschichte von Anoush zu der Figur Arielle: Es war einmal ein König namens Triton und seine geliebte Athena und ihre sieben Töchter. Sie liebten die Musik, aber es gab die Kleinste war Arielle, die Töchter waren ja noch kleine Kinder. Arielle liebte die Musik, die ihre Mutter sang. Am Morgen ging sie auf den See. König Triton spielte mit Arielle, Alana, Atina und den anderen Verstecken, danach spielte König Triton die Spieluhr und tanzte mit Athena, doch alle Leute versteckten sich, weil ein Schiff kam. Da sahen [sie] die Flagge, dass ein Totenkopf drauf war. Die Spieluhr fiel ins Wasser, Athena wollte sie holen …….. {der} [das] Schiff kam zu ihr immer näher, König Triton schrie voller Angst: „Athena! Athena!“ Das der einzige nur sieht, ist die Spieluhr. Er brüllte: „Raaaaahh!!“, und wirft die Spieluhr weg. 20 Jahre später. König

194

7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

Triton verbot die Musik. Arielle sagte: „Wo ist die Spieluhr?“ König Triton sagte: „Weggeworfen! Und ich verbot die Musik!!!“ Arielle weinte und meinte: „Warum?“ König Triton schrie: „Weil Athena gestorben ist!“ Arielle brüllte: „Ich hasse dich!“, und lief zum Zimmer. Es war schon dunkel, alle schlafen, außer Sebastian, die Krabbe, und Arielle. Arielle hatte vor, die Spieluhr zu suchen. Und das tat sie auch, sie ging, da traf sie einen Fisch. Der Fisch hatte Angst und schrie: „Ahh!“ Arielle sagte: „Ganz ruhig, ich tu nichts. Wie heißt du denn?“ Der Fisch sagte ängstlich: „Fabius, und du?“ Arielle sagte: „Ich heiße Arielle, ich brauche deine Hilfe, ich such‘ `ne Spieluhr.“ Fabius sagte: „Ok“, und [sie] gingen und suchten die Spieluhr. Da sah Sebastian die beiden und folgte den beiden. Auf einmal kam Hexe Ursula und sagte: „Hast du mich vermisst? Muhahahahah.“ König Triton fand Arielle, brüllt und [sie] gingen nach Hause (Anoush F70m). Die Sprachformen, die Anoush schreibend zu Papier bringt, zeigen eine deutliche Korrespondenz zu der im Film auf der Bildebene und durch Figurenrede und Erzählerstimme vermittelten vorgestellten Erfahrung und Ereignisfolge (s. Anhang, S. 388 f.). Der Film zeigt das Spielen in der Bucht bei hellem Sonnenschein. Anoush deutet es als Morgensonne und markiert den Zeitpunkt in ihrer Geschichte dementsprechend (Am Morgen). Sie thematisiert die im Film durch romantische Musik, Bild und Sprache dargestellte Liebe König Tritons zu seiner Frau Athena (ein König namens Triton und seine geliebte Athena), dass Arielle den Gesang ihrer Mutter liebt (Arielle liebte die Musik, die ihre Mutter sang) und das Spiel auf dem See. Vorstellbar wird, wie glücklich und harmonisch Arielle im Kreise ihrer Familie aufwächst. Den Zusammenhang zwischen der Flucht der Meeresbewohner und der Gefahr, die von dem herannahenden Schiff ausgeht, der im Film durch unheilvolle Musik und schnelle Schnitte zwischen den Meeresbewohnern, dem herannahenden Schiff und der Piratenflagge dargestellt wird, formuliert Anoush explizit, indem sie die Ereignisse in kausaler Relation zueinander darstellt (alle Leute versteckten sich, weil ein Schiff kam). In Korrespondenz zum Film benennt Anoush die (tödliche) Gefahr, die von dem Schiff ausgeht, nicht direkt, sondern symbolisiert sie durch die Totenkopfflagge (Da sahen [sie] die Flagge, dass ein Totenkopf drauf war). Die dramatische Darstellung findet Eingang in eine Sprachform, in der durch Auslassungspunkte die Spannung erhöht wird, weil der Ausgang des Geschehens ungewiss bleibt. Zugleich hebt die Sprachform das Herannahen des Schiffes instrumentell hervor (Die Spieluhr fiel ins Wasser, Athena wollte sie holen …….. {der} [das] Schiff kam zu ihr immer näher). Möglicherweise findet Anoush mit den Punkten auch einen Ausdruck für den Wechsel der Perspektive von Athena auf das Schiff. Wie der Film vermittelt Anoush über die Reaktionen von Triton, dass Athena gestorben ist. Mit einer morphologischen Wiederholungsfigur wird die Sorge um einen geliebten Menschen zum Ausdruck gebracht („Athena! Athena!“). Durch die Interjektion und die Wiederholung der Buchstaben und des Ausrufezeichens wird Tritons Verzweiflung über den Tod von Athena vorstellbar, und auch seine Wut auf den Gegenstand, der Athena davon

7.3 Figuren: Von Räuberei und Schläue

195

abgehalten hat, sich in Sicherheit zu bringen („Raaaaahh!!“). Wie die Erzählerstimme im Film („Zehn Jahre später…“) benennt Anoush den Zeitsprung; er ist in ihrer Geschichte doppelt so lang (20 Jahre später). Auch das Gespräch zwischen Arielle und ihrem Vater findet im Film statt. Während Triton dort Arielles Frage nach dem Grund für das Verbot nicht beantwortet, stellt Anoush das Verbot in kausaler Relation zu Athenas Tod dar („Und ich verbot die Musik!!! […] Weil Athena gestorben ist!“). Durch die dreifache Wiederholung der Ausrufezeichen wird vorstellbar, dass Triton sein Verbot mit Nachdruck vermittelt. Im Film zeigt nur das Bild, dass Arielle in der Nacht, während ihre Schwestern schlafen, aufbricht, um Atlantica zu verlassen. Auch dies findet Eingang in Anoushs Formulierung, sodass der Zeitpunkt des Aufbruchs vorstellbar wird (Es war schon dunkel, alle schlafen). In der Darstellung des Zeitpunktes, an dem Arielle Fabius kennenlernt, weicht Anoush von der Darstellung im Film ab, die Art der ersten Begegnung (Fabius‘ Erschrecken und Arielles Interesse) ist wiederum sehr ähnlich. Eine Interjektion ermöglicht, sich Fabius‘ Angst vorzustellen („Ahh!“). Das Ende variiert Anoush. Der Triumph der Hexe, Arielle in ihren Fängen zu haben, wird als semantische Ersetzungsfigur durch Ironie („Hast du mich vermisst?“) und eine Interjektion („Muhahahahah“) zum Ausdruck gebracht. Mit der Wiederholung von Buchstaben und Ausrufezeichen versucht sich Anoush an Formen, die das, was der Film in Ton und Bild z.B. als hämisches Lachen oder langgezogenen Schrei vermittelt, auf dem Papier zum Ausdruck bringen. Die Korrespondenzen zwischen Anoushs Geschichte und der Darstellung im Film verdeutlichen das Potenzial, das im Erzählen zu filmisch vermittelten Geschichten liegt. Da die Geschichten zu den Figuren – abgesehen vom Märchen zu Rotkäppchen – zu umfangreich sind, um sie ganz zu erzählen, konkretisieren die Schülerinnen und Schüler immer nur einen Teil der gesamten Geschichte, oft detailliert wie Nele und Anoush (wenn auch zumeist nicht so nah an der rezipierten Vorgabe), in einigen Fällen stark gerafft wie Kendrik: Spider-Man Es war ein Junge, der wurde von einer Spinne gebissen. Und so wurde er Spider-Man. Er musste gegen den bösen Spider-Man kämpfen. Der böse Spider-Man hätte ihn fast besiegt, aber er hatte einen Trick. Er nimmt sein Spinnennetz und macht eine Falle und hat gewonnen (Kendrik G25d). Kendriks Geschichte ist kurz, vermittelt aber prägnant ein inhaltliches Muster, das sich durch alle Erzählungen zu Spiderman zieht: Spiderman kämpft gegen einen bösen Gegner und schafft es im letzten Moment, ihn mit seiner Fähigkeit Netze zu spinnen, zu besiegen. Trotz der starken Raffung erprobt Kendrik eine Sprachform, die die Bedeutung dieser Fähigkeit literarisch hervorhebt (aber er hatte einen Trick). Indem er den

196

7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

Trick nicht gleich benennt, sondern zunächst nur andeutet, erhöht sich die Aufmerksamkeit Lesender auf das Folgende. Vorstellbar wird, wie es ist, außergewöhnliche Fähigkeiten zu besitzen und das Böse zu besiegen. Eine Vorstellung der Ereignisfolge entsteht (nur) aus der kohärenten Abfolge der Ereignisse selbst. Erweiterung der Geschichte Zwei Kinder schreiben Geschichten, die die Geschichte der Figur erweitern. Rafael schreibt eine Fortsetzung der Geschichte vom König der Löwen, die kohärent an die Geschichte, die der Film erzählt, anknüpft (König der Löwen 4, s. F23d). Wie in der ersten Fortsetzung des Films (der die Geschichte von Simbas und Nalas Tochter Kiara und ihrem Freund Kovu erzählt) werden die Nachkommen der Hauptfiguren auch in Rafaels Geschichte (die von Kiaras und Kovus Sohn Roku und seiner Freundin Krafoi erzählt) zu Hauptfiguren. Eine weitere Parallele besteht darin, dass alle Geschichten mit der Geburt der Nachkommen beginnen, deren Leben und der Frieden des Landes durch eine böse Figur bedroht werden. In Rafaels Geschichte (wie auch im ersten Film) gelingt es dem Vater zunächst, sein Kind zu retten, dann aber stirbt er. In gewisser Weise stellt die Weitererzählung also auch eine Variation der Geschichte von König der Löwen dar. Anke erweitert die Geschichte von Arielle um eine Episode, die sich kohärent einfügen lässt (s. F02d). Allerdings könnte es auch sein, dass Ankes Geschichte eine von ihr rezipierte Version konkretisiert. Darüber hinaus enthalten einige Geschichten (wie die Geschichten zur Sage) möglicherweise Teile, die die Geschichte der Figur erweitern, die aber aufgrund fehlender Kenntnis der von den Kindern rezipierten Version(en) und Adaption(en) (von Teilen) der Geschichte der Figur nicht erkannt werden. Da das (erkennbare) Vorkommen von Erweiterungen sehr gering ist, wird die Analyse hier nicht vertieft. Variation (von Teilen) der Geschichte Es war einmal ein Mädchen. Und sie hieß Rotkäppchen. Rotkäppchen war ein liebes Mädchen. Rotkäppchen war schlau und ging eines Tages zur Großmutter. Und der Weg war sehr lang. Sie musste durch einen Wald gehen. Er war sehr dunkel und gruselig. Und eines Tages traf sie einen Wolf auf dem Weg zur Großmutter. Und war ängstlich. Er sah gruselig aus, ich zitterte vor Angst. Ich dachte, ich gehe lieber nicht mehr zur Großmutter {gehen}. Aber da wäre sie zu traurig und sie würde vergammeln, dachte ich, aber ich war mutig und ging weiter. Nach 1 km begegnete ihr ein Jäger. Und die Strecke war insgesamt 30 km lang. Sie dachte, hm, soll ich [es] dem Jäger sagen. Und sie sagt ihm das. Er sagt, dann lass uns den Wolf jagen. Ja, sagte Rotkäppchen. Noch 18 Meter, sagte Rotkäppchen. Und freute sich, dass der Wolf bald tot ist. Nach (3 Min.)

7.3 Figuren: Von Räuberei und Schläue

197

waren sie da. Das Haus der Großmutter. Und ging rein, im Bett lag der hungrige Wolf. Mit der Großmutter im Bauch. Und wartete auf Rotkäppchen. Man hört die Stimme der Großmutter im Bauch des Wolfes. Rotkäppchen fängt an zu weinen, der Jäger beruhigt sie. Rotkäppchen war erschöpft, zuerst die Begegnung mit dem Wolf und dann die Begegnung mit dem Jäger. Sie war erschöpft, das kann man sagen. Der Jäger sagte zu Rotkäppchen, bitte gehe raus. Ok, sagt Rotkäppchen. Er erschoss den Wolf in [den] Bauch, alles fliegt raus, die Großmutter kletterte raus, alle feierten glücklich. Ende Ende Ende Ende (Lara, F56d). Laras Geschichte ist eine Variation der Geschichte von Rotkäppchen, einige Teile werden dabei auch konkretisiert. Wie im Märchen geht Rotkäppchen durch den Wald zur Großmutter. Doch schon am Anfang wird nicht nur ihr liebes Wesen beschrieben, sondern auch ihre Schläue, was für Leser, die das Märchen kennen, ein erster Hinweis darauf ist, dass die Geschichte anders verlaufen könnte. Vorstellbar wird, wie es ist, allein durch den Wald zu gehen. Lara hebt mit einer Intensitätspartikel die Länge des Weges, die Dunkelheit und die Furcht hervor (Und der Weg war sehr lang. Sie musste durch einen Wald gehen. Er war sehr dunkel und gruselig). Während sich Rotkäppchen im Grimmschen Märchen nicht vor dem Wolf fürchtet, weil sie nicht weiß, was für ein böses Tier das ist, hat sie in der Geschichte von Lara große Angst, als sie ihn trifft (was auch ihre Schläue zeigt). Vorstellbar wird die Angst vor allem durch einen Perspektivwechsel (von der Erzählerfigur zur Ich-Erzählerin), der Lesende teilhaben lässt an Rotkäppchens Gefühlen und Gedanken (Er sah gruselig aus, ich zitterte vor Angst. Ich dachte, ich gehe lieber nicht mehr zur Großmutter {gehen}. Aber da wäre sie zu traurig und sie würde vergammeln, dachte ich, aber ich war mutig und ging weiter). 121 Das Ausmaß der Angst hebt Lara dabei durch eine semantische Ersetzung hervor (ich zitterte vor Angst), und auch die Überlegung umzukehren zeugt von großer Angst. Aber der Gedanke an die Trauer und Gebrechlichkeit der Großmutter weckt Rotkäppchens Mut. Die Fortsetzung des Weges durch den Wald entspringt also reiflicher Überlegung. Im Unterschied zum Märchen begegnet Rotkäppchen dem Jäger, bevor sie zum Haus der Großmutter gelangt. Wieder denkt sie nach, ehe sie ihm von der Begegnung mit dem Wolf erzählt. Kurz bevor sie da sind, freut sich Rotkäppchen, dass der Wolf bald tot ist. Lara schürt damit die Hoffnung auf ein gutes Ende, erzeugt aber zugleich Neugier, ob es eintritt. Wie im Märchen liegt der Wolf mit der Großmutter im Bauch im Bett und erwartet Rotkäppchen. In Laras Geschichte erfährt man jedoch schon an dieser Stelle, dass die Großmutter im Bauch noch lebt, da man ihre Stimme hört. Indem Lara thematisiert, dass Rotkäppchen weint, und durch Wiederholungsfiguren und ein metanarratives Element die Begegnungen und Rotkäppchens Erschöpfung hervorhebt 121

Auch wenn der Wechsel der Erzählperspektive ungewöhnlich ist, erprobt Lara damit ein narratives Muster.

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7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

(Rotkäppchen war erschöpft, zuerst die Begegnung mit dem Wolf und dann die Begegnung mit dem Jäger. Sie war erschöpft, das kann man sagen), wird vorstellbar, wie es Rotkäppchen nach all der Anstrengung und Angst geht. Im Unterschied zum Märchen bleibt ihr erspart, dass der Wolf sie auffrisst, der Jäger tötet den Wolf und rettet die Großmutter. Laras Geschichte ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, einer Gefahr ausgesetzt zu sein, sich dieser mutig und überlegt zu stellen und gerettet zu werden. Eine Vorstellung der Ereignisfolge erzeugen Zeitangaben (eines Tages, bald, Nach (3 Min.) und in der Rückschau auf das Geschehen: zuerst … dann), Raumwechsel (zur Großmutter, durch einen Wald, weiter, da, Das Haus der Großmutter, Und ging rein, bitte gehe raus) und Angaben zur Distanz, die zwei Zeitsprünge zum Ausdruck bringen, indem sich die Distanz verringert (sehr lang, Nach 1 km, insgesamt 30 km lang, Noch 18 Meter). Während Lara in ihrer Variation auch Teile des Märchens von Rotkäppchen konkretisiert, schreibt Merik eine Geschichte, die im Ganzen eine Variation der Geschichte des Königs der Löwen darstellt: Der König der Löwen Der König der Löwen und sein Kind ging[en] zum Dschungel. Sie trafen eine Giraffe und eine Schildkröte. Der Sohn des Königs der Löwen wurde von Wildschweinen entführt. Der König der Löwen schrie: „Wo, wo ist mein Kind, neeeiiiinnnn!“ Die Giraffe sagte: „Und was sollen wir jetzt machen.“ Der König der Löwen antwortete: „Wir müssen irgendwie {den} [das] Versteck von den Wildschweinen finden.“ Die Giraffe antwortet: „Meinst du, da drüben ist das Versteck.“ Der König der Löwen antwortet: „Lass uns da hingehen.“ Aber das war eine Falle. Aber sie haben sich noch als Wildschwein verkleidet. Und {sie} /die Wildschweine/ haben das noch geglaubt. Und sie haben den Sohn vom König der Löwen befreit, und sie lebten zufrieden. Zu Ende (Merik, F83m). Mit seiner Geschichte über einen Vater, der sein Kind verliert, sich auf die Suche macht und es wiederfindet, schreibt Merik sich ein in ein elementares Handlungsmuster von Geschichten. 122 Obwohl Meriks Geschichte von anderen Ereignissen erzählt als die bekannte Geschichte zum König der Löwen, geht es um eine ähnliche Erfahrung. Beide Geschichten ermöglichen, sich vorzustellen, wie es ist, wenn jemand, den man liebt, in Gefahr gerät. Während in der Geschichte, die der Film erzählt, das Löwenjunge Simba 122

Mit Bezug auf Freud bezeichnet Eagleton das Verlieren und Wiederfinden als Grundmuster klassischer Erzählungen: „Fort-da ist vielleicht die kürzeste Geschichte, die wir uns ausdenken können: ein Objekt wird verloren und dann wiedergefunden. Aber auch die komplizierteste Erzählung kann als Variation dieses Modells gelesen werden: das Grundmuster der klassischen Erzählung besteht darin, daß eine ursprüngliche Anordnung zerstört wird, um dann letztlich wiederhergestellt zu werden“ (Eagleton [1985] dt. 1994, S. 177, zum Muster der „Wunscherfüllung“ vgl. auch Wardetzky 2015, S. 36).

7.3 Figuren: Von Räuberei und Schläue

199

in Gefahr ist, weil sein Onkel ihn in eine Schlucht lockt und eine aufgeschreckte Herde Gnus hineintreiben lässt, die alles niedertrampeln, wird der Sohn des Löwenkönigs in Meriks Geschichte von Wildschweinen entführt. Indem Merik mit einer morphematischen Wiederholungsfigur (Wo, wo ist mein Kind) und der Hinzufügung von Buchstaben (neeeiiiinnnn!) die Reaktion des Vaters auf die Entführung des Sohnes sprachlich hervorhebt, vermittelt sich das Entsetzen und die Verzweiflung des Löwenvaters besonders eindringlich. Eine ähnliche Reaktion zeigt der Vater im Film „Der König der Löwen“, als er erfährt, dass Simba in Gefahr ist. In beiden Geschichten macht er sich auf die Suche, um den Sohn zu retten. Im Film endet die dramatische Rettungsaktion mit dem Tod des Vaters. Merik stellt seiner Hauptfigur zwei Helfer an die Seite. Gemeinsam mit Giraffe und Schildkröte gelingt es, das Versteck der Wildschweine zu finden. Bevor sie den Sohn befreien können, erhöht Merik kurz vor dem Ende mit einem klassischen retardierenden Moment, das das glückliche Ende hinauszögert, die Spannung (Aber das war eine Falle). Indem er die Gefahr nur andeutet, macht er Lesende neugierig, was für eine Falle das ist, überlässt es ihnen aber selbst, diese Leerstelle zu füllen. Wichtiger erscheint ihm zu erzählen, dass es gelingt, die Wildschweine mit einer List zu täuschen und den Sohn zu befreien. Eine Vorstellung der Ereignisfolge entsteht vor allem durch die Kohärenz der thematisierten Ereignisse und Ortswechsel (zum Dschungel, entführt, da hingehen, befreit). Zur Häufigkeit der Textformen beim Schreiben zu Figuren Da die Geschichten der Figuren durch viele unterschiedliche Medien zugänglich sind und es zahlreiche Versionen und Adaptionen des Stoffes gibt (z.B. eine Fernsehserie zu Pippi Langstrumpf, in der neu erfundene Geschichten gezeigt werden, und Computerspiele zu Spiderman, in denen gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Gegner gekämpft wird), ist es kaum möglich, durchgängig mit Sicherheit zu bestimmen, ob eine Geschichte eine Konkretion oder Variation einer rezipierten Geschichte ist oder Erweiterungen enthält, sodass die Angaben zur Häufigkeit möglicherweise nicht ganz präzise sind. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass einige Geschichten, die als Variation betrachtet werden, eigentlich Konkretionen (und evtl. auch Erweiterungen) einer rezipierten Geschichte sind. 123 Etwas weniger als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (44%) aus Klasse 3 konkretisiert beim Schreiben zur Figur einen Teil der Geschichte (vgl. Abb. 8). Die meisten (29% der Gesamtgruppe) bleiben dabei, wie Nele, dem Original treu, einige (15% der Gesamtgruppe) variieren kleine Details (wie z.B. die Namen der Figuren). Zwei Kinder 123

Der Anteil der Geschichten, bei denen eine Unsicherheit besteht, beträgt ca. 13%.

200

7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

(2%) schreiben Erweiterungen. Die andere Hälfte der Kinder (50%) variiert die Geschichte zur Figur. Gut die Hälfte dieser Kinder (29% der Gesamtgruppe) konkretisiert wie Henrik auch (kleine) Teile der Geschichte. Die anderen Kinder (21% der Gesamtgruppe) variieren wie Merik die ganze Geschichte. Der Grad der Nähe zur ursprünglichen Geschichte ist dabei unterschiedlich hoch. Vier Kinder schreiben ausschließlich Geschichten, bei denen kein Bezug zu einer der sechs Geschichten zur Figur erkennbar ist. 124 Es scheint, als hätten diese Kinder sich zu der abgebildeten Figur eine Geschichte ausgedacht, ohne die Geschichte der Figur zu kennen oder gedanklich einzubeziehen.

100% 90%

kein Bezug

80% 70% Variation

60% 50% 40%

Erweiterung

30% 20% Konkretion

10% 0%

Figuren

Abb. 8: Textformen zu Figuren (N=96)

Wie beim Schreiben zur Sage nutzen die Schülerinnen und Schüler auch beim Schreiben zu Figuren den weiten Spielraum der Aufgabe, um mit deutlicher oder geringer Nähe zur Vorgabe zu thematisieren, was ihnen wichtig ist. Dass der Anteil der Kinder, die Variationen verfassen, auch hier höher ist als der Anteil der Kinder, die Konkretionen verfassen, liegt vor allem an Kindern aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes. In Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes schreiben mehr Kinder Konkretionen (59%) als Variationen (38%). Bei den Kindern aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes ist es nahezu umgekehrt (Konkretionen: 34%; Variationen: 58%). Das Erzählen zur Figur, deren Geschichte viele Schülerinnen und Schüler der Lerngruppe kennen, könnte 124

Fünf weitere Kinder schreiben neben einer Geschichte ohne Bezug noch eine (bzw. mehrere) andere Geschichte(n), die Bezug zur Geschichte der Figur hat (bzw. haben).

7.4 Textformen: Zentrale Befunde

201

für die Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes einen ähnlichen Reiz haben wie die „Geflechterzählung“ (Wagner 1986), bei der die Erzählwürdigkeit darin besteht, dass ein gemeinsames Erlebnis durch das Erzählen in der Vorstellung allen wieder präsent wird. Allerdings stellt sich bei dieser Erklärung die Frage, warum nicht auch die Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes mehr Konkretionen zu Papier bringen. Es könnte auch sein, dass die Erinnerung an die Geschichte den Kindern in der Gruppe, die im Vergleich zur anderen Gruppe einen deutlich höheren Anteil leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler hat, so viel abverlangt, dass eine zusätzliche Variation (eher) vermieden wird, oder aber, dass die außerschulisch rezipierten Geschichten so zugänglich sind, dass es einem hohen Anteil an Kindern gelingt, einen Teil der Geschichte zu konkretisieren. Die Beispiele zeigen, dass sowohl Konkretion als auch Variation von Teilen der Geschichte zur Figur ein Sich-Einschreiben in narrative Muster befördert und dabei Sprachformen erprobt werden, die vorgestellte Erfahrung thematisieren und hervorheben, oder die die Vorstellung einer Ereignisfolge ermöglichen. Auch außerschulisch rezipierte Geschichten – insbesondere auch Geschichten, die durch andere Medien als das Buch zugänglich sind – enthalten also sprachbildendes Potenzial. Auf welche Art und Weise und in welchem Umfang die Schülerinnen und Schüler dieses Potenzial – über die Beispiele hinaus – genutzt haben, wird in Kapitel 8.3 und 9.3 dargestellt.

7.4 Textformen: Zentrale Befunde Beim Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt zeigen sich drei Formen des Wiedererzählens, die keine Imitationen der Vorgabe darstellen, sondern Transformationen, bei denen durch Auswahl, Ergänzung und Umgestaltung eine „neue“ Geschichte entsteht. Diese Formen der Korrespondenz sind: -

Konkretion, Erweiterung, Variation.

Durch die Bezugnahme auf dargestellte Figuren, Räume, Zeit und Handlungen nutzen die Schülerinnen und Schüler alle drei Vorgaben für die Gestaltung zentraler Elemente, die Rezipierenden ermöglichen, eine Storyworld zu erzeugen. Obwohl es auf den ersten Blick leichter erscheint, einen Teil der rezipierten Geschichte zu konkretisieren, verfassen beim Schreiben zur Sage und zu Figuren mehr Kinder Variationen (65% bzw. 50%) als Konkretionen (35% bzw. 44%) (s. Abb. 9).

202

7 Textformen als Konkretion, Erweiterung und Variation

100% 90%

kein Bezug

80% 70% Variation

60% 50% 40%

Erweiterung

30% 20% Konkretion

10% 0%

Sage

Gemälde

Figuren

Abb. 9: Textformen beim Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt (N=96)

Da sowohl Konkretionen als auch Variationen ganz unterschiedlich (komplex) realisiert werden, lässt sich dieser Trend nicht mit dem Grad der Anforderungen begründen. Möglicherweise erscheint vielen Kindern eine Variation der bekannten Geschichte besonders erzählwürdig. Beim Schreiben zu Figuren ist der Anteil derer, die einen Teil der Geschichte konkretisieren, etwas höher (44%) als beim Schreiben zur Sage (35%). Das liegt vor allem daran, dass in den Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes beim Schreiben zu Figuren deutlich mehr Kinder Konkretionen und deutlich weniger Kinder Variationen verfassen als beim Schreiben zur Sage. Bei den Kindern aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes bleibt der Anteil nahezu gleichhoch. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Erzählwürdigkeit einer bekannten Geschichte zu einer Figur von Schülerinnen und Schülern aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes höher eingeschätzt wird als beim Schreiben zur Sage, die alle kurz zuvor gehört haben. Andere Gründe könnten sein, dass es den Kindern aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes leichter fällt, Teile der Geschichten zur Figur zu konkretisieren, weil sie die Geschichte zur Figur besser kennen (und möglicherweise auch besser verstehen) als die Sage, oder aber, dass ihnen die Variation beim Schreiben zur Figur schwerer fällt, weil die Rezeption länger her ist. Es bleibt festzuhalten, dass die Schülerinnen und Schüler beim Schreiben zu Sage und Figuren den Spielraum der Aufgabenstellung nutzen, um sowohl Konkretionen (z.T. mit Erweiterungen) als auch Variationen zu formulieren. Während sich die Anteile der Textformen, die die Kinder zu Papier bringen, beim

7.4 Textformen: Zentrale Befunde

203

Schreiben zur Sage und zur Figur grundsätzlich ähneln, wird deutlich, dass das Schreiben zum Bild eine andere Form der Bezugnahme erzeugt. Da das Gemälde selbst keine entfaltete Geschichte darstellt, die konkretisiert oder variiert werden kann, sind fast alle Erzählungen zum Gemälde Erweiterungen. Dennoch beschränken sich die Schülerinnen und Schüler nicht auf das Weitererzählen, sondern nutzen die Möglichkeit, sich das Dargestellte als Ausschnitt vorzustellen, (auch) für Erweiterungen des dargestellten Moments um seine Vorgeschichte. Die Vermutung, dass die Kinder beim Schreiben dieser Erweiterungen wiederum (auch) aus ihrem Geschichtenfundus schöpfen und zuvor rezipierte Geschichten konkretisieren oder variieren, liegt nahe und wird durch Beispiele bestätigt, die Bezüge deutlich zu erkennen geben, z.B. zum Märchenfilm (Amanda G66m), zur Sage von Odysseus (Diana G11d) oder zu einem bestimmten Genre wie z.B. dem der Liebesgeschichte (z.B. Ben G51d) oder der Detektivgeschichte (Carla G01d). Während beim Schreiben zur Sage und zum Gemälde in allen Texten Formen der Bezugnahme erkennbar sind, entstehen beim Schreiben zu Figuren einzelne Texte (4%), die sich zwar auf eine abgebildete Figur, aber nicht auf die spezifische Figur und ihre Geschichte beziehen. Die Beispiele zeigen, dass nicht nur die Konkretion einer Vorgabe ein Sich-Einschreiben in narrative Muster befördert, sondern auch bei der Konkretion von Teilen, der Erweiterung und der Variation des Dargestellten Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen erprobt werden. Vor diesem Hintergrund scheinen (klassische) Aufgaben wie die Nacherzählung oder die Weitererzählung das sprachbildende Potenzial einer rezipierten Geschichte einzuschränken. Indem entweder eine vollständige Konkretion verlangt wird, während Erweiterung und Variation ausgeschlossen werden, oder aber eine kohärente Fortführung der Geschichte verlangt wird, die sowohl andere Formen der Erweiterung als auch Konkretion und Variation ausschließt, können vielfältige Formen der Korrespondenz zur rezipierten Vorgabe, die sich in den unterschiedlichen Textformen der Schülerinnen und Schüler zeigen, gar nicht erst entstehen. Auf welche Art und Weise und in welchem Umfang die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 das Potenzial der Vorgaben – über die Beispiele hinaus – genutzt haben, um sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen einzuschreiben, wird in Kapitel 8 und 9 dargestellt.

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung Im Mittelpunkt des Interesses steht, wie Kinder im Grundschulalter vorgestellte Erfahrung schreibend zu Papier bringen. Welche vorgestellten Erfahrungen thematisieren sie zur Sage, zum Gemälde oder zu Figuren aus Literatur und Medien und welche Sprachformen ermöglichen wiederum Lesenden, sich diese Erfahrungen vorzustellen? Vor dem Hintergrund eines literaturwissenschaftlichen Ansatzes, für den Darstellung und Vorstellung von Erfahrung ein zentrales Element von Narration ist, werden die Texte der Schülerinnen und Schüler so betrachtet, wie sie sind, und nicht, wie sie – gemessen an einem Entwicklungsmodell – sein sollen (vgl. Dehn 1996 mit Bezug auf Nussbaumer 1991). Um herauszufinden, ob nur einzelne oder immer dieselben Schülerinnen und Schüler (hervorgehobene) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung erproben oder ob der Zugang zu einer Vorgabe mit narrativem Gehalt für (viele) Kinder sprachbildendes Potenzial hat, wird die qualitative Analyse jeweils ergänzt um eine Auswertung, die sich auf die Häufigkeit des Vorkommens bezieht, allerdings nicht im Sinne einer statistischen Auswertung, sondern in hypothesenbildender Absicht. Durch die Erhebung der Texte in Einzugsgebieten, deren soziale Struktur sich extrem unterscheidet, ist es möglich, sowohl in den Blick zu rücken, was so jungen Schreiberinnen und Schreibern unter sehr günstigen Bedingungen möglich ist, als auch einen Einblick zu gewinnen in das, was ihnen unter weniger günstigen Bedingungen gelingt. Da die Erzählungen in Klassen erhoben wurden, in die sowohl mehrsprachig als auch einsprachig deutsch aufwachsende Kinder gehen, ist auch ein Vergleich möglich, der den sprachlichen Hintergrund einbezieht. Die Auswahl der Beispiele gewährt Einblick in Sprachformen von Schülerinnen und Schülern aus beiden Einzugsgebieten mit unterschiedlichen sprachlichen Hintergründen. Weitere Beispiele für erprobte Sprachformen für vorgestellte Erfahrung sind jeweils im Anhang (S. 391-396) zu finden. Eine Übersicht der Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Weite (zur Sage) ermöglicht, die Analyse aller erprobten Sprachformen für eine bestimmte vorgestellte Erfahrung beispielhaft nachzuvollziehen (s. Anhang, S. 391 f.). 8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung Die Vielfalt der Themen, um die es in den Geschichten der Grundschulkinder zur Sage geht, ist groß (s. Kapitel 7.1). Unabhängig davon, ob sie das Gehörte konkretisieren, erweitern oder variieren, schreiben sie über Kunstfertigkeit und Ruhm, Eifersucht, Weite, Flucht und Heimweh, Macht und Gefangenschaft, Suche und Befreiung, Sorge, das Fliegen, Übermut und Verzweiflung oder Glück; es geht um Leben und Tod. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Analysen von Sprachformen zu vier zentralen Erfah© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_9

206

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

rungen vorgestellt, die besonders häufig thematisiert wurden (Weite, Fliegen/Übermut, Verzweiflung und Kunstfertigkeit/Ruhm). Die Analysen von Sprachformen für weitere vorgestellte Erfahrungen werden zusammenfassend ergänzt. Fast alle Kinder (94%) schreiben Geschichten, die Lesenden die Vorstellung mindestens einer dieser vier zentralen Erfahrungen eröffnen. Beim Schreiben zur Sage erprobt ein hoher Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 hervorgehobene Sprachformen (95% der Gesamtgruppe), in den meisten Texten beziehen sich die Hervorhebungen (auch) auf eine der zentralen Erfahrungen (81%). Im Mittelpunkt des Interesses steht, zu erkunden, welche Erfahrungen Kinder im Grundschulalter nach der Rezeption der Sage erzählend zur Sprache bringen und in welche Sprachformen sie sich dabei einschreiben. Es geht darum, anhand der entstandenen Produkte Einblicke in Transformationsprozesse zu erlangen, um die Rolle der Vorstellungsbildung beim Schreiben besser zu verstehen und das didaktische Potenzial sprachlich geformter Vorgaben mit narrativem Gehalt am Beispiel der Sage von Dädalus und Ikarus zu untersuchen. 1) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Weite: Schnell floh Dädalus weit weg übers Meer davon (Lia S45d) Die Sage eröffnet an zwei Stellen die Möglichkeit, eine Vorstellung von Weite zu entwickeln: Einmal geht es um die Weite der Flucht nach dem Mord an dem Schüler, das andere Mal geht es in einer Vorausschau um die Distanz, die Dädalus und Ikarus fliegend zurücklegen müssen auf der Flucht von der Insel zurück in die Heimat. Vorgelesen wurde: Er floh weit über das Meer (…) aber nun mussten sie richtig weit fliegen (…) und sie flogen an vielen Inseln vorbei. Nachdem Lia, die die Geschichte von Dädalus und Ikarus als Konkretion wiedererzählt (s. Anhang, S. 440), geschrieben hat, dass Dädalus seinen Schüler vom Berg in die Tiefe stürzen ließ und dieser tot war, schreibt sie: Schnell floh Dädalus weit weg übers Meer davon (Lia S45d). Diese Formulierung ermöglicht eine Vorstellung von Weite -

-

durch das Verb „floh“, das die Vorstellung des Zurücklegens einer weiten Strecke nahelegt – für das Verb „fliehen“ wird als Synonym u.a. auch „das Weite suchen“ im Duden angegeben; durch die explizite Kennzeichnung der Strecke als „weit“; durch Adverbien, die angeben, dass Dädalus sich von einem Ort entfernt: „weg“, „davon“; durch die Angabe des Überwindens einer weiten Fläche: „übers Meer“.

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

207

Aber erst im Verbund ergeben diese Worte eine Sprachform, die über die Bedeutung der einzelnen Worte (das Verlassen eines Ortes und das Zurücklegen einer weiten Strecke über das Meer) hinausgeht. Das Wort „weit“ geht sowohl mit dem Wort „floh“ eine besondere Verbindung ein, da das Fliehen das Zurücklegen einer weiten Strecke impliziert, als auch mit der Formulierung „über das Meer“, da das Meer naturgemäß weit ist. Solche semantischen Figuren der Erweiterung häufen sich in Lias Formulierung. „Schnell“ steigert die Vorstellung des Fliehens, das schon für sich genommen eine eilige Bewegung ausdrückt, und auch „weg“ und „davon“ bezeichnen als Wörter, die das Entfernen von einem Ort angeben, einen Aspekt des Fliehens. Sie bilden eine Tautologie, die die Sprachform „weit weg übers Meer davon“ rhythmisch gliedert (weit – übers Meer; weg – davon). Darüber hinaus erprobt Lia mit der Sprachform „weit weg“ eine phonologische Figur, eine Alliteration, die Flucht und Weite verbindet. Lias Sprachform birgt das Potenzial, die Vorstellung von Weite zu ‚weiten‘ – in Bezug auf die Distanz und in Bezug auf das Ausmaß der Rettung vor der Gefahr der Bestrafung, der Dädalus mit der Flucht entgeht. Die Sprachform ermöglicht Rezipierenden, dass die Weite in der Vorstellung erfahrbar wird, sodass das Ausmaß der Flucht quasi ‚(mit)erlebt‘ werden kann. Als hervorgehobene – literarische – Sprachform, eröffnet sie einen Spielraum für die Vorstellungsbildung und kann dazu beitragen, dass sich die innere Beteiligung von Lesenden an der Erzählung steigert. Lia thematisiert Weite also als literarische Sprachform. Sie ist nicht die einzige. Das Angebot der Sage, nämlich Weite zu thematisieren, nimmt knapp die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (47%) aus Klasse 3 auf (s. Abb. 10; Anhang, S. 391 f.). Ein Viertel aller Kinder (25%) bringt dabei auch hervorgehobene Sprachformen zu Papier. Etliche dieser Geschichten enthalten mehr als eine Hervorhebung, sodass insgesamt 36 hervorgehobene Sprachformen entstehen, die vorgestellte Erfahrung von Weite eröffnen. 125 Sprachformen, die Weite (im Sinne einer weiten Strecke oder der Weite des Raumes) nur thematisieren, ohne Hervorhebung, benennen z.B. die Länge des Weges oder die Überwindung des Meeres, das naturgemäß weit ist, oder enthalten ein Verb, das die Vorstellung des Zurücklegens einer weiten Strecke nahelegt: -

125

Jetzt kommt ein langes Stück Fliegen (Lola S40d); Er reist übers Meer (Joris S48d); … aber sie konnten fliehen (Meik S74d).

Im Folgenden werden einmalig weitere erprobte Sprachformen für vorgestellte Erfahrung dargestellt. Zu den anderen Themen (und Vorgaben) sind weitere Beispiele jeweils im Anhang (S. 392405) zu finden.

208

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Gut ein Fünftel aller Kinder (22%) erprobt ausschließlich Sprachformen, die Weite ohne Hervorhebung thematisieren, ein weiteres Viertel erprobt außerdem hervorgehobene Sprachformen. In Sprachformen, die Weite instrumentell hervorheben, wird die Vorstellung der Weite (der Strecke, die die Protagonisten zurückgelegen) verstärkt, z.B. durch eine Intensitätspartikel, ein intensivierendes Adjektiv oder das Adverb „immer“, das in Verbindung mit dem Komparativ eine ständige Steigerung bezeichnet und die Vorstellung eines sich endlos ausdehnenden Weges erzeugt: -

Wenig später waren sie schon sehr weit (Anna S08d); Sie sind an ganz vielen Inseln vorbeigeflogen (Jabar S55m); Dädalus schwamm immer weiter (Farouk S82m).

Neun Kinder (9%) erproben Sprachformen, die Weite instrumentell hervorheben, sechs davon ausschließlich (6%), die anderen drei (3%) bringen sowohl instrumentelle als auch literarische Hervorhebungen zu Papier. Insgesamt entstehen 10 instrumentelle Sprachformen. In Sprachformen, die Weite literarisch hervorheben, wird zum Beispiel wie in Fabians Text die Vorstellung einer endlosen Flucht durch eine (für Narration typische) morphologische Wiederholungsfigur erzeugt, die impliziert, dass eine weite Strecke zurückgelegt wird. Wie bei Lia ‚weiten‘ semantische Wiederholungsfiguren in Sandras Geschichte die Vorstellung von Weite und eine Metonymie, in der „die Luft“ durch „das Weite“ ersetzt wird, ermöglicht neben der Vorstellung von Weite auch die von Freiheit. In Kombination mit einer phonologischen Wiederholungsfigur, die die Weite des Weges hervorhebt, legt Noemas rhetorische Frage nahe, sich vorzustellen, dass der Weg so weit ist, dass es für Dädalus und Ikarus schwer wird, ihn zu schaffen: -

Er floh und floh (Fabian S47d); Dädalus sagte zu Ikarus, wir müssen fort in das Weite hinaus (…) Da flogen sie weit über die Luft (Sandra S92m); … aber würden sie den weiten Weg schaffen? (Noema 32d).

Fast ein Fünftel aller Kinder (19%) erprobt Sprachformen, die Weite literarisch hervorheben, fast alle (16%) ausschließlich. Etliche Kinder formulieren mehr als eine solche Hervorhebung, sodass zum Aspekt der Weite 26 literarische Sprachformen entstehen. Die Rezeption der Vorgabe regt demnach knapp die Hälfte aller Kinder aus Klasse 3 dazu an, Sprachformen zu erproben, die die Erfahrung von Weite zum Ausdruck bringen bzw. Lesenden ermöglichen, sich diese Erfahrung vorzustellen. Für Kinder im

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

209

Grundschulalter scheint die Auseinandersetzung mit der Erfahrung von Weite eher ungewöhnlich. Im Kontext der Vorgabe ist ihnen das Thema jedoch zugänglich und so wichtig, dass sie es zur Sprache bringen.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Weite

Abb. 10: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Weite einschreiben (Sage)

Bemerkenswert ist, dass deutlich mehr Kinder dabei literarische Sprachformen erproben als instrumentelle, obwohl letztere als weniger komplex und leichter zu erwerben gelten dürften. Bemerkenswert ist auch, dass Imitationen der Sprachformen der vorgelesenen Sage (die beide Formen der Hervorhebung enthält) kaum vorkommen. 126 Wohl aber sind Spuren der Vorgabe – als Variationen semantischer Erweiterungsfiguren und Intensifikatoren – in den Texten der Kinder erkennbar. Die Sprachformen der Grundschülerinnen und -schüler scheinen einem Prozess der gedanklichen Auseinandersetzung mit vorgestellter Erfahrung von Weite zu entspringen, den die Sprachformen der Vorgabe erzeugen und als Fundus für Adaption und Transformation begleiten. Die Vorstellung einer Storyworld, in der die Erfahrung von Weite eine zentrale Rolle spielt – sowohl für den Umgang mit Schuld und Angst als auch für die Erfahrung von 126

Lediglich eine Schülerin übernimmt eine literarische Formulierung aus der Sage (Dann musste Dädalus fliehen, weit über das Meer, Olga S14m), bindet sie aber syntaktisch anders ein, und eine andere Schülerin hebt Weite auf dieselbe Art und Weise instrumentell hervor (…aber jetzt müssen sie richtig weit fliegen, Maja S44d).

210

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Heimweh und Befreiung – eröffnet schon Schreibenden im Grundschulalter die Möglichkeit, sich einzuschreiben in hervorgehobene Sprachformen.

2) Sprachformen für vorgestellte Erfahrungen vom Fliegen und von Übermut: Plötzlich überrollte Ikarus der Übermut und wollte höher und höher (Niko S17d) An mehreren Stellen lädt die Sage dazu ein, sich vorzustellen, wie es ist zu fliegen. Nach dem Bau der Flügel unternimmt Dädalus einen Probeflug und das, was zuvor unmöglich erschien, gelingt: Dädalus fliegt wie ein Vogel – scheinbar mühelos. Dass ein weiter Flug für den jungen Ikarus allerdings auch viele Gefahren birgt, verdeutlicht die eindringliche Warnung des Vaters. Trotzdem wagen sie den Flug und vorstellbar wird, wie es ist, als Vogel vom Wind getragen zu werden und hoch über dem Meer durch die schimmernde Luft zu fliegen. Auch während des Fluges bleibt die Gefahr durch Dädalus‘ fürsorgliches Verhalten im Bewusstsein. Ikarus aber ist überwältigt von dem Glück, fliegen zu können, und es zieht ihn immer höher zur Sonne. In einem permanenten Wechsel wird vorstellbar, wie schön, aber auch, wie gefährlich es ist, zu fliegen. Indem die Sage von Ikarus Übermut erzählt, ermöglicht sie Rezipienten darüber hinaus, sich vorzustellen, wie es ist, von den eigenen Gefühlen überwältigt zu werden und die Kontrolle über das eigene Handeln zu verlieren (an anderen Stellen eröffnen Dädalus‘ Eifersucht, die ihn zum Mord treibt, und seine Verzweiflung über den Tod des Sohnes dieselbe existentielle Erfahrung). Vorgelesen wurde: … und er stellte sich auf einen kleinen Hügel und probierte, ob die Flügel ihn trugen. Und siehe da, sie trugen ihn. Er bewegte die Arme so, wie die Vögel schwingen, und er bemerkte, es ging. (…) Nun kam der große Augenblick: Fliegen hatten sie am kleinen Hügel geübt, aber nun mussten sie richtig weit fliegen. Dädalus sagte zu Ikarus: „Ikarus, schau mir genau zu, wie ich fliege, wie ich meine Arme bewege. Folge mir, mach es genau, wie ich es dir vormache. Sei vorsichtig, fliege nicht zu tief aufs Wasser, die Federn könnten ins Wasser tauchen und schwer werden, und du könntest versinken. Fliege auch nicht zu hoch, die Sonne oben ist heiß, das Wachs könnte schmelzen.“ (…) Dann stellten sie sich oben an den Klippenrand und ließen sich wie die Vögel in die Tiefe fallen, breiteten die Schwingen aus – und die Winde unten am Wasser trugen sie. Als sie flogen, wandte Dädalus immer ganz ängstlich seinen Kopf, so wie Vogelmütter das tun, wenn sie ihre ersten Flüge mit ihren Vogeljungen machen, ob Ikarus auch fliegen konnte. Es ging wunderbar. Der Vater flog besonders sorgfältig, damit Ikarus genau sehen konnte, wie es geht. Und sie flogen. Tief unten lag das glitzernde Meer, die Luft schimmerte, und sie flogen an vielen Inseln vorbei. Sie waren schon fast in der Nähe

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

211

der Heimat. Da flog Ikarus nicht immer in der mittleren Höhe. Er war so froh und glücklich, dass er fliegen konnte, da packte ihn der Übermut. Und er flog zu dicht an die Sonne: Er wollte hoch fliegen, hoch und höher. Niko, der die ganze Geschichte als Konkretion wiedererzählt (s. Anhang, S. 431 f.), widmet dem Fliegen eine längere Passage: … und sagte zu Ikarus, du musst echt gut aufpassen, du darfst nicht zu tief fliegen, dann kommst du mit den Flügeln ins Wasser und [sie] werden schwer, dann zieht es dich nach unten ins Wasser, du darfst auch nicht zu hoch fliegen, dann schmilzt das Wachs und [du] fällst auch ins Wasser und schau immer schön mir ab. Und dann lassen sie sich wie die Vögel fallen und flogen und Dädalus schaute ängstlich nach hinten wie die Vogelmütter, die nach ihren Jungen schauen. Plötzlich überrollte Ikarus der Übermut und wollte höher und höher. Dann flog er zu nah an die Sonne heran (Niko S17d). Auffällig ist die Fülle an Sprachformen, die Erfahrungen – vor allem literarisch – hervorheben. Nur einmal wird das Fliegen ohne Hervorhebung thematisiert (und flogen). Dass der Flug ein hohes Maß an Vorsicht erfordert und Dädalus seine folgende Warnung ernst meint, betont Niko durch ein intensivierendes Adjektiv (du musst echt gut aufpassen). Auch die Grenzen der Gefahrenzone, die Ikarus am Ende übertritt, werden instrumentell hervorgehoben, und zwar mehrfach durch die Intensitätspartikel „zu“ (nicht zu tief, nicht zu hoch, zu nah). Die Warnung selbst formuliert Niko als syntaktische Wiederholungsfigur. Die parallele Struktur (du darfst nicht zu … fliegen, dann … ins Wasser) erzeugt, ähnlich wie in der vorgelesenen Sage, die Vorstellung eines dreigeteilten Raumes: einen oberen, einen unteren und einen mittleren (schmalen) Zwischenraum, in dem das Fliegen möglich scheint. Die Wiederholung (als Variante) im Wasser zu enden (hinein gezogen zu werden oder hinein zu fallen), bringt die Gefahr verstärkt zum Ausdruck. Ein Vergleich mit dem Flug der Vögel ermöglicht auf besondere Art und Weise, sich vorzustellen, wie es ist, zu fliegen, weil Lesende auf ihre Erfahrungen mit dem Anblick vom Vogelflug zurückgreifen können. Darüber hinaus eröffnet der Vergleich mit Vögeln, die als Sinnbild der Freiheit gelten, einen Zugang zu einer tieferliegenden Bedeutungsebene. Auch Dädalus‘ Sorge um Ikarus bringt Niko – in Korrespondenz zur Vorgabe, aber anders formuliert – mithilfe eines Vergleichs zum Verhalten von Vogelmüttern literarisch zum Ausdruck. Während es in der Vorgabe heißt, dass der Übermut Ikarus „packte“, Ikarus‘ Passivität also durch ein geläufiges metaphorisches Phrasem ausgedrückt wird, erfindet Niko eine neue Metapher, die Lesenden die Fremdbestimmtheit von Ikarus‘ Handlungen und auch die Wucht und Unausweichlichkeit, mit der dieses Gefühl über ihn kommt, bildhaft vor Augen führt: der Übermut überrollte Ikarus. Eine morphologische Wiederholungsfigur führt einem den Sog der Kraft vor Augen, die bewirkt, unendlich hoch hinauf zu wollen. Bezeichnenderweise ist es syntaktisch betrachtet nicht Ikarus, sondern der Übermut, der höher und

212

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

höher will. Nikos Erzählung zeigt besonders eindrücklich, wie das Gehörte einen Prozess der gedanklichen Auseinandersetzung durchläuft, wie es angeeignet wird und wie sprachformale Muster der Vorgabe genutzt werden, dem eigenen Verständnis individuell Ausdruck zu verleihen. Niko eröffnet vorgestellte Erfahrung davon, wie es ist, zu fliegen und übermütig zu werden, also überwiegend durch hervorgehobene, vor allem literarische Sprachformen. Damit entspricht Nikos Text in etwa dem Gesamtbild, das sich bei der Untersuchung der Sprachformen in Geschichten, die vorgestellte Erfahrung vom Fliegen und von Übermut eröffnen, abzeichnet. Den Fundus, den die Sage bietet, um zu thematisieren, wie es ist, zu fliegen und übermütig zu werden, nutzt etwas weniger als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (42%) (s. Abb. 11; Beispiele s. Anhang, S. 392-394).

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Fliegen und Übermut

Abb. 11: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung vom Fliegen und von Übermut einschreiben (Sage)

Während einige (12% der Gesamtgruppe) Fliegen und Übermut ohne sprachliche Hervorhebungen thematisieren, bringt etwa ein Drittel aller Kinder (30%) wie Niko hervorgehobene Sprachformen zu Papier. Acht Texte (8%) enthalten ausschließlich instrumentelle Hervorhebungen, sieben Texte (7%) ausschließlich literarische, in den anderen Texten (15%) sind beide Formen zu finden. Ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler (23%) aus Klasse 3 erprobt also instrumentelle Hervorhebungen und fast genauso viele (22%) literarische. Etliche Kinder formulieren dabei mehr als eine Hervorhebung,

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

213

sodass insgesamt 86 hervorgehobene Sprachformen, und zwar – wie bei Niko – deutlich mehr literarische (50) als instrumentelle (36) Sprachformen, entstehen, die Lesenden ermöglichen, sich vorzustellen, wie es ist, zu fliegen oder übermütig zu werden. Die Rezeption der Sage regt etwas weniger als die Hälfte aller Kinder aus Klasse 3 dazu an, sich in ein anthropologisches Grundmotiv („Fliegen“) einzuschreiben, das auch die Kinder- und Jugendliteratur prägt (vgl. Spinner 2010, S. 32 ff.) und dabei Sprachformen zu erproben, die vorgestellte Erfahrung vom Fliegen und von Übermut eröffnen. In den Texten zeigen sich besonders deutliche Spuren der Vorgabe. Doch auch hier handelt es sich kaum um Imitationen der Formulierungen aus der Vorgabe, sondern um einen Prozess der individuellen Aneignung, bei dem vielfältige Formen entstehen. Besonders eindrücklich wird dies am Beispiel der Darstellung des Übermuts. In der Sage wird Ikarus‘ Begeisterung zwar instrumentell und literarisch hervorgehoben, der Zusammenhang zwischen seiner Begeisterung, fliegen zu können, und seinem übermütigen Hochflug wird durch das deiktische „da“ aber nur nahegelegt und nicht explizit konsekutiv oder kausal formuliert („Er war so froh und glücklich, dass er fliegen konnte, da packte ihn der Übermut. Und er flog zu dicht an die Sonne: Er wollte hoch fliegen, hoch und höher“). Einige Drittklässlerinnen hingegen stellen den Zusammenhang sprachlich dar, indem sie metonymische Konsekutivsätze formulieren. Das Ausmaß der Begeisterung wird dabei vorstellbar durch die Wirkung, die diese auf Ikarus‘ Handlung hat: -

… so schön, dass er zu nah an die Sonne flog (Emma S04d); … so glücklich, dass er in Richtung Sonne flog (Annika S09d); … so ausgelassen, dass er so hoch flog, dass das Wachs schmolz (Anna S08d); … so froh, dass er so weit nach oben flog, dass das Wachs schmolz (Emilia S07d); … gefiel es so doll, dass er die Flügel unterschätzte (Diana S12d).

Da die folgende Handlung hochgefährlich ist, bringt die Formulierung dieses Zusammenhangs Übermut zum Ausdruck. Auch Jelena und Farouk, die mehrsprachig aufwachsen und in Wohngebieten mit niedrigen Sozialindizes zur Schule gehen, formulieren auf diese Art und Weise einen Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Jelena variiert den Grund für Ikarus‘ Überschreiten der Grenze, wodurch das Fliegen zur Sonne als unbewusste Handlung erscheint, und Farouk variiert die Art der Grenzüberschreitung: -

Das hat ihm so Spaß gemacht, dass er vergessen hat, was sein Vater Dädalus gesagt hat. Dann flog er immer näher an die Sonne (Jelena S71m); Ikarus war so glücklich, dass er tief getaucht {hat} [ist] (Farouk S82m).

Obgleich alle sieben Kinder dieselbe Sage gehört haben und sie dasselbe sprachliche Grundmuster erproben, wird deutlich, dass sich die Sprachformen (wenn auch manchmal nur in Nuancen) unterscheiden.

214

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Auch die Vorstellung einer Storyworld, in der die Erfahrungen vom Fliegen und von Übermut eine zentrale Rolle spielen – sowohl für die vorgestellte Erfahrung der Befreiung aus der Gefangenschaft als auch im Hinblick auf den daraus folgenden Sturz – ermöglicht Schreibenden im Grundschulalter, sich einzuschreiben in hervorgehobene Sprachformen. Im Vergleich zum Aspekt der Weite thematisieren zwar etwas weniger Kinder das Fliegen und den Übermut, aber der Anteil der Kinder, die vorgestellte Erfahrung durch hervorgehobene Sprachformen eröffnen, ist deutlich höher als bei der Darstellung von Weite. Die höhere Frequenz, mit der Fliegen und Übermut in der Vorgabe thematisiert wird, führt also nicht dazu, dass mehr Kinder davon erzählen, wohl aber dazu, dass sie besonders oft hervorgehoben werden. Der Grund dafür könnte sowohl in dem breiteren Fundus an (hervorgehobenen) Sprachformen liegen, mit denen die Sage vorgestellte Erfahrung vom Fliegen und von Übermut eröffnet, als auch an der Faszination, die das Fliegen seit jeher auf den Menschen ausübt. 3) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Verzweiflung: „Ich will meinen Ikarus!!!!“ (Anoush S70m) Nachdem Ikarus trotz der Warnung seines Vaters höher fliegt, stürzt er ins Meer und wird etwas später tot an Land gespült. Am Ende der Erzählung eröffnet die Sage die Möglichkeit, sich Dädalus‘ Verzweiflung über den Tod seines Sohnes vorzustellen. Zum einen wird Dädalus‘ direkte Reaktion auf Ikarus‘ Sturz geschildert und zum anderen wird das Ausmaß seines Unglücks im Schlusssatz der Sage, also in herausragender Position, thematisiert. Vorgelesen wurde: Voller Verzweiflung schrie er, flatterte umher, flog an Land, schnallte die Flügel ab, irrte umher (…) Er lebte noch lange, aber er wurde seines Lebens nicht mehr froh. Nachdem Anoush die Sage gehört hat, schreibt sie eine Variation, die anknüpft an Dädalus‘ Verzweiflung, aber glücklich endet, weil Ikarus an Land wieder aufwacht (s. Anhang, S. 447): Dädalus musste [die] ganze Zeit an Ikarus denken und weinte. Er schrie: „Ich will meinen Ikarus!!!!“, und suchte ihn. Er holte Wachs und sammelt Federn und ging auf einen Hügel und flog. Und ruft: „Ikarus, Ikarus“, und auf einmal sah er Ikarus auf Ikaria. Er flog zu Ikarus und weinte. … (Anoush S70m) Anoush beschreibt Dädalus‘ Verzweiflung mit Verben, die Verzweiflung ausdrücken (weinte, schrie), und indem sie thematisiert, dass Dädalus‘ Gedanken permanent um Ikarus kreisen. Sie verleiht Dädalus‘ Verlangen nach Ikarus Nachdruck durch die Häufung der Ausrufezeichen und hebt es damit emphatisch hervor. Wie in Trance baut

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

215

Dädalus erneut Flügel und macht sich auf die Suche – die syntaktisch parallele Aufzählung korrespondiert hier mit den mechanisch ausgeführten Tätigkeiten. Eine morphologische Figur der Wiederholung in Form einer klassischen Geminatio hebt Dädalus‘ Ruf nach seinem Sohn literarisch hervor (Ikarus, Ikarus). Vorstellbar wird der suchende Dädalus, dessen Ruf scheinbar endlos durch die Luft hallt. Anoushs Formulierungen eröffnen Lesenden einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Verzweiflung, der über die Vorgabe deutlich hinausgeht. Es wird nicht nur aufgrund der Beschreibung der Handlungen vorstellbar, wie es ist, verzweifelt zu sein, sondern auch durch die Teilhabe an Dädalus‘ Gedanken, die sowohl erzählt als auch als Selbstgespräch durch wörtliche Rede vermittelt werden. Die Vorgabe scheint bei Anoush eine so intensive Vorstellung von Dädalus‘ Verzweiflung erzeugt zu haben, dass sie sie stärker als die Vorgabe selbst zum Ausdruck bringt. Sie ist nicht die einzige, deren Erzählung einen weiteren Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Verzweiflung eröffnet. Den Zugang, den die Sage für die Vorstellung von Verzweiflung eröffnet, nutzt fast ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler (30%) aus Klasse 3, um selbst Verzweiflung zu thematisieren (s. Abb. 12; Beispiele s. Anhang, S. 394 f.).

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Verzweiflung

Abb. 12: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Verzweiflung einschreiben (Sage)

Während jedes neunte Kind (11%) ausschließlich Sprachformen erprobt, die Verzweiflung ohne Hervorhebung thematisieren, bringen fast doppelt so viele Kinder (19% der

216

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Gesamtgruppe) hervorgehobene Sprachformen zu Papier. Während in sieben Erzählungen (7%) ausschließlich instrumentelle Hervorhebungen gefunden wurden und in vier Erzählungen (4%) ausschließlich literarische, enthalten sieben Texte (7%) beide Formen. Etwas mehr Kinder heben also Verzweiflung instrumentell (15%) als literarisch (12%) hervor. Etliche Kinder formulieren mehr als eine Hervorhebung, sodass 22 instrumentelle und 21 literarische Sprachformen, also insgesamt 43 hervorgehobene Sprachformen entstehen, die Lesenden vorgestellte Erfahrung von Verzweiflung eröffnen. Da etliche Kinder das Ende der Geschichte so variieren, dass Ikarus überlebt, ist der Anteil der Kinder, die überhaupt die Erfahrung von Verzweiflung thematisieren, geringer als bei den anderen Themen. Bemerkenswert aber ist, dass der Anteil derer, die Verzweiflung sprachlich hervorheben, verhältnismäßig hoch ist. Zwei Drittel der Kinder, die Verzweiflung thematisieren, schreiben sich in hervorgehobene Sprachformen ein, obwohl Verzweiflung in der vorgelesenen Sage nur zweimal kurz thematisiert wird. Während ein ähnlich hoher Anteil bei der Hervorhebung des Fliegens/Übermuts auf eine hohe Frequenz in der Darstellung dieser Themen in der Sage zurückgeführt werden konnte, ist das bei der Darstellung von Verzweiflung nicht möglich. Möglicherweise ist es in diesem Fall eher die Erfahrung selbst, die nahe legt, sie sprachlich hervorzuheben. Der Befund könnte auf das sprachbildende Potenzial eines Zugangs zu existentiellen Themen beim Erzählen in der Grundschule hindeuten. Im Gegensatz zu der gängigen Auffassung, man solle Kindern im Grundschulalter (nur) ‚kindgemäße‘ Themen zum Schreiben anbieten, zeigt der Umgang der Schülerinnen und Schüler mit dem dramatischen Ende der Sage, dass sie sich produktiv mit existentiellen Lebensthemen auseinandersetzen und eine emotionale Beteiligung dazu führen kann, sich an Sprachformen zu versuchen, die existentielle Erfahrungen zum Ausdruck bringen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass auch die Möglichkeit besteht, sich zu distanzieren, indem andere Erfahrungen thematisiert oder Erfahrungen wie Verzweiflung variiert werden können. Die Kinder haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht: Gut zwei Drittel (70%) aller Schülerinnen und Schüler thematisieren Verzweiflung nicht und etwas mehr als die Hälfte (52%) aller Geschichten zu Dädalus und Ikarus enden gut. Das Glück der Protagonisten wird von mehr als einem Viertel aller Kinder (28%) explizit thematisiert, fast die Hälfte davon (13% der Gesamtgruppe) hebt es dabei sprachlich hervor (z.B. Als glückliche Familie reisen sie ab. Sie hatten ganz viel Spaß, Havin S59m). 127 Ein Grund dafür könnte dennoch in dem Zugang zu vorgestellter Erfahrung

127

Weitere Kinder thematisieren Glück – mit oder ohne Hervorhebung – implizit, indem sie z.B. von einer gelingenden Flucht, Ikarus‘ Überleben oder Dädalus‘ Trost erzählen oder davon, wie berühmt, reich oder erfolgreich die Protagonisten am Ende sind (s. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum).

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

217

von Verzweiflung liegen: In der Hervorhebung drückt sich möglicherweise die Freude und Erleichterung über einen anderen Ausgang der Geschichte aus. Der dramatische Ausgang wäre dabei als „possible world“ (vgl. Ryan 2014b), die nur im Bewusstsein existiert, aber nicht (fiktionale) Wirklichkeit wird, in der Erzählung enthalten, entweder implizit oder explizit wie in Dädalus‘ Warnung vor einem möglichen Unglück. Die Vorstellung einer Storyworld, in der die Erfahrung von Verzweiflung eine zentrale Rolle spielt – im Hinblick auf die Erfahrung eines Schmerzes, den die Hauptfigur vorab jemand anderem zugefügt hat, also für das Verständnis von Schuld und Gerechtigkeit, als auch im Hinblick auf die Entwicklung der Hauptfigur, für die sich die Bedeutung von Lebensglück im Laufe der Geschichte verändert (von Ansehen als Künstler über das Leben in der Heimat bis zur Vaterschaft), aber die jeweils erst über den Verlust erfahrbar wird – eröffnet schon Schreibenden im Grundschulalter die Möglichkeit, sich einzuschreiben in Sprachformen, die existenzielle Erfahrungen thematisieren und hervorheben. 4) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum: … er konnte die Menschen so gut, dass es so aussah, als wenn die Statuen von Dädalus einen anschauen würden (Samet S52m) Die Geschichte von Dädalus und Ikarus beginnt mit Dädalus‘ Kunstfertigkeit, sie zieht sich durch die ganze Geschichte und beschließt diese auch. Sie ist der Ursprung von Ruhm und Ansehen, die Dädalus genießt, aber auch der Grund für Eifersucht, die zum Mord am Schüler führt, als dessen Kunst Dädalus‘ Fähigkeiten übertrifft. Im Exil wiederum ermöglicht sein Talent Dädalus sowohl ein glückliches Leben als auch die Flucht aus der Gefangenschaft, die allerdings zum Tod seines Sohnes führt. Die hohe Kunst erscheint in der Sage als Segen und Fluch zugleich. Vorgelesen wurde: Dädalus war ein kunstreicher Mann, ein ganz berühmter Mann. Er war ein Bildhauer. Aus großen Steinen schlug er Figuren. Er schlug mit Hammer und Meißel: Pferde, Wagen, Menschen, Tiere. Die Menschen schlug er so kunstvoll, dass man dachte, sie würden einen richtig anschauen; so genau konnte er das Gesicht aus Stein schlagen. Und die Kleider, die schlug er so fein aus dem Stein heraus, dass man dachte, die Person macht gleich den nächsten Schritt. Er war sehr berühmt. Aus aller Welt kamen die Leute in die Stadt, wo er oben auf dem Berg seine Werkstatt hatte. Er war geachtet und geehrt, ein berühmter Erfinder, ein kunstreicher Mann, ein Künstler. Nun hatte er einen Schüler. Dem brachte er bei, wie man den Stein schlug, wie man bohrte, wie man schmirgelte und Maß nahm, sodass alles genau passte. Es war viel Arbeit. Dieser Schüler, der konnte es bald noch besser als Dädalus. Der Schüler erfand nämlich auch Werkzeug. Man sagt, er habe den Zirkel erfunden, mit dem man Kreise schlagen kann; man

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8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

sagt, er habe die Säge erfunden. (…) Schnell merkte er, dass Dädalus ein guter Erfinder und Baumeister war. Minos wollte sich einen großen Palast bauen lassen, einen schönen Palast. Das machte Dädalus in den nächsten Jahren. Und wieder wurde Dädalus geachtet und geehrt, weil er so gut bauen konnte und so viel erfinden konnte. Wasserleitungen hat er erfunden. Er baute den Palast immer größer. (…) Da dachte Dädalus lange nach und schließlich sagte er: Wozu bin ich ein Erfinder? (…) Die Federstiele, die Kiele, die verknetete er; er knetete sie in Wachs von der Kerze, sodass sie festsaßen. Unten um die Federn webte er dünne Fäden, und alles schob er so zurecht, dass es wie ein gewachsener Flügel aussah. Er fand Schnallen und Gürtel, Bänder und Gestelle, um sich die Flügel anzupassen. (…) Da baute er noch ein kleineres Flügelpaar: für Ikarus. (…) Er wurde wieder ein berühmter Baumeister. Nachdem Samet die Sage gehört hat, beginnt auch er seine Geschichte, indem er von Dädalus‘ Kunstfertigkeit erzählt (s. Anhang, S. 442 f.): Dädalus war ein berühmter Künstler. Seine Kunstwerke machte er aus sehr großen Steinen. Er machte aus den Steinen Menschen, Pferde und Tiere und er konnte die Menschen so gut, dass es so aussah, als wenn die Statuen von Dädalus einen anschauen würden. Eines Tages bekam Dädalus einen Schüler. Er brachte seinem Schüler so viel bei, dass der Schüler, eines Tages war der Schüler besser als Dädalus. Man sagte, dass der Schüler den Hammer erfunden hatte und die Säge. (…) Dädalus baute dem König ein riesengroßes Königreich, aber Dädalus wollte seinem Sohn seine alte Heimat zeigen, aber der König wollte Dädalus nicht gehen lassen, weil Dädalus so gute Sachen bauen konnte, (…) deswegen beschloss er, sich und Ikarus Flügel zu bauen. Er hat Vogelfedern gesammelt und Wachs von einer Kerze geholt und beides verbunden und einen Flügelflieger gemacht und auch einen kleineren für Ikarus (Samet S52m). Gleich zu Beginn seiner Geschichte, die die Sage als Konkretion wiedererzählt, verdichtet Samet Kunstfertigkeit und Ruhm, indem er Dädalus als „berühmten Künstler“ vorstellt. Samet veranschaulicht Dädalus‘ Begabung, indem er dessen Werke als „Kunstwerke“ bezeichnet und sie im Anschluss beschreibt. Dädalus‘ außergewöhnliche Fähigkeiten werden vorstellbar durch die Größe der Steine, die dieser in der Lage ist zu bearbeiten (und die Samet im Gegensatz zur Sage durch die Intensitätspartikel „sehr“ instrumentell hervorhebt), durch das, was er aus Steinen macht (Menschen, Pferde, Tiere), aber vor allem durch eine semantische Ersetzungsfigur, die metonymisch ein Bild von Dädalus‘ übernatürlicher Kunstfertigkeit zeichnet, indem sie die Vorstellung von lebendigem Stein erzeugt (und er konnte die Menschen so gut, dass es so aussah, als wenn die Statuen von Dädalus einen anschauen würden). Samet dringt hier ein in ein sprachliches Muster, das die Sage als Fundus eröffnet („Die Menschen schlug er so kunstvoll, dass man dachte, sie würden einen richtig anschauen“), ohne es zu imitieren.

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

219

Die Nuancen verdeutlichen, dass Samet das, was er gehört hat, gedanklich durchdrungen hat. Dass er dasselbe sprachliche Muster sogleich für die Darstellung der Kunstfertigkeit des Schülers nutzt, zeigt eine Form der Aneignung. Auch die grammatische Inkonsistenz (Er brachte seinem Schüler so viel bei, dass der Schüler, eines Tages war der Schüler besser als Dädalus) deutet auf das Erproben einer ungewohnten Sprachform hin – es sei denn, man versteht sie als Wiederholungsfigur, mit der die Fassungslosigkeit über die Leistungen des Schülers zum Ausdruck gebracht wird. Durch den Vergleich (besser als Dädalus) wird vorstellbar, wie begabt der Schüler ist (nämlich besser als der Beste). In Korrespondenz zur Sage stellt Samet die Kunstfertigkeit des Schülers an dieser Stelle aus der Perspektive Außenstehender dar (Man sagte …), die die Erfindungen des Schülers beschreibt (und zwar „Hammer und Säge“ statt „Zirkel und Säge“). An dem großen Palast, den Dädalus immer größer baut, vielleicht auch an der Erfindung der Wasserleitungen, entwickelt Samet wahrscheinlich die Vorstellung, dass Dädalus dem König ein riesengroßes Königreich baut. Indem er diese verdichtete Erweiterung als semantische Figur der Hinzufügung, als klassischen Pleonasmus, der die Größe emphatisch hervorhebt, zum Ausdruck bringt, wird vorstellbar, wie umfangreich Dädalus‘ Baukunst ist. Während beim Lesen der Sage der Zusammenhang zwischen der Hervorhebung von Dädalus‘ Fähigkeiten („Und wieder wurde Dädalus geachtet und geehrt, weil er so gut bauen konnte und so viel erfinden konnte“) und der Hinderung an einer Rückkehr in die Heimat durch den König („Als Minos, der König, merkte, dass Dädalus wegwollte, wollte er ihn nicht ziehen lassen“) selbst hergestellt werden muss, formuliert Samet diesen kausalen Zusammenhang explizit. Dabei übernimmt er das Muster der instrumentellen Hervorhebung mit der Intensitätspartikel „so“ mit einer leichten inhaltlichen Variation (aber der König wollte Dädalus nicht gehen lassen, weil Dädalus so gute Sachen bauen konnte). Auch hier zeigt sich ein Verständnis der Sage, das zum Erproben entsprechender Sprachformen führt. Im Folgenden veranschaulicht Samet Dädalus‘ Kunstfertigkeit, indem er den Bau der Flügel schildert. Für das Produkt erfindet Samet ein neues Wort, einen Neologismus, der durch die Kombination einer morphologischen Figur der Hinzufügung und einer phonologischen Figur der Wiederholung die Vorstellung eines außergewöhnlichen Fluggeräts erzeugt, mit dem es sich voraussichtlich so geschmeidig fliegen lässt, wie sein Name klingt (Flügelflieger). Wieder entsteht aus der gedanklichen Auseinandersetzung mit der Vorgabe eine Sprachform, die das Gehörte verdichtet. Während Samet die Vorgabe in Bezug auf das Ausmaß der Bauwerke erweitert, entwickeln andere Kinder aus dem Gehörten die Vorstellung, dass Dädalus reich ist. Obwohl die Sage selbst keine Informationen über Dädalus finanzielle Verhältnisse enthält, thematisieren 19 Kinder seinen Reichtum, 11 heben ihn dabei sogar sprachlich hervor. Vermutlich entspricht es ihrem Weltwissen, dass ein berühmter Künstler, zu dem die Leute aus aller Welt kommen, auch reich ist, sodass ihnen diese Erweiterung kohärent erscheint. Auch an diesem Detail wird deutlich, dass das Gehörte

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8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

einen gedanklichen Prozess anstoßen kann, der Vorstellungen nicht nur konkretisiert, sondern auch erweitert und variiert, sodass über die Darstellung der (neuen) Inhalte auch die Vorstellung weiterer Erfahrungen ermöglicht wird. Keins der bisher vorgestellten Themen wird von so vielen Kindern (86%) aufgegriffen wie Kunstfertigkeit und Ruhm (bzw. Reichtum) (s. Abb. 13; Beispiele s. Anhang, S. 395 f.). Die meisten (67% der Gesamtgruppe) bringen dabei auch hervorgehobene Sprachformen zu Papier. Ein Fünftel aller Kinder (20%) thematisiert Kunstfertigkeit und Ruhm (bzw. Reichtum) ausschließlich ohne Hervorhebung. Die Hälfte aller Kinder (52%) erprobt instrumentelle Hervorhebungen, ein Fünftel (22% der Gesamtgruppe) ausschließlich. Etwas weniger als die Hälfte aller Kinder (45%) schreibt sich in literarische Hervorhebungen, ca. jedes siebte Kind (15% der Gesamtgruppe) ausschließlich. Knapp ein Drittel aller Kinder (30%) bringen beide Formen zu Papier. Etliche Kinder formulieren mehr als eine Hervorhebung, sodass 97 instrumentelle und 64 literarische, also insgesamt 160 hervorgehobene Sprachformen entstehen, die Lesenden vorgestellte Erfahrung von Kunstfertigkeit und Ruhm (bzw. Reichtum) eröffnen.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum

Abb. 13: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum einschreiben (Sage)

Der Anteil der Kinder, die in ihren Erzählungen Kunstfertigkeit und Ruhm (bzw. Reichtum) thematisieren, ist sehr hoch. Die Möglichkeit, sich diese Erfahrungen vorzustel-

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

221

len, regt allein 21 Kinder, die keine der drei bisher dargestellten Erfahrungen thematisieren, an, Sprachformen zu erproben, die Lesenden eine Vorstellung davon eröffnen, wie es ist, begabt und berühmt (bzw. reich) zu sein. Auch der Anteil der Kinder, die sich dafür an hervorgehobenen Sprachformen versuchen, ist von allen bisher dargestellten Themen der höchste. Ein Grund dafür scheint die hohe Frequenz zu sein, mit der Kunstfertigkeit und Ruhm in der Vorgabe thematisiert und dabei mehrfach und auf unterschiedliche Art und Weise sprachlich hervorgehoben wird. Die Sage ermöglicht dadurch eine detaillierte und intensive Vorstellungsbildung und stellt einen breiten Fundus an Sprachformen für Adaption und Transformation bereit, den die Kinder vielfältig nutzen. Sie orientieren sich bei der Darstellung von Kunstfertigkeit und Ruhm an den sprachformalen Mustern der Vorgabe (z.B. indem sie mit Intensifikatoren oder Wiederholungsfiguren Dädalus‘ Kunstfertigkeit hervorheben), imitieren diese aber nicht als feststehende Formeln. Vielmehr wird das eigene Verständnis mit anderen Worten ausgedrückt oder es werden inhaltliche Ergänzungen und Varianten formuliert (z.B. Reichtum oder der Bau eines Gerätes, mit dem das Fliegen gelingt). Wenn Kinder einzelne Formulierungen oder Worte aus der Sage übernehmen, sind diese individuell und auf ganz unterschiedliche Art und Weise in den Text eingebunden. So nutzt z.B. ein Drittel aller Kinder (33%) das sprachformale Muster des Vergleichs, um die Kunstfertigkeit des Schülers darzustellen, aber die Sätze, die dabei zu Papier gebracht werden, sind weder identisch mit der Sage („Dieser Schüler, der konnte es bald noch besser als Dädalus“), noch findet man zwei gleiche Sätze: -

Der Schüler hat viel gelernt und wurde besser als Dädalus (Kabelo S87m); David war berühmter (Adin S86m); … aber eines Tages aber war der Schüler besser als er selber (Luise S58m); Mit der Zeit wurde aber der Schüler besser als Dädalus (Keona S34m); … und da gab es einen Jungen und er dachte, er ist schlauer und kann alles besser (Arbesa S96m); Tet war dann besser als Flib (Rafael S23d).

Mehr als die Hälfte derjenigen, die den Vergleich formulieren (19% der Gesamtgruppe) hebt die Überlegenheit des Schülers auf unterschiedliche Art und Weise sprachlich hervor: -

-

Er konnte viel mehr als Dädalus (Nayo S93m); Irgendwann war der Schüler sogar noch besser (Ben S51d); Bäbalus war fast besser als Dädalus. Und Hätalus war ein bisschen besser als Dädalus. Dädalus sagte zu Hätalus: „Hätalus, wieso bist du besser als {m}ich?“ (Merik S83m); Oh nein! Der Schüler konnte es viel besser als er selber (Heike S27d);

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8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

-

Eines Tages aber machte der Schüler so gute Dinge aus Stein, dass er es besser konnte als Dädalus (Emilia S07d); Da geschah es: Er konnte es besser als Dädalus (Lara S56d).

Emilia und Lara nutzen dabei Muster literarischer Hervorhebung, die die Sage an anderer Stelle eröffnet. Während die Form des metonymischen Konsekutivsatzes mehrfach vorkommt, eröffnet die Sage nur einmal einen ähnlichen Zugang zu einer Andeutung eines Geschehens, die die Neugier steigert, indem Lesende erfahren, dass etwas passiert, aber noch nicht was – allerdings an markanter Stelle („Da passierte das Unglück, das Wachs schmolz …“). Das zeigt, das (literarische) Sprachmuster der Sage nicht nur in Sprachformen einfließen, die dieselbe Erfahrung zum Ausdruck bringt, sondern auch transformiert werden, um andere Erfahrungen zum Ausdruck zu bringen. Mit einer Herausstellung betont die Sage außerdem, dass der, der Dädalus‘ Kunst übertrifft, ein Schüler ist („Dieser Schüler, der …“). Dies findet Eingang in drei Sprachformen, in denen die explizite Bezeichnung von Dädalus als Lehrer bzw. Meister bewirkt, dass der Schüler als Gegensatz deutlicher hervortritt, als wenn Dädalus nur beim Namen genannt wird. Alsan formuliert sogar die Vertauschung der Rollen. Während Joris das Muster der Herausstellung nicht als Linksversetzung, die sich auf den Schüler bezieht, sondern als Rechtsversetzung auf den Meister und Maler bezogen formuliert, überträgt Arianna es auf die Darstellung des Zeitpunktes. Beide Kinder gelten als leistungsschwach im Textschreiben (Arianna auch im Rechtschreiben und Lesen), Alsan wird im mittleren Bereich verortet. Hier gelingen allen drei Kindern Sprachformen, die die Kunstfertigkeit des Schülers eindrücklich vorstellbar werden lassen: -

Einige Tage später, da war der Schüler besser als sein Lehrer (Ariana S62m); … und der Schüler war besser als der Meister, also der Maler (Joris S48d); Aber der Schüler war nicht mehr der Schüler, sondern der Lehrer (Alsan S38d).

Auch die Kombination zwischen einem auf die Zukunft verweisenden Zeitadverb („bald“) und der Zeitform der Vergangenheit, die so nur in der Dichtung möglich ist (vgl. Hamburger 1957), findet Eingang in Formulierungen. Bei Farouk schlägt sie sich sogar zusätzlich in der Kombination von Präteritum und Futur nieder: -

doch bald war der Schüler besser als er (Anna S08d); … und er wurde bald besser als Dädalus (Lilja S12m); Der Schüler war so gut, dass er eines Tages besser als Dädalus sein wird (Farouk S82m).

Darüber hinaus fällt auf, dass die meisten Kinder (19%) Dädalus‘ Erfahrung der Unterlegenheit zeitlich verorten. Das zukunftsverweisende Adverb wird dabei zumeist in

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

223

eine andere Form transformiert (eines Tages, dann, mit der Zeit, irgendwann, von Minute zu Minute). Das deutet daraufhin, dass die Schülerinnen und Schüler aus dem Gehörten auch eine Vorstellung von Zeit gewinnen konnten (vgl. Kapitel 9). Dieses (ausführliche) Beispiel zeigt, wie die Sprachformen der Kinder im Pendeln zwischen Gehörtem und Vorgestelltem entstehen (vgl. Dehn 2005). Vorgestellte Erfahrungen finden ihren Ausdruck, indem die Kinder aus ihrem Fundus schöpfen, der sich bei der Rezeption der Vorgabe erweitern kann. Die Muster der Vorgabe werden dabei nicht imitiert, sondern transformiert; das gilt sowohl für die zum Ausdruck gebrachten Erfahrungen als auch für die Formen des Ausdrucks. Wie bei der Untersuchung der Sprachformen, die Fliegen und Übermut thematisieren, zeigt sich auch bei der Untersuchung von Sprachformen für Kunstfertigkeit und Ruhm eine Korrelation zwischen der Vielfalt des Vorkommens in der Vorgabe und der Anzahl hervorgehobener Sprachformen in den Erzählungen der Schülerinnen und Schüler. Allerdings führt der Zugang zur Darstellung von Kunstfertigkeit und Ruhm dazu, dass deutlich mehr Kinder davon erzählen, als das bei dem Zugang zur Darstellung von Fliegen und Übermut der Fall ist. Der Grund dafür könnte in der zentralen Bedeutung liegen, die Kunstfertigkeit und Ruhm für die Hauptfigur haben. Sie stehen am Anfang und am Ende der Erzählung und motivieren einen Großteil der Handlungen. Sie machen den Helden zum (tragischen) Helden und ermöglichen Lesenden, sich vorzustellen, wie es ist, begabt und berühmt zu sein – eine Vorstellung, die seit jeher Menschen motiviert, Geschichten zu rezipieren. Die Vorstellung einer Storyworld, in der die Erfahrung von Kunstfertigkeit und Ruhm eine zentrale Rolle spielt – sowohl für das Glück der Hauptfigur als auch für ihr Unglück, als Segen und Fluch – eröffnet einer hohen Anzahl von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter die Möglichkeit, sich einzuschreiben in hervorgehobene Sprachformen. Sprachformen für vier zentrale vorgestellte Erfahrungen Allein zu den bisher dargestellten vier zentralen (vorgestellten) Erfahrungen schreiben sich fast alle Schülerinnen und Schüler (94%) ein in Sprachformen, die diese Erfahrungen thematisieren, und mehr als Dreiviertel (81%) erproben dabei hervorgehobene Sprachformen, ein Großteil (67%) literarische (s. Abb. 14). Es sind nicht immer wieder dieselben Schülerinnen und Schüler, die die bisher dargestellten Erfahrungen thematisieren. Mit jeder weiteren Untersuchung eines Themas zeigt sich ein deutlicher Zuwachs an Kindern, -

die mindestens eine hervorgehobene Sprachform erproben, die mindestens eine instrumentelle Hervorhebung erproben, die mindestens eine literarische Hervorhebung erproben,

224

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

-

die beide Formen der Hervorhebung erproben.

Es wird offensichtlich, dass die Kinder unterschiedliche Erfahrungen thematisieren und hervorheben, dass sie also auswählen aus dem, was die Vorgabe zur Verfügung stellt, und es akzentuieren.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Weite

Fliegen und Übermut

Verzweiflung Kunstfertigkeit, vier zentrale Ruhm und Reichtum

Abb. 14: Anteile der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vier zentrale vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Sage)

Da die Schülerinnen und Schüler beim Schreiben zur Sage Sprachformen für weitere vorgestellte Erfahrungen erproben, wird deren Analyse im Folgenden ergänzt. Dabei wird auch der Blick auf die sechs Kinder gerichtet, die keine der bisher dargestellten Erfahrungen thematisieren. 5) Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen: Oh nein! Der Schüler konnte es viel besser als er selber (Heike S27d) (Fast) alle Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 thematisieren weitere (vorgestellte) Erfahrungen (s. Abb. 15). Ihre Geschichten handeln u.a. davon, wie es ist, eifersüchtig zu sein, Heimweh zu bekommen, in Gefangenschaft zu geraten, nach einem Ausweg zu suchen, zu stürzen oder ein glückliches Leben zu führen. Die folgenden Beispiele geben Einblick in hervorgehobene Sprachformen für unterschiedliche Erfahrungen. Sie zeigen

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

225

zudem Varianten, die Erfahrungen, die die Sage eröffnet, in einem anderen Kontext darstellen. Durch einen Kommentar, der das Geschehen explizit bewertet, ermöglicht Heike Lesenden sich vorzustellen, wie es ist, eifersüchtig zu sein. Die Interjektion bringt dabei nicht nur die Empfindung von Entsetzen (über die Leistung des Schülers) zum Ausdruck, sondern erfüllt auch die (kommunikative) Funktion, Einfluss auf die Empfindung der Lesenden zu nehmen und zu bewirken, dieses Entsetzen zu teilen: Oh nein! Der Schüler konnte es viel besser als er selber (Heike S27d). Bei Amanda ist Eifersucht das zentrale Thema ihrer Geschichte. Allerdings überträgt sie diese Erfahrung auf Ikarus. Nachdem sie von zwei Vorfällen erzählt hat, die Ikarus‘ Eifersucht begründen, vermittelt eine morphologische Wiederholungsfigur, wie verzweifelt Ikarus über das Verhalten seiner Eltern ist: … doch eines Tages bekam Ikarus einen Bruder, der hieß Ikaria und als die Dämmerung kam, ist die Mutter in das Zimmer reingekommen und hat nur Ikaria Gute Nacht gesagt. Ikarus war sauer. (…) Als sie zu Hause waren, hat Ikarus von der Insel erzählt. Der Vater hat gesagt, dass wir die Insel Ikaria nennen, aber Ikarus wurde sauer. Er hat geschrien, nein, nein, seitdem Ikaria da ist, kümmert ihr euch nur um ihn (Amanda S66d). Auch wenn man davon ausgeht, dass Amandas Geschichte nicht von Erlebnissen mit der eigenen Familie erzählt, scheint in diesem Beispiel das Potenzial auf, das das Schreiben zur Sage für die „Artikulation des Eigenen im Fremden“ (Dehn 2015, S. 13) bietet, und die Möglichkeit, erzählend Distanz zu gewinnen zu Erlebtem. Wie dringend Dädalus‘ Wunsch ist, in die Heimat zurückzukehren, bringt Nayo durch eine Wiederholungsfigur zum Ausdruck und durch einen Einschub, der verdeutlicht, dass Heimat mehr ist als der Bau eines Hauses: Eines Tages, später, wollte er zurück, auch wenn [er] ein Haus gebaut hat, er wollte zurück (Nayo S93m). 128 Etliche Kinder thematisieren die Suche nach einem Ausweg aus der Gefangenschaft. Dabei wird vorstellbar, wie Dädalus durch logisches Denken zu einer Lösung kommt. Beim Formulieren von Dädalus‘ Gedanken dringt Sandra ein in phonologische und syntaktische Figuren der Wiederholung (Reim, Parallelismus und Chiasmus) und eine instrumentelle Sprachform, die den Moment der Erkenntnis nachvollziehbar macht:

128

Heimat und Fremde spielen auch in Nayos zweiter Geschichte zum Gemälde eine zentrale Rolle (s. G93m).

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8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Dädalus dachte sich, worüber regiert der Kaiser nicht. Er regiert über das Wasser und das Land, na klar, über die Luft regiert der Kaiser nicht. Da dachte Dädalus, ich baue keine Flügel, sondern ein Flugzeug für mich und Ikarus (Sandra S92m). Auch in Bolkos Geschichte geht es um Gefangenschaft und Befreiung. Während der Grund der Gefangenschaft ein anderer ist (sich aber dennoch in beiden Fällen auf Habgier zurückführen lässt), erinnert der Scharfsinn, mit dem Dädalus und Ikarus sich aus der Gefangenschaft befreien, stark an die Sage: … Eines Tages kamen Piraten in das Städtchen. Sie überfielen das Haus von Dädalus. Und nahmen das mit, was nicht niet- und nagelfest war. Und Dädalus und Ikarus waren nicht niet- und nagelfest. Also nahmen sie Ikarus und Dädalus mit. Da schrien sie um Hilfe, aber niemand konnte sie hören, weil sich jeder zurückgezogen hat. Da brachten die Piraten Dädalus und Ikarus auf ihr Schiff. (…) Da sagte Dädalus zu Ikarus: „He, Ikarus, mir ist eine Idee gekommen. Wir sind hier am Mast festgebunden. Ja. Wir könnten an dem Seil ziehen. So könnten wir das Segel einfahren. Und so das Boot langsamer machen.“ Da sagte Ikarus: „Gute Idee, Paps, mir ist gerade auch eine Idee gekommen, damit wir uns befreien können, müssen wir dahinten den anderen Mast umwerfen und dann fährt er zu uns und zerschneidet das Seil.“ „Ok, Ikarus, dann werfe ich diesen Stein hier und bringe den Mast zu Fall.“ Da warf Dädalus den Stein und der Mast fiel um, bum, machte es und eine Staubwolke wirbelte durch die Luft. Und Dädalus und Ikarus waren frei. Da war dann ein Loch im Schiff und es versank im Meer mit all den Schätzen. Aber Dädalus und Ikarus waren schon längst vom Schiff… (Bolko S36d). Dass der Raubzug der Piraten auch eine Entführung ist, wird in Bolkos Geschichte durch Wiederholungsfiguren hervorgehoben und durch ein klassisches Hendiadyoin (niet und nagelfest) nicht ohne Witz vermittelt. Wie in der Sage finden Dädalus und Ikarus durch (hier allerdings: gemeinsames) Nachdenken eine Möglichkeit, sich zu befreien, und bringen diese erst zur Sprache, bevor sie sie in die Tat umsetzen. Die Ankündigung einer Idee verzögert (minimal) den Fortgang der Handlung und lädt Lesende dazu ein, Hypothesen zu bilden. Das Vorhaben als Redensart zu formulieren, erweitert das Deutungsspektrum: Wird der Mast zu Fall gebracht, könnte nicht nur dieser umfallen, sondern es könnten auch die Piraten besiegt werden. Dass der Plan erfolgreich ist, vermittelt sich Lesenden über den Reim (um, bum) und die Lautmalerei, die nahelegt, sich das Geräusch des Aufpralls vorzustellen, als würde man direkt danebenstehen (bum). Nachdem Dädalus und Ikarus das Schiff verlassen haben, versinkt es mit all seinen Schätzen, sodass die Piraten tatsächlich tief ins Meer „fallen“ und versinken. Möglicherweise hat auch die von der Sage evozierte Vorstellung des Sturzes Eingang in Bolkos Redensart gefunden.

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In Korrespondenz zur Sage schreiben sich einige Kinder ein in eine semantische Figur der Ersetzung, die die Geschwindigkeit, in der Ikarus stürzt, durch einen metonymischen Konsekutivsatz vorstellbar werden lasst. Olga versucht sich dabei an einer Variante der grammatischen Form, indem sie die Folge der Ursache voranstellt: Ikarus flog zu hoch und stürzte, er konnte gar nicht Hilfe schreien, so schnell war es (Olga S14m). In den Geschichten der sechs Kinder, die keine der bisher dargestellten Erfahrungen thematisieren, geht es um Erfahrungen, deren Bezug zur Sage zwar weniger deutlich, aber dennoch erkennbar ist. So ermöglichen z.B. Anniaras und Zerifs Geschichten (S80m und S90m) im starken Kontrast zur Darstellung von Unglück und Neid in der Sage, sich vorzustellen, wie es ist, glücklich und hilfsbereit zu sein. Zerif hebt das Glück dabei instrumentell mit einer Intensitätspartikel und literarisch mit einer semantischen Figur der Wiederholung, einer Tautologie, hervor: Er hat seine Familie sehr zufrieden und glücklich (Zerif S90m). Auch Tills Geschichte (S28d), die mit einer Variation des Sturzes vom Felsen an die Sage anknüpft, handelt von einem glücklichen Leben. Er erzählt, wie Ikarus seinen Kindergeburtstag feiert. Wie Zerif hebt Till das Glück durch eine Tautologie hervor und betont, dass Ikarus sehr viele Freunde eingeladen hat. Jaynes Geschichte, die von Ikarus‘ Geburt und der seines Bruders erzählt, eröffnet eine Vorstellung davon, wie schön es ist, ein Kind zu bekommen, indem vor allem instrumentelle Hervorhebungen das Entzücken über die Kinder ausdrücken: … und eines Tages bekommt Elisa ein Kind, das heißt Ikarus. Ikarus war soooo süß. (…) ein paar Tage später, bekommt Elisa noch ein Kind. Es ist ein Junge, sagte sie und freut sich sehr. (…) Er hatte so süße Augen und so weiche Wangen, so süß (Jayne S72d). Zwei der Geschichten nehmen das Motiv des Ertrinkens auf. In Anniaras Geschichte (S80m) wird es durch einen Zauber verhindert, in Finnjans Geschichte (S76d) wird Dädalus bei der Suche nach Ikarus von einem Hai gefressen; in beiden Geschichten wird nichts sprachlich hervorgehoben. Adnans Geschichte (S100m) ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, die eigene Stadt zu verlieren und zurückzuerobern, eine einzelne sprachliche Hervorhebung bezieht sich dabei auf eine Spur, die in die Irre führt. Alle Kinder, die zur Sage geschrieben haben, erproben also Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung eröffnen. Insgesamt bringen drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler (73%) hervorgehobene Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen zu Papier. Bei einigen (13% der Gesamtgruppe) handelt es sich ausschließlich um instrumentelle Hervorhebungen,

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8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

etwa ein Fünftel aller Kinder (21%) schreibt sich ausschließlich in literarische Hervorhebungen ein und doppelt so viele (40%) erproben beide Formen. Gut die Hälfte aller Kinder (52%) hebt also weitere Erfahrungen instrumentell hervor und knapp zwei Drittel (60%) erproben literarische Hervorhebungen. Insgesamt entstehen 221 weitere hervorgehobene Sprachformen, und zwar 94 instrumentelle und 127 literarische.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Sonstige

Abb. 15: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Sage)

Die Beispiele zeigen, dass es in den Geschichten der Kinder um weitaus mehr als nur vier verschiedene Erfahrungen geht. Auch hier sind deutliche Spuren der Vorgabe in den Sprachformen der Kinder erkennbar. Bei der Analyse aller Geschichten stellt sich heraus, dass die Sage (nahezu) alle Kinder dazu angeregt hat, weitere Erfahrungen zu thematisieren, nur eine einzige Geschichte handelt ausschließlich von Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum (Björn S42d). Ein Großteil der Kinder hebt die dargestellten Erfahrungen auch sprachlich hervor.

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

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Sprachformen für vorgestellte Erfahrung (insgesamt) Bei der Analyse der Geschichten zur Sage auf Sprachformen für vorgestellte Erfahrung stellt sich heraus, dass alle Kinder mindestens eine Erfahrung thematisieren, bei der ein Bezug zu einer in der Sage dargestellten Erfahrung erkennbar ist. Fast alle Schülerinnen und Schüler (95%) aus Klasse 3 schreiben sich beim Erzählen zur Sage in mindestens eine hervorgehobene Sprachform ein, die meisten (74%) bringen dabei mindestens sowohl eine instrumentelle als auch eine literarische Hervorhebung zu Papier (s. Abb. 16). 129 Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Kinder, die literarische Sprachformen erproben (87%), insgesamt sogar ein kleines bisschen höher ist als derer, die das Dargestellte durch instrumentelle Sprachformen hervorheben (82%), obwohl letztere als weniger komplex und leichter zu erlernen gelten dürften.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Sage

Abb. 16: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben (Sage)

Der hohe Anteil derer, die mindestens eine vorgestellte Erfahrung literarisch hervorheben, zeigt deutlich, dass die ästhetische Funktion von Sprache grundsätzlich schon jungen Schreiberinnen und Schreibern zugänglich ist. Bemerkenswert ist, dass das 129

Bei den Kindern, die keine Hervorhebungen erproben, handelt es sich um drei einsprachig deutsch aufwachsende Jungen, die in dieselbe Klasse in einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex gehen, und zwei mehrsprachig aufwachsende Mädchen aus sozial unterschiedlichen Wohngebieten. Zwei dieser Kinder wurden als leistungsschwach eingestuft.

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8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

nicht nur für leistungsstarke Kinder gilt: Im Kontext der gehörten Sage schreiben sich insgesamt 13 von 15 als leistungsschwach eingestuften Kindern in hervorgehobene Sprachformen ein, abgesehen von einer Ausnahme erproben dabei alle auch mindestens eine literarische Sprachform. Insgesamt enthalten die Geschichten der 96 Kinder, die zur Sage schreiben, 547 hervorgehobene Sprachformen, und zwar 259 instrumentelle und 288 literarische. Es sind also nicht nur mehr Kinder, die literarische Sprachformen erproben, sondern es werden auch insgesamt etwas mehr literarische Hervorhebungen erprobt als instrumentelle. Die Analysen zeigen, dass sich die Sage von Dädalus und Ikarus eignet, um Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter einen Zugang zur Darstellung von Erfahrung zu eröffnen. Zum Zusammenhang von Rezeption und Produktion Die Betrachtung der Sprachformen bestätigt die Vermutung, dass Vorstellungsbildung und sprachliches Lernen miteinander verwoben sind. Ausgangspunkt der Analyse ist durchgängig die dargestellte Erfahrung, also ein inhaltlicher Aspekt des Erzählens (im Gegensatz zur Analyse struktureller und sprachformaler Aspekte, die dem Grad einer Annäherung an eine Norm entsprechen). Deutlich wird, dass die Rezeption der Sage die Kinder in hohem Maße dazu angeregt hat, sich mit den Inhalten gedanklich auseinanderzusetzen und ihre Vorstellungen zu formulieren. Dabei bringen die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 Themen zur Sprache, die den Rahmen des Gewohnten sprengen. Sie erzählen von Eifersucht, Flucht und Weite, Heimweh und Gefangenschaft, der Suche nach einem Ausweg, Übermut, Tod und Verzweiflung, Kunstfertigkeit, Ruhm, Reichtum und Glück. Die Analysen der Sprachformen, die beim Erzählen zur Sage zu Papier gebracht werden, zeigen Korrespondenzen zwischen den Sprachformen der Kinder und den in der Sage dargestellten Erfahrungen, die daraufhin deuten, dass die Kinder die Möglichkeit, sich die in der Sage thematisierte Erfahrung vorzustellen, genutzt haben, um sich in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung einzuschreiben. Etliche Beispiele zeigen, dass die Kinder eine Erfahrung auf andere Art und Weise sprachlich darstellen als die Sage. Andere Sprachformen geben eine Korrespondenz zu einem sprachformalen Muster zu erkennen, mit dem entweder dieselbe oder aber eine andere Erfahrung in der Sage zum Ausdruck gebracht wurde, sodass davon ausgegangen werden kann, dass in diesen Fällen die sprachlich geformte Vorgabe als Fundus für die Erkundung, Erweiterung oder Verfestigung sprachformaler Muster dient. Die Befunde bestätigen für eine größere Gruppe von Schülerinnen und Schülern, dass das Schreiben zur Sage von Dädalus und Ikarus kaum zu Imitation, sondern zu Adaption und Transformation anregt: Sprachformen werden nur selten übernommen, sondern vielmehr auf neue Formulierungen übertragen (vgl. Dehn/Schnelle 2000, S. 21). Bei der Betrachtung der Korrespondenzen zwischen Vorgabe und erprobten Sprachformen für

8.1 Sage: Von Weite und Verzweiflung

231

vorgestellte Erfahrung zeichnen sich unterschiedliche Arten der Transformation ab. Da eine sprachlich geformte Vorgabe mit narrativem Gehalt sowohl einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung als auch zu sprachformalen Mustern eröffnet, beziehen sich Transformationsprozesse entweder -

(hauptsächlich) auf eine dargestellte Erfahrung, auf eine dargestellte Erfahrung und das sprachformales Muster, das diese Erfahrung zum Ausdruck bringt, auf eine dargestellte Erfahrung und ein sprachformales Muster, das eine andere Erfahrung zum Ausdruck bringt oder (hauptsächlich) auf ein sprachformales Muster.

Im ersten Fall wird eine in der Sage dargestellte Erfahrung in der Geschichte des Kindes sprachlich auf eine andere Art und Weise konkretisiert (bzw. erweitert oder variiert). Aus der Vorstellung, die das Kind entwickelt, entsteht eine Sprachform, die bei Lesenden die Vorstellung der Erfahrung (bzw. einer Erweiterung oder Variation der Erfahrung) mit (überwiegend) anderen Worten, anderen Formulierungen oder anderen Formen der Hervorhebung zu erzeugen vermag. So ermöglicht die Sage z.B., sich Weite vorzustellen, indem sie diese durch eine semantische Figur der Erweiterung literarisch hervorhebt: „Er floh weit über das Meer.“ Unterschiedliche Sprachformen der Kinder zeigen, dass sie vor diesem Hintergrund eine Vorstellung von der Weite der Flucht entwickelt haben, die sie aber auf andere Art und Weise zum Ausdruck bringen als die vorgelesene Sage, und zwar durch -

andere Worte: Die lange Reise (…) er nahm sein Boot und fuhr übers Meer (Helle S37d); eine andere Art von Hervorhebung (instrumentell statt literarisch bzw. umgekehrt): Dädalus schwamm immer weiter (Farouk S82m); eine andere Form derselben Art von Hervorhebung (z.B. eine andere literarische Hervorhebung): Er floh und floh (Fabian S47d).

Die Transformation bezieht sich in diesen Fällen hauptsächlich auf die Vorstellung einer Erfahrung in inhaltlicher Perspektive. Wird eine in der Sage dargestellte Erfahrung auf dieselbe oder eine ähnliche Art und Weise konkretisiert (bzw. erweitert oder variiert), schlägt sich zusätzlich das sprachformale Muster, mit dem die Sage die Erfahrung darstellt, in der Sprachform des Kindes nieder. So wird z.B. eine Vorstellung derselben Erfahrung erzeugt -

durch das dasselbe sprachformale Muster: Dädalus sagte zu Ikarus, wir müssen fort in das Weite hinaus (…) Da flogen sie weit über die Luft (Sandra S92m).

232

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Die Untersuchung der Sprachformen hat auch gezeigt, dass eine in der Sage dargestellte Erfahrung vorstellbar werden kann -

durch ein anderes sprachformales Muster, das die Sage enthält: aber würden sie den weiten Weg schaffen? (Noema S32d).

Die Sage eröffnet an mehreren Stellen durch Alliterationen die Möglichkeit, sich vorzustellen, wie es ist, eine bestimmte Erfahrung zu machen. Es könnte sein, dass Noema die phonologische Figur der Wiederholung auf die Darstellung von Weite übertragen hat. Die Beispiele zeigen auch, dass unterschiedlichen Arten der Transformation in den Formulierungen der Kinder in unterschiedlichen Kombinationen vorkommen können, sodass Erfahrungen vorstellbar werden -

durch das dasselbe und andere sprachformale Muster, die die Sage enthält: Schnell floh Dädalus weit weg übers Meer davon (Lia S45d).

In Lias Sprachform, die die Vorstellung von Weite um den Aspekt der Ferne erweitert, ist das literarische Muster der semantischen Erweiterung sogar mehrfach enthalten und durch die Alliteration kommt ein weiteres hinzu. Die Transformation bezieht sich in diesen Fällen sowohl auf die Vorstellung einer Erfahrung als auch auf sprachformale Muster der Darstellung. Eine weitere Art der Transformation bezieht sich vor allem auf den Formaspekt der Sprache. In Erweiterungen und Variationen kommt es vor, dass ein sprachformales Muster in die Darstellung einer Erfahrung Eingang findet, die die Sage nicht eröffnet. So wird die Vorstellung einer anderen Erfahrung erzeugt -

durch ein sprachformales Muster, das die Sage enthält: Sie waren alle so wild aufeinander zu gegangen, dass alle Menschen starben dort (Heike S27d).

Aufgrund der vielfältigen und ausgeprägten Formen der Bezugnahme auf die Erfahrungen, die die Sage eröffnet, kommt diese – recht abstrakte – Art der Transformation nur selten vor. Ob die Kinder bei der Transformation solcher Muster ihren Fundus an sprachlichen Mustern erweitern, festigen oder vernetzen, ob sie Neues lernen, sich an Ungewohntem versuchen, aus ihrem Repertoire schöpfen oder ihr Können entfalten, kann zumeist nicht bestimmt werden. Einzig Sprachformen, die (z.T. minimal) abweichen von der formalen Richtigkeit, können Einblicke in Aneignungsprozesse geben. Dass aber alle Formen der Auseinandersetzung wertvolle Aspekte sprachlichen Lernens darstellen, dürfte außer Zweifel stehen. Das Potenzial der Sage, Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 anzuregen, Sprachformen zu erproben, die vorgestellte Erfahrung thematisieren und hervorheben, lässt

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr

233

sich insgesamt als sehr hoch beschreiben. Im Kontext der gehörten Sage thematisieren die Kinder (vorgestellte) Erfahrungen, die weit über das hinausgehen, was im Rahmen strukturbildender Aufgabenstellungen zum Erzählen dieser Altersgruppe angeboten wird. Im Folgenden wird untersucht, worum es in den Geschichten nach der Betrachtung eines Gemäldes und zu einer Figur aus Literatur und Medien geht und auf welche Art und Weise die Kinder vorgestellte Erfahrungen hier zur Sprache bringen. Während die Analysen der Sprachformen, die im Kontext der Sage entstehen, deutlich zeigen, dass die Sprachformen nicht einfach imitiert werden, sondern einen gedanklichen Transformationsprozess durchlaufen, in dem die Vorstellungsbildung eine zentrale Rolle spielt, stellt sich für die Analysen zum Bild und zu den Figuren die Frage, ob auch hier ein Zusammenhang zwischen der Vorgabe und den Sprachformen erkennbar ist, obwohl entweder keine oder aber keine zeitnah rezipierte sprachliche Vorgabe als Fundus für Adaption und Transformation zur Verfügung steht.

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr Die Vielfalt der Themen, um die es in den Geschichten der Grundschulkinder zum Gemälde geht, ist – wie beim Schreiben zur Sage – groß (vgl. Kapitel 7.2). Es geht um Heimat und Fremde, Aufbruch und Ankunft, Weite, Sehnsucht, Liebe und Einsamkeit, Armut und Reichtum, Gefahr und Rettung oder Verderben, es entstehen realistische und phantastische Geschichten. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Analyse von Sprachformen zu vier zentralen Erfahrungen vorgestellt, die besonders häufig thematisiert wurden (Liebe, Gefahr/Rettung/Verderben, Weite, Heimat/Fremde). Die Analyse von Sprachformen für weitere vorgestellte Erfahrungen wird zusammenfassend ergänzt. Fast alle Kinder (95%) schreiben Geschichten, die Lesende einladen, sich mindestens eine der vier zentralen Erfahrungen vorzustellen. Auch beim Schreiben zum Gemälde erprobt ein erstaunlich hoher Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 hervorgehobene Sprachformen (90% der Gesamtgruppe), in den meisten Geschichten beziehen sich die Hervorhebungen (auch) auf eine der zentralen Erfahrungen (83%). Im Mittelpunkt des Interesses steht, zu erkunden, welche Erfahrungen Kinder im Grundschulalter nach der Betrachtung des Gemäldes erzählend zur Sprache bringen und in welche Sprachformen sie sich dabei einschreiben. Es geht darum, anhand der entstandenen Produkte Einblicke in Transformationsprozesse zu erlangen, um die Rolle der Vorstellungsbildung beim Schreiben zum Bild besser zu verstehen und das didaktische Potenzial von bildlichen Vorgaben mit narrativem Gehalt am Beispiel des Gemäldes „Auf dem Segler“ von C.D. Friedrich zu untersuchen.

234

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

1) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Liebe: … es steckt Liebe dort hinter (Amanda G66d) Nachdem Amanda das Bild betrachtet hat, formuliert sie vor dem Schreiben der Geschichte einen ersten Gedanken, eine Idee, einen Eindruck:

Zwei Menschen sitzen auf dem Schiff, es steckt Liebe dort hinter, sie sitzen ganz vorne und ich sehe einen Sonnenuntergang, sie schauen zum Sonnenuntergang (Amanda G66d). Amandas Formulierung wird zum Leitgedanken ihrer Geschichte, in der es um eine Prinzessin geht, die einen ihr unbekannten Prinzen heiraten soll (s. Anhang, S. 469 f.): Es war einmal eine Prinzessin. Sie musste heiraten. Sie musste einen Prinzen heiraten, aber sie wusste ja nicht einmal, wie er heißt und wie er war. Ihr Vater, der König, sagte aber immer, wenn man eine Prinzessin ist, muss man jemanden heiraten, der `ne Krone hat (Amanda G66d). Auf dem Weg zum Prinzen überlistet die Prinzessin die Diener und entkommt. Sie arbeitet in einem Waisenhaus und wird aufgrund ihrer gewöhnlichen Kleidung von den Rittern, die sie suchen, nicht entdeckt. Sie verliebt sich in einen Mann und es stellt sich heraus, dass er der Prinz ist: Sie hatte dort einen Mann gesehen. Sie hatte sich verliebt. (…) Dann hat sie gehört, dass er der Prinz war und dann sind sie wieder zum Schloss gegangen und haben geheiratet (Amanda G66d). Nach der Hochzeit segeln Prinz und Prinzessin zu einer Insel und die Geschichte, die auf den dargestellten Moment hin erzählt wird, endet mit den Worten und so ist dieses Bild entstanden. Letztendlich heiratet die Prinzessin also doch aus Liebe – Amandas erster Formulierung (es steckt Liebe dort hinter) entsprechend. In ihrer Erzählung erprobt Amanda mehrere Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Liebe. Mit einer syntaktischen Figur der Wiederholung, einem Parallelismus, hebt Amanda den Zwang der Heirat literarisch hervor und betont mit der Ergänzung im zweiten Teil, dass es sich bei dem Ehemann der Prinzessin um einen Prinzen handeln muss (Sie musste heiraten. Sie musste einen Prinzen heiraten). Vorstellbar wird, wie prekär diese Heirat für die Prinzessin ist, indem instrumentell durch Abtönungs- und Gradpartikeln (ja nicht einmal) und literarisch durch einen weiteren Parallelismus (wie er … und wie er …) hervorgehoben wird, dass sie ihren zukünftigen Ehemann gar nicht kennt.

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr

235

Dass der Vater der Prinzessin nur eine standesgemäße Hochzeit duldet, wird durch die Angabe zur Frequenz, in der er seine Auffassung kundgibt (immer), und metaphorisch zum Ausdruck gebracht: Jemand, der `ne Krone hat, ist unzweifelhaft königlicher Herkunft. Dass das gilt, was der Vater sagt, hebt Amanda literarisch durch eine syntaktische Erweiterung hervor, die seine Macht, aber auch die Standeszugehörigkeit (von Vater und Tochter) betont (Ihr Vater, der König). Die selbstbestimmte Liebe thematisiert Amanda ohne Hervorhebung (Sie hatte sich verliebt). Im Gegensatz zum Anfang wird die Heirat nun nicht mehr als Zwang, sondern als gemeinsame Handlung beschrieben (sie … haben geheiratet). Nach dem Schreiben berichtet Amanda, dass das Bild sie an den Film „Die Prinzessin auf der Erbse“ (2010) erinnert habe. Beim Schreiben habe sie an den Film gedacht und „noch ein bisschen verändert“. Durch ihre Kleidung, vor allem das Barrett, und die Frisuren ähneln die Protagonisten des Films den beiden Figuren auf dem Schiff. 130 In der Darstellung der Erfahrung von Liebe haben Märchenfilm und Gemälde eine Schnittstelle. Für Amanda ist das Gemälde von Friedrich ein Türöffner zu ihrem Geschichtenfundus, den sie nutzt, um eine Geschichte über Liebe zu schreiben, in der es um existentielle Erfahrungen von Zwang und Selbstbestimmung geht. Es ist nicht die einzige Geschichte, die Lesenden ermöglicht, sich die Erfahrung von Liebe vorzustellen. Den Zugang, den das Bild für die Vorstellung von Liebe eröffnet, nutzt gut die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (52%) aus Klasse 3, um in ihrer Erzählung Liebe zu thematisieren (s. Abb. 17; Beispiele s. Anhang, S. 396 f.). 131 Ein Fünftel aller Kinder (21%) erprobt dabei ausschließlich Sprachformen, die Liebe ohne Hervorhebung thematisieren, alle anderen (31%) erproben außerdem hervorgehobene Sprachformen. Ein Fünftel aller Kinder (21%) hebt Liebe instrumentell hervor, sieben davon ausschließlich (7%), die anderen (14%) bringen sowohl instrumentelle als auch literarische Hervorhebungen zu Papier. Etwa ein Viertel aller Kinder (24%) schreibt sich in Sprachformen ein, die Liebe literarisch hervorheben, knapp die Hälfte davon ausschließlich (10%). Etliche der Geschichten enthalten mehr als eine Hervorhebung, sodass insgesamt 83 hervorgehobene Sprachformen, und zwar 46 instrumentelle und 37 literarische, entstehen, die Lesenden vorgestellte Erfahrung von Liebe eröffnen.

130

131

Ein Bild der Figuren aus dem Film ist online einsehbar unter http://www.tvspielfilm.de/kino/ filmarchiv/film/die-prinzessin-auf-der-erbse,4366298,ApplicationMovie.html [Zugriff: 14.02.2019] (vgl. insbesondere Bild 5/17). 21 Schülerinnen und Schüler (und zwar sechs weitere) thematisieren Liebe schon bei der Formulierung erster Gedanken, Ideen und Eindrücke zum Bild, sechs (und zwar eine weitere) heben Liebe dabei sprachlich hervor (vgl. Anhang, S. 506-511).

236

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Liebe

Abb. 17: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Liebe einschreiben (Gemälde)

Die Betrachtung des Bildes (und das Vorlesen der Formulierungen zum Bild) regt demnach die Hälfte aller Kinder aus Klasse 3 dazu an, Sprachformen zu erproben, die die Erfahrung von Liebe zum Ausdruck bringen bzw. Lesenden ermöglichen, sich diese Erfahrung vorzustellen. Dass es dabei nicht um die Auseinandersetzung mit kindlicher Freundschaft oder erster Verliebtheit geht, zeigen das Beispiel von Amanda und etliche andere Geschichten, wie z.B. die von Alexa (G77d), Verena (G85m), Meryem (G67m), Tanja (G50d), Ben (G51d) und Bolko (G36d). Im Kontext der Vorgabe, die die beiden sich an der Hand haltenden Figuren im Zentrum des Bildes darstellt und ermöglicht, die Farben des Himmels als romantischen Sonnenuntergang zu deuten, ist den Kindern das Thema auf einer Ebene zugänglich, die Erwachsene erstaunt. In Sprachformen wie „Sie (…) halten Händchen“ sind Spuren der Vorgabe deutlich erkennbar. Die Transformation des Gesehenen in Sprache erzeugt in diesem Fall eine literarische Sprachform. Das Beispiel von Amanda zeigt, dass die Transformationsprozesse sehr vielschichtig sein können und ein Bild Erinnerungen wecken kann, die bewirken, dass das Pendel zwischen „Erzeugtem und Vorgefundenem“ (Dehn 2005, S. 13) beim Schreiben weit in den Geschichtenfundus ausschlägt. Selten lassen sich die Quellen von Leserinnen und Lesern (bzw. Schreiberinnen und Schreibern) so eindeutig bestimmen wie bei Amanda. Die Möglichkeit, sich das auf dem Bild Dargestellte als Teil einer Storyworld vorzustellen, in der die Erfahrung von Liebe eine zentrale Rolle spielt, eröffnet schon

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr

237

Schreibenden im Grundschulalter, sich einzuschreiben in Sprachformen, die diese existentielle Erfahrung, um die es in unzähligen Geschichten in dieser Welt geht, thematisieren und hervorheben. 2) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Gefahr, Rettung oder Verderben: Es drohte Gefahr (Nina G94d) Nachdem Nina das Bild betrachtet hat, formuliert sie zunächst einen Gedanken und eine Idee, die sich auf die Natur und die romantische Stimmung beziehen:

Sie sitzen zusammen auf dem Boot und gucken den Sonnenuntergang an. (Gedanke) Die Segel fliegen im Wind und die Menschen sind verliebt. (Idee) (Nina G94d). Beim Vorlesen der ersten Gedanken hört Nina danach vier Formulierungen von anderen Kindern aus ihrer Klasse, die Gefahr thematisieren: -

Die machen sich Sorgen (…) Die kriegen Angst (Zerif G90m); Das Wasser ist sehr gefährlich (Anisha G95m); Die fahren in {der} [die] Stadt. Aber das ist gefährlich. Das Schiff könnte runtergluckern. Und es ist dunkel (Arbesa G96m); Das Schiff ist kaputt (Ken G101m).

Ausgehend von ihrem ersten Gedanken greift Nina diese Ideen auf und schreibt eine Geschichte über zwei Liebende, die Gefahren ausgesetzt sind, sich aber retten können (s. Anhang, S. 475). Eine junge Frau und ein junger Mann treffen sich und sind kurz darauf „zusammen“. Sie fahren mit einem Schiff weg, doch es stellt sich heraus, dass das Schiff nicht sicher ist: Es drohte Gefahr. Das Schiff war nicht sicher. Sie sind vom Schiff gesprungen. Sie sind geschwommen und geschwommen und geschwommen. Das Wasser war sehr, sehr kalt. Sie kamen an einer Insel an. Da waren Palmen, Kokosnüsse, Sand wie ein Paradies. Sie waren glücklich, zufrieden, man kann das nicht beschreiben. Sie waren jetzt glücklich, dass die beiden nicht gestorben sind. Sie haben alles bekommen, was sie wollten. Sie bekamen Kokosnüsse und viele andere Dinge (Nina G94d). In ihrer Erzählung erprobt Nina Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Gefahr und Rettung: Ein Phrasem erzeugt durch die Kombination von Bedrohung und Gefahr

238

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

die Vorstellung, dass etwas sehr Gefährliches kurz bevorsteht (Es drohte Gefahr). Indem Nina schreibt, dass das Schiff nicht sicher ist, wird dieser Eindruck verstärkt und das Schiff als Gefahrenquelle benannt. Mann und Frau versuchen, sich mit einem Sprung ins Wasser und ausdauerndem Schwimmen zu retten. Die Weite der Strecke und die Anstrengung des Schwimmens bringt Nina mit einer morphologischen Wiederholungsfigur zum Ausdruck. Die Gefahr, die wiederum das Schwimmen in sich birgt, wird ebenso durch eine morphologische Wiederholungsfigur, in diesem Fall einer klassischen Geminatio, vorstellbar (sehr, sehr kalt). Die rettende Insel stellt Nina durch einen poetischen Vergleich dar (wie ein Paradies). Indem Nina zum Ausdruck bringt, dass die tautologische Figur (glücklich, zufrieden) nicht ausreicht und ihr die Worte fehlen, um das Glück der beiden Geretteten zu beschreiben (sie also mit einem metanarrativen Element das Erzählen explizit thematisiert: man kann das nicht beschreiben), wird vorstellbar, wie groß es ist. Nina ist nicht die Einzige, die eine Geschichte schreibt, in der es um Gefahr und Rettung geht.

100%

Literarische Hervorhebung

90% 80%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

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Instrumentelle Hervorhebung

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Gefahr und Rettung oder Verderben

Abb. 18: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Gefahr und Rettung oder Verderben einschreiben (Gemälde)

Den Deutungsspielraum, den das Bild eröffnet, um zu thematisieren, wie es ist, in Gefahr zu geraten und gerettet zu werden bzw. sich selbst zu retten oder ins Verderben zu stürzen, nutzt mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (54%) (s. Abb. 18;

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr

239

Beispiele s. Anhang, S. 397 f.). 132 Nur wenige dieser Kinder (6% der Gesamtgruppe) thematisieren Gefahr, Rettung oder Verderben, ohne sie sprachlich hervorzuheben, die meisten (48% der Gesamtgruppe) bringen wie Nina hervorgehobene Sprachformen zu Papier. Während etwa die Hälfte der Kinder, die Gefahr, Rettung oder Verderben hervorheben, entweder ausschließlich instrumentelle (10% der Gesamtgruppe) oder ausschließlich literarische Hervorhebungen (15% der Gesamtgruppe) erprobt, bringt die andere Hälfte (23% der Gesamtgruppe) beide Formen zu Papier. Ein gutes Drittel aller Schülerinnen und Schüler (38%) aus Klasse 3 erprobt also literarische Hervorhebungen und ein nahezu ebenso hoher Anteil (33%) instrumentelle. Etliche Kinder formulieren dabei mehr als eine Hervorhebung, sodass insgesamt 179 hervorgehobene Sprachformen entstehen, die Lesenden ermöglichen, sich vorzustellen, wie es ist, in Gefahr zu geraten und diese zu überstehen oder ins Verderben zu stürzen, und zwar – wie bei Nina – deutlich mehr literarische (104) als instrumentelle (75). Die Sprachformen deuten darauf hin, dass mehr als die Hälfte aller Kinder Ambivalenz und Deutungsoffenheit des Bildes nutzt, um in der Vorstellung eine Storyworld zu erzeugen, in der die Figuren einer Gefahr ausgesetzt sind. Der Kontrast zwischen dem leuchtenden Himmel und dem dunklen Meer, könnte ein Grund dafür sein, dass Kinder sich die Gefahr des Ertrinkens vorstellen. Die Darstellung der recht nah am ungesicherten Rand des Bugs sitzenden Figuren, mag dazu beigetragen haben, dass einige Kinder in ihren Geschichten einen Sturz in das Wasser thematisieren. Die abgewandten Gesichter der Figuren ermöglichen, sich vorzustellen, dass sie Angst haben und sich (auch) deshalb an den Händen halten. Einige Kinder deuten den bewölkten, sich nach oben hin verdunkelnden Himmel und die geblähten Segel als aufziehendes Unwetter und entwickeln daraus die Vorstellung einer Gefahr. Andere nutzen dafür die nur halbe Ansicht des Schiffes, den dunklen Eingang zum Schiffsinneren oder den begrenzten Bildausschnitt. Das Bild ermöglicht auch, sich vorzustellen, dass eine Gefahr hinter den beiden Menschen liegt und sie sich dem rettenden Ufer nähern oder auf den Ort des Geschehens zurückblicken. Die meisten Geschichten, in denen es um Gefahr geht, erzählen zudem von der Rettung der Protagonisten oder von ihrem Tod. So wird z.B. die Stadt im Hintergrund als Ort der Rettung, aber auch als Ort voller Gefahren gedeutet. Die Möglichkeit, sich das auf dem Bild Dargestellte als Teil einer Storyworld vorzustellen, in der die Figuren einer Gefahr ausgesetzt sind, führt dazu, dass sich die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 in hervorgehobene Sprachformen einschreibt, ohne dass sie dabei aus einem durch die Vorgabe vermittelten sprachli-

132

10 dieser Kinder thematisieren Gefahr, Rettung oder Verderben schon bei der Formulierung erster Gedanken, Ideen und Eindrücke zum Bild, eine Schülerin hebt Gefahr dabei instrumentell hervor (vgl. Anhang, S. 506-511).

240

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

chen Fundus schöpfen können. Dies zeigt zum einen das Potenzial der Vorstellungsbildung für die Sprachbildung und zum anderen das narrative Potenzial des Bildes, das Betrachtenden (auch) einen Zugang eröffnet zur Vorstellung und Erinnerung von Abenteuergeschichten, in denen Helden eine Gefahr meistern, sodass schon junge Schreibende aus ihrem Geschichtenfundus schöpfen können. 3) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Weite: … hinaus ins weite schöne Meer, hinaus in das Leben, weit hinaus (Anna G08d) Nachdem Anna das Bild betrachtet hat, formuliert sie einen ersten Gedanken, eine Idee, einen Eindruck:

Ich finde das Bild sehr schön, weil es ein schöner Sonnenuntergang ist (Anna G08d). Annas erste Formulierung zum Bild thematisiert nicht vorgestellte Erfahrung von Weite, sondern die Schönheit des Bildes, aber in ihrem Text sind beide Aspekte verbunden. Anna schreibt die Geschichte zweier Menschen, die die Schönheit der Natur und die Fahrt auf dem Segelboot so sehr genießen, dass sie kurzerhand den Kurs ändern und weit hinausfahren (s. Anhang, S. 455): Zwei Menschen in einem Segelboot. Die auf eine Stadt zu steuern. Und sehnsüchtig dem Sonnenuntergang zuschauen. Und der Wind in die Segel bläst. Ohne Hindernisse, ohne Wellen, wie schön kann doch das Leben sein. Und sie steuern ohne Fehler hinaus ins weite schöne Meer, hinaus in das Leben, weit hinaus (Anna G08d). Während Anna mit einer literarischen und einer instrumentellen Sprachform den Genuss der Fahrt und des Lebens hervorhebt, erzeugt im letzten Satz eine Fülle an rhetorischen Figuren eine vielschichtige Vorstellung der Erfahrung von Weite, und zwar -

eine morphematische Figur, indem das Wort „hinaus“, das schon an sich Weite zum Ausdruck bringt, dreifach wiederholt wird; syntaktische Figuren, indem das Wort „hinaus“ zweimal an die Spitze einer syntaktischen Einheit gestellt wird und einmal ans Ende; zwei syntaktische Einheiten werden zudem wiederholt, sodass ein Parallelismus entsteht, die letzte Einheit (weit hinaus) bildet mit der Struktur der ersten Einheiten einen Chiasmus (hinaus – weit – weit – hinaus);

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr

-

241

semantische Figuren, indem durch eine abstrahierende Metapher (sie steuern hinaus in das Leben) und den Parallelismus die Fahrt ins weite schöne Meer zur Lebensfahrt wird, und indem die Worte „weit“ und „hinaus“ beide eine Vorstellung von Weite erzeugen, sodass eine semantische Figur der Erweiterung entsteht (weit hinaus), da das Wort „hinaus“ alle Seme von „weit“ im Sinne einer weiten Strecke enthält.

Anna ist nicht die Einzige, die an dem Bild eine Vorstellung von Weite entwickelt und sich in Sprachformen einschreibt, die Lesenden einen Zugang zur Vorstellung dieser Erfahrung eröffnet. Gut die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (53%) aus Klasse 3 nutzt den Zugang, den das Bild für die Vorstellung von Weite eröffnet, um selbst Weite zu thematisieren (s. Abb. 19; Beispiele s. Anhang, S. 398 f.). 133

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Weite

Abb. 19: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Weite einschreiben (Gemälde)

Ein Drittel aller Kinder (32%) erprobt dabei ausschließlich Sprachformen, die Weite ohne Hervorhebung thematisieren. Die übrigen (21% der Gesamtgruppe) bringen dabei auch hervorgehobene Sprachformen zu Papier. Deutlich mehr Kinder (20%) heben 133

Sieben Schülerinnen und Schüler (und zwar vier weitere) thematisieren Weite schon bei der Formulierung erster Gedanken, Ideen und Eindrücke zum Bild, vier (und zwar vier weitere) heben Weite dabei sprachlich hervor (vgl. Anhang, S. 506-511).

242

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Weite – wie Anna – literarisch hervor als instrumentell (6%). Während in einer Erzählung (1%) ausschließlich eine instrumentelle Hervorhebung gefunden wurde und in 14 Erzählungen (15%) ausschließlich literarische, enthalten fünf Texte (5%) beide Formen. Etliche Kinder formulieren mehr als eine Hervorhebung, sodass 9 instrumentelle und 27 literarische Sprachformen, also insgesamt 36 hervorgehobene Sprachformen entstehen, die Lesenden vorgestellte Erfahrung von Weite eröffnen. Bemerkenswert ist, dass die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 den Aspekt der Weite beim Schreiben zum Bild in einem ähnlich hohen Umfang wie beim Schreiben zur Sage thematisieren. Während beim Schreiben zum Bild sogar zehn Kinder mehr Weite ohne Hervorhebung zur Sprache bringen, entsprechen sich die Anteile derjenigen, die Weite instrumentell und literarisch hervorheben nahezu, die Anzahl der hervorgehobenen Sprachformen ist sogar identisch. Da es sich größtenteils um unterschiedliche Kinder handelt (in 29 von 36 Fällen), die Weite sprachlich hervorheben, ist davon auszugehen, dass die Hervorhebungen nicht (nur) auf die allgemeine Sprachkompetenz dieser Schülerinnen und Schüler zurückzuführen sind, sondern in einem Zusammenhang stehen mit der Vorstellungsbildung, die die Vorgaben erzeugen. Dem Bild scheint dabei ein ähnlich hohes Potenzial innezuwohnen, Vorstellungen von Weite zu erzeugen, die auf einen literarischen Ausdruck drängen, wie der vorgelesenen Sage, die selbst solche Sprachformen enthält. Das Bild eröffnet einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Weite durch die Darstellung des Ausschnitts und der verschwommenen Stadtkulisse. Da das Meer nur in eine Richtung durch die Stadtkulisse begrenzt ist, lässt es sich an den übrigen drei Seiten in der Vorstellung endlos erweitern. Auch wenn am unteren Rand das Schiff in das Bild ragt, entsteht vor dem Hintergrund unseres Weltwissens die Vorstellung von dahinterliegendem Wasser. Ähnlich wie das Meer vermittelt der Himmel die Vorstellung von Weite, auch er scheint sich über die Ränder des Bildes hinaus zu erstrecken. Die Begrenzung durch das Segel lässt sich wie die Begrenzung des Meeres durch das Schiff in der Vorstellung mühelos überwinden. Obwohl die Stadtkulisse die Weite des Himmels und des Meers am Horizont begrenzt, eröffnet die Darstellung der kleinen Gebäude, die kaum zu erkennen sind, die Vorstellung, sie sei weit entfernt. Die Möglichkeit, sich das auf dem Bild Dargestellte als Teil einer Storyworld vorzustellen, in der die Figuren Weite empfinden oder einen weiten Weg zurücklegen, führt dazu, dass sich über die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 in Sprachformen einschreibt, die Lesenden die Vorstellung von Weite eröffnen. Der narrative Gehalt des Bildes scheint also auch in der Darstellung des Raumes zu liegen.

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr

243

4) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Heimat und Fremde: … sie wollten nie mehr zurück (Nayo G93m) Nachdem Nayo das Bild betrachtet hat, formuliert sie einen ersten Eindruck, der noch keinen erkennbaren Zusammenhang mit der Erfahrung von Heimat und Fremde hat:

Es ist schön. Es wird dunkel (Nayo G93m). In ihrer Geschichte aber steht die Erfahrung von Heimat und Fremde im Mittelpunkt (s. Anhang, S. 475). Sie handelt von einer Frau, die mit ihrer Familie in Armut lebt. Während ihr Mann nur davon spricht, dass sie eines Tages in Paris sein werden, sorgt die Frau dafür, dass das Vorhaben in die Tat umgesetzt wird, sodass sie mit etwas Glück in Paris eine neue Heimat finden. In ihrer Erzählung erprobt Nayo unterschiedliche Sprachformen, die ermöglichen, sich vorzustellen, wie es ist, seine Heimat zu verlassen und eine neue Heimat zu finden: Es war einmal eine Frau. Ihr Dorf war arm. Sie hatte 1 Kind. Sie haben in Zelten geschlafen. Es war kalt. Ihr Mann hat gesagt, eines Tages werden wir in Paris sein. Sie hat gesagt, eines Tages sind wir tot. Er hat gesagt, ich meinte morgen. Es war morgens. Die Frau hat, aufstehen, aufstehen, gesagt. Habt ihr vergessen, dass wir gehen. Der Mann hat gesagt, wohin. Sie sagt, na, {zu} [nach] Paris. Sie sind losgefahren. Sie waren da. Die Frau sagt, WOW. Da waren Bekannte. Die Bekannten sagen, wollt ihr bei uns schlafen. Die sagten, ja.  Sie waren glücklich für immer. Sie wollten nie mehr zurück, aber sie waren traurig, /weil sie ihr Dorf verlassen haben/ (Nayo G93m). Eine syntaktische Wiederholungsfigur, ein Parallelismus, verdeutlicht die unterschiedliche Herangehensweise von Mann und Frau (Ihr Mann hat gesagt, eines Tages … Sie hat gesagt, eines Tages …). Während der Mann das Vorhaben vage in der Zukunft verortet, hält die Frau es für lebensnotwendig. Auch durch die morphologische Wiederholungsfigur in Form einer Geminatio (aufstehen, aufstehen) wird der starke Wille der Frau, die Heimat zu verlassen, deutlich. Energisch sorgt sie dafür, dass die Familie aufbrechen kann und das scheint auch nötig, denn der Mann hat tatsächlich vergessen, dass sie weggehen wollten. Durch die graphisch in Großbuchstaben hervorgehobene Interjektion (WOW) wird vorstellbar, wie beeindruckt die Frau von der fremden Stadt ist. Das Glück, bei Bekannten ein Zuhause zu finden, hebt Nayo graphisch mit einem

244

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Smiley ( ) hervor. Die Angaben zur Dauer erzeugen Vorstellungen von ewig anhaltendem Glück (für immer) und dem Ausschluss der Möglichkeit, jemals wieder in das Dorf zurückzukehren (nie mehr). Erst ganz zum Schluss wird auch ein wenig Wehmut vorstellbar. Wie Nayo nimmt die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (53%) in Klasse 3 das Angebot des Bildes auf, Erfahrungen von Heimat und Fremde zu thematisieren (s. Abb. 20; Beispiele s. Anhang, S. 399 f.). 134 Während ein Fünftel aller Kinder (20% der Gesamtgruppe) ausschließlich Sprachformen ohne Hervorhebung zu Papier bringt, erprobt ein Drittel (33%) hervorgehobene Sprachformen. Dabei liegt der Anteil der Kinder, die Heimat und Fremde ausschließlich instrumentell hervorheben (8%), geringfügig unter dem Anteil derjenigen, die diese Erfahrungen ausschließlich literarisch (12%) oder in beiden Formen (14%) zu Papier bringen. Dementsprechend hebt gut ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler (22%) Heimat und Fremde instrumentell hervor und ein Viertel (25%) literarisch. Etliche Kinder formulieren dabei mehr als eine Hervorhebung, sodass 43 instrumentelle und 40 literarische, also insgesamt 83 hervorgehobene Sprachformen entstehen, die Lesenden vorgestellte Erfahrung von Heimat und Fremde eröffnen.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Heimat und Fremde

Abb. 20: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Heimat und Fremde einschreiben (Gemälde) 134

Drei Schülerinnen und Schüler (und zwar zwei weitere) thematisieren Heimat und Fremde bei der Formulierung erster Gedanken, Ideen und Eindrücke zum Bild, ohne diese sprachlich hervorzuheben (vgl. Anhang, S. 506-511).

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr

245

Die Kinder haben im Frühjahr 2014 Erfahrungen von Heimat und Fremde in ihren Geschichten zum Ausdruck gebracht, noch bevor in Deutschland dieses Thema in aller Munde war, sodass davon ausgegangen werden kann, dass das Bild maßgeblich zur Vorstellungsbildung beigetragen hat. Die Darstellung einer Fahrt mit dem Schiff legt nahe, sich vorzustellen, dass die beiden Menschen einen Ort verlassen haben. Während manche Kinder die Fahrt als einen Ausflug oder eine geschäftliche Fahrt deuten, verstehen andere darin das Verlassen der Heimat und schreiben Geschichten, in denen es um die Suche nach einer neuen Heimat oder um die Rückkehr in die Heimat geht. Die schimmernde Stadt im Hintergrund ist dabei mal Heimat und mal Fremde für die beiden Menschen. Manche interpretieren auch das Schiff als Ort der Heimat. Die Möglichkeit, sich das auf dem Bild Dargestellte als Teil einer Storyworld vorzustellen, in der die Figuren auf dem Weg sind, für die ein Ort in der Ferne bedeutsam ist, führt dazu, dass sich über die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 in Sprachformen einschreibt, die Lesende dazu einladen, sich vorzustellen, wie es ist, die Heimat zu verlassen, eine neue Heimat zu finden, eine Heimat zu haben und nach Hause zurückzukehren, einem unbekannten Ziel entgegen zu fahren, sich fremd zu fühlen oder die Fremde zu entdecken. Auch hierin zeigt sich, dass schon junge Schülerinnen und Schüler durch bildliche Vorgaben mit narrativem Gehalt einen Zugang finden können zur Vorstellung existentieller Erfahrungen, die sie als Geschichten schreibend zur Sprache bringen.

Sprachformen für vier zentrale vorgestellte Erfahrungen Beim Schreiben zum Gemälde ist der Anteil der Kinder, die mindestens eine von vier zentralen Erfahrungen thematisieren, ebenso hoch, wie beim Schreiben zur Sage: Allein zu den bisher dargestellten vier zentralen (vorgestellten) Erfahrungen schreiben sich fast alle Schülerinnen und Schüler (95%) ein in Sprachformen, die diese Erfahrungen thematisieren. Mehr als Dreiviertel aller Kinder (81%) erproben dabei hervorgehobene Sprachformen, die meisten (70%) sogar literarische (s. Abb. 21). Auch bei der Analyse der Sprachformen, die beim Schreiben zum Bild erprobt werden, zeigt sich, dass die Vielfalt an Zugängen, die das Bild eröffnet, dazu führt, dass die Kinder unterschiedliche Akzente setzen bei der Hervorhebung vorgestellter Erfahrung und es nicht immer die dieselben sind, die hervorgehobene Sprachformen erproben. Da die Schülerinnen und Schüler auch zum Gemälde Sprachformen für weitere vorgestellte Erfahrungen erproben, wird deren Analyse im Folgenden ergänzt. Dabei wird auch der Blick auf die fünf Kinder gerichtet, die keine der bisher dargestellten Erfahrungen thematisieren.

246

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

100%

Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Liebe

Gefahr und Rettung oder Verderben

Weite

Heimat und Fremde

vier zentrale

Abb. 21: Anteile der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vier zentrale vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Gemälde)

5) Hervorgehobene Sprachformen für weitere vorgestellte Erfahrungen: Muss doch toll sein, so auf einem Schiff (Niko G17d) Die meisten Schülerinnen und Schüler (83%) thematisieren weitere (vorgestellte) Erfahrungen (s. Abb. 22). Ihre Geschichten handeln z.B. von Armut und Reichtum, Sehnsucht und Überraschung oder davon, wie es ist, eine Segelfahrt über das Meer zu machen und in der Ferne eine Stadt zu erblicken. Die folgenden Beispiele geben Einblick in hervorgehobene Sprachformen für unterschiedliche Erfahrungen. Kabelos Geschichte handelt von einer armen Frau, die einen reichen Mann heiratet. Intensitätspartikeln ermöglichen, sich das Ausmaß des Reichtums und das ‚neue‘ Leben der Frau vorzustellen: Der Ali ist sehr reich, weil er zwei Arbeiten hat und Schiffe hat er auch. Sie lebten sehr gut. Ende (Kabelo G87m). Anisha erzählt von der Sorge der Eltern um ihre Kinder und ihrer Ungeduld, endlich zu ihnen zu gelangen. Indem sie die Verzweiflung darüber, dass die Fahrt so lange dauert, mit einer Intensitätspartikel und die Ausschließlichkeit des Wunsches, zu den Kindern zu gelangen, durch eine Gradpartikel instrumentell hervorhebt, wird das Ausmaß von Sorge und Sehnsucht vorstellbar:

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr

247

Sie wollen nach Bethlehem zu ihren Söhnen. Sie warten schon drei Jahre und endlich sind sie bald da. Sie machen sich Sorgen um ihre Söhne (…) Sie waren gleich da, aber sehr unglücklich. Sie wollten nur noch zu ihren drei Kindern Peter, Gustav und Gargamel (Anisha G95m). Antonia erzählt die Geschichte einer Familie, die, während sie eine Romanze anschaut, von einem riesigen Strudel in den Fernseher gezogen wird. Plötzlich befindet sie sich auf dem Schiff im Film. Mit einem Spiel versuchen sie zu entscheiden, wer auf dem Schiff bleibt – die Familie oder die beiden anderen, die die Familie als Piraten identifiziert. Eine Interjektion ermöglicht, sich vorzustellen, wie überrascht sie sind, dass keiner das Schiff verlassen muss: Sie machen Sching-Schang-Schong, huch. Sie blieben beide drauf (Antonia G88d). Mit einer Fülle literarischer Sprachformen (und einer instrumentellen) hebt Hans in seiner Geschichte hervor, wie schön Paris ist, und wie es ist, die Stadt vom Schiff aus zu erblicken. Neben Herausstellung, morphologischer und syntaktischer Wiederholungsfigur und der Thematisierung des Erzählers lädt auch die Ansprache der Figuren (bzw. Leser) mit „ihr“ auf außergewöhnliche Art und Weise dazu ein, sich den Blick auf die Stadt vorzustellen: … und ihr saht eine Stadt, die schönste, die ich kenne, es ist Paris. Ja, Paris. Es ist wunderschön an Deck eines Schiffes zu sitzen und auf Paris zu gucken, es ist toll (Hans G18d). 135 Die Texte der fünf Kinder, die keine der bisher dargestellten Erfahrungen thematisieren, sind alle recht kurz, aber auch sie handeln von Erfahrungen, die einen deutlichen Bezug zum Bild zu erkennen geben. 136 Alle Kinder, die zum Bild geschrieben haben, erproben also Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung eröffnen. Marias Geschichte ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, eine Überraschung zum Geburtstag zu bekommen. Mit einer Andeutung erzeugt Maria Neugier und regt Lesende an, zu überlegen, um welche Überraschung es sich handeln könnte. Wer das Bild kennt, vermag die Leerstelle in ihrer Geschichte zu füllen: Der Pirat Es war einmal ein Pirat. Dieser Pirat hatte eine Frau. Die Frau hatte Geburtstag. Der Mann hat ihr etwas versprochen, aber erst am Abend. Es war schon Abend. Die Frau hat sich gefreut. Das war der beste Abend (Maria G81m). 135

136

Eine solche Ansprache ist in der Literatur zwar sehr selten, aber möglich: „auch über plurale Andere kann erzählend gesprochen und geschrieben werden, obwohl das bereits viel seltener ist“ (Fludernik 2013, S. 42). Helen schreibt keine Geschichte zum Bild, sondern kommentiert es (G13d). Dabei hebt sie hervor, wie schön sie das Dargestellte findet.

248

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Niklas, Lennart und Johannes erzählen davon, wie es ist, mit dem Boot zu fahren. Während Niklas die Ankunft bei einer Insel ohne Hervorhebung thematisiert (G75d), hebt Lennart mit einer Topikalisierung, literarisch hervor, dass die Protagonisten mit dem Segel an dem Mast gut vorankommen und so endlich die Stadt erreichen (G21d). Johannes Geschichte ermöglicht Lesenden, sich vorzustellen, wie es ist, im Sonnenuntergang über das Meer zu segeln. Mit einer phonologischen Wiederholungsfigur, einer Alliteration, hebt Johannes literarisch hervor, wie mühelos die Fahrt über das Wasser ist. Seine kurze Geschichte ist ein Beispiel dafür, dass auch Geschichten ohne Höhepunkt erzählwürdig sein können: Es waren einmal ein Mann und eine Frau. Sie segelten übers Meer auf eine Stadt zu. Das Wasser war wellenlos. Der Mann und die Frau genossen den Sonnenuntergang (Johannes G15d).

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Sonstige

Abb. 22: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Gemälde)

Insgesamt erprobt gut die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (57%) hervorgehobene Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen. Während es sich bei etwa einem Fünftel aller Kinder entweder ausschließlich um instrumentelle Hervorhebungen (19%) oder literarische Hervorhebungen (17%) handelt, bringt ein weiteres Fünftel (22%) beide Formen zu Papier. Deutlich mehr als ein Drittel aller Kinder (41%) hebt also wei-

8.2 Gemälde: Von Liebe und Gefahr

249

tere Erfahrungen instrumentell hervor und ein gutes Drittel (39%) literarisch. Insgesamt entstehen 148 weitere hervorgehobene Sprachformen, und zwar 85 instrumentelle und 63 literarische. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung (insgesamt) Auch bei der Analyse der Geschichten zum Gemälde im Hinblick auf Sprachformen für vorgestellte Erfahrung stellt sich heraus, dass alle Kinder mindestens eine Erfahrung thematisieren, bei der ein Bezug zum Bild erkennbar ist. Die meisten Schülerinnen und Schüler (89%) aus Klasse 3 schreiben sich beim Erzählen zum Gemälde in mindestens eine hervorgehobene Sprachform ein, mehr als die Hälfte (58%) bringt mindestens sowohl eine instrumentelle als auch eine literarische Hervorhebung zu Papier (s. Abb. 23).

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Gemälde

Abb. 23: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Gemälde)

Der Anteil der Kinder, die literarische Sprachformen erproben (79%), ist auch beim Schreiben zum Bild höher als der Anteil der Kinder, die das Dargestellte durch instrumentelle Sprachformen hervorheben (68%). Im Vergleich erproben beim Schreiben zum Bild allerdings etwas weniger Schülerinnen und Schüler (und zwar 6% weniger) hervorgehobene Sprachformen als beim Schreiben zur Sage und der Anteil derer, die

250

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

beide Formen der Hervorhebung erproben, ist deutlich geringer (vgl. Kapitel 8.4). Der immer noch recht hohe Anteil derer, die mindestens eine vorgestellte Erfahrung literarisch hervorheben, zeigt dennoch, dass die ästhetische Funktion von Sprache grundsätzlich auch beim Erzählen zum Bild schon jungen Schreibenden zugänglich ist. Auch wenn die Betrachtung des Bildes etwas weniger Kinder dazu anregt, sich in literarische Sprachformen einzuschreiben, als das Vorlesen der Sage, erprobt die Hälfte der Kinder, die beim Erzählen zur Sage keine einzige literarische Sprachform zu Papier bringt (und ausnahmslos in einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex zur Schule geht), mindestens eine beim Schreiben zum Bild. Für manche Kinder scheint also gerade das Bild den Anstoß zu geben, etwas so hervorzuheben, dass Lesende zur Sinnbildung eingeladen sind. Nach der Betrachtung des Gemäldes schreiben sich insgesamt 15 von 16 als leistungsschwach eingestuften Kindern in hervorgehobene Sprachformen ein, abgesehen von zwei Ausnahmen erproben dabei alle auch mindestens eine literarische Sprachform. Bei den Kindern, die beim Schreiben zum Bild keine Hervorhebungen erproben, handelt es sich um sechs einsprachig deutsch und drei mehrsprachig aufwachsende Jungen, von denen fünf in Einzugsgebieten mit niedrigen und vier in solche mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, und zwei mehrsprachig aufwachsende Mädchen aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes. Nur eins dieser Kinder wurde als leistungsschwach eingestuft. Diese Kinder sind also in Bezug auf die Einzugsgebiete und den sprachlichen Hintergrund recht gleichmäßig verteilt. Insgesamt enthalten die Geschichten zum Gemälde 529 hervorgehobene Sprachformen, und zwar 258 instrumentelle und 271 literarische. Es sind also auch beim Schreiben zum Bild nicht nur mehr Kinder, die literarische Sprachformen erproben, sondern es werden auch insgesamt etwas mehr literarische Hervorhebungen erprobt als instrumentelle. Die Analysen zeigen, dass sich auch das Gemälde „Auf dem Segler“ von C.D. Friedrich eignet, um Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter einen Zugang zur Darstellung von vorgestellter Erfahrung zu eröffnen – obwohl es keinen sprachlichen Fundus zur Verfügung stellt. Zum Zusammenhang von Rezeption und Produktion Auch die Betrachtung der Sprachformen zum Bild bestätigt die Vermutung, dass Vorstellungsbildung und sprachliches Lernen miteinander verwoben sind. Die Analysen zeigen, dass die Betrachtung des Bildes (und das Vorlesen der ersten Formulierungen der Schülerinnen und Schüler) die Kinder in hohem Maße dazu angeregt hat, sich mit dem Dargestellten gedanklich auseinanderzusetzen und ihre Vorstellungen erzählend zur Sprache zu bringen. Auch das Gemälde eröffnet allen Schülerinnen und Schülern

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut

251

die Möglichkeit, sich in Sprachformen einzuschreiben, die vorgestellte Erfahrung erzeugen können. Im Kontext des Bildes bringen die Kinder existenzielle Themen zur Sprache, die in hohem Maße auch die Literatur und andere erzählende Medien prägen. Sie erzählen von Liebe, Gefahr und Rettung oder Verderben, Weite, Heimat und Fremde, Armut und Reichtum, Sehnsucht, Überraschung oder einer Segelfahrt über das Meer. Die Analysen der Sprachformen, die beim Erzählen zum Gemälde zu Papier gebracht werden, zeigen deutlich erkennbare Zusammenhänge zwischen den Sprachformen der Kinder und der auf dem Bild dargestellten Erfahrung. Das deutet darauf hin, dass die Kinder die Möglichkeit, sich das auf dem Bild Dargestellte als Teil einer Storyworld vorzustellen, in der Figuren Erfahrungen machen, genutzt haben, um sich in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung einzuschreiben. Da das Gemälde als Vorgabe mit narrativem Gehalt keinen Zugang zu sprachformalen Mustern eröffnet, wohl aber zu vorgestellter Erfahrung, beziehen sich erkennbare Transformationsprozesse nur auf die dargestellte Erfahrung (und möglicherweise auf sprachformale Muster, zu denen die Kinder durch das Vorlesen der ersten Formulierungen Zugang haben). Die Kinder sind also bei der Vorstellung einer Storyworld und beim Formulieren der Geschichte in höherem Maße als bei der Sage auf ihren Geschichtenfundus angewiesen. Einzelne Beispiele lassen erahnen, dass der Niederschlag vorheriger Rezeption von Geschichten auf die Geschichten zum Gemälde groß ist, er lässt sich in den meisten Fällen aber nicht nachvollziehen.

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut Besonders vielfältig sind die Geschichten der Grundschulkinder zu sechs Figuren aus Literatur und Medien. Zur selben Figur erzählen die Schülerinnen und Schüler meist ganz unterschiedliche Geschichten. Zum Teil werden ähnliche Erfahrungen thematisiert, die die Figuren allerdings in ganz unterschiedlichen Umständen machen. So geht es z.B. im Kern darum, wie es ist, ein Held zu sein, eine Gefahr zu bestehen oder einen bösen Feind zu bekämpfen, auch wenn es sich in den Geschichten um unterschiedliche Helden, Gefahren und Feinde handelt. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Analyse von Sprachformen zu vier zentralen Erfahrungen vorgestellt, die besonders häufig thematisiert wurden (heldenhafte Eigenschaften, Gefahr/Rettung, Kampf gegen das Böse und Freiheit/Selbstbestimmung). Die Analyse von Sprachformen für weitere vorgestellte Erfahrungen wird zusammenfassend ergänzt. Die meisten Kinder (91%) schreiben Geschichten, die Lesenden die Vorstellung mindestens einer dieser vier zentralen Erfahrungen eröffnen. Beim Schreiben zu Figuren erprobt ein hoher Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 hervorgehobene Sprachformen (95% der Gesamtgruppe), in den meisten Texten beziehen sich die Hervorhebungen (auch) auf eine

252

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

der vier zentralen Erfahrungen (78%). Im Mittelpunkt des Interesses steht, zu erkunden, welche Erfahrungen Kinder im Grundschulalter zu außerschulisch rezipierten Geschichten erzählend zur Sprache bringen und in welche Sprachformen sie sich dabei einschreiben. Es geht darum, anhand der entstandenen Produkte Einblicke in Transformationsprozesse zu erlangen, um die Rolle der Vorstellungsbildung beim Schreiben besser zu verstehen und das didaktische Potenzial außerschulisch rezipierter Vorgaben mit narrativem Gehalt am Beispiel der in unterschiedlichen Medien zugänglichen Geschichten zu sechs Figuren zu untersuchen. 1) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung heldenhafter Eigenschaften: Krack. Hä, sagte Peter, mein Wecker ist kaputt (Fabian F47d) Alle sechs Figuren verkörpern Helden mit besonderen Eigenschaften. Die Rezeption ihrer Geschichten eröffnet die Möglichkeit, sich vorzustellen, wie es ist, etwas besonders gut zu können oder außergewöhnlich zu sein. Fabian schreibt eine Geschichte zu Spiderman, in der er den Anfang der Geschichte, die der Film „The Amazing Spiderman“ (2012), erzählt, konkretisiert (s. Anhang, S. 493). Nachdem er vom Tod der Eltern, vom Besuch im Labor und dem Spinnenbiss erzählt hat, schreibt Fabian, wie Peter Parker feststellt, dass er sich verwandelt hat: Er will skaten. Er geht in die große Halle. Da bemerkt er, dass er richtig gute Stunts machen kann. Abends sitzt er vorm Computer und guckt, warum er so gute Stunts machen kann. (…) Da legt er sich ins Bett. Biep, biep. Oh, man. Krack. Hä, sagte Peter, mein Wecker ist kaputt. Ich muss mir einen neuen Wecker kaufen (Fabian F47d). Dadurch, dass Fabian die Qualität der Stunts mit einem intensivierenden Adjektiv (richtig) und danach mit einem intensivierenden Adverb (so) hervorhebt, wird vorstellbar, wie gut seine Stunts sind. Dass auch der Protagonist das selbst erst in diesem Moment bemerkt und am Abend nach dem Grund dafür sucht, impliziert, dass er vorher nicht so gute Stunts machen konnte. Durch die Darstellung eines Geräuschs (Biep, Biep) und Peters Reaktion darauf (Oh, man) können Lesende quasi miterleben, wie es ist, durch das Klingeln des Weckers aus dem Schlaf gerissen zu werden. Durch Lautmalerei (Krack) wird auch vorstellbar, wie es ist, so stark zu sein, dass der Wecker beim bloßen Ausmachen kaputtgeht. Fabian hebt das Geräusch zusätzlich durch eine gestrichelte Umrandung (im Original sind die Striche wie Strahlen um das Wort angeordnet) hervor und grenzt es dadurch vom übrigen Text ab. Im Gegensatz zum Film, der diese Szene

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut

253

ohne Rede präsentiert (aber weitere Szenen zeigt, in denen Peter aus Versehen Alltagsgegenstände zerstört), 137 lässt Fabian Lesende in Form eines Selbstgesprächs teilhaben an den (vorgestellten) Gedanken, die Peter durch den Kopf gehen. Die Interjektion (Hä) verdeutlicht seine Verwunderung über die Kraft – Peter scheint stärker zu sein, als er dachte. Der schnelle Wechsel zwischen der Darstellung von Geräuschen und Reaktionen (Biep, biep. Oh, man. Krack. Hä) erinnert an einen Film mit Tonspur und schnellen Schnitten. Fabian findet hier eine Form, ein narratives Muster des filmischen Erzählens auf das Papier zu übertragen. Den Wert solcher – vielleicht ungewohnter – Sprachformen für die Darstellung (vorgestellter) Erfahrung auch in der Schule zu erkennen, birgt das Potenzial, den Texten von Schülerinnen und Schülern mit einer Wertschätzung zu begegnen, die dem Erzählen in unterschiedlichen Medien gerecht wird (vgl. Dehn 2007, S. 45). Das Angebot der Figuren, nämlich heldenhafte Eigenschaften zu thematisieren, nimmt knapp die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (48%) aus Klasse 3 auf (s. Abb. 24; Beispiele s. Anhang, S. 400 f.). Während dabei ein Sechstel aller Kinder (16%) ausschließlich Sprachformen erprobt, die heldenhafte Eigenschaften ohne Hervorhebung thematisieren, bringen doppelt so viele Kinder (32%) auch hervorgehobene Sprachformen zu Papier. Fast alle Kinder, die Hervorhebungen erproben (27% der Gesamtgruppe), heben heldenhafte Eigenschaften instrumentell hervor, die meisten davon ausschließlich (24%). Nur wenige Kinder (9%) erproben literarische Sprachformen, fünf davon ausschließlich (5%). Einzelne Kinder (3%) bringen sowohl instrumentelle als auch literarische Hervorhebungen zu Papier. Einige Geschichten enthalten mehr als eine Hervorhebung, sodass insgesamt 56 hervorgehobene Sprachformen – und zwar 40 instrumentelle und 16 literarische – entstehen, die ermöglichen, sich vorzustellen, wie es ist, heldenhafte Eigenschaften zu besitzen. Die Erinnerung an (eine) außerschulisch rezipierte Geschichte(n) zu einer von sechs Figuren regt demnach knapp die Hälfte aller Kinder aus Klasse 3 dazu an, Sprachformen zu erproben, die die Erfahrung von heldenhaften Eigenschaften zum Ausdruck bringen bzw. Lesenden ermöglichen, sich vorzustellen, wie es ist, außergewöhnliche Eigenschaften zu haben. Damit schreiben die Kinder sich ein in ein zentrales (inhaltliches) Muster von Narration: die explizite Charakterisierung von Figuren. 138 137

138

Die Szene ist online einsehbar unter https://www.youtube.com/watch?v=zOX1kJkw2p4 [Zugriff: 14.02.2019]. In der kognitiven Erzählforschung geht man davon aus, dass Figuren im Lektüreprozess zumindest teilweise durch dieselben Inferenzprozesse mental konstruiert werden, wie bei der Wahrnehmung realer Personen (vgl. Martínez/Scheffel 2012, S. 147). Wie bei realen Personen werden Charaktermerkmale wahrscheinlich auch bei literarischen Figuren aus ihrem Verhalten erschlossen, sodass es sich bei der expliziten Charakterisierung nur um einen Teil handelt, der dazu beiträgt, sich ein Bild von der Figur zu machen.

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8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

100% 90%

Literarische Hervorhebung

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Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

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Heldenhafte Eigenschaften

Abb. 24: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von heldenhaften Eigenschaften einschreiben (Figuren)

Der Anteil der Kinder, die im Kontext der Sage Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum einer Figur thematisieren (86%), ist deutlich höher als der Anteil derjenigen, die beim Schreiben zu Figuren aus Literatur und Medien heldenhafte Eigenschaften thematisieren (48%). Dasselbe gilt für den Anteil derer, die Eigenschaften sprachlich hervorheben. Dieser Befund zeigt deutlich, dass das Vorkommen bestimmter Sprachformen in Erzählungen nicht allein einer Kompetenz zuzuschreiben ist, sondern in Abhängigkeit vom Kontext betrachtet werden muss. Möglicherweise zeigt der Unterschied das Potenzial eines (auch) sprachlich geformten Fundus‘. Darüber hinaus hat die Darstellung von Dädalus‘ Kunstfertigkeit zentrale Bedeutung für die gesamte Geschichte, während dies bei den Geschichten zu den Figuren weniger oft der Fall ist (beim Schreiben zu Figuren werden am häufigsten die Eigenschaften von Spiderman thematisiert, auch hier haben sie eine besondere Bedeutung für die Geschichte und den Protagonisten, der sich verwandelt). Möglich ist auch, dass der Bekanntheitsgrad der Figuren so hoch ist, dass die Kinder weniger Bedarf sehen, ihre Eigenschaften zu thematisieren – das zeigt sich zum Teil in Formulierungen wie Dann wurde er zu Spiderman (Niklas F75d) oder einem etischen Textbeginn wie z.B. Spiderman geht in die Stadt (Clifton F97m). Die Möglichkeit, sich in Korrespondenz zur Erinnerung an die Geschichte der Figur eine Storyworld vorzustellen, in der die besonderen Eigenschaften der Heldenfigur bedeutsam sind, führt dazu, dass sich ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler aus

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut

255

Klasse 3 in hervorgehobene Sprachformen einschreibt. Ein sprachlicher Fundus, aus dem sie bei der Formulierung der eigenen Geschichte zur Figur schöpfen können, steht dabei im Unterschied zur Sage nicht direkt zur Verfügung, wohl aber – im Unterschied zum Bild – indirekt über die Erinnerung an die bereits (außerschulisch) rezipierten Geschichten zur Figur, in denen die Eigenschaften der Figur (in Wort und Bild) dargestellt sind. 2) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Gefahr und Rettung (oder Verderben): „Plumps, da lag sie“ (Lola F40d) Helden sind dafür bekannt, dass sie Gefahren meistern. Wenn Helden in Gefahr geraten, haben Rezipierende die Möglichkeit, sich vorzustellen, wie es ist, einer Gefahr ausgesetzt zu sein und diese zu bewältigen. Sie können Gefühle wie Angst, Mut, Freude und Leid miterleben und sich gedanklich an der Lösung der Probleme beteiligen. Auch die Geschichten zu den sechs Figuren handeln von Gefahren und ihrer Bewältigung, die die Kinder in ihren Geschichten konkretisieren, erweitern oder variieren. Lola erzählt den Teil der Geschichte von Hotzenplotz wieder, in dem es um einen Überfall von Hotzenplotz auf die Großmutter geht (s. Anhang, S. 489 f.). 139 Besonders gut vorstellbar wird, wie die Großmutter erst allmählich begreift, dass sie in Gefahr ist: „Dum del die dundll da!“, sang Großmutter in der Küche. „Heute werden die Würste den beiden gut schmecken und auch das Sauerkraut. Jetzt müssen sie gleich kommen! Ach, da kommen sie“, sagte Großmutter hektisch. „Rumpel, pumpel, da kommen sie, aber wieso laut? Oh, das Sauerkraut, es dampft. Ich muss meine Brille abnehmen.“ „Hallo, Großmutter!“ „Herr Dimpfelmoser, schön Sie zu sehen.“ „Ich bin nicht Dimpfelmoser.“ „Doch, kein anderer Mensch trägt noch einen roten Rock mit schwarzem Gürtel und auch schwarzem Hemd!“ „Setzen Sie doch Ihre Brille auf“, sagte die dunkle Stimme. „Ja, wirklich, Sie sind nicht der Dimpfelmoser, sondern der …“, sagte Großmutter. „Plumps, da lag sie, schade um die Würstchen und das Sauerkraut, aber gut für mich. Alles in die Tasche und weg hier“, rief Räuber Hotzenplotz und rannte aus dem Haus. Ein paar Minuten später gingen Kasperl und Seppel am Spritzenhaus vorbei und hörten eine Stimme rufen: „Hilfe, Hilfe, oh, Hilfe doch.“ Kasperl und Seppel liefen weiter in Richtung Spritzenhaus und dachten, Räuber Hotzenplotz sitze noch drin. Sie wollten ihn etwas ärgern und liefen darum zum Fenster, um ihn zu sehen. Als sie ankamen, sahen sie ihn nicht. Sie sagten aber: „Hotzenplotz, der Eierkopf, Hotzenplotz, der Eierkopf“, und rannten weg, doch als sie in Richtung Haus rannten, sahen sie Hotzenplotz im Garten 139

Während Räuber Hotzenplotz in der Geschichte „Der Räuber Hotzenplotz“ der Großmutter eine Kaffeemühle stiehlt, handelt es sich in der Fortsetzung „Neues vom Räuber Hotzenplotz“ um Essen (vgl. Preußler 2012b).

256

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

sitzen, sie schlichen sich an und packten ihn und brachten ihn ins Gefängnis und alle feierten Kasperl und Seppel! (Lola F40d). Die lautmalerische Darstellung des Singens ermöglicht Lesenden, sich in die anfängliche Sorglosigkeit der Großmutter hineinzuversetzen: nichts Böses ahnend bereitet sie fröhlich trällernd das Essen für Kasperl und Seppel. Im nächsten Moment geht sie davon aus, dass die beiden kommen. Die Hervorhebung durch die Interjektion ach ermöglicht, sich diese Erkenntnis so vorzustellen, als ob man sie selbst gerade hätte. Den Grund dafür erfahren Leser, indem Lola die Großmutter das Geräusch nachahmen lässt, das sie anscheinend gehört hat: Rumpel, pumpel – Lautmalerei und Reim ermöglichen eine besonders eingängige Vermittlung. Die Großmutter wundert sich über die Lautstärke – das erste Anzeichen einer möglichen Gefahr –, wird aber durch das dampfende Sauerkraut davon abgelenkt, weiter darüber nachzudenken. Wieder lädt eine Interjektion dazu ein, den Gedanken der Großmutter zu folgen. Das Abnehmen der Brille bewirkt, dass die Großmutter den Räuber – also die Gefahr – zunächst nicht erkennt. Erst die durch eine Abtönungspartikel hervorgehobene Aufforderung, die Brille aufzusetzen, und vor allem die dunkle Stimme führen zu der Erkenntnis, dass nicht Herr Dimpfelmoser, der Dorfpolizist, vor ihr steht, sondern jemand, über den sie sich so erschreckt, dass sie in Ohnmacht fällt. Der unvollendete Satz ermöglicht, sich vorzustellen, wie es der Großmutter die Sprache verschlägt, und steigert zugleich die Spannung. Die Ohnmacht vermittelt sich durch eine weitere Lautmalerei, mit der Hotzenplotz das Geschehen kommentiert (Plumps, da lag sie). In seiner weiteren Rede unterstreichen syntaktische Tilgungsfiguren die Eile, mit der er seine Beute einsammelt und verschwindet. Wie verzweifelt der im Spritzenhaus eingesperrte Dimpfelmoser ist, wird vorstellbar durch einen mehrfach (literarisch durch eine morphologische Wiederholungsfigur und instrumentell durch eine Interjektion und eine Abtönungspartikel) hervorgehobenen Hilfeschrei, den Kasperl und Seppel zwar hören, aber nicht ernst nehmen. Da sie davon ausgehen, dass Räuber Hotzenplotz ihn ausstößt, verspotten sie ihn. Als sie ihren Irrtum bemerken, sorgen sie dafür, dass der Räuber ins Gefängnis kommt, sodass die Gefahr gebannt ist. Die Begeisterung, mit der alle Kasperl und Seppel feiern, hebt Lola abschließend mit einem Ausrufezeichen hervor. Den Fundus, den die Geschichten zu den Figuren bieten, um zu thematisieren, wie es ist, einer Gefahr ausgesetzt zu sein und diese zu bewältigen (oder ihr zu erliegen), nutzt die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (52%) (s. Abb. 25; Beispiele s. Anhang, S. 401403). Nur einzelne (9% der Gesamtgruppe) thematisieren Gefahr und Rettung (oder Verderben) ohne sprachliche Hervorhebungen, die meisten (43% der Gesamtgruppe) bringen wie Lola hervorgehobene Sprachformen zu Papier. Von den Erzählungen, die Gefahr und Rettung (oder Verderben) thematisieren, enthalten fast doppelt so viele

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut

257

Texte ausschließlich literarische Hervorhebungen (12%) wie ausschließlich instrumentelle (7%). In den meisten Erzählungen (24%) sind beide Formen zu finden. Ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler (31%) aus Klasse 3 erprobt also instrumentelle Hervorhebungen und etwas mehr als ein Drittel (36%) literarische. Etliche Kinder formulieren dabei mehr als eine Hervorhebung, sodass insgesamt 137 hervorgehobene Sprachformen entstehen, die Lesenden ermöglichen, sich vorzustellen, wie es ist, einer Gefahr ausgesetzt zu sein, diese zu bewältigen oder gerettet zu werden (bzw. ihr zu erliegen), und zwar – wie bei Lola – ungefähr gleichviel literarische (70) und instrumentelle (67).

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Gefahr und Rettung (oder Verderben)

Abb. 25: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Gefahr und Rettung (oder Verderben) einschreiben (Figuren)

Die Möglichkeit, sich in Korrespondenz zur Erinnerung an die Geschichte zur Figur eine Storyworld vorzustellen, in der jemand in Gefahr gerät und sich retten kann oder gerettet wird, führt dazu, dass sich mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 in ein zentrales Muster von Abenteuergeschichten einschreibt, in denen es im Kern um Helden geht, die Gefahren bestehen. Der Anteil derjenigen, die dabei die Erfahrung von Gefahr und Rettung (oder Verderben) sprachlich hervorheben, ist außerordentlich hoch. In Abenteuergeschichten verkörpert der Held in der Regel das Gute, das gegen das Böse kämpft und letztlich gewinnt. Auch dieses Muster erproben die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 in ihren Geschichten.

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8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

3) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung vom Kampf gegen das Böse: Und Spider kämpfte und kämpfte (Anoop F99m) In den meisten der ursprünglichen Geschichten zu den sechs Figuren spielt der Kampf gegen das Böse eine – wenn auch unterschiedlich große – Rolle. Während Spiderman gegen das Böse schlechthin kämpft, das in unterschiedlichen Figuren personifiziert ist, verkörpert in der Geschichte vom König der Löwen der Onkel die Rolle des Bösen. Arielle begegnet einer bösen Meereshexe und Rotkäppchen dem Wolf. Räuber Hotzenplotz ist als Hauptfigur selbst der Böse, der von Kasperl, Seppel und der Polizei gejagt wird. Am wenigsten geht es in den Geschichten von Pippi Langstrumpf um den Gegensatz von Gut und Böse, lediglich einige Episoden handeln davon, wie Pippi mit „bösen“ Menschen umgeht. Am häufigsten wird dementsprechend der Kampf gegen das Böse in Geschichten zu Spiderman thematisiert. Anoop erzählt, wie Spiderman eine Frau rettet (s. Anhang, S. 505). Für Lesende wird dabei vorstellbar, wie es ist, gegen das Böse zu kämpfen und es zu besiegen: Spiderman Spiderman ging in der Stadt spazieren, als er plötzlich {er} ein Schreien einer Frau hörte. Er folgte dem Ton der Frau und ging da hin und erwartete seinen Gegner J. Jameson. Und er war gerade dabei, die Frau zu vergiften, als Spiderman J. Jameson weggeschubst hat und zu {die} [der] Frau sagt er: „Gehen Sie weg von diesem Bösewicht. Ok, ich gehe weg. Und Spider kämpfte und kämpfte und er tötete und gewann {das} [den] Kampf gegen J. Jameson (Anoop F99m). Anoop deutet das Verbrechen zunächst nur an, indem er schreibt, dass Spiderman ein Schreien hört. Bevor man erfährt, um welches Verbrechen es sich handelt, weiß man, dass es begangen wird. Die Neugier, die Anoop damit bei Lesenden weckt, kann bewirken, dass Hypothesen über den Grund des Schreiens aufgestellt werden. Die Gedanken des Helden werden dabei zu den eigenen. Spiderman scheint richtig zu liegen mit seiner Erwartung, seinen Gegner J. Jameson zu treffen. Im Folgenden erfährt man auch das Verbrechen: J. Jameson will eine Frau vergiften. Spiderman erscheint gerade rechtzeitig, um die Frau zu retten. Die Boshaftigkeit des Gegners wird durch das Phrasem Bösewicht hervorgehoben. Durch eine morphologische Wiederholungsfigur wird vorstellbar, dass der Kampf scheinbar endlos lange dauert und ein hohes Maß an Anstrengung erfordert, bevor Spiderman seinen Gegner besiegt. Anoop ist nicht der einzige, der Lesenden ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, gegen das Böse zu kämpfen. Den Zugang, den (die Erinnerung an) die Geschichten der Figuren für die Vorstellung, wie es ist, gegen das Böse zu kämpfen, eröffnet, nutzt mehr als ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler (38%) aus Klasse 3, um selbst einen Kampf gegen das Böse zu thematisieren (s. Abb. 26; Beispiele s. Anhang, S. 403 f.). Einige Kinder (16% der Gesamtgruppe) erproben dabei ausschließlich Sprachformen, die den Kampf gegen das Böse

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut

259

ohne Hervorhebung thematisieren. Gut ein Fünftel aller Kinder (22%) bringt hervorgehobene Sprachformen zu Papier. 11 Kinder (11%) heben den Kampf gegen das Böse instrumentell hervor, fast doppelt so viele (19%) literarisch. Während in nur einer Erzählung (1%) ausschließlich instrumentelle Hervorhebungen gefunden wurden, enthalten zehn Erzählungen (10%) ausschließlich literarische und ebenso viele (10%) beide Formen. Da etliche Kinder mehr als eine Hervorhebung formulieren, entstehen 23 instrumentelle und 34 literarische Sprachformen, also insgesamt 57 hervorgehobene Sprachformen, die Lesenden vorgestellte Erfahrung vom Kampf gegen das Böse eröffnen.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Kampf gegen das Böse

Abb. 26: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung vom Kampf gegen das Böse einschreiben (Figuren)

Die Möglichkeit, sich in Korrespondenz zur Erinnerung an die Geschichte(n) zur Figur eine Storyworld vorzustellen, in der der Kampf gegen das Böse eine zentrale Rolle spielt, führt dazu, dass sich ein gutes Drittel aller Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 in ein weiteres Muster von Abenteuergeschichten einschreibt. Der Anteil derjenigen, die dabei sprachlich hervorheben, wie es ist, gegen das Böse zu kämpfen, ist besonders hoch in Geschichten zu Figuren, in denen es um diese Erfahrungen geht, das sind vor allem die Geschichten zu Spiderman und Räuber Hotzenplotz (der allerdings selbst der Böse ist und gejagt wird). Im weiteren Sinne können die Sprachformen, die

260

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

den Kampf gegen das Böse thematisieren auch als Sprachformen, die Gefahr und Rettung (oder Verderben) thematisieren, betrachtet werden, da böse Gegner eine Gefahr für ihre Opfer und die Heldenfigur darstellen. Die getrennte Darstellung wird dem Unterschied in Bezug auf die Rolle des Helden gerecht: Während jemand, der gegen das Böse kämpft, selbst die Initiative ergreift, reagiert jemand, der in Gefahr gerät, auf eine Bedrohung. Fasst man diese Sprachformen zusammen, thematisieren drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler (77%) aus Klasse 3, also deutlich mehr Kinder als beim Schreiben zum Bild (59%), wie es ist, eine Gefahr zu meistern bzw. jemanden zu retten (oder zu versagen). Dass so viele Kinder beim Schreiben zu Figuren aus Literatur und Medien Abenteuergeschichten verfassen, deutet – ähnlich wie der Befund, dass deutlich mehr Kinder beim Schreiben zur Sage ihre Geschichte tragisch enden lassen als beim Schreiben zu den anderen beiden Vorgaben – darauf hin, dass sich die Art der Vorgabe auch auf das „Genre“, in das sich die Kinder einschreiben, auszuwirken scheint. 4) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Freiheit und Selbstbestimmung: Springen, hochziehen, laufen, fliehen! Springen, hochziehen, laufen, fliehen! (Paula F30d) In vier Fällen eröffnet die Geschichte der Figur Rezipierenden eine Vorstellung davon, wie es ist, frei zu sein oder selbstbestimmt zu leben. Pippi Langstrumpf verkörpert als Figur selbst diese Erfahrungen. In den Geschichten von Arielle, dem König der Löwen und Räuber Hotzenplotz spielen der Auszug in die Welt und die Befreiung aus der Gefangenschaft eine Rolle. Paula thematisiert beides in ihrer Geschichte, die eine Variante der Geschichte vom König der Löwen erzählt (s. Anhang, S. 486): Ab in die Wildnis [Unterstreichung i.O.] Es war einmal… ein kleiner Löwe namens „Simba“. Er lebte mit seinem Vater in einem kleinen Zoo am Stadtrand. Eigentlich sollte er ja glücklich sein, da er vor Gefahren geschützt war und jeden Tag eine Riesenportion Futter bekam – aber nein. Simba wollte nicht behütet werden, er wollte nicht hinter Gitter sitzen und die große weite Welt nur auf dem Poster am Affengehege sehen. Er wollte auch nicht ganz viel Essen in sich reinstopfen, bis er dick und fett wurde. Deshalb plante er seit ungefähr 6 Monden auszubrechen. Aber heute Nacht würde er es durchführen. Am 28. Mond seines Lebens. Es wurde Nacht und er sprang los. Er hatte alles geplant: Springen, hochziehen, laufen, fliehen! Springen, hochziehen, laufen, fliehen! Geschafft! „Simba!“ Oh nein! Sein Vater! „Simba, ich komme mit dir!“ „Wirklich, Vater?“, rief Simba erfreut. „Cool!“ Da rief er: „Ich wette, ich bin der Schnellste!“ „Warte!” Und sie liefen in die Wildnis, in ihr neues Zuhause. Ende (Paula, F30d).

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut

261

Schon der Titel von Paulas Geschichte deutet (elliptisch) auf einen Ortswechsel hin, der Grenzen überwindet. Die komfortable Situation, in der Simba sich befindet, wird durch instrumentelle Hervorhebungen vorstellbar, die mit einer Abtönungspartikel Konsens über Simbas Glück herzustellen suchen und mit einem Intensifikator die Vorstellung von der Menge des Futters steigern. Worauf das Wort eigentlich schon hindeutet, wird durch eine Ellipse, die verneint, dass Simba glücklich ist (– aber nein), verstärkt. Eine umfangreiche syntaktische Wiederholungsfigur, ein dreifacher Parallelismus, hebt die negativen Aspekte des komfortablen Lebens hervor, sodass vorstellbar wird, wie Simba unter der Gefangenschaft leidet. Semantische Wiederholungsfiguren bringen das Ausmaß der Sehnsucht, die Welt zu entdecken (die große weite Welt), und die Angst vor Fettleibigkeit (dick und fett) zum Ausdruck; letztere wird auch durch ein Phrasem und ein intensivierendes Adjektiv instrumentell verstärkt (Er wollte auch nicht ganz viel Essen in sich reinstopfen). Der Entschluss zur Flucht, eröffnet Lesenden einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Selbstbestimmung. Eine weitere Wiederholungsfigur ermöglicht, sich Simbas Flucht vorzustellen. Die Aneinanderreihung von Verben korrespondiert dabei mit der Eile auf der Flucht. Just in dem Moment, als Simba es geschafft hat, hält sein Vater ihn auf. Interjektionen heben das Entsetzen Simbas hervor (Oh nein!), der zunächst davon ausgeht, dass sein Vater ihn an der Flucht hindern will, und auch die Freude (Cool!), als er erkennt, dass sein Vater ihn begleitet. Dass es sich nicht nur um einen Ausflug in die Wildnis handelt, sondern um eine endgültige Flucht, die Simba und seinem Vater ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, verdeutlicht die Herausstellung (die Wildnis, ihr neues Zuhause). Beim Schreiben zur Figur thematisiert ein gutes Viertel aller Schülerinnen und Schüler (28%) aus Klasse 3 Freiheit und Selbstbestimmung (s. Abb. 27; Beispiele s. Anhang, S. 404 f.). Während einige (10% der Gesamtgruppe) diese Erfahrungen ausschließlich ohne Hervorhebung thematisiert, bringt etwa ein Fünftel aller Kinder (18%) wie Paula auch hervorgehobene Sprachformen zu Papier. Zehn Kinder (10%) erproben Sprachformen, die Freiheit und Selbstbestimmung instrumentell hervorheben, drei davon ausschließlich (3% der Gesamtgruppe). Die anderen sieben Kinder (7%) bringen auch literarische Sprachformen zu Papier, sieben weitere (7%) ausschließlich, sodass etwa ein Siebtel aller Kinder (15%) Freiheit und Selbstbestimmung literarisch hervorhebt. Insgesamt entstehen 55 hervorgehobene Sprachformen, und zwar 26 instrumentelle und 29 literarische. Die Möglichkeit, sich in Korrespondenz zur Erinnerung an die Geschichte zur Figur eine Storyworld vorzustellen, in der es (auch) um Freiheit und Selbstbestimmung geht, führt dazu, dass sich ein gutes Viertel aller Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 in Sprachformen einschreibt, die Lesenden ermöglicht, sich diese existentiellen Erfahrungen vorzustellen. Der Anteil derjenigen, die dabei sprachlich hervorheben, wie

262

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

es ist, frei und selbstbestimmt zu leben, ist wiederum besonders hoch in Geschichten zu Figuren, in denen es um diese Erfahrungen geht, das sind vor allem die Geschichten zu Pippi Langstrumpf und dem König der Löwen. Wenn Kinder im Grundschulalter über die Erinnerung an Geschichten, die sie zuvor in unterschiedlichen medialen Formen kennengelernt haben, zu solchen (entwicklungspsychologisch und auch politisch bedeutsamen) Themen schreibend einen Zugang finden, zeigt das auch, dass Potenzial darin liegt, dem außerschulisch erworbenem Geschichtenfundus, den Storyworlds, die die Kinder in der Vorstellung erzeugen können, in der Schule Bedeutung zuzumessen.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Freiheit und Selbstbestimmung

Abb. 27: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung von Freiheit und Selbstbestimmung einschreiben (Figuren)

Sprachformen für vier zentrale vorgestellte Erfahrungen Beim Schreiben zu Figuren aus Literatur und Medien ist der Anteil der Kinder, die mindestens eine von vier zentralen Erfahrungen thematisieren, aufgrund der Vielfalt der Bezugsmöglichkeiten erwartungsgemäß etwas niedriger als beim Schreiben zur Sage und zum Bild, aber immer noch recht hoch: Allein zu den bisher dargestellten Erfahrungen erproben fast alle Kinder (91%) Sprachformen, die diese Erfahrungen thematisieren (s. Abb. 28). Gut Dreiviertel aller Kinder (78%) schreiben sich dabei in hervorgehobene Sprachformen ein, ein Großteil sogar in literarische (64%).

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut

263

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Heldenhafte Gefahr und Kampf gegen EigenRettung (oder das Böse schaften Verderben)

Freiheit und Selbstbestimmung

vier zentrale

Abb. 28: Anteile der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vier zentrale vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Figuren)

Die Analyse der Sprachformen, die beim Schreiben zu Figuren aus Literatur und Medien zu Papier gebracht werden, bestätigt die vorherigen Beobachtungen zu den Texten zur Sage und zum Bild: Die Vielfalt an Zugängen, die die Möglichkeit eröffnen, sich in Korrespondenz zur Erinnerung an die Geschichte zur Figur eine Storyworld vorzustellen, führt dazu, dass die Kinder unterschiedliche Erfahrungen thematisieren und hervorheben, und dass es auch beim Schreiben zu Figuren unterschiedliche Kinder sind, die hervorgehobene Sprachformen erproben, um bestimmte Erfahrungen hervorzuheben. Da die Schülerinnen und Schüler insbesondere beim Schreiben zur Figur Sprachformen für weitere vorgestellte Erfahrungen erproben, wird deren Analyse im Folgenden ergänzt. 5) Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrung: Sie haben gespielt und gespielt (Zerif F90m) Fast alle Schülerinnen und Schüler (92%) aus Klasse 3 thematisieren weitere (vorgestellte) Erfahrungen (s. Abb. 29). Ihre Geschichten handeln u.a. von Freundschaft oder Liebe, Verlust, Verzweiflung, Trauer und Freude. Einzelne Geschichten ermöglichen Lesenden sich vorzustellen, wie es ist, Schmerzen zu empfinden, zu fliegen, eifersüchtig zu sein, Mitleid zu haben u.a. Die folgenden Beispiele geben Einblick in hervorgehobene Sprachformen für diese unterschiedlichen Erfahrungen.

264

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Zerif hebt instrumentell hervor, wie schön es ist, mit einem Freund zu spielen, und bringt die Ausdauer und Hingabe beim Spielen mit einer Wiederholungsfigur literarisch zum Ausdruck: Sie hat mit Sebastian gespielt. Es war ganz schön. Sie haben gespielt und gespielt (Zerif F90m). Durch eine phonologische Wiederholungsfigur, eine Alliteration, ermöglicht Meryem Lesenden, sich vorzustellen, wie es ist, so verliebt zu sein, dass man es am Lachen hören kann: Simba war in sie verliebt und guckte sie an und lachte lieblich (Meryem F67m). Anishas Geschichte ermöglicht Lesenden sich vorzustellen, wie es ist, einen guten Freund zu vermissen. Eine morphematische Wiederholungsfigur hebt die Endlosigkeit der Suche hervor und ein intensivierendes Adjektiv das Ausmaß der Trauer: Arielle war immer glücklich, doch eines Tages war sie unglücklich, weil Nemo nicht da war. Sie suchte und suchte so lange sie konnte. Sie fand ihn nicht. Sie war echt traurig (Anisha F95m). In Minas Geschichte geht es um den Tod eines kleinen Vogels. Das fröhliche Zwitschern des Vogels vermittelt sich durch Lautmalerei und ermöglicht, sich die Lebendigkeit des Vogels vorzustellen. Es steht im Gegensatz zu dem zweiten lautmalerisch zum Ausdruck gebrachten Geräusch, das in Kombination mit einem traurigen Smiley andeutet, dass ein Unglück passiert ist. Die drei Ausrufezeichen und ein weiterer trauriger Smiley heben das Entsetzen über den Tod des kleinen Vogels instrumentell hervor: Eines Tages stand Pippi Langstrumpf auf. Es war ein schöner sonniger Tag. Als sie in den Garten ging, sah sie, wie ein kleiner Vogel herumzwitscherte. Pippipppipppip, zwitscherte er. Plötzlich hat es Ratsch gemacht.  Pippi Langstrumpf ging zu dem Baum. Da sah sie, wie der Vogel gegen den Baum geflogen ist, jetzt war er tot!!!  (Mina F22d). Mit einem intensivierten Adjektiv, das das Ausmaß der Feier instrumentell hervorhebt, ermöglicht Rafael Lesenden, sich vorzustellen, wie groß die Freude über die Geburt des Löwenbabys ist: Alle Tiere kommen, um ihn zu bewundern, und dann findet eine riesengroße Feier statt (Rafael F23d). Beim Lesen von Kens Geschichte wird der Schmerz und die Überraschung, die der Biss eines Tieres auslösen kann, durch eine Interjektion vorstellbar: … er wurde von einer Spinne gebissen. Dann hat er „Ahr“ geschrien (Ken F101m).

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut

265

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Sonstige

Abb. 29: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen einschreiben (Figuren)

Insgesamt erprobt gut die Hälfte aller Kinder (53%) hervorgehobene Sprachformen für sonstige vorgestellte Erfahrungen. Während es sich bei der einen Hälfte dieser Kinder entweder ausschließlich um instrumentelle Hervorhebungen (19% der Gesamtgruppe) oder literarische Hervorhebungen (8% der Gesamtgruppe) handelt, bringt die andere Hälfte (26% der Gesamtgruppe) beide Formen zu Papier. Knapp die Hälfte aller Kinder (45%) hebt also weitere Erfahrungen instrumentell hervor und ein Drittel (34%) literarisch. Insgesamt entstehen 183 weitere hervorgehobene Sprachformen, und zwar 108 instrumentelle und 75 literarische. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung (insgesamt) Auch bei der Analyse der Geschichten zu sechs verschiedenen Figuren aus Literatur und Medien stellt sich heraus, dass (fast) alle Kinder mindestens eine Erfahrung thematisieren, bei der ein Bezug zu einer Geschichte zu einer der Figuren erkennbar ist (bei drei Geschichten ist kein Bezug erkennbar). Fast alle Schülerinnen und Schüler (95%) aus Klasse 3 schreiben sich dabei in mindestens eine hervorgehobene Sprachform ein (s. Abb. 30). Der Anteil der Kinder, die literarische Sprachformen erproben (79%), ist insgesamt ein kleines bisschen höher als der Anteil derjenigen, die das Dargestellte durch instrumentelle Sprachformen hervorheben (75%). Deutlich mehr als die

266

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Hälfte (59%) bringt mindestens sowohl eine instrumentelle als auch eine literarische Hervorhebung zu Papier. Der hohe Anteil derer, die mindestens eine vorgestellte Erfahrung literarisch hervorheben, zeigt, dass die ästhetische Funktion von Sprache grundsätzlich jungen Schreibenden auch zugänglich ist, wenn sie sich schreibend auf Vorgaben beziehen, die sie mit zeitlichem Abstand außerschulisch rezipiert haben.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Figuren

Abb. 30: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben (Figuren)

Insgesamt enthalten die Geschichten zu den Figuren 490 hervorgehobene Sprachformen, und zwar 266 instrumentelle und 224 literarische. Es sind also auch beim Schreiben zu den Figuren zwar etwas mehr Kinder, die literarische Sprachformen erproben, aber im Unterschied zum Schreiben zu Sage und Gemälde werden insgesamt etwas mehr instrumentelle Hervorhebungen erprobt als literarische. Es liegt nahe zu vermuten, dass sich die zeitnahe Rezeption (oder Betrachtung) einer Vorgabe mit narrativem Gehalt, die Darstellungsformen enthält, die zur Sinnbildung anregen, das Erproben literarischer Sprachformen in höherem Ausmaß befördert, als wenn die Rezeption länger zurückliegt. Dass der Unterschied nicht größer ist (vgl. Kapitel 8.4) und der Anteil der Kinder, die literarische Sprachformen erproben, auch beim Schreiben zu Figuren hoch ist, deutet aber daraufhin, dass ein Zugang zu ästhetischen Formen des Ausdrucks sich auch langfristig niederschlägt. Die Analysen zeigen, dass sich auch eine Auswahl von sechs Figuren aus Literatur und Medien eignet, um Schülerinnen und Schülern im

8.3 Figuren: Von Stärke und Mut

267

Grundschulalter einen Zugang zur Darstellung von vorgestellter Erfahrung zu eröffnen, obwohl die Abbildungen der Figuren unmittelbar keinen sprachlichen Fundus zur Verfügung stellen und die (außerschulische) Rezeption der Geschichte zur Figur zeitlich zurückliegt. Zum Zusammenhang von Rezeption und Produktion Auch die Betrachtung der Sprachformen in den Geschichten zur Figur bestätigt die Vermutung, dass Vorstellungsbildung und sprachliches Lernen miteinander verwoben sind. Die Analysen zeigen, dass die Erinnerung an die Geschichte der Figur die Kinder in hohem Maße dazu angeregt hat, sich mit dem Dargestellten gedanklich auseinanderzusetzen und ihre Vorstellungen erzählend zur Sprache zu bringen. Auch die Figuren eröffnen allen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich in Sprachformen einzuschreiben, die vorgestellte Erfahrung erzeugen können. Im Kontext der erinnerten Geschichten bringen die Kinder existenzielle Themen zur Sprache. Sie erzählen von heldenhaften Eigenschaften, von Gefahr und Rettung (oder Verderben), vom Kampf gegen das Böse, von Freiheit und Selbstbestimmung, Freundschaft oder Liebe, Verlust, Verzweiflung, Trauer, Freude u.a. Viele Kinder schreiben sich dabei in das Genre „Abenteuergeschichte“ ein. Die Analysen der Sprachformen, die beim Erzählen zu den Figuren zu Papier gebracht werden, deuten darauf hin, dass ähnliche Formen der Korrespondenz zwischen den Sprachformen der Kinder und den in den Geschichten dargestellten Erfahrungen bestehen wie beim Schreiben zur Sage. Auch wenn eine genaue Analyse dieser Korrespondenzen aufgrund der Vielzahl an Geschichten, die es zu den sechs Figuren in unterschiedlichen Medien gibt, nicht möglich ist, deuten die Beispiele daraufhin, dass die Kinder die Möglichkeit, sich die in den außerschulisch rezipierten Geschichten thematisierte Erfahrung vorzustellen, genutzt haben, um sich in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung einzuschreiben. Beispiele, bei denen – aufgrund der Kenntnis der (vermutlich) rezipierten Geschichte – eine Korrespondenz sichtbar wird, zeigen, dass die Kinder eine Erfahrung sowohl ähnlich als auch auf andere Art und Weise sprachlich darstellen, sodass davon ausgegangen werden kann, dass auch eine außerschulisch rezipierte Geschichte als Fundus für die Erkundung, Erweiterung oder Verfestigung sprachformaler Muster dienen kann. Beispiele, bei denen eine deutliche Korrespondenz zu Mustern des filmischen Erzählens erkennbar ist, weisen darauf hin, dass das auch für die Rezeption von filmisch (o.ä.) vermittelten Geschichten gilt. Das Erkennen solcher Bezüge und Muster ermöglicht, auch ungewöhnliche Sprachformen für die Darstellung von (vorgestellter) Erfahrung in der Schule zu wertzuschätzen und einem weiten Erzählbegriff, der das Erzählen in unterschiedlichen Medien einschließt, gerecht zu werden.

268

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

8.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für vorgestellte Erfahrung Im Folgenden wird betrachtet, welche (hervorgehobenen) Sprachformen für vorgestellte Erfahrung in welchem Umfang von bestimmten Schülergruppen beim Schreiben zu den drei Vorgaben erprobt werden. Dies geschieht in hypothesenbildender Absicht und in dem Bewusstsein, dass diese Form der Betrachtung keiner statistischen Analyse entspricht. Indem die Ergebnisse aber einen Einblick in einen Ausschnitt der schulischen Realität bieten, können sie fruchtbar sein für weitere Untersuchungen und didaktische Überlegungen.

Zur Textlänge Während im Durchschnitt die Texte zur Sage fast genauso viele Wörter enthalten (164) wie die Texte zu Figuren (167), fallen die Texte zum Gemälde etwas kürzer aus (135 Wörter) (s. Tab. 6) 140. Vorgaben, denen ein sprachlicher Anteil innewohnt, scheinen also das Schreiben etwas längerer Texte zu befördern als rein visuelle Vorgaben. Tab. 6: Durchschnittliche Wortanzahl pro Text eines Kindes in unterschiedlichen Einzugsgebieten Sozialindex der Einzugsgebiete niedrig (N≈38) hoch (N≈58) insgesamt (N=96)

Sage 118 194 164

Gemälde 104 158 135

Figuren 122 194 167

Alle drei Vorgaben (Durchschnitt) 115 182 155

Schülerinnen und Schüler, die in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, bringen beim Schreiben zu allen drei Vorgaben durchschnittlich deutlich mehr Wörter zu Papier (182) als Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes (115). Dennoch ist die durchschnittliche Textlänge auch in letzteren Gebieten im Vergleich zu anderen Studien bemerkenswert hoch. Während z.B. die einsprachig deutsch aufwachsenden Schülerinnen und Schüler (N=39) einer ländlichen Mittelpunktschule in der Longitudinalstudie von Augst et al. am Ende von Klasse 3

140

Da der Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes (60%) größer ist als der Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes (40%), entspricht der Wert insgesamt nicht dem Durchschnittswert der Summe der einzelnen Werte, sondern gibt an, wie viele Wörter die Schülerinnen und Schüler, die an der Studie teilgenommen haben, im Durchschnitt zu Papier gebracht haben.

8.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

269

durchschnittlich 93 Wörter beim Schreiben zum Bildimpuls 141 zu Papier bringen (vgl. Augst et al. 2007, S. 61), sind es bei den überwiegend mehrsprachig aufwachsenden Schülerinnen und Schülern aus Hamburger Einzugsgebieten mit (sehr) niedrigen Sozialindizes beim Schreiben zum Gemälde (N=40) Mitte Klasse 3 durchschnittlich 104 Wörter. Schülerinnen und Schüler mit deutlich schlechteren Voraussetzungen in Bezug auf das Alter, die Sprache und die soziale Herkunft schreiben zu einem Gemälde mit narrativem Gehalt im Durchschnitt also längere Texte als Schülerinnen und Schüler mit (höchstwahrscheinlich) besseren Voraussetzungen zum Bildimpuls. Bezieht man die Texte der Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes mit ein und vergleicht die durchschnittliche Textlänge, vergrößert sich der Abstand (von 11 auf 42 Wörter). Beim Schreiben zur Sage und zu Figuren bringen die Hamburger Schülerinnen und Schüler noch mehr Wörter zu Papier (sodass sich der Abstand auf bis zu 74 Wörter vergrößert). 142 Einsprachig deutsch aufwachsende Schülerinnen und Schüler schreiben im Durchschnitt deutlich längere Texte (171 Wörter) als mehrsprachig aufwachsende Schülerinnen und Schüler (135 Wörter) (s. Tab. 7) 143. Bei einer differenzierten Betrachtung zeigt sich allerdings, dass einsprachig deutsch aufwachsende Schülerinnen und Schüler nur in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes durchschnittlich mehr Wörter zu Papier bringen (192) als ihre mehrsprachig aufwachsenden Mitschülerinnen und -schüler (155). In sozial benachteiligten Gebieten hingegen sind es die mehrsprachig aufwachsenden Kinder, die im Durchschnitt mehr Wörter schreiben (123) als einsprachig deutsch aufwachsende Kinder (96). Die Textlänge wird also stärker von der sozialen Herkunft als vom sprachlichen Hintergrund eines Kindes beeinflusst. Während mehrsprachig aufwachsende Kinder zu allen drei Vorgaben im Durchschnitt etwa gleich viele Wörter zu Papier bringen, schreiben einsprachig deutsch aufwachsende Kinder deutlich mehr Wörter zur Sage und zu Figuren als zum Bild, und zwar in beiden Einzugsgebieten. Der Unterschied zwischen den beiden Schülergruppen ist beim Schreiben zum Bild also am geringsten.

Bei dem Bildimpuls handelt es sich um eine Schwarz-Weiß Zeichnung einer Figur, die mit brennender Kerze einen dunklen Raum (Höhle/Kellergewölbe/Tunnel) betritt (vgl. Augst et al. 2007, S. 46 f.). 142 Ob unterschiedliche Vorgaben und Schreibaufgaben für die Textlänge eine Rolle spielen oder andere Faktoren ausschlaggebend sind, ließe sich nur in Vergleichsstudien ermitteln. 143 Da der Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes (60%) größer ist als der Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes (40%), entspricht der Wert insgesamt nicht dem Durchschnittswert der Summe der einzelnen Werte, sondern gibt an, wie viele Wörter die mehrsprachig bzw. einsprachig deutsch aufwachsenden Schülerinnen und Schüler, die an der Studie teilgenommen haben, im Durchschnitt zu Papier gebracht haben. 141

270

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Tab. 7: Durchschnittliche Wortanzahl pro Text eines mehrsprachig oder einsprachig deutsch aufwachsenden Kindes

Sprache mehrsprachig einsprachig deutsch

Sozialindex der Einzugsgebiete niedrig (N≈26) hoch (N≈17) insgesamt (N≈43) niedrig (N≈12) hoch (N≈41) insgesamt (N≈53)

Sage 124 150 134 102 211 189

Gemälde 119 147 130 69 162 140

Figuren 125 168 141 118 204 185

Alle drei Vorgaben (Durchschnitt) 123 155 135 96 192 171

Natürlich sind die erhobenen Texte unterschiedlich lang. Der kürzeste Text umfasst 16 Wörter (Tamim G69m), der längste 751 Wörter (Meryem G67m). Erstaunlicherweise sind beide Texte beim Schreiben zum Gemälde entstanden und stammen von Kindern, die (sogar mit denselben Sprachen) mehrsprachig aufwachsen und in dieselbe Klasse in einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex zur Schule gehen. Die Leistungen beider Kinder wurden in fast allen Bereichen als durchschnittlich eingeordnet, das Kind, das den kürzesten Text geschrieben hat, gilt als leistungsschwach im Textschreiben. Der deutlichste Unterschied bezieht sich auf das Geschlecht: Den kürzesten Text hat ein Junge verfasst, den längsten ein Mädchen. Dieses Phänomen ist keine Ausnahme. Im Durchschnitt sind die Texte der Jungen deutlich kürzer (120 Wörter) als die der Mädchen (181 Wörter), und zwar sowohl insgesamt als auch in Einzugsgebieten mit unterschiedlich hohen Sozialindizes. Allerdings haben auch weniger Jungen (44) als Mädchen (58) an der Untersuchung teilgenommen, sodass geschlechtsbezogene Befunde überprüft werden müssten. 144 Da das Erkenntnisinteresse der Studie sich nicht auf geschlechtsbezogene Unterschiede bezieht, wird von diesbezüglichen Analysen abgesehen. Auch wenn die Textlänge wenig über die Qualität eines Textes aussagt, liegt es nahe, dass ein Zusammenhang zwischen der Anzahl geschriebener Wörter und der Anzahl erprobter Sprachformen besteht. Ein Kind, das einen langen Text schreibt, erprobt wahrscheinlich allein schon deshalb mehr Sprachformen für vorgestellte Erfahrung als ein Kind, das einen kurzen Text schreibt, weil es mehr Erfahrungen thematisiert.

144

Besonders groß ist der Unterschied in Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes. Hier bringen die Mädchen im Durchschnitt doppelt so viele Wörter zu Papier wie die Jungen; in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes ist das Verhältnis ausgeglichener (3:4). Allerdings ist hier auch die Anzahl von Jungen und Mädchen ausgeglichener als in den Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes.

8.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

271

Unterschiedliche Vorgaben Alle drei Vorgaben haben sich in hohem Maße als geeignet erwiesen, Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter zu ermöglichen, in ihrer Vorstellung eine Storyworld zu erzeugen und vorgestellte Erfahrung schreibend zu Papier zu bringen: alle Kinder schreiben sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung ein (s. Abb. 31).

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

Sage

Gemälde

Figuren

alle drei Vorgaben

Abb. 31: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben

Abgesehen von einer Ausnahme erproben dabei auch alle Kinder hervorgehobene Sprachformen. Beim Schreiben zur Sage und zu Figuren sind es etwas mehr Kinder (jeweils 95%), die literarische und/oder instrumentelle Hervorhebungen erproben, als beim Schreiben zum Gemälde (89%). Aufgrund der fehlenden Möglichkeit, sich beim Schreiben zum Gemälde (auch) an Sprachformen der Vorgabe orientieren zu können, war dieses Ergebnis zu erwarten. Bemerkenswert ist vielmehr, dass der Unterschied nicht größer ist. Auch Bildern mit narrativem Gehalt scheint also ein hohes sprachbildendes Potenzial innezuwohnen. Fast alle Kinder (97%) versuchen sich beim Schreiben zu Vorgaben (auch) an mindestens einer literarischen Hervorhebung. Dass der Anteil der Kinder, die sich in literarische Sprachformen einschreiben, beim Schreiben zur Sage etwas höher ist (87%) als beim Schreiben zum Gemälde und zu Figuren (jeweils 79%), deutet darauf hin, dass insbesondere sprachliche Vorgaben ein Sich-Einschreiben in literarische Sprachformen befördern (können). Das Gesamtergebnis zeigt aber auch,

272

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

dass einige Kinder (10%) nur beim Schreiben zu einer der anderen beiden Vorgaben literarische Sprachformen erproben. Mehr als die Hälfte aller Kinder (62%) bringt beim Schreiben zu jeder der drei Vorgaben literarische Hervorhebungen zu Papier. Das bedeutet zugleich, dass für mehr als ein Drittel der Kinder (38%) das Erproben literarischer Sprachformen von der Vorgabe abhängt. 145 Für die Konzeption von Schreibaufgaben in der Schule und in der Forschung dürfte dieser Befund relevant sein. Eine Betrachtung der absoluten Anzahl der erprobten hervorgehobenen Sprachformen bestätigt zwar den Eindruck, dass die Sage als sprachlich geformte Vorgabe in besonders hohem Maße dazu einlädt, Hervorhebungen zu erproben, es fällt jedoch auf, dass sich die Anzahl hervorgehobener Sprachformen beim Schreiben zur Sage und zum Gemälde nur geringfügig unterscheiden und auch der Abstand zu der Anzahl, die beim Schreiben zu Figuren zu Papier gebracht wird, nicht übermäßig groß ist (s. Tab. 8). Insgesamt werden ebenso viele literarische wie instrumentelle Hervorhebungen erprobt (jeweils 783). Tab. 8: Absolute Anzahl hervorgehobener Sprachformen Hervorhebung instrumentell literarisch insgesamt

Sage 259 288 547

Gemälde 258 271 529

Figuren 266 224 490

Während die durchschnittliche Anzahl der erprobten instrumentellen Hervorhebungen pro Kind bei allen drei Vorgaben nahezu identisch ist (2,7 bzw. 2,8), ist die durchschnittliche Anzahl literarischer Hervorhebungen am höchsten bei der Sage (3,0) (s. Abb. 32). Bemerkenswert ist, dass sie beim Schreiben zum Gemälde nicht viel niedriger ist (2,8), obwohl weniger Kinder literarische Sprachformen zu Papier bringen und die Texte im Durchschnitt kürzer sind. Bezieht man die absolute Anzahl der erprobten literarischen Sprachformen zur Sage und zum Bild nur auf die Kinder, die überhaupt literarische Sprachformen erproben, zeigt sich, dass die Kinder, die literarische Sprachformen zum Bild erproben (N=75), dies im Durchschnitt sogar in geringfügig höherem Umfang tun (3,6) als die Kinder (N=83), die literarische Sprachformen zur Sage erproben (3,5). Dieser Befund verdeutlicht die Bedeutung der Vorstellungsbildung für das Erproben literarischer Sprachformen und das sprachbildende Potenzial bestimmter Bilder. Beim Schreiben zu Figuren bringen nicht nur alle Kinder (2,3), sondern auch die Kinder, die überhaupt literarische Sprachformen erproben (N=76), durchschnittlich etwas weniger literarische Hervorhebungen zu Papier (2,9) als beim Schreiben zum Bild oder zur Sage. 145

Betrachtet wurden hier nur die Kinder, die zu allen drei Vorgaben geschrieben haben (N=86).

8.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

273

Bedenkt man, dass beim Schreiben zu Figuren die Rezeption der Geschichte zur Figur (unterschiedlich) weit zurückliegt und eine Storyworld aus der Erinnerung erzeugt werden muss, ist auch bei diesem Ergebnis erstaunlich, dass der Unterschied nicht größer ist. Das Ergebnis zum Schreiben zu Figuren zeigt, dass nicht nur ‚exklusive‘ Vorgaben wie eine Sage aus dem Altertum oder ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert Kinder im Grundschulalter dazu anregen, hervorgehobene, insbesondere literarische Sprachformen zu erproben, sondern auch ‚normale‘ Geschichten, die den meisten Kindern durch unterschiedliche Medien im Alltag zugänglich sind.

6 5 4 3 2 1 0

Sage

Gemälde

Figuren

2,7

2,7

2,8

literarisch

3

2,8

2,3

insgesamt

5,7

5,5

5,1

instrumentell

Abb. 32: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind

Dass sowohl der Anteil derjenigen, die überhaupt literarische Sprachformen erproben, als auch die durchschnittliche Anzahl der Sprachformen, die Erfahrungen literarisch hervorheben, nicht nur bei der Sage, sondern auch beim Schreiben zu Gemälde und Figuren erstaunlich hoch ist, deutet darauf hin, dass die Möglichkeit, sich Erfahrungen vorzustellen, eine weitaus höhere Bedeutung für das Erproben literarischer Sprachformen hat als das (direkte) sprachliche Vorbild – und als bisher angenommen. Die durch die vorgestellte Erfahrung beförderte emotionale Involviertheit könnte ein Grund dafür sein, dass (persönlich) Bedeutsames sprachlich hervorgehoben wird. Der (identisch) hohe Anteil derjenigen, die sich beim Schreiben zu Bild und Figuren in literarische Sprachformen einschreiben, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass beide Vorgaben den Kindern zwar (unmittelbar) keine sprachlichen Muster zur Verfügung stellen, aber dazu einladen, auf ihren – auch sprachlich geformten – Geschichtenfundus zurückzugreifen. Wenn (fast) alle Schülerinnen und Schüler zu den drei Vorgaben mit narrativem Gehalt hervorgehobene Sprachformen erproben, heißt das, dass die

274

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Möglichkeit, überhaupt einen Zugang zu solchen Formen des Ausdrucks zu finden, unabhängig davon ist, ob die Kinder in einem sozial starken oder sozial schwachen Einzugsgebiet zur Schule gehen, ob sie einsprachig deutsch oder mehrsprachig aufwachsen und auch, ob sie leistungsstark oder -schwach in zentralen Bereichen des Deutschunterrichts sind. Deutliche Unterschiede zeigen sich erst, wenn man die Anzahl hervorgehobener Sprachformen betrachtet. Unterschiedliche Einzugsgebiete Auch wenn der Anteil derer, die keine einzige hervorgehobene Sprachform erproben, beim Schreiben zur Sage und zu Figuren in Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes etwas höher ist (Sage: 11%; Figuren: 8%) als in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes (Sage: 2%; Figuren: 3%) und beim Schreiben zum Bild nahezu gleichhoch (12% bzw. 11%), übersteigt der durchgängig hohe Anteil der Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes, die hervorgehobene Sprachformen erproben, gängige Erwartungen (s. Abb. 33).

100% 90%

Literarische Hervorhebung

80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

niedriger hoher niedriger hoher niedriger hoher Sozialindex Sozialindex Sozialindex Sozialindex Sozialindex Sozialindex (N=37) (N=59) (N=40) (N=56) (N=37) (N=59) Sage

Gemälde

Figuren

Abb. 33: Anteile der Kinder aus unterschiedlichen Einzugsgebieten, die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben

Insbesondere gilt dies für den hohen Anteil derer, die literarische Sprachformen zu Papier bringen (jew. ca. 70%), vor allem, weil es jeweils unterschiedliche Kinder sind, die

8.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

275

keine literarischen Sprachformen erproben. Lediglich ein Kind, das in einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex zur Schule geht, erprobt zu keiner der drei Vorgaben literarische Sprachformen (und zwei weitere Kinder aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes, vgl. den Anteil insgesamt in Abb. 31). Beachtet man darüber hinaus, dass ein Drittel (34%) der Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes als leistungsschwach gilt und nur drei Kinder (7%) als leistungsstark, während es bei den Kindern aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes nahezu umgekehrt ist (7% gelten als leistungsschwach und 38% als leistungsstark), ist dieses Ergebnis umso bemerkenswerter. Deutlichere Unterschiede zeigen sich im Vergleich der Anzahl hervorgehobener Sprachformen: Beim Schreiben zur Sage bringen Kinder, die in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, im Durchschnitt doppelt so viele (7,1) Hervorhebungen zu Papier wie Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes (3,5) (s. Abb. 34).

8 7 6 5 4 3 2 1 0

niedriger Sozialindex (N=37)

hoher Sozialindex (N=59)

niedriger Sozialindex (N=40)

Sage

hoher Sozialindex (N=56)

niedriger Sozialindex (N=37)

Gemälde

hoher Sozialindex (N=59)

niedriger Sozialindex (N≈38)

hoher Sozialindex (N≈58)

alle drei Vorgaben (Durchschnitt)

Figuren

instrumentell

1,7

3,3

2,1

3,1

2

3,2

1,9

3,2

literarisch

1,8

3,8

1,9

3,5

1,5

3

1,7

3,4

insgesamt

3,5

7,1

4

6,6

3,5

6,2

3,6

6,6

Abb. 34: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten

Die höhere Anzahl literarischer Sprachformen insgesamt lässt sich beim Schreiben zur Sage also auf die Texte von bildungsnah aufwachsenden Kindern zurückführen. Den-

276

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

noch beschränken sich die Kinder der anderen Gruppe nicht auf instrumentelle Hervorhebungen, sondern heben vorgestellte Erfahrungen ebenso häufig literarisch wie instrumentell hervor. Auch – oder möglicherweise gerade – sozial benachteiligte Kinder scheinen Zugänge zu vorgestellter Erfahrung, die die Sage eröffnet, nutzen zu können, um selbst literarische Sprachformen beim Erzählen zu erproben, wenn auch in geringerem Umfang als die sozial begünstigten Kinder. Beim Schreiben zum Gemälde und zu Figuren sind die Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen etwas geringer als beim Schreiben zur Sage, aber auch hier bringt ein Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex durchschnittlich deutlich weniger hervorgehobene Sprachformen zu Papier (Gemälde: 4,0; Figuren: 3,5) als ein Kind aus einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex (Gemälde: 6,6; Figuren: 6,2). Im Unterschied zum Schreiben zur Sage erprobt ein Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex beim Schreiben zum Gemälde und zur Figur durchschnittlich (etwas) mehr instrumentelle (Gemälde: 2,1; Figuren: 2,0) als literarische Hervorhebungen (Gemälde: 1,9; Figuren: 1,5). Kinder aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes bringen beim Schreiben zum Gemälde wie beim Schreiben zur Sage durchschnittlich etwas mehr literarische (3,5) als instrumentelle Hervorhebungen (3,1) zu Papier, beim Schreiben zu Figuren sind es ebenso viele instrumentelle (3,2), aber weniger literarische Hervorhebungen (3,0). Während die Kinder aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes im Durchschnitt am meisten sprachliche Hervorhebungen beim Schreiben zur Sage erproben, regt die Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes das Bild am meisten an, etwas sprachlich hervorzuheben. Diese Tendenz müsste allerdings überprüft werden, da die Unterschiede zwischen der durchschnittlichen Anzahl hervorgehobener Sprachformen beim Schreiben zu den drei Vorgaben in beiden Gruppen nicht sehr groß sind. Der Befund zeigt aber, dass der Zugang sozial benachteiligt aufwachsender Kinder zu Gemälden nicht unterschätzt werden sollte. Insgesamt bringen Kinder, die in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, beim Schreiben zu den drei Vorgaben also deutlich mehr hervorgehobene Sprachformen zu Papier als Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes. Allerdings sind ihre Texte im Durchschnitt auch deutlich länger. Während ein Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex durchschnittlich 3,6 hervorgehobene Sprachformen erprobt und 115 Wörter schreibt, sind es bei einem Kind aus einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex durchschnittlich 6,6 solche Sprachformen und 182 Wörter. Der prozentuale Anteil hervorgehobener Sprachformen ist bei einem Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex im Durchschnitt also nicht sehr viel niedriger (3,1%) als bei einem Kind aus einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex (3,6%).

8.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

277

Unterschiedliche Sprachen Der Anteil der mehrsprachig aufwachsenden Schülerinnen und Schüler, die beim Schreiben mindestens eine hervorgehobene Sprachform erproben (Sage: 95%; Gemälde: 89%; Figuren: 93%), ist bei allen drei Vorgaben fast genauso hoch wie der Anteil der einsprachig deutsch aufwachsenden Schülerinnen und Schüler (Sage: 94%; Gemälde: 90%; Figuren: 96%) (s. Abb. 35). Während der Anteil der Kinder, die mindestens eine literarische Sprachform erproben, sich beim Schreiben zur Sage nur geringfügig unterscheidet (um 5%), ist er beim Schreiben zu Gemälde und Figuren bei den mehrsprachig aufwachsenden Kindern etwas niedriger (um 15% bzw. 10%) als bei den einsprachig deutsch aufwachsenden Kindern. Dieser Befund deutet daraufhin, dass eine sprachlich geformte Vorgabe insbesondere mehrsprachig aufwachsenden Kindern ermöglicht, sich beim Erzählen in literarische Sprachformen einzuschreiben.

100% Literarische Hervorhebung

90% 80% 70%

Literarische und instrumentelle Hervorhebung

60% 50%

Instrumentelle Hervorhebung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Hervorhebung

10% 0%

mehrsprachig einsprachig dt. mehrsprachig einsprachig dt. mehrsprachig einsprachig dt. (N=43) (N=53) (N=45) (N=51) (N=41) (N=55) Sage

Gemälde

Figuren

Abb. 35: Anteile der Kinder mit unterschiedlichem sprachlichen Hintergrund, die sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung einschreiben

Ein Vergleich der Anzahl hervorgehobener Sprachformen zeigt, dass ein mehrsprachig aufwachsendes Kind beim Schreiben zu allen drei Vorgaben im Durchschnitt weniger hervorgehobene Sprachformen zu Papier bringt (Sage: 4,2; Gemälde: 4,3; Figuren: 3,9) als ein einsprachig deutsch aufwachsendes Kind (Sage: 6,9; Gemälde: 6,5; Figuren: 6,0) (vgl. Abb. 36-38), und zwar insgesamt durchschnittlich 2,3 Hervorhebungen weniger

278

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

(vgl. Abb. 39). 146 Ob ein Kind mehrsprachig oder einsprachig deutsch aufwächst, scheint beim Schreiben zur Sage und zu Figuren für das Erproben hervorgehobener Sprachformen aber eine der sozialen Herkunft untergeordnete Rolle zu spielen: In beiden Gruppen sind es die bildungsnah aufwachsenden Kinder, die durchschnittlich mehr hervorgehobene Sprachformen zu Papier bringen (vgl. Abb. 36 und 38). Beim Schreiben zum Gemälde bringt ein mehrsprachig aufwachsendes Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex allerdings durchschnittlich etwas mehr hervorgehobene Sprachformen zu Papier (4,6) als ein mehrsprachig aufwachsendes Kind aus einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex (4,0) (s. Abb. 37). Der Grund für diesen Unterschied liegt in der etwas höheren Anzahl instrumenteller Hervorhebungen, die Anzahl literarischer Hervorhebungen ist in beiden Einzugsgebieten nahezu gleich hoch. Die einsprachig deutsch aufwachsenden Kinder, die in Gebieten mit niedrigen Sozialindizes zur Schule gehen, erproben beim Schreiben zu Sage und Gemälde im Durchschnitt sogar noch weniger hervorgehobene Sprachformen als ihre mehrsprachig aufwachsenden Mitschülerinnen und -schüler (s. Abb. 36 und 37) – allerdings ist die Anzahl der einsprachig deutsch aufwachsenden Kinder in diesen Gebieten so gering (Sage: 11; Gemälde: 12), dass diese Tendenz überprüft werden müsste. Beim Schreiben zu Figuren bringt ein einsprachig deutsch aufwachsendes Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex dagegen durchschnittlich etwas mehr hervorgehobene Sprachformen zu Papier (3,8) als ein mehrsprachig aufwachsendes Kind im selben Einzugsgebiet (3,4) (s. Abb. 38). Der Grund für diesen Unterschied liegt wiederum in der höheren Anzahl instrumenteller Hervorhebungen, die Anzahl literarischer Hervorhebungen ist bei einsprachig deutsch aufwachsenden Kindern im Durchschnitt etwas niedriger. Erwartungsgemäß sind es beim Schreiben zu allen drei Vorgaben die Texte der einsprachig deutsch aufwachsenden Kinder aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes, die durchschnittlich am meisten hervorgehobene Sprachformen, insbesondere literarische, enthalten (s. Abb. 39). Aber auch mehrsprachig aufwachsende Kinder erkunden beim Schreiben zu allen drei Vorgaben solche Sprachformen, und zwar tendenziell in höherem Umfang als einsprachig deutsch aufwachsende Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes.

146

Die jeweiligen Gesamtwerte geben an, wie viele hervorgehobene Sprachformen von mehrsprachig bzw. einsprachig deutsch aufwachsenden Kindern insgesamt im Durchschnitt erprobt wurden. Sie entsprechen nicht dem Durchschnittswert der Summe der einzelnen Ergebnisse in Einzugsgebieten mit niedrigem bzw. hohem Sozialindex, da die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Gruppen differiert (vgl. Abb. 36-39).

8.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

279

8 7 6 5 4 3 2 1 0

mehrspr. niedriger Sozialindex (N=26)

einspr. dt. niedriger Sozialindex (N=11)

mehrspr. hoher Sozialindex (N=17)

einspr. dt. hoher Sozialindex (N=42)

mehrspr. (N=43)

einspr. dt. (N=53)

instrumentell

1,8

1,5

2,6

3,6

2,1

3,2

literarisch

1,8

1,5

2,5

4,3

2,1

3,7

insgesamt

3,6

3

5,1

7,9

4,2

6,9

Abb. 36: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Sage)

8 7 6 5 4 3 2 1 0

instrumentell

mehrspr. niedriger Sozialindex (N=28)

einspr. dt. niedriger Sozialindex (N=12)

mehrspr. hoher Sozialindex (N=17)

einspr. dt. hoher Sozialindex (N=39)

mehrspr. (N=45)

einspr. dt. (N=51)

2,6

1

1,9

3,6

2,3

3

literarisch

2

1,6

2,1

4,1

2

3,5

insgesamt

4,6

2,6

4

7,7

4,3

6,5

Abb. 37: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Gemälde)

280

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung 8 7 6 5 4 3 2 1 0

mehrspr. niedriger Sozialindex (N=25)

einspr. dt. niedriger Sozialindex (N=12)

mehrspr. hoher Sozialindex (N=16)

einspr. dt. hoher Sozialindex (N=43)

mehrspr. (N=41)

einspr. dt. (N=55)

instrumentell

1,8

2,4

2,8

3,4

2,2

3,2

literarisch

1,6

1,4

1,8

3,2

1,7

2,8

insgesamt

3,4

3,8

4,6

6,6

3,9

6

Abb. 38: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Figuren)

8 7 6 5 4 3 2 1 0

mehrspr. niedriger Sozialindex (N≈26)

einspr. dt. niedriger Sozialindex (N≈12)

mehrspr. hoher Sozialindex (N≈17)

einspr. dt. hoher Sozialindex (N≈41)

mehrspr. (N≈43)

einspr. dt. (N≈53)

instrumentell

2,1

1,6

2,4

3,5

2,2

3,1

literarisch

1,8

1,5

2,1

3,9

1,9

3,3

insgesamt

3,9

3,1

4,5

7,4

4,1

6,4

Abb. 39: Durchschnittliche Anzahl hervorgehobener Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (alle drei Vorgaben)

8.5 Narrative Muster für vorgestellte Erfahrung: Zentrale Befunde

281

8.5 Narrative Muster für vorgestellte Erfahrung: Zentrale Befunde Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Analysen von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung in den Texten der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 zusammenfassend dargestellt. 1. Die Schülerinnen und Schüler thematisieren vorgestellte Erfahrungen, die existenziell bedeutsam sind. In ihren Geschichten bringen die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 existenziell bedeutsame Erfahrungen zur Sprache. Es geht vor allem um: -

Weite, Fliegen und Übermut, Verzweiflung, Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum, Liebe, Gefahr und Rettung (oder Verderben), Heimat und Fremde, Stärke, Schönheit und Schläue, Kampf gegen das Böse, Freiheit und Selbstbestimmung, u.a.

Indem die Schülerinnen und Schüler sich schreibend mit solchen Themen auseinandersetzen, beschränkt sich die Aufgabe nicht auf eine sprachformale Übung, sondern trägt dazu bei, Erzählen als „elementare kulturelle Handlungsform“ (Scheffel 2011, S. 74) mit erkenntnis- und identitätsbildendem Potenzial zu erfahren (s. Kapitel 1).

2. Die Sprachformen für vorgestellte Erfahrung, die die Schülerinnen und Schüler erproben, sind außerordentlich vielfältig. Die Analysen zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 beim Schreiben zu Vorgaben eine beeindruckende Vielfalt an Sprachformen für vorgestellte Erfahrung erproben. Sie thematisieren vorgestellte Erfahrung, -

ohne sprachliche Hervorhebung, als instrumentelle Hervorhebung, als literarische Hervorhebung.

Instrumentelle Hervorhebungen beschränken sich nicht auf prototypische Intensitätspartikeln (wie z.B. „sehr“), sondern werden durch diverse Intensifikatoren, Grad- und

282

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

Abtönungspartikeln, Interjektionen und graphische Elemente realisiert. Auch literarische Hervorhebungen zeigen sich in einer breiten Vielfalt an Sprachformen. Durch unterschiedliche phonologische, morphologische, syntaktische und semantische Figuren sowie strukturelle und metanarrative Elemente, die vermögen, Leserinnen und Leser zu involvieren, heben die jungen Schreiberinnen und Schreiber vorgestellte Erfahrungen literarisch hervor. In den Sprachformen für vorgestellter Erfahrung zeigt sich die Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter also nicht nur als literale, sondern auch als ästhetische, literarische Kompetenz. Eine Beschränkung auf die Vermittlung einiger weniger prototypischer sprachlicher Mittel zum Erzählen – wie in Sprachbüchern üblich – scheint also weder dem Gegenstand noch dem Vermögen der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 zu gerecht zu werden. 3. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Rezeption und der Produktion narrativer Muster für vorgestellte Erfahrung. In etlichen Sprachformen für vorgestellte Erfahrung, die die Schülerinnen und Schüler zu Papier bringen, sind Spuren der Vorgabe erkennbar. Die Analysen zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler Rezipiertes nicht imitieren, sondern dass Transformationsprozesse stattfinden, die sich auf -

dargestellte Erfahrungen und/oder sprachformale Muster

beziehen. Zusammenhänge zwischen Rezeption und Produktion zeigen sich zum einen in der hohen Frequenz, mit der eine in der Vorgabe dargestellte Erfahrung von den Schülerinnen und Schülern konkretisiert, erweitert oder variiert wird und zum anderen in dem Niederschlag sprachformaler Muster, die vorgestellte Erfahrung zum Ausdruck bringen. Obgleich Zusammenhänge zwischen sprachformalen Mustern am deutlichsten beim Schreiben zur Sage hervortreten, zeigen sie sich auch beim Schreiben zu Figuren. Darüber hinaus lassen sich beim Schreiben zum Gemälde und in Geschichten zu Figuren, die auf der Rezeption eines Films basieren, einzelne Zusammenhänge zwischen formalen Elementen von Bild und Sprache beobachten. Die Vielfalt der Sprachformen, mit denen eine in der Vorgabe dargestellte Erfahrung thematisiert wird, deutet darauf hin, dass die Vorstellungsbildung eine zentrale Rolle bei der Transformation narrativer Muster spielt. Die Sprachformen für vorgestellte Erfahrung in den Texten der Schülerinnen und Schüler verdeutlichen die didaktische Relevanz eines Verständnisses vom Textschreiben als kultureller Tätigkeit, „das Schreiben immer in Korrespondenz mit Vorgefundenem sieht, mit und zwischen anderen Texten“ (Dehn 1999) und Bildern.

8.5 Narrative Muster für vorgestellte Erfahrung: Zentrale Befunde

283

4. Alle Schülerinnen und Schüler erproben Sprachformen für vorgestellte Erfahrung – in unterschiedlichem Umfang. Die quantitativen Analysen zeigen, dass nicht nur einzelne oder wiederholt dieselben, sondern alle Schülerinnen und Schüler Zugänge, die die Vorgaben eröffnen, nutzen, um vorgestellte Erfahrung zur Sprache zu bringen. Abgesehen von einer Ausnahme schreiben sich alle Drittklässlerinnen und Drittklässler zumindest zu einer der Vorgaben dabei in hervorgehobene Sprachformen ein, abgesehen von einer weiteren Ausnahme heben alle mindestens eine vorgestellte Erfahrung (auch) literarisch hervor. Die Möglichkeit, überhaupt einen Zugang zu literarischen Formen des Ausdrucks zu finden, ist also unabhängig davon, ob die Schülerinnen und Schüler in einem Einzugsgebiet mit hohem oder niedrigem Sozialindex zur Schule gehen, ob sie einsprachig deutsch oder mehrsprachig aufwachsen und auch, ob sie leistungsstark oder -schwach sind. Deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Schülergruppen (und in Bezug auf die Vorgaben) zeigen sich erst bei der Betrachtung der Anzahl hervorgehobener Sprachformen: -

-

-

-

Kinder, die in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, bringen beim Schreiben zu allen drei Vorgaben deutlich mehr hervorgehobene Sprachformen zu Papier als Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes. Ein Grund dafür ist, dass sie längere Texte schreiben. Am deutlichsten zeigt sich der Unterschied beim Schreiben zur Sage, aber nicht, weil die Kinder aus sozial schwächeren Gebieten zur Sage weniger Hervorhebungen erproben als zu den anderen Vorgaben, sondern weil die Kinder aus sozial stärkeren Gebieten zur Sage besonders viel sprachlich hervorheben. Insgesamt werden ebenso viele instrumentelle wie literarische Sprachformen erprobt. Während die Kinder beim Schreiben zur Sage und zum Gemälde (etwas) mehr literarische als instrumentelle Hervorhebungen erproben, ist es beim Schreiben zu Figuren andersherum. Kinder aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes bringen etwas mehr literarische als instrumentelle Hervorhebungen zu Papier. Aber auch Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes beschränken sich nicht auf instrumentelle Hervorhebungen, sondern heben vorgestellte Erfahrung fast ebenso häufig literarisch wie instrumentell hervor. Während Kinder aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes am meisten literarische Sprachformen beim Schreiben zur Sage erproben, ist die Anzahl literarischer Sprachformen bei Kindern aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes am höchsten beim Schreiben zum Gemälde (auch wenn sie sich nicht wesentlich von der Anzahl beim Schreiben zur Sage unterscheidet).

284

8 Sich Einschreiben in narrative Muster für vorgestellte Erfahrung

-

-

In Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes enthalten die Texte der einsprachig deutsch aufwachsenden Kinder im Durchschnitt mehr hervorgehobene Sprachformen als die Texte der mehrsprachig aufwachsenden Kinder. In Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes ist es umgekehrt: Hier bringen mehrsprachig aufwachsende Kinder im Durchschnitt mehr hervorgehobene Sprachformen zu Papier als einsprachig deutsch aufwachsende Kinder. Am deutlichsten zeigt sich der sprachliche Unterschied beim Schreiben zum Gemälde, und zwar in beiden Gruppen: Während er in sozial starken Einzugsgebieten entsteht, weil die mehrsprachig aufwachsenden Kinder beim Schreiben zum Gemälde am wenigsten sprachlich hervorheben, ist er in sozial schwachen Einzugsgebieten am größten, weil die mehrsprachig aufwachsenden Kinder zum Gemälde am meisten Hervorhebungen zu Papier bringen.

Insgesamt betrachtet ist die Sage als sprachlich geformte Vorgabe der Zugang, der die meisten Schülerinnen und Schüler dazu anregt, vorgestellte Erfahrung sprachlich hervorzuheben, und auch der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die literarische Sprachformen erproben, ist beim Schreiben zur Sage am höchsten. Daraus allerdings zu folgern, dass ein Sich-Einschreiben in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung in Klasse 3 am besten durch das Vorlesen der Sage befördert werden kann, würde aus dem Blick rücken, dass etliche Kinder durch eine der anderen Vorgaben Zugang zu solchen Sprachformen, insbesondere literarischen, finden: Während knapp zwei Drittel aller Kinder (62%) beim Schreiben zu jeder der drei Vorgaben literarische Hervorhebungen zu Papier bringen, hängt für ein gutes Drittel aller Kinder (38%) das Erproben literarischer Sprachformen von der Vorgabe ab. Und jedem zehnten Kind eröffnet nicht das Schreiben zur Sage, sondern zum Gemälde oder zur Figur, ein Sich-Einschreiben in literarische Sprachformen. Zudem erproben Schülerinnen und Schüler, die in Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes zur Schule gehen, die meisten literarischen Hervorhebungen beim Schreiben zum Gemälde. Es dürfte also lernförderlich sein, wenn Schülerinnen und Schüler im Unterricht Gelegenheit bekommen, zu unterschiedlichen Vorgaben Geschichten zu schreiben. Weitere Untersuchungen zum sprachbildenden Potenzial sprachlicher und visueller Vorgaben könnten dazu beitragen, hier Orientierung zu bieten. Abgesehen davon scheint es angebracht, Ergebnisse von Studien zur Erzählentwicklung in Abhängigkeit von der jeweiligen Aufgabenstellung zu betrachten (vgl. auch Becker 2013a zur Bedeutung unterschiedlicher Erzählformen beim mündlichen Erzählen).

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen Im Folgenden wird untersucht, wie und in welchem Umfang die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 das Angebot der Vorgaben, sich eine Ereignisfolge vorzustellen, nutzen, um selbst in ihren Erzählungen Ereignisse zu thematisieren und Sprachformen zu erproben, die Lesenden ermöglichen, sich die dargestellten Ereignisse als Folge vorzustellen. Um herauszufinden, ob nur einzelne oder immer dieselben Schülerinnen und Schüler Sprachformen für Ereignisfolgen erproben oder ob der Zugang zu einer Vorgabe mit narrativem Gehalt für (viele) Kinder sprachbildendes Potenzial hat, wird die qualitative Analyse – wie bei der Betrachtung der Sprachformen für vorgestellte Erfahrung – jeweils ergänzt um eine Auswertung, die sich auf die Häufigkeit des Vorkommens bezieht, allerdings auch hier nicht im Sinne einer statistischen Auswertung, sondern in hypothesenbildender Absicht. Die Erhebung der Texte in Einzugsgebieten, deren soziale Struktur sich extrem unterscheidet und in denen sowohl mehrsprachig als auch einsprachig deutsch aufwachsende Schülerinnen und Schüler zur Schule gehen, ermöglicht, auch bei der Betrachtung von Sprachformen für Ereignisfolgen die Häufigkeit, mit der unterschiedliche Schülergruppen bestimmte Sprachformen erproben, zu vergleichen. Die Auswahl der Beispiele gewährt auch hier Einblick in Sprachformen von Schülerinnen und Schülern aus extrem unterschiedlichen Einzugsgebieten mit unterschiedlichen sprachlichen Hintergründen. Weitere Beispiele für erprobte Sprachformen für Ereignisfolgen sind jeweils im Anhang (S. 407-424) zu finden. Eine Übersicht der Sprachformen für die Ereignisfolge von der Meisterlehre bis zur Flucht (zur Sage) ermöglicht, die Analyse aller erprobten Sprachformen für eine bestimmte Ereignisfolge beispielhaft nachzuvollziehen (s. Anhang, S. 407-412). 9.1 Sage: Von Meisterschaft bis Sturz Die Sage von Dädalus und Ikarus präsentiert eine komplexe Folge von Ereignissen (vgl. Kapitel 6.1). Fast alle Schülerinnen und Schüler (94%) aus Klasse 3 thematisieren mindestens eins der Ereignisse, von denen die Sage erzählt, etwas weniger als die Hälfte (41%) ausschließlich als Variation. Aber auch wenn Ereignisse nicht so (ähnlich) erzählt werden wie in der Sage, sind Spuren des Gehörten deutlich erkennbar. Geht es z.B. darum, dass Dädalus sich und Ikarus auf einem anderen Weg als durch den Bau von Flügeln aus der Gefangenschaft befreit, werden dabei Ereignisse wie Gefangennahme und Befreiung aus der gehörten Sage aufgegriffen. Im Mittelpunkt des Interesses steht, zu erkunden, welche Ereignisfolgen Kinder im Grundschulalter nach der Rezeption der Sage erzählend zur Sprache bringen und in welche Sprachformen sie sich dabei einschreiben. Wie bei der Untersuchung der Sprachformen für vorgestellte Erfahrung geht © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_10

286

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

es auch hier darum, anhand der entstandenen Produkte Einblicke in Transformationsprozesse zu erlangen, um die Rolle der Vorstellungsbildung beim Schreiben besser zu verstehen und das didaktische Potenzial einer sprachlich geformten Vorgabe mit narrativem Gehalt am Beispiel der Sage von Dädalus und Ikarus für die Darstellung von Ereignisfolgen zu untersuchen. 1) Sprachformen für die Vorstellung einer Ereignisfolge von der Meisterlehre bis zur Flucht: Der Schüler war so gut, dass er eines Tages besser als Dädalus sein wird (Farouk S82m) Nach der Beschreibung von Dädalus‘ außergewöhnlichem Talent und seinem Ruhm eröffnet die Sage die Möglichkeit, sich eine Folge von Ereignissen vorzustellen, die dazu führen, dass Dädalus seine Heimat verlässt. Vorgelesen wurde: Nun hatte er einen Schüler. Dem brachte er bei, wie man den Stein schlug, wie man bohrte, wie man schmirgelte und Maß nahm, sodass alles genau passte. Es war viel Arbeit. Dieser Schüler, der konnte es bald noch besser als Dädalus. Der Schüler erfand nämlich auch Werkzeug. Man sagt, er habe den Zirkel erfunden, mit dem man Kreise schlagen kann; man sagt, er habe die Säge erfunden. Da wurde Dädalus neidisch. Er gönnte dem Schüler nicht, dass er auch so viel konnte; und er hatte Angst, dass der Schüler besser sein würde als er selber. Er wurde eifersüchtig. Dädalus hasste diesen Jungen so sehr, dass er ihn eines Abends oben von den Felsen der Burg in die Tiefe stürzte, sodass er tot war. Dädalus musste die Stadt verlassen; er musste fliehen. Er floh weit über das Meer bis er an eine große Insel kam. Nachdem Farouk die Sage gehört hat, konkretisiert er diesen Teil in seiner Erzählung (s. Anhang, S. 449): Eines Tages bekam er einen Schüler. Dädalus zeigte, wie der Schüler malen sollte. Der Schüler war so gut, dass er eines Tages besser als Dädalus sein wird. Dädalus war eifersüchtig {war}. Eines Abends ging er mit seinem Schüler {in} [auf] einen großen Berg. Dädalus hatte ihn runter geschubst. Der Schüler war tot. Dädalus musste fliehen (Farouk S82m). Dieser Ausschnitt aus Farouks Erzählung ermöglicht Lesenden durch das Thematisieren von Ereignissen, räumlichen und zeitlichen Markierungen sowie einer kausalen Markierung, sich die Ereignisse als kohärente Folge vorzustellen. Farouk markiert drei Zeitpunkte, die entscheidend sind für die Erfahrungen, von denen die Geschichte erzählt: Der erste bestimmt – ähnlich vage wie die Sage – den Zeitpunkt (Eines Tages), an dem Dädalus einen Schüler bekommt, ohne den Dädalus nicht erfahren hätte, wie es ist, zu befürchten, dass jemand besser wird als er selbst. Der zweite Zeitpunkt, an dem der

9.1 Sage: Von Meisterschaft bis Sturz

287

Schüler besser sein wird, liegt in der Zukunft. Farouk stellt dieses Ereignis in konsekutiver Relation zu dem Talent des Schülers dar, sodass neben einer Vorstellung der Abfolge die Gewissheit verstärkt wird, dass es eintreten wird (Der Schüler war so gut, dass er eines Tages besser als Dädalus sein wird). Diese Sprachform korrespondiert inhaltlich mit der kausal dargestellten Relation in der Sage („Dieser Schüler, der konnte es bald noch besser als Dädalus. Der Schüler erfand nämlich auch Werkzeug“) und sprachformal mit dem in der Sage konsekutiv formulierten Zusammenhang zwischen Hass und Mord („Dädalus hasste diesen Jungen so sehr, dass er ihn eines Abends oben von den Felsen der Burg in die Tiefe stürzte“). Farouks dritte Zeitangabe entspricht der der Sage (Eines Abends) und markiert einen Zeitpunkt, an dem die Ereignisse so und nicht anders verlaufen, weil Dädalus sich entscheidet, mit dem Schüler auf den Berg zu gehen und ihn hinunter zu schubsen. Hier tragen auch die beiden Raumwechsel zur Vorstellung einer Abfolge bei. Der Tod des Schülers und die Flucht (die einen weiteren Raumwechsel impliziert) schließen sich kohärent an, ohne dass die Abfolge thematisiert wird. Dieser Ausschnitt aus Farouks Erzählung zeigt deutlich, dass auch ein SichEinschreiben in Sprachformen für die Ereignisfolge kein Imitations- sondern ein Transformationsprozess ist, der sich sowohl auf die dargestellten Ereignisse bezieht als auch auf sprachformale Muster. Farouk ist nicht der einzige, der das Angebot der Sage nutzt, von den Ereignissen, die zu Dädalus‘ Flucht führen, zu erzählen, und dabei Sprachformen zu erproben, die die Vorstellung einer Ereignisfolge ermöglichen.

100% Kausale Markierung

90% 80% 70%

Kausale und zeitliche Markierung

60% 50%

Zeitliche Markierung

40% 30% 20%

Nur räumliche Markierung

10% 0%

Meisterlehre bis Flucht

Abb. 40: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge von Meisterlehre bis Flucht einschreiben (Sage)

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9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (53%) thematisiert Ereignisse aus dem Abschnitt, der von der Lehre des Schülers bis zu Dädalus‘ Flucht erzählt (s. Abb. 40; Anhang, S. 407-412) 147. Alle diese Kinder markieren dabei die Ereignisfolge. 148 Die meisten Schülerinnen und Schüler (47% der Gesamtgruppe) erproben Sprachformen, in denen zeitliche Markierungen eine Vorstellung der Ereignisfolge ermöglichen, knapp die Hälfte davon (22% der Gesamtgruppe) ausschließlich: -

-

Er hat einen Schüler. Dädalus zeigte ihm alles und {lernte} [lehrte] ihn alles, was er kann. Später dachte {Dikarus:} [Dädalus,] dass der Schüler besser als er wird. 11 Monate später wurde plötzlich der Schüler besser als Dädalus. Dädalus wurde neidisch. Er tötete den Schüler und ging (Malia S79m); Dädalus hatte einen Schüler. Der Schüler war fast besser als er selber. In der Nacht hat er ihn von der Klippe geworfen. Er wurde verwundet (Niklas S75d); Eines Tages bekam er einen Schüler. Er lehrte ihn, mit dem Meißel umzugehen und mit dem Hammer umzugehen. Sein Schüler wurde immer besser, irgendwann erfand er sogar die Säge. Das reicht Dädalus. Er schubste ihn von der Mauer. Nach diesem Mord wurde er von der Stadt vertrieben. Irgendwann fand er eine Insel, wo er bleiben durfte (Diana S11d).

In dem Ausschnitt von Malias Erzählung verdeutlicht eine Zeitangabe (später), dass Dädalus denkt, dass der Schüler besser wird als er, nachdem er ihn alles gelehrt hat, was er kann. Im Unterschied zur Sage, in der die Zeit, die vergeht, bis der Schüler Dädalus überflügelt, nur vage bestimmt wird („bald“), gibt Malia die Zeitspanne präzise an (11 Monate später), und hebt den Zeitpunkt des Besserwerdens hervor (plötzlich). Dass nun eintritt, was Dädalus zuvor schon vermutet hat, scheint ihn dennoch zu überrumpeln. Anders als in der Sage, in der Dädalus seinen Schüler aus Angst, nicht mehr der Beste zu sein, vom Berg stürzt, haben Leser von Malias Geschichte die Gewissheit, dass der Schüler tatsächlich besser ist, bevor Neid und Mord folgen. In Malias Sprachformen zeigt sich, dass das Wiedererzählen keine Imitation des Gehörten ist, sondern eine Transformation, die Deutungsprozesse beinhaltet und das eigene Verständnis zum Ausdruck bringt. Auch in Niklas‘ Formulierung ist ein solcher Transformationsprozess deutlich zu erkennen. Wie Malia nutzt er den Deutungsspielraum, den die Sage eröffnet, indem sie zum einen erzählt, dass der Schüler „es bald noch besser als

147

148

Auf eine Abbildung, die den gesamten Anteil der Schülerinnen und Schüler ausweist, die Raumwechsel markieren, wird zugunsten der Übersichtlichkeit verzichtet. In der zusammenfassenden Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Vorgaben, ist der gesamte prozentuale Anteil jeweils angegeben. Im Folgenden werden einmalig weitere erprobte Sprachformen für Ereignisfolgen dargestellt. Zu den anderen Themen (und Vorgaben) sind weitere Beispiele jeweils im Anhang (S. 412-424) zu finden.

9.1 Sage: Von Meisterschaft bis Sturz

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Dädalus“ konnte, zum anderen aber zum Ausdruck bringt, dass Dädalus Angst hatte, „dass der Schüler besser sein würde als er“. Im Gegensatz zu Malia, die in ihrer Erzählung der ersten Formulierung folgt, schlägt sich in Niklas‘ Text die zweite Formulierung in der Sprachform „fast besser“ nieder. In Korrespondenz zur Sage („eines Abends“) situiert auch Niklas den Zeitpunkt des Mordversuchs in der Dunkelheit, allerdings als Steigerung (In der Nacht). Im Gegensatz zur Sage stirbt der Schüler in Niklas‘ Geschichte nicht, sondern wird nur verwundet. Auch Diana schreibt sich in Korrespondenz zur Sage in Sprachformen ein, die die Ereignisfolge markieren, ohne sie zu imitieren. Das deiktische „Nun“, das in der Sage vage den Zeitpunkt markiert, an dem Dädalus einen Schüler bekommt, findet Eingang in Dianas absolute Zeitpunktangabe (Eines Tages), die ebenfalls vage bleibt. Dianas Angabe zur Frequenz des Besserwerdens (immer) korrespondiert mit der Aufzählung, was der Schüler alles lernt und kann, in der Sage. Von einer besonderen Erfindung erzählt auch Diana; der Zeitpunkt dieser Erfindung bleibt ähnlich vage (irgendwann) wie die Formulierung, mit der die Sage im Ungewissen lässt, ob der Schüler tatsächlich die Säge erfunden hat („man sagt, er habe die Säge erfunden“). Während die Sage lediglich die Dringlichkeit der Flucht hervorhebt („Dädalus musste die Stadt verlassen; er musste fliehen“), stellt Diana durch eine relationale Zeitangabe einen Zusammenhang mit dem Mord explizit her und deutet Dädalus‘ Flucht als Vertreibung (Nach diesem Mord wurde er von der Stadt vertrieben). Wiederum korrespondiert die vage Angabe des Zeitpunktes, an dem Dädalus auf der Insel ankommt (irgendwann), mit der ereignisrelationalen Darstellung in der Sage („Er floh weit über das Meer, bis er an eine große Insel kam“). Fast alle Kinder erproben darüber hinaus räumliche Markierungen, einzelne (4% der Gesamtgruppe) ausschließlich: -

-

-

Aber er hatte noch einen Schüler. Da hieß es, dass er den Zirkel und die Säge erfunden hat. Dädalus wurde neidisch und warf ihn über die Mauer in den Graben, da lag er tot. Dädalus musste fliehen (Niko S17d). … und da gab es einen Jungen und er dachte, er ist schlauer und kann alles besser. Dädalus war eifersüchtig und warf den Jungen in {der} [die] Schlucht. Er war tot, musste {den} [das] Land verlassen. Er ist {in} [auf] einer Insel gelandet (Arbesa S96m). … und er hatte zwei Schüler. Die beiden waren besser als Dädalus. Der schubste die aus dem Fenster. Die waren tot. Er flog zu einer anderen Insel (Alex S49m).

Vor dem Hintergrund des Wissens, dass Niko eine Sage aus einer Zeit erzählt, in der Gerätschaften wie Zirkel und Säge neue Erfindungen waren, kann Dädalus‘ Neid auch ohne Markierung als kohärente Folge der Erfindung verstanden werden. In den Sprachformen von Niko, Arbesa und Alex ist es zwar aufgrund von Weltwissen möglich, den Neid (bzw. die Eifersucht) als Grund für den Mord und diesen als Grund für die Flucht

290

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

zu verstehen, aber auch die Sprachformen, die Raumwechsel markieren, tragen dazu bei, sich das Geschehen als Folge vorzustellen, indem sie eine Grenze markieren, die das Geschehen vor oder nach dem Sturz des Schülers bzw. vor oder nach Dädalus‘ Flucht verorten. Die Formulierungen von Niko (über die Mauer in den Graben; fliehen), Arbesa (in {der} [die] Schlucht; {den} [das] Land verlassen) und Alex (aus dem Fenster, flog) verdeutlichen die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Gehörten („oben von den Felsen der Burg in die Tiefe“; „die Stadt verlassen ... fliehen“), die sich als sprachliche Transformation zeigt. Mehr als ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler (27%) schreibt sich in Korrespondenz zu dem Abschnitt der Sage zudem in Sprachformen ein, die eine Vorstellung der Ereignisfolge ermöglichen, indem sie Ereignisse in kausaler Relation zueinander darstellen (2% der Gesamtgruppe, ohne dass sie Zeitangaben erproben): -

-

-

Dädalus hatte einen Schüler. Auch er hieß Dädalus. Es war sehr viel Arbeit, es dem Schüler beizubringen. Aber jetzt hat er es geschafft. Oh nein! Der Schüler konnte es viel besser als er selber. Der Lehrer Dädalus griff vor Eifersucht den anderen Dädalus an. Aber der Schüler war so talentiert, dass er sich wehren konnte. Er wehrte sich so doll, dass der Lehrer starb. Die Menschen dachten, er hätte ihn einfach so umgebracht. Deswegen verscheuchten sie den kleinen Dädalus. Er musste fliehen. Er lief in ein anderes Land (Heike S27d); … der hatte einen Schüler. Der Schüler hat ihn so genervt, dass Dädalus ihn von einer Klippe heruntergeworfen hat. Dann musste Dädalus fliehen und auf eine andere Insel (Mats S68d); Er hatte einen Schüler und der Schüler war besser als der Meister, also der Maler. Dädalus dachte, der Schüler wär‘ besser als Dädalus, also schmiss Dädalus den Schüler von dem Berg. Er ging aus der Stadt. Er reist übers Meer, er war auf der Insel Kreta (Joris S48d).

Beim Lesen von Heikes Erzählung entsteht vor allem aufgrund kausaler Markierungen eine Vorstellung der Ereignisse als Folge. Auch Heike erzählt, dass Eifersucht und Mord zu Dädalus‘ Flucht führen, allerdings mit Variationen. Indem Heike eine kausale Relation formuliert, in der Dädalus‘ Eifersucht als Ursache des Angriffs auf den Schüler zum Ausdruck gebracht wird (Der Lehrer Dädalus griff vor Eifersucht den anderen Dädalus an), entsteht auch eine Vorstellung der zeitlichen Abfolge der Ereignisse. Im Unterschied zur Sage setzt der Schüler in Heikes Geschichte sein Talent ein, um sich zu wehren. Sowohl die Wehrhaftigkeit als auch der Tod des Lehrers werden in konsekutiver Relation als Folge von Talent und Ausmaß, mit dem sich der Schüler wehrt, dargestellt (Aber der Schüler war so talentiert, dass er sich wehren konnte. Er wehrte sich so doll, dass der Lehrer starb). Statt des Schülers stirbt also Dädalus, da der Schüler aber den gleichen Namen trägt, ist es am Ende doch Dädalus, der fliehen muss, und zwar aus

9.1 Sage: Von Meisterschaft bis Sturz

291

(fast) demselben Grund wie Dädalus in der Sage, auch wenn ein Irrtum vorliegt. Wieder erzeugt die Formulierung einer konsekutiven Relation auch die Vorstellung der Abfolge (Die Menschen dachten, er hätte ihn einfach so umgebracht. Deswegen verscheuchten sie den kleinen Dädalus). Auch Mats erprobt – sprachformal in Korrespondenz zur Sage – die Darstellung eines konsekutiven Zusammenhangs (Der Schüler hat ihn so genervt, dass Dädalus ihn von der Klippe heruntergeworfen hat), inhaltlich allerdings mit einem anderen Akzent. Die in der Sage dargestellte konsekutive Relation findet auch in Joris‘ Formulierung Eingang, der den Zusammenhang zwischen Dädalus‘ Befürchtung und dem Mord am Schüler durch eine andere konsekutive Sprachform zum Ausdruck bringt (also). Die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 nutzt das Angebot der Sage, sich die Ereignisse vorzustellen, die zu Dädalus‘ Flucht aus der Heimat führen, um in ihrer Erzählung selbst Sprachformen zu erproben, die Lesenden ermöglichen, sich die Ereignisse als Folge vorzustellen. Die Beispiele zeigen, dass auch ein Sich-Einschreiben in Sprachformen für die Ereignisfolge ein Transformationsprozess ist, in dem die Vorstellungsbildung eine zentrale Rolle spielt, und der sich sowohl auf die dargestellten Ereignisse als auch auf sprachformale Muster bezieht. 2) Sprachformen für die Vorstellung einer Ereignisfolge von Dädalus‘ Heimweh bis zur Gefangenschaft: Als jedoch der König merkte, dass er fliehen wollte, schickte er Wachen zu ihm (Ben S51d) Nachdem die Sage von Dädalus‘ Leben als Baumeister des Königs auf Kreta und der Geburt seines Sohnes erzählt hat, eröffnet sie die Möglichkeit, sich eine Folge von Ereignissen vorzustellen, die zu Dädalus‘ Gefangenschaft führt. Vorgelesen wurde: Dädalus und Ikarus gefiel das Leben auf der Insel, aber im Laufe der Jahre bekam Dädalus Heimweh nach seiner alten Heimat. Er wollte auch seinem Sohn seine alte Heimat zeigen. Als Minos, der König, merkte, dass Dädalus wegwollte, wollte er ihn nicht ziehen lassen; und er schickte Wachen zu Dädalus. Nie mehr konnte er allein irgendwohin gehen. Dädalus wollte mit Ikarus über das Meer wegfahren, aber die Wachen ließen ihn nicht. Es war ihnen unmöglich, die Insel zu verlassen. Nachdem Ben die Sage gehört hat, schreibt er in seiner Erzählung (s. Anhang, S. 442): Doch bald bekam er Heimweh und wollte wieder nach Hause. Als jedoch der König merkte, dass er fliehen wollte, schickte er Wachen zu ihm. Er durfte nirgendwo alleine mehr hingehen (Ben S51d).

292

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Dieser Abschnitt aus Bens Erzählung ermöglicht Lesenden durch eine unbestimmte Zeitangabe (bald) sich vorzustellen, dass Dädalus Heimweh bekommt, nachdem er einen Sohn hat. Ben markiert damit einen Zeitpunkt, der entscheidend ist für alle Erfahrungen, die Dädalus danach macht, denn ohne das Heimweh, hätte er nicht versucht, die Insel zu verlassen usw. Außerdem erzeugt eine Angabe zur Frequenz (wieder) in Kombination mit der Angabe eines (gewünschten) Raumwechsels (nach Hause) die Vorstellung einer Rückkehr, die natürlicherweise einen späteren Zeitpunkt als den ersten Aufenthalt in der Heimat in der Ereignisfolge markiert. Die beiden folgenden Ereignisse stellt Ben – ähnlich wie die Sage – durch temporale Gleichzeitigkeit in Relation zueinander dar (Als jedoch der König merkte, dass er fliehen wollte, schickte er Wachen zu ihm), sodass die Vorstellung eines engen Zusammenhangs entsteht. Ben ist nicht der Einzige, der das Angebot der Sage nutzt, sich die Ereignisse, die zu Dädalus‘ Gefangenschaft führen, als Folge vorzustellen, und beim Schreiben zur Sage Sprachformen erprobt, die eine solche Ereignisfolge markieren.

100%

Kausale Markierung

90% 80% 70%

Kausale und zeitliche Markierung

60% 50%

Zeitliche Markierung

40% 30% 20%

Nur räumliche Markierung

10% 0%

Heimweh bis Gefangenschaft

Abb. 41: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge von Heimweh bis Gefangenschaft einschreiben (Sage)

Mehr als ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler (38%) thematisiert Ereignisse, die zu Dädalus‘ Gefangenschaft führen (vgl. Abb. 41; Beispiele s. Anhang, S. 412-414). Wie Ben erproben die meisten Kinder (29% der Gesamtgruppe) zeitliche Markierungen, ein

9.1 Sage: Von Meisterschaft bis Sturz

293

knappes Fünftel aller Kinder (17%) ausschließlich. Etliche Kinder (13% der Gesamtgruppe) stellen dabei wie Ben in Korrespondenz zur Sage Ereignisse in temporaler Relation zueinander dar. Einzelne (4%) ergänzen ihre Darstellung der Ereignisse ausschließlich um räumliche Markierungen. Obwohl die Vorgabe Kausalität nicht explizit zur Sprache bringt, erprobt ein knappes Fünftel aller Kinder (18%) kausale Markierungen, einzelne (5% der Gesamtgruppe) ausschließlich. Die dargestellte temporale Relation zwischen Dädalus‘ Vorhaben, die Insel zu verlassen, und dem Verbot des Königs, schlägt sich demnach auch in Sprachformen nieder, die kausale Zusammenhänge darstellen (z.B. Dädalus wollte Ikarus seine Heimat zeigen, aber es ging nicht, weil der König es nicht zugelassen hat. Er hatte Wachen geschickt, um aufzupassen, Havin S59m). Mehrere Kinder (13% der Gesamtgruppe) schreiben sich also sowohl in zeitliche als auch kausale Markierungen einer Ereignisfolge ein. Die sprachliche Vorgabe und die Möglichkeit zur Vorstellungsbildung scheinen insbesondere für die Formulierung von Zusammenhängen eine zentrale Rolle spielen. Die relationale Darstellung der Ereignisse in der Sage findet nicht nur in Form ereignisrelationaler Zeitangaben Eingang in die Texte der Schülerinnen und Schüler, sondern scheint auch die Vorstellung von kausalen Zusammenhängen zu erzeugen, die die Schülerinnen und Schüler auf unterschiedliche Art und Weise explizit zur Sprache bringen. 3) Sprachformen für die Vorstellung einer Ereignisfolge von der Suche nach einem Ausweg aus der Gefangenschaft bis zum Flug: Er guckte den Vögeln so zu, dass er bald eine Ahnung hatte, wie sie mit ihren Flügeln fliegen (Annika S09d) Nachdem die Sage von Dädalus‘ Gefangenschaft erzählt hat, eröffnet sie die Möglichkeit, sich eine Folge von Ereignissen vorzustellen, die dazu führt, dass Dädalus und Ikarus von der Insel fortfliegen. Vorgelesen wurde: Da dachte Dädalus lange nach und schließlich sagte er: Wozu bin ich ein Erfinder? Mag Minos mir auch das Meer versperren, so bleibt mir doch noch der freie Himmelsraum. Minos ist Herrscher zu Land und zu Wasser, aber nicht Herrscher der Lüfte. Durch die Luft werde ich fliehen. Fortan studierte er genau den Flug der Vögel. Er schaute ihnen zu, wie sie ihre Flügel bewegten, wie sie flatterten, wenn sie losflogen. Er sammelte viele Vogelfedern, und er legte die Vogelfedern genau der Größe nach nebeneinander, wie sie an den Flügeln der Vögel gewachsen waren. Die Federstiele, die Kiele, die verknetete er; er knetete sie in Wachs von der Kerze, sodass sie festsaßen. Unten um die Federn webte er dünne Fäden, und alles schob er so zurecht, dass es wie ein gewachsener Flügel aussah. Er fand Schnallen und Gürtel, Bänder und Gestelle, um sich die Flügel anzupassen. Immer war Ikarus dabei, schaute seinem Vater zu, half. Dann

294

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

musste Dädalus die Flügel anprobieren, und er stellte sich auf einen kleinen Hügel und probierte, ob die Flügel ihn trugen. Und siehe da, sie trugen ihn. Er bewegte die Arme so, wie die Vögel schwingen, und er bemerkte, es ging. Da baute er noch ein kleineres Flügelpaar: für Ikarus. Schließlich war er fertig. Nun kam der große Augenblick: Fliegen hatten sie am kleinen Hügel geübt, aber nun mussten sie richtig weit fliegen. Dädalus sagte zu Ikarus: „Ikarus, schau mir genau zu, wie ich fliege, wie ich meine Arme bewege. Folge mir, mach es genau, wie ich es dir vormache. Sei vorsichtig, fliege nicht zu tief aufs Wasser, die Federn könnten ins Wasser tauchen und schwer werden, und du könntest versinken. Fliege auch nicht zu hoch, die Sonne oben ist heiß, das Wachs könnte schmelzen.“ Er legte seinem Sohn die Flügel an, band seine eigenen fest, umarmte seinen Sohn noch einmal, weinte. Dann stellten sie sich oben an den Klippenrand und ließen sich wie die Vögel in die Tiefe fallen, breiteten die Schwingen aus – und die Winde unten am Wasser trugen sie. Nachdem Annika die Sage gehört hat, schreibt sie in ihrer Erzählung, die das Gehörte konkretisiert (s. Anhang, S. 428): Da dachte Dädalus lange nach, als er fertig war, hatte er eine Idee. Er guckte den Vögeln so zu, dass er bald eine Ahnung hatte, wie sie mit ihren Flügeln fliegen. Er sammelte Vogelfedern und leimte sie zusammen, holte Gurte und spannte sie. Dann machte er kleinere Flügel noch für Ikarus. Er sagte ihm noch die wichtigsten Regeln, die man beim Fliegen beachten musste, es waren 1. Nicht zu nah am Wasser, die Federn würden einsacken und du würdest ertrinken. 2. Nicht zu nah nach oben, die Sonne könnte den Leim auflösen und du würdest nach unten in das Meer fallen. 3. Gucke immer auf mich, damit du siehst, wie ich die Flügel schwinge. So, das war es jetzt, jetzt konnten wir losfliegen (Annika S09d). Annika markiert den Zeitpunkt, an dem Dädalus nachdenkt, durch eine anaphorische Zeitangabe (Da), die die Vorstellung erzeugt, dass das Nachdenken während der Bewachung stattfindet. Durch eine absolute (unbestimmte) Zeitangabe wird die Dauer des Nachdenkens (lange) vorstellbar. Während die Darstellung der Ereignisfolge bis hierhin der der Sage entspricht, fasst Annika die folgenden Ereignisse mit einer ereignisrelationalen Zeitangabe zusammen (als er fertig war, hatte er eine Idee) und bringt den Zusammenhang zwischen Dädalus‘ Beobachtungen und seinen Schlussfolgerungen explizit in konsekutiver Relation zur Sprache (Er guckte den Vögeln so zu, dass er bald eine Ahnung hatte, wie sie mit ihren Flügeln fliegen). Auch die deiktische Zeitpunktangabe (bald) trägt dazu bei, Dädalus‘ sich anbahnendes Verständnis vom Fliegen als Folge von seiner Art, die Vögel anzugucken, zu verstehen. Mit relationalen Formen der Darstellung gelingt es Annika, sowohl die Fülle des Gehörten zusammenfassend zu verdichten, als auch ihrem Textverständnis Ausdruck zu verleihen. Mit einer anaphorischen Zeitangabe (dann) markiert Annika den Zeitpunkt, an dem Dädalus auch für Ikarus Flügel

9.1 Sage: Von Meisterschaft bis Sturz

295

baut. Indem sie die einzelnen Teile der Warnung nummeriert, kennzeichnet sie die Abfolge des Gesagten (1. … 2. … 3. …). Die letzte Warnung (die in der Sage zuerst genannt wird) formuliert Annika als konsekutive Relation, die die Funktion, beim Fliegen immer auf den Vater zu schauen, explizit zur Sprache bringt (Gucke immer auf mich, damit du siehst, wie ich die Flügel schwinge). Mit derselben deiktischen Zeitangabe (jetzt) markiert Annika das Ende der Warnung und den Zeitpunkt des Losfliegens (im letzten Satz, am Übergang von dargestellter Figurenrede und Erzählung, vermischen sich die Perspektiven: jetzt konnten wir losfliegen). Annika ist nicht die Einzige, die in ihrer Erzählung Ereignisse thematisiert, die dazu führen, dass Dädalus und Ikarus fliegen können.

100% Kausale Markierung

90% 80% 70%

Kausale und zeitliche Markierung

60% 50%

Zeitliche Markierung

40% 30% 20%

Nur räumliche Markierung

10% 0%

Suche bis Flug

Abb. 42: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge von Suche bis Flug einschreiben (Sage)

Knapp die Hälfte aller Kinder (48%) nutzt das Angebot der Sage, sich eine Ereignisfolge von der Suche nach einen Ausweg aus der Gefangenschaft bis zum Flug vorzustellen, und stellt Ereignisse aus diesem Abschnitt der Sage dar (vgl. Abb. 42; Beispiele s. Anhang, S. 414-416). Die meisten Kinder (38% der Gesamtgruppe) schreiben sich dabei in Sprachformen ein, die durch zeitliche Markierungen die Vorstellung einer Folge erzeugen, ein gutes Fünftel aller Kinder (22%) ausschließlich. Die anderen (16%) und zwei weitere Kinder (2%), also insgesamt ein knappes Fünftel aller Kinder (18%), stellen wie Annika (darüber hinaus) Kausalität dar, obwohl in dem Abschnitt der Sage eine Vorstellung der Ereignisfolge hauptsächlich durch zeitliche Markierungen unterstützt

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9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

wird und nur zweimal eine kausale Relation zwischen zwei Ereignissen explizit formuliert wird („er knetete sie in Wachs von der Kerze, sodass sie festsaßen“; „und alles schob er so zurecht, dass es wie ein gewachsener Flügel aussah“). Ein paar Kinder (8%) markieren die Ereignisfolge ausschließlich räumlich, indem sie die Vorstellung einer Abfolge durch den Wechsel der Figuren in einen anderen Raum nahelegen. In Korrespondenz zur dargestellten Ereignisfolge von der Suche nach einer Möglichkeit der Befreiung bis zum Flug über das Meer erproben etliche Schülerinnen und Schüler Sprachformen, die vermögen, eine Vorstellung der Ereignisfolge zu erzeugen. Dabei tritt nicht nur die Bedeutung der zeitlichen Markierungen in der Vorgabe für das Erproben von Sprachformen für die Ereignisfolge hervor, in den kausalen Markierungen der Kinder zeigt sich auch deutlich der Niederschlag ihres Textverständnisses. Die Sprachformen zeigen, dass die Kinder Vorstellungen von Zusammenhängen entwickelt haben, die die Sage nicht explizit zum Ausdruck bringt. Unabhängig davon, ob die Explikation von Zusammenhängen narrationstypisch ist oder nicht, schreiben sie sich dabei ein in ein elementares Muster, das Erzählungen, in denen die Ereignisse „nicht nur aufeinander, sondern auch auseinander folgen“ (Martínez/Scheffel 2012, S. 27) zugrunde liegt. Sprachformen für die Ereignisfolge zur Sage (insgesamt) Allein zu den bisher dargestellten drei zentralen Abschnitten aus der Ereignisfolge schreiben sich zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler (67%) in Sprachformen ein, die Lesenden ermöglichen, sich die dargestellten Ereignisse als Folge vorzustellen (vgl. Abb. 43). Fast alle diese Schülerinnen und Schüler (62% der Gesamtgruppe) erproben dabei zeitliche Markierungen und etliche (42% der Gesamtgruppe) bringen (auch) Sprachformen zu Papier, die Kausalität darstellen. Berücksichtigt man darüber hinaus Sprachformen für die Ereignisfolge, die die Schülerinnen und Schüler bei der Darstellung weiterer Ereignisse, von denen die Sage erzählt (wie z.B. das Leben auf der Insel Kreta, das den Palastbau und die Geburt des Sohnes einschließt, oder die Ereignisse, die während des Fluges zum Sturz und schließlich zu Dädalus' unglücklichem Leben als Baumeister führen), erproben, steigt der Anteil der Kinder, die sich in Sprachformen für die Ereignisfolge einschreiben (89%). Auch die Anteile der Kinder, die zeitliche Markierungen (74%) und kausale Markierungen (50%) erproben, steigen leicht an (44% erproben beide Formen). Die Möglichkeit, von den in der Sage dargestellten Ereignissen erzählen zu können, scheint demnach eine hohe Relevanz für das Sich-Einschreiben in Sprachformen für Ereignisfolgen zu haben. Außerdem bringen etliche Schülerinnen und Schüler in Variationen, die (auch) von anderen Ereignissen erzählen als die Sage (vgl. Kapitel 7.1), weitere Sprachformen für Ereignisfolgen zu Papier.

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100% Kausale Markierung

90% 80% 70%

Kausale und zeitliche Markierung

60% 50%

Zeitliche Markierung

40% 30% 20%

Nur räumliche Markierung

10% 0%

Meisterlehre bis Heimweh bis Flucht Gefangenschaft

Suche bis Flug

drei zentrale

Abb. 43: Anteil der Kinder (N=96), die sich zu drei zentralen Abschnitten in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben (Sage)

Insgesamt erproben alle Kinder mindestens eine Sprachform, die Lesenden ermöglicht, sich die dargestellten Ereignisse als Folge vorzustellen. Alle Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 thematisieren beim Schreiben zur Sage mehr als ein Ereignis, stellen mindestens einen Raumwechsel dar und erproben mindestens eine weitere Sprachform, die die Vorstellung einer Ereignisfolge befördert. Etwas mehr als ein Drittel der Kinder (37%) beschränkt sich dabei auf zeitliche Markierungen, einzelne (3%) auf kausale Markierungen und alle anderen (60%) bringen beide Formen zu Papier (vgl. Abb. 44). Die Möglichkeit, sich die Ereignisfolge der Sage vorzustellen, führt dazu, dass Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter vielfältige Sprachformen für Ereignisfolgen zu Papier bringen. Sie markieren nicht nur Zeitpunkte von Ereignissen, sondern auch Zeitspannen, die im Kontext der Sage vorstellbar werden, z.B. die Dauer des Palastbaus (Er baute viele Jahre am Palast, Diana S11d) oder des Nachdenkens (Da dachte Dädalus lange nach, Annika S09d), sowie Frequenz oder Geschwindigkeit von Ereignissen, z.B. die Frequenz von Dädalus‘ Glück nach dem Tod des Sohnes (Dädalus war nie mehr glücklich, Clifton S97m) oder die Geschwindigkeit, in der das Wachs schmilzt (Das Wachs schmolz so schnell, dass Ikarus nicht mehr um Hilfe schreien konnte, Emilia S07d). Fast alle Schülerinnen und Schüler (96%) erproben unterschiedliche absolute, deiktische, anaphorische oder ereignisrelationale zeitliche Markierungen und/oder kausale Markierungen der Ereignisfolge. Knapp die Hälfte aller Kinder (45%) erprobt

298

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

beim Schreiben zur Sage zeitliche Markierungen, die Ereignisse relational zueinander darstellen (v.a. durch die Konjunktionen „als“ und „bis“). Der Anteil der Kinder, die sich auf eine reihende Darstellung der Abfolge, die überwiegend durch „(und) dann“ gekennzeichnet ist, konzentrieren, ist dagegen sehr gering (7%). Zudem erproben alle diese Kinder zusätzlich andere zeitliche und/oder kausale Markierungen, die eine Vorstellung der Ereignisfolge erzeugen.

100% 90%

Kausale Markierung

80% 70% 60%

Kausale und zeitliche Markierung

50% 40% 30%

Zeitliche Markierung

20% 10% 0%

Sage

Abb. 44: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben (Sage)

Zum Zusammenhang von Rezeption und Produktion Auch die Betrachtung der Sprachformen für die Ereignisfolge bestätigt die Vermutung, dass Vorstellungsbildung und sprachliches Lernen beim Schreiben zur Sage miteinander verwoben sind. Die Analysen der Sprachformen geben Einblicke in Korrespondenzen zwischen den Sprachformen der Kinder und der in der Sage dargestellten Ereignisfolge, die daraufhin deuten, dass die Kinder die Möglichkeit, sich die in der Sage thematisierten Ereignisse als Folge vorzustellen, genutzt haben, um sich in narrative Muster für Ereignisfolgen einzuschreiben. Mehrere Beispiele zeigen, dass die Kinder eine Ereignisfolge auf andere Art und Weise sprachlich darstellen als die Sage. Andere Sprachformen geben eine Korrespondenz zu einem sprachformalen Muster zu erkennen, mit dem entweder derselbe oder aber ein anderer Abschnitt der Ereignisfolge in der Sage zum Ausdruck gebracht wurde, sodass in diesen Fällen (auch) die sprachlich

9.1 Sage: Von Meisterschaft bis Sturz

299

geformte Vorgabe als Fundus für die Erkundung, Erweiterung oder Verfestigung sprachformaler Muster dient. Bei der Betrachtung der Korrespondenzen zwischen Vorgabe und erprobten Sprachformen für die Ereignisfolge zeichnen sich dieselben Arten der Transformation ab wie bei der Betrachtung der Korrespondenzen zwischen Vorgabe und Sprachformen für vorgestellte Erfahrung. Da eine sprachlich geformte Vorgabe mit narrativem Gehalt sowohl einen Zugang zu einer Folge vorgestellter Ereignisse als auch zu sprachformalen Mustern eröffnet, beziehen sich Transformationsprozesse entweder -

(hauptsächlich) auf eine dargestellte Folge von Ereignissen, auf eine dargestellte Ereignisfolge und ein sprachformales Muster, das die Folge der Ereignisse explizit zum Ausdruck bringt, auf eine dargestellte Ereignisfolge und ein sprachformales Muster, das eine andere Folge von Ereignissen explizit zum Ausdruck bringt oder (hauptsächlich) auf ein sprachformales Muster.

Im ersten Fall wird eine in der Sage dargestellte Ereignisfolge in der Geschichte des Kindes sprachlich auf eine andere Art und Weise konkretisiert (bzw. erweitert oder variiert). Aus der Vorstellung, die das Kind entwickelt, entsteht eine Sprachform, die bei Lesenden die Vorstellung der Ereignisfolge (bzw. einer Erweiterung oder Variation der Ereignisfolge) mit (überwiegend) anderen Worten, anderen Formulierungen oder anderen Formen der Markierung zu erzeugen vermag. So ermöglicht die Sage z.B., sich einen Teil der Ereignisse, die zum Tod des Schülers führen, vorzustellen, indem sie die Ereignisse thematisiert, Raumwechsel angibt, einen Zeitpunkt mit einer absoluten Zeitangabe markiert und ereignisrelational konsekutive Zusammenhänge darstellt: „Dädalus hasste diesen Jungen so sehr, dass er ihn eines Abends oben von den Felsen der Burg in die Tiefe stürzte, sodass er tot war.“ Unterschiedliche Sprachformen der Kinder zeigen, dass sie eine Vorstellung von dieser Ereignisfolge entwickelt haben, die sie aber auf andere Art und Weise zum Ausdruck bringen als die vorgelesene Sage, und zwar durch: -

andere Worte: Das reicht Dädalus. Er schubste ihn von der Mauer. Nach diesem Mord… (Diana S11d); eine andere Art der Darstellung der Ereignisfolge (z.B. ohne Markierung oder durch andere zeitliche oder kausale Markierungen): Da wurde Dädalus eifersüchtig. Deswegen schubste Dädalus seinen Schüler von seinem Berg und er war tot (Samet S52m).

Die Transformation bezieht sich in diesen Fällen hauptsächlich auf die Vorstellung einer Ereignisfolge in inhaltlicher Perspektive.

300

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Wird eine in der Sage dargestellte Ereignisfolge auf dieselbe oder eine ähnliche Art und Weise konkretisiert (bzw. erweitert oder variiert), schlägt sich zusätzlich das sprachformale Muster, mit dem die Sage die Ereignisfolge darstellt, in der Sprachform des Kindes nieder. So wird z.B. eine Vorstellung derselben Ereignisfolge erzeugt -

durch das dasselbe sprachformale Muster, bzw. einen Teil der sprachformalen Muster, die die Vorgabe enthält: Dädalus war eifersüchtig {war}. Eines Abends ging er mit seinem Schüler {in} [auf] einen großen Berg. Dädalus hatte ihn runter geschubst. Der Schüler war tot (Farouk, DR06m); Dädalus wurde eifersüchtig und neidisch, so dass er eines Tages den Jungen von seinem hohen Berg schubste, so doll, dass er tot war (Lilja S12d).

Während Farouk die Angabe des Zeitpunktes, an dem Dädalus den Schüler von Berg stürzt, aus der Vorgabe übernimmt, schreibt sich Lilja ein in eine Sprachform, die Ereignisse relational zueinander darstellt, indem sie sie wie die Sage in einen konsekutiven Zusammenhang stellt. Die Untersuchung der Sprachformen hat auch gezeigt, dass eine in der Sage dargestellte Ereignisfolge vorstellbar werden kann -

durch ein anderes sprachformales Muster, das die Sage enthält: Dädalus wurde neidisch. Und als er mit dem Schüler am Abhang stand. Da schubste Dädalus seinen Schüler runter, den steilen Abhang runter, und der Junge war tot (Emma S04d).

Die Sage stellt dreimal Ereignisse in temporaler Relation zueinander dar, indem sie Gleichzeitigkeit mit der Konjunktion „als“ formuliert. Möglicherweise überträgt Emma hier diese Sprachform auf die Darstellung des Zeitpunktes, an dem Dädalus den Schüler vom Abhang schubst. Die Beispiele zeigen auch, dass unterschiedlichen Arten der Transformation in den Formulierungen der Kinder in unterschiedlichen Kombinationen vorkommen können. Eine weitere Art der Transformation bezieht sich vor allem auf den Formaspekt der Sprache. In Erweiterungen und Variationen kommt es vor, dass ein sprachformales Muster in die Darstellung einer Ereignisfolge Eingang findet, von der die Sage nicht erzählt. So wird die Vorstellung einer anderen Ereignisfolge erzeugt -

durch ein sprachformales Muster, das die Sage enthält: Dann kommt ein Hai und frisst ihn auf, sodass er kaum atmen konnte (Finnjan S76m).

Auffällig ist, dass beim Schreiben zur Sage, in der mehrfach Ereignisse in konsekutiver Relation durch „sodass“ bzw. „so … dass“ dargestellt werden, wesentlich mehr Kinder dieses Muster (z.T. mehrfach) zu Papier bringen als beim Schreiben zum Gemälde oder zu Figuren.

9.2 Gemälde: Von Weg und Ziel

301

Ob die Kinder bei der Transformation solcher Muster ihren Fundus an sprachlichen Mustern erweitern, festigen oder vernetzen, ob sie Neues lernen, sich an Ungewohntem versuchen, aus ihrem Repertoire schöpfen oder ihr Können entfalten, kann auch bei den erprobten Sprachformen für die Ereignisfolge zumeist nicht bestimmt werden. Einblicke in Aneignungsprozesse gewähren nur Sprachformen, die (z.T. minimal) abweichen von der formalen Richtigkeit. Wie bei den erprobten Sprachformen für vorgestellte Erfahrung dürfte aber auch bei den Sprachformen für Ereignisfolgen außer Zweifel stehen, dass alle Formen der Auseinandersetzung wertvolle Aspekte sprachlichen Lernens darstellen. Das Potenzial der Sage für das Sich-Einschreiben in Sprachformen für die Ereignisfolge ist als sehr hoch zu bezeichnen. Auch wenn der Umfang der Geschichten unterschiedlich groß ist, thematisieren alle Kinder, die die Sage gehört haben, eine Ereignisfolge. Die Kenntnis von Ereignissen, die aufeinander folgen, scheint die Formulierung von Ereignisfolgen zu befördern. Darüber hinaus erproben fast alle Kinder Sprachformen, die Lesenden ermöglichen, durch zeitliche Markierungen eine Vorstellung der Folge der Ereignisse zu gewinnen und auch der Anteil der Kinder, die beim Schreiben zur Sage Sprachformen erproben, die Ereignisse in kausaler Relation zueinander darstellen, ist auffällig hoch. In der expliziten Formulierung von Zusammenhängen scheint sich neben der Möglichkeit, aus dem Fundus dargestellter Relationen in der Sage zu schöpfen, (auch) das Textverständnis der Kinder niederzuschlagen. So finden Vorstellungen, die die Kinder sich von den Zusammenhängen zwischen Ereignissen machen, ihren Ausdruck in der eigenen Geschichte. Im Folgenden wird untersucht, welche Ereignisfolgen nach der Betrachtung eines Gemäldes und zu einer Figur aus Literatur und Medien dargestellt werden und auf welche Art und Weise die Kinder die Ereignisfolge hier zur Sprache bringen. Während die Analysen der Sprachformen, die im Kontext der Sage entstehen, deutlich zeigen, dass die Sprachformen nicht einfach imitiert werden, sondern einen gedanklichen Transformationsprozess durchlaufen, in dem die Vorstellungsbildung eine zentrale Rolle spielt, stellt sich für die Analysen zum Bild und zu den Figuren die Frage, ob auch hier ein Zusammenhang zwischen der Vorgabe und den Sprachformen erkennbar ist, obwohl entweder keine Ereignisfolge dargestellt wird oder keine zeitnah rezipierte sprachliche Vorgabe als Fundus für Adaption und Transformation zur Verfügung steht.

9.2 Gemälde: Von Weg und Ziel Obwohl das Bild nur einen Ausschnitt aus einer Ereignisfolge präsentiert, vermag es, die Vorstellung einer Ereignisfolge zu erzeugen. Fast alle Schülerinnen und Schüler (96%) aus Klasse 3 stellen beim Schreiben zum Gemälde eine Ereignisfolge dar. Die

302

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

meisten (82%) thematisieren (auch) das Ereignis, das das Bild zeigt. Aber auch wenn der dargestellte Moment nicht erzählt wird, sind Spuren des Gesehenen deutlich erkennbar. Geht es z.B. darum, dass Mann und Frau sich kennenlernen und zusammenziehen (vgl. Bolko G36d), werden dabei die dargestellte Beziehung der Figuren auf dem Schiff und die Stadt in der Ferne als Wohnort aufgegriffen. Im Mittelpunkt des Interesses steht, zu erkunden, welche Ereignisfolgen Kinder im Grundschulalter nach der Rezeption des Gemäldes erzählend zur Sprache bringen und in welche Sprachformen sie sich dabei einschreiben. Wie bei der Untersuchung von Sprachformen in den Geschichten zur Sage geht es darum, anhand der entstandenen Produkte Einblicke in Transformationsprozesse zu erlangen, um die Rolle der Vorstellungsbildung beim Schreiben besser zu verstehen und das didaktische Potenzial eines Bildes mit narrativem Gehalt am Beispiel des Gemäldes „Auf dem Segler“ von C.D. Friedrich für die Darstellung von Ereignisfolgen zu untersuchen. Indem Korrespondenzen zwischen dem auf dem Bild Dargestellten und den in den Geschichten thematisierten Ereignissen betrachtet werden, wird im Folgenden anhand dreier Beispiele vermittelt, inwiefern das auf dem Bild Dargestellte dazu beiträgt, dass die Kinder sich eine Ereignisfolge vorstellen können, und welche Sprachformen für die Ereignisfolge sie dabei erproben.

1) Sprachformen für die Vorstellung einer Ereignisfolge von Gefahr bis Rettung oder Verderben: Sie erschraken und sprangen Hand in Hand ins Wasser, um überleben zu können (Djannah G54m) In seiner ambivalenten Darstellung von Helligkeit und Dunkelheit, Sicherheit und Ungewissheit, Ruhe und Bewegung und indem es nur einen Ausschnitt zeigt, eröffnet das Bild die Möglichkeit, sich vorzustellen, dass die Figuren Gefahren durchlebt haben oder durchleben werden. Nachdem Djannah das Bild betrachtet hat (und die Formulierungen erster Gedanken ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler gehört hat, s. Anhang, S. 508 f.), schreibt sie (s. Anhang, S. 467): Auf dem Schiff ist ein Mann mit einer Frau. Der Mann und die Frau halten Händchen und schauen auf das blautönige Wasser. Plötzlich blitzte und donnerte es. Eine Flamme entstand vor ihnen. Sie erschraken und sprangen Hand in Hand ins Wasser, um überleben zu können. Sie schwammen so … … schnell sie konnten. Bis sie erschöpft auf einer Insel ankamen. Die Frau lag bewusstlos am Strand der Insel. Der Mann war traurig und dachte, dass die Frau tot ist. Er holte Hilfe. Sie wurde zu einem Mann gebracht. Der Mann war der Freund von dem anderen Mann. Er war Krankenarzt und versorgte ihn und er wohnte jetzt bei ihm. Auf der Insel suchten sie nach ein paar Tagen nach einem Schatz. Sie hatten nämlich eine Schatzkarte gefunden. Ob bei Regen, Blitz, Sonne, egal welches Wetter, sie … … suchten weiter. Als sie den Schatz endlich hatten, gingen sie

9.2 Gemälde: Von Weg und Ziel

303

nach Haus. Sie öffneten die Kiste und innen drinnen /waren/ Gold und Silber, Schmuck und vieles mehr, nur das Beste für die beiden waren die Tabletten. Sie gaben sie seiner Frau und sie erwachte wieder und so blieben sie für immer reich. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute (Djannah G54m). Aus der unbestimmten Darstellung des Wetters entwickelt Djannah die Vorstellung eines Unwetters, das über die beiden Figuren auf dem Schiff hineinbricht und eine Gefahr darstellt, weil ein Blitz das Schiff in Brand steckt. Djannah markiert den Zeitpunkt des Blitzeinschlags (plötzlich) als einen Wendepunkt, an dem die Figuren schnell eine Entscheidung treffen müssen. Indem sie den Sprung ins Wasser – einen Raumwechsel – in finaler Relation zur Möglichkeit zu überleben (um … zu) und die Dauer des Schwimmens in temporaler Relation zur Ankunft auf der Insel (bis) – einem weiteren Raumwechsel – darstellt, wird die Ereignisfolge vorstellbar. Mit der Ankunft auf der Insel ist die Gefahr allerdings noch nicht gebannt, denn die Frau ist bewusstlos. Dass der Mann Hilfe holt und sie zu einem befreundeten Arzt bringt, erscheint auch ohne zeitliche Markierung als logische Folge. Weniger gewöhnlich ist, dass ein Arzt Patienten bei sich wohnen lässt, vielleicht hebt Djannah aus diesem Grund den Zeitpunkt des Wohnens explizit hervor (jetzt). Mit einer Zeitangabe, die das Geschehen rafft, markiert Djannah im Folgenden den Zeitpunkt der Schatzsuche (nach ein paar Tagen). Indem sie diese in kausaler Relation zum Fund der Schatzkarte darstellt (nämlich), ermöglicht sie Lesenden, sich ein vorzeitiges Ereignis vorzustellen, dass in dem Zeitraum liegt, der übersprungen wurde. Die Aufzählung der unterschiedlichen Wetterverhältnisse impliziert, dass die Suche sich über einen längeren Zeitraum hinzieht (vermutlich mehrere Tage). Das Ende der Suche vermittelt sich durch die Darstellung der Gleichzeitigkeit vom Fund des Schatzes und der Rückkehr nach Hause, die zudem einen weiteren Raumwechsel beinhaltet (nach Haus). Mit einer Angabe zur Frequenz (wieder) verdeutlicht Djannah, dass die Frau durch den Schatz gerettet ist, und eine Zeitspanne (für immer) ermöglicht, sich die Dauer (und damit auch das Ausmaß) des Reichtums vorzustellen. In Korrespondenz zur Ambivalenz des Bildes bleibt in Djannahs Geschichte lange ungewiss, ob eine Rettung möglich ist. Wie die Stadt auf dem Gemälde für die Figuren zwar erreichbar, aber nicht deutlich sichtbar scheint, erreichen auch die Figuren in Djannahs Geschichte zwar die Insel, die Rettung der Frau aber bleibt lange in der Schwebe. So scheint ein konzeptioneller Aspekt des Bildes sich auch konzeptionell in Djannahs Geschichte niederzuschlagen. Djannah ist nicht die Einzige, die Ambivalenz und Deutungsoffenheit des Bildes nutzt, um eine Ereignisfolge zu entfalten, in der es um Gefahr und Rettung (oder Verderben) geht und in der sich die Ungewissheit sprachlich niederschlägt.

304

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

100% Kausale und zeitliche Markierung

90% 80% 70%

Zeitliche Markierung

60% 50%

Nur räumliche Markierung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Markierung

10% 0%

Gefahr bis Rettung oder Verderben

Abb. 45: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge von Gefahr bis Rettung oder Verderben einschreiben (Gemälde)

Mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (54%) schreibt sich in Sprachformen ein, die Lesenden ermöglichen, sich eine Ereignisfolge vorzustellen, in der die Figuren in Gefahr geraten und gerettet werden (bzw. sich selbst retten können) oder zugrunde gehen (vgl. Abb. 45, Beispiele s. Anhang, S. 416-418). Abgesehen von zwei Kindern markieren alle die Ereignisfolge. Fast alle (49% der Gesamtgruppe) erproben dabei Sprachformen, die durch zeitliche Markierungen eine Vorstellung der Abfolge erzeugen, etwa ein Drittel aller Kinder (30%) ausschließlich. Die meisten Kinder erweitern ihre Darstellung auch um räumliche Markierungen, drei (3%) ausschließlich. Ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler (19%) bringt darüber hinaus wie Djannah Sprachformen zu Papier, die die Folge der Ereignisse auch kausal markieren. Der Zugang, den das Bild für die Vorstellung einer Ereignisfolge, in der um Gefahr und Rettung oder Verderben geht, eröffnet, befördert bei einem großen Teil der Schülerinnen und Schüler das Erproben von Sprachformen, die die Ereignisfolge markieren. Bei mehreren Kindern findet die Ambivalenz des Bildes Eingang in die sprachliche Darstellung. Auch bei der Betrachtung aller Geschichten zeigt sich, dass die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 das auf dem Bild Dargestellte unterschiedlich deuten: Sehr viele Kinder thematisieren Gefahren, aber fast ebenso viele erzählen Geschichten, in denen die Fahrt friedlich verläuft bzw. keine Gefahr droht.

9.2 Gemälde: Von Weg und Ziel

305

2) Sprachformen für die Vorstellung einer Ereignisfolge, die sich an dem Ort in der Ferne abspielt: … und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage (Silvia G16m) Durch die Abbildung eines Raumes, auf den sich das Segelboot mit den beiden Figuren zubewegt, lädt das Bild dazu ein, sich vorzustellen, was sich dort ereignet. Nach der Betrachtung des Bildes und dem Austausch der Formulierungen, schreibt Silvia am Ende ihrer Geschichte (s. Anhang, S. 457): … und als sie dort [an]kamen, {dann} schauten sie sich die Stadt an und dann suchten sie sich ein Zuhause und sie fanden {sie} ein Zuhause und sie lebten glücklich bis an[s] Ende ihrer Tage (Silvia G16m). Silvia entwickelt die Vorstellung, dass die beiden Reisenden in der fernen Stadt ein neues Zuhause finden. Die Besichtigung der Stadt stellt sie in Relation zum Zeitpunkt der Ankunft dar. Zusätzlich kennzeichnet sie die Nachzeitigkeit der Besichtigung (dann), was grammatisch zwar nicht der Norm entspricht, wohl aber der logischen Abfolge der Ereignisse. An dieser Sprachform wird ein Prozess der Annäherung – hier: eines mehrsprachigen Kindes – an die sprachliche Norm deutlich, der ein Anstoß für explizite Lehre sein kann. Mit der Angabe eines Zeitpunktes kennzeichnet Silvia (wiederum) anaphorisch, dass die Suche eines Zuhauses nach der Besichtigung der Stadt stattfindet (dann). Dass das Finden auf das Suchen folgt, entspricht unseren konzeptuellen Deutungsmustern, sodass auch ohne Markierung die Vorstellung von Nachzeitigkeit entsteht. Indem Silvia das glückliche Leben in Relation zu dem Zeitpunkt des Lebensendes darstellt, entsteht (in Korrespondenz zum geschätzten Lebensalter der abgebildeten Figuren) die Vorstellung einer langen Zeitspanne, die der Mann und die Frau in der Stadt verbringen. Silvia ist nicht die Einzige, die das Angebot des Bildes, sich Ereignisse an dem Ort in der Ferne vorzustellen, nutzt, um eine Folge von Ereignissen darzustellen und dabei Sprachformen zu erproben, die Lesenden ermöglichen, sich diese Folge vorzustellen. Die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (52%) thematisiert in ihrer Geschichte Ereignisse, die sich an dem Ort in der Ferne abspielen (s. Abb. 46, Beispiele s. Anhang, S. 418-421). Die meisten Kinder deuten dabei die abgebildeten Gebäude wie Silvia als Stadt, einige stellen sich die Ankunft der beiden Menschen auf einer Insel oder an Land vor. Es gibt Geschichten, die (fast) ausschließlich an diesem Ort spielen und andere, in denen die Figuren sich nur kurz in der Stadt aufhalten. Abgesehen von vier Kindern markieren alle die Ereignisfolge. Die meisten (43% der Gesamtgruppe) bringen Zeitangaben zu Papier. Viele erweitern ihre Darstellung zudem um Raumangaben, die die Vorstellung einer Ereignisfolge befördern, vier Kinder (4%) ausschließlich. Knapp ein Fünftel aller Kinder (18%) erprobt darüber hinaus Sprachformen, die Ereignisse in kausaler Relation zueinander darstellen (ein Kind, ohne dass es auch Zeitangaben erprobt).

306

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

100% Kausale Markierung

90% 80%

Kausale und zeitliche Markierung

70% 60%

Zeitliche Markierung

50% 40%

Nur räumliche Markierung

30% 20%

Thematisierung ohne Markierung

10% 0%

Ferner Ort

Abb. 46: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für eine Ereignisfolge an einem fernen Ort einschreiben (Gemälde)

Die Betrachtung des Gemäldes, das die Vorstellung von Ereignissen an einem fernen Ort ermöglicht, regt viele Schülerinnen und Schüler dazu an, Ereignisse zu thematisieren, die an diesem Ort stattfinden, und ihre Abfolge sprachlich zu markieren. Deutlich wird, dass auch der Darstellung von Räumen, die einen Raumwechsel der Figuren nahelegen, narratives Potenzial innewohnt, das Kinder im Grundschulalter nutzen, um sich eine Ereignisfolge vorzustellen und Sprachformen zu erproben, die Lesenden ermöglichen, sich die dargestellten Ereignisse als Folge vorzustellen. Bei der Auswahl von Bildern zum Erzählen scheint es also lohnend, die Darstellung von Räumen in didaktische Überlegungen miteinzubeziehen. 3) Sprachformen für die Vorstellung von der Dauer der Segelfahrt: Sie warten schon drei Jahre und endlich sind sie bald da (Anisha G95m) Indem das Bild den Moment einer Segelfahrt und ein mögliches Ziel im Hintergrund darstellt, lädt es dazu ein, sich die Dauer der Fahrt zwischen Abfahrt und Ankunft vorzustellen. Da Zeit und Raum aneinandergebunden sind, vermag die Darstellung des Ausschnitts, die nahe legt, sich das Meer unendlich weit vorzustellen, die Vorstellung einer langen (Reise-) Zeit zu erzeugen. Auch das weit entfernte Panorama der Stadt ermöglicht eine Vorstellung von der Dauer der Fahrt vom dargestellten Moment bis zur Ankunft am Festland. In ihrer Geschichte zum Bild (s. Anhang, S. 475) thematisiert

9.2 Gemälde: Von Weg und Ziel

307

Anisha sowohl die Dauer der Fahrt, die hinter den beiden Figuren liegt, als auch die Dauer der Fahrt, die bis zur Ankunft noch vor ihnen liegt: Sie wollen nach Bethlehem zu ihren Söhnen. Sie warten schon drei Jahre und endlich sind sie bald da (Anisha G95m). Die explizite Angabe einer Zeitspanne erzeugt eine genaue Vorstellung davon, wie lange der Mann und die Frau unterwegs sind (schon drei Jahre). Im Gegensatz zu diesem langen Zeitraum liegt die Ankunft in naher Zukunft (bald). Eine weitere Zeitangabe verdeutlicht, wie sehr die beiden Menschen den Moment der Ankunft herbeisehen. Anisha ist nicht die einzige, die Lesenden ermöglicht, eine Vorstellung von der Dauer der Segelfahrt zu gewinnen.

100% 90%

Zeitliche Markierung

80% 70% 60%

Nur räumliche Markierung

50% 40% 30% 20%

Thematisierung ohne Markierung

10% 0%

Dauer der Fahrt

Abb. 47: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für die Dauer der Segelfahrt einschreiben (Gemälde)

Etwas weniger als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler (45%) thematisiert, wie lange die Fahrt mit dem Segler dauert (s. Abb. 47, Beispiele s. Anhang, S. 421 f.). Ein Drittel aller Kinder (33%) vermittelt dies – wie Anisha – explizit durch Zeitangaben. Auch wenn die Vorstellungen über die Dauer der Fahrt sehr unterschiedlich sind, werden dabei entweder Sprachformen erprobt, die eine Zeitspanne angeben, oder solche, die über die Angabe von Zeitpunkten, die Vorstellung einer dazwischenliegenden Zeitspanne erzeugen. Einzelne Kinder (5%) erproben (auch) Zeitangaben, die die Dauer der

308

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Fahrt ereignisrelational zum Ausdruck bringen: z.B. Sie fahren, bis sie gestorben sind (Antonia G88d). Einige Kinder (12%) machen in ihren Geschichten keine Zeitangaben, sondern ermöglichen Lesenden, eine ungefähre Vorstellung über die Dauer der Fahrt zu gewinnen, indem sie ausschließlich Ereignisse thematisieren (4%), die auf der Fahrt passieren, oder durch Raumwechsel (8%) angeben, welche Distanz zurückgelegt wird: z.B. Sie transportierten Waren von Norwegen nach England (Marko G43d). Die Möglichkeit, bei der Betrachtung des Bildes eine Vorstellung von der Dauer der Segelfahrt zu entwickeln, regt viele Kinder dazu an, Sprachformen zu erproben, die die Vorstellung eines Zeitraums erzeugen. Vor allem wird die Dauer der Fahrt durch Angaben von Zeitspannen zum Ausdruck gebracht. Diese Form der Zeitangabe kommt insgesamt bei allen drei Vorgaben deutlich seltener in den Geschichten der Schülerinnen und Schüler vor als Angaben zu Zeitpunkten. Das deutet darauf hin, dass das Bild durch die Darstellung einer Segelfahrt ein Erproben weniger geläufiger narrativer Muster für die Darstellung einer Ereignisfolge befördert. Es scheint also auch lohnend, die Darstellung von Bewegung bzw. eines Weges, den Figuren zurücklegen, bei der Auswahl von Bildern zum Erzählen in didaktische Überlegungen miteinzubeziehen. Sprachformen für die Ereignisfolge zum Gemälde (insgesamt) Die Analysen zeigen, dass Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter auch das Gemälde „Auf dem Segler“ von C.D. Friedrich als Zugang Darstellung einer Ereignisfolge nutzen. Allein zu den bisher dargestellten drei Aspekten des Bildes schreiben sich mehr als drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler (82%) in Sprachformen ein, die Lesenden ermöglichen, sich die dargestellten Ereignisse als Folge vorzustellen (vgl. Abb. 48). Fast alle diese Schülerinnen und Schüler (75% der Gesamtgruppe) erproben dabei Zeitangaben und mehr als ein Drittel davon (30% der Gesamtgruppe) auch kausale Angaben. Berücksichtigt man darüber hinaus weitere Sprachformen für die Ereignisfolge, die die Schülerinnen und Schüler beim Schreiben zum Bild erproben, steigt der Anteil der Kinder, die sich in Sprachformen einschreiben, die Lesenden ermöglichen, sich die dargestellten Ereignisse als Folge vorzustellen: Fast alle Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 thematisieren mehr als ein Ereignis (96%), stellen mindestens einen Raumwechsel dar (89%) und erproben mindestens eine weitere Sprachform, die die Vorstellung einer Ereignisfolge befördert (92%). Fast die Hälfte der Kinder (44%) beschränkt sich dabei auf Zeitangaben, einzelne (2%) auf kausale Angaben und alle anderen (46%) bringen beide Formen zu Papier (vgl. Abb. 49).

9.2 Gemälde: Von Weg und Ziel

309

100%

Kausale Markierung

90% 80%

Kausale und zeitliche Markierung

70% 60%

Zeitliche Markierung

50% 40%

Nur räumliche Markierung

30% 20%

Thematisierung ohne Markierung

10% 0%

Gefahr bis Rettung oder Verderben

Ferner Ort

Dauer der Fahrt

drei zentrale

Abb. 48: Anteil der Kinder (N=96), die sich zu drei zentralen Aspekten in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben (Gemälde)

100%

Kausale Markierung

90%

70%

Kausale und zeitliche Markierung

60%

Zeitliche Markierung

80%

50%

Nur räumliche Markierung

40% 30%

Thematisierung ohne Markierung

20% Keine Ereignisfolge

10% 0%

Gemälde

Abb. 49: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für die Ereignisfolge einschreiben (Gemälde)

310

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Die Beispiele zeigen, dass auch die Möglichkeit, sich zu einem Bild die Ereignisfolge einer Geschichte vorzustellen, dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter unterschiedliche Sprachformen für Ereignisfolgen erproben. Die Schülerinnen und Schüler markieren nicht nur Zeitpunkte von Ereignissen, sondern, z.B. in Korrespondenz zur dargestellten Segelfahrt, auch Zeitspannen. Die meisten Schülerinnen und Schüler (83%) bringen beim Schreiben zum Gemälde unterschiedliche absolute, deiktische, anaphorische oder ereignisrelationale Zeitangaben und/oder kausale Angaben zu Papier. Etwas mehr als ein Drittel aller Kinder (38%) erprobt beim Schreiben zum Gemälde zeitliche Markierungen, die Ereignisse relational zueinander darstellen (v.a. durch die Konjunktionen „als“ und „bis“). Der Anteil der Kinder, die sich auf eine reihende Darstellung der Abfolge, die überwiegend durch „(und) dann“ (bzw. „da“) gekennzeichnet ist, konzentrieren, ist beim Schreiben zum Gemälde ebenso gering (6%) wie beim Schreiben zur Sage. Abgesehen von einer Ausnahme handelt es sich dabei um andere Kinder als beim Schreiben zur Sage und auch hier erproben alle diese Kinder (bis auf eine Ausnahme) zusätzlich andere Zeitangaben und/oder kausale Angaben, die eine Vorstellung der Ereignisfolge erzeugen. Zum Zusammenhang von Rezeption und Produktion Auch die Betrachtung der Sprachformen für die Ereignisfolge zum Gemälde bestätigt die Vermutung, dass Vorstellungsbildung und sprachliches Lernen miteinander verwoben sind. Die Analysen zeigen, dass die Betrachtung des Bildes (und das Vorlesen der ersten Formulierungen der Schülerinnen und Schüler) die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 in hohem Maße dazu angeregt hat, sich mit dem Dargestellten gedanklich auseinanderzusetzen, den dargestellten Moment um vorangegangene und folgende Ereignisse zu erweitern und ihre Vorstellungen erzählend zur Sprache zu bringen. Die Kinder thematisieren Ereignisfolgen, die das Bild zwar nicht zeigt, die aber aufgrund der Darstellung möglich erscheinen. Die Analysen der Sprachformen, die beim Erzählen zum Gemälde zu Papier gebracht werden, zeigen deutlich erkennbare Zusammenhänge zwischen den Sprachformen der Kinder und dem auf dem Bild dargestellten Ereignis. Das deutet darauf hin, dass die Kinder die Möglichkeit, sich das auf dem Bild Dargestellte als Teil einer Storyworld vorzustellen, in der Ereignisse aufeinander folgen, genutzt haben, um sich in narrative Muster für Ereignisfolgen einzuschreiben. Obwohl das Bild keinen sprachlichen Fundus zur Verfügung stellt, erproben fast alle Kinder Sprachformen, die Lesenden ermöglichen, durch Zeitangaben eine Vorstellung der Folge der Ereignisse zu gewinnen und auch der Anteil der Kinder, die Sprachformen erproben, die Ereignisse in kausaler Relation zueinander darstellen, ist recht hoch. Auch beim Schreiben zum Bild finden also Vorstellungen, die die Kinder sich von den

9.3 Figuren: Von Verwandlung und Befreiung

311

Zusammenhängen zwischen Ereignissen machen, ihren Ausdruck in der eigenen Geschichte. Bemerkenswert ist, dass die Ambivalenz des Bildes, also ein konzeptioneller Aspekt des Gemäldes, bei einigen Kindern Eingang in die sprachliche Darstellung findet. Darüber hinaus scheint die Darstellung einer Bewegung im Raum das Erproben zeitsprachlicher Formen für Zeiträume zu befördert. Da das Gemälde als Vorgabe mit narrativem Gehalt keinen Zugang zu sprachformalen Mustern eröffnet, wohl aber zu einem Ereignis, beziehen sich erkennbare Transformationsprozesse nur auf das dargestellte Ereignis (und möglicherweise auch sprachformale Muster, zu denen die Kinder durch das Vorlesen der ersten Formulierungen Zugang haben). Die Kinder sind also bei der Vorstellung einer Storyworld und beim Formulieren der Geschichte auch im Hinblick auf die Darstellung einer Ereignisfolge in höherem Maße als bei der Sage auf ihren Geschichtenfundus angewiesen. Wie bei der Betrachtung der Sprachformen für vorgestellte Erfahrung lassen einzelne Beispiele erahnen, dass der Niederschlag vorheriger Rezeption von Geschichten auf die Geschichten zum Gemälde groß ist, er lässt sich aber in den meisten Fällen nicht nachvollziehen.

9.3 Figuren: Von Verwandlung und Befreiung Beim Schreiben zu Figuren thematisieren die Schülerinnen und Schüler so viele unterschiedliche Ereignisfolgen, dass eine quantitative Auswertung von Sprachformen zu einzelnen Abschnitten nicht sinnvoll erscheint. Wie viele Kinder jeweils eine bestimmte Art von Sprachform erproben, wird deshalb am Ende insgesamt betrachtet. Die Beispiele gewähren Einblick in unterschiedliche Formen der Darstellung -

derselben Ereignisfolge zu einer Figur, ähnlicher Ereignisfolgen zu verschiedenen Figuren, unterschiedlicher Ereignisfolgen zu verschiedenen Figuren.

1) Sprachformen für die Ereignisfolge, die zur Verwandlung führt: Es war einmal ein Junge, er hieß Peter Parker, ein normaler Junge, bis er einen Schulausflug hatte (Niklas F75d) Der Geschichte von Spiderman liegt eine Ereignisfolge zugrunde, auf die sich alle Versionen oder Fortsetzungen der Geschichte beziehen: die Verwandlung eines Jungen in einen Superhelden durch einen Spinnenbiss. Mehrere Kinder, die (offensichtlich) z.T. unterschiedliche Versionen der Geschichte von Spiderman rezipiert haben, erzählen von den Ereignissen, die dazu führen, dass Peter Parker sich in Spiderman verwandelt. In Fabians Geschichte, in der deutliche Korrespondenzen zu dem Film „The amazing

312

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Spiderman“ (2012) erkennbar sind, nimmt diese Ereignisfolge einen großen Raum ein (s. Anhang, S. 493): Da klingelte es an der Tür. Ein Mann stand vor der Tür. Hallo, ich bin Doc Ock und wollte fragen, ob Peter auch einmal Doktor werden will. Ok, sagte Peter. Dann komm mit. Zwei Minuten später steht Peter in einem Raum mit Spinnen. Er zieht an einem Faden und es regnet Spinnen. Er wischt sie vom Leib. Eine Spinne bleibt an seinem Hals und beißt ihm in den Hals. Er geht raus und bemerkt es nicht. 2 Stunden später. Peter ist wieder zu Hause. Er will skaten. Er geht in die große Halle. Da bemerkt er, dass er richtig gute Stunts machen kann. Abends sitzt er vorm Computer und guckt, warum er so gute Stunts machen kann. Da findet er eine Information. Spider-Man, wer will werden. Da legt er sich ins Bett. Biep, Biep. Oh, man. Krack. Hä, sagte Peter, mein Wecker ist kaputt. Ich muss mir einen neuen Wecker kaufen. Ich gehe erst einmal nach unten essen. Hallo, Peter, sagte seine Tante, komm, wir essen erstmal. Nach dem Essen ging Peter wieder nach oben, um weiter zu gucken. War da nicht gerade noch eine Spinne? Ja, da war eine. Währenddessen im Büro von Doc Ock. Er hatte nur einen Arm, da hat er sich eine Spritze gegeben und wurde zu einem Monster. Er wütete in der Stadt rum. Da wurde Peter aktiv. Er zog sich um und wurde zu SPIDER-Man (Fabian F47d). Nachdem Fabian vom Tod der Eltern und Peter Parkers Einzug in das Haus seiner Tante und seines Onkels erzählt hat, markiert er mit einer anaphorischen Zeitangabe (da), die sich auf den Zeitraum des Abendessens bezieht, den Zeitpunkt, an dem es an der Tür klingelt und Peter vor die Entscheidung gestellt wird, ob er einmal Wissenschaftler werden will. Es stellt sich heraus, dass Peter zu diesem Zeitpunkt eine folgenschwere Entscheidung (im Sinne einer „temporal juncture“, vgl. Herman 2009, S. 18) trifft, da seine Zustimmung dazu führt, dass er in einen Raum geht, in dem er von einer Spinne gebissen wird. Indem Fabian eine konditionale Relation zwischen der Entscheidung, Doktor werden zu wollen, und dem Mitkommen formuliert (im Sinne einer wenn-dann Relation, deren erster Teil durch Frage und Antwort realisiert ist: Wenn du Doktor werden willst, dann komm‘ mit), bringt er die Folge explizit zum Ausdruck. Durch eine präzise Zeitangabe (2 Minuten später) wird vorstellbar, wie lange es dauert, um in den Raum zu gelangen und der Zeitpunkt markiert, an dem das Ereignis stattfindet, das Peters Leben grundlegend verändert. Während die Ereignisse in dem Raum ohne Markierung in logischer Abfolge thematisiert werden, wird nach dem Biss die Vorstellung einer Folge durch zwei weitere Raumwechsel (Er geht raus, zu Hause) erzeugt und eine Zeitangabe, die die Zeitspanne, die bis zu dem Zeitpunkt vergeht, an dem Peter wieder zu Hause ist und beschließt, skaten zu gehen, präzise bestimmt (2 Stunden später). Eine Reihe von Angaben zu Raumwechseln (in die große Halle – vorm Computer – ins Bett – nach unten – nach oben) und Zeitpunkten (abends, da, erst einmal, gerade) trägt dazu bei, sich die Ereignisse, die dazu führen, dass Peter Veränderungen an sich bemerkt

9.3 Figuren: Von Verwandlung und Befreiung

313

und Nachforschungen anstellt, als Folge vorzustellen. Das Klingeln des Weckers impliziert zudem einen Zeitsprung, der den Zeitraum einer Nacht umfasst. Eine anaphorische Zeitangabe, die kennzeichnet, dass das Folgende sich im gleichen Zeitraum wie das zuvor Dargestellte ereignet (währenddessen) und ein Raumwechsel (im Büro von Doc Ock) markieren einen parallelen Handlungsstrang, der von einer anderen Figur erzählt. Diese Form der Darstellung erinnert an einen Schnitt im Film, der einen Szenenwechsel erzeugt. Eine anaphorische Zeitangabe, die sich auf den Zeitraum bezieht, in dem Doc Ock in der Stadt wütet, markiert den Zeitpunkt, an dem Peter aktiv wird und sich zum ersten Mal in Spiderman verwandelt. Die Sprachformen, die Fabian zu Papier bringt, deuten darauf hin, dass die Rezeption des Films ihm ermöglicht hat, eine differenzierte Vorstellung der Ereignisfolge zu entwickeln, die sich in seiner Geschichte in der Thematisierung etlicher Ereignisse, zahlreicher Raum- und Zeitangaben sowie zwei kausalen Angaben niederschlägt. Insbesondere die Sprachform, mit der Fabian einen parallelen Handlungsstrang darstellt (währenddessen), gibt Einblick in das Potenzial, das die Rezeption von Filmen für Sprachbildung birgt. So ausführlich wie Fabian stellt kein anderes Kind die Ereignisse dar, die zu Peters Verwandlung in Spiderman führen, aber alle Schülerinnen und Schüler, die diese Ereignisfolge thematisieren, markieren sie dabei entweder zeitlich oder kausal: -

-

-

-

Es war einmal ein Junge, er wurde von einer Spinne gebissen. Dann hat er „Ahr“ geschrien. Erst dann wurde er Spiderman (Ken F101m); Eines Tages wurde er in einem Labor von einer radioaktiven Spinne gebissen. Und verwandelte sich in Spider-Man (Lars F06d); Es war einmal ein Junge, innerhalb von 18 war er alt. Er hatte einen Schulausflug in einem Spinnenmuseum. Er hatte sich die Spinnen angeguckt und Spinnen sind auf ihn gefallen. Eine Spinne hat ihn gebissen {worden}. Er ist nach Hause gefahren mit seinem Skateboard. Er ist eingeschlafen. Zzzzzzzzz. Es war morgens. Er ist aufgewacht. Er guckt sich im Spiegel an. Er braucht keine Brille mehr. Er hatte Muskeln gekriegt (Munira F89m); Spiderman war ein normaler Mensch. Als eine Spinne ihn biss, hatte er eine Rüstung und war dann ein Superheld namens Amazing Spiderman und kämpft gegen Bösewichte (Kabelo F87m); Es war einmal ein Junge, er hieß Peter Parker, ein normaler Junge, bis er einen Schulausflug hatte. Dann wurde er von einer Spinne gebissen und dann wurde er zu Spiderman (Niklas F75d); … und Peter Parker ist Spider-Man geworden, weil eine Spinne ihn gebissen hat, deswegen kann er auch Spinnennetze machen wie eine echte Spinne (Samet F52m).

314

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Während Ken die Reihenfolge der Ereignisse, die zur Verwandlung führen, kennzeichnet (dann), markiert Lars den Zeitpunkt, an dem Biss und Verwandlung stattfinden (Eines Tages). Munira dagegen erprobt (neben Angaben zu Raumwechseln und einer Zeitpunktangabe) eine Sprachform, die auf außergewöhnliche Weise den Zeitraum der Nacht darstellt, in der sich Peter in Spiderman verwandelt (Zzzzzzzzz). Indem sie den Buchstaben „Z“ mehrfach wiederholt, vermittelt sie nicht nur durch die lautmalerische Darstellung des Geräuschs, das Peter beim Schlafen macht, die Vorstellung, dass Zeit vergeht, sondern stellt den Zeitraum auch durch die Ausdehnung der Zeichen auf dem Papier dar. Kabelo und Niklas erproben (neben Angaben zur Reihenfolge) Sprachformen, die eine temporale Relation zwischen zwei Ereignissen zum Ausdruck bringen. Kabelo hebt dabei durch die Darstellung von Gleichzeitigkeit (Als) den Zusammenhang zwischen Spinnenbiss und außergewöhnlichen Fähigkeiten hervor. Niklas markiert durch die Formulierung einer zeitlichen Grenze (bis) den entscheidenden Wendepunkt in Peters Leben. Indem Samet mit dem Spinnenbiss sowohl die Verwandlung als auch die außergewöhnlichen Fähigkeiten begründet, formuliert er einen kausalen Zusammenhang zwischen drei Ereignissen und erprobt dabei die Verknüpfung zweier Ereignisse durch eine kausale Konjunktion (weil) und ein konsekutives Konjunktionaladverb (deswegen). Die Beispiele zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler bei der Darstellung der Ereignisse, die zur Verwandlung führen, unterschiedliche Sprachformen für die Ereignisfolge erproben. Der (im Film) dargestellte Zusammenhang zwischen Spinnenbiss und Verwandlung schlägt sich nieder in den Sprachformen, die die Kinder beim Schreiben zu Spiderman erproben. Die Vorstellungsbildung ist hier also maßgeblich beteiligt am sprachlichen Ausdruck. 2) Sprachformen für Ereignisfolgen, die zur Befreiung führen: Nach einer halben Stunde fällt ihm etwas ein (Marko F43d) In mehreren Geschichten zu unterschiedlichen Figuren wird erzählt, wie die Hauptfigur sich aus einer Gefangenschaft befreit (bzw. befreit wird). Dabei erproben die Schülerinnen und Schüler hauptsächlich Sprachformen, die die Vorstellung einer Abfolge der Ereignisse (über das Thematisieren hinaus) durch zeitliche oder räumliche Markierungen ermöglichen: In der Zelle denkt Räuber Hotzenplotz darüber nach, wie er aus dem Gefängnis kommt. Nach einer halben Stunde fällt ihm etwas ein. Er könnte doch in der Nacht die Gitterfenster raushebeln. Aber wie, er hat ja kein Brecheisen. Zufällig hat ein Gefangener ein Brecheisen unters Bett getan. In der Nacht sagte Räuber Hotzenplotz: „Ha ha ha, jetzt ist die Zeit gekommen, wo ich ausbrechen werde.“

9.3 Figuren: Von Verwandlung und Befreiung

315

Nach 20 Minuten hatte er das Gitter raus gehebelt. Er kletterte aus dem Fenster, dann rannte er zum grasbewachsenen Hügel (Marko F43d). Marko markiert den Zeitpunkt, an dem Hotzenplotz einfällt, wie er sich befreien kann, mit einer präzisen Zeitraumangabe, die die vorherige Dauer des Nachdenkens vermittelt und das Geschehen gerafft darstellt (Nach einer halben Stunde). Die folgende Zeitangabe bezieht sich auf einen Zeitpunkt, der in der Zukunft liegt (in der Nacht), sodass vorstellbar wird, wann Hotzenplotz seinen Plan in die Tat umsetzen will. Mit derselben Zeitangabe und einer weiteren Hervorhebung in der wörtlichen Rede (jetzt ist die Zeit gekommen), markiert Marko den Zeitpunkt, an dem Hotzenplotz tatsächlich ausbricht. Vorstellbar wird, wie lange er braucht, bis er das Gitter entfernt hat (nach 20 Minuten). Der Weg in die Freiheit vermittelt sich über Angaben zu Raumwechseln (aus dem Fenster – zum grasbewachsenen Hügel). Nun war Arielle eingesperrt. Plötzlich ging ein Licht an und eine alte Frau kam in den Raum, sie betrachtete die kleine Meerjungfrau, sie sagte, dich lasse ich erstmal hier. Zuhause auf der Burg herrschte Aufregung, alle suchten nach Arielle. Inzwischen kriegte Arielle Wasser und Brot, aber als die Meereshexe wegging, ließ sie aus Versehen die Tür auf und Arielle schoss an den beiden Seemonstern vorbei und gelangte ins Freie, schnell schoss sie nach Hause (Emma F04d). Nachdem Emma erzählt hat, wie Arielle in Gefangenschaft gerät, markiert sie den Zeitpunkt, an dem die Tür zum ersten Mal geöffnet wird (plötzlich). Das Vorhaben der alten Frau, Arielle erstmal in dem Raum zu lassen, erzeugt die Vorstellung, dass sie sie später woanders hinbringen wird, also weitere Ereignisse folgen. Wie Fabian in seiner Geschichte zu Spiderman formuliert auch Emma einen parallelen Handlungsstrang, bei dem der Szenenwechsel durch eine Raumangabe (Zuhause auf der Burg) und eine Zeitraumangabe, die Gleichzeitigkeit ausdrückt (Inzwischen) markiert ist. Dieser Szenenwechsel gewährt Einblick in die aufgeregte Suche nach Arielle, die der Sorge um ein geliebtes Familienmitglied entspringt. Die Ereignisse, die dazu führen, dass Arielle ins Freie gelangt, stellt Emma in Relation zueinander dar, indem sie ihre Gleichzeitigkeit formuliert und den Grund für das Auflassen der Tür einflechtet (als die Meereshexe wegging, ließ sie aus Versehen ihre Tür auf). Durch die Angabe dicht aufeinanderfolgender Raumwechsel (an den beiden Seemonstern vorbei – ins Freie – nach Hause), einer expliziten (schnell) und einer impliziten (schoss) Zeitangabe wird die Geschwindigkeit, mit der sich Arielle befreit, vorstellbar. Auch in Emmas Geschichte scheinen sich Formen des visuellen Erzählens im Film in Sprachformen niederzuschlagen, die die Vorstellung einer Ereignisfolge erzeugen. Plötzlich kam ein Auto, das waren die Menschen, die im Zoo gearbeitet haben. Sie nahmen Simba mit. Sie steckten Simba in eine Kiste. Da kam der Vater wieder. Da sagte er: „Simba, ich bin wieder zurück“, aber Simba war nicht da. Er sah das

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9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Auto. Simba schrie: „Papa, Papa.“ Der Vater rannte so schnell, wie er nur konnte, dem Auto hinterher. Aber er hat es nicht geschafft. Schon nach kurzer Zeit fiel die Kiste, wo Simba drin war, ins Wasser. Die Menschen {haben} [sind] zu dolle abgebogen. Dass Simba sogar ins Wasser fiel. Er schwamm und schwamm (Jelena F71m). Jelena erzählt von einem Befreiungsversuch, der misslingt, auf den aber eine unbeabsichtigte Befreiung folgt. Ein Raumwechsel (dem Auto hinterher) verdeutlicht, dass der Befreiungsversuch des Vaters auf den Schrei von Simba folgt, bei dem der Vater sich noch an dem Ort befindet, an dem Simba gefangen genommen wurde. Eine Zeitangabe markiert den Zeitpunkt, an dem Simba in der Kiste ins Wasser fällt, indem sie den Zeitraum angibt, der seit dem missglückten Rettungsversuch des Vaters vergangen ist. Danach versucht sich Jelena an der Formulierung einer konsekutiven Relation zwischen der Heftigkeit des Abbiegens und dem Sturz der Kiste ins Wasser, die ermöglicht, sich den Grund für den Absturz vorzustellen (Die Menschen {haben} [sind] zu dolle abgebogen. Dass Simba sogar ins Wasser fiel). Gerade weil die Sprachform durch das fehlende Wort „so“ nicht ganz der Norm entspricht, gibt sie Einblick in Jelenas Ringen um Worte, die ihre Vorstellung der Ereignisfolge zum Ausdruck bringen. Obwohl die Kinder sich auf ganz unterschiedliche Geschichten beziehen, schreiben sie sich alle ein in die Darstellung einer Ereignisfolge, die von der Befreiung aus der Gefangenschaft handelt und erproben dabei Sprachformen, die Lesern ermöglichen, sich die Ereignisse als Folge vorzustellen. Alle Geschichten vermitteln die Erfahrung, wie es ist, sich aus der Gefangenschaft zu befreien (bzw. befreit zu werden), auch wenn sie von unterschiedlichen Ereignissen handeln (s. Kapitel 8). 3) Sprachformen für unterschiedliche Ereignisfolgen Da den Schülerinnen und Schülern sechs Figuren zur Auswahl standen, deren Geschichten einen sehr großen Fundus an Ereignisfolgen bergen, der für Konkretion, Erweiterung und Variation zur Verfügung steht, erzählen sie größtenteils von unterschiedlichen Ereignissen. An drei Beispielen (v.a. zu Figuren, die bisher noch nicht thematisiert wurden) wird im Folgenden gezeigt, welche Sprachformen für die Ereignisfolge die Schülerinnen und Schüler dabei erproben. Beim Schreiben zu „Pippi Langstrumpf“ entfaltet Stella eine Ereignisfolge, die von den Ereignissen eines gesamten Tages (und darüber hinaus) erzählt (s. Anhang, S. 492 f.): Es war einmal ein Mädchen, es hieß Pippi Langstrumpf. Sie spielte oft mit ihren Nachbarn namens Annika und Tommy. Heute durften Annika und Tommy bei Pippi übernachten. Alle waren sehr aufgeregt, weil sie dann alleine sind und alles machen können,

9.3 Figuren: Von Verwandlung und Befreiung

317

was sie wollten. Annika und Tommy kamen schon vor dem Frühstück zu Pippi rüber. Pippi machte gerade Frühstück. Annika fragte Pippi: „Können wir mit dir frühstücken?“ Pippi antwortete: „Na klar!“ Zum Frühstück gab es Pfannkuchen. Sie ließen es {ihnen} [sich] schmecken. Danach hatte Annika eine Idee. Sie sagte es Pippi und Tommy. Annikas Idee war, ein Baumhaus in den Baum in Pippis Garten zu bauen. Pippi fand die Idee toll, Tommy auch. Pippi sagte: „Auf dem Dachboden sind noch Bretter, die wir benutzen können.“ Pippi fiel auch wieder ein, wo ihr Werkzeug steht. Alle halfen, das Baumhaus zusammen zu bauen. Als sie es auch schon in den Baum gebaut hatten, sagte Pippi: „Jetzt können wir in dem Baumhaus Tee trinken und Kuchen essen.“ Tommy antwortete: „Super Idee!“ Also machten [sie] es. Herr Nilsson, Pippis Affe, aß auch ein paar Kuchenstücke und trank auch eine Tasse Tee. Nach dem Kaffeekränzchen wollten sie sich Witze erzählen. Sie lachten sehr viel und hatten viel Spaß, nach einer Weile fragte Annika: „Wollen wir jetzt vielleicht Angeln gehen?“ Pippi antworte: „Super Idee, damit wir auch einmal rauskommen.“ Alle räumten die Teller und Tassen weg. Dann packten sie die Angelsachen. Nachdem sie dies getan hatten, haben Annika und Tommy noch ihre Mutter gefragt, ob sie mit Pippi Angeln gehen dürfen. Ihre Mutter sagte ja, weil Annika und Tommy eh zu wenig in der Natur sind. Also gingen alle drei Kinder los. Als sie am See waren, sagte Tommy zu Annika und Pippi: „Guckt mal, das ist Herr Obermeyer, unser Lehrer!“ Pippi daraufhin: „Wollen wir den mit Äpfeln und Birnen bewerfen?“ Annika antwortete: „Super Idee!“ Also pflückten sie die Äpfel und Birnen. Danach versteckten sie sich im Gebüsch und fingen an, die Früchte zu werfen. Herr Obermeyer schrie: „Wer war das?“ Pippi, Annika und Tommy liefen zu Pippis Haus, weil es auch schon so langsam dunkel wurde. Jetzt aßen sie auch Abendbrot. Zum Abendbrot gab es Nudeln mit Tomatensoße. Sie zogen sich ihren Schlafanzug an, putzten Zähne und gingen ins Bett. Am nächsten Morgen … (Stella F46d). Mit einer deiktischen Zeitpunktangabe (heute) markiert Stella den Tag, von dem sie im Folgenden erzählt. Etliche Zeitangaben ermöglichen Lesenden die Vorstellung einer Ereignisfolge, indem sie die Tageszeit angeben, zu der sich das Erzählte ereignet (vor dem Frühstück, Frühstück, Nach dem Kaffeekränzchen, es auch schon so langsam dunkel wurde, Abendbrot, Am nächsten Morgen) oder Ereignisse in Relation zueinander darstellen (Als sie es auch schon in den Baum gebaut hatten, sagte Pippi …; Nachdem sie dies getan hatten, haben Annika und Tommy noch ihre Mutter gefragt …; Als sie am See waren, sagte Tommy zu Annika und Pippi …). Darüber hinaus tragen anaphorische und deiktische Zeitangaben dazu bei, eine die Vorstellung von der Abfolge der Ereignisse zu erzeugen (gerade, Danach, jetzt, dann, daraufhin). Außerdem formuliert Stella kausale Zusammenhänge, die eine Ereignisfolge implizieren: Die Aufregung resultiert aus der Aussicht auf eine gemeinsame Übernachtung bei Pippi (Alle waren sehr aufgeregt, weil sie dann alleine sind und alles machen können, was sie wollten), das Vorhaben, im Baumhaus Tee zu trinken und Kuchen zu essen, wird in konsekutiver Relation

318

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

zu Tommys Begeisterung dargestellt (Tommy antwortete: „Super Idee!“ Also machten [sie] es), auch das Vorhaben, Angeln zu gehen, und Pippis Begeisterung darüber, stellt Stella in konsekutiver Relation zur Umsetzung des Vorhabens dar („Wollen wir jetzt vielleicht Angeln gehen?“ Pippi antworte: „Super Idee, damit wir auch einmal rauskommen.“), die Erlaubnis der Mutter folgt kausal aus der Notwendigkeit, sich in der Natur aufzuhalten, und wird in konsekutiver Relation zur Umsetzung des Vorhabens dargestellt (Ihre Mutter sagte ja, weil Annika und Tommy eh zu wenig in der Natur sind. Also gingen alle drei Kinder los). Die Vorstellung einer Ereignisfolge wird zudem befördert, indem Stella eine Reihe von Raumwechseln markiert (zu Pippi rüber, in Pippis Garten, auf dem Dachboden, in den Baum, in dem Baumhaus, gingen … los, am See, im Gebüsch, zu Pippis Haus, ins Bett). Auch wenn der Tag, von dem Stella erzählt, in der Geschichte, die Astrid Lindgren erzählt, so nicht vorkommt, sind einzelne Ereignisse aus der Geschichte von Pippi Langstrumpf bekannt. In Korrespondenz zur Erinnerung an die Geschichte erzählt Stella von typischen Ereignissen, die Annika und Tommy mit Pippi erleben, und erprobt dabei Sprachformen, die die Ereignisse zu einer Folge an einem Tag zusammenführen. Finnjan hingegen konzentriert sich in seiner Geschichte zu „Rotkäppchen“ auf wesentliche Ereignisse, von denen das Märchen erzählt, und stellt eine Ereignisfolge zwischen Rotkäppchens Aufbruch und ihrer Ankunft beim Haus der Großmutter dar: Rotkäppchen. Rotkäppchen ging im Wald spazieren, weil sie zu ihrer Oma wollte. Aber sie begegnete einem bösen Wolf. Er fragte, wohin kleines Mädchen. Zu meiner Oma. Aha, wo wohnt sie denn. In einem großen Haus. Ach so, sagt der Wolf. Bevor sie am Haus war, hörte sie ein Brummeln. Der Wolf hatte die Oma aufgefressen. Ende (Finnjan F76d) Finnjan stellt Rotkäppchens Gang durch den Wald explizit in kausaler Relation zu der Absicht, zur Oma zu gelangen, dar. Der größte Teil seiner Geschichte handelt von der die Begegnung mit dem Wolf. Durch Frage und Antwort wird die Ereignisfolge in diesem Abschnitt auch ohne Markierung vorstellbar. Im Märchen der Gebrüder Grimm wird erzählt, dass Rotkäppchen sich wundert, dass die Tür zum Haus der Großmutter aufsteht – Finnjan scheint daraus die Vorstellung entwickelt zu haben, dass Rotkäppchen den Wolf hört, bevor sie das Haus erreicht und bringt dies mit einer ereignisrelationalen Zeitangabe zum Ausdruck (Bevor sie am Haus war, hörte sie ein Brummeln). Dass der Wolf die Großmutter bereits gefressen hat, bringt Finnjan zum Ausdruck, indem er die Vorzeitigkeit temporal durch das Plusquamperfekt markiert (Der Wolf hatte die Oma aufgefressen). Verena wählt das Schreibblatt, auf dem die Figuren aus „Der König der Löwen“ abgebildet sind. Zu Beginn ihrer Geschichte, die eine Variante der bekannten Geschichte

9.3 Figuren: Von Verwandlung und Befreiung

319

darstellt (s. Anhang, S. 503), thematisiert sie eine Ereignisfolge, in der es um die Geburt des Löwenkindes geht: Es war einmal ein Löwe. Er war das stärkste Tier auf dem Land. Man nannte ihn den König der Tiere. Er hatte auch eine Löwenfrau. Sie wollten schon lange ein Kind. Doch eines Tages ging der Löwe, um Futter zu suchen. Aber als er zurückgekommen ist, hatte die Löwin eine besondere Überraschung für ihn. Sie flüsterte, wir haben ein Kind bekommen, aber sei still, er schläft (Verena F85m). Während der Film mit der Präsentation des Löwenbabys vor der Tiergemeinschaft beginnt, erzählt Verena (u.a.), was davor geschieht. Nachdem Verena die Figuren vorgestellt hat, ermöglicht sie Lesenden durch die Angabe eines Zeitraums (schon lange), sich vorzustellen, dass viel Zeit vergangen ist, bis zu dem Tag, von dem sie im Folgenden erzählt. Eine absolute Zeitangabe (eines Tages) markiert den Zeitpunkt, an dem der Wunsch des Löwen und seiner Frau in Erfüllung geht. Indem Verena die Futtersuche in finaler Relation zum Losgehen darstellt (Doch eines Tages ging der Löwe, um Futter zu suchen), wird sowohl der Grund für das Losgehen als auch die Folge der Ereignisse vorstellbar. Den Zeitpunkt der Rückkehr des Löwen stellt Verena ereignisrelational dar, indem sie die Gleichzeitigkeit von Rückkehr und Ankündigung einer Überraschung formuliert (Aber als er zurückgekommen ist, hatte die Löwin eine besondere Überraschung für ihn). Außerdem erzeugt die Angabe zum Raumwechsel (zurückgekommen) die Vorstellung eines nachfolgenden Ereignisses. Die Überraschung, die die Löwin ihrem Mann flüstert, erfüllt den langgehegten Wunsch. Das Perfekt in der wörtlichen Rede verdeutlicht, dass das Ereignis, von dem die Löwin berichtet, ein vorzeitiges ist, sodass die Vorstellung einer Ereignisfolge entsteht, die parallel zu dem Zeitraum geschieht, in dem der Löwe auf Futtersuche ist. Die Beispiele geben Einblick in unterschiedliche Sprachformen für Ereignisfolgen, die die Kinder beim Schreiben zu Figuren erproben, und zeigen, dass die Möglichkeit, aus der Erinnerung an eine außerschulisch rezipierte Geschichte Vorstellungen von Ereignissen, Räumen, Zeitpunkten, Zeitspannen (Dauer) und Frequenz (Häufigkeit) oder kausalen Zusammenhängen zu erzeugen, sich sprachlich niederschlägt. Sprachformen für die Ereignisfolge zur Figur (insgesamt) Auch eine Auswahl von sechs Figuren aus Literatur und Medien wird von den Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter in hohem Maße als Zugang zur Darstellung einer Ereignisfolge genutzt. Abgesehen von drei Kindern (3%), die keine Ereignisfolge zu Papier bringen, sondern sich auf die Einführung der Figuren konzentrieren, thematisieren alle Schülerinnen und Schüler (97%) aus Klasse 3 beim Schreiben zu Figuren mehr als ein Ereignis und nahezu alle (96%) erproben mindestens eine Sprachform,

320

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

die die Ereignisfolge markiert (vgl. Abb. 50, Beispiele s. Anhang, S. 422-424). Etwas weniger als die Hälfte aller Kinder (41%) beschränkt sich dabei auf zeitliche Markierungen, einzelne (2%) auf kausale und die meisten (53%) bringen beide Formen zu Papier. Ein großer Teil der Kinder (80%) stellt darüber hinaus mindestens einen Raumwechsel dar. Lediglich ein Kind (1%) schreibt eine Geschichte, in der die Ereignisse ausschließlich ohne Markierung dargestellt werden.

100%

Kausale Markierung

90% 80%

Kausale und zeitliche Markierung

70% 60%

Zeitliche Markierung

50% 40%

Thematisierung ohne Markierung

30% 20%

Keine Ereignisfolge

10% 0%

Figuren

Abb. 50: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben (Figuren)

Auch die Möglichkeit, sich an eine außerschulisch rezipierte Geschichte zu erinnern, führt dazu, dass Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter vielfältige Sprachformen für Ereignisfolgen erproben. Die meisten Kinder (83%) bringen beim Schreiben zu Figuren unterschiedliche Zeitangaben und/oder kausale Angaben zu Papier. Die Hälfte aller Kinder (52%) erprobt beim Schreiben zur Figur zeitliche Markierungen, die Ereignisse relational zueinander darstellen (v.a. durch die Konjunktionen „als“ und „bis“). Der Anteil der Kinder, die sich auf eine reihende Darstellung der Abfolge, die überwiegend durch „(und) dann“ oder „da“ gekennzeichnet ist, konzentrieren, ist auch beim Schreiben zu Figuren gering (7%). Abgesehen von zwei Ausnahmen handelt es sich dabei um andere Kinder als beim Schreiben zur Sage und zum Gemälde. Zwei der Kinder erproben zusätzlich andere Zeitangaben und/oder kausale Angaben, die eine Vorstellung der Ereignisfolge erzeugen, nur fünf Kinder beschränken sich beim Schreiben zur Figur auf die reihende Darstellung mit „(und) dann“.

9.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für Ereignisfolgen

321

Zum Zusammenhang von Rezeption und Produktion Auch die Betrachtung der Sprachformen für die Ereignisfolge zur Figur bestätigt die Vermutung, dass Vorstellungsbildung und sprachliches Lernen miteinander verwoben sind. Die Analysen zeigen, dass die Abbildungen der Figuren die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 in hohem Maße dazu angeregt haben, sich mit (einem Teil) der Geschichte zur Figur gedanklich auseinanderzusetzen und ihre Vorstellungen erzählend zur Sprache zu bringen. Die ausgewählte Figur regt fast alle Kinder dazu an, Ereignisfolgen zu thematisieren, die die Abbildung der Figur zwar nicht zeigt, die die Kinder aber erinnern und in der eigenen Geschichte konkretisieren oder variieren. Obwohl die Abbildungen der Figuren unmittelbar keinen sprachlichen Fundus zur Verfügung stellen, erproben fast alle Kinder Sprachformen, die Lesenden ermöglichen, durch Zeitangaben eine Vorstellung der Folge der Ereignisse zu gewinnen und auch der Anteil der Kinder, die kausale Angaben erproben, ist außerordentlich hoch. Auch beim Schreiben zu Figuren finden also Vorstellungen, die die Kinder sich von den Zusammenhängen zwischen den Ereignissen machen, ihren Ausdruck in der eigenen Geschichte. Die Analysen der Sprachformen, die beim Erzählen zur Figur zu Papier gebracht werden, geben Einblicke in Korrespondenzen zwischen den Sprachformen der Kinder und Teilen der in der Geschichte der Figur dargestellten Ereignisfolge, die daraufhin deuten, dass die Kinder die Möglichkeit, sich aus der Geschichte der Figur erinnerte Ereignisse als Folge vorzustellen, genutzt haben, um sich in narrative Muster für Ereignisfolgen einzuschreiben. Die Beispiele deuten darauf hin, dass sich die Transformationsprozesse dabei sowohl auf sprachlich als auch auf durch (bewegte) Bilder Vermitteltes, das die Kinder aus der (unterschiedlich weit zurückliegenden) Rezeption erinnern, beziehen. Beispiele, bei denen – aufgrund der Kenntnis der (vermutlich) rezipierten Geschichte – eine Korrespondenz sichtbar wird, zeigen, dass die Kinder eine Ereignisfolge – wie beim Schreiben zur Sage – sowohl ähnlich als auch auf andere Art und Weise sprachlich darstellen, sodass davon ausgegangen werden kann, dass auch eine außerschulisch rezipierte Geschichte als Fundus für die Erkundung, Erweiterung oder Verfestigung sprachformaler Muster dienen kann.

9.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für Ereignisfolgen Im Folgenden wird betrachtet, welche Sprachformen für Ereignisfolgen in welchem Umfang von bestimmten Schülergruppen beim Schreiben zu drei Vorgaben erprobt werden. Wie bei der Untersuchung der Sprachformen für vorgestellte Erfahrung geschieht dies in hypothesenbildender Absicht und in dem Bewusstsein, dass die Ergebnisse keiner statistischen Auswertung entsprechen (vgl. Kapitel 8.4).

322

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Unterschiedliche Vorgaben Alle drei Vorgaben haben sich in hohem Maße als geeignet erwiesen, Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter zu ermöglichen, sich Ereignisse in einer Storyworld vorzustellen und Ereignisfolgen schreibend zu Papier zu bringen. Ein Vergleich der Anteile der Kinder, die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben, zeigt, dass beim Schreiben zur Sage alle Schülerinnen und Schüler eine Ereignisfolge zu Papier bringen, also im engeren, strukturalistisch geprägten Sinne eine Geschichte verfassen, während beim Schreiben zu Gemälde und Figuren einzelne Kinder Texte verfassen, die keine Ereignisfolge darstellen (Gemälde: 4%; Figuren: 3%) (s. Abb. 51).

100%

Kausale Markierung

90% 80%

Kausale und zeitliche Markierung

70%

Zeitliche Markierung

60% 50%

Nur räumliche Markierung

40% 30% 20%

Thematisierung ohne Markierung

10%

Keine Ereignisfolge

0%

Sage

Gemälde

Figuren

alle drei Vorgaben

Abb. 51: Anteil der Kinder (N=96), die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben

Aufgrund der fehlenden Möglichkeit, sich beim Schreiben zum Bild (auch) an einer vorgegebenen Ereignisfolge orientieren zu können, und der Abhängigkeit von der Erinnerung an die Geschichte der Figur, war zu erwarten, dass nicht alle Kinder Ereignisfolgen darstellen. Bemerkenswert ist vielmehr, dass der Unterschied nicht größer ist. Einem Bild mit narrativem Gehalt wohnt also auch im Hinblick auf die Darstellung einer Ereignisfolge ein hohes sprachbildendes Potenzial inne, obwohl das Bild selbst nur einen Moment darstellt. Ebenso regen die Figuren die meisten Kinder dazu an, sich an die Geschichte der Figur zu erinnern und Teile davon zu konkretisieren oder zu variieren, obwohl die Rezeption der Geschichte (unterschiedlich) weit zurückliegt. Deutlich wird auch, dass (fast) alle Kinder, die eine Ereignisfolge erzählen, beim Schreiben zu jeder

9.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für Ereignisfolgen

323

der drei Vorgaben neben der Thematisierung von Ereignissen auch (mindestens) eine Sprachform zu Papier bringen, die die Ereignisfolge zeitlich oder kausal markiert. Auch der Anteil derer, die eine Vorstellung der Ereignisfolge durch räumliche Markierungen befördern, ist außerordentlich hoch (Sage: 100%, Gemälde: 89%, Figuren: 80%). Insgesamt versuchen sich beim Schreiben zu Vorgaben alle Kinder an mindestens einer räumlichen Markierung, nahezu alle an mindestens einer zeitlichen Markierung (99%) und sehr viele an einer kausalen Markierung (86%). Die meisten erproben beide Sprachformen (85%). Eine Betrachtung der absoluten Anzahl der erprobten Sprachformen, die die Folge der Ereignisse markieren, bestätigt den Eindruck, dass die Sage als sprachlich geformte Vorgabe in besonders hohem Maße dazu einlädt, zeitliche und kausale Markierungen der Ereignisfolge zu erproben. 149 Allerdings ist die Anzahl der erprobten Markierungen beim Schreiben zum Gemälde und zu Figuren nicht sehr viel geringer (s. Tab. 9). 150 Dass deutlich mehr zeitliche Markierung als kausale Markierungen erprobt werden, entspricht der Erkenntnis, dass das Geschehen in narrativen Texten vor allem implizit motiviert ist (vgl. Kapitel 2.2). Tab. 9: Absolute Anzahl zeitlicher und kausaler Markierungen der Ereignisfolge Markierung zeitlich kausal insgesamt

Sage 667 149 816

Gemälde 603 97 700

Figuren 659 98 757

Im Durchschnitt bringt ein Kind beim Schreiben zu allen drei Vorgaben ähnlich viele Markierungen der Ereignisfolge zu Papier, und zwar sowohl zeitliche als auch kausale (s. Abb. 52). Beim Schreiben zum Gemälde erprobt ein Kind etwas weniger zeitliche Markierungen (6,2) als beim Schreiben zur Sage (6,9) und zu Figuren (6,9), die Anzahl der kausalen Markierungen ist beim Schreiben zur Sage etwas höher (1,6) als beim Schreiben zum Gemälde (1,0) und zu Figuren (1,0), sodass insgesamt beim Schreiben zur Sage am meisten Markierungen (8,5) erprobt werden. 149 150

Auf eine Ermittlung der Anzahl räumlicher Markierungen wurde verzichtet. Betrachtet werden hier nur Zeitangaben, die sich auf die erzählte Zeit beziehen. Hinzu kommen Zeitangaben, die sich auf die Erzählzeit beziehen (z.B. „Vor langer Zeit“, „einmal“, „noch heute“): Beim Schreiben zur Sage bringen die Schülerinnen und Schüler 64 solche Zeitangaben zu Papier, zum Gemälde 74 und zu den Figuren 118. Da eine solche Zeitangabe allein aber noch keine Folge von Ereignissen darstellt, wurden diese Sprachformen gesondert erfasst (s. Kapitel 6.2). Der geringere Anteil solcher Sprachformen in den Geschichten zur Sage und zum Gemälde lässt sich z.T. darauf zurückführen, dass weniger Kinder ihre Geschichte mit „Es war einmal“ beginnen als beim Schreiben zu Figuren.

324

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

Sage

Gemälde

Figuren

zeitlich

6,9

6,2

6,9

kausal

1,6

1

1

insgesamt

8,5

7,2

7,9

Abb. 52: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind

Bei den zeitsprachlichen Markierungen handelt es sich weder überwiegend um die anaphorische Zeitangabe „dann“, noch beschränken sich die Schülerinnen und Schüler auf formelhafte Wendungen wie „eines Tages“. Vielmehr erproben fast alle Kinder beim Schreiben zu allen drei Vorgaben unterschiedliche Sprachformen, die die Ereignisfolge zeitlich markieren, sodass die Vielfalt insgesamt sehr groß ist. Die Texte enthalten Sprachformen, die über die Angabe von Zeitpunkt, Dauer, Frequenz oder Geschwindigkeit eines Ereignisses die Vorstellung eines (bestimmten oder unbestimmten) Zeitraums erzeugen, der zwischen zwei Ereignissen liegt und auch solche, die darstellen, ob ein Ereignis gleichzeitig, nach oder vor einem anderen Ereignis stattfindet. Sehr viele Kinder (71%) stellen beim Schreiben zu mindestens einer der drei Vorgaben Zeitpunkte oder Zeitspannen ereignisrelational, also hypotaktisch dar (v.a. durch die Konjunktionen „als“ oder „bis“). Deiktische Zeitangaben beziehen sich beim Schreiben zu Sage, Gemälde und Figuren nicht auf den Wahrnehmungsraum der Schreiberinnen und Schreiber, sondern erzeugen einen Vorstellungs(zeit)raum, in dem die Geschichte spielt (zur Deixis am Phantasma, vgl. Bühler 1999). Indem sie zur Verschiebung des deiktischen Zentrums in das einer Figur beitragen, spielen deiktische Angaben (auch) eine besondere Rolle für die Vermittlung vorgestellter Erfahrung. Kaum ein Kind markiert die Ereignisfolge durchgängig oder in allen drei Texten überwiegend mit „(und) dann“. Auch die Kinder, die sich beim Schreiben zu einer der Vorgaben auf eine reihende Darstellung der Abfolge, die überwiegend durch „(und) dann“ gekennzeichnet ist, konzentrieren (jeweils 7%), erproben zusätzlich andere zeitliche und/oder kausale Markierungen, die eine Vorstellung der Ereignisfolge erzeugen. Zudem gibt es nur ein Kind, das zu allen drei Vorgaben die Folge der Ereignisse überwiegend mit „dann“ markiert (Arbesa J07), und ein anderes Kind, das beim Schreiben zu zwei der Vorgaben

9.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für Ereignisfolgen

325

überwiegend diese Sprachform nutzt (Ken J12). Bei allen anderen handelt es sich um einen einzelnen Text. Das Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt scheint also die Darstellung temporaler und kausaler Zusammenhänge der Ereignisse durch andere sprachliche Formen als „dann“ zu befördern. Auch wenn die Anzahl der erprobten zeitlichen und kausalen Markierungen darauf hindeutet, dass eine sprachliche Vorgabe wie die Sage das Erproben von Sprachformen für die Ereignisfolge in etwas höherem Maße befördert als die anderen Vorgaben, sind die Unterschiede beim Schreiben zu den drei Vorgaben so gering, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Möglichkeit zur Vorstellungsbildung für die Darstellung von Ereignisfolgen eine weitaus größere Bedeutung hat als die Orientierung am sprachlichen Vorbild. Der Zugang, den die Vorgaben für die Vorstellung von Ereignisfolgen eröffnen, scheint ein Grund dafür zu sein, dass die Ereignisfolge sprachlich markiert wird. Der hohe Anteil derjenigen, die sich beim Schreiben zu Bild und Figuren in Sprachformen für die Ereignisfolge einschreiben, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass beide Vorgaben den Kindern unmittelbar zwar keine sprachlichen Muster zur Verfügung stellen, aber dazu einladen, auf ihren – auch sprachlich geformten – Geschichtenfundus zurückzugreifen. Wenn alle Schülerinnen und Schüler zu den drei Vorgaben mit narrativem Gehalt Sprachformen für die Ereignisfolge erproben, heißt das, dass die Möglichkeit, überhaupt einen Zugang zu solchen Formen des Ausdrucks zu finden, unabhängig davon ist, ob die Kinder in einem sozial starken oder sozial schwachen Einzugsgebiet zur Schule gehen, ob sie einsprachig deutsch oder mehrsprachig aufwachsen und auch, ob sie leistungsstark oder -schwach sind. Wie bei der Betrachtung der Sprachformen für vorgestellte Erfahrung zeigen sich deutliche Unterschiede auch hier erst, wenn man die Anzahl hervorgehobener Sprachformen betrachtet. Unterschiedliche Einzugsgebiete Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die zeitliche Markierungen zu Papier bringen, ist beim Schreiben zu allen drei Vorgaben in allen Einzugsgebieten durchgängig sehr hoch (91-100%) (s. Abb. 53). In Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes erproben mehr Kinder kausale Markierungen als in Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes, wobei der Unterschied beim Schreiben zum Bild geringer ist als beim Schreiben zur Sage und zu Figuren, weil die bildungsnah aufwachsenden Kinder beim Schreiben zum Bild weniger Sprachformen erproben, die die Ereignisfolge kausal markieren. Da es beim Schreiben zu den drei Vorgaben überwiegend nicht immer wieder dieselben Kinder sind, die keine kausalen Markierungen der Ereignisfolge erproben, formuliert – insgesamt betrachtet – ein hoher Anteil an Kindern Kausalität (s. Abb. 51). Die (wenigen) Kinder, die sich auf räumliche Markierungen oder das Thematisieren von Ereignissen

326

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

beschränken oder keine Sprachformen für Ereignisfolgen zu Papier bringen, stammen sowohl aus Einzugsgebieten mit hohen als auch mit niedrigen Sozialindizes.

100%

Kausale Markierung

90% 80%

Kausale und zeitliche Markierung Zeitliche Markierung

70% 60% 50%

Nur räumliche Markierung

40% 30%

Thematisierung ohne Markierung Keine Ereignisfolge

20% 10% 0%

niedriger hoher niedriger hoher hoher niedriger Sozialindex Sozialindex Sozialindex Sozialindex Sozialindex Sozialindex (N=37) (N=59) (N=40) (N=56) (N=37) (N=59) Sage

Gemälde

Figuren

Abb. 53: Anteile der Kinder aus unterschiedlichen Einzugsgebieten, die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben

Deutliche Unterschiede zeigen sich bei einem Vergleich der Anzahl markierter Sprachformen für die Ereignisfolge: Kinder, die in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, bringen beim Schreiben zur Sage durchschnittlich deutlich mehr (10,2) Sprachformen, die Zeit oder Kausalität markieren, zu Papier als Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes (5,8), bei den Markierungen von Kausalität sind es sogar mehr als doppelt so viele (s. Abb. 54). Dennoch beschränken sich sozial benachteiligte Kinder nicht auf Zeitangaben, sondern markieren die Folge der Ereignisse auch kausal. Beim Schreiben zum Gemälde und zu Figuren sind die Unterschiede (fast) genauso hoch wie beim Schreiben zur Sage, auch hier bringt ein Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex durchschnittlich deutlich weniger Sprachformen, die Zeit oder Kausalität markieren, zu Papier (Gemälde: 5,4; Figuren: 5,4) als ein Kind aus einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex (Gemälde: 8,7; Figuren: 9,5). Insgesamt bringen Kinder, die in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, beim Schreiben zu den drei Vorgaben also deutlich mehr zeitliche und kausale Markierungen zu Papier als Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes. Doch auch bei der Betrachtung von Sprachformen für die Ereignisfolge liegt es nahe,

9.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für Ereignisfolgen

327

zu vermuten, dass ein Zusammenhang zwischen der Anzahl geschriebener Wörter und der Anzahl erprobter Sprachformen besteht (vgl. Kapitel 8.4). Ein Kind, das einen langen Text schreibt, erprobt wahrscheinlich allein schon deshalb mehr Sprachformen für Ereignisfolgen als ein Kind, das einen kurzen Text schreibt, weil es mehr Ereignisse darstellt. Die Befunde bestätigen diese Vermutung: Während ein Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex im Durchschnitt 5,5 Sprachformen erprobt, die die Ereignisfolge zeitlich oder kausal markieren, und 115 Wörter schreibt, sind es bei einem Kind aus einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex durchschnittlich 9,4 solche Sprachformen und 182 Wörter. Der prozentuale Anteil der zeitlichen und kausalen Markierungen ist bei einem Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex im Durchschnitt also fast genauso hoch (4,8%) wie bei einem Kind aus einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex (5,2%).

11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

niedriger Sozialindex (N=37)

hoher Sozialindex (N=59)

niedriger Sozialindex (N=40)

Sage

hoher Sozialindex (N=56)

niedriger Sozialindex (N=37)

Gemälde

hoher niedriger hoher Sozialindex Sozialindex Sozialindex (N=59) (N≈38) (N≈58) alle drei Vorgaben (Durchschnitt)

Figuren

zeitlich

5

8,2

4,7

7,4

4,8

8,2

4,8

7,9

kausal

0,8

2

0,7

1,2

0,6

1,3

0,7

1,5

insgesamt

5,8

10,2

5,4

8,6

5,4

9,5

5,5

9,4

Abb. 54: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten

Unterschiedliche Sprachen Der Anteil der mehrsprachig aufwachsenden Schülerinnen und Schüler, die beim Schreiben mindestens eine zeitliche oder kausale Sprachform erproben, ist bei allen drei Vorgaben in etwa genauso hoch wie der Anteil der einsprachig deutsch aufwachsenden Schülerinnen und Schüler, beim Schreiben zum Gemälde ist er sogar etwas höher (Sage: 100%; Gemälde: 96% bzw. 88%; Figuren 95% bzw. 96%) (vgl. Abb. 55). Auch

328

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

der Anteil der Kinder, die mindestens einmal die Folge der Ereignisse kausal markieren, unterscheidet sich beim Schreiben zu den unterschiedlichen Vorgaben nur geringfügig, beim Schreiben zur Sage erproben etwas mehr einsprachig deutsch aufwachsende Kinder kausale Markierungen, beim Schreiben zum Gemälde hingegen sind es etwas mehr mehrsprachige Kinder. Ebenso wenig scheinen fehlende zeitliche oder kausale Markierungen der Ereignisfolge mit dem sprachlichen Hintergrund zusammenzuhängen.

100%

Kausale Markierung

90%

Kausale und zeitliche Markierung Zeitliche Markierung

80% 70% 60% 50%

Nur räumliche Markierung

40%

Thematisierung ohne Markierung Keine Ereignisfolge

30% 20% 10% 0%

mehrspr. (N=43)

einspr. dt. (N=53) Sage

mehrspr. (N=45)

einspr. dt. (N=51)

Gemälde

mehrspr. (N=41)

einspr. dt. (N=55)

Figuren

Abb. 55: Anteile der Kinder mit unterschiedlichem sprachlichen Hintergrund, die sich in Sprachformen für Ereignisfolgen einschreiben

Ein Vergleich der Anzahl hervorgehobener Sprachformen zeigt, dass ein mehrsprachig aufwachsendes Kind beim Schreiben zu allen drei Vorgaben im Durchschnitt weniger zeitliche und kausale Markierungen zu Papier bringt (Sage: 6,5; Gemälde: 6,7; Figuren: 6,4) als ein einsprachig deutsch aufwachsendes Kind (Sage: 10,2; Gemälde: 7,8; Figuren: 8,9) (s. Abb. 56-58), und zwar insgesamt durchschnittlich 2,5 Markierungen weniger (s. Abb. 59). 151 Beim Schreiben zur Sage ist der Unterschied am größten.

151

Die jeweiligen Gesamtwerte geben an, wie viele Sprachformen von mehrsprachig bzw. einsprachig deutsch aufwachsenden Kindern insgesamt im Durchschnitt erprobt wurden. Sie entsprechen nicht dem Durchschnittswert der Summe der einzelnen Ergebnisse in Einzugsgebieten mit niedrigem bzw. hohem Sozialindex, da die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Gruppen differiert (vgl. Abb. 56-59).

9.4 Zur Häufigkeit erprobter Sprachformen für Ereignisfolgen

329

12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

mehrspr. niedriger Sozialindex (N=26)

einspr. dt. niedriger Sozialindex (N=11)

mehrspr. hoher Sozialindex (N=17)

einspr. dt. hoher Sozialindex (N=42)

mehrspr. (N=43)

einspr. dt. (N=53)

zeitlich

5,2

4,5

5,3

9,4

5,2

8,4

kausal

0,8

0,7

1,9

2,1

1,3

1,8

6

5,2

7,2

11,5

6,5

10,2

insgesamt

Abb. 56: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Sage)

12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

mehrspr. niedriger Sozialindex (N=28)

einspr. dt. niedriger Sozialindex (N=12)

mehrspr. hoher Sozialindex (N=17)

einspr. dt. hoher Sozialindex (N=39)

mehrspr. (N=45)

einspr. dt. (N=51) 6,8

zeitlich

5,4

3

6,2

7,9

5,7

kausal

0,9

0,3

1,2

1,2

1

1

insgesamt

6,3

3,3

7,4

9,1

6,7

7,8

Abb. 57: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Gemälde)

330

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

mehrspr. niedriger Sozialindex (N=25)

einspr. dt. niedriger Sozialindex (N=12)

mehrspr. hoher Sozialindex (N=16)

einspr. dt. hoher Sozialindex (N=43)

mehrspr. (N=41)

einspr. dt. (N=55)

zeitlich

4,8

4,8

6,4

8,8

5,4

7,9

kausal

0,7

0,4

1,5

1,2

1

1

insgesamt

5,5

5,2

7,9

10

6,4

8,9

Abb. 58: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (Figuren)

12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

mehrspr. niedriger Sozialindex (N≈26)

einspr. dt. niedriger Sozialindex (N≈12)

mehrspr. hoher Sozialindex (N≈17)

einspr. dt. hoher Sozialindex (N≈41)

mehrspr. (N≈43)

einspr. dt. (N≈53)

zeitlich

5,1

kausal

0,8

4,1

6

8,7

5,4

7,7

0,5

1,5

1,5

1,1

insgesamt

5,9

1,3

4,6

7,5

10,2

6,5

9

Abb. 59: Durchschnittliche Anzahl zeitlicher und kausaler Sprachformen pro Kind unterschieden nach Einzugsgebieten und Sprachen (alle drei Vorgaben)

9.5 Narrative Muster für Ereignisfolgen: Zentrale Befunde

331

Ob ein Kind mehrsprachig oder einsprachig deutsch aufwächst, scheint für das Erproben von Sprachformen für die Ereignisfolge aber ebenso wie für das Erproben von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung (vgl. Kapitel 8.4) eine der sozialen Herkunft untergeordnete Rolle zu spielen: In beiden Gruppen sind es die bildungsnah aufwachsenden Kinder, die durchschnittlich mehr zeitliche und kausale Markierungen zu Papier bringen (s. Abb. 56-58). Die einsprachig deutsch aufwachsenden Kinder, die in Gebieten mit niedrigen Sozialindizes zur Schule gehen, erproben beim Schreiben zu allen drei Vorgaben sogar etwas weniger zeitliche und kausale Markierungen der Ereignisfolge als ihre mehrsprachig aufwachsenden Mitschülerinnen und -schüler. Aufgrund der geringen Anzahl der einsprachig deutsch aufwachsenden Kinder in diesen Gebieten (N=12) müsste diese Tendenz allerdings überprüft werden. Erwartungsgemäß sind es beim Schreiben zu allen drei Vorgaben die Texte der einsprachig deutsch aufwachsenden Kinder aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes, die durchschnittlich am meisten zeitliche und kausale Markierungen enthalten (s. Abb. 59). Aber auch mehrsprachig aufwachsende Kinder erkunden beim Schreiben zu allen drei Vorgaben etliche solche Sprachformen, und zwar tendenziell in höherem Umfang als einsprachig deutsch aufwachsende Kinder aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes.

9.5 Narrative Muster für Ereignisfolgen: Zentrale Befunde Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Analysen von Sprachformen für Ereignisfolgen in den Texten der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 zusammenfassend dargestellt. 1. Die Schülerinnen und Schüler thematisieren Ereignisse, deren Zusammenhänge für die Vorstellung von Erfahrung bedeutsam sind. In ihren Geschichten thematisieren die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 Ereignisse, die nicht nur aufeinander folgen, sondern auch auseinander. Dargestellt werden u.a. Folgen von Ereignissen, -

die zur Flucht führen, die zur Gefangenschaft führen, die dazu führen, dass Menschen fliegen, die zu Rettung oder Verderben führen, die dazu führen, an einem unbekannten Ort zu bleiben oder ihn zu verlassen, die zur Verwandlung einer Figur führen die zur Befreiung führen.

332

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

Indem die Schülerinnen und Schüler von bedeutsamen Ereigniszusammenhängen erzählen, beschränkt sich die Aufgabe nicht auf eine sprachformale Übung, sondern trägt dazu bei, Erzählen als „elementare kulturelle Handlungsform“ (Scheffel 2011, S. 74) mit ordnendem und sinnstiftendem Potenzial zu erfahren (s. Kapitel 1). 2. Die Sprachformen für Ereignisfolgen, die die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 erproben, sind außerordentlich vielfältig. Die Analysen zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler beim Schreiben zu Vorgaben eine beeindruckende Vielfalt an Sprachformen für Ereignisfolgen erproben. Sie thematisieren Ereignisfolgen -

ohne Markierung, mit räumlicher Markierung, mit zeitlicher Markierung, mit kausaler Markierung.

Zeitliche Markierungen beschränken sich nicht auf prototypische Angaben zur Reihenfolge (wie z.B. „dann“), sondern werden durch unterschiedliche absolute, deiktische, anaphorische, ereignisrelationale und implizite Angaben zu Zeitpunkten und Zeitspannen sowie Angaben zur Frequenz oder Geschwindigkeit von Ereignissen realisiert. Darüber hinaus wird die Vorstellung einer Ereignisfolge durch räumliche und kausale Markierungen erzeugt. Raumwechsel werden nicht nur durch absolute Ortsangaben markiert, sondern auch deiktisch, anaphorisch oder implizit. Auch bei der Formulierung von Wirkungszusammenhängen zeigt sich eine breite Vielfalt an dargestellten Relationen. Die jungen Schreiberinnen und Schreiber stellen Ereignisse in konditionaler, kausaler, konsekutiver, konzessiver und finaler Relation zueinander dar. In den Sprachformen für Ereignisfolgen zeigt sich die Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter nicht nur als literale Kompetenz, sondern auch als ästhetische, literarische Kompetenz, die sich auf das Erzeugen eines Vorstellungs(zeit)raums bezieht und zum Teil auch auf das Textverständnis. 3. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Rezeption und der Produktion narrativer Muster für Ereignisfolgen. In den Sprachformen für Ereignisfolgen, die die Schülerinnen und Schüler zu Papier bringen, sind Spuren der Vorgabe erkennbar. Die Analysen zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler Rezipiertes nicht imitieren, sondern dass Transformationsprozesse stattfinden, die sich auf

9.5 Narrative Muster für Ereignisfolgen: Zentrale Befunde

-

333

dargestellte Ereignisse und/oder sprachformale Muster

beziehen. Zusammenhänge zwischen Rezeption und Produktion zeigen sich zum einen in der hohen Frequenz, mit der eine in der Vorgabe dargestellte Ereignisfolge von den Schülerinnen und Schülern konkretisiert, erweitert oder variiert wird und zum anderen in dem Niederschlag sprachformaler Muster, die Ereignisfolgen zum Ausdruck bringen, indem sie Ereignisse räumlich, zeitlich oder kausal markieren. Obgleich Zusammenhänge zwischen sprachformalen Mustern am deutlichsten beim Schreiben zur Sage hervortreten, zeigen sie sich auch beim Schreiben zu Figuren. Darüber hinaus lassen sich beim Schreiben zum Gemälde und in Geschichten zu Figuren, die auf der Rezeption eines Films basieren, einzelne Zusammenhänge zwischen formalen Elementen von Bild und Sprache beobachten. Die Vielfalt der Sprachformen, mit denen eine in der Vorgabe dargestellte Ereignisfolge markiert wird, deutet daraufhin, dass die Vorstellungsbildung eine zentrale Rolle bei der Transformation narrativer Muster spielt. Nicht nur die Sprachformen für vorgestellte Erfahrung, sondern auch die von den Schülerinnen und Schülern erprobten Sprachformen für Ereignisfolgen verdeutlichen das didaktische Potenzial, das im Schreiben in Korrespondenz zu Texten und (bewegten) Bildern liegt. 4. Alle Schülerinnen und Schüler erproben Sprachformen für Ereignisfolgen – in unterschiedlichem Umfang. Die quantitativen Analysen zeigen, dass alle Schülerinnen und Schüler Zugänge, die die Vorgaben eröffnen, nutzen, um Ereignisfolgen darzustellen. Alle Drittklässlerinnen und Drittklässler schreiben sich zumindest zu einer der Vorgaben dabei in Sprachformen ein, die die Ereignisfolge zeitlich markieren, die meisten (86%) erproben auch kausale Markierungen. Die Möglichkeit, überhaupt einen Zugang zu Sprachformen, die die Ereignisfolge markieren, zu finden, ist also unabhängig davon, ob die Schülerinnen und Schüler in einem Einzugsgebiet mit hohem oder niedrigem Sozialindex zur Schule gehen, ob sie einsprachig deutsch oder mehrsprachig aufwachsen und auch, ob sie leistungsstark oder -schwach sind. Deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Schülergruppen (und in Bezug auf die Vorgaben) zeigen sich erst bei der Betrachtung der Anzahl markierter Sprachformen: -

Kinder, die in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen, erproben beim Schreiben zu allen drei Vorgaben durchschnittlich deutlich mehr Sprachformen, die die Ereignisfolge zeitlich oder kausal markieren, als Kinder

334

9 Sich Einschreiben in narrative Muster für Ereignisfolgen

-

-

-

aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes. Ein Grund dafür ist, dass sie längere Texte schreiben. Während Kinder aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes am meisten zeitliche und kausale Markierungen beim Schreiben zur Sage erproben, unterscheidet sich die Anzahl der Markierungen bei Kindern aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes bei den unterschiedlichen Vorgaben kaum. Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes scheinen also die sprachlich geformte Vorgabe im Vergleich zu den anderen Vorgaben in höherem Maße für ein Sich-Einschreiben in Sprachformen für die Ereignisfolge nutzen zu können als Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes. In Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes enthalten die Texte der einsprachig deutsch aufwachsenden Kinder mehr Sprachformen, die die Ereignisfolge zeitlich oder kausal markieren, als die Texte der mehrsprachig aufwachsenden Kinder. In Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes ist es umgekehrt: Hier bringen mehrsprachig aufwachsende Kinder im Durchschnitt etwas mehr zeitliche und kausale Markierungen der Ereignisfolge zu Papier als einsprachig deutsch aufwachsende Kinder. Während der sprachliche Unterschied in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes am meisten beim Schreiben zur Sage ins Gewicht fällt, zeigt er sich in Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes am deutlichsten beim Schreiben zum Gemälde.

Insgesamt betrachtet ist die Sage als sprachlich geformte Vorgabe der einzige Zugang, der alle Schülerinnen und Schüler dazu anregt, die Ereignisfolge sprachlich zu markieren, auch der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die kausale Sprachformen erproben, ist beim Schreiben zur Sage am höchsten. Ein Sich-Einschreiben in Sprachformen für Ereignisfolgen in Klasse 3 scheint also am besten durch das Vorlesen der Sage befördert zu werden. Allerdings wird ein Viertel der Kinder erst durch eine der anderen beiden Vorgaben angeregt, die Ereignisfolge auch kausal zu markieren. Die qualitativen Beispiele deuten darauf hin, dass es sich auch für das Erproben vielfältiger Sprachformen, die die Ereignisfolge markieren, lohnt, wenn Schülerinnen und Schüler im Unterricht Gelegenheit bekommen, zu unterschiedlichen Vorgaben Geschichten zu schreiben.

10 Sich Einschreiben als individueller Prozess der Annäherung Bisher wurden die unterschiedlichen Vorgaben im Hinblick auf ihre Eignung für alle Schülerinnen und Schüler oder bestimmte Schülergruppen betrachtet. Ein Vergleich der Texte, die einzelne Kinder zu den drei unterschiedlichen Vorgaben geschrieben haben, gewährt Einblick in individuelle Zugriffe. Eine Reihe von Kindern nutzt alle drei Vorgaben in ähnlich ausgeprägter Art und Weise, um sich in Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen einzuschreiben. Das Spektrum reicht von Schülerinnen und Schülern, die zu allen drei Vorgaben umfangreiche Geschichten schreiben, in denen sie eine Fülle an vorgestellten Erfahrungen und Ereignisfolgen sprachlich hervorheben und markieren, bis zu Schülerinnen und Schülern, die in drei eher kurzen Geschichten einzelne hervorgehobene und markierte Sprachformen erproben. Bei den meisten Schülerinnen und Schülern aber zeigen sich Unterschiede beim Schreiben zu den drei Vorgaben – im Grad der Intensität der (erkennbaren) gedanklichen Auseinandersetzung, in Art und Umfang der Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen oder auch in der Textlänge. Manchen Kindern ermöglicht die Sage, ihre Fähigkeiten zu entfalten, bei anderen ist es vor allem das Gemälde oder eine der Figuren oder aber zwei der Vorgaben regen ein Kind in höherem Maße dazu an, vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen zu Papier zu bringen, als die dritte. Besonders bedeutsam wird eine Vorgabe, wenn sie die einzige ist, durch die ein Kind einen Zugang für das Verfassen einer Geschichte findet. Im Folgenden geht es um drei Kinder, deren Texte sich beim Schreiben zu einer der Vorgaben deutlich von den anderen beiden Texten unterscheiden. Zwei der Kinder gelten als leistungsschwach im Textschreiben. 10.1 Tamim: Darstellung einer Ereignisfolge zur Sage Tamim geht in einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex (2) zur Schule. Er wächst mehrsprachig auf. Seine Leistungen liegen im Rechtschreibtest etwas über dem Durchschnitt und im Lesetest am unteren Rand des mittleren Bereichs. Seine Leistungen im Textschreiben beschreibt die Lehrerin als schwach, sie hat den Eindruck, dass Tamim keine der beiden Sprachen richtig beherrscht. Nachdem Tamim die Sage von Dädalus gehört hat, schreibt er: Dädalus und Ikarus Eines Tages hatte ein Mann namens Dädalus seinen Schüler getötet, weil, er hatte Angst, dass er besser als er wird. Dann vom Berg runter geschmissen, dann musste er die /Stadt/ verlassen. Dann hatte er bei Kreta ein Kind bekommen namens Ikarus. Dann hatte [er] einen Flügel gebaut. Dann flogen /sie/. War der zu hoch geflogen, schmolz

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_11

336

10 Sich Einschreiben als individueller Prozess der Annäherung

das Wachs. Dann war [er] gestürzt. Dann fielen die Flügel ab, weil er ins Wasser fiel (Tamim S69m). In dichter Folge erzählt Tamim die wichtigsten Ereignisse: den Mord am Schüler, die Flucht, die Geburt des Sohnes auf Kreta, den Flügelbau, das Fliegen und den Sturz. Die zeitliche Abfolge dieser Ereignisse ist vordergründig fast durchgängig durch die anaphorische Zeitangabe „dann“ gegliedert. Doch auch die Angabe etlicher Raumwechsel erzeugt die Vorstellung einer Ereignisfolge (vom Berg runter, die /Stadt/ verlassen, bei Kreta, zu hoch geflogen, gestürzt, ins Wasser fiel). Darüber hinaus versucht sich Tamim an Sprachformen, die einen Zusammenhang von Ereignissen darstellen: Während der Grund für den Mord am Schüler in einer für die Mündlichkeit typischen Form angefügt wird (weil, er hatte Angst), steht das Verb bei der Begründung des Verlusts der Flügel am Ende des Satzes (weil er ins Wasser fiel). Auch wenn die Begründung sachlich in Frage gestellt werden kann (dass Ikarus ins Wasser fiel, weil die Flügel abfielen, liegt näher als der umgekehrte Fall), formuliert Tamim hier einen Kausalzusammenhang, der syntaktisch einer schriftsprachlichen Norm entspricht. Das Ereignis des Hochfliegens und das des Schmelzens reiht Tamim lose aneinander (War der zu hoch geflogen, schmolz das Wachs). Diese Textstelle unterscheidet sich vom Rest des Textes durch das Aussparen der zeitlichen Markierung der Ereignisfolge durch „dann“. Auch in der Vorgabe wird der Zusammenhang zwischen Hochfliegen und Schmelzen hauptsächlich durch eine Aneinanderreihung der Ereignisse dargestellt („Und er flog zu dicht an die Sonne: Er wollte hoch fliegen, hoch und höher. Da passierte das Unglück, das Wachs schmolz“). Die anaphorische Zeitangabe „da“ vermag die Vorstellung von Gleichzeitigkeit zu erzeugen. Möglicherweise schlägt sie sich in Tamims Text als Aussparung einer Markierung von Nachzeitigkeit (durch „dann“) nieder, sodass Tamims Sprachform als eine Annäherung an eine ereignisrelationale Darstellung verstanden werden kann (i.S.v. „Als der zu hoch geflogen war, schmolz das Wachs“). Tamims Text zeigt weitere Formen der Annäherung an konzeptionell schriftsprachliche Ausdrucksformen: eine verdichtete Sprachform (erstarrter Genitiv von ‚Name‘: ein Mann namens Dädalus, ein Kind […] namens Ikarus) 152 und Sprachformen, die im Gegensatz zu einer eher umgangssprachlichen Formulierung (vom Berg runter geschmissen) zum (gehobenen) schriftsprachlichen Register gehören (die /Stadt/ verlassen, gestürzt) – zu beiden Formulierungen eröffnet die Sage als Fundus einen Zugang. Darüber hinaus versucht sich Tamim an präteritalen Sprachformen, obwohl sie ihm sichtlich Mühe bereiten (Flogten, schmolste, fa[ll]ten, falte). Tamims Text gewährt Einblicke in den Prozess des Ringens um Sprachformen für das, was er ausdrücken will. Die Geschichte von Dädalus und Ikarus hat ihn dazu herausgefordert, eine Ereignisfolge darzustellen. Dabei schreibt er 152

Diese Sprachform erprobt Tamim auch in dem Text zur Figur Pippi Langstrumpf, während er in dem Text zu Spider Man ein Junge, der heißt Peter Parker schreibt.

10.1 Tamim: Darstellung einer Ereignisfolge zur Sage

337

sich ein in Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren, und Sprachformen, die die Ereignisfolge markieren. Beim Schreiben zum Gemälde und zu (etlichen) Figuren hingegen konzentriert sich Tamim auf Einzelnes: Ein Mann und eine Frau wollen nach Paris mit einem Schiff fahren, die Stadt der Liebe (Tamim G69m). Tamim stellt zwar keine Ereignisfolge dar, erprobt aber mit der metaphorischen Herausstellung (Paris (…), die Stadt der Liebe) eine Form der Hervorhebung, die vorgestellte Erfahrung ermöglicht. Es war einmal ein Junge, der heißt Peter Parker und er war Spiderman und er war sehr stark. Einmal hatte [er] einen geschlagen, der aus Sand war. Es war schon mal ein Mädchen namens Pippi Langstrumpf. Ihr Vater war ein Pirat, ihre Mutter war tot und Pippi ist sehr stark. König der Löwen /war ein/ starker Löwe, aber es war auch ein böser Löwe, der war auch stark. Die zwei hatten sehr viel Streit. Schneewittchen ist ein Märchen. Sie ist sehr nett. Arielle ist eine Meerjungfrau. Sie ist sehr nett. Ihre Frisur ist sehr hübsch. Es war schon mal ein Räuber, er heißt Räuber Hotzenplotz (Tamim F69m). Tamim hat große Freude beim Schreiben zu den Figuren. Begeistert nimmt er ein Blatt nach dem anderen, er möchte alle schaffen, obwohl die Aufgabe lautet, sich eine Figur auszusuchen. Er verfasst sechs kurze Texte, von denen in vieren zwar der Anfang einer Erzählung markiert ist, indem das Erzählte in der Vergangenheit verortet wird (Es war einmal und Es war schon mal), aber keine Ereignisfolge dargestellt wird. Mit Ausnahme des Textes zu Rotkäppchen, bei dem er zuerst die Textsorte benennt, 153 stellt Tamim in allen Texten die Figuren vor. Auch damit erprobt er (in inhaltlicher Perspektive) ein narratives Muster. Die ersten drei Beschreibungen deuten darauf hin, dass Tamim die Geschichten zu den Figuren kennt, die anderen drei Texte erlauben entweder keine Aussage dazu oder weisen darauf hin, dass eine Verwechslung vorliegt (Schneewittchen). Wiederholt hebt Tamim die Eigenschaften der Figuren (und einen Konflikt) instrumentell durch eine Intensitätspartikel hervor (sehr). In zwei Texten stellt Tamim über die Figurenbeschreibung hinaus ein einzelnes Ereignis dar (Einmal hat er einen geschlagen, der aus Sand war; Die zwei hatten sehr viel Streit) und in einem Text formuliert er mithilfe des adversativen Konnektors „aber“ eine Entgegensetzung (aber es war auch ein böser Löwe).

153

Tamim schreibt deutlich „Märchen“, nicht „Mädchen“.

338

10 Sich Einschreiben als individueller Prozess der Annäherung

Auch wenn alle drei Texte darauf hindeuten, dass Tamim grundlegende Schwierigkeiten hat, sich schriftlich auszudrücken, deutet sein Text zur Sage darauf hin, dass er unter bestimmten Bedingungen in der Lage ist, seinen Zugriff zu erweitern. Während die Texte zum Gemälde und zu Figuren sich auf Geschichtenanfänge beschränken, ermöglicht ihm das Schreiben zur Sage, eine Geschichte zu entfalten und sich dabei in Sprachformen einzuschreiben, die vorgestellte Erfahrung thematisieren und die Ereignisfolge markieren. Die Hervorhebung von vorgestellter Erfahrung bleibt selten. Die Betrachtung einzelner Sprachformen ermöglicht, Ansätze zur sprachlichen Hervorhebung in Tamims Texten zum Gemälde und zu Figuren wahrzunehmen. 10.2 Nina: Entfaltung vorgestellter Erfahrung zum Gemälde Es gibt kein Kind, das nur zum Gemälde eine Ereignisfolge zu Papier bringt. Alle Schülerinnen und Schüler, die zum Gemälde im strukturalistischen Sinne eine Geschichte schreiben, werden auch durch mindestens eine der beiden anderen Vorgaben zum Schreiben einer Geschichte angeregt. Allerdings gibt es etliche Kinder, die beim Schreiben zum Gemälde eine deutlich längere Geschichte schreiben als beim Schreiben zur Sage oder zu Figuren, obwohl das Bild selbst keine Ereignisfolge darstellt (vgl. z.B. Meryem G67m, Eda-Nur G39m, Niko G17d). Das Gemälde hat Nina in besonderem Maße angeregt, in ihrer Geschichte Sprachformen für vorgestellte Erfahrung zu erproben. Sie geht in einem Einzugsgebiet mit sehr niedrigem Sozialindex (1) zur Schule und wächst einsprachig deutsch auf. Sie gilt in allen drei Bereichen des Deutschunterrichts als leistungsstarke Schülerin. Während Nina beim Schreiben zur Sage und zur Figur jeweils nur eine literarische Sprachform erprobt, die Lesenden vorgestellte Erfahrung eröffnet, sind es beim Schreiben zum Gemälde eine ganze Reihe: Es war einmal eine Frau, sie war noch jung. Sie traf einen Mann. Er war auch noch jung. 1 Woche „später“ /waren/ sie zusammen. Dann sind sie auf ein Schiff gegangen. Sie sind weg gefahren. Es drohte Gefahr. Das Schiff war nicht sicher. Sie sind vom Schiff gesprungen. Sie sind geschwommen und geschwommen und geschwommen. Das Wasser war sehr, sehr kalt. Sie kamen an einer Insel an. Da waren Palmen, Kokosnüsse, Sand wie ein Paradies. Sie waren glücklich, zufrieden, man kann das nicht beschreiben. Sie waren jetzt glücklich, dass die beiden nicht gestorben sind. Sie haben alles bekommen, was sie wollten. Sie bekamen Kokosnüsse und viele andere Dinge und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute (Nina G94d). Nina schreibt sich in mehrere literarische Sprachformen ein, die Lesenden vorgestellte Erfahrung eröffnen (s. Kapitel 8.2): Durch ein Phrasem hebt sie die Gefahr hervor (Es drohte Gefahr). Morphologische Wiederholungsfiguren ermöglichen, sich vorzustellen, wie weit die Strecke (und wie hoch die Anstrengung) ist, die die Figuren schwimmend

10.2 Nina: Entfaltung vorgestellter Erfahrung zum Gemälde

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zurücklegen (Sie sind geschwommen und geschwommen und geschwommen), und wie kalt das Wasser ist (sehr, sehr kalt). Ein metaphorischer Vergleich ermöglicht, sich die rettende Insel vorzustellen und auch, wie es ist, sie nach der lebensbedrohlichen Situation zu erreichen (wie im Paradies). Das Glück der Geretteten sucht Nina durch die gleiche tautologische Wiederholungsfigur wie beim Schreiben zur Sage in Worte zu fassen (glücklich, zufrieden), indem sie aber explizit thematisiert, dass diese Worte nicht ausreichen (man kann das nicht beschreiben), erweitert sie mit einem metanarrativen Element ihren Zugriff. Es lebte ein Mann namens Dädalus. Er war berühmt. Er hat Kunst gemacht und hat sie verkauft. Er wurde immer reicher. Er wohnte in einem Dorf. Er war nicht glücklich und zufrieden, wo er wohnte. Er hatte viele Freunde. Er hat gedacht, hmmm, ich habe viel Geld und könnte umziehen? „Ja“, ich ziehe um, sagte er. Er ist umgezogen. Und wenig später hatte er einen Sohn. Sie haben viel zusammen unternommen. Der Sohn hieß Ikarus. Er hat auch gelernt, wie man Kunst macht. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute (Nina S94d). Als Variation zeigt Ninas Geschichte Korrespondenzen zur vorgelesenen Sage in Bezug auf die Hauptfigur, die trotz Erfolg unglücklich ist, auf das Verlassen der Heimat und auf den Sohn, den Dädalus bekommt. Die tautologische Wiederholungsfigur (nicht glücklich und zufrieden) ermöglicht, sich Dädalus Unzufriedenheit vorzustellen, die im Gegensatz zu dem zuvor instrumentell hervorgehobenen Zuwachs an Reichtum (immer reicher) steht und seine Entscheidung umzuziehen begründet, die Nina ebenfalls instrumentell hervorhebt (durch die Interjektion hmmm und eine Umrandung, die den Entschluss graphisch markiert). Es war einmal ein junger Löwe, er hieß Simba. Simba und sein Onkel verbrachten viel Zeit miteinander. Sie erlebten kleine Abenteuer. Sie haben viel gelacht zusammen, viel Quatsch gemacht. Simba hat auch viel mit seinem Vater unternommen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute (Nina F94d). Beim Schreiben zur Figur entfaltet Nina weder eine Ereignisfolge noch vorgestellte Erfahrung. Sie beschränkt sich auf eine eher zusammenfassende Darstellung des Geschehens und wiederum auf eine tautologische Wiederholungsfigur, die ermöglicht, sich das gute Verhältnis zwischen Simba und seinem Onkel vorzustellen. Das Schreiben zum Gemälde ermöglicht Nina, Sprachformen zu erproben, die in den anderen Texten so nicht zu finden sind. Die thematisierten Erfahrungen und die literarischen Hervorhebungen deuten darauf hin, dass das Gemälde Nina in höherem Maße zur Vorstellungsbildung angeregt hat als die beiden anderen Vorgaben – zumindest hat sich mehr davon in ihrem Text niedergeschlagen. Vergleicht man Ninas

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10 Sich Einschreiben als individueller Prozess der Annäherung

Texte mit Geschichten, die leistungsstarke Kinder aus Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes geschrieben haben, könnte man vermuten, dass die Aufgaben Nina, die ebenfalls als leistungsstark im Textschreiben gilt, nicht ermöglicht haben, ihr Potenzial in vollem Umfang zu entfalten. Wahrscheinlicher aber scheint, dass in Einzugsgebieten mit unterschiedlichen Sozialindizes von den Lehrerinnen auch unterschiedliche Maßstäbe für die Bewertung von Leistungen im Textschreiben angelegt werden.

10.3 Luke: Die erste Geschichte zur Figur Luke geht in einem Einzugsgebiet mit hohem Sozialindex (5) zur Schule. Aufgrund eines Klassenwechsels besucht er die Klasse erst seit einigen Wochen. Er wächst mehrsprachig auf. Seine Leistungen im Rechtschreibtest sind überdurchschnittlich gut, für den Lesetest liegen aufgrund des Wechsels keine Werte vor. Die Lehrerin berichtet, dass Luke in der Grundschulzeit bis zum Klassenwechsel noch nie einen Text geschrieben hat. Lukes Text zur Sage changiert zwischen Kommentar und Geschichte: Dädalus und Ikarus auf der Insel Alle sagen, dass Ikarus gestorben ist. Doch ich weiß, dass Ikarus noch lebt. Jemand hat sich das ausgedacht. Ikarus und Dädalus haben es überlebt. Ikarus ist in der Mitte geflogen. Dädalus und Ikarus sitzen {in} [auf] einer Insel fest. Aber sie bauen an einem Flugzeug. Aber nicht bei der Insel, wo Minos ist. Nein! Da, wo Dädalus’ Heimat ist. Als sie bei Dädalus Heimat sind, werden sie gesucht. Sie fliegen zurück. Jetzt sind sie in Kreta. Sie sind berühmte Künstler. Sie wollen nicht nach Hause, weil es ihnen gut geht (Luke S20m). Auch der Text zum Gemälde ist nicht eindeutig als Geschichte zu bezeichnen. Er enthält zwar Sprachformen, die die Vorstellung einer Ereignisfolge erzeugen, stellt aber eher eine Beschreibung als eine Erzählung dar, insbesondere durch den direkten Verweis auf das Bild am Ende: Die beiden wollen nach Hause fahren. Sie kommen aus England und wo sie hingereist sind, das war Argentinien und wo sie als nächstes hinwollen, das ist Mexiko, aber erst wollen sie sich ausruhen und gerade sind sie vor der Küste von London, wenn man genau hinsieht, sieht man den Big Ben (Luke G20m). Beim Schreiben zur Figur wählt Luke Spiderman aus und schreibt nach Aussage der Lehrerin zum ersten Mal in seinem Leben eine ‚richtige‘ Geschichte:

10.3 Luke: Die erste Geschichte zur Figur

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Die zwei Schurken Peter Parker ging in eine normale High School, dort wurde er als Nerd bezeichnet. Doch eines Tages wurde er von einer radioaktiven Spinne gebissen. Sie verlieh ihm Superkräfte. Er bemerkte, dass er auf Hochhäuser springen konnte. Und er bemerkte auch, dass er sich wie eine Spinne verhielt. Er konnte sogar Wände hochklettern. Nun spulen wir ein bisschen vor, diiiet. Und jetzt sind wir im Jahre 2014. Spider Man (Peter Parker) steht vor dem stärksten Schurken der Welt. Es ist Absorbing Man. Er kann irgendeinen Gegenstand berühren. Und er ist der Gegenstand, aber er ist immer noch die Gestalt eines Menschen. Der Kampf beginnt. Spider Man sagt: „Du Klobswandler.“ Und er schießt Spinnenweben ab, sie treffen Absorbing Man mitten in die Brust. Absorbing Man schreit: „Du Mistkäfer.“ Und er greift nach einem Stromkabel, er schießt. Spider Man kann noch in letzter Sekunde ausweichen und er schießt sein Torpedoweben ab. Das trifft Absorbing Man so hart, dass er gefangen ist. Spider Man ruft die Polizei. Es dauert nicht lange, da kommt sie. Die Polizei hebt mit einem Helikopter Absorbing Man hoch. Spider Man will gerade gehen, da hört er ein Hissss, Spider Man dreht sich ruckartig um, da sieht er Skorpion. Skorpion brüllt: „Ahhhh.“ Spider Man sagt: „Du Brüllerchen denkst, dass du eine Chance gegen mich hast.“ Skorpion schießt sein Gift ab. Spider Man wird am linken Arm getroffen. Ah, schreit er und er schießt die Spinnenweben ab, sie treffen Skorpion und sie lenken Skorpion ab. Da kommt Professor Shy. Spider Man ruft: „Professor Shy, was machen Sie hier.“ Shy sagt: „Na, Skorpions Gebrülle kann man doch nicht überhören. Lenke ihn weiter ab.“ Und Shy holt eine kleine Spritze raus, die Flüssigkeit war grün-lila. Shy ging näher ran und spritzte in den Arm. Skorpion verdrehte die Augen und fiel zu Boden. Jaaaaa!, schrien alle, der Feind ist besiegt. ENDE Autor: Spider-Man Texte: Spider-Man (Luke F20m). Luke erzählt eine Geschichte, die den Fundus an Geschichten über Spiderman ergänzt. Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Lukes Geschichte eine zuvor rezipierte Geschichte konkretisiert, scheint sie eher bekannte Elemente aus verschiedenen Teilen von Geschichten zu Spiderman in eine weitere Spiderman-Geschichte zu integrieren. Am Anfang erzählt Luke den bekannten Teil der ursprünglichen Geschichte, wie Peter Parker zu Spiderman wird. Dann spricht er seine Leserinnen und Leser direkt an und hebt lautmalerisch hervor, dass vorgespult wird, um die Vorstellung eines Zeitsprungs zu erzeugen (Nun spulen wir ein bisschen vor, diiiet. Und jetzt sind wir im Jahre 2014). Mit diesem Einschub gelingt es Luke, einen Bogen zu spannen von der ursprünglichen Geschichte von Spiderman, die 1962 das erste Mal als Comic (und 2002 erfolgreich als Film) erschien, bis in Lukes Gegenwart (2014), in der es zahlreiche Fortsetzungen und Versionen der Geschichte in unterschiedlichen Medien gibt und die Zahl der Bösen, gegen die Spiderman kämpft, beträchtlich gewachsen ist. Luke erzählt in seiner Geschichte vom Kampf gegen zwei bekannte Schurken: Absorbing Man, der die Fähigkeit hat, Material zu absorbieren und es in sich aufzunehmen, und Skorpion, der Säure

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10 Sich Einschreiben als individueller Prozess der Annäherung

aus seinem Schwanz versprühen kann und als Skorpion der natürliche Feind der Spinne ist. Die Schilderung des ersten Kampfes erinnert an eine Szene im Film oder im Videospiel, bei der in schneller Schnittfolge Held und Gegner nacheinander gezeigt werden. Dem entspricht der syntaktische Parallelismus, mit dem Luke Angriff und Gegenangriff zum Ausdruck bringt (Spider Man sagt: „Du Klobswandler.“ Und er schießt Spinnenweben ab […] Absorbing Man schreit: „Du Mistkäfer.“ Und er greift nach einem Stromkabel). Auch die Namen, mit denen die Kämpfenden die Eigenschaften des anderen jeweils ins Lächerliche ziehen, entsprechen sich in ihrer Form der Komposition und ihrer elliptischen syntaktischen Einbettung. Die Niederlage des Schurken hebt Luke mit einer semantischen Ersetzung hervor, die ermöglicht, sich Spidermans Stärke vorzustellen und damit auch, wie es ist, stark zu sein (Das trifft Absorbing Man so hart, dass er gefangen ist). Nachdem die Polizei Absorbing Man mit dem Helikopter abtransportiert hat, scheint Spidermans Arbeit erledigt und die Geschichte beendet, doch in Lukes Erzählung erscheint ein zweiter Gegner, angekündigt durch ein lautmalerisches Hissss, das Lesenden ermöglicht, sich das Geräusch vorzustellen, das Spiderman veranlasst, sich umzudrehen. Auch die folgende Interjektion und Häufung von Buchstaben, die den langgezogenen Schrei des Angreifers zum Ausdruck bringt (Skorpion brüllt: „Ahhhh.“), lädt dazu ein, sich gedanklich in die Szene zu versetzen und sich vorzustellen, wie es ist, (von hinten) angegriffen zu werden. Wie im ersten Kampf macht Spiderman seinen Gegner mit einem Namen lächerlich, diesmal in Form einer Derivation, die den Schrei und seine Bedeutsamkeit abschwächt, und fügt dem eine Bemerkung hinzu, die die eigene Überlegenheit zum Ausdruck bringt, ohne sie direkt zu benennen („Du Brüllerchen denkst, dass du eine Chance gegen mich hast“). Doch diesmal gelingt es Spiderman nicht so leicht, den Gegner zu besiegen. Er wird verletzt und besiegt Skorpion erst gemeinsam mit Professor Shy. Die Begeisterung aller über den Sieg hebt Luke mit einer Buchstabenhäufung hervor (Jaaaaa!). In einer Art Abspann erfahren Leserinnen und Leser, dass Spiderman selbst der Autor des Textes ist, den sie gerade gelesen haben. Damit thematisiert Luke eine zweite fiktionale Ebene, auf der er als realer Autor seiner Geschichte hinter einen fiktionalen Autor zurücktritt. Beim Schreiben zur Figur zeigt sich also ein ganz anderer Umgang mit der Erzählperspektive als beim Schreiben zur Sage und zum Gemälde, bei denen es aus entwicklungstheoretischer Perspektive so scheint, als könne Luke noch kein poetisches Erzähl-Ich von seiner Person trennen (vgl. Augst et al. 2007, S. 60). Lukes Geschichte zur Figur ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, gegen das Böse zu kämpfen und zu siegen. Dass der Held selbst seine Erfahrungen erzählt, erhöht die Glaubhaftigkeit und das Identifikationspotenzial. Die Vorstellung einer Ereignisfolge wird zusätzlich zu der Markierung des Zeitsprungs (der zudem durch einen Tempuswechsel gekennzeichnet ist) durch eine Reihe weiterer Zeitangaben unterstützt (in letzter Sekunde, Es dauert nicht lange, da, gerade … da, da,

10.3 Luke: Die erste Geschichte zur Figur

343

weiter) und durch die Darstellung eines konsekutiven Zusammenhangs, der den Moment markiert, in dem der Held siegt (Das trifft Absorbing Man so hart, dass er gefangen ist). Das Schreiben zur Figur eröffnet Luke einen Zugang zum Geschichtenschreiben. Er erzählt eine lange, actionreiche Geschichte und bringt dabei eine Fülle an Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen zu Papier, die Lesenden ermöglichen, eine Storyworld zu erzeugen. 10.4 Individueller Prozess der Annäherung: Zentrale Aspekte Alle drei Fallbeispiele zeigen, dass sich die Texte desselben Kindes zu den unterschiedlichen Vorgaben stark unterscheiden können. Es scheint kaum möglich, mit einem einzelnen Text die schriftliche Erzählkompetenz eines Kindes zu bestimmen. Die Unterschiedlichkeit der Texte eines Kindes deutet darauf hin, dass die Vorgaben dem Kind in unterschiedlich hohem Maße einen Zugang zur Vorstellung von Erfahrungen von Figuren oder Ablauf und Zusammenhängen der Ereignisse in Zeit und Raum eröffnet haben, der sich maßgeblich auf das Schreiben auswirkt. Das Erproben von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen und auch das Vermögen, überhaupt erzählen zu können, scheint nicht nur vom Schreibalter des Kindes abzuhängen, sondern auch von der Aufgabe bzw. Vorgabe zum Erzählen. Die Beispiele zeigen deutlich, wie wichtig es ist, Schülerinnen und Schülern durch unterschiedliche Vorgaben unterschiedliche Zugänge zu eröffnen und sich bei der Bewertung der Leistung nicht nur auf einen einzelnen Text zu beziehen.

11 Diskussion der Befunde Bei der Konzentration auf struktur- und stilbildende sprachliche Mittel droht der Kern des Erzählens verloren zu gehen: die Darstellung von (vorgestellter) Erfahrung. Den Fokus des schulischen Erzählens auf die Gestaltung einer Ereignisfolge mit passenden sprachlichen Mitteln und auf die Entwicklung eines Stils, der die Erzählung ‚schmückt‘, zu legen, scheint weder aus theoretischer noch aus empirischer Perspektive angemessen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Vielfalt der erprobten Sprachformen beim Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt viel größer ist als das, was sich in der Schule explizit vermitteln ließe. Das Erkenntnisinteresse der Studie besteht darin herauszufinden, wie sich die Rezeption von Vorgaben mit narrativem Gehalt auf das Erproben narrativer Sprachformen beim schriftlichen Erzählen auswirkt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein rezeptiver Zugang, der das Erzeugen vorgestellter Welten, von Storyworlds, befördert, schreibdidaktisch relevant ist, und zwar in unterschiedlichen Perspektiven: Zum Zusammenhang von Literatur- und Sprachdidaktik Mit der Untersuchung zum Zusammenhang von Rezeption und Produktion im literarästhetischen Bereich liegt die Studie zum schriftlichen Erzählen im Kontext von Wort und Bild im Spannungsfeld zwischen Literatur- und Sprachdidaktik. Dass sich die innerdisziplinäre Differenzierung der beiden Forschungsbereiche immer weiter fortsetzt (vgl. Fay/Standke 2017, S. 31), erscheint aus schreibdidaktischer Perspektive insbesondere im Hinblick auf narrative Texte ungünstig: Einer linguistisch fundierten Schreibdidaktik fehlt die fachliche Expertise der Literaturwissenschaft, die sich genuin auf erzählende Texte bezieht, während sich eine literaturwissenschaftlich fundierte Lese- und Literaturdidaktik – abgesehen von einzelnen Ausnahmen – kaum um schreibdidaktische Fragestellungen kümmert. In der Erzählentwicklungsforschung spiegelt sich die sprachwissenschaftliche Orientierung in einer Reduzierung des Erzählens auf die Auswahl passender ‚sprachlicher Mittel‘, mit denen strukturelle und stilistische Aspekte der Höhepunkterzählung realisiert werden, und einer Beliebigkeit der Inhalte wider. Auch eine prozedural ausgerichtete Schreibdidaktik, die sich von der Lehr- und Lernbarkeit sprachlicher Mittel ab- und dem Handlungsaspekt der Sprache zuwendet (und damit aus narratologischer Perspektive den Aspekt der Situierung berücksichtigt), bezieht sich auf strukturbildende Funktionen prozeduraler Ausdrucksmuster. Die Konzentration auf formale Aspekte verkennt aber die Bedeutung der Vorstellungsbildung für das Schreiben und diese entzündet sich nicht losgelöst von einer gedanklichen Auseinandersetzung mit Inhalten, mit dem, was erzählt wird, und mit der Bedeutung, die es für den Einzelnen, die Einzelne entfaltet. Prozesse der Sinnbildung, die ein zentrales © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9_12

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11 Diskussion der Befunde

Forschungsfeld der Literaturwissenschaft sind, aus schreibdidaktischen Überlegungen zum Erzählen auszuklammern, scheint dem Gegenstand nicht angemessen. Johanna Fay und Jan Standke plädieren dafür, im Lehramtsstudium „Phasen der exemplarischen Kooperation von Sprach- und Literaturdidaktik zu schaffen, in denen Studierende das funktionale Zusammenwirken sprach- und literaturdidaktischen Wissens am konkreten Beispiel erfahren“ (ebd., Hervorhebung i.O.). Die Erzähl- bzw. Schreibdidaktik wäre ein Beispiel, das von einer solchen Kooperation profitieren könnte. Mit der inhaltsbezogenen Betrachtung sprachformaler Phänomene in Texten von Lernerinnen und Lernern wird ein Versuch unternommen, narratologische und linguistische Erkenntnisse aufeinander zu beziehen. Die Analysen zeigen eine intensive gedankliche Auseinandersetzung der Kinder mit den rezipierten Inhalten und einen deutlichen Niederschlag des ‚Literarischen‘ in ihren Texten. Die von den Schülerinnen und Schülern erprobten Sprachformen geben Korrespondenzen zur Vorgabe zu erkennen, die zeigen, dass die Muster der Vorgaben nicht imitiert werden, sondern ein Sich-Einschreiben in Inhalte und Formen ein Transformationsprozess ist, an dem die Vorstellungsbildung maßgeblich beteiligt ist. Vor dem Hintergrund eines narratologisch fundierten Erzählbegriffs, der vorgestellte Erfahrung als zentrales Element von Erzählungen betrachtet, geraten Sprachformen in Lernertexten in den Blick, in denen sich die Sprachkompetenz von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter nicht nur als literale, sondern auch als ästhetische, literarische Kompetenz zeigt. Die Ergebnisse der Studie bestärken die Vermutung, dass durch den frühen Umgang mit Inhalts- und Formaspekten der Literarität – in der Phase des Erwerbs und bezogen auf Sprachlernprozesse, die auf Erfahrung gründen – produktive Aneignungsprozesse befördert werden können (vgl. Dehn 1999, S. 125). Sich Einschreiben als Zugang zu Sprachformen für vorgestellte Erfahrung Die Analysen zeigen deutlich, dass ein Zusammenhang zwischen der Rezeption einer Vorgabe mit narrativem Gehalt und der Produktion von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung besteht. In Korrespondenz zu den rezipierten Inhalten und Formen der Darstellung schreiben die Schülerinnen und Schüler sich ein in vielfältige Sprachformen, die vorgestellte Erfahrungen ohne Hervorhebung thematisieren, instrumentell auf direktem Wege hervorheben oder literarisch hervorheben, indem sie Sinnbildungsprozesse herausfordern, weil sie vom bloßen Bezeichnen abweichen oder Leserinnen und Leser (emotional) in die Geschichte verstricken. Ohne jemals darin unterrichtet worden zu sein, bringen die Schülerinnen und Schüler z.B. rhetorische Figuren zu Papier, die in besonderem Maße vorgestellte Erfahrung eröffnen. Es zeigt sich, dass Formen des literarischen Ausdrucks Schreiberinnen und Schreibern schon im Grundschulalter zugänglich sind, aber nicht als stilistisches Phänomen, mit dem die Texte im Hinblick auf

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potenzielle Leserinnen und Leser ansprechend gestaltet werden, sondern als Formen des Ausdrucks von vorgestellter Erfahrung. In didaktischer Perspektive geht es dabei nicht darum, Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter als Poeten zu betrachten, sondern Heranwachsenden unterschiedliche Möglichkeiten des Ausdrucks von (vorgestellter) Erfahrung zu eröffnen. Ein Sich-Einschreiben in literarische Sprachformen lässt sich (langfristig) als Bildungsprozess begreifen, aus dem die Schreiberinnen und Schreiber verändert hervorgehen können. Ein (produktives) Erkunden von Ausdrucksformen, die mehr meinen, als sie sagen, die Sinnbildungsprozesse anregen und voraussetzen, die ermöglichen, Erfahrungen so zur Sprache zu bringen, dass andere sie sich vorstellen können, kann dazu beitragen, dass sich „nicht nur das Denken, sondern das gesamte Verhältnis des Subjekts zur Welt, zu anderen und zu sich selber“ (Koller 2012, S. 9) verändert. Auch wenn der Umfang, in dem Schülerinnen und Schüler literarische Sprachformen erproben, unterschiedlich hoch ist, zeigen die Analysen, dass die Möglichkeit, überhaupt einen Zugang zu literarischen Formen des Ausdrucks zu finden, unabhängig vom Sozialindex des Einzugsgebietes, dem sprachlichen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler und auch ihren Leistungen in drei zentralen Bereichen des Deutschunterrichts ist. Dieser Befund unterscheidet sich von Befunden in Erzählentwicklungsstudien, die rhetorische Figuren u.ä. als stilistische Mittel betrachten, die das ästhetische Vergnügen der Leserinnen und Leser steigern. Im Vergleich zu den (einsprachig deutsch aufwachsenden) Schülerinnen und Schülern, die Ende Klasse 3 an der Studie von Augst et al. teilgenommen haben, ist der durchschnittliche Anteil der (mehrsprachig und einsprachig deutsch aufwachsenden) Schülerinnen und Schüler, die im Kontext des Schreibens zu Vorgaben Mitte Klasse 3 literarische Sprachformen zu Papier bringen, nicht nur deutlich höher, sondern es werden auch mehr und weitaus vielfältigere Sprachformen erprobt. Während Augst am Ende der dritten Klasse beim Schreiben zum Bildimpuls, einer Schwarz-Weiß-Zeichnung einer Figur, die mit brennender Kerze einen dunklen Raum betritt, in 60% der Texte „Stilmerkmale“ findet (vgl. Augst 2010, S. 90), erproben beim Schreiben zu Sage, Gemälde und Figuren fast alle Schülerinnen und Schüler (97%) literarische Sprachformen. Auch beim Schreiben zum Gemälde allein ist der Anteil höher (79%), sogar, wenn man den Vergleich nur auf den Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes bezieht (68%), von denen ein großer Teil mehrsprachig aufwächst. Während ein Kind aus einem Einzugsgebiet mit niedrigem Sozialindex beim Schreiben zum Gemälde im Durchschnitt 1,9 literarische Sprachformen erprobt (in der gesamten Gruppe erprobt ein Kind im Durchschnitt 2,8 literarische Sprachformen), kommt ein Stilmerkmal in der Untersuchung von Augst im Durchschnitt in jedem Text nur einmal vor (vgl. ebd.). Zum Teil liegt das vermutlich an der durchschnittlich kürzeren Textlänge (vgl. Kapitel 8.4). Wenn selbst Kinder mit deutlich schlechteren Voraussetzungen in Bezug auf das Alter, die Sprache und die soziale

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11 Diskussion der Befunde

Herkunft mehr literarische Sprachformen erproben als Kinder mit besseren Voraussetzungen und vor allem der prozentuale Anteil derer, die überhaupt literarische Sprachformen erproben, höher ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Vorgaben sich unterschiedlich stark auf das Erproben literarischer Sprachformen ausgewirkt haben. In didaktischer Perspektive würde das bedeuten, dass Vorgaben wie die Sage, das Gemälde oder die Figuren ein Sich-Einschreiben in literarische Sprachformen in weitaus höherem Ausmaß befördern können als ein Bild von der Art, wie es in der Studie von Augst et al. als Impuls zum Schreiben verwendet wurde. Vor dem Hintergrund der in den qualitativen Analysen generierten Befunde muss darüber hinaus Augsts Entwurf eines Entwicklungsmodells zum Erzählton in Frage gestellt werden. In den Texten der Drittklässlerinnen und -klässler befindet sich eine Fülle an literarischen Sprachformen, wie sie Augst „vor allem aus Texten der neunten Klasse anführt“ (ebd., S. 88). Die Kinder beschränken sich weder auf „memorierte Elemente: feste Fügungen, Floskeln und Interjektionen“ (vgl. ebd., S. 93), noch imitieren sie in den Vorgaben enthaltene Sprachformen im Sinne memorierter Elemente. Vielmehr deuten die Sprachformen in den Texten der Schülerinnen und Schüler darauf hin, dass die Vorstellungsbildung eine entscheidende Rolle bei der Transformation narrativer Muster spielt. Da ein Vergleich zu den Ergebnissen der Studie von Augst aufgrund der Unterschiede in Bezug auf die Anzahl und Merkmale der Schülerinnen und Schüler und die angewendeten Kategorien zur Analyse literarischer Sprachformen nur bedingt aussagekräftig ist, wären Vergleichsstudien zu literarischen Sprachformen in Texten, die zu unterschiedlichen Aufgaben (bzw. Vorgaben) entstanden sind, wünschenswert. Interventionsstudien dazu, wie sich ein Zugang zu vorgestellter Erfahrung im Vergleich zu herkömmlichen Aufgaben- und Übungsformaten (langfristig) auf das schriftliche Erzählen auswirkt, könnten dazu beitragen, die Wirksamkeit verschiedener Konzepte des Schreibunterrichts zu erforschen (vgl. Rüßmann et al. 2016, S. 42). Sich Einschreiben als Zugang zur Darstellung einer Ereignisfolge Schreibentwicklung wird u.a. als ein Vorgang des Aufbaus textueller Komplexität verstanden. Als ein Indiz einer fortgeschrittenen Entwicklung gilt – auch in Studien zur Erzählentwicklung – die syntaktische Komplexität. Untersucht wird, inwiefern sich Schülerinnen und Schüler von einer parataktischen Verknüpfung der Ereignisse (v.a. durch „und dann“) lösen und das Geschehen zunehmend hypotaktisch (z.B. durch Subordination mittels „als“) organisieren. Aus narratologischer Perspektive geht es bei der Betrachtung von Sprachformen für die Ereignisfolge weniger um die syntaktische Komplexität eines Textes als um Sprachformen, die eine Vorstellung von der Folge der Ereignisse erzeugen, die bedeutsam ist für die Vermittlung von Erfahrung. Es hat sich gezeigt, dass nicht nur Zeitangaben, sondern auch Angaben zu Raumwechseln und

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Kausalität dazu beitragen, dass eine solche Vorstellung entstehen kann. Während Untersuchungen zu Zeit und Raum in der Narratologie eine zentrale Rolle spielen, ist die Syntax kein Kriterium für Narrativität. Zwei Abschnitte aus den Erzählungen von Lia und Adin zum Gemälde mögen dies verdeutlichen. -

Als sie aufwachten, war es noch dunkel und kein einziger Stern war zu sehen, drum schliefen sie auch gleich wieder ein (Lia G45d). Eines Tages schwammen sie mit dem Boot übers Meer. Es war bereits dunkel und Nebel. Sie sahen was (Adin G86m).

Die beiden Textabschnitte unterscheiden sich zwar deutlich in Bezug auf die syntaktische Komplexität, aber keiner der beiden Texte scheint in höherem Maße eine Erzählung zu sein als der andere. Beide erzeugen – durch unterschiedliche Sprachformen – eine Vorstellung der Ereignisfolge. Was unter einer Perspektive auf die Entwicklung allgemeiner literaler Kompetenzen relevant erscheint, ist für die Betrachtung narrativer Muster also möglicherweise ein Kriterium, das von der Spezifik der Textsorte ablenkt. Wie bei der Betrachtung der Sprachformen für vorgestellte Erfahrung zeigen die Analysen, dass ein Zusammenhang zwischen der Rezeption einer Vorgabe mit narrativem Gehalt und der Produktion von Sprachformen, die die Ereignisfolge markieren, besteht. Auch das Sich-Einschreiben in Sprachformen für die Ereignisfolge stellt sich als Transformationsprozess dar, in dem die Vorstellungsbildung eine zentrale Rolle zu spielen scheint, und der sich sowohl auf die dargestellten Ereignisse als auch auf sprachformale Muster bezieht. Die Texte geben einen Einblick in die Vielfalt zeitlicher, räumlicher und kausaler Markierungen, die Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 erproben und die das Spektrum (expliziter) unterrichtlicher Bemühungen weit übertreffen. Diverse absolute, deiktische, anaphorische, ereignisrelationale und auch implizite Zeitangaben tragen dazu bei, dass Leserinnen und Leser sich die dargestellten Ereignisse, in denen Figuren Erfahrungen machen, im Strom der Zeit der Geschichte – jenseits ihres aktuellen Wahrnehmungsraumes – vorstellen können. Durch die Nähe zum zeitlichen Nacheinander des Lebens ermöglichen diese Sprachformen nicht nur, sich die Folge der Ereignisse vorzustellen, sondern eröffnen auch einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung. Insbesondere deiktische Sprachformen, denen Potenzial zur Perspektivübernahme innewohnt, können dazu beitragen, sich Erfahrungen so vorzustellen, als wären es die eigenen. Das Erzählen zur Bildergeschichte wird (u.a.) kritisiert, weil die Aufgabenstellung Schreibende in die Rolle des Wahrnehmungssubjekts zwingt, anstatt ihnen den Sprung in den Vorstellungsraum zu eröffnen, mit der Folge, dass deiktische Ausdrücke wahrnehmungsverankernd und nicht narrationstypisch benutzt werden (vgl. Bredel 2001, S. 13 ff.). Beim Schreiben zu den drei Vorgaben mit narrativem Gehalt bringen

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11 Diskussion der Befunde

die Schülerinnen und Schüler fast ausschließlich narrationstypische deiktische Zeitangaben zu Papier, ob das auch für die anderen deiktischen Ausdrücke (die sich auf Räume oder Personen beziehen) gilt, müsste – insbesondere bei den Texten zum Bild – überprüft werden. Vertiefende Studien zum Zusammenhang von Aufgaben zum Erzählen und deiktischen Sprachformen in narrativen Texten könnten in didaktischer Perspektive aufschlussreich sein. Beim Schreiben zu Sage, Gemälde und Figuren beschränken sich die jungen Schreiberinnen und Schreiber weder auf formelhafte Ausdrücke (wie z.B. „eines Tages“) noch auf eine durchgängige Markierung der Ereignisfolge durch „(und) dann“. Es gibt kaum ein Kind, das Mitte Klasse 3 durchgängig die Ereignisfolge reihend durch „(und) dann“ markiert. Vor dem Hintergrund der Longitudinalstudie von Augst et al., die belegt, dass die „(und) dann“-Verknüpfung beim schriftlichen Erzählen im Durchschnitt erst Ende Klasse 3 durch temporale Adverbien und Konjunktionen abgelöst ist (vgl. Augst et al. 2007, S. 52) und sich 20% der Schülerinnen und Schüler zu diesem Zeitpunkt auf einer Entwicklungsstufe befinden, in der die Ereignisse meist noch durch „(und) dann“ verknüpft werden (vgl. ebd., S. 51), ist dieser Befund, der sich auf einen Erhebungszeitpunkt Mitte Klasse 3 bezieht, bemerkenswert. 154 Dass fast alle Schülerinnen und Schüler, die in einem Text die Ereignisfolge überwiegend durch „(und) dann“ kennzeichnen, zu den anderen beiden Vorgaben Texte schreiben, in denen sie überwiegend andere Sprachformen für die Ereignisfolge erproben, deutet daraufhin, dass Formen der Darstellung einer Folge (auch) von dem Zugang, den die Vorgabe einem Kind zur Vorstellung einer Ereignisfolge eröffnet, beeinflusst wird. Auch wenn dieser Befund einen grundsätzlichen Entwicklungsverlauf nicht in Frage stellt, weist er doch darauf hin, dass die Aufgabe (bzw. Vorgabe) zum Erzählen eine bedeutsame Rolle spielt für das, was sich am einzelnen Text im Hinblick auf die Kompetenzen seiner Schreiberinnen und Schreiber beobachten lässt. Zu untersuchen wäre, ob Aufgaben zum Erzählen, die nahelegen, einem festgelegten Ablauf zu folgen (wie z.B. das Schreiben zu Bildergeschichten oder Erlebnissen vom Wochenende), das Problem der Strukturierung einer Ereignisfolge mit „(und) dann“ möglicherweise selbst erzeugen oder zumindest verstärken. Sich Einschreiben als Zugang für alle Das Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt hat sich als ein Zugang gezeigt, der allen Schülerinnen und Schülern aus Klasse 3 ermöglicht, Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen zu erproben, d.h. dass die Möglichkeit, überhaupt einen

154

Der Vergleich bezieht sich nicht auf die Entwicklungsstufen, es ist gut möglich, dass die Texte andere Merkmale der Entwicklungsstufe nicht erfüllen.

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Zugang zu solchen Ausdrucksformen zu finden, unabhängig davon ist, in welchem sozialen Umfeld die Schülerinnen und Schüler aufwachsen, wie sie sprachlich sozialisiert sind und auch, welche Leistungen sie in drei zentralen Bereichen des Deutschunterrichts zeigen. Alle Kinder, die in Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes zur Schule gehen, bringen Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und (zumindest zu einer der drei Vorgaben) Sprachformen für Ereignisfolgen zu Papier – wenn auch durchschnittlich in geringerem Umfang als Kinder, die in Einzugsgebieten mit hohen Sozialindizes zur Schule gehen. In Einzugsgebieten mit niedrigen Sozialindizes erproben Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, sogar (tendenziell) etwas mehr solcher Sprachformen als Kinder, die dort einsprachig deutsch aufwachsen – in den anderen Gebieten ist es umgekehrt. Die Rezeption von Sage, Gemälde oder Geschichte zur Figur scheint allen Kindern zu ermöglichen, Vorstellungen zu entwickeln und sie so in Sprache zu fassen, dass bei Leserinnen und Lesern wiederum Vorstellungen zu Erfahrungen und Ereignisfolgen entstehen können. Die Betrachtung unterschiedlicher Texte desselben Kindes (s. Kapitel 10) deutet darauf hin, dass das Vorkommen bestimmter Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen nicht nur vom Schreibalter des Kindes abhängt, sondern auch von der Vorstellung, die sich das Kind von den Erfahrungen der Figuren und über den Ablauf und die Zusammenhänge der Ereignisse in Zeit und Raum gemacht hat. Forschungsmethodisch bedeutet das, dass Schreib- bzw. Erzählkompetenz nicht am einzelnen Text gemessen werden kann, auch nicht, wenn Texte in Entwicklungsstudien zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben werden. Zudem sollten Ergebnisse von Studien zum Erzählen immer vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung betrachten werden. Das betrifft nicht nur die Erzählformen (vgl. Becker 2013a), sondern auch die Themen, Gattungen und Formen der Darstellung. Für den Unterricht lässt sich aus den unterschiedlichen Zugängen einzelner Kinder die Notwendigkeit ableiten, Schülerinnen und Schülern durch unterschiedliche Vorgaben mit narrativem Gehalt unterschiedliche Zugänge zu vorgestellter Erfahrung und Ereignisfolgen zu eröffnen. Besonders bedeutsam scheint eine Vielfalt der Zugänge für leistungsschwache Lernerinnen und Lerner zu sein, für die die Vorstellungsbildung einen Weg zu sprachlichen Formen eröffnen kann, die ihnen als ‚sprachliche Mittel‘ nicht zur Verfügung stehen. Zu untersuchen wäre, ob das Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt auch in inklusiven Lernkontexten das Erproben narrativer Muster befördern kann. Eine Beobachtung beim Schreiben zur Sage deutet darauf hin, dass zumindest ein Teil der förderbedürftigen Kinder davon profitieren könnte: Stefan, ein Junge mit sonderpädagogischem Förderbedarf, hat zwar Lesen und Schreiben gelernt, bringt aber selbstständig nur selten einen Text zu Papier. Nach dem Vorlesen der Sage von Dädalus und Ikarus

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geht er mit der Sonderpädagogin in einen Nebenraum, um ihr seine Geschichte zu diktieren. Im Hinausgehen sagt sie, sie sei gespannt, ob Stefan etwas zur Sage sagen kann, ob er etwas verstanden hat. Nach kurzer Zeit kommt sie mit leuchtenden Augen aus dem Raum und sagt: „Er erzählt die ganze Geschichte! Er weiß alles!“ Sie bittet um das Aufnahmegerät. Stefan ist bereit, seine Geschichte noch einmal von Anfang an zu erzählen: „Dä-dalus war ein sehr besonderer Mensch. Er war sehr kreativ. Er hat aus [-] er hat aus Stein Pferde gemacht und auch Menschen, so [-] die so gut gemeißelt waren, dass [-] dass sie so ausgesehen haben, als wenn die dich anguckten. Und [-] Kleider, die hat er besonders [-] gut gemacht...“ Für Stefan, der normalerweise Probleme hat, sich sprachlich auszudrücken, ist dieser Erzählanfang außergewöhnlich, sowohl in Bezug auf die dargestellten Inhalte als auch die sprachliche Form betreffend. Gleich zu Anfang seiner Erzählung hebt Stefan Dädalus‘ künstlerische Begabung sowohl instrumentell als auch literarisch mehrfach sprachlich hervor. Die Korrespondenzen zur Vorgabe sind deutlich erkennbar. Er erzählt weiter von dem Schüler und der Eifersucht, dem Mord, der Flucht, dem König, dem Dädalus ein Königreich baut, dem Heimweh, der Bewachung, dem Flügelbau, dem Flug und Ikarus‘ Übermut, der zum Sturz führt – er erzählt tatsächlich „die ganze Geschichte“ (vgl. Anhang, S. 512). Immer wieder wird deutlich, dass das Formulieren ihm nicht leicht fällt („Er [-] hat die Vögel zugesehen, wie die fliegten“), aber auch, dass er über sich hinauswächst („Dann sind sie ge-flog-n“). Seine Erzählung endet mit den Worten „und zu sehen war nur noch die Fe-der“. Für Kinder wie Stefan scheint insbesondere die zeitnahe Rezeption einer sprachlichen Vorgabe einen Zugang zum Erproben narrativer Mustern zu eröffnen – beim Schreiben zum Bild thematisiert er zwar Erfahrungen und Ereignisse, jedoch ohne sie sprachlich hervorzuheben oder die Folge zu markieren, zur Figur schreibt er nur deren Namen als Überschrift. Untersuchungen zu Formen des Sich-Einschreibens in inklusiven Lernkontexten könnten dazu beitragen, zu klären, welche Relevanz ein rezeptiver Zugang zum (sprachlich geformten) Lerngegenstand – im Gegensatz zu einem analytischen – bei der Produktion von Texten für alle Kinder hat. Zur Bedeutung der Aufgabe Die Textformen, die die Schülerinnen und Schüler beim Schreiben zu den drei Vorgaben zu Papier bringen, sprechen dafür, das Erzählen nicht (immer) durch die Aufgabenstellung auf eine bestimmte Form der Bezugnahme zu begrenzen. Während herkömmliche Erzählformen wie Nacherzählung, Erzählung zur Bildergeschichte, Erlebniserzäh-

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lung und Phantasiegeschichte die Darstellungsmöglichkeiten der Lernerinnen und Lerner entweder stark eingrenzen oder aber dafür wenig Orientierung bieten, eröffnet das Schreiben zu Vorgaben mit narrativem Gehalt einen weiten Spielraum für das Thematisieren dessen, was den einzelnen Schreiberinnen und Schreibern erzählwürdig erscheint. Beim Schreiben zur Sage, zum Gemälde und zu Figuren zeigen sich Formen des Wiedererzählens, die weitaus vielfältiger sind als die herkömmliche Nacherzählung: Konkretion, Erweiterung und Variation ermöglichen ein Sich-Einschreiben in narrative Muster, ohne den Anspruch erfüllen zu müssen, das Rezipierte möglichst vollständig und detailgetreu wiederzugeben. Unterscheiden sich die Geschichten innerhalb der Lerngruppe, wächst zudem das Interesse an einem Austausch. Auch damit entspricht die Aufgabe viel mehr einer kulturellen Teilhabe an Formen des literarischen Diskurses als die Nacherzählung oder die Erzählung zur Bildergeschichte, die als Schultextsorten kaum eine Entsprechung in der Lebenswelt haben (bzw. bei der Bildergeschichte zusätzlich das Erzählen auf das Genre eines Witzes, der sich eigentlich ohne Worte vermittelt, beschränken). Im Gegensatz zur Erlebniserzählung, die voraussetzt, dass die Schülerinnen und Schüler etwas Erzählwürdiges erlebt haben (z.B. beim Erzählen zu Erlebnissen am Wochenende, in den Ferien etc., vgl. auch Geißler, der schon 1968 die Bewertung von Erlebnissen und die Verführung zum „Sensationalismus“ kritisiert) und dies auch als solches aus dem Strom der Erlebnisse herauslösen können, eröffnet ein Zugang zu vorgestellter Erfahrung in Wort und Bild einerseits die Möglichkeit, Erfahrungen zu thematisieren, die die konkrete Erfahrungswelt überschreiten, andererseits wird der Bezug zur eigenen Erfahrung der Kinder und zu dem, was sie für erzählwürdig halten, dadurch nahegelegt, „dass sie sich erinnern müssen; dass ihre Vorstellungsbildung herausgefordert wird; dass sie auswählen können und dadurch, dass sie selbst den Fokus für ihr Erzählen finden müssen, dass sie Möglichkeiten haben, das, was sie bewegt, als narrative Selbstvergewisserung auf die Figuren und Geschehnisse ihrer Geschichte zu übertragen“ (Dehn 2015, S. 19). Auch das Schreiben einer Phantasiegeschichte eröffnet Möglichkeiten zu indirektem Selbstausdruck. Es steht dem Schreiben zu Vorgaben am nächsten, weil es einen Bezug zu den Storyworlds ermöglicht, die ein Kind in Auseinandersetzung mit dem ihm bisher eröffneten Geschichtenfundus erzeugen konnte. Allerdings sind die Schülerinnen und Schüler beim Schreiben einer Phantasiegeschichte auch gänzlich auf ihren bisherigen Zugang angewiesen, während eine Vorgabe mit narrativem Gehalt die vorgestellten Geschichtenwelten erweitert und – wie etliche Beispiele der Studie zeigen – auch verfügbar macht. Durch Vorgaben mit narrativem Gehalt scheint es möglich, das Potenzial der Erinnerung als „unser poetisches Vermögen“ (Vellusig 2009, S. 291) zu nutzen, um Erzählerwerbsprozesse voranzutreiben. Besonders bedeutsam dürfte das für Lernende

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sein, die außerhalb schulischer Vermittlung nur wenig Zugang zu vielfältigen narrativen Formen der Darstellung haben. Vorausgesetzt, dass eine Möglichkeit gefunden würde, das Ausmaß zu erfassen, in dem ein Kind Zugang zu narrativen Welten hat, könnte eine Vergleichsstudie Aufschluss darüber geben, ob diese Vermutung stimmt. Die Geschichten der Schülerinnen und Schüler geben außerdem zu erkennen, dass die Erzählwürdigkeit nicht ausschließlich im Überraschungsmoment oder in der Darstellung von Ungewöhnlichem besteht, sondern auch in Vorhersehbarem und Alltäglichem. Auch die einseitige Konzentration der Erzählentwicklungsforschung auf das prototypische Modell der Höhepunkterzählung wird der Vielfalt des Erzählens (in der Literatur und in der Schule) kaum gerecht (vgl. Andresen 2013, S. 35). Darüber hinaus wären Studien wünschenswert, die das Erzählen zum Bild fokussieren. In der deutschdidaktisch ausgerichteten Forschung erfreuen sich Bildvorlagen zum Schreiben einer hohen Beliebtheit. In dem Bestreben mit einem Impuls, der keine Sprache enthält, sprachliche Kompetenzen möglichst unabhängig von der Aufgabenstellung erfassen zu können, gerät leicht aus dem Blick, dass auch Bilder als Darstellungsformen unterschiedliche Zugänge für Vorstellungsbildung und Formen der Bezugnahme bei der sprachlichen Darstellung eröffnen. Das Gemälde „Auf dem Segler“ von C. D. Friedrich hat sich als ein Gemälde mit narrativem Potenzial als geeignet erwiesen, das Erproben von Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und Ereignisfolgen zu befördern. Weitere Untersuchungen zum narrativen Potenzial von Bildern könnten dazu beitragen, Orientierung für die Auswahl geeigneter Bilder zum Erzählen zu bieten, auch in der Forschung (s. z.B. Richter 2007). Während aus deutschdidaktischer Perspektive Fragen nach der Funktion der Bildwahrnehmung für die Sprachbildung im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, geht es aus kunstdidaktischer Perspektive um die Funktion der Sprache für bildbezogene Lernprozesse. Auch Sehen wird nicht als Prozess des Abbildens, sondern – wie Lesen und Schreiben – als Konstruktionsprozess verstanden (Singer 2004, S. 75). Imagination spielt bei der Bildwahrnehmung eine entscheidende Rolle. Sie ist „das Denken, das die Wahrnehmung umgibt, begleitet, eröffnet, steuert, formt und transformiert“ (Sowa 2012, S. 28). Das imaginierte Bild in einen erzählerischen Zusammenhang zu stellen, gilt als eine Möglichkeit, sich auf den Imaginationsprozess einzulassen, ihn auszudehnen und zu vertiefen (vgl. Uhlig 2013, S. 40). Weitere Studien zum Zusammenhang von Narration und Bild (vgl. Lieber/Uhlig 2016) könnten an der Schnittstelle zwischen Kunst- und Deutschdidaktik dazu beitragen, die Bedeutung von Narration für die Ausbildung von „visual literacy“ ins Blickfeld zu rücken – und umgekehrt.

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Zum Blick auf den Lernertext In der Studie ging es darum zu untersuchen, wie Schülertexte sind, und nicht darum, wie hoch der Grad der Annäherung an eine prototypische Lösung ist, die vorgibt, wie Schülertexte sein sollen (vgl. Dehn 1996 mit Bezug auf Nussbaumer 1991). Indem untersucht wurde, wie das inhaltliche Verständnis der Kinder von der Aufgabe (bzw. Vorgabe) in der Sprachbildung ihrer Texte beobachtbar wird (vgl. Dehn/Schüler 2014, S. 170), wurde offensichtlich, dass das sprachliche Repertoire der Kinder viel breiter ist als das, was bisher mit einem strukturorientierten Blick erkennbar wurde, und als das, was im Deutschunterricht der Grundschule normalerweise thematisiert wird. Ein entwicklungspsychologisch geprägter Blick kann dazu führen, (bestimmte) literarische Sprachformen in Lernertexten als „präkonventionelle“ Formen der Darstellung im Sinne eines ‚noch nicht könnenden‘ Verhaltens zu beschreiben im Gegensatz zu „postkonventionellen“ Formen der Darstellung, die sich auf eine bewusste Überschreitung konventioneller Ausdrucksformen zurückführen lassen (vgl. Pohl 2014). Wie aber kann entschieden werden, ob Isra beim Schreiben zur Sage die morphologische Wiederholungsfigur bewusst eingesetzt hat, um (auf unkonventionelle Weise) Dädalus‘ Verzweiflung zum Ausdruck zu bringen (Der Vater schrie, warum, warum, wenn mein Sohn stirbt, dann sterbe ich auch, S63m), oder ob die Wiederholung unbewusst vielleicht ihrer subjektiven emotionalen Involviertheit entspringt? Und vor allem: Welche Rolle spielt diese Unterscheidung für die Unterstützung von Aneignungsprozessen? Beide Zuschreibungen scheinen dafür nicht geeignet. Während bei einer Einstufung der Sprachform als präkonventionell Isras Leistung per se als defizitär betrachtet würde, entstünde bei einer Beschreibung der Sprachform als postkonventionell der Eindruck, dass der Text des Kindes ein Kunstwerk sei, das nicht verändert werden dürfe. Lernförderlich scheint aber gerade Gegensätzliches, nämlich den Blick auf das Gelungene in Texten von Schülerinnen und Schülern zu richten und im Sinne einer prozessorientierten Schreibdidaktik das Überarbeiten von Texten zu ermöglichen. Überarbeitungen anzustoßen vor dem Hintergrund der Annahme, eine Sprachform sei präkonventionell und müsse, bevor sie postkonventionell gebraucht werden könne, erst in eine konventionelle Form überführt werden, scheint im Falle literarischer Sprachformen allerdings nicht sinnvoll. Der Blick auf Sprachformen ermöglicht, Gelungenes auch unabhängig vom gesamten Text wahrzunehmen und zu benennen. Ein Austausch zu Gelungenem im eigenen Text kann Prozesse der Bewusstwerdung anstoßen (vgl. Schüler/Dehn 2018). Das ‚Literarische‘ als eine voraussetzungsreiche höhere Form des Ausdrucks zu betrachten, kann auch dazu führen, dass es im Schreibunterricht der Grundschule kaum vorkommt. Die empirische Untersuchung zum schriftlichen Erzählen in Klasse 3 dage-

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gen bestätigt für ca. 100 Schülerinnen und Schüler (aus unterschiedlichen Einzugsgebieten und mit unterschiedlichem sprachlichen Hintergrund) frühere Beobachtungen, „dass das ‚Literarische‘ etwas Alltägliches ist, das auch jungen Schreiberinnen und Schreibern zugänglich ist, das freilich vielleicht eines besonderen Blicks bedarf, besonderer Aufmerksamkeit, was die Aufgabenstellung und den Umgang mit Texten betrifft“ (Dehn et al. 2011, S. 45, vgl. auch Dehn 1991). Es geht also neben Aufgaben, die einen Zugang zu narrativen Mustern eröffnen, auch darum, narrative Muster in Texten von Schülerinnen und Schülern zu erkennen. In diesem Sinne kann die entstandene (erweiterbare) Übersicht zu Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und für Ereignisfolgen, die in den Texten der Schülerinnen und Schüler aus Klasse 3 vorkommen, zur Sensibilisierung für Sprachformen in Erzählungen beitragen – in der Schule, in der Lehrer(aus)bildung und in der Forschung. Als Beitrag zur Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrern versteht sich die Übersicht nicht als ‚Checkliste‘ zur Vermittlung und Überprüfung sprachformaler Muster, sondern möchte dazu beitragen, eine Vorstellung von narrativen Mustern zu gewinnen und sensibel dafür zu werden, in welchen Sprachformen sich vorgestellte Erfahrung und eine Folge von Ereignissen zeigen können. In welchen Formen sie erkennbar werden, muss für jeden Text in einem Wechselspiel von Analyse und Deutung neu herausgelesen werden. Weitere Studien zu narrativen Mustern in Texten von Schülerinnen und Schülern zu Vorgaben, die Zugänge zu anderen narrativen Mustern eröffnen, könnten dazu beitragen, die Übersicht zu erweitern, z.B. im Hinblick auf Sprachformen, die die Erzählperspektive, Tempuswechsel u.a. betreffen. Im Rahmen der Professionalisierungsforschung stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, was Lehrerinnen und Lehrer in narrativen Lernertexten als gelungen wahrnehmen. Vor diesem Hintergrund wäre es interessant zu untersuchen, inwiefern eine Sensibilisierung für Sprachformen für vorgestellte Erfahrung und für Ereignisfolgen den Blick auf Lernertexte und Unterricht zum Erzählen bestätigt oder verändert. Lernförderliche Bedingungen für narrative Musterbildung Da Musterbildungsprozesse sehr komplex und individuell sind, entziehen sie sich direkter Einflussnahme durch explizite Lehre. Dennoch ist es möglich, im Unterricht Spielräume für narrative Musterbildung zu eröffnen: -

durch Zugänge zu einem vielfältigen Geschichtenfundus, der unterschiedliche Themen, Gattungen und Medien einschließt; durch Aufgaben, die zur Transformation des Gehörten, Gesehen, Gelesenen anregen und ermöglichen, selbst zu bestimmen, was erzählwürdig ist; durch einen Austausch zu Erzählungen und narrativen Mustern in der Lerngruppe;

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-

durch Rückmeldungen zu gelungenen Sprachformen in Erzählungen von Schülerinnen und Schülern.

Narrative Muster können sich bilden, wenn Lernende Gelegenheit haben, in der Vorstellung eine Geschichtenwelt zu erzeugen und schreibend (oder sprechend, gestaltend etc.) in sie einzudringen. Günstig scheint es, wenn Unterricht Zugänge eröffnet, die den Geschichtenfundus erweitern, Schülerinnen und Schülern aber auch ermöglicht, ihre vorgestellten Welten, ihre Storyworlds, einzubringen. Wenn Kinder im Grundschulalter zu Geschichten und (bewegten) Bildern erzählen, die die Vorstellung von Erfahrungen und Ereignisfolgen ermöglichen, können die Muster, die die Vorgaben enthalten, die Darstellung vorgestellter Erfahrung und Ereignisfolgen in ihren eigenen Geschichten befruchten. Bei einem solchen didaktischen Ansatz ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Geschichte die Basis für das Formulieren einer Geschichte. Es geht im Unterricht also in erster Linie nicht um die Vermittlung formaler Kriterien, sondern darum, gedankliche Prozesse anzustoßen und mit der Aufgabenstellung ein Ringen um Worte, die das zur Sprache bringen, was man meint, auszulösen. Didaktisch relevant ist damit die Auswahl der Inhalte, zu denen geschrieben wird. Nach dem Schreiben braucht es einen Blick, der literaturwissenschaftliche und linguistische Erkenntnisse aufeinander bezieht, um Gelungenes in den Texten der jungen Schreiberinnen und Schreiber zu erkennen und wertzuschätzen. Mit einer Rückmeldung, die das Beobachtete altersangemessen formuliert, könnte eine explizite Form der Lehre auf fruchtbaren Boden fallen. Gespräche über Gelungenes könnten dazu beitragen, operatives Verfügen analytisch zugänglich zu machen – im Bewusstsein darüber, dass das Literarische sich vollständigem Bewusstsein vermutlich immer entziehen wird. Die Möglichkeit, sich einzuschreiben in narrative Muster, wird also auch als Grundlage für einen expliziten Zugang zu Sprachformen, deren Sinn sich nur im Kontext erschließt, verstanden. Für das Erzählen in der Schule ist vor allem wichtig, den Kern des Erzählens im Blick zu behalten: die Formulierung und Vermittlung vorgestellter Erfahrung.

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Bildnachweise Abb. 1: Zebra 3. Wissensbuch Sprache/Lesen. Stuttgart 2013, U3. Mit freundlicher Genehmigung des Ernst Klett Verlags. © Ernst Klett Verlag GmbH. Abb. 2: Friedrich, Caspar David: Auf dem Segler. Zwischen 1818 und 1820. Öl auf Leinwand 71x56. Inv. Nr. ГЭ-9773. Mit freundlicher Genehmigung der Staatlichen Eremitage St. Petersburg, Russland. Photograph © The State Hermitage Museum. Photo by Vladimir Terebenin.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9

Anhang I. Verzeichnis der Schülerinnen und Schüler Klasse

Name

Nummer Sprache

A

Carla Anke Viola Emma Tom Lars Emilia Anna Annika Henrik Diana Lilja Helen Olga Johannes Silvia Niko Hans Micha Luke Lennart Mina Rafael Toni Kendrik Senad Heike Till Nelly Paula Alea Noema Lina Keona Kalea Bolko

01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

B

d d d d d d d d d d d m d m d m d d d m d d d m d m d d d d d d d m m d

Seite (Sage)

Seite (Gemälde)

Seite (Figur)

425-432

453-459

477-483

432-439

459-463

483-490

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 L. Schüler, Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild, https://doi.org/10.1007/978-3-476-04917-9

378

Klasse

C

D

I. Verzeichnis der Schülerinnen und Schüler

Name

Nummer Sprache

Helle Alsan Eda-Nur Lola Kai Björn Marko Maja Lia Stella Fabian Joris Alex Tanja Ben Samet Nele Djannah Jabar Lara Tabitha Luise Havin Lene Karl Ariana Isra Jamie Joel Amanda Meryem Mats Tamim Anoush Jelena Jayne Leona Meik

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74

d d m d d d d d d d d d m d d m d m m d m m m m d m m d d d m d m m m d d d

Seite (Sage)

Seite (Gemälde)

Seite (Figur)

439-445

463-469

491-497

445-448

469-472

497-502

379

Klasse

E

F

Name

Nummer Sprache

Niklas Finnjan Alexa Mahboob Malia Anniara Maria Farouk Merik Kambiz Verena Adin Kabelo Antonia Munira Zerif Elizna Sandra Nayo Nina Anisha Arbesa Clifton Hayal Anoop Adnan Ken Nuar

75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102

d d d m m m m m m m m m m d m m m m m d m m m m m m m m

Seite (Sage)

Seite (Gemälde)

Seite (Figur)

448-451

473-474

502-504

451-453

474-477

504-506

II. Vorgaben zum Schreiben 1. Textfassung der Sage Dädalus und Ikarus Dädalus war ein kunstreicher Mann, ein ganz berühmter Mann. Er war ein Bildhauer. Aus großen Steinen schlug er Figuren. Er schlug mit Hammer und Meißel: Pferde, Wagen, Menschen, Tiere. Die Menschen schlug er so kunstvoll, dass man dachte, sie würden einen richtig anschauen; so genau konnte er das Gesicht aus Stein schlagen. Und die Kleider, die schlug er so fein aus dem Stein heraus, dass man dachte, die Person macht gleich den nächsten Schritt. Er war sehr berühmt. Aus aller Welt kamen die Leute in die Stadt, wo er oben auf dem Berg seine Werkstatt hatte. Er war geachtet und geehrt, ein berühmter Erfinder, ein kunstreicher Mann, ein Künstler. Nun hatte er einen Schüler. Dem brachte er bei, wie man den Stein schlug, wie man bohrte, wie man schmirgelte und Maß nahm, sodass alles genau passte. Es war viel Arbeit. Dieser Schüler, der konnte es bald noch besser als Dädalus. Der Schüler erfand nämlich auch Werkzeug. Man sagt, er habe den Zirkel erfunden, mit dem man Kreise schlagen kann; man sagt, er habe die Säge erfunden. Da wurde Dädalus neidisch. Er gönnte dem Schüler nicht, dass er auch so viel konnte; und er hatte Angst, dass der Schüler besser sein würde als er selber. Er wurde eifersüchtig. Dädalus hasste diesen Jungen so sehr, dass er ihn eines Abends oben von den Felsen der Burg in die Tiefe stürzte, sodass er tot war. Dädalus musste die Stadt verlassen; er musste fliehen. Er floh weit über das Meer, bis er an eine große Insel kam. Die gibt es auch heute noch. Die Insel heißt Kreta. Damals herrschte auf Kreta ein König, der hatte ein großes Reich. Der König, Minos hieß er, nahm Dädalus bei sich auf. Schnell merkte er, dass Dädalus ein guter Erfinder und Baumeister war. Minos wollte sich einen großen Palast bauen lassen, einen schönen Palast. Das machte Dädalus in den nächsten Jahren. Und wieder wurde Dädalus geachtet und geehrt, weil er so gut bauen konnte und so viel erfinden konnte. Wasserleitungen hat er erfunden. Er baute den Palast immer größer. Er fühlte sich auf Kreta wohl. Er hatte auch bald einen Sohn. Dieser Sohn hieß Ikarus. Dädalus und Ikarus gefiel das Leben auf der Insel, aber im Laufe der Jahre bekam Dädalus Heimweh nach seiner alten Heimat. Er wollte auch seinem Sohn seine alte Heimat zeigen. Als Minos, der König, merkte, dass Dädalus wegwollte, wollte er ihn nicht ziehen lassen; und er schickte Wachen zu Dädalus. Nie mehr konnte er allein irgendwohin gehen. Dädalus wollte mit Ikarus über das Meer wegfahren, aber die Wachen ließen ihn nicht. Es war ihnen unmöglich, die Insel zu verlassen. Da dachte Dädalus lange nach und schließlich sagte er: Wozu bin ich ein Erfinder? Mag Minos mir auch das Meer versperren, so bleibt mir doch noch der freie Himmelsraum. Minos ist Herrscher zu Land und zu Wasser, aber nicht Herrscher der Lüfte. Durch die Luft werde ich fliehen. Fortan studierte er genau den Flug der Vögel. Er schaute ihnen zu, wie sie ihre Flügel bewegten, wie sie flatterten, wenn sie losflogen. Er sammelte viele Vogelfedern, und er legte die Vogelfedern genau der Größe nach nebeneinander, wie sie an den Flügeln der Vögel gewachsen waren.

382

II. Vorgaben zum Schreiben

Die Federstiele, die Kiele, die verknetete er; er knetete sie in Wachs von der Kerze, sodass sie festsaßen. Unten um die Federn webte er dünne Fäden, und alles schob er so zurecht, dass es wie ein gewachsener Flügel aussah. Er fand Schnallen und Gürtel, Bänder und Gestelle, um sich die Flügel anzupassen. Immer war Ikarus dabei, schaute seinem Vater zu, half. Dann musste Dädalus die Flügel anprobieren, und er stellte sich auf einen kleinen Hügel und probierte, ob die Flügel ihn trugen. Und siehe da, sie trugen ihn. Er bewegte die Arme so, wie die Vögel schwingen, und er bemerkte, es ging. Da baute er noch ein kleineres Flügelpaar: für Ikarus. Schließlich war er fertig. Nun kam der große Augenblick: Fliegen hatten sie am kleinen Hügel geübt, aber nun mussten sie richtig weit fliegen. Dädalus sagte zu Ikarus: „Ikarus, schau mir genau zu, wie ich fliege, wie ich meine Arme bewege. Folge mir, mach es genau, wie ich es dir vormache. Sei vorsichtig, fliege nicht zu tief aufs Wasser, die Federn könnten ins Wasser tauchen und schwer werden, und du könntest versinken. Fliege auch nicht zu hoch, die Sonne oben ist heiß, das Wachs könnte schmelzen.“ Er legte seinem Sohn die Flügel an, band seine eigenen fest, umarmte seinen Sohn noch einmal, weinte. Dann stellten sie sich oben an den Klippenrand und ließen sich wie die Vögel in die Tiefe fallen, breiteten die Schwingen aus – und die Winde unten am Wasser trugen sie. Als sie flogen, wandte Dädalus immer ganz ängstlich seinen Kopf, so wie Vogelmütter das tun, wenn sie ihre ersten Flüge mit ihren Vogeljungen machen, ob Ikarus auch fliegen konnte. Es ging wunderbar. Der Vater flog besonders sorgfältig, damit Ikarus genau sehen konnte, wie es geht. Und sie flogen. Tief unten lag das glitzernde Meer, die Luft schimmerte, und sie flogen an vielen Inseln vorbei. Sie waren schon fast in der Nähe der Heimat. Da flog Ikarus nicht immer in der mittleren Höhe. Er war so froh und glücklich, dass er fliegen konnte, da packte ihn der Übermut. Und er flog zu dicht an die Sonne: Er wollte hoch fliegen, hoch und höher. Da passierte das Unglück, das Wachs schmolz, die Federn fielen auseinander. Es ging so schnell, Ikarus konnte nicht einmal schreien; er stürzte ins Wasser. Dädalus hatte es gar nicht gemerkt. Als er sich umschaute, war sein Sohn nicht mehr da. Er schaute hinunter und sah nur noch ein paar Federn auf dem Wasser schwimmen. Voller Verzweiflung schrie er, flatterte umher, flog an Land, schnallte die Flügel ab, irrte umher und irgendwann wurde der tote Ikarus an Land gespült. – Seitdem nennt man diese Insel Ikaria. Dädalus kam noch in ein anderes Land. Er wurde wieder ein berühmter Baumeister. Er lebte noch lange, aber er wurde seines Lebens nicht mehr froh.

2. Die Figuren und ihre Geschichte Rotkäppchen, eins der bekanntesten Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm (1812), erzählt die Geschichte eines Mädchens, das sich auf den Weg durch den Wald zum Haus der kranken Großmutter macht, um ihr Kuchen und Wein zu bringen. Trotz der Warnung der Mutter, nicht vom Weg abzukommen, lässt sie sich vom Wolf dazu anstiften, die Blumen im Wald zu betrachten. Während Rotkäppchen vom Weg abläuft,

2. Die Figuren und ihre Geschichte

383

um einen Strauß für die Großmutter zu pflücken, geht der Wolf zum Haus der Großmutter und verschluckt sie. Er zieht ihre Kleider an und legt sich ins Bett. Als Rotkäppchen kommt, spürt sie, dass etwas anders ist als sonst. Ängstlich fragt sie die Großmutter nach dem Grund des veränderten Aussehens von Ohren, Augen, Händen und Maul. Der Wolf verschlingt auch sie. Danach schläft er ein und schnarcht so laut, dass der Jäger ins Haus geht, um nach dem Rechten zu sehen. Er schneidet dem Wolf den Bauch auf und befreit Rotkäppchen und die Großmutter. Sie füllen den Leib des Wolfes mit Steinen, sodass er tot umfällt, als er aufwacht und fortspringen will. Der Jäger bekommt den Pelz, die Großmutter freut sich an Wein und Kuchen und Rotkäppchen nimmt sich vor, nie wieder vom Weg abzugehen, wenn es die Mutter verboten hat. Die Geschichte von Rotkäppchen ermöglicht Rezipierenden u.a. sich vorzustellen, wie es ist, sich allein auf den Weg zu machen, auf eine List hereinzufallen und ein Gebot zu missachten, eine Gefahr zu ahnen, jemandem ausgeliefert zu sein, gerettet zu werden und das Böse zu besiegen. Die Geschichte ist vor allem durch Märchenbücher zugänglich, es gibt aber auch zahlreiche Bilderbücher, Lieder, Hörspiele, Theaterinszenierungen und Märchenfilme (u.a. von 2012), die die Geschichte in unterschiedlichen Versionen präsentieren. Das Märchen von Rotkäppchen ist vermutlich die einzige der sechs Geschichten, die auch heute noch mündlich erzählt wird. Die Geschichte von Räuber Hotzenplotz ist eine klassische Kasperlgeschichte. Im ersten Buch „Der Räuber Hotzenplotz“ erzählt Otfried Preußler (1962), wie der böse Räuber Hotzenplotz die Großmutter überfällt und ihr die geliebte Kaffeemühle raubt. Daraufhin beschließen Kasperl und Seppel, den Räuber zu fangen. Mit einer List versuchen sie herauszufinden, wo sich die Räuberhöhle befindet. Sie füllen eine Holzkiste mit Sand, schreiben „Vorsicht Gold!“ darauf und ziehen mit ihr in den Wald. Kurz bevor der Räuber die Kiste in seinen Besitz bringt, ziehen Kasperl und Seppel ein Streichholz aus einem kleinen Loch, sodass schließlich eine feine Sandspur zur Höhle führt. Zuhause angekommen bemerkt der Räuber jedoch den Schwindel, streut mit dem restlichen Sand eine zweite Spur zu einer Fallgrube und nimmt Kasperl und Seppel gefangen. Während Seppel für Räuber Hotzenplotz arbeiten muss, verkauft er Kasperl an den Zauberer Petrosilius Zwackelmann. Aufgrund einer Verwechslung, die dazu führt, dass der Zauberer Räuber Hotzenplotz in einen Gimpel verwandelt, eines Missgeschicks, bei dem der Zauberer umkommt, und mithilfe einer Fee, die von Kasperl mit Feenkraut befreit wird, gelingt es Kasperl und Seppel schließlich, den Räuber bei der Polizei abzuliefern und der Großmutter die Kaffeemühle wiederzubringen. Das zweite Buch „Neues vom Räuber Hotzenplotz“ (1969) beginnt mit Räuber Hotzenplotz‘ Ausbruch aus dem Gefängnis. Der Räuber überlistet Oberwachtmeister Dimpfelmoser, flüchtet in dessen Uniform und überfällt abermals die Großmutter, die ihn zunächst für Dimpfelmoser hält. Anstatt etwas zu stehlen, isst er sich diesmal nur an Bratwurst und Sauerkraut satt, das die Großmutter gerade für Kasperl und Seppel zubereitet hat. Nachdem Kasperl und Seppel Dimpfelmoser befreit haben, versuchen sie Räuber Hotzenplotz mit einer Schatzkarte ins Spritzenhaus zu locken. Wie in der ersten Geschichte durchschaut der Räuber ihre List und sperrt sie mit dem Polizisten selbst ins Spritzenhaus. Daraufhin

384

II. Vorgaben zum Schreiben

entführt er die Großmutter, um Lösegeld zu erpressen. Bei der Übergabe des Geldes nimmt er auch Kasperl und Seppel gefangen. Als Hotzenplotz jedoch auf einen Schwindel hereinfällt und sich selbst fesselt, erscheint Dimpfelmoser und bringt den Räuber in ein sicheres Gefängnis. Im dritten Buch „Hotzenplotz 3“ (1973) wird erzählt, wie Räuber Hotzenplotz beschließt, mit der Räuberei aufzuhören. Obwohl er sich bei der Großmutter entschuldigt, sein gesamtes Schießpulver in die Luft jagt und seine Waffen im Moor versenkt, wird er immer wieder zu Unrecht verdächtigt, Straftaten zu begehen, bis Kasperl und Seppel schließlich seine Unschuld beweisen. Die Geschichte von Räuber Hotzenplotz ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, überfallen und bestohlen zu werden, sich auf eine gefährliche Suche zu machen, jemanden zu überlisten und überlistet zu werden, in Gefangenschaft zu geraten und sich befreien zu können. Alle drei Bände wurden 2012 mit kolorierten Zeichnungen neu aufgelegt. Alle Teile der Geschichte sind auch durch unterschiedliche Hörmedien und Verfilmungen sowie Theater- und Puppenspielinszenierungen (z.B. der Augsburger Puppenkiste) zugänglich. In der Geschichte von Pippi Langstrumpf erzählt Astrid Lindgren von dem stärksten Mädchen der Welt, das ohne Eltern, aber mit einem Pferd und einem Affen in einer Villa am Stadtrand lebt und sein Leben selbst bestimmt. Weil Pippi anders ist als gewöhnliche Menschen, wird für ihre Freunde, die zwei wohlerzogenen Nachbarskinder Thomas und Annika, der Alltag zum Abenteuer. Pippi weist Diebe in ihre Schranken und führt Polizisten an der Nase herum. Ob in der Schule, im Zirkus, auf einem Ausflug oder beim Kaffeekränzchen – mit Pippi wird es nie langweilig. Die Kinder finden kleine Schätze, begegnen Geistern auf dem Dachboden, essen die leckersten Dinge der Welt und reisen schließlich sogar ins Taka-Tuka-Land, um Pippis Vater zu besuchen, der vom gefürchteten Piraten zum Südseekönig geworden ist. Die Geschichte von Pippi Langstrumpf eröffnet einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Stärke und Mut, Freundschaft und Vertrauen, Überraschung und Sicherheit, Lüge und Wahrheit, Großzügigkeit und Einfallsreichtum. Sie ermöglicht u.a., sich vorzustellen, wie es ist, frei und selbstbestimmt zu leben und das Leben zu genießen. Die Geschichte ist vor allem durch die dreibändige Kinderbuchreihe „Pippi Langstrumpf“ (1949), „Pippi geht an Bord“ (1950) und „Pippi in Taka-Tuka-Land“ (1951), die mehrfach neu aufgelegt und illustriert wurde, und deren Verfilmungen zugänglich, es gibt aber auch Bilderbücher, Lieder, Hörspiele, Zeichentrick- und Fernsehserien. Der Walt-Disney-Film „Der König der Löwen“ (1994) erzählt die Geschichte von Simba, dem neugierigen Löwenkind, das als Sohn des Königs zunächst behütet aufwächst und ungeduldig darauf wartet, seinen Mut beweisen zu können. Als sein Onkel Scar, der selbst gern König wäre, ihm in böser Absicht von einem Elefantenfriedhof erzählt, macht er sich mit seiner Freundin Nala auf den Weg, den verbotenen Ort zu erkunden. In letzter Sekunde werden sie von Simbas Vater Mufasa vor Hyänen gerettet. Mufasa ist sehr wütend über Simbas Verhalten und erklärt ihm, dass es nicht mutig ist, wenn man sich unnötig in Gefahr begibt. Als Scar Simba in eine Schlucht lockt, die von einer aufgeschreckten Herde Gnus durchquert wird, gelingt es Mufasa abermals, Simba zu retten, aber nicht sein eigenes Leben. Simba verlässt das geweihte Land, weil er denkt,

2. Die Figuren und ihre Geschichte

385

dass er am Tod seines Vaters schuld ist. Was er nicht weiß, ist, dass sein Onkel Scar seinen Vater in die Schlucht stürzen ließ und Simba rät, fortzulaufen, damit er den Thron besteigen kann. Als Simba sich auf den Weg macht, befiehlt Scar seinen Verbündeten, den Hyänen, Simba zu töten, was diesen aber nicht gelingt. Allein und erschöpft wird Simba von dem Erdmännchen Timon und dem Warzenschwein Pumbaa in der Wüste aufgelesen und wächst fortan in der Obhut seiner neuen Freunde auf. Eines Tages trifft der inzwischen erwachsene Simba seine frühere Freundin Nala, die sich auf den Weg gemacht hat, um Hilfe zu holen, da das einst fruchtbare Land unter Scars Herrschaft völlig verkommt. Simba und Nala verlieben sich ineinander. Dennoch will Simba nicht in seine Heimat zurückkehren. Die Schuld lastet noch immer schwer auf ihm. Erst Mufasas treuer Gefährte Rafiki, ein weiser Mandrill, der Simba zeigt, dass sein Vater in ihm weiterlebt, und Mufasa, der als Geist zu Simba spricht, überzeugen Simba, nach Hause zurückzukehren und seinen rechtmäßigen Platz als König einzunehmen. Im Kampf gegen Scar erfährt Simba die Wahrheit über den Tod seines Vaters. Aus dieser Erkenntnis entwickelt er solche Kraft, dass er es schafft, sich aus einer verzweifelten Lage zu befreien und Scar zu besiegen. Nachdem er seinen Onkel dazu gezwungen hat, den anderen Löwen die Wahrheit zu erzählen, befiehlt er ihm, das Land für immer zu verlassen. Scar aber greift ihn erneut an und stürzt schließlich in die Schlucht, wo ihn die Hyänen erwarten, sich für seinen Verrat rächen und ihn töten. Simba wird zum König, das Land erblüht wieder in Frieden und Wohlstand. Der ewige Kreis des Lebens schließt sich, als den Tieren sein Nachwuchs präsentiert wird. Dementsprechend stellt der zweite Film („Der König der Löwen 2 – Simbas Königreich“, 1998) eine Fortsetzung und zugleich eine Wiederholung der ersten Geschichte dar. Anstelle von Simba wächst nun Simbas und Nalas Tochter Kiara am Königsfelsen auf. Auf einem Streifzug durch das Land trifft sie den jungen Löwen Kovu und befreundet sich mit ihm. Anstelle von Scar sinnt Kovus Mutter Zira, die einst mit Scar liiert war und von Simba mit ihrem Rudel aus dem Geweihten Land verbannt wurde, darauf, dass ihr Sohn König wird. Sie versucht, erst Kiara und dann Simba zu töten und kommt, nachdem es Kiara und Kovu gelungen ist, die beiden verfeindeten Rudel wieder zu vereinen, schließlich selbst um, weil sie in höchster Lebensgefahr Kiaras Hilfe ausschlägt. Wieder herrscht am Ende Frieden im Geweihten Land. Der dritte Film („Der König der Löwen 3 – Hakuna Matata“, 2004) stellt keine Fortsetzung dar, sondern erzählt den ersten Teil der Geschichte aus der Sicht von Timon und Pumbaa. Die Geschichte vom König der Löwen eröffnet einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Neugier und Mut, Vertrauen und Verrat, Neid und Rache, Zusammenhalt und Liebe, Gefahr und Rettung, Sorge und Wut, Verlust und Trauer, Schuld und Vergebung, Frieden und Wohlstand. Sie ermöglicht u.a., sich vorzustellen, wie es ist, sich schuldig zu fühlen und die Heimat zu verlassen, zu verdrängen, sich der Verantwortung zu stellen, sich seinen rechtmäßigen Platz zu erkämpfen und Teil eines ewigen Kreislaufs zu sein. Die Geschichte vom König der Löwen ist über die Walt-Disney-Filme und das in Hamburg ganzjährig aufgeführte Musical zugänglich. Außerdem gibt es eine Zeichentrickserie, in der die beiden Nebenfiguren Timon und Pumbaa im Mittelpunkt stehen („Abenteuer mit Timon und Pumbaa“, dt. 1997).

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II. Vorgaben zum Schreiben

Die Geschichte von Arielle lässt sich zurückführen auf den Undine-Mythos und ist eine Adaption des Märchens „Die kleine Seejungfrau“ von Hans Christian Andersen. Der Zeichentrickfilm „Arielle, die Meerjungfrau“ (1989) erzählt die Geschichte der Meerjungfrau Arielle, die sich danach sehnt, ein Mensch zu sein. Als jüngster Tochter des Meereskönigs ist es ihr verboten, an die Meeresoberfläche zu schwimmen. Sie tut es trotzdem und verliebt sich in Prinz Eric, den sie vor dem Ertrinken rettet, sich aber nicht zu erkennen gibt. Als der Prinz erwacht, erinnert er sich nur an Arielles Stimme. Ihr Vater ist außer sich vor Wut, als er von Arielles Liebe erfährt. Daraufhin gerät Arielle in die Fänge der Meereshexe Ursula, die schon lange nach einer Möglichkeit sucht, sich an dem König für ihre Verbannung zu rächen. Sie verspricht Arielle, sie für drei Tage in einen Menschen zu verwandeln – zum Preis ihrer Stimme und auch ihrer Seele, falls es ihr nicht gelingt, vom Prinzen geküsst zu werden. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, in dem Arielles Freunde versuchen, den Kuss herbeizuführen und die Meereshexe versucht, ihn zu verhindern, indem sie sich in eine wunderschöne Frau verwandelt und den Prinzen mit Arielles Stimme betört. Im Unterschied zum Märchen von Andersen geht der Film gut aus: Die böse Hexe Ursula wird besiegt, alle Opfer werden erlöst und Arielle darf Prinz Eric heiraten. In dem Film „Arielle, die Meerjungfrau 2 – Sehnsucht nach dem Meer“ (2000) wird die Geschichte fortgesetzt. Im Mittelpunkt steht Arielles Tochter Melody, die als Mensch im Schloss aufwächst, sich aber nach dem Meer sehnt. Wie zuvor Arielle übertritt auch Melody ein Verbot, gerät in die Fänge der Bösen und findet letztendlich einen Weg, Meeresbewohner und Menschen zusammenzuführen. Der dritte Film „Arielle, die Meerjungfrau – Wie alles begann“ (2008) erzählt die Vorgeschichte des ersten Teils der Geschichte. Als Arielles Mutter eines Tages tödlich verunglückt, bleibt König Triton nichts als die Spieluhr, die er ihr einst geschenkt hat. In tiefer Trauer wirft er diese weit weg und verbietet Tanz und Gesang im ganzen Königreich. 10 Jahre später ist Arielle es leid, ohne Musik zu leben. Sie macht sich auf und stößt auf einen Club, in dem heimlich musiziert wird. Doch ihr Kindermädchen, das auf eine Beförderung hofft, verrät den Club an den König. Außer sich vor Zorn verbietet der König seinen Töchtern, den Palast zu verlassen und sperrt die Band in den Kerker. Arielle befreit die Musiker und findet auf der Flucht die Spieluhr. Sie kehrt um, um ihren Vater daran zu erinnern, wie man glücklich ist. Mit der Spieluhr und aufgrund einer Verletzung, die ihr das Kindermädchen zufügt, gelingt es Arielle, ihren Vater zur Einsicht zu bewegen und dem Königreich die Musik wieder zu bringen. Die Geschichte von Arielle eröffnen u.a. einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung von Sehnsucht und Liebe, Verbot und Selbstbestimmung, Wut und Rache, Gefahr und Rettung, Täuschung und Freundschaft, Verlust und Verzweiflung, Gefangenschaft und Befreiung, Verrat und Einsicht. Die Geschichte von Arielle ist vor allem durch die Filme der WaltDisney-Studios zugänglich, es gibt aber auch Bücher, Hörspiele und Lieder zum Film. Außerdem existiert eine Zeichentrickserie, die von der Zeit erzählt, als Arielle noch im Meer lebt. Auch wenn Spiderman ursprünglich eine Comic-Figur ist, dürfte er den meisten Kindern aus einem der Filme bekannt sein. Der erste Film „SPIDER-MAN“ (2002) erzählt

2. Die Figuren und ihre Geschichte

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von Peter Parker, einem Jungen, der seine Eltern verloren hat und bei Tante und Onkel wohnt. Bei einem Schulausflug wird der schüchterne Außenseiter von einer genetisch manipulierten Spinne gebissen und entwickelt außergewöhnliche Kräfte. Er kann Netze spinnen, mit der Geschwindigkeit und Wendigkeit einer Spinne Wände erklettern und ein besonderer „Spinnensinn“ warnt ihn vor Gefahren. Als sein Onkel von einem Autodieb angeschossen wird und in Peters Armen stirbt, jagt er erstmals als Spiderman einen Dieb. Durch unglückliche Umstände muss er jedoch feststellen, dass er den Tod seines Onkels hätte verhindern können. Daraufhin beschließt er, sich der Verbrecherjagd zu widmen und lebt fortan ein Doppelleben als Peter Parker und Spiderman. Als Spiderman kämpft er schließlich sogar gegen den Vater seines besten Freundes, der an einem Serum forscht, das Kraft und Potenzial eines Menschen steigert. Bei einem Test des Mittels an sich selbst, zeigt sich, dass das Serum bei dem Vater auch Aggression und Wahnsinn steigert. Mithilfe eines Kostüms wird er der „Grüne Kobold“ („Green Goblin“), tötet den Forschungsleiter und den Aufsichtsrat, und sprengt einen Balkon, auf dem sich Peters heimliche Liebe Mary Jane befindet. Spiderman vertreibt den Kobold und rettet Mary Jane, verrät ihr aber nicht seine Identität. Als der Grüne Kobold seine Tante bedroht, weiß Peter, dass dieser seine Identität erkannt hat. Es kommt zu einem dramatischen Treffen auf einer Brücke, auf dem der Grüne Kobold Spiderman vor die Wahl stellt, ob er eine Seilbahn voller Kinder oder seine Liebe Mary Jane retten will, die er beide in den Fluss stürzen lassen wird. Nachdem es Spiderman gelungen ist, beide zu retten, kommt es zum finalen Kampf. Durch einen mit Messern besetzen ferngesteuerten Gleiter, den er selbst abgefeuert hat, um Spiderman zu attackieren, wird der Grüne Kobold getötet. Sein letzter Wunsch ist, dass sein Sohn nichts von seiner zweiten Identität erfährt. Als Peters Freund sieht, wie Spiderman die Leiche vor dem Haus seines Freundes ablegt, schwört er Rache, ohne zu wissen, dass Peter Spiderman ist. Auf der Beerdigung gesteht Mary Jane Peter ihre Liebe, Peter aber verspricht ihr nur Freundschaft. Er akzeptiert seine Verantwortung als Spiderman und schwingt am Ende der Geschichte durch New York. Auch die weiteren Filme „SPIDER-MAN 2“ (2004) und „SPIDER-MAN 3“ (2007) handeln vom Kampf Spidermans gegen einen seiner zahlreichen Erzfeinde: „Doc Ock“ (der Kernphysiker Dr. Otto Octavius verwächst bei einem Versuch, eine unerschöpfliche Energiequelle zu erschaffen, mit vier Tentakeln, die über eine eigene Intelligenz verfügen und außer Kontrolle geraten), die zweite Inkarnation des Grünen Kobolds (durch die Peters bester Freund Harry zum Feind wird), „Sandman“ (der bei einem Unfall auf einem Atomtestgelände mutierte Mörder von Peters Onkel, der seitdem die Fähigkeit besitzt, seinen Körper in Sand aufzulösen und sich in beliebige Formen zu verwandeln) und „Venom“ (ein Rivale Peters, der von einem Symbionten befallen wird und sich mit Sandman gegen Spiderman verbündet). In dem Film „The Amazing Spider-Man“ (2012), der auch die Geschichte von Peter Parker alias Spiderman erzählt, aber neue Figuren und Handlungselemente enthält, kommt mit „Lizard“ ein weiterer Feind hinzu. Er ist ein Wissenschaftler, der früher mit Peters Vater zusammengearbeitet hat, im Bereich der artübergreifenden Gentechnik forscht und bei einem Selbstversuch zu einer überlebensgroßen Echse mutiert, die plant, New Yorks Bewohner ebenfalls in Echsen zu verwandeln. Bevor er sein Echsen-DNA-Serum

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II. Vorgaben zum Schreiben

flächendeckend über der Stadt verbreiten kann, wird er von Spiderman gestellt und es gelingt, das Gift gegen das Gegenmittel auszutauschen, sodass sich alle betroffenen Menschen und auch Lizard selbst zurückverwandeln. Einen weiteren Zugang zu Geschichten von Spiderman eröffnet die Fernsehserie „Der ultimative Spider-Man“ (dt. 2012), in der Peter Parker an einem Ausbildungsprogramm für junge Superhelden teilnimmt, um zum ultimativen Superhelden zu avancieren. Auf seinen Missionen begegnet Spiderman anderen bekannten Superhelden und Schurken. Die Geschichte von Spiderman eröffnet einen Zugang zu vorgestellter Erfahrung einer doppelten Identität und den Schwierigkeiten, mit beiden im Einklang zu leben. Sie ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, ein Außenseiter zu sein, sich zu verwandeln und außergewöhnliche Kräfte und Fähigkeiten zu besitzen, einen geliebten Menschen zu verlieren, gegen das Böse zu kämpfen und (geliebte) Menschen zu retten. Die Geschichte von Spiderman ist durch Filme, Comics, unterschiedliche Hörmedien und Computerspiele zugänglich.

3. Vermutlich rezipierte Geschichte zur Figur Nele (F53d): Räuber Hotzenplotz Der Räuber Hotzenplotz – Der Mann mit den sieben Messern Einmal saß Kasperls Großmutter auf der Bank vor ihrem Häuschen in der Sonne und mahlte Kaffee. Kasperl und sein Freund Seppel hatten ihr zum Geburtstag eine neue Kaffeemühle geschenkt, die hatten sie selbst erfunden. Wenn man daran kurbelte, spielte sie „Alles neu macht der Mai“, das war Großmutters Lieblingslied. Seit Großmutter die neue Kaffeemühle hatte, machte ihr das Kaffeemahlen solchen Spaß, dass sie doppelt so viel Kaffee trank wie früher. Auch heute hatte sie die Kaffeemühle schon zum zweiten Mal aufgefüllt, und eben wollte sie weitermahlen – da rauschte und knackte es plötzlich in den Gartensträuchern, und eine barsche Stimme rief: „Her mit dem Ding da!“ (…) Aber Großmutter ließ sich nicht Bange machen. „Erlauben Sie mal!“, rief sie entrüstet (…) „Tun Sie gefälligst, was ich von Ihnen verlange! Ich zähle bis drei…“ Und er hob die Pistole. (…) Da tat Großmutter einen tiefen Seufzer und gab sie ihm (aus: Preußler 2012a, S. 7 ff.). Anoush (F70m): Arielle Der Walt-Disney-Film „Arielle, die Meerjungfrau – wie alles begann“ (2008) zeigt zu Beginn, wie Arielle in ihrer Familie aufwächst und es genießt, wenn ihre Mutter singt. König Triton liebt seine Frau Athena und zeigt es ihr, sooft er nur kann. Er schenkt ihr eine Spieluhr, die ihr gemeinsames Lied spielt. Auf der Bild- und Tonebene wird Tritons Liebe auch durch warme Farben und romantische Musik vermittelt. Die Familie spielt in einer Bucht, als plötzlich ein Schiff in der Ferne auftaucht. Schnell flüchten und verstecken sich die Meeresbewohner. Ein Zoom auf die Flagge zeigt, dass das Schiff ein

3. Vermutlich rezipierte Geschichte zur Figur

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Piratenschiff ist. Während das Schiff immer näherkommt, versucht Athena, die Spieluhr zu holen, die auf einem Felsen zurückgeblieben ist. Als Triton von unten sieht, wie Athena an die Wasseroberfläche zurückschwimmt, schreit er (zweimal) den Namen seiner Frau und streckt seine Hand nach ihr aus. Das Schiff im Hintergrund wird immer größer und rückt immer näher an Athena heran. Triton schreit „Nein!“ und nach einem „Black“ sieht man nur noch die Spieluhr durchs Wasser treiben. Verzweifelt hält Triton die Spieluhr in der Hand. Er brüllt, wirft die Spieluhr weit weg ins Meer und verbietet im ganzen Königreich die Musik. Es folgt ein Zeitsprung, der im Film sowohl erzählt („Zehn Jahre später hatte sich Atlantica kaum verändert, was man von so manchen seiner Bewohnerinnen nicht behaupten kann“) als auch dargestellt wird, indem die zur jungen Meerjungfrau herangewachsene Arielle gezeigt wird. Arielle lernt den Fisch Fabius kennen, der in einer heimlich gegründeten Band spielt, und entdeckt ihre Liebe zur Musik wieder. Sie hinterfragt das Verbot ihres Vaters und bricht eines Nachts (mit der Band, die sie aus dem Kerker befreit) auf, weil sie ein Leben ohne Musik nicht mehr ertragen kann…

III. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung 1. Sprachformen zur Sage Weite (alle erprobten Sprachformen) Sage

Er floh weit über das Meer (…) aber nun mussten sie richtig weit fliegen (…) und sie flogen an vielen Inseln vorbei.

Sprachformen in Konkretionen

So floh er (Annika S09d) Dädalus musste fliehen. Er floh übers Meer (…) aber er wusste, dass die Strecke {wird} lang [wird] (Niko S17d) … also floh er aus seiner Heimat und ging {zu} [nach] Kreta (Keona S34m) Die lange Reise … er nahm sein Boot und fuhr übers Meer bis zu einer Insel namens Kreta (…) fuhren {aums} [übers] Meer bis sie auf Dädalus‘ Heimatinsel kamen. (Helle S37d) Er reist übers Meer (Joris S48d) Aber dann wusste er, dass er fliehen musste. Er floh bis nach Kreta (Ben S51d) … danach wollte er fliehen auf eine Insel namens Kreta (Samet S52m) Dann musste Dädalus fliehen (…) Die beiden wollten fliehen (Mats S68d) … dann musste Dädalus fliehen (…) Dann wollten sie fliehen (Jelena S71m) Dädalus flüchtete aus dem Land (Adin S86m) Dädalus musste fliehen (…) Wenig später waren sie schon sehr weit (Anna S08d) Und dann sind der Mann und sein Sohn übers Meer geflohen. Sie sind an ganz vielen Inseln vorbeigeflogen (Jabar S55m) Dädalus musste fliehen, er musste weg! Dann segelte er übers Wasser, bis er an einer Insel namens Kreta ankam. (…) aber jetzt müssen sie richtig weit fliegen (Maja S44d) … Dädalus musste fliehen. Er floh über das Wasser (…) aber jetzt müssen sie über das weite Meer fliegen (Emilia S07d) Dann musste Dädalus fliehen, weit über das Meer (Olga S14m) Nun aber musste er fliehen (…) aber würden sie den weiten Weg schaffen? (Noema S32d) Dädalus musste fliehen, weit weg. Er reiste übers Meer (…) Jetzt kommt ein langes Stück Fliegen (Lola S40d). Schnell floh Dädalus weit weg übers Meer davon (Lia S45d) Dädalus musste fliehen. Er floh und floh (Fabian S47d) Er reiste dann in ein anderes Land über die Meere (Luise S58m) Dädalus sagte zu Ikarus, wir müssen fort in das Weite hinaus (…) Da flogen sie weit über die Luft (Sandra S92m) … musste {den} [das] Land verlassen. Er ist {in} [auf] einer Insel gelandet (…) und dann sind die geflogen und dann sind die die ganze Zeit geflogen (Arbesa S96m)

392

III. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

Sprachformen in Variationen

Dann konnten sie fliehen (Viola S03d) Doch bald wollte Dädalus zu einem anderen Land gehen (Silvia S16m) … und brachte ihn mit seinen Gespensterkräften auf eine einsame Insel (Rafael S23d) Er musste fliehen. Er lief in ein anderes Land (Heike S27d) Und floh (Alea S31d) Vor ein paar Jahren ist Dädalus mit seinem Sohn Ikarus von Kreta geflohen (…) Er floh nach Afrika (Marko S43d) Da ist Dädalus davongelaufen (Ariana S62m) … und [am] nächsten Morgen ist er geflohen (Leona S73d) … aber sie konnten fliehen (Meik S74d) Ein Helikopter{haben} [hat] sie erkannt und nach Amerika geschickt (Munira S89m) Warum musste er bloß von Kreta fliehen?! (…) und Ina sagte: „Ich würde so gerne mal auswandern!“ (…) Sie flogen sehr weit weg (…) Irgendwann landeten sie dann in Deutschland (…) Sie flogen in die Schweiz (…) Einmal flogen sie dann nochmal nach Kreta (…) Dann flogen sie nach Korfu. Danach nach: Afrika, Argentinien, Neuseeland, Finnland … usw. (Carla S01d) … und fuhr nach Paris. Die Fahrt dauerte sehr lange (Helen S13d) … bis zur griechischen Kaiserin war es sehr weit (Kalea S35m) Dädalus musste fliehen (…) Dädalus schwamm immer weiter (Farouk S82m) Sie gingen immer weiter (Anoop S99m) Jetzt ging er mit Tränen weg, ganz weit weg (Nele S53d) Er beschloss, für 5 Monate hinaus in die weite Welt zu gehen (…) Er war in Indien, er war in Moskau, er war in Thailand, er war schon überall auf der Welt (Amanda S66d) Damit ruderte und ruderte [er], bis er auf Land stieß (…) Dädalus ging ins Boot, ruderte und ruderte, bis er wieder in seiner Heimat war (Johannes S15d) Er ging und ging, ein Tag, zwei Tage (Lennart S21d) Eines Tages reiste er um die halbe Welt (Mina S22d) … der Brief kam vom anderen Ende der Welt (…) und segelten nach Asien, besser gesagt nach China (Kai S41d) … er wollte fliehen. Sie stiegen in ein Boot und fuhren hinaus ins offene Meer (Tanja S50d)

Fliegen und Übermut Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

… und dann übten sie fliegen und bald konnten sie richtig fliegen und dann flogen sie nach Hause. Ende (Silvia S16m);

1. Sprachformen zur Sage

-

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… hatte Ikarus Spaß und ist höher geflogen (Arbesa S96m); … und dann flogen sie übers Land. Es war toll, so zu fliegen und als sie wieder zu Hause waren, hatten sie ein schönes Gefühl und ab jetzt flogen sie fast jeden Tag (Henrik S10d).

In den Geschichten von Silvia, Arbesa und Henrik wird eine Vorstellung davon, wie es ist, zu fliegen und übermütig zu werden, durch Sprachformen vermittelt, die das Fliegen als solches, die Qualität, Richtung oder Häufigkeit des Fliegens oder die Freude am Fliegen thematisieren, ohne sie sprachlich hervorzuheben. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Dädalus hat zu dem Sohn gesagt, du darfst nicht zu hoch fliegen, sonst geht {der} [das] Wachs ab (Mats S68d); Er flog wie ein Vogel. Es war so schön (Hayal S98m); … und dann flogen [sie] los. Am Anfang des Fluges ging alles gut, doch Ikarius wurde übermütig, weil er flog, er flog, dieses Gefühl war toll, einfach nur toll, und er flog zu hoch (Diana S11d).

Sprachformen, die das Fliegen oder Übermut durch Intensitätspartikeln, intensivierende Adverbien oder Adjektive (in Kombination mit einer Gradpartikel) instrumentell hervorheben, beziehen sich wie in den Geschichten von Mats, Hayal und Diana fast ausschließlich auf die Warnung, nicht in die Gefahrenzone zu fliegen bzw. auf Ikarus‘ Flug in diese Zone, und auf das Ausmaß der Freude zu fliegen. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

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Dann probierte er es aus. Er stieg auf einen Hügel und flog, er flog tatsächlich (Henrik S10d); Dann sprangen sie von der Klippe und breiteten die Flügel aus und sie fliegen, unter ihnen liegt das große und glitzernde Meer. Ikarus war so froh, dass er fliegen konnte, dass er so weit nach oben flog, dass das Wachs schmolz (Emilia S07d); Der Sohn fliegt los. Das hat ihm so Spaß gemacht, dass er vergessen hat, was sein Vater Dädalus gesagt hat. Dann flog er immer näher an die Sonne (Jelena S71m).

Henrik bringt in seiner Geschichte das Staunen und die Begeisterung über das Gelingen des ersten Fluges durch Wiederholungsfiguren zum Ausdruck (vgl. auch Diana, s.o.). In Emilias Text ermöglicht eine phonologische Wiederholungsfigur in Form einer Alliteration, sich den Anblick des Meeres aus der Perspektive der Fliegenden vorzustellen. Die

394

III. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

meisten Kinder schreiben sich in Korrespondenz zur Sage wie Jelena in (zum Teil mehrfach verschachtelte) metonymische Konsekutivsätze ein, die das Ausmaß der Freude am Fliegen vorstellbar werden lassen, indem sie es semantisch ersetzen.

Verzweiflung Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

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Er antwortete immer wieder weinend. (…) Er wollte sich selber töten, weil er dachte, Schuld zu sein… ….. Alle von der Insel wurden auch traurig, als sie das Ganze hörten (Djannah S54m); Doch eines Tages starb Ikarisa und es gab ein großes Trauerfest (Tanja S50d); Er war traurig. Er konnte nichts mehr tun, bis er starb (Nayo S93m).

Obgleich die meisten Sprachformen, die Verzweiflung ohne Hervorhebung thematisieren, nicht über das Ausmaß der Verzweiflung in der Vorgabe hinausgehen, sondern Dädalus‘ Trauer benennen (Er war traurig, Luise S58m) oder Handlungen, die Verzweiflung ausdrücken (Der Vater schrie, Isra S63m), oder – in Korrespondenz zum Ende der Sage – ausschließen, dass Dädalus jemals wieder glücklich wird (und Dädalus war nie mehr glücklich, Clifton S97m), erproben einige Kinder auch Sprachformen, die die Vorstellung von Verzweiflung erweitern, ohne sie hervorzuheben. Dabei kommen z.B. wie bei Djannah und Tanja die hohe Frequenz des Weinens, Schuld und Sühne oder die Anzahl der Trauernden (die sich auch in der Größe des Trauerfestes ausdrückt) oder wie bei Nayo die Leere in Dädalus‘ restlichem Leben zur Sprache. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Jetzt ist er ganz allein und traurig (Marko S43d); … ach, vor 5 Tagen ist Ikalus gestorben (Leona S73d); „Auf Kreta beim König Minus i…….ist er gestorben beim Fliehen“, stotterte er leise.  (Djannah S54m).

In den Sprachformen von Marko und Leona tragen Intensifikatoren oder Abtönungspartikeln dazu bei, dass das Ausmaß oder die Empfindung der Verzweiflung vorstellbar wird. In Djannahs Geschichte verdeutlichen graphische Elemente wie die Wiederholung von Buchstaben und Punkten, dass Dädalus so verzweifelt ist, dass er stottert, und ein trauriger Smiley intensiviert die Vorstellung von Verzweiflung, indem er diese bildlich zum Ausdruck bringt. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Der Vater schrie, warum, warum, wenn mein Sohn stirbt, dann sterbe ich auch (Isra S63m);

1. Sprachformen zur Sage

-

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Und weinte dabei. „Was“, und weinte dabei. In seinen Armen. Was ist passiert (…) Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht (Meryem S67m); Er flog wie wild herum vor Verzweifeln (Emma S04d).

In Isras und Meryems Texten verdeutlichen morphologische Wiederholungsfiguren die Fassungslosigkeit über den Tod des geliebten Menschen. Ein Chiasmus erzeugt in Isras Geschichte die Vorstellung, dass Dädalus‘ Verzweiflung so groß ist, dass der eigene Tod als einzige Lösung erscheint. In Meryems Text hebt die Erweiterung einer syntaktischen Einheit die Trauer und das Bedürfnis nach Trost hervor. Emmas Kombination aus Alliterationen und metaphorischem Vergleich erzeugt das Bild einer Verzweiflung, die an Wahnsinn grenzt.

Kunstfertigkeit, Ruhm und Reichtum Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

Er war berühmt und war Künstler und hat was aus Stein gemacht (Elizna S91m); Dädalus war ein reicher Maler (Joris S48d); Dädalus konnte Sachen brechen, zum Beispiel Holz (Maria S81m).

Eliznas, Joris‘ und Marias Sprachformen ermöglichen, sich vorzustellen, wie es ist, kunstfertig, berühmt oder reich zu sein, indem diese Erfahrungen direkt benannt werden oder eine Handlung beschrieben wird, die eine besondere (künstlerische oder handwerkliche) Begabung voraussetzt. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Dädalus konnte sehr gut Figuren aus Stein meißeln (Kai S41d); Er war sehr berühmt (Kabelo S87m); Die Insel war ziemlich reich. Weil Dädalus so ein toller Künstler war. Dadurch hatte die Insel richtig viel Geld (Tom S05d).

Kais, Kabelos und Toms Formulierungen befördern die Vorstellung von Dädalus‘ Begabung, seiner Berühmtheit oder seinem Reichtum durch Intensitätspartikeln und andere Intensifikatoren. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Er war ein Künstler. Er war nicht nur ein Künstler, sondern ein Bildhauer. Er war sogar ein berühmter Bildhauer (Micha S19d); Dädalus baute und baute bis er Roboter erschaffen hat (Adnan S100m); Er war so reich, dass er einen Palast kaufte (Farouk S82m).

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III. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

In Michas Geschichte wird Dädalus‘ Kunstfertigkeit vorstellbar durch die Wiederholung syntaktischer Einheiten als Parallelismus, der eine Steigerung enthält und in einer phonologischen Wiederholungsfigur, einer Alliteration, gipfelt, die Kunstfertigkeit und Ruhm vereint. Mit einer morphologische Wiederholungsfigur verdeutlicht Adnan, mit welcher Ausdauer Dädalus baut, um außergewöhnliche Werke zu schaffen. Farouks metonymischer Konsekutivsatz ermöglicht, sich vorzustellen, wie reich Dädalus ist.

2. Sprachformen zum Gemälde Liebe Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

Es war einmal ein Liebespaar (Heike G27d); Sie waren verheiratet. Domenick und Jessie hatten Hochzeitstag (Verena G85m); Sie haben auch ein Kind gekriegt (Jabar G55m).

Wie in den Texten von Heike, Verena und Jabar kennzeichnen Sprachformen, die Liebe nur thematisieren, zumeist das Verhältnis der beiden Menschen zueinander, das von Verliebtheit über Liebe bis zu Ehe und Elternschaft reicht. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Und es war wirklich ziemlich romantisch, es gab ja auch noch die Abendröte, die machte das alles noch viel romantischer (Tanja G50d); Die beiden Menschen sind ganz verliebt (Viola G03d); Eines Tages bekam Anna das Kind, sie haben sich so gefreut. Es war sooo süß. (…) Sie waren sehr glücklich mit ihm (Jelena G71m).

Tanja und Viola unterstreichen das Ausmaß der Liebe durch unterschiedliche Intensifikatoren. Die Hinzufügung von Buchstaben bei einem intensivierenden Adjektiv ermöglicht in Jelenas Text, sich vorzustellen, wie süß die Eltern ihr Kind finden. Auch die Freude über das gemeinsame Kind kann hier als Ausdruck von Liebe verstanden werden. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Sie schauen auf die Stadt und halten Händchen (Lene G60m); … und zwischen den beiden herrscht Liebe (Meik G74d); Besonders fiel ihm eine Frau auf (Ben G51d).

2. Sprachformen zum Gemälde

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Durch die Kombination einer phonologischen und einer morphologischen Figur in Form von Alliteration und Derivation wird in Lenes Geschichte vorstellbar, wie verliebt die beiden Figuren auf dem Segler sind. Meik veranschaulicht das Ausmaß der Liebe durch ein Phrasem, das die Macht der Liebe zum Ausdruck bringt. Die Umstellung syntaktischer Elemente hebt in Bens Geschichte die besondere Aufmerksamkeit des Mannes auf eine Frau hervor.

Gefahr und Rettung oder Verderben Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

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Plötzlich blitzte und donnerte es. Eine Flamme entstand vor ihnen. Sie erschraken (Djannah G54m); … ich muss sie retten. Er sprang ins Wasser. Er schwamm zu seiner Frau Anna. Er macht den Kleber auf, also ab. Er macht das Seil ab. (…) Er nahm sie raus, [in ein] paar Minuten stand sie wieder auf (Jelena G71m); ... und sie gehen unter. Und sterben, bevor sie auf Sylt angekommen sind. Ende (Finnjan G76d).

Indem Djannah das Unwetter mit seinen Auswirkungen und die Reaktion der Figuren benennt, wird vorstellbar, wie es ist, einer Gefahr ausgesetzt zu sein. Während Jelenas Beschreibung einer Rettungsaktion ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, gerettet zu werden, thematisiert Finnjan Untergang und Tod. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Mrs. Puff sagte: „Aber bei{m} Italien gibt es viele Räuber!“  (Merik G83m); … und ausgerechnet dort, wo die großen Felsen sind, fuhren sie entlang (Emilia G07d); Er war richtig tapfer (Jayne, SF11d).

In Meriks Geschichte weist ein unglücklicher Smiley nachdrücklich daraufhin, dass die Anwesenheit von Räubern für besonders bedrohlich gehalten wird. In der Sprachform von Emilia wird durch eine Gradpartikel vorstellbar, wie gefährlich die Situation ist. Durch ein intensivierendes Adjektiv, das die Tapferkeit des Retters hervorhebt, vermittelt Jayne, wie es ist, jemanden zu retten bzw. gerettet zu werden. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Dann passierte was, die hatten Kanonen und schießen andere Gegner ab (Ken G101m);

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III. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

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„Victor? Ich hol dich da raus. Ich hol‘ am besten den Schlüssel.“ Sie ging in das Haus und hörte schon – Wird sie es schaffen? (Carla G01d); Nun waren sie auf dem weiten Meer gefangen (Lina G33d).

Durch eine Andeutung vermag Kens Sprachform Neugier auf das, was passieren wird zu erzeugen, und dadurch die Vorstellung des folgenden Angriffs zu verstärken. In Carlas Text wird mit einer an Lesende gerichtete Frage die Spannung gesteigert, indem sie die Gewissheit über den Ausgang eines Rettungsversuchs hinauszögert. Lina schreibt sich im Kontext des Bildes sogar in eine semantische Tilgungsfigur in Form eines klassischen Oxymorons ein, die die Gegensätze von Weite und Gefangenschaft (die einen begrenzten Raum impliziert) miteinander verbindet und dadurch die Vorstellung einer besonders weitgreifenden Gefahr erzeugt.

Weite Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

Sie beschlossen, davon zu segeln. (…) Wir sind in Amerika (Meryem G67m); Das wird eine lange Schiffsfahrt (Mats G68d); Die Reise hat [ein] paar Monate gebraucht (Jelena G71m).

Etliche Kinder eröffnen wie Meryem, Mats und Jelena durch die Angabe weit entfernter Orte (aus der Perspektive deutscher Schülerinnen und Schüler z.B. Paris, New York, England oder Asien), der Länge des Weges oder der Fahrzeit in ihren Geschichten eine Vorstellung von Weite. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

… und schwammen immer weiter (Anoop G99m); … ganz weit weg waren sie (Elizna G91m); Oh, sagte der Mann, sehr weit weg (Niko G17d).

Indem Anoop, Elizna und Niko durch Intensifikatoren oder eine Interjektion die Endlosigkeit oder Länge des Weges betonen, wird die Weite (des Weges) vorstellbar. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Aber sie sahen weit und breit kein Land (Niko G17d); … wir sind um die ganze Welt gereist (Leona G73d); Wie viel Zeit ist schon vergangen, seitdem er mich mitgenommen hat? Sie wusste es nicht mehr. Nach 150 Tagen hatte sie aufgehört zu zählen (Paula G30d).

2. Sprachformen zum Gemälde

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Durch eine tautologische Zwillingsformel, die sich reimt, erzeugt Nikos Sprachform die Vorstellung einer endlosen Weite des Meeres. Leona eröffnet die Vorstellung von Weite durch ein Phrasem, das den weitmöglichsten Weg zum Ausdruck bringt, den man auf der Welt zurücklegen kann. Auch Paulas Angabe einer sehr langen Zeitspanne, die sich ins Ungewisse ausdehnt (was sie metonymisch zum Ausdruck bringt: so lange, dass sie sich nicht mehr erinnern kann), ermöglicht, sich vorzustellen, wie weit das Schiff gefahren ist.

Heimat und Fremde Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

Nein, komm jetzt, wir reisen wieder nach Hause (Tabitha G57m); Sie haben ein Haus gekauft (Havin G59m); Deswegen beschlossen sie zur U.S.A. zu reisen, weil es dort Frieden gab, alles dort schön ist (Samet G52m).

Indem Tabitha die Rückkehr in die Heimat, Havin die Gründung eines neuen Heims oder Samet den Grund für einen Umzug an einen fremden Ort thematisiert, wird eine Vorstellung von Heimat oder Fremde eröffnet. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

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Er wohnte an einem sehr schönen Ort, aber er war nicht glücklich (Alexa G77d); Kannst du Englisch sprechen. Ehrlich gesagt, nein, nicht so gut. Ist doch egal, Mari, wir schaffen‘s schon, denn ich kann Englisch. Ich weiß nicht, vielleicht sollten wir mit niemandem sprechen (Meryem G67m); Der Mann sagte, warum, wir leben doch schön hier in London. Ja, aber in Paris leben wir noch schöner (Micha G19d).

In Alexas Geschichte wird durch eine Intensitätspartikel vorstellbar, wie schön die Heimat ist (das Unglück des Helden tritt dadurch umso deutlicher hervor). In Meryems Sprachform spiegelt sich die (sprachliche) Unsicherheit im fremden Land in Intensifikatoren und Abtönungspartikeln wider. Durch Abtönungs- und Gradpartikeln verdeutlicht Micha den Unterschied zwischen Zufriedenheit in der Heimat und dem Bedürfnis, an einen anderen Ort zu ziehen. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Und sie hatten ein Haus  zu[m] Glück (Merik G83m);

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III. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

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Haben wir alles. Ja. Sehen wir nochmal nach. Gut. Haben wir Brot. Ja. Haben wir Wasser. Ja. Haben wir Klamotten. Ja. Wir haben alles, auf geht’s (Meryem 67m); Sie waren froh, Hamburg zu sehen, es hat sich viel geändert. Es ist viel los, viele Menschen, viele Autos, viele Bäume, schön ist es, in Hamburg zu sein (Toni G24m).

In Meriks Geschichte wird durch eine explizite Wertung vorstellbar, wie es ist, in der Fremde ein Haus zu finden. Durch eine syntaktische Wiederholungsfigur, einen Parallelismus, verdeutlicht Meryem die Sorge, die mit einem Aufbruch in die Fremde verbunden ist. In Tonis Sprachform ermöglicht dieselbe Figur in Kombination mit einer Figur der syntaktischen Umstellung (einer Topikalisierung), sich vorzustellen, wie es ist, nach langer Zeit in die Heimat zurück zu kehren.

3. Sprachformen zur Figur Heldenhafte Eigenschaften Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

Im Reich der Löwen lebte ein kleiner besonderer Löwe (Helle F37d); Er guckt sich im Spiegel an. Er braucht keine Brille mehr. Er hatte Muskeln gekriegt. (Munira F89m); Die Meerjungfrau hieß Arielle. Sie war die Schönste in Atlantis. Alle haben sie beneidet und bejubelt. Sie schrien alle, ja, Arielle (Jayne F72d).

Indem Helle, Munira und Jayne die Besonderheit des Löwen, Spidermans Seh- und Muskelkraft oder das Ausmaß der Schönheit Arielles und die Reaktionen, die ihr Anblick bei anderen auslöst, benennen, ermöglichen sie, sich vorzustellen, wie es ist, ein Held mit besonderen Eigenschaften zu sein. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Aber Arielle ließ sich nicht fangen, sie war einfach zu schlau (Viola F03d); Tief im dunklen Märchenwald lebte ein wunderschönes Mädchen mit dem Namen Rotkäppchen (Keona F34m); Schon bald merkten sie, wie unglaublich stark Pippi war. Sie konnte sogar ihr Pferd Kleiner Onkel in die Luft heben (Anna F08d).

3. Sprachformen zur Figur

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In den Sprachformen von Viola, Keona und Anna wird durch unterschiedliche Intensifikatoren vorstellbar, wie schlau Arielle, wie schön Rotkäppchen und wie stark Pippi Langstrumpf ist. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

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Aber er war kein gewöhnlicher Löwe, er war der König der Löwen (Adnan F100m); Meine Brieffreundin heißt Pippi Langstrumpf. Sie ist ein sehr seltsames Mädchen. Das Besondere an ihr ist vieles. 1. Zwei vom Kopf abstehende Zöpfe. 2. Sie hat richtige Clownsschuhe. 3. Sie ist stärker als der stärkste Mann der Welt. 4. Sie wohnt vater- und mutterseelenallein (Tanja F50d); Spinnenmann, der schlechteste Superheld der Welt. (…) Der Einbruch war eine Leichtigkeit für sie, hört selbst. Komm in das Haus, sagte Kong-Ching zu Spinnenmann. Sie klingelten an der Tür und liefen weg, das war der Einbruch für sie. Ihr denkt bestimmt, die sind nur dumm und faul, aber……………………………………………………………………. aber das waren sie ja auch. Sie waren dumm und faul, das muss man sagen. Ich muss noch mehr von KongChing und Spinnenmann /erzählen/. Eigentlich gibt es nicht viel zu erzählen, weil sie {sind} nur dumm und faul [sind] und die schlechtesten Superhelden der Welt eben (Hans F18d).

In Adnans Formulierung wird die Besonderheit des Löwen durch syntaktisch parallele Gegenüberstellung von Gegensätzen vorstellbar. Tanja zählt vier Besonderheiten von Pippi Langstrumpf auf, von denen die letzte verdeutlicht, wie selbstständig Pippi lebt, indem Tanja sich an einem Neologismus versucht, der eine bekannte Komposition von Wörtern (mutterseelenallein) überträgt auf eine neue (vaterseelenallein). Hans dagegen erzählt von einem Antihelden. Durch eine semantische Tilgungsfigur, ein Oxymoron, wird schon in der Überschrift hervorgehoben, wie schlecht Spinnenmann ist. Voller Ironie berichtet Hans Lesenden von Heldentaten, die keine sind, wiederholt mehrfach, dass Spinnenmann und sein Freund Kong Ching dumm und faul sind, und stellt schließlich fest, dass es nichts zu erzählen gibt. Der besondere Reiz liegt im Bruch mit dem bekannten Muster des Superhelden. Besonders nah rückt das Dargestellte dadurch, dass Hans die Leser direkt anspricht und den Erzählvorgang thematisiert.

Gefahr und Rettung (oder Verderben) Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren:

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III. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

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Da taucht plötzlich {im} der Wolf [auf]. Er schlich sich hinter das Mädchen (Elizna F91m); Als sie die Kiste öffnet, war da ein Geist. Pippi sagte hallo & Annika schrie nur & Tommy sagte okay und war überrascht (Nelly F29d); Endlich konnte sie sich die Wurzeln schnappen, die sie brauchte, um Räuber Hotzenplotz in einen Menschen zu verwandeln (Heike F27d).

Indem Elizna und Nelly eine Gefahr und Nelly auch unterschiedliche Reaktionen darauf benennen oder Heike eine Möglichkeit der Rettung thematisiert, wird vorstellbar, wie es ist, in Gefahr zu sein oder jemanden retten zu können. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

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Oh Gott, sagte Arielle, denn das ganze Wasser wurde zu Eis. Der Strand wurde zu Eis. Jetzt ist der Winter da und ich kann nicht mehr ins Wasser. Oje, was soll ich jetzt nur machen (Anke F02d); Dann ging Räuber Hotzenplotz in den Tante-Emma-Laden, dort war eine alte Dame. Räuber Hotzenplotz sagte: „Her mit der Kohle!“ Die Dame stotterte: „Bb-bitte t-t-tu mir nichts“ (Marko F43d); Plötzlich hörten sie ein Brüllen! Mufasa war in eine Falle von Wilderern gefallen. Simba galoppierte gleich dem Gebrüll entgegen. Da hing Mufasa nun an einem Baum. Simba krallte sich an dem Netz fest. Er biss das Netz auf und Mufasa war frei. Simba und Mufasa waren überglücklich (Lina F33d).

Die Sprachformen von Anke und Marko ermöglichen, sich durch Interjektionen, Abtönungspartikeln oder Wiederholung von Buchstaben, die Stottern zum Ausdruck bringen, das Entsetzen angesichts einer Gefahr vorzustellen. Mit einem Ausrufezeichen hebt Lina die Bedeutsamkeit eines Ereignisses hervor, das darauf hindeutet, dass jemand in Gefahr ist, und mit einem intensivierenden Präfix bringt sie das Ausmaß der Freude über die Rettung zum Ausdruck. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Immer hat jemand, Hilfe, Hilfe, gerufen, doch dann war es zu spät und /er/ konnte die Frau nicht retten (Mats F68d); Es hätte wohl niemals diesen Kampf gegeben, wenn nicht… aber ich will nicht zu viel verraten. Denn hört selbst (Carla F01d); Du musst, wenn du zu Großmutter gehst, durch den Wald, pass gut auf dich auf, nimm dich vor dem bösen Bären in Acht (Annika, FA09d).

Durch eine morphologische Wiederholungsfigur ermöglicht Mats‘ Sprachform, sich vorzustellen, wie groß die Not ist, wenn man sich in Lebensgefahr befindet. Mit einer Andeutung, dass es zu einem Kampf gekommen ist, und direkter Leseransprache hebt

3. Sprachformen zur Figur

403

Carla die Gefahr hervor und steigert die Neugier und Anteilnahme Lesender am Geschehen. In Annikas Geschichte ermöglicht eine semantische Wiederholungsfigur, mit der die Mutter Rotkäppchen eindringlich warnt, und eine Alliteration, sich die Gefahr, die von dem Bären ausgeht, vorzustellen.

Kampf gegen das Böse Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

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Der böse Onkel (…) aber hatte [einen] bösen Bruder. Mufasa, der König, starb, weil sein Bruder ihn schubste. (…) Er ging nach Hause und besiegte seinen Onkel (Adnan F100m); Dann haben die gekämpft: Spiderman vs. Sandmann. Und dann kam ein schwarzer Spiderman. 2 gegen 1. Aber dann kam Peters bester Freund. Dann kämpften: Harry/Spiderman vs. Sandmann/[schwarzer Spiderman] (Jamie F64d); Er sagt, dann lass uns den Wolf jagen. Ja, sagte Rotkäppchen. Noch 18 Meter, sagte Rotkäppchen. Und freute sich, dass der Wolf bald tot ist. (…) Er erschoss den Wolf in [den] Bauch, alles fliegt raus, die Großmutter kletterte raus, alle feierten glücklich (Lara F56).

Indem Adnan, Jamie und Lara Gegner (und böse Taten) benennen, eine Gegenüberstellungen von Held und Gegner thematisieren oder erzählen, dass der Feind besiegt wird, auf welche Art und Weise dies geschieht und welches Glück die Sieger empfinden, wird vorstellbar, wie es ist, gegen das Böse zu kämpfen und es zu besiegen. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

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Die hatten einen Erzfeind namens: Geezer. Die Avengers kämpften gegen Geezer, aber er war viel zu stark. Spider-Man ist ausgerastet. Er hat seine Farbe verändert und hat ihn besiegt (Farouk F82m); … die Polizei strahlte vor Freude, noch nie haben sie so viel Geld gesehen. Sie nahmen das Geld und waren glücklich. Klop rief laut: „Und was ist mit meiner Hose???“ (Alea F31d); Spiderman wollte kämpfen. Aber es war zu heiß. Es war Sommer. Deshalb war Spiderman den ganzen Sommer zu Hause (Clifton F97m).

Durch Intensifikatoren ermöglicht die Sprachform von Farouk, eine Vorstellung von der Art des Feindes und seiner Stärke zu gewinnen. Mit der Wiederholung von Satzzeichen hebt Alea das Entsetzen hervor, dass der Besiegte empfindet. In Cliftons Geschichte

404

III. Sprachformen für vorgestellte Erfahrung

hingegen wird durch eine Intensitätspartikel vorstellbar, warum es nicht möglich ist, zu kämpfen. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

Statt in der Schule zu sitzen, rettet er die Welt. Verjagt Bösewichte und Gangster aus der Stadt (Jabar F55m); Aber was war das, ein Netz fiel von dem Baum herunter, wo Räuber Hotzenplotz war (Bolko F36d); Er hat nach hinten geguckt, da war nichts, hat er wieder nach vorne geguckt, da war er (Arbesa F96m).

Jabars Sprachform eröffnet durch Hyperbel und Synonymie eine Vorstellung vom Erfolg des Helden. Mit einer Andeutung erzeugt Bolko Neugier und hebt die Überraschung des Gegners hervor, als dieser besiegt wird. Eine syntaktische Wiederholungsfigur ermöglicht in Abesas Geschichte, sich in den Helden hineinzuversetzen und sich vorzustellen, wie schwer es ist, den Gegner im Kampf im Blick zu behalten.

Freiheit und Selbstbestimmung Beispiele für Sprachformen, die vorgestellte Erfahrung ohne Hervorhebung thematisieren: -

Pippi macht das, was sie will (Finnjan F76d); … und sie hat das Schloss aufgebrochen, ist weggeschwommen (Arbesa F96m); … aber der Sohn tat nicht, was sein Vater wollte (…) und einmal schlich der Sohn nach draußen und da hat er neue Freunde gefunden und sah Timon und Pumbaa und dann blieb der Sohn bei denen, bis er groß geworden ist (Silvia F16m).

Finnjans Formulierung ermöglicht, sich vorzustellen, wie es ist, selbst zu entscheiden, was man tut. Arbesas und Silvias Sprachformen eröffnen eine Vorstellung von Freiheit und Selbstbestimmung, indem sie thematisieren, dass Arielle sich selbst befreit bzw. Simba (der Sohn) sich über ein Verbot hinwegsetzt und von Zuhause auszieht. Beispiele für instrumentelle Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

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Heute durften Annika und Tommy bei Pippi übernachten. Alle waren sehr aufgeregt, weil sie dann alleine sind und alles machen können, was sie wollten (Stella F46d); „Maaamaa! Ich will raus aus dem Dschungel.“ „Aber wir haben es doch gut hier und brauchen nichts!“ „Nichts?“, wiederholte er. „Mir ist sooo langweilig!“ (Noema F32d);

3. Sprachformen zur Figur

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In der Zelle denkt Räuber Hotzenplotz darüber nach, wie er aus dem Gefängnis kommt. Nach einer halben Stunde fällt ihm etwas ein. Er könnte doch in der Nacht die Gitterfenster raushebeln (Marko F43d).

Durch eine Intensitätspartikel bringt Stella zum Ausdruck, wie aufregend es ist, einen Tag lang selbst zu bestimmen, was man tut. In Noemas Geschichte betonen Hinzufügungen von Buchstaben Dringlichkeit und Grund des Wunsches, die vertraute Umgebung zu verlassen. Marko steigert mit der Andeutung einer Möglichkeit der Befreiung die Neugier und Anteilnahme von Lesenden. Beispiele für literarische Hervorhebungen von vorgestellter Erfahrung: -

… und alle waren glücklich, bis das Mädchen namens Lala allein in die große Welt gegangen ist (Leona F73d); Pippi außer Rand und Band (…) Wie es dann zu dem Titel „Pippi außer Rand und Band“ kommt, das erzähle ich dir jetzt (Tanja F50d); … und dann war Rotkäppchen tot. Ihr Geist flog herum wie ein Vogel (Hayal F98m).

Indem sie mit einer semantischen Erweiterungsfigur die Größe der Welt im Gegensatz zu einem (kleinen) Mädchen darstellt, ermöglicht Leona, eine Vorstellung von Freiheit und Selbstbestimmung zu gewinnen. In Tanjas Geschichte bringt eine semantische Wiederholungsfigur in Form eines klassischen Hendyadions Pippi Langstrumpfs Zügellosigkeit und ihre Art, selbstbestimmt zu leben, zum Ausdruck; indem sie die Erzählwürdigkeit thematisiert, hebt die direkte Leseransprache die Besonderheit von Pippis Verhalten hervor. Auch das Bild des umherfliegenden Geistes nach Rotkäppchens Tod in Hayals Geschichte vermag eine Vorstellung von Freiheit zu vermitteln.

IV. Sprachformen für Ereignisfolgen 1. Sprachformen zur Sage Meisterlehre bis Flucht (alle erprobten Sprachformen) 155 Sage

Nun hatte er einen Schüler. Dem brachte er bei, wie man den Stein schlug, wie man bohrte, wie man schmirgelte und Maß nahm, sodass alles genau passte. Es war viel Arbeit. Dieser Schüler, der konnte es bald noch besser als Dädalus. Der Schüler erfand nämlich auch Werkzeug. Man sagt, er habe den Zirkel erfunden, mit dem man Kreise schlagen kann; man sagt, er habe die Säge erfunden. Da wurde Dädalus neidisch. Er gönnte dem Schüler nicht, dass er auch so viel konnte; und er hatte Angst, dass der Schüler besser sein würde als er selber. Er wurde eifersüchtig. Dädalus hasste diesen Jungen so sehr, dass er ihn eines Abends oben von den Felsen der Burg in die Tiefe stürzte, sodass er tot war. Dädalus musste die Stadt verlassen; er musste fliehen. Er floh weit über das Meer bis er an eine große Insel kam.

Sprachformen in Konkretionen

Aber er hatte noch einen Schüler. Da hieß es, dass er den Zirkel und die Säge erfunden hat. Dädalus wurde neidisch und warf ihn über die Mauer in den Graben, da lag er tot. Dädalus musste fliehen. Er floh übers Meer und kam auf einer Insel an (Niko S17d) … und da gab es einen Jungen und er dachte, er ist schlauer und kann alles besser. Dädalus war eifersüchtig und warf den Jungen in {der} [die] Schlucht. Er war tot, musste {den} [das] Land verlassen. Er ist {in} [auf] einer Insel gelandet (Arbesa S96m) Eines Tages hatte er einen Schüler. Dädalus zeigte ihm, wie man Figuren in den Stein {schnitzen} [schnitzte]. Aber von Minute zu Minute wurde der Schüler besser als er. Der Schüler wurde nun auch berühmt. Dädalus wurde neidisch. Und als er mit dem Schüler am Abhang stand. Da schubste Dädalus seinen Schüler runter, den steilen Abhang runter, und der Junge war tot. Da musste Dädalus fliehen. Er floh über Wasser und Inseln. Bis er auf einer Insel von einem König angenommen wurde (Emma S04d) Eines Tages bekam Dädalus einen Schüler. Dädalus brachte ihm alles bei, doch bald war der Schüler besser als er und Dädalus warf ihn aus dem Fenster. Dädalus musste fliehen, er kam auf eine Insel (Anna S08d) Eines Tages bekam er einen Schüler. Er lehrte ihn, mit dem Meißel umzugehen und mit dem Hammer umzugehen. Sein Schüler wurde immer besser, irgendwann erfand er sogar die Säge. Das reicht Dädalus. Er schubste ihn von der Mauer. Nach diesem Mord wurde er von der Stadt vertrieben. Irgendwann fand er eine Insel, wo er bleiben durfte (Diana S11d)

155

Raumwechsel, die sich Figuren vorstellen, wünschen oder vornehmen, werden nur markiert, wenn sie vollzogen werden, ohne dass sie in der Geschichte noch einmal explizit genannt werden.

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IV. Sprachformen für Ereignisfolgen Eines Tages bekam Dädalus einen Schüler, er war dann sogar besser als Dädalus. Dann wurde Dädalus eifersüchtig und schubste den Schüler den Felsen hinunter. Dann musste Dädalus fliehen, weit über das Meer. Dann kam Dädalus auf eine Insel (Olga S14m) Er hatte einen Schüler. Dädalus lehrte ihn, bis er es konnte. Aber der Schüler war nicht mehr der Schüler, sondern der Lehrer. Das hat Dädalus gar nicht gefallen. Er tötete ihn (Alsan S38d) Eines Tages kriegte Dädalus einen Schüler, der wurde von ihm unterrichtet. Der wurde viel besser als er. Dädalus hasste ihn und warf ihn die Klippen runter, er war tot. Dädalus musste fliehen. Er floh und floh und kam auf eine Insel (Fabian S47d) Nach kurzer Zeit hatte er einen Schüler. Einige Tage später, da war der Schüler besser als sein Lehrer. Dädalus war eifersüchtig. Dann, eines Tages, war Dädalus sauer und hat {er} ihn von den Klippen geschubst {ihn}. Da ist Dädalus davongelaufen. Er hat eine Insel gesehen (Ariana S62m) Einige Zeit hat er einen Schüler bekommen. Eines Tages war der Schüler besser als Dädalus, da war Dädalus sehr eifersüchtig, an dem Abend schmiss er seinen Schüler vom Felsen. Der Schüler starb, dann musste Dädalus fliehen. Dann war er auf der {der} Insel Kreta (Jelena S71m) Er hat einen Schüler. Dädalus zeigte ihm alles und {lernte} [lehrte] ihn alles, was er kann. Später dachte {Dikarus} [Dädalus]: dass der Schüler besser als er wird. 11 Monate später wurde plötzlich der Schüler besser als Dädalus. Dädalus wurde neidisch. Er tötete den Schüler und ging. Er ging zu einer Insel (Malia S79m) Er hatte einen Helfer. Er hieß Leo. Er konnte viel mehr als Dädalus. Dädalus wurde eifersüchtig. Er hat zu Leo gesagt, komm mir nach. Leo ist ihm nachgegangen. Sie waren draußen. Dädalus hat Leo runtergeschubst in der Schlucht bis er starb. Dädalus hatte Angst, dass jemand sieht. Er ist weggereist zu einer Insel (Nayo S93m) Dann bekam er einen Schüler, er wollte auch Figuren aus Stein machen. Er konnte es schon sehr gut. Eines Tages aber machte der Schüler so gute Dinge aus Stein, dass er es besser konnte als Dädalus. Dädalus wurde neidisch und eifersüchtig. Dann stieß Dädalus den Schüler aus seinem Labor (das Labor stand auf einem Berg), sodass er starb. Dädalus musste fliehen, er floh über das Wasser, bis er auf eine Insel kam (Emilia S07d) Er hatte einen Schüler. Als er ihn noch länger hatte und [ihm] genügend beigebracht hatte, so wurde er neidisch. Er wurde so gut, dass Dädalus ihn vom Berg hinunterwarf. So floh er und wurde bald auf einer Insel aufgenommen (Annika S09d) Doch eines Tages bekam er einen Schüler und er wurde bald besser als Dädalus. Dädalus wurde eifersüchtig und neidisch, sodass er eines Tages den Jungen von seinem hohen Berg schubste, so doll, dass er tot war. Dädalus musste seine Heimat verlassen. Er zog auf die Insel Kreta (Lilja S12m) Er hatte auch einen Lehrling. Er wurde hoch geehrt. Doch sein Lehrling wurde auch nicht schlecht. Man sagte sich, er hätte die Säge erfunden. Der Bildhauer wurde neidisch, würde er besser als er werden? Nein, das durfte nicht passieren. Und so voller Neid stieß er den Jungen den steilen Abgrund der Felsen runter. Er wusste, dass man da schlecht überleben kann. Nun aber musste er fliehen. Die Menschen waren wütend. Weil er ja einen Mord begangen hatte. Voller Angst schwamm er zu einer Insel (Noema S32d) Und weil er so gut war, hatte er auch einen tollen Schüler. Mit der Zeit wurde aber der Schüler besser als Dädalus und Dädalus wurde furchtbar eifersüchtig! Weil sein

1. Sprachformen zur Sage

409

Schüler die Säge und andere wichtige Sachen erfunden hatte, hat Dädalus ihn vom Berg geworfen. Er hatte eine schlimme Verletzung, aber zum Glück lebt er noch. Aber Dädalus wurde aus der Stadt verjagt, also floh er aus seiner Heimat und ging {zu} [nach] Kreta (Keona S34m) Gerade hatte er einen Schüler. Dädalus brachte ihm bei, {wie man} mit Hammer und Meißel zu arbeiten und Steine zu schlagen. Der Schüler war jetzt besser als Dädalus, er erfand auch Werkzeug wie Säge oder so. Dädalus wurde böse, sehr böse, er wollte nicht, dass sein Schüler besser als er wurde. Deswegen schlug er seinen Schüler die Klippen ins Meer runter, sodass er tot war. Dädalus musste fliehen, weit weg. Er reiste übers Meer und stieß auf eine Insel (Lola S40d) Wie gesagt, er war sehr berühmt, bis er einen Schüler bekam. Dädalus brachte ihm alles bei, was er eben wissen musste. Doch dann war der Schüler besser als er selber. Dann wurde Dädalus neidisch, sodass er seinen Schüler von dem Berg warf. Und der Schüler starb. Dädalus musste fliehen, er musste weg! Dann segelte er übers Wasser, bis er an einer Insel namens Kreta ankam (Maja S44d) Eines Tages bekam er einen Schüler. Er brachte ihm alles bei, was er wusste. Eines Tages war der Schüler fast so schlau wie er und plötzlich wurde er neidisch, sodass er ihn vom Berg in die Tiefe stürzen ließ und er war tot. Schnell floh Dädalus weit weg übers Meer davon, bis er auf Kreta war (Lia S45d) Eines Tages bekam er einen Schüler. Dädalus brachte ihm alles bei, was man als Künstler so machen muss. Irgendwann war der Schüler sogar noch besser. Dädalus wurde eifersüchtig und eines Nachts warf er den Schüler eine Klippe runter, dass er starb. Aber dann wusste er, dass er fliehen musste. Er floh bis nach Kreta (Ben S51d) Eines Tages bekam Dädalus einen Schüler. Er brachte seinem Schüler so viel bei, dass der Schüler, eines Tages war der Schüler besser als Dädalus. Man sagte, dass der Schüler den Hammer erfunden hatte und die Säge. Da wurde Dädalus eifersüchtig. Deswegen schubste Dädalus seinen Schüler von seinem Berg und er war tot und danach wollte er fliehen auf eine Insel namens Kreta (Samet S52m) Dädalus hatte einen Schüler, aber eines Tages aber war der Schüler besser als er selber. Man sagte, er hatte die Wasserleitung erfunden. Dädalus hasste diesen Schüler so sehr, dass er ihn getötet hätte und das hat er auch getan. Er reiste dann in ein anderes Land über die Meere und dann landete er an der Insel Kreta (Luise S58m) … der hatte einen Schüler. Der Schüler hat ihn so genervt, dass Dädalus ihn von einer Klippe heruntergeworfen hat. Dann musste Dädalus fliehen und auf eine andere Insel (Mats S68d) Eines Tages hatte ein Mann namens Dädalus seinen Schüler getötet, weil, er hatte Angst, dass er besser als er wird. Dann vom Berg runter geschmissen, dann musste er die /Stadt/ verlassen (Tamim S69m) Er ging zu seinem Schüler und sagte, ich bringe dir Kunst bei. Da war Dädalus neidisch und so starb der Schüler (Elizna S91m) Und er hatte Angst, dass sein Schüler noch besser ist. Und darum reist er {am} [zu einem] Land und er ist angekommen (Kendrik S25d) Er hatte einen Schüler und der Schüler war besser als der Meister, also der Maler. Dädalus dachte, der Schüler wär‘ besser als Dädalus, also schmiss Dädalus den Schüler von dem Berg. Er ging aus der Stadt. Er reist übers Meer, er war auf der Insel Kreta (Joris S48d)

410

Sprachformen in Variationen

IV. Sprachformen für Ereignisfolgen

… und er hatte zwei Schüler. Die beiden waren besser als Dädalus. Der schubste die aus dem Fenster. Die waren tot. Er flog zu einer anderen Insel (Alex S49m) Er war nicht glücklich und zufrieden, wo er wohnte. Er hatte viele Freunde. Er hat gedacht, hmmm, ich habe viel Geld und könnte umziehen? „Ja“, ich ziehe um, sagte er. Er ist umgezogen (Nina S94d) Doch eines Tages wollte Ikarus abhauen (Viola S03d) Naja, auf jeden Fall da dachte Dädalus, ich will mal woanders hin, und er packte seine Sachen und fuhr nach Paris (Helen S13d) Doch eines Tages wollte Dädalus zu einem anderen Land gehen und mit einem Flugapparat ist er mit seinem Sohn geflogen. Und bald landeten sie auf einer Insel (Silvia S16m). Er hatte ein schönes Leben, bis ein Junge das Gleiche machen wollte. Er wurde Dädalus‘ Lehrling. Dädalus bringt Minos alles bei, was er konnte. Aber Dädalus merkte, dass Minos mehr Kunstwerke bauen müsste. Dädalus wurde neidisch. Eines Tages sagte Dädalus zu Minos, du musst aufs Meer fahren und den Himmel abmalen. Nicht abmalen, sondern als Bild hauen. Minos machte, was Dädalus sagt. Er war jetzt auf dem Meer. Minos hat nicht gemerkt, dass das Ganze eine Falle ist. Er ging unter. Dädalus war froh (Micha S19d) Eines Tages kam ein anderer Holzfäller, er war noch fleißiger als Dädalus. Der andere Holzfäller hieß Ikarus. Dädalus war sauer, er wollte der Beste sein, da beschloss er, Ikarus ins Wasser zu locken und tot sei. Eines Tages war Ikarus tot. Die anderen Menschen fanden Dädalus gemein, {sie sagten:} „Dädalus soll fliehen“, schrien alle. Dädalus fing an zu weinen. Und floh (Alea S31d) Nach einem Jahr suchte das Land ein Krieg heim. Er floh nach Afrika (Marko S43d) … doch eines Tages bekam Ikarus einen Bruder, der hieß Ikaria und als die Dämmerung kam, ist die Mutter in das Zimmer reingekommen und hat nur Ikaria Gute Nacht gesagt. Ikarus war sauer. Er beschloss, für 5 Monate hinaus in die weite Welt zu gehen (Amanda S66d) Und dann klopfte es an der Tür. Dädalus sagte, herein. Dann sagte der Junge, ich möchte hier arbeiten. Dann hat er angefangen. Dann war er besser als Dädalus. Dann, in der Nacht, hat er ihn aus dem Fenster geworfen und [am] nächsten Morgen ist er geflohen und sein Hund jaulte. Dann sagte er, ich komme wieder, ich möchte weg, aber schnell. Dann ist er {zu} [nach] Kreta gefahren (Leona S73d) Dädalus hatte einen Schüler. Der Schüler war fast besser als er selber. In der Nacht hat er ihn von der Klippe geworfen. Er wurde verwundet (Niklas S75d) Er hatte einen Schüler namens David. Er brachte ihm viel bei. Es dauerte lange, bis er das verstand! David war berühmter. Dädalus sprach zu ihm: „Komm doch mal zu mir, David!“ David machte es. Dädalus nahm ein Messer, stach ihn, David starb. Dädalus flüchtete aus dem Land (Adin S86m) Eines Tages bekam er einen Schüler. Der Schüler hat viel gelernt und wurde besser als Dädalus. Dädalus wurde eifersüchtig. Dädalus fragte: „Soll ich dir ein Glas Wasser geben?“ „Ja“, antwortet der Schüler. Dädalus hat ihm das Wasser vergiftet. Gab es ihm, der Schüler fiel tot um. Dädalus ist verreist {zu} [nach] Kreta (Kabelo S87m) Dann hatte [er] einen Schüler, der wollte auch so wie Dädalus werden. Aber der Schüler war so schlecht. Das gefiel Dädalus gar nicht. Dädalus nahm seinen Hammer und haute damit dem Schüler auf den Kopf, sodass er tot umfiel. Dann wurde

1. Sprachformen zur Sage

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Dädalus von der Insel weggescheucht. Zum Glück hatte Dädalus ein Boot. Damit ruderte und ruderte [er], bis er auf Land stieß (Johannes S15d) Einmal kam ein Junge, er hieß Tet. Tet wollte das auch können. Flib brachte ihm bei, wie das geht. Tet lernte immer mehr und mehr. Tet war dann besser als Flib. Tet erfand auch einen Zirkel und die Säge. Flib fand das doof und darum nahm er ihn an die Hand und brachte ihn mit seinen Gespensterkräften auf eine einsame Insel. Und ging mit seinen Gespensterkräften wieder zurück. 2. Kapitel Die Flucht Als er wieder zu Hause war, fiel ihm ein, dass er Ärger kriegen würde, deshalb ging er auf die Insel Takatuka (Rafael S23d) Dädalus hatte einen Schüler. Auch er hieß Dädalus. Es war sehr viel Arbeit, es dem Schüler beizubringen. Aber jetzt hat er es geschafft. Oh nein! Der Schüler konnte es viel besser als er selber. Der Lehrer Dädalus griff vor Eifersucht den anderen Dädalus an. Aber der Schüler war so talentiert, dass er sich wehren konnte. Er wehrte sich so doll, dass der Lehrer starb. Die Menschen dachten, er hätte ihn einfach so umgebracht. Deswegen verscheuchten sie den kleinen Dädalus. Er musste fliehen. Er lief in ein anderes Land (Heike S27d) Eines Tages kam der König zu ihm und sagte: „Du, du sollst immer mehr Steine verarbeiten, damit ich berühmt und reich werde.“ Das gefiel Dädalus gar nicht, er nahm sein Boot und fuhr übers Meer bis zu einer Insel namens Kreta (Helle S37d) Eines Tages kam ein Brief für die beiden. Dädalus las ihn sich durch und erschrak auf einmal, denn der Brief kam vom anderen Ende der Welt. „Schnell, wir müssen unsere Koffer packen“, sagte Dädalus. „Warum?“, fragte Ikarus. „Weil wir schnell nach Asien müssen“, antwortete Dädalus. Sie packten ihre Koffer und segelten nach Asien, genau gesagt nach China, wo die beiden für den Herrscher eine große Steinfigur meißeln sollen (Kai S41d) Doch eines Tages starb Ikarisa und es gab ein großes Trauerfest. Ach, ups, ich habe ja ganz vergessen, dass Dädalus nicht irgendein König war, sondern der ägyptische Pharao. Und deswegen wurde Ikarisa auch in eine Pyramide gebracht. Und hat natürlich auch Schätze mitbekommen. Doch Ikarus mochte seine Mutter nicht und hatte deswegen einen Plan! Als {als} das Trauerfest anfing, war er nirgends zu sehen. Aber in der Zwischenzeit war er zuhause und der Schmied machte ihm einen Dietrich. Nach dem Trauerzug ging er zum Grab (Pyramide), nahm seinen Dietrich heraus und öffnete das schwere Eisentor. Dann schlich er zu dem Grab der Mutter, öffnete den Deckel (in Ägypten vergrub man die Truhe (wo der Tote drin lag) meistens nicht) und klaute das Kostbarste, was man finden konnte. Aber als die Grabwache kam, sah sie, dass der Deckel offenstand! Das sagte er sofort dem König und der rief seine Wachen und befahl, dass sie den Grabräuber sofort suchen sollten. Aber Ikarus hat die Sachen unter seinem Bett versteckt. Trotzdem kam es irgendwann raus und Dädalus rief seinen Sohn zu sich. Er wollte aber nicht schimpfen, er wollte fliehen. Sie stiegen in ein Boot und fuhren hinaus ins offene Meer (Tanja S50d) Eines Tages war alles anders. Dädalus hatte eine neue Erfindung gebaut. Es wusste jeder auf der Insel. Dass er eine neue Erfindung gebaut hatte. Doch als er aufwachte und zu seiner Erfindung blickte, war sie weg. Dädalus erschrak, denn heute sollte er sie vor der ganzen Insel zeigen. Er guckte auf den Brief, um wieviel Uhr er dahin musste. Er musste genau in 5 Minuten los. Was sollte er nur bauen in der Eile. Doch da fiel ihm etwas ein, er baute die Uhr. Als er fertig war, musste er los. In der Eile vergaß er, sich anzuziehen. Doch jetzt merkte er es. Nach ein paar Minuten war der große Moment da. Er zog das Tuch runter. Die Menschen sagten, die Uhr, die

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IV. Sprachformen für Ereignisfolgen hast du vor 10 Jahren gebaut. Jetzt ging er mit Tränen weg, ganz weit weg. Mit einem Boot (Nele S53d) Er hatte einen Freund, er hieß Marko. Marko war sein aller, allerbester Freund. Er konnte gut bauen. Marko wollte auch so gut bauen. Er war neidisch. Er wollte einen Kurs machen bei Dädalus. Und das machte er auch, er strengte sich an. Da geschah es, er konnte es besser als Dädalus bauen. Dädalus war neidisch. Marko lachte und lachte bis zu seinem Tod. Dädalus weinte sehr. Er sagte traurig: „Ich gehe weg von hier.“ Marko sagt verwirrt: „Nein, bester Freund!“ „Doch“, sagt Dädalus, „tschüss.“ Marko sagt: „Dann sag, wo du hingehst.“ Dädalus sagt: „Nein!“ „Okay.“ Dädalus segelte nach Kreta (Lara S56d) Eines Tages bekam er einen Schüler. Dädalus zeigte, wie der Schüler malen sollte. Der Schüler war so gut, dass er eines Tages besser als Dädalus sein wird. Dädalus war eifersüchtig {war}. Eines Abends ging er mit seinem Schüler {in} [auf] einen großen Berg. Dädalus hatte ihn runter geschubst. Der Schüler war tot. Dädalus musste fliehen. Dädalus schwamm immer weiter. Als der {in} [auf] einer Insel namens Kreta [war], da herrschte ein König (Farouk S82m) Er hatte zwei Schüler. Ein Schüler hieß Bäbalus. Und der andere hieß Hätalus. Bäbalus war fast besser als Dädalus. Und Hätalus war ein bisschen besser als Dädalus. Dädalus sagte zu Hätalus: „Hätalus, wieso bist du besser als {m}ich?“ Hätalus antwortet: „Weil, zuerst habe ich die Heizung erfunden und dann ist einer zu mir gekommen, er hat gesagt: ‚Hast du die Heizung erfunden‘, auf einmal war ich berühmt.“ Dädalus hat Hätalus runter geschubst und er ist gestorben. Und Dädalus musste wegfliegen (Merik S83m)

Heimweh bis Gefangenschaft Beispiele für zeitliche Markierungen der Ereignisfolge: -

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Dann wollte er mit seinem Sohn seine Welt zeigen. Aber der König wusste, dass er gehen wollte. Da hat er seine Wachen geschickt (Ariana S62m); … aber später wollte Dädalus weg. Er wollte seinem Sohn Ikarus seine Heimat zeigen, doch als der König das bemerkte, wachten rund um die Uhr Wachen auf ihm (Anna S08d); Nach einiger Zeit hat Ikarus Heimweh gehabt. Er wollte wieder nach Hause gehen (Amanda S66d).

In der Sage ist der Zeitpunkt, an dem Dädalus Heimweh bekommt, mit einer Sprachform markiert, die die Nachzeitigkeit und einen längeren Zeitraum dieses Ereignisses zum Ausdruck bringt („im Laufe der Jahre“). Während Ariana in Korrespondenz dazu mit dem narrationstypischen „Dann“ verdeutlicht, dass Dädalus‘ Absicht, seinem Sohn seine Welt zu zeigen, auf das davor Erzählte folgt, bringen Anna und Amanda mit einer deiktischen (später) und einer absoluten (Nach einiger Zeit) Zeitangabe nicht nur die Nachzeitigkeit, sondern auch einen (etwas) längeren Zeitraum zwischen den Ereignissen zum Ausdruck. Amanda verdeutlicht in ihrer Variation, in der Ikarus die Hauptfigur

1. Sprachformen zur Sage

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ist, die Nachzeitigkeit zudem mit einer Frequenzangabe (wieder). Dass der König Dädalus‘ Absicht zu gehen kennt, hat in Arianas Geschichte zur Folge, dass er seine Wachen schickt. Das Wort da verdeutlicht hier in temporaler Funktion („in diesem Moment“), dass zwischen den Ereignissen ein Zusammenhang besteht. Anna bringt diesen Zusammenhang – wie die Sage – durch eine ereignisrelationale Zeitangabe zur Sprache (als der König das bemerkte, wachten rund um die Uhr Wachen auf ihm). In ihrer Angabe zur Frequenz der Bewachung (rund um die Uhr) schlägt sich die Sprachform der Sage („nie mehr konnte er allein irgendwo hingehen“) als inhaltliches Pendant nieder. Beispiele für räumliche Markierungen der Ereignisfolge: -

Ich bin dein König, ich bestimme, ob du gehen darfst oder nicht. Die Wachen nehmen ihn gefangen (Elizna S91m); Ikarus ist in der Mitte geflogen. Dädalus und Ikarus sitzen {in} [auf] einer Insel fest (Luke S20m); Nirgends konnte er alleine hin. Er versuchte mit seinem Sohn übers Wasser zu fliehen, doch die Wachen ließen sie nicht durch (Noema S32d).

Elizna thematisiert die Gefangennahme ohne von Dädalus‘ Heimweh zu erzählen und ohne sie zeitlich zu verorten oder Zusammenhänge darzustellen. Indem Elizna aber zunächst von der Macht des Königs erzählt (ich bestimme…), erscheint sie als eine Folge der Ausübung dieser Macht. Zudem erzeugt die Gefangennahme die Vorstellung eines Raumwechsels – entweder wird Dädalus in ein Gefängnis gebracht oder die Wachen begrenzen seinen Raum durch ihre Präsenz. Die Vorstellung eines Zusammenhangs kann also auch entstehen, wenn die Ereignisfolge nicht oder nur räumlich markiert wird, ohne die Ereignisse explizit in Relation zueinander darzustellen. In Lukes Text trägt (neben dem Tempuswechsel) die Markierung des Raumwechsels ({in} [auf] der Insel) dazu bei, sich das Festsitzen auf den Flug folgend vorzustellen. In Noemas Geschichte ist es der gescheiterte Versuch, den Raum zu wechseln, der die Vorstellung einer Ereignisfolge erzeugt. Beispiele für kausale Markierungen der Ereignisfolge: -

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Dädalus wollte Ikarus seine Heimat zeigen, aber es ging nicht, weil der König es nicht zugelassen hat. Er hatte Wachen geschickt, um aufzupassen (Havin S59m); Der König schickte seine Ritter los, um ihn zu holen. Dädalus wurde gefangen, genauso wie sein Sohn Ikarus (Meik S74d); Es war draußen ein gewaltiger Schauer. Was sollen wir nur tun, wir sind so hoch am Hügel, dass wir nie mehr raus können (Munira S89m).

Indem Havin begründet, warum Dädalus seine Heimat Ikarus nicht zeigen kann, entsteht in der Vorstellung eine Abfolge, in der das Verbot des Königs vor der Erkenntnis, dass es nicht möglich ist, die Heimat zu zeigen, steht. Auch die folgende Formulierung

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IV. Sprachformen für Ereignisfolgen

einer finalen Relation ermöglicht, sich eine Abfolge vorzustellen, in der das Schicken der Wachen dem Aufpassen vorangeht. Auch Meiks Sprachform deutet darauf hin, dass er aus dem Gehörten die Vorstellung eines finalen Zusammenhangs entwickelt hat, allerdings werden die Ritter in Meiks Geschichte nicht geschickt, um aufzupassen, sondern um Dädalus zu holen (Der König schickte seine Ritter los, um ihn zu holen). Die Gefangenschaft stellt sich Meik also vermutlich im Palast des Königs vor. Auch Munira thematisiert Gründe für eine Gefangenschaft, allerdings andere als die Sage. In ihrer Geschichte wird Dädalus nicht vom König daran gehindert, nach Hause zurückzukehren, sondern das Wetter und die natürlichen Gegebenheiten hindern ihn daran, mit seiner Familie seine Wohnung zu verlassen. Bei der Darstellung des Ereigniszusammenhangs schreibt sich Munira ein in eine Sprachform, die eine konsekutive Relation zum Ausdruck bringt (wir sind so hoch am Hügel, dass wir nie mehr raus können) möglicherweise in Korrespondenz zu (inhaltlich anders gefüllten) Sprachformen, die die Sage enthält.

Suche bis Flug Beispiele für zeitliche Markierungen der Ereignisfolge: -

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Da kam Dädalus eine Idee. „Der König ist Herrscher von Land und Wasser, aber nicht der Luft!“, sagte er stolz. Er baute Flügel, er legte die Federn nach der Größe, wie bei richtigen Vögeln, hin. Als sie fertig waren, probierte er sie aus. Da, sie tragen ihn. Dann baute er noch zwei kleine Flügel für Ikarus. Sie hatten auf der kleinen Klippe geübt, aber jetzt müssen sie richtig weit fliegen, hat Dädalus Ikarus erklärt. Jetzt fliegen sie los (Maja S44d); Dädalus hatte eine Idee. Er sammelte Federn von den Vögeln. Er probierte, dass er mit den Federn fliegen kann. Als plötzlich er fliegen kann, er wurde froh.  Er sammelte noch mehr Federn für seinen Sohn. Aber Dädalus meinte: Flieg nicht so hoch, flieg nicht zu tief (Malia S79m); Er wollte was erfinden, mit {was} [dem] er fliegen kann. An einem Tag erfand er das Jetpack. Das Jetpack ist ein Rucksack, mit dem man fliegen kann. Und dann sind der Mann und sein Sohn übers Meer geflohen. Sie sind an ganz vielen Inseln vorbei geflogen (Jabar S55m).

Maja markiert den Zeitpunkt von Dädalus‘ Idee durch eine anaphorische Zeitangabe (Da), die die Vorstellung erzeugt, dass Dädalus die Idee zu der Zeit kommt, in der er bewacht wird und keine Möglichkeit hat, mit Ikarus allein zu sein. Dass der Flügelbau auf die Idee folgt, entspricht der Logik von Idee und Umsetzung. Durch eine ereignisrelationale Zeitangabe, die den Abschluss des Bauens und den Probeflug als zeitgleich

1. Sprachformen zur Sage

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darstellt, wird das Geschehen gerafft und ein Zeitpunkt markiert, der auch für die Darstellung von Erfahrung bedeutsam ist, da von dem Gelingen des Probeflugs die Möglichkeit, fliegen zu können und sich zu befreien, abhängt. Eine weitere Zeitpunktangabe (dann) verdeutlicht, dass auf den erfolgreichen Flugversuch der Bau der Flügel für Ikarus folgt. Den Zeitpunkt des Losfliegens markiert Maja mit einer deiktischen Zeitangabe (jetzt) und einem Tempuswechsel, der – auch wenn er nicht der Norm entspricht – das Erzählte vergegenwärtigt und das Üben auf der Klippe und Dädalus‘ Erklärung als vorzeitig erscheinen lässt. Abgesehen von der ereignisrelationalen Zeitangabe ähneln Majas Zeitangaben, die vor allem deiktisch und anaphorisch eine Vorstellung der Abfolge erzeugen, denen der Sage. Im Kontext der Vorstellung, die die Sage erzeigt, versucht sich Malia an einer ereignisrelationalen Zeitangabe, die einen Zusammenhang zwischen Dädalus‘ Freude und dem Gelingen des Fliegens zum Ausdruck bringt. Die grammatische Form, die nicht der Norm entspricht, zeigt eine Form der Annäherung und einen Ansatzpunkt für explizite Lehre. Jabar hingegen markiert in seiner Variante den Zeitpunkt der Erfindung (An einem Tag) und verdeutlicht mit einer anaphorischen Zeitangabe (dann), dass der Zeitpunkt der Flucht folgt. Beispiele für räumliche Markierungen der Ereignisfolge: -

Er war ja ein Erfinder, er baute einen Flügel für ihn und einen Flügel für Ikarus. Ikarus freute sich. Sie flogen übers Wasser (Lara S56d); Sie bauten Flügel und sind weggeflogen (Senad S26m); Dädalus konnte Sachen brechen, zum Beispiel Holz. Die Stäbe waren aus Holz und er hat die gebrochen und er konnte wieder raus (Maria S81m).

Lara, Senad und Maria verstärken in ihren Geschichten die Vorstellung einer Abfolge, indem sie nach der Erfindung (bzw. der Möglichkeit, sich zu befreien) den Wechsel der Figuren in einen anderen Raum thematisieren. Beispiele für kausale Markierungen der Ereignisfolge: -

Die beiden wollten fliehen. Dann hat Dädalus für jeden zwei Flügel gebaut. Dädalus hat zu dem Sohn gesagt, du darfst nicht zu hoch fliegen, sonst geht {der} [das] Wachs ab (Jelena S71m); Der König ließ ihn nicht mit seinem Sohn sein, also erfand er Flügel für Menschen (Joris S48d); „… damit wir uns befreien können, müssen wir dahinten den anderen Mast umwerfen und dann fährt er zu uns und zerschneidet das Seil“ (Bolko S36d).

In Korrespondenz zur Sage, die den Zusammenhang zwischen einem Flug in die Höhe und dem Schmelzen des Wachses durch den Konjunktiv darstellt, bringt Jelena mit einer konditionalen Konjunktion die Relation zwischen Flughöhe und Gefahr zum Ausdruck. Joris stellt den Zusammenhang zwischen dem Verbot des Königs und der Erfindung von Flügeln durch eine konsekutive Relation dar und Bolko formuliert in seiner

416

IV. Sprachformen für Ereignisfolgen

Variation eine finale Relation zwischen Handlung und Befreiung. Alle drei Beispiele zeigen, dass sich Vorstellungen von Zusammenhängen, die die Sage thematisiert, als sprachliche Transformation in den Geschichten der Kinder niederschlagen.

2. Sprachformen zum Gemälde Gefahr bis Rettung oder Verderben Beispiele für zeitliche Markierungen der Ereignisfolge: -

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Am nächsten Tag fuhren sie hinaus auf den Rhein. Doch sie vergaßen, dass auf dem Rhein große Felsen sind und schon viele Schiffe dort gekentert sind und ausgerechnet dort, wo die großen Felsen sind, fuhren sie entlang. Dann kamen sie zu Felsen. (Sie wurden Teufelsfelsen genannt.) Das Boot fing an zu schwanken und kippte. Leonard und Sabiene konnten sich gerade noch auf einem Rettungsboot retten, das Sabiene ganz schnell angerufen hatte. Dann wurden sie wieder heile nach Hause gebracht (Emilia G07d); … und dann wurde sie entführt. Die Frau sagte: „Ooo nein, nicht schon wieder.“ 1 Monat später war ein Prinz da {mit} [um] sie [zu] retten. Der Prinz hat die schöne Prinzessin gerettet (Havin G59m); Nach einer Weile, {wo} [als] die Prinzessin schon schlief, holte der Seemann leise ein dickes Seil und fesselte die Prinzessin. {Wo} [Als] die Prinzessin aufwachte, rief sie hilflos und laut: „Hilfe, Wachen, Hilfe.“ Aber die Wachen waren noch im Schloss. Die Prinzessin weinte. Der Seemann sagte böse: „Jetzt bringe ich dich auf diese Insel und niemand weiß es und du bleibst für immer auf der Insel!“ Die Prinzessin sagte traurig: „Wieso denn das Ganze, wieso machst du das?“ Der Seemann sagte: „Eine Prinzessin weniger, eine Bestimmerin weniger“, und schmiss sie über die Planke und sie ertrank (Kalea G35m).

Emilia markiert den Zeitpunkt (Am nächsten Tag), an dem sich die Figuren in Gefahr begeben, indem sie „hinaus auf den Rhein“ fahren, ohne an die gefährlichen Felsen zu denken, und den Zeitpunkt (dann), an dem sie die Felsen erreichen. Zwei weitere Zeitangaben vermitteln, wie knapp die Rettung war (gerade noch), und dass sie nur durch die Geschwindigkeit, in der Sabiene gehandelt hat (ganz schnell), ermöglicht wurde. Den Zeitpunkt der Heimfahrt hebt Emilia hervor, indem sie die Abfolge benennt (dann). Havin markiert den Zeitpunkt der Gefahr durch eine anaphorische Zeitangabe (dann) und verdeutlicht durch eine Angabe zur Frequenz (schon wieder), dass es nicht das erste Mal ist, dass die Prinzessin entführt wird. Mit einer deiktischen Zeitangabe, die den Zeitraum, der vergeht bis der Prinz kommt, präzise benennt (1 Monat später), markiert Havin auch den Zeitpunkt, an dem Rettung naht. Neben deiktischen Zeitangaben

2. Sprachformen zum Gemälde

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erprobt Kalea zwei ereignisrelationale Zeitangaben, die den Zeitpunkt, an dem die Gefahr beginnt, und den Zeitpunkt, an dem die Prinzessin der Gefahr gewahr wird, in Relation zum Schlafen und Aufwachen markieren. Beide Formulierungen bieten die Möglichkeit, Kalea die korrekte temporale Konjunktion („als“) zu vermitteln. Beispiele für räumliche Markierungen der Ereignisfolge: -

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Es donnerte und regnete, ein Blitz schlug in das Schiff, der Seefahrer geriet in Panik. Noch ein Blitz schlug in das Schiff ein, diesmal einen Zentimeter neben Hans, dem Seefahrer. Hans wurde in das Wasser geschleudert, er hielt sich an einer Holzplanke fest, er wurde an Land gespült, er sagte: „Das war wohl nichts mit der Reise nach Amerika.“ Aber da hat er sich getäuscht, eine Frau kam und sagte: „Willkommen in Amerika.“ Hans glaubte, er träumte, aber das tat er nicht. Die Frau nahm ihn in ihr Haus auf (Lilja G12m); Die Frau sagte, diese Fahrt ist wunderschön, aber der Mann sagte, ich muss mit dir Schluss machen. Er schubste sie ins Wasser und überfuhr sie (Munira G89m); … aber dann hat die Frau im Meer einen Riesenkraken gesehen. Sie war ungefähr 10 Meter groß. Der Krake hat die Frau entführt und den Mann auch (Hayal G98m).

In Liljas Geschichte geht die Gefahr – wie in Djannahs Geschichte (vgl. Kap. 9.2) – von einem Blitz aus. Die Hauptfigur entscheidet sich jedoch nicht bewusst für einen Sprung ins Wasser, sondern wird in das Wasser geschleudert. Da dieser Raumwechsel direkt auf den Blitzeinschlag folgt, entsteht die Vorstellung eines kausalen Zusammenhangs, ohne dass dieser explizit benannt wird. Weitere Raumwechsel (an Land – in ihr Haus) befördern die Vorstellung einer Ereignisfolge. In Liljas Geschichte schlägt sich die Ambivalenz des Bildes, die irreal anmutende Darstellung der Stadt im Hintergrund, in der Täuschung des Seefahrers über den Ort, an dem er gelandet ist, nieder. Als Hans erfährt, dass er doch in Amerika ist, glaubt er zu träumen. Auch in Muniras Geschichte markiert ein Raumwechsel vom Schiff ins Wasser die Ereignisfolge. Die Gefahr geht allerdings nicht von einer Naturgewalt aus, sondern von dem Mann. Hayal markiert die Gefahr durch ein Verb, das einen Raumwechsel impliziert (entführt). Ob die Frau und der Mann gerettet werden oder nicht, bleibt in Hayals Geschichte offen. Beispiele für kausale Markierungen der Ereignisfolge: -

Dieses Wrack wurde von Piraten aufs Meer getrieben. Nun waren sie auf dem weiten Meer gefangen. Die Frau weinte und meinte: „Wenn uns niemand findet, dann bleiben wir immer auf dem Wrack und außerdem, die Piraten bewachen uns von allen Seiten!“ Der Mann tröstete sie: „Den Piraten wird das Warten auch irgendwann satt. Dann gehen die Piraten, wir können um Hilfe schreien und wenn uns jemand hört, holt er uns bestimmt ab und bringt uns nach Hause.“ Und es geschah so, wie es der Mann gesagt hatte (Lina G33d);

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IV. Sprachformen für Ereignisfolgen

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Aber dann mussten sie runter springen. Das taten sie nicht. {Wegen} [Weil] da Haie waren. Dann nahmen sie das Rettungsboot. Damit sie fliehen konnten (Ken G101m); Der Mann merke, dass seine Frau ihn nicht mehr beachtete und war so traurig, dass er vom Eifelturm sprang. Ein Glück war da unten grade eh die Feuerwehr, weil ein Haus brannte. Und die Leute auf die Matratze springen sollten. Und weil die Matratze noch da lag, knallte er auf die Matratze. Er wurde ins Krankenhaus gebracht (Emma G04d).

Lina formuliert konditionale Relationen zwischen Hilfe und Rettung. Während die Frau die Folgen unter der Bedingung, dass Hilfe ausbleibt, zur Sprache bringt, spendet der Mann Trost, indem er sagt, was folgt, wenn sie Hilfe bekommen. Die Ambivalenz des Bildes scheint sich hier niederzuschlagen in Sprachformen, die alternative Möglichkeiten zum Ausdruck bringen. In Linas Geschichte reicht im Folgenden ein Verweis, damit Lesende wissen, was tatsächlich passiert (Und es geschah so, wie es der Mann gesagt hatte). Vielleicht zeigt sich die Ambivalenz des Bildes in Kens Geschichte darin, dass ungewiss bleibt, warum die beiden Figuren das Schiff verlassen müssen. Ken begründet das Vermeiden des Sprungs ins Wasser mit einer weiteren Gefahr und stellt die Entscheidung für das Rettungsboot in konsekutiver Relation zur Flucht dar. In Emmas Geschichte geht es nicht um eine konkrete Gefahr, die von außen auf die Figuren einwirkt, sondern – möglicherweise in Korrespondenz zur Ambivalenz des Bildes – um eine eingebildete, psychologisch anmutende Gefahr. Indem Emma die Trauer des Mannes über das Verhalten seiner Frau konsekutiv mit dem Sprung vom Eiffelturm verknüpft, entsteht (auch) die Vorstellung einer Ereignisfolge. Durch einen Zufall, den Emma darstellt, indem sie kausale Relationen zwischen dem Brand eines Hauses, der Anwesenheit von Feuerwehr und Matratze und der Landung des Mannes auf der Matratze formuliert, wird der Mann gerettet. Zugleich entsteht die Vorstellung einer Ereignisfolge, in der der Brand des Hauses, das Anrücken der Feuerwehr und das Auslegen der Matratze vor dem Zeitpunkt des Sprunges stattfinden.

Ferner Ort Beispiele für zeitliche Markierungen der Ereignisfolge: -

… ich gehe einkaufen. Gut, komm‘ schnell wieder. Ja. Nach einer Minute. Da bist du wieder, mein Schatz, ich habe dich vermisst. Was hast du gekauft. Auflauf und Fisch. Wie wollen wir grillen. Es wird Zeit, ich kaufe uns ein Haus. Toll, komm‘ wieder schnell, während ich koche. Wie denn. Mit einem Lagerfeuer. Toll, ich freue mich. Tschüss. Nach einer Stunde und 55 Minuten. Da bist du,

2. Sprachformen zum Gemälde

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hast du unser Haus. Ja, ziehen wir ein. Hopp, hopp, hopp. Toll ist unser Haus. Es sieht anders aus. Ja, bei denen ist es neumodisch… (Meryem G67m); Das junge Paar ist in der Stadt und sie haben sich ein Haus gekauft und sie haben ein Kind bekommen und das Kind nennen sie James und James ist schon 11 Jahre alt geworden und sie leben glücklich und zufrieden (Jamie G64d); … sie schwammen auf eine Insel, die Insel war voller Kokosnussbäume. Keiner wohnte auf der Insel. Sie bauten sich aus Ästen kleine Hütten, wo sie drinnen wohnten und schliefen. Die Kokosnüsse aßen sie und die Kokosmilch tranken sie. Auf der Insel waren viele Affen. Eines Tages kam ein Segler mit Samen für Obst und Gemüse. Die beiden haben die Samen sofort eingepflanzt und dann haben sie gewartet. 5 bis 7 Monate später waren auf der Insel ganz viel Obst und Gemüse. Sie haben auch ein Kind gekriegt und haben fröhlich bis an ihr Lebens/ende/ gelebt und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute (Jabar G55m).

Meryem schreibt eine Geschichte über zwei Liebende, die ihre Heimat verlassen, weil die Eltern ihre Liebe nicht dulden, und die in Amerika eine neue Heimat finden. Vom ersten Einkauf im fremden Land bis zur Geburt ihres Kindes entfaltet Meryem eine umfangreiche Folge von Ereignissen, die das Paar in der Stadt erlebt. Etliche Zeitangaben ermöglichen Lesenden, sich vorzustellen, wann sich etwas ereignet oder wie lange etwas dauert – wie in diesem Ausschnitt aus Meryems Geschichte. Auch wenn die Zeitangaben nicht einer realistischen Vorstellung von der Dauer eines Einkaufs (nach einer Minute) oder dem Kauf eines Hauses (Nach einer Stunde und 55 Minuten) entsprechen, erzeugen sie eine präzise Vorstellung der Ereignisfolge und entsprechen der Eile, mit der die beiden Liebenden sich in dem unbekannten Land einrichten, ohne sich lange trennen zu wollen (komm‘ schnell wieder). Für die Geschwindigkeit, in der Mann und Frau in ihr neues Haus einziehen, findet Meryem eine Sprachform, die die Eile lautmalerisch als Wiederholungsfigur zum Ausdruck bringt (Hopp, hopp, hopp). Auch Jamie erzählt von einem Paar, das sich an dem fernen Ort niederlässt. Indem er von der Geburt eines Kindes erzählt und den Zeitpunkt benennt, an dem das Kind 11 Jahre alt ist, entsteht die Vorstellung einer Zeitspanne. Jabar deutet den Ort in der Ferne als Insel, auf der die beiden Schiffbrüchigen nach einem Überfall ein neues Zuhause finden. Nachdem er den Bau von Hütten und das alltägliche Leben ohne Markierung der Ereignisfolge dargestellt hat, ermöglichen Zeitangaben, sich die Zeitpunkte der Ankunft eines Seglers (eines Tages) und des Einpflanzens der Samen (sofort) vorzustellen, das Warten diesen Ereignissen zeitlich nachzuordnen (dann) und die Zeitspanne zu bestimmen, die bis zu dem Zeitpunkt vergeht, an dem auf der Insel Obst und Gemüse ist (5 bis 7 Monate später). Indem Jabar die Freude in temporaler Relation zum Lebensende darstellt, entsteht die Vorstellung einer langen Zeitspanne, in der Mann und Frau fröhlich auf der Insel leben.

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IV. Sprachformen für Ereignisfolgen

Beispiele für räumliche Markierungen der Ereignisfolge: -

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So haben die beiden mitgemacht und haben den König gerettet und haben {die ihn} /den neuen König/ {ins} [in den] Kerker geschmissen und alle drei werden ein Ritter von Camelot (Nuar G102m); Sie waren zuhause (…) Er verband ihr die Augen mit einem Tuch und brachte sie zu einem wunderschönen See (Verena G85m); Sie sind an einer Stadt angekommen. Da sahen sie einen Laden. Sie sind in den Laden reingegangen (Tabitha G57m).

In den Geschichten von Nuar, Verena und Tabitha wird die Vorstellung einer Abfolge durch die Angabe von Raumwechseln befördert. In Nuars Geschichte bricht durch den Raumwechsel des bösen Königs (in den Kerker) für das Land (und die drei Hauptfiguren) eine neue Zeit an. In Verenas Geschichte entpuppt sich der Raumwechsel als Geburtstagüberraschung. Er markiert eine Grenze zwischen Ereignissen, die vor und nach dem Wechsel stattfinden, und Zeiträumen, in denen die Überraschung (der Frau und den Lesern) unbekannt und bekannt ist. Indem Tabitha die Bewegung der Figuren vom Schiff zum Laden thematisiert, entsteht die Vorstellung einer Abfolge von Ankunft, Umschau und Gang. Beispiele für kausale Markierungen der Ereignisfolge: -

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Die beiden wunderten sich, wer außer uns beiden war auf der Insel. Der Bootsfahrer, der war ja böse auf uns, weil wir 2 Tage auf der Insel waren. Wir sollten doch nur 1 Tag auf der Insel bleiben. Das heißt wohl, wir müssen zurück schwimmen. Nein, bitte nicht, ich kann nicht schwimmen. Was sollen wir dann machen. Wir bauen ein Boot aus Palmenholz. Noch 3 Tage brauchten die beiden, um das Boot fertig zu bauen (Sandra G92m); In Italien wohnte eine Frau, die sehr, sehr traurig war, weil ihr Geliebter einfach nicht ins Café „Olé, Olé Italia“ gekommen war (Carla G01d); Als sie ankamen, war es toll, denn das Hotel war noch nicht voll (Lars G06d).

Sandra erzählt in ihrer Geschichte zum Gemälde, dass das Boot ohne die beiden Figuren abfährt, die folgenden Ereignisse finden auf der Insel statt. Sie formuliert eine finale Relation zwischen der Wut des Bootsfahrers und der Länge des Aufenthalts der beiden Figuren auf der Insel. Die Suche der Figuren nach einer Möglichkeit, die Insel zu verlassen, stellt Sandra in konditionaler Relation zu der Aussage einer Figur, nicht schwimmen zu können, dar. Auch wenn Sandra die Voraussetzung nicht explizit nennt (wenn du nicht schwimmen kannst), impliziert die formulierte Folge (Was sollen wir dann machen) die konditionale Relation. Indem Sandra eine finale Relation zwischen einer Zeitspanne (noch drei Tage) und der Fertigstellung des Bootes formuliert, wird vorstellbar, wie lange die beiden Figuren für den Bootsbau brauchen. Carla hingegen deutet die Segelfahrt als eine Fahrt von der Stadt weg. Ihre Geschichte, die erzählt, wie

2. Sprachformen zum Gemälde

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eine Frau ihren Mann aus der Gefangenschaft befreit, spielt gänzlich an dem Ort in der Ferne, auf den Mann und Frau am Ende zurückblicken. Sie schreibt ihre Geschichte also auf den dargestellten Moment hin (vgl. Kap. 7.2). Abgesehen von etlichen Zeitangaben, die Lesenden ermöglichen, eine Vorstellung der Ereignisfolge zu gewinnen, stellt Carla am Anfang ihrer Geschichte zwei Ereignisse in kausaler Relation zueinander dar. Indem sie den Grund für die Trauer der Frau nennt, entsteht die Vorstellung, dass sie auf das Ausbleiben des Geliebten folgt. Lars formuliert in seinem erzählenden Gedicht Gleichzeitigkeit, und zwar von Ankunft und Freude. Indem er darüber hinaus die Freude begründet, wird vorstellbar, dass sie auf die Feststellung, dass das Hotel noch nicht voll ist, folgt.

Dauer der Fahrt Beispiele für zeitliche Markierungen der Ereignisfolge: -

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Das wird eine lange Schiffsfahrt. Nach fünf Stunden sind die beiden angekommen (Mats G68d); Ein Mann und eine Frau segeln {die} [der] Sonne hinterher. Weil sie dachten, dass die irgendwann Land entdeckten. Und das dauert 10 Jahre. Und sie sind angekommen und haben gefeiert (Kendrik G25d); Eines Tages beschlossen sie vom Land wegzuziehen und fuhren mit dem Segelboot ganz weit weg. Inzwischen waren sie schon vermählt und segelten immer weiter. Doch eines Tages kam ein Kind und es war ein Mädchen. Das nannten sie Lena! Und Lena war am 1. Dezember geboren und mit der Zeit wurde sie drei und war richtig süß. Dann kam noch ein Kind (…) und dann kam ein Blitz ins Schiff gedonnert (Keona G34m).

Die Sprachformen, die die Schülerinnen und Schüler zu Papier bringen, erzeugen ganz unterschiedliche Vorstellungen über die Dauer der Fahrt. Während Mats eine Fahrt von fünf Stunden als „lang“ bezeichnet, gibt Kendrik eine Zeitspanne von 10 Jahren an. Die Schülerinnen und Schüler erproben entweder Sprachformen, die eine Zeitspanne angeben, oder solche, die über die Angabe von Zeitpunkten, die Vorstellung einer dazwischenliegenden Zeitspanne erzeugen – in der Geschichte von Keona z.B. eine Zeitspanne von mindestens drei bis vier Jahren. Beispiele für räumliche Markierungen der Ereignisfolge: -

Es war ein langer Weg in ihr Land (Elizna G91m); Sie setzten sich ins Boot und fuhren los und fuhren und fuhren nur so weit, wie sie konnten (Stella G46d); Sie transportierten Waren von Norwegen nach England (Marko G43d).

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IV. Sprachformen für Ereignisfolgen

In den Geschichten von Stella, Elizna und Marko wird durch Angaben, die sich auf die Länge der Strecke beziehen, vorstellbar, wie lange die Fahrt dauert. Während Elizna den Weg direkt als „lang“ bezeichnet, vermitteln Stella und Marko durch einen Vergleich und die Angabe zweier Orte, also indirekt, die Vorstellung eines langen Weges. Da Raum und Zeit aneinandergebunden sind, wird zugleich die Vorstellung einer langen Zeitspanne erzeugt.

3. Sprachformen zu Figuren (unterschiedliche Ereignisfolgen) Beispiele für zeitliche Markierungen einer Ereignisfolge: -

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Pippi Langstrumpf sagte: „Ins Bett, wir fliegen zur Stadt.“ Annika sagte: „Ich habe Angst“, aber Pippi Langstrumpf sagte: „Ach, hab‘ dich nicht so.“ Annika sagte: „Okay, ich komme.“ Dann sind sie losgeflogen (Amanda F66d); Er wollte sich mit einem Schuss aus der Pfefferpistole bedanken. Aber da war sie schon lange weg, sie wollte keinen Pfeffer in die Nase bekommen (Heike, F27d); Sie hat immer geübt zu reden. Sie hat’s ein bisschen geschafft und zwei Monate später konnte sie wieder reden (Isra F63m).

Während das narrationstypische „Dann“ in Amandas Geschichte den Zeitpunkt des Losfliegens Annikas Entschluss mitzukommen nachordnet und damit explizit die chronologische Abfolge betont, bringt die anaphorische Zeitangabe in Heikes Geschichte Gleichzeitigkeit zum Ausdruck (da). Durch den Verweis auf das vorherige Ereignis, ist der Zeitpunkt, an dem sie schon lange weg ist, derselbe, wie der, an dem Hotzenplotz sich bedanken will. Die Angabe zur Dauer (schon lange) erzeugt die Vorstellung einer Zeitspanne. Mit einer Angabe zur Frequenz wird Arielles sich ständig wiederholendes Üben in Isras Text gerafft dargestellt (immer). Eine deiktische Zeitangabe (zwei Monate später) markiert den Zeitpunkt, an dem Arielle wieder sprechen kann, und ermöglicht, sich die Zeitspanne vorzustellen, die zwischen den ersten Sprechversuchen und dem Trainingserfolg liegt. Auch ereignisrelationale Zeitangaben werden erprobt: -

… als sie bei 136 angekommen war, stieß sie einen lauten Hilfeschrei aus und fiel in Ohnmacht (Ben F51d); Sie schwamm und schwamm, bis sie den Palast erreichte (Kalea F35m); Als er wieder zu sich kam, war er groß (Adnan F100m).

Die Beispiele von Ben, Kalea und Adnan zeigen, dass sich die Vorstellungen, die die Kinder aufgrund der Erinnerung an die rezipierten Geschichten von der Abfolge der Ereignisse haben, in den Sprachformen niederschlägt. In der Geschichte von Otfried Preußler heißt es: „Als sie schließlich doch bei neunhundertneunundneunzig angelangt war, stieß sie einen gellenden Hilfeschrei aus. Und dann fiel sie in Ohnmacht“ (Preußler

3. Sprachformen zu Figuren (unterschiedliche Ereignisfolgen)

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2012a, S. 10). Zwischen diesen beiden Sätzen befindet sich eine Zeichnung von Großmutter, die gerade in Ohnmacht fällt. Bens Form der temporalen Verknüpfung der Ereignisse (und abgesehen von der Zahl, bei der Großmutter das Zählen beendet, auch die Ereignisse selbst) entspricht dem Text von Preußler nahezu – trotz des zeitlichen Abstands von Rezeption und Produktion. Beide stellen den Zeitpunkt des Hilfeschreis in Relation zum Ende des Zählens dar, indem sie Gleichzeitigkeit formulieren (als). Während Ben die Ohnmacht einfach ergänzt und Lesende sie aufgrund konzeptueller Deutungsmuster dem Schrei temporal nachordnen können, betont Preußler die Nachzeitigkeit, indem er sie explizit benennt („Und dann“). Kalea fasst in Sprache, was der Film ausschließlich im Bild zeigt: Man sieht Arielle durchs Meer schwimmen, bis sie den Palast erreicht, ohne dass dieses Ereignis sprachlich dargestellt wird. Adnan stellt in seiner Geschichte zum König der Löwen einen Zeitsprung, den der Film durch ein Lied vermittelt, als Schlaf dar und formuliert den Zeitpunkt, an dem Simba erwachsen ist, in Relation zum Erwachen. Beispiele für räumliche Markierungen der Ereignisfolge: -

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Simba krallte sich an dem Netz fest. Er biss das Netz auf und Mufasa war frei. Simba und Mufasa waren überglücklich. Simba durfte auf Mufasas Rücken steigen und Mufasa galoppierte los (Lina F33d); Ihre Mutter kam raus und sah den Wolf. Sie nahm Rotkäppchen an die Hand und rannte mit ihr rein (Lilja F12m); „Er springt ins Wasser.“ „Ich lasse Taucher holen.“ „Gut so.“ „Sie sind auf dem Weg.“ „Super.“ Aber er schwamm zu einem Motorboot und raste weg. „Vollen Kurs voraus“, rief Dimpfelmoser. „Sehr wohl“, riefen die anderen. Die Titanic holte auf, Räuber Hotzenplotz gab Gas (…) Er lief zu einem Auto und fuhr davon. Er raste über die Autobahn und stieg mitten auf der Autobahn aus (Niko F17d).

Die Vorstellung einer Ereignisfolge wird befördert, indem erzählt wird, dass sich die Figuren von einem Ort zum nächsten bewegen. So implizieren die Befreiung des Löwenvaters und Simbas Besteigen seines Rückens in Linas Geschichte, dass diese das Netz verlassen. Auch die Mutter, die (aus dem Haus) herausgeht, und Rotkäppchen, die mit ihrer Mutter hineingeht, wechseln den Raum, sodass in Liljas Geschichte die Vorstellung einer Abfolge entsteht. Passend zur Verfolgungsjagd erzeugt die Darstellung mehrerer dicht aufeinander folgender Raumwechsel in Nikos Geschichte die Vorstellung einer hohen Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse aufeinander folgen. Beispiele für kausale Markierungen der Ereignisfolge: -

Mufasa, der König, starb, weil sein Bruder ihn schubste (Adnan F100m);

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IV. Sprachformen für Ereignisfolgen

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Es war an einem heißen Tag, die Sonne schien auf die Villa Kunterbunt und Pippi hatte Lust, einen Ausflug zu machen. Also ging sie zu Tommy und Annika nach Hause (Lia F45d); … und er schießt sein Torpedoweben ab. Das trifft Absorbing Man so hart, dass er gefangen ist (Luke F20m).

Adnan stellt den Zusammenhang zwischen dem Tod des Löwenkönigs und dem Verhalten des Bruders, der im Film vor allem auf der Bildebene vermittelt wird, als einen kausalen dar. Da zuerst die Folge und dann der Grund benannt wird, entspricht die dahinterstehende zeitliche Abfolge nicht der linearen Darstellung auf dem Papier. Lia verknüpft Pippis Lust auf einen Ausflug und ihren Gang zum Haus der Nachbarskinder konsekutiv und auch Luke formuliert eine konsekutive Relation, und zwar zwischen der Härte von Spidermans Torpedoweben und der Gefangenschaft seines Gegners.

V. Textkorpus 1. Texte zur Sage Klasse A Dädalus und Ina auf Reisen Dädalus war immer noch sehr, sehr traurig. Warum musste er bloß von Kreta fliehen?! Aber eines Tages bekam er dann eine Tochter. Er nannte sie Ina. Einmal ist er dann mit Ina in die Berge gewandert, und Ina sagte: „Ich würde so gerne mal auswandern!“ Dädalus sah sie mit großen Augen an. „O.k.“, sagte er nur. „In 2 Monaten hier um 12.00 nachts.“ Er schlug aus Fels und Stein ein Ding, \-> (weiter auf Seite 2) (Fortsetzung von Seite 1)\ das aussah, wie ein Riesenmonstervogel. Er nannte es Flugzeug Lufthanser. Dann war es endlich soweit. Dädalus sagte zu Ina: „Du bist jetzt mein Copilot.“ Sie flogen sehr weit weg. „Papi“, sagte Ina, „sehen wir denn auch das Ende der großen Scheibe?“ „Sicherlich“, kam es zur Antwort. Aber sie sahen, dass das Ding rund war. „Wow“, sagte Ina. „Wie wollen wir das Ding denn nennen?“ „Erde!“, sagte Ina. Irgendwann landeten sie dann in Deutschland. \-> (Fortsetzung auf Seite 3) (Fortsetzung von Seite 2)\ In Deutschland suchten sie Felsen zum Schlagen, fanden aber keine. Dädalus wurde traurig. „Komm, wir fliegen wieder weiter!“, sagte Ina. Sie flogen in die Schweiz. Dort fanden sie genug Steine. Er baute eine Statue aus Stein. Die zeigte Dädalus und Ina im Flugzeug. Er baute die kleine Nixe, die jetzt in irgendeiner Stadt von Deutschland Wahrzeichen ist. Einmal flogen sie dann nochmal nach Kreta, wo sie aber sofort wieder \-> (Fortsetzung auf Seite 4) (Fortsetzung von Seite 3)\ wegflogen. Dann flogen sie nach Korfu. Danach nach: Afrika, Argentinien, Neuseeland, Finnland … usw. Aber irgendwo lebten sie dann glücklich. Ende (Carla S01d) Dädalus und der Palast Es war einmal eine Insel, darauf lebte Dädalus. Er hatte einen Sohn, der hieß Ikarus. Sie hatten einen wundervollen Palast, der mit Gold und Silber bedeckt war. Dädalus und Ikarus ging es gut. Doch eines Tages war der Palast weg. Doch plötzlich sahen sie den Palast, er war gerade noch so groß wie eine Erbse. „Oh Gott! Hilfe!“ \Dädalus und der Palast\ „Was sollen wir jetzt machen, vielleicht einen Palast selber bauen?“ „Nein, das kommt nicht in Frage.“ „Okay, schon gut.“ „Okay, wir machen einen Palast.“ „Juhu!“ Ende (Anke S02d) Es war einmal [ein] Mann, er hieß Dädalus. Er war ein berühmter Baumeister und Wissenschaftler. Und er hatte eine Frau und einen Sohn, der Sohn heißt Ikarus und die Frau heißt Sabine. Doch eines Tages wollte Ikarus abhauen. Dädalus und Sabine haben das nicht gemerkt. Sie dachten, Ikarus wäre verloren, dann suchten sie nach ihm. Und dann sahen sie Rauch. Sie dachten, dass es Ikarus ist. Sie folgten dem Rauch und wer saß am Feuer. Ikarus. Ikarus hat sie gesehen und dann hat er [sich] entschlossen, wieder nach Hause zu gehen. Doch dann haben sie sich verirrt. Sie kamen [auf] eine Insel, sie heißt Kreta. Sie wurden in einen Käfig gesperrt. Zum Glück hat Dädalus einen Schlüssel für jede Tür. Dann konnten sie fliehen, aber dann kamen sie an eine andere Insel. Sie heißt Minus. Die Menschen auf der Insel [waren] sehr nett, aber dann bekamen sie

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V. Textkorpus

Heimweh. Doch die Menschen wollten nicht, dass sie gehen. Doch eines Tages hatte Dädalus eine Idee. Sie verkleiden sich und dann sagen sie einfach, wir machen eine Tour auf dem Meer, und dann konnten sie nach Hause fahren. Sie lebten glücklich zu Hause und niemand ist bis jetzt abgehauen und das ist das Ende der Geschichte. Ende (Viola S03d) Dädalus und Ikarus Heimat weg und wieder hin, aber allein! Es war einmal ein berühmter Künstler namens Dädalus. Wenn er in Steine Figuren schnitzte, dann sah das so aus, als wäre die Figur im Stein eingewachsen. Eines Tages hatte er einen Schüler. Dädalus zeigte ihm, wie man Figuren in den Stein {schnitzen} [schnitzte]. Aber von Minute zu Minute wurde der Schüler besser als er. Der Schüler wurde nun auch berühmt. Dädalus wurde neidisch. Und als er mit dem Schüler am Abhang stand. Da schubste Dädalus seinen Schüler runter, den steilen Abhang runter, und der Junge war tot. Da musste Dädalus fliehen. Er floh über Wasser und Inseln. Bis er auf einer Insel von einem König angenommen wurde. Der König bemerkte schon bald, dass Dädalus ein berühmter Künstler war. Der König sagte zu Dädalus, baue mir ein schönes Schloss. Dädalus machte, was der König sagte. Dädalus bekam ein Kind namens Ikarus. Dädalus bekam Heimweh, der König merkte, dass Dädalus weg wollte, er schickte viele Wachen zu ihm, die sollten aufpassen, dass Dädalus und Ikarus nicht wegkamen. Dädalus dachte, übers Wasser können wir nicht. Wenn ich doch nur fliegen könnte. Da hatte Dädalus eine Idee, er sammelte Vogelfedern. Als er ganz viele hatte, baute er sich Flügel. Er übte und übte auf einem kleinen Abhang und es klappte, er konnte fliegen. Er baute für Ikarus auch noch ein Flügelpaar, er sagte zu Ikarus, fliege hinter mir und fliege nicht zu nah ans Wasser und nicht zu nah an die Sonne, und dann ging’s los über das Wasser, es war Sonnenuntergang. Das ganze Wasser strahlte. Dädalus [fand es] sehr, sehr schön. Ikarus fand es auch sehr, sehr schön und er fand es so schön, dass er zu nah an die Sonne flog und das Wachs an den Flügeln schmolz. Und zwar so schnell, dass er nicht mehr ‚Hilfe‘ rufen konnte. Dädalus bemerkte es nicht und flog weiter, als er sich dann umdrehte, um nach Ikarus zu sehen, war Ikarus nicht da. Er flog wie wild herum vor Verzweifeln. Dann wurde er auf einer Insel aufgenommen und Ikarus wurde tot an die Insel gespült und Dädalus wurde auf der Insel Künstler, aber wurde nie wieder glücklich. (Emma S04d) Es war einmal auf einer Insel. Da lebten Dädalus und Ikarus. Und noch viele andere Menschen. Die Insel war ziemlich reich. Weil Dädalus so ein toller Künstler war. Dadurch hatte die Insel richtig viel Geld. Eines Tages wollten die beiden auf eine andere Insel. Weil Dädalus und Ikarus ihre Werke weltberühmt machen wollen. Also fuhren sie los. Mit ein paar Leuten würde es klappen, dachte Dädalus. Doch als sie losfahren wollten, war das eine Boot, das sie hatten, kaputt. Was nun, sagte Ikarus. Also wurden die Kunstwerke leider nicht berühmt. (Tom S05d) Geschichten zum Gruseln aus Griechenland Dädalus und Ikarus Es war einmal ein Künstler, der hieß Dädalus und er hatte einen Sohn, Ikarus ist sein Name. Sie machten aus riesigen Steinen Figuren in ihrer Werkstatt. Eines Tages wurde in ihrer Werkstatt Blut gefunden. Und sie waren spurlos verschwunden. Da kam ein riiiesiges Monster

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und stürzte sich auf den Kommissar und verschlang ihn. Die übrigen Polizisten rannten aus dem Haus. Ein paar Tage später… wurden die Leichen von Dädalus und Ikarus geborgen, aber sie lebten als unsterbliche Geister weiter (genauso wie der Kommissar.) Und wurden sehr reich!  The End. Eine Geschichte aus der Schule [Name der Schule]. Autor (Lars S06d) Dädalus und Ikarus Dädalus war ein sehr bekannter Mensch, denn er konnte sehr gute Figuren aus Stein machen. Er machte Menschen, Wagen, Tiere und Pferde. Er war ein sehr guter Erfinder. Dann bekam er einen Schüler, er wollte auch Figuren aus Stein machen. Er konnte es schon sehr gut. Eines Tages aber machte der Schüler so gute Dinge aus Stein, dass er es besser konnte als Dädalus. Dädalus wurde neidisch und eifersüchtig. Dann stieß Dädalus den Schüler aus seinem Labor (das Labor stand auf einem Berg), sodass er starb. Dädalus musste fliehen, er floh über das Wasser, bis er auf eine Insel kam. Die Insel hieß Kreta. Dort wohnte ein König, er hieß Minos, er sagte, er wolle einen neuen Palast, einen schöneren Palast. Die nächsten Jahre baute er einen neuen Palast. Doch dann bekam er einen Sohn. Er hieß Ikarus. Der Palast war noch nicht fertig. Dädalus hatte Heimweh, er wollte nach Hause und seinem Sohn seine Heimat zeigen, doch Minos, der König, ließ sie nicht weggehen, er schickte immer Wachen zu Dädalus und Ikarus, damit sie nicht weg gehen können. Doch dann kam Dädalus eine Idee. Wozu war er ein Erfinder. Er sammelte ganz viele Vogelfedern und legte alle Vogelfedern der Größe nach auf den Boden. Er machte sie mit Wachs fest und unten an den Stielen webte er die Federn zusammen. Es sah wirklich wie echte Flügel aus. Er probierte die Flügel auf einem kleinen Hügel aus und tatsächlich, er flog, er konnte fliegen. Dann bastelte er noch ein kleineres Gestell für Ikarus, dann war es so weit. Sie haben auf dem Hügel schon viel geübt, aber jetzt müssen sie über das weite Meer fliegen. Dädalus sagt zu Ikarus, du darfst nicht so nah über dem Wasser fliegen, denn deine Flügel könnten ins Wasser kommen und schwer werden und du ertrinkst und du darfst nicht so hoch fliegen, sonst schmilzt das Wachs und du stürzt runter ins Meer und du ertrinkst, ok? Ok, sagte Ikarus. Dann sprangen sie von der Klippe und breiteten die Flügel aus und sie fliegen, unter ihnen liegt das große und glitzernde Meer. Ikarus war so froh, dass er fliegen konnte, dass er so weit nach oben flog, dass das Wachs schmolz. Dädalus bemerkte es nicht, dass Ikarus so weit nach oben flog, dass das Wachs schmilzt. Das Wachs schmolz so schnell, dass Ikarus nicht mehr um Hilfe schreien konnte und stürzte. Dann drehte sich Dädalus um und sah Ikarus nicht mehr. Dann sah er die Federn auf dem Wasser schwimmen. Er landete auf einer Insel. Ikarus wurde an Land gespült. Dädalus war sehr traurig und er wurde auch nicht mehr glücklich. (Emilia S07d) Es lebte in einem schönen Land ein berühmter Mann, der hieß Dädalus. Dädalus machte Steinfiguren, Menschen, Pferde und Tiere. Er war so ein Künstler, dass alle ihn verehrten. Eines Tages bekam Dädalus einen Schüler. Dädalus brachte ihm alles bei, doch bald war der Schüler besser als er und Dädalus warf ihn aus dem Fenster. Dädalus musste fliehen, er kam auf eine Insel. Die beherrschte ein König. Dädalus war sehr glücklich auf dieser Insel, er bekam einen Sohn, aber später wollte Dädalus weg. Er

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wollte seinem Sohn Ikarus seine Heimat zeigen, doch als der König das bemerkte, wachten rund um die Uhr Wachen auf ihm. Aber wozu war Dädalus ein Erfinder? Er beobachtete die Vögel, weil Vögel fliegen. Dädalus baute Flügel und legte sie der Größe nach. Unten klebte er sie mit Wachs. Auf einem kleinen Hügel probierte er sie aus und es ging. Dädalus baute auch für Ikarus Flügel. Dädalus sagte zu Ikarus, schau genau zu, wie ich es mach, flieg nicht zu tief, sonst werden die Flügel zu schwer und wenn du zu hoch fliegst, {sonst} schmilzt der Wachs. Dann flogen sie. Wenig später waren sie schon sehr weit. Ikarus war so ausgelassen, dass er so hoch flog, dass das Wachs schmolz und Ikarus fiel. Dädalus merkte es nicht, als er sich umsah, war Ikarus verschwunden. Er landete auf einer Insel. Sie hieß Kreta. Von nun an war er wieder verehrt, aber er war immer traurig um seinen Sohn. (Anna S08d) Es war einmal ein sehr bekannter Bildhauer. Er hieß Dädalus. Er hatte einen Schüler. Als er ihn noch länger hatte und [ihm] genügend beigebracht hatte, so wurde er neidisch. Er wurde so gut, dass Dädalus ihn vom Berg hinunterwarf. So floh er und wurde bald auf einer Insel aufgenommen. In einem Königreich. Dort bekam er einen Sohn. Der ihm oft bei der Arbeit zusah. Doch als der König merkte, dass Dädalus Heimweh hatte und seinem Sohn seine alte Heimat zeigen wollte, schickte er Wachen zu ihm, damit er nicht fliehen konnte. Da dachte Dädalus lange nach, als er fertig war, hatte er eine Idee. Er guckte den Vögeln so zu, dass er bald eine Ahnung hatte, wie sie mit ihren Flügeln fliegen. Er sammelte Vogelfedern und leimte sie zusammen, holte Gurte und spannte sie. Dann machte er kleinere Flügel noch für Ikarus. Er sagte ihm noch die wichtigsten Regeln, die man beim Fliegen beachten musste, es waren 1. Nicht zu nah am Wasser, die Federn würden einsacken und du würdest ertrinken. 2. Nicht zu nah nach oben, die Sonne könnte den Leim auflösen und du würdest nach unten in das Meer fallen. 3. Gucke immer auf mich, damit du siehst, wie ich die Flügel schwinge. So, das war es jetzt, jetzt konnten wir losfliegen. Als erstes klappte alles, dann aber traf Ikarus der Übermut und [er] war so glücklich, dass er in Richtung Sonne flog. Und der Leim schmolz, die Federn fielen ab und bevor er einen Schrei ausstoßen konnte, landete er im Wasser. Dädalus merkte nichts, aber nach einer Weile, guckte er sich um, sein Sohn war weg, er konnte nur noch 3 Federn im Wasser erkennen. Sofort machte er bei der nächsten Insel halt. Nach ein paar Tagen lag der tote Ikarus an Land. Und Dädalus war bis [an] sein Lebensende nicht mehr glücklich. (Annika S09d) \1. Teil\ Dädalus und Ikarus Es war einmal ein Mann, er hieß Dädalus und war Erfinder. Er hatte einen Sohn, er hieß Ikarus. Ikarus war 14 Jahre alt und half seinem Vater bei seinen Erfindungen. Dädalus wollte eine Flugmaschine bauen, also dachte er nach und dachte an die Vögel. Er ging raus und guckte, wie die Vögel fliegen. Dann hatte er eine Idee. Er ging wieder rein und machte sich an die Arbeit. Ikarus half ihm. Bald waren sie fertig. Dädalus hatte einige Federn mit Wachs zusammengesteckt, wie bei den Vögeln, und unten hat er Faden ran gehängt, wo er \2. Teil Überschrift Dädalus und Ikarus\ seinen Arm durchstecken kann. Dann probierte er es aus. Er stieg auf einen Hügel und flog, er flog tatsächlich und er baute noch ein [?] für Ikarus und dann flogen sie übers

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Land. Es war toll, so zu fliegen und als sie wieder zu Hause waren, hatten sie ein schönes Gefühl und ab jetzt flogen sie fast jeden Tag und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ende (Henrik S10d) Es war einmal ein berühmter Künstler. Der hieß Dädalus. Er macht schöne Figuren und andere schöne Sachen. Jeder bewunderte ihn. Eines Tages bekam er einen Schüler. Er lehrte ihn, mit dem Meißel umzugehen und mit dem Hammer umzugehen. Sein Schüler wurde immer besser, irgendwann erfand er sogar die Säge. Das reicht Dädalus. Er schubste ihn von der Mauer. Nach diesem Mord wurde er von der Stadt vertrieben. Irgendwann fand er eine Insel, wo er bleiben durfte, sie hieß Kreta. Auf der Insel herrschte ein König. Der König hieß Minos. Er erkannte bald sein Talent, er ließ sich von Dädalus einen Palast bauen. Er baute viele Jahre am Palast. In der Zeit hatte er einen Sohn bekommen. Irgendwann bekam er Heimweh nach seiner Heimat, aber der König Minos ließ ihn nicht gehen. Er setzte die Wachen auf sie ein. Dädalus und sein Sohn Ikarius konnten nicht weg, weder übers Wasser {als} [noch] übers Land. Dädalus begann zu überlegen, wie er mit Ikarus fliehen konnte. Plötzlich wusste er’s. Minos war zwar der Herrscher über das Wasser und übers Land, aber nicht über die Luft. Seitdem beobachtet er nur noch Vögel und sammelt Federn. Als er genügend Federn hatte, legte er sie in die Reihenfolge und wachste sie mit Wachs zusammen. Er probiert, mit den Flügeln zu fliegen, tatsächlich klappt es. Er macht noch etwas kleinere Flügel für Ikarus und dann kam der Tag. Sie standen auf der Klippe. Dädalus sagte zu Ikarus, flieg nicht zu tief, sonst berührst du das Wasser und deine Federn könnten schwer werden und flieg nicht zu hoch, die Sonne könnte schmelzen, und dann flogen [sie] los. Am Anfang des Fluges ging alles gut, doch Ikarius wurde übermütig, weil er flog, er flog, dieses Gefühl war toll, einfach nur toll, und er flog zu hoch. Die Sonne schmolz das Wachs. Es passierte so schnell, dass er nicht mal Hilfe schreien konnte und Dädalus bemerkte es nicht. Als er sich umsah, war kein Ikarus mehr da. Er sah nach unten und sah nur noch Federn auf dem Wasser schwimmen. Er landete auf dem Land und man hat ihn in der Bucht tot wiedergefunden. Sie haben ihn wieder aufgenommen, weil er jetzt auch Schmerz gefunden hat. Aber er wurde nicht glücklich. Ende. (Diana S11d) Dädalus war ein sehr berühmter Baumeister, er lebte auf einem Berg. Doch eines Tages bekam er einen Schüler und er wurde bald besser als Dädalus. Dädalus wurde eifersüchtig und neidisch, sodass er eines Tages den Jungen von seinem hohen Berg schubste, so doll, dass er tot war. Dädalus musste seine Heimat verlassen. Er zog auf die Insel Kreta, dort nahm ihn der König Minus auf. Auch auf dieser Insel wurde er ein berühmter Baumeister und bald hatte er auch schon ein Kind. Es trug den Namen Ikarus. Aber Dädalus bekam Heimweh nach seiner alten Heimat. Er wollte Ikarus seine Heimat zeigen, doch als Minus das mitbekam, schickte er Wachen los und sie durften Dädalus nicht aus den Augen lassen und schon gar nicht ins Meer. Dädalus wollte Ikarus aber so gerne seine Heimat zeigen. Er beobachtete die Vögel, wie sie flogen und dann sammelte er die Federn von den Vögeln und so baute er sich Flügel, damit er fliegen konnte. Er probierte es an einem kleinen Hügel aus, ob die Flügel funktionieren und es

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klappte tatsächlich. So baute er auch welche für Ikarus. Sie übten an dem kleinen Hügel, bis sie dann auf die Klippe gingen. Dädalus sagte, mach es genauso wie ich, flieg nicht zu tief, die Flügel könnten das Wasser berühren, du könntest untergehen, flieg nicht zu weit oben, das Wachs könnte schmelzen, du könntest stürzen, sondern flieg genau in der Mitte, hinter mir, und so ließen sie sich fallen. Sie flogen. Ikarus gefiel es so doll, dass er die Flügel unterschätzte. Er flog höher zur Sonne, das Wachs ist so schnell geschmolzen, dass er nicht einmal mehr Hilfe rufen konnte. Dädalus bemerkte nichts, doch nach einiger Zeit drehte sich Dädalus um. Er sah Ikarus nicht mehr, er schrie und schrie, er landete auf einer Insel. Ikarus wurde tot an Land gespült. Dädalus war sehr traurig, er wurde auf der Insel aufgenommen. Auch hier wurde er Baumeister, aber er wurde nie glücklich. (Lilja S12m) Das schöne Leben Es war einmal ein Mann. Dieser Mann konnte unglaublich gut Handarbeiten machen, ich meine Bänder und Schmuck. Er war ganz bekannt. Er fühlte sich in dieser Stadt namens Hamburg sehr wohl und, ach, ich habe ganz vergessen, den Namen zu sagen, der Mann hieß Dädalus. Naja, auf jeden Fall da dachte Dädalus, ich will mal woanders hin, und er packte seine Sachen und fuhr nach Paris. Die Fahrt dauerte sehr lange, aber als er dann da war und den Eifelturm sah, war er so begeistert, dass er sich schon auf die ganze Stadt so sehr freute. Dädalus suchte sich erstmal ein Hotel. Dann erfuhr er von einem Gast, dass hier ein König herrschte namens Minos. Aha, sagte Dädalus und packte seine Sachen aus. Und schlief. Als er am Morgen aufwachte und zum Frühstück ging, war da kein Platz mehr frei, nur noch einer neben einer Frau, und er fragte, ist hier noch ein Platz frei. Ja, sagte die Frau und er setzte sich. Sie quasselten noch ein bisschen und es stellte sich heraus, dass die Frau Tara hieß. Und sie verliebten sich und kriegten einen Sohn, der hieß Ikarus. (Helen S13d) Es lebte einmal ein Mann, er hieß Dädalus. Er machte Figuren aus Stein. Eines Tages bekam Dädalus einen Schüler, er war dann sogar besser als Dädalus. Dann wurde Dädalus eifersüchtig und schubste den Schüler den Felsen hinunter. Dann musste Dädalus fliehen, weit über das Meer. Dann kam Dädalus auf eine Insel, da gab es einen König, der König ließ ihn einen Palast bauen. Dann wurde Dädalus berühmt, weil er so gut bauen kann. Bald bekam Dädalus einen Sohn, er hieß Ikarus. Dädalus bekam Heimweh. Als der König das merkte, dass er nach Hause wollte, schickte [er] Wachen zu Dädalus, die ihn nicht aus den Augen lassen sollten. Dann bastelte er sich Flügel aus Federn und kleinere für Ikarus. Und sie flogen weg. Ikarus flog zu hoch und stürzte, er konnte gar nicht Hilfe schreien, so schnell war es. Dädalus sah ihn nicht mehr und stürzte. (Olga S14m) Dädalus und Ikarus Es war einmal ein sehr berühmter Mensch namens Dädalus. Dädalus wohnte in Griechenland. Er haute Figuren aus Stein. Dann hatte [er] einen Schüler, der wollte auch so wie Dädalus werden. Aber der Schüler war so schlecht. Das gefiel Dädalus gar nicht. Dädalus nahm seinen Hammer und haute damit dem Schüler auf den Kopf, sodass er tot umfiel. Dann wurde Dädalus von der Insel weggescheucht. Zum Glück hatte Dädalus ein Boot. Damit ruderte und ruderte [er], bis er auf Land stieß. Die Insel hieß Kreta und hatte einen Vulkan. Zufällig traf er den König. Der König fragte,

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ob Dädalus mit auf den Palast kommen will. Das ließ sich Dädalus nicht entgehen. Der König Minos bekam die Antwort ja von Dädalus. Da freute sich Minos. Als Minos und Dädalus [in] dem Palast waren, fragte Minos Dädalus, was er so macht. Dädalus antwortete: „Ich haue Sachen aus Stein, zum Beispiel Menschen.“ „Bau mir mal einen neuen Palast aus Stein, dieser hier ist schrottig“, sagte Minos. „Ja“, sagte Dädalus. Dädalus baute ein Jahr an dem Palast aus Stein. Aber dann bekam Dädalus Heimweh. Plötzlich sah Dädalus ein Boot. Als das Boot näher kam, erkannte Dädalus, dass das Leute aus seiner Heimat [waren]. Sie kamen zu Dädalus und sagten, dass er wiederkommen soll. Das hatte Minos gehört und brach vor Wut aus. Minos wollte nicht, dass Dädalus geht. Dann herrschte Krieg. Blut spritzte. Nach 11 Wochen hörte der Krieg auf. Dädalus ging ins Boot, ruderte und ruderte, bis er wieder in seiner Heimat war, bekam er ein Kind namens Ikarus. Dädalus und Ikarus lebten fröhlich bis an ihr Lebensende. (Johannes S15d) Es war einmal ein Mann. Der Mann hieß Dädalus und er hatte einen Sohn, und zwar Ikarus. Sie lebten in einem Berg. Sie waren glücklich und die beiden erfanden fast alles und sie waren berühmt. Doch eines Tages wollte Dädalus zu einem anderen Land gehen und mit einem Flugapparat ist er mit seinem Sohn geflogen. Und bald landeten sie auf einer Insel und da lebte ein König namens Pitu und der König wollte unbedingt einen Palast haben und der Mann hat es auch gemacht und er mochte dieses Land so sehr, dass er für immer bleiben wollte, aber sein Sohn wollte wieder zurückgehen. Aber auch der Mann wollte bald nach Hause gehen und die beiden gingen zum König und sie flehten ihn an, doch der König sagte nein und er schickte 2 Wachen, damit sie nicht gehen. Sie waren traurig und die Vögel flogen ganz weit oben und immer fielen Federn nach unten. Dann fiel dem Sohn was auf. Er bastelte Flügel aus den Federn und er bastelte Flügel für seinen Vater und dann übten sie fliegen und bald konnten sie richtig fliegen und dann flogen sie nach Hause. Ende (Silvia S16m) Dädalus lebte auf Kreta und war ein berühmter Künstler. Er schlug Figuren aus Stein. Aber er hatte noch einen Schüler. Da hieß es, dass er den Zirkel und die Säge erfunden hat. Dädalus wurde neidisch und warf ihn über die Mauer in den Graben, da lag er tot. Dädalus musste fliehen. Er floh übers Meer und kam auf einer Insel an, da herrschte ein König, der hieß Minos und nahm ihn auf und dann wurde er wieder berühmt und bekam einen Sohn, der auch berühmt wurde und sie lebten glücklich miteinander, aber dann wollte Dädalus Ikarus seine alte Heimat zeigen. Als Minos davon erfuhr, konnten Dädalus und Ikarus keinen Schritt mehr alleine gehen und konnten nicht mit einem Boot wegfahren, das würde ihnen auch nichts nutzen. Aber Dädalus überlegte lange, ziemlich lange, dann fiel ihm ein, Minos ist König von Land und Wasser, aber nicht von der Luft. Dann schaute er den Vögeln ab, wie sie starten, wie sie die Flügel bewegen und sammelte alle Vogelfedern, die er sah und als er dann genügend Federn hatte, machte er ein Flügelpaar für sich und dann eins für Ikarus. Sie übten von einem kleinen Berg, aber er wusste, dass die Strecke {wird} lang [wird] und sagte zu Ikarus, du musst echt gut aufpassen, du darfst nicht zu tief fliegen, dann kommst du mit den Flügeln ins Wasser und [sie] werden schwer, dann zieht es dich nach unten ins Wasser, du darfst

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auch nicht zu hoch fliegen, dann schmilzt das Wachs und [du] fällst auch ins Wasser und schau immer schön mir ab. Und dann lassen sie sich wie die Vögel fallen und flogen und Dädalus schaute ängstlich nach hinten wie die Vogelmütter, die nach ihren Jungen schauen. Plötzlich überrollte Ikarus der Übermut und wollte höher und höher. Dann flog er zu nah an die Sonne heran, das Wachs schmolz, alles ging so schnell, dass er nicht schreien konnte. Dädalus schaute nach hinten, Ikarus war weg. Dädalus flog zur nächsten Insel und irgendwann wurde Ikarus an Land gespült und Dädalus wurde in seinem Leben nie mehr glücklich und die Insel hieß nach dem Tod von Ikarus Ikarussen und Dädalus lebte noch lange. Ende (Niko S17d) Es war einmal ein Mensch, der hieß Dädalus. Er war ein Künstler. Er war nicht nur ein Künstler, sondern ein Bildhauer. Er war sogar ein berühmter Bildhauer. Er wohnt in einem schönen Haus. Er soll für viele Menschen Statuen machen. Er hatte ein schönes Leben, bis ein Junge das Gleiche machen wollte. Er wurde Dädalus‘ Lehrling. Dädalus bringt Minos alles bei, was er konnte. Aber Dädalus merkte, dass Minos mehr Kunstwerke bauen müsste. Dädalus wurde neidisch. Eines Tages sagte Dädalus zu Minos, du musst aufs Meer fahren und den Himmel abmalen. Nicht abmalen, sondern als Bild hauen. Minos machte, was Dädalus sagt. Er war jetzt auf dem Meer. Minos hat nicht gemerkt, dass das Ganze eine Falle ist. Er ging unter. Dädalus war froh. Ende (Micha S19d) Dädalus und Ikarus auf der Insel Alle sagen, dass Ikarus gestorben ist. Doch ich weiß, dass Ikarus noch lebt. Jemand hat sich das ausgedacht. Ikarus und Dädalus haben es überlebt. Ikarus ist in der Mitte geflogen. Dädalus und Ikarus sitzen {in} [auf] einer Insel fest. Aber sie bauen an einem Flugzeug. Aber nicht bei der Insel, wo Minos ist. Nein! Da, wo Dädalus’ Heimat ist. Als sie bei Dädalus Heimat sind, werden sie gesucht. Sie fliegen zurück. Jetzt sind sie in Kreta. Sie sind berühmte Künstler. Sie wollen nicht nach Hause, weil es ihnen gut geht. (Luke S20m) Klasse B Ikarus sucht Freunde Ikarus ging eines Tages in den Wald. Er sucht einen Freund. Er fragt den Papagei: „Willst du mein Freund sein?“ „Nein“, sagt der Papagei. Er ging und ging, ein Tag, zwei Tage, {den} [dann] traf er Dädalus, den Meister. Den fragt Ikarus: „Willst du mein Freund sein?“ „Na klar“, meint Dädalus. Nun hat Ikarus einen Freund. Supi. (Lennart S21d) Dädarus und Ikarus!!! Es war einmal ein kleiner Junge. Er hatte eine schwere Zeit hinter sich gebracht. Als Dädarus 10 Jahre alt war, starben seine Eltern an Krebs. Er wurde immer älter und älter. Er wurde ein berühmter Künstler. Er erschuf Dinge, er erschuf Kleider und er erschuf die Bohrmaschine. Eines Tages reiste er um die halbe Welt. Er bekam einen Sohn namens: Ikarus. Als Ikarus 15 Jahre alt war, starb auch Dädarus. ENDE!!!!! \Dädarus als Kind, als Erwachsener, Ikarus mit 15 Jahren\ (Mina S22d) Flib und Flob 1. Kapitel Flib ist sauer. Es war einmal ein Mann, er hieß Flib. Flib lebte auf einem großen Berg. Da hatte er ein großes Schloss stehen. Flib war Erfinder. Und

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Baukünstler. Unten am Berg war eine Stadt, die hatte einen König und Flib diente dem König. Einmal kam ein Junge, er hieß Tet. Tet wollte das auch können. Flib brachte ihm bei, wie das geht. Tet lernte immer mehr und mehr. Tet war dann besser als Flib. Tet erfand auch einen Zirkel und die Säge. Flib fand das doof und darum nahm er ihn an die Hand und brachte ihn mit seinen Gespensterkräften auf eine einsame Insel. Und ging mit seinen Gespensterkräften wieder zurück. 2. Kapitel Die Flucht Als er wieder zu Hause war, fiel ihm ein, dass er Ärger kriegen würde, deshalb ging er auf die Insel Takatuka. Auf der Insel war schon jemand, der König von Fliegenburg. Der König wollte ein Schloss haben. Flib baute ein Schloss. Flib hatte so viel Spaß daran, dass er das Schloss immer größer machte. Nach 4 Jahren bekam er ein Kind. Das hieß Flob. Flob half ihm immer. 3. Kapitel Sehnsucht Flib bekam Sehnsucht nach Zuhause. Flib wollte Flob sein Zuhause zeigen. Der König hörte das. Der König wusste, dass Flib Gespensterkräfte hatte und deshalb band er Flib eine kleine Kugel fest, die nicht durch den Boden konnte. Flib erfand das Boot. Flib und Flob fuhren mit diesem Boot weg vom grausamen König. Als sie angekommen waren, wurden sie freundlich begrüßt. Sie waren glücklich und zufrieden, wieder zu Hause zu sein. Ende einsame Insel (Rafael S23d) Dädalus trifft einen Jungen ohne Eltern. Dädalus ist ein reicher Mann. Er ging in den Wald spazieren. Dädalus traf einen kleinen Jungen. Der kleine Junge sagte: „Ich hab‘ mich verlaufen und habe keine Eltern.“ Dädalus fragte: „Willst du bei mir wohnen?“ „Ja, klar will ich!“, sagt der Junge. Der Kleine wuchs und wuchs, der Junge war nicht mehr klein, sondern groß. Der Junge war 16 Jahre alt. Er mag Experimente. Einmal hat er mit einem Experiment das ganze Haus hochgejagt. Dafür warf der Vater das Kind die Klippe runter. Ende (Toni S24m) Dädalus und Ikarus Dädalus ist ein Künstler. Und er hatte Angst, dass sein Schüler noch besser ist. Und darum reist er {am} [zu einem] Land und er ist angekommen. Da war ein Mann und sein Sohn. Sein Sohn heißt Ikarus. Der Mann baute Flügel für Dädalus und für Ikarus. Die springen von der Klippe. Ikarus fliegt hoch zur Sonne, das Wachs schmolz und Ikarus fiel ins Meer und starb! (Kendrik S25d) Dädalus und Ikarus Sie bauten Flügel und sind weggeflogen. Und Ikarus ist gestorben und ist tot auf einer Insel gestrandet. Und Dädalus hat ihn gefunden und hat ihn vergraben, weil er gestorben ist. Und dann war Dädalus der beste Bauer der Welt. (Senad S26m) Dädalus und Dädalus Es war einmal ein Mann. Er hieß Dädalus. Er konnte richtig gute Steinfiguren schlagen. Menschen aus sehr weit entfernten Ländern kamen extra zu ihm, um seine Figuren sehen zu können. Dädalus hatte einen Schüler. Auch er hieß Dädalus. Es war sehr viel Arbeit, es dem Schüler beizubringen. Aber jetzt hat er es geschafft. Oh nein! Der Schüler konnte es viel besser als er selber. Der Lehrer Dädalus griff vor Eifersucht den anderen Dädalus an. Aber der Schüler war so talentiert, dass er sich wehren konnte. Er wehrte sich so doll, dass der Lehrer starb. Die Menschen dachten, er hätte ihn einfach so umgebracht. Deswegen verscheuchten sie den kleinen Dädalus. Er musste fliehen. Er lief in ein anderes Land. Auf einmal sah er eine Burg vor

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sich mit ganz vielen Spinnenweben dran. Schreiend lief er zurück in seine Heimat. Er sagte: „Ich werde niemanden mehr umbringen! Auch wenn ich mich angegriffen fühle.“ Aber die Menschen sahen Dädalus. Und wollten ihn umbringen. Aber sie haben sich gestritten, wer ihn umbringen durfte. Sie waren alle so wild aufeinander zu gegangen, dass alle Menschen starben dort. Außer Dädalus. Endlich konnte er friedlich leben! (Heike S27d) Dädalus und Ikarus. Dädalus wanderte über den Felsen und fiel in die Tiefe und war ohnmächtig und am nächsten Tag wacht er in einem Haus auf von einem Jungen namens Ikarus und Ikarus hat ihn sehr gut behandelt. Dädalus und Ikarus hatten sehr viel Spaß beim Ausflug in die Wildnis und dann war es dunkel. Sie wollten einschlafen, aber die Tiere waren zu laut. Dann sind sie woanders hingegangen, aber es war auch da zu laut. Also gingen sie wieder nach Hause. Am nächsten Tag sind sie zu Hause angekommen und da war keiner. Sie waren geschockt und haben überall gesucht und sie haben einen Vogel gefunden mit einem Hund und einen Papagei. Am nächsten Tag waren alle Leute wieder da und sie {laben} [lebten] glücklich und zufrieden. Und am nächsten Tag hat Ikarus Geburtstag und er hat sehr viele Freunde eingeladen und sie haben {gekemt} [gekämpft?] und Dädalus hat die Süßigkeiten geholt, aber erst haben sie Warmes gegessen. Alle haben aufgegessen. Danach haben sie Süßes gegessen und haben geschlafen, nur Dädalus konnte nicht einschlafen, deswegen ist er reingegangen und ist in sein Bett gegangen und ist eingeschlafen. Am nächsten Tag waren alle kaputt und hatten Muskelkater, nur Ikarus hat keinen Muskelkater. Ikarus fragt die anderen, wollen wir spielen. Nein, wir haben Lust zu schlafen. Ikarus fragte Dädalus, sollen wir Fußball spielen. Dädalus sagt Ja. Jetzt spielen wir Fußball. Dann lebten Dädalus und Ikarus lange und zufrieden. (Till S28d) Mira & Lira Mira & Lira lebten in einer Stadt. Die Stadt hieß Betlehem. Mira & Lira waren 2 Zwillinge. Die beiden Mädchen waren sehr berühmt, aber sie wollten lieber wie andere Mädchen sein. Deshalb hatten sie beschlossen, ganz normalen Tee zu trinken. Doch eines Tages, als sie den Tee wieder trinken wollten, kam plötzlich ein Geist aus der Teekanne raus & sprach[:] Ich bin der Geist, der euch ankündigt, dass ihr in den kommenden Nächten mehrere Besuche bekommt, nämlich von Geistern. Einmal kommt der Geist der Wahrheit, der Vergangenheit & der Zukunft. & alle kommen um Mitternacht. Also macht euch bereit. Die beiden rissen die Augen auf & konnten es nicht fassen. Doch in der Nacht geschah es, der Geist der Wahrheit ist gekommen. Der Geist reiste mit den beiden in die Wahrheit & sie sahen, was wirklich mit ihrer Mutter passiert ist!!! Ihr Vater hat sie die Klippe runter gestoßen, weil sie ihn genervt hat. In der 2ten Nacht kam der Geist der Vergangenheit, er hat ihnen ihren Ruhm & Reichtum gezeigt. In der dritten Nacht kam der Geist der Zukunft. Er hat den beiden gezeigt, wie sie ohne Reichtum leben. Da haben die beiden sich gefreut, dass sie berühmt sind & plötzlich öffnete sich die Tür, ein Mann kam rein & die beiden hatten Angst. Der Mann hat die Kinder getötet, aber sie lebten als Geist weiter. & So lebten sie glücklich & wurden noch berühmter. (Nelly S29d)

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Ikarus, Helakus, Sonostus & Dädalus Es war einmal ein berühmter Bildhauer, der Dädalus hieß. Dieser Bildhauer hatte 3 Söhne: Ikarus & Sonotus & Helakus. Er brachte ihnen alles bei, was ein guter Bildhauer können musste. Sonotus arbeitete gut und fleißig und widmete sein ganzes Leben dem Bildhauen. Doch Dädalus‘ Sohn Ikarus konnte sich einfach nicht davon abbringen lassen zu schneidern. Und sein jüngster Sohn, Helakus, liebte die Musik. Eines Abends, als Ikarus mal wieder in der Stube saß und schneiderte und Helakus Cello spielte, fasste sich Dädalus ein Herz und sprach: „Es geht nicht.“ Die beiden blickten erstaunt auf. „Es geht nicht“, fuhr er fort, „dass du, Ikarus, dein Leben Klamotten und du, Helakus, dein Leben ein paar schrägen Tönen widmest!“ „Aber Vater – “, begann Helakus. „Nichts aber!“, rief Dädalus. „Ihr lernt Bildhauen, wie euer großer Bruder Sonotus!“ Und mit den Worten riss er sich Nadel und Faden und Schere, Cello und Bogen und schmiss sie aus dem Fenster. Sie landeten im Fluss und wurden nie wieder gesehen. Von dem Tag an war Dädalus ein anderer Mensch: Er scheuchte seine Söhne umher, hatte kein Mitgefühl mehr und alle Leute hassten ihn wegen seiner Boshaftigkeit. Eines Tages traute sich Dädalus‘ Ältester, Sonotus, Dädalus zur Rede zu stellen, Dädalus zog ein Messer und erstach ihn. Die 2 Söhne, die seinen Todesschrei hörten, kamen zur Tür herein. Als der jüngste Sohn, Helakus, die Leiche seines Bruders sah, starb er. Ikarus jedoch griff seinen Vater an. Die beiden kämpften gegeneinander und Dädalus und Ikarus erwürgten sich gegenseitig. Ikarus wurde zu einem Engel, während Dädalus zum Teufel wurde und für alle Zeit in der Hölle sein musste. Und man sagt, dass er dort immer noch sein Unwesen treibt. Ende \Dädäteuf, Sonutus, Ikangel, Helakus\ (Paula S30d) Die Sage des Griechen Dädalus und Ikarus Es war ein Holzfäller, er war immer fleißig. Eines Tages kam ein anderer Holzfäller, er war noch fleißiger als Dädalus. Der andere Holzfäller hieß Ikarus. Dädalus war sauer, er wollte der Beste sein, da beschloss er, Ikarus ins Wasser zu locken und tot sei. Eines Tages war Ikarus tot. Die anderen Menschen fanden Dädalus gemein, {sie sagten:} „Dädalus soll fliehen“, schrien alle. Dädalus fing an zu weinen. Und floh. Da fing er wieder an zu weinen und sagte: „Warum habe ich Ikarus getötet? Ich war so doof.“ Aber in Wirklichkeit lebte Ikarus noch, er ist geschwommen. Da trafen die beiden sich im Wald. Ikarus und Dädalus lachten. Da sagte Dädalus: „Wie hast du es aus dem Wasser geschafft?“ „Ich habe mir ein Schiff gebaut.“ „Cool“, sagte Dädalus. „Wir können uns doch ein großes Lager bauen?“, fragt Dädalus. „Ja“, antwortet Ikarus. Eine Woche später bauten sie und bauten und bauten und auch nachts bauten sie, drei Tage später waren sie fertig. Jetzt schliefen sie tags und nachts. Da sah jeder, was sie gebaut hatten. Sie haben Betten gebaut und Sägen und, und, und. Sie haben sich selber gebaut in riesengroß, man dachte, sie waren echt. Jeder war froh, dass sie sich verstanden haben und auch sie waren froh, dass sie Freunde waren. Da war das Lager geöffnet, jeder kam reingestürzt. Ikarus und Dädalus kriegten ganz viel Geld und waren glücklich. Sie waren sehr reich und konnten sich Essen kaufen und neue Klamotten. Sie gaben auch den armen Menschen etwas zu essen und zu trinken und etwas Warmes zum Anziehen. (Alea S31d)

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Es war einmal ein Mann, der hieß Dädalus. Dädalus war ein Künstler. Er hatte auch einen Lehrling. Er wurde hoch geehrt. Doch sein Lehrling wurde auch nicht schlecht. Man sagte sich, er hätte die Säge erfunden. Der Bildhauer wurde neidisch, würde er besser als er werden? Nein, das durfte nicht passieren. Und so voller Neid stieß er den Jungen den steilen Abgrund der Felsen runter. Er wusste, dass man da schlecht überleben kann. Nun aber musste er fliehen. Die Menschen waren wütend. Weil er ja einen Mord begangen hatte. Voller Angst schwamm er zu einer Insel, die es noch heute gibt. Die Insel heißt Kreta. Auf der Insel lebte ein König, sein Name war Binos. Schon bald sah er das Talent, was in dem Erfinder und Bauer steckte. Dädalus fühlte sich auf Kreta wohl. Bald hatte er auch einen Sohn namens Ikarus. Doch irgendwann hatte Dädalus Heimweh. Außerdem wollte er seinem Sohn seine Heimat zeigen. Als der König das merkte, wollte er natürlich nicht, dass er geht, also stellte er Wachen zu ihm. Nirgends konnte er alleine hin. Er versuchte mit seinem Sohn übers Wasser zu fliehen, doch die Wachen ließen sie nicht durch. Dädalus dachte nach. Ich bin doch ein Erfinder, also streng dich an. Also, Binos ist Herrscher über Land und Meere, hm, aha, über den Himmel kann Binos aber nicht verfügen, das heißt, mir bleibt nur der freie Himmel. Jeden Tag stand Dädalus nun früher auf und beobachtete die Vögel. Außerdem sammelte er ganz viele Federn. Die Wachen schauten verdutzt zu. Eine fragte sogar, hei, Dädalus, was soll das sein? Dädalus antwortete nur[:] Für mein Leben wird es bedeutend sein. Endlich hatte er es geschafft, alle Federn nebeneinandergelegt und die Gerüste aufgestellt, alles war fertig, würde sich Ikarus trauen? Ja, ich will auch in die Luft. Dädalus probierte auf dem kleinen Hügel, sich alles anzulegen, nun war der spannende Moment, würde er es schaffen? Ja, Dädalus flog, ja, wirklich. Wow, ich will auch, rief Ikarus! Nun baute er auch ein kleineres für Ikarus. Jetzt übten sie. Alles lief glatt, aber würden sie den weiten Weg schaffen? Also, mein Sohn, ich würde dir gerne meine Heimat zeigen, willst du? Ja, klar doch, fliegen ist sooo toll, es wird klasse. Na gut, sagte Dädalus schweren Herzens. Nun schnallte er Gürtel und Ständer straff, band die Bänder noch dicker um und fing an zu fliegen. Als er neben seinem Sohn landete, sprach er, fliege nicht zu tief, es ist gefährlich, wenn Flügel Wasser oder zu heiße Sonnenstrahlen dich treffen. Und nun flogen sie los. Nach einiger Zeit wurde Ikarus übermütig und ließ die Beine in die Strömung, die Wellen rissen ihn in die Fluten, nach 1 Woche wurde die Leiche angespült. Vor Traurigkeit alles verloren zu haben, stürzte Dädalus in die Tiefe! Ende (Noema S32d) Dädalus bekommt einen Sohn Dädalus ist ein reicher Mann. Er mag gerne baden. Immer wenn er aufsteht, geht er summend ins Badezimmer. Er lässt seinen Rasierapparat schnurren. Und es geht wie jeden Tag ab in die Badewanne. Ein kurzes Bad und dann ab ins Schlafzimmer, umziehen. Er zieht seinen rosaroten Abzug an. Mit der lila Krawatte. Die Krawatte hat weiße Punkte. Alle Frauen mögen ihn, nur eine mag ihn nicht. Er mag eine wunderschöne Frau. Mit blonden Haaren. Die beiden wollen ein Kind kriegen. Sie kriegen einen Sohn. Sie nennen ihn Ikarus. Ende (Lina S33d) Dädalus und Ikarus Es war einmal ein junger Mann, er konnte sehr gut Sachen aus Stein schlagen. Und weil er so gut war, hatte er auch einen tollen Schüler. Mit der Zeit wurde

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aber der Schüler besser als Dädalus und Dädalus wurde furchtbar eifersüchtig! Weil sein Schüler die Säge und andere wichtige Sachen erfunden hatte, hat Dädalus ihn vom Berg geworfen. Er hatte eine schlimme Verletzung, aber zum Glück lebt er noch. Aber Dädalus wurde aus der Stadt verjagt, also floh er aus seiner Heimat und ging {zu} [nach] Kreta. Und auch da hatte der König mit der Zeit {lang} bemerkt, dass Dädalus sehr berühmt war, also nahm der König Dädalus auf. Und unter einer Bedingung, nämlich, dass er dem König eine sehr große Burg aus Stein bauen soll. Das tat Dädalus natürlich und er bekam natürlich zur Zeit einen Sohn ……………………………………………………………………… ……………………………………………………………………………………………………. \Burg des Königs von Ikarus\ (Keona S34m) Romeo und Julia Romeo und Julia waren in ihrer Heimat sehr berühmt. Sie konnten super tanzen und super Schauspielen. Heute mussten sie der griechischen Kaiserin was vorführen. Aber da gab es ein Problem, bis zu der griechischen Kaiserin war es sehr weit. Und sie hatten nicht mal ein Fahrrad. Romeo sagte: „Wir müssen zur Kaiserin laufen!“ Julia rief aber laut: „Warum nicht fliegen?“ Romeo und Julia überlegten. Nach ein paar Minuten flüsterte Romeo: „Menschen wie wir können nicht fliegen!“ Julia aber sagte: „Vielleicht doch, wir können es doch mal versuchen.“ Romeo nickte. Julia holte sofort Federn. Da sagte Romeo: „Woher hast du überhaupt diese Federn?“ Julia murmelte: „Mädchensache.“ Nach ein paar Minuten schwebten Romeo und Julia in der Lüfte. Romeo aber hatte den Dreh noch nicht raus und stürzte. Julia hat nicht gemerkt, dass er gestürzt war und flog weiter. Da war sie im Königreich der griechischen Kaiserin. Sie ging zur Kaiserin und stellte sich vor: „Ich heiße Julia.“ Die Kaiserin rief erschrocken: „Wo ist denn Romeo?“ Julia sagte: „Er steht doch hinter mir.“ Julia drehte sich um, und sah, er war weg. Seitdem wurde Romeo nie mehr gesehen. (Kalea S35m) Dädalus und Ikarus sind gefangen. Es war einmal ein Mann. Der war sehr reich. Er hatte viel gefunden. Das hat er gefunden: Gold, Helme, den ersten Knochen von einem Dinosaurier. Aber er hatte auch einen Sohn. Der hieß Ikarus. Eines Tages kamen Piraten in das Städtchen. Sie überfielen das Haus von Dädalus. Und nahmen das mit, was nicht niet- und nagelfest war. Und Dädalus und Ikarus waren nicht niet- und nagelfest. Also nahmen sie Ikarus und Dädalus mit. Da schrien sie um Hilfe, aber niemand konnte sie hören, weil sich jeder zurückgezogen hat. Da brachten die Piraten Dädalus und Ikarus auf ihr Schiff. Und da feierten sie, dass sie so viel geraubt hatten. Da fielen sie gleich um und schliefen. Weil sie so viel getrunken haben. Da sagte Dädalus zu Ikarus: „He, Ikarus, mir ist eine Idee gekommen. Wir sind hier am Mast festgebunden. Ja. Wir könnten an dem Seil ziehen. So könnten wir das Segel einfahren. Und so das Boot langsamer machen.“ Da sagte Ikarus: „Gute Idee, Paps, mir ist gerade auch eine Idee gekommen, damit wir uns befreien können, müssen wir dahinten den anderen Mast umwerfen und dann fährt er zu uns und zerschneidet das Seil.“ „Ok, Ikarus, dann werfe ich diesen Stein hier und bringe den Mast zu Fall.“ Da warf Dädalus den Stein und der Mast fiel um, bum, machte es und eine Staubwolke wirbelte durch die Luft. Und Dädalus und Ikarus waren frei. Da war dann ein Loch im Schiff und es versank im Meer mit all den Schätzen. Aber Dädalus und Ikarus waren schon längst vom Schiff und sind wieder {auf}

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[in] ihrer Heimat. Und Ikarus konnte seinen Kindern die Geschichte noch erzählen. Ende. (Bolko S36d) Dädalus und Ikarus Die lange Reise Es war einmal ein Mann, er hieß Dädalus, er war sehr berühmt, er konnte aus einem Stein eine Figur machen. Eines Tages kam der König zu ihm und sagte: „Du, du sollst immer mehr Steine verarbeiten, damit ich berühmt und reich werde.“ Das gefiel Dädalus gar nicht, er nahm sein Boot und fuhr übers Meer bis zu einer Insel namens Kreta und er wurde auch da reich und berühmt. Dem König gefiel das sehr und er sagte zu Dädalus: „Baue mir einen Palast“, und Dädalus baute einen Palast. 4 Jahre später bekam er ein Kind, er nannte es Ikarus. Ikarus mochte die Arbeit seines Vaters sehr und schaute immer zu bei seinen Werken. Doch irgendwann wollte Dädalus wieder zurück in seine Heimatinsel, damit {er} Ikarus seine alte Heimat sehen kann. Eines Tages ging er zum Meer, doch da kam der König und sagt: „Du darfst nicht gehen.“ Und er teilte Wachen Tag und Nacht ein, die auf ihn aufpassen sollen. Es vergingen 2 Wochen, da hatte Dädalus eine Idee. Er baute mit Ikarus 2 Figuren, die genau so aussahen, wie er und sein Sohn. Er stellte sie mitten ins Zimmer und ging mit Ikarus zur Hintertür. Sie rannten zum Meer, stiegen in ihr Boot, fuhren {aums} [übers] Meer bis sie auf Dädalus‘ Heimatinsel kamen. Ende (Helle S37d) Der Künstler Dädalus ist ein ganz guter Bildhauer. Er hatte einen Schüler. Dädalus lehrte ihn, bis er es konnte. Aber der Schüler war nicht mehr der Schüler, sondern der Lehrer. Das hat Dädalus gar nicht gefallen. Er tötete ihn. (Alsan S38d) Dädalus und Ikarus Eines Tages war[en] Dädalus und Ikarus im Garten. Und haben Vogelfedern aufgehoben, weil sie das Flugzeug verpasst haben. Deswegen. Mit den Federn fliegen sie, aber Ikarus konnte nicht mehr fliegen und fiel ins Wasser. Und ist tot. Dädalus weinte und weinte jeden Tag. UND WENN SIE NICHT GESTORBEN SIND, DANN LEBEN SIE NOCH HEUTE. (Eda-Nur S39m) Dädalus und Ikarus! Es lebte einmal ein alter Mann. Er hieß Dädalus, er war ein hoch geehrter Mann. Er war nämlich Künstler, er schlug Stein zu Mensch oder Tier. Und die Menschen waren fast echt, sie guckten die an. Gerade hatte er einen Schüler. Dädalus brachte ihm bei, {wie man} mit Hammer und Meißel zu arbeiten und Steine zu schlagen. Der Schüler war jetzt besser als Dädalus, er erfand auch Werkzeug wie Säge oder so. Dädalus wurde böse, sehr böse, er wollte nicht, dass sein Schüler besser als er wurde. Deswegen schlug er seinen Schüler die Klippen ins Meer runter, sodass er tot war. Dädalus musste fliehen, weit weg. Er reiste übers Meer und stieß auf eine Insel. Diese Insel gibt es heute noch, sie heißt Kreta. Da lebte auch König Mieß und er nahm Dädalus auf. König Mieß wollte einen Palast und befahl Dädalus einen für ihn zu bauen. Dädalus wurde hier auch wieder berühmt. Und bekam hier sein erstes Kind. Es hieß Ikarus. Dädalus wollte ihm ihre eigene Heimat zeigen. Doch als König Mieß erfuhr, dass sie fliehen wollten, ließ König Mieß überall um Dädalus und Ikarus Wachen stellen, sodass sie nicht fliehen konnten. Dädalus wurde böse und sagte zu König Mieß: „Dir gehört zwar das Land und das Meer, aber nicht der Himmel!“ Dädalus wollte durch die Luft fliehen. Er schaute den Vögeln zu, wie sie fliegen und sammelte viele Bänder und

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Federn und viele Dinge, womit er Flügel für ihn und Ikarus basteln konnte. Als die Flügel fertig waren, übten sie und die Flügel, die Dädalus gebaut hatte, funktionierten. Er sagte zu Ikarus: „Jetzt kommt ein langes Stück Fliegen. Schaffst du das?“ Ikarus sagte leise: Ja!, und als sie in die Luft gingen, guckten die Wachen vielleicht dumm. Und als die beiden die Werkstatt auf dem Hügel in der Heimat sahen, landeten sie und wurden beide am Ende zusammen berühmt. (Lola S40d) Dädalus und Ikarus Es war einmal ein Mann, er hieß Dädalus, er hatte einen Sohn, der hieß Ikarus. Sie lebten in Griechenland. Dädalus konnte sehr gut Figuren aus Stein meißeln. Dädalus brachte das Steinmeißeln Ikarus bei. Die beiden wurden sehr berühmt und reich. Eines Tages kam ein Brief für die beiden. Dädalus las ihn sich durch und erschrak auf einmal, denn der Brief kam vom anderen Ende der Welt. „Schnell, wir müssen unsere Koffer packen“, sagte Dädalus. „Warum?“, fragte Ikarus. „Weil wir schnell nach Asien müssen“, antwortete Dädalus. Sie packten ihre Koffer und segelten nach Asien, genau gesagt nach China, wo die beiden für den Herrscher eine große Steinfigur meißeln sollen. Dädalus und Ikarus meißelten so groß und so schön, wie noch nie zuvor. Die beiden überlegten, ob sie in China bleiben sollten und schließlich entschieden sie sich, in China zu bleiben. Aber zuerst holten sie ihr ganzes Geld aus Griechenland nach China. Die beiden kauften sich ein großes Haus und lebten glücklich in China. Die beiden wurden berühmt und erhielten immer wieder Aufträge aus fernen Ländern. Sie lebten glücklich und sehr reich und berühmt. (Kai S41d) Dädalus und sein Kind Es war einmal ein Mann, der hieß Dädalus. Der war ein guter Bildhauer. Er hatte ein Kind, das hieß Leon. Dädalus brachte ihm die Bildhauerei bei. Er wird fast so gut wie sein Vater. Sein Vater erfindet neue Werkzeuge, die die Arbeit noch leichter machen. Als Leon erwachsen ist, stellen er und sein Vater Werke aus. Und werden reich, angesehen und alt. Sie stellen aus, bis sie sterben. (Björn S42d) Klasse C Geschichte Dädalus und Ikarus Es war einmal ein Mann, der hieß Dädalus. Er war ein großer Erfinder und Bildhauer. Vor ein paar Jahren ist Dädalus mit seinem Sohn Ikarus von Kreta geflohen, dabei ist Ikarus gestorben. Jetzt ist er ganz allein und traurig. Eines Tages kam ein sehr reicher Mann zu Dädalus. Er wollte 60 Tierstatuen für ein großes Fest kaufen. Nach diesem Vorfall war Dädalus reich. Dädalus kaufte sich ein großes Haus. Nach einem Jahr suchte das Land ein Krieg heim. Er floh nach Afrika, dort baut er sich eine kleine Holzhütte und einen Tisch. Er baute sich auch ein kleines Weizenfeld an. Er backt sich Brot. Eines Tages findet er eine Ziege. Da kommt ihm eine Idee, er baut ein Gatter und sperrt die Ziege dort rein. Aus der Ziegenmilch machte er Quark, Käse und Butter. Eines Tages traf er auf einen Einheimischen, der von seinem Stamm verjagt wurde. Er nahm ihn bei sich auf. Der Einheimische hieß Azog. Azog zeigte Dädalus, wie man Speere baut. Nach ein paar Tagen bauen Dädalus und Azog ein Boot. Die beiden laden Weizen, Butter, Brot, Käse und seine Ziege. Er fuhr mit seinem Freund Azog in seine Heimat und Dädalus war wieder fröhlich. Ende (Marko S43d)

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Dädalus Dädalus war ein sehr berühmter Baumeister, Erfinder und er schlug auch Figuren aus Stein. Wie gesagt, er war sehr berühmt, bis er einen Schüler bekam. Dädalus brachte ihm alles bei, was er eben wissen musste. Doch dann war der Schüler besser als er selber. Dann wurde Dädalus neidisch, sodass er seinen Schüler von dem Berg warf. Und der Schüler starb. Dädalus musste fliehen, er musste weg! Dann segelte er übers Wasser, bis er an einer Insel namens Kreta ankam. Es ging ihm dort sehr gut und er hat einen Sohn und er hieß Ikarus. Der Vater fand es schön auf Kreta. Aber es wurde in der Zeit langweilig und er versuchte zu fliehen, aber als der König sah, dass Dädalus fliehen wollte, schickte er Wachen zu ihm. Und er konnte nirgendwo mehr allein mit seinem Sohn hin. Da kam Dädalus eine Idee. „Der König ist Herrscher von Land und Wasser, aber nicht der Luft!“, sagte er stolz. Er baute Flügel, er legte die Federn nach der Größe, wie bei richtigen Vögeln, hin. Als sie fertig waren, probierte er sie aus. Da, sie tragen ihn. Dann baute er noch zwei kleine Flügel für Ikarus. Sie hatten auf der kleinen Klippe geübt, aber jetzt müssen sie richtig weit fliegen, hat Dädalus Ikarus erklärt. Jetzt fliegen sie los, oh nein, beide fliegen zu nah an die Sonne und {der} [das] Wachs schmilzt, die Federn fallen ab und sie stürzen ins Wasser. 3 Tage später werden die Körper an Land gespült. Jetzt leben sie im Himmel weiter, da ist Dädalus auch berühmt. Ikarus ist stolz {über} [auf] seinen Vater. Als sein Vater abgemalt wurde, war er im Bild gefangen. Also, ein Mann hatte einen Seelengucker gebaut und damit den berühmten Dädalus gesehen und abgemalt. Jetzt ist Ikarus berühmt. (Maja S44d) Dädalus und Ikarus Dädalus war ein Baumeister, der auf einem Berg seine Werkstatt hatte. Eines Tages bekam er einen Schüler. Er brachte ihm alles bei, was er wusste. Eines Tages war der Schüler fast so schlau wie er und plötzlich wurde er neidisch, sodass er ihn vom Berg in die Tiefe stürzen ließ und er war tot. Schnell floh Dädalus weit weg übers Meer davon, bis er auf Kreta war, dort kriegte er einen Sohn. Er brachte ihm alles bei, was er wissen musste. Aber plötzlich vermisste er seine Heimat. Als der König das bemerkte, ließ er Soldaten rufen, sie sollten Dädalus bewachen. Als die Wachen einmal weg waren, bastelte er Flügel, die er zusammen knetete. Zwei Paare, einen für sich und einen für Ikarus. Er erklärte ihm, was er zu tun hatte. Sofort flogen sie los. Plötzlich flog Ikarus zu nah an die Sonne, das Wachs löste sich auf und er fiel in die Tiefe und Dädalus bemerkte es nicht mal. Als er sich endlich umdrehte, war Ikarus verschwunden. Er jammerte und suchte, aber er fand ihn nicht. Plötzlich sah er eine Insel und landete da drauf. Er wurde wieder Baumeister, aber er war nie wieder richtig glücklich. (Lia S45d) Dädalus war sehr traurig. Deshalb nannte er die Insel Ikarien. Er begrub seinen Sohn Ikarus und dachte dabei: „Ach, mein lieber Sohn, hätte ich bloß besser auf dich aufgepasst, dann wär‘ er nicht ertrunken!“ Auf einmal, Dädalus glaubte seinen Augen kaum, er rief erleichtert: „Ikarus, mein Sohn, du lebst!“ Sie erholten sich eine Weile und dann flogen sie weiter. Nach 4 Stunden waren sie in Dädalus‘ heimischer Stadt angekommen. Sie gingen in die Werkstatt von Dädalus. Sie aßen etwas, danach ruhten sie sich aus. Sie ließen es sich gut gehen. Am nächsten Morgen wachte Ikarus auf, vor seinem

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Bett stand sein Vater, er hatte einen Kuchen in der Hand und sagte: „Happy Birthday!“ Ikarus bekam eine Schaukel. (Stella S46d) Dädalus und Ikarus Dädalus war ein Steinhauer. Er haute Tiere, Menschen, Vögel, Fahrzeuge. Viele Menschen kamen ans Dorf am Berg, wo Dädalus seine Werkstatt hatte. Eines Tages kriegte Dädalus einen Schüler, der wurde von ihm unterrichtet. Der wurde viel besser als er. Dädalus hasste ihn und warf ihn die Klippen runter, er war tot. Dädalus musste fliehen. Er floh und floh und kam auf eine Insel, die hieß Kreta. Auf Kreta herrschte ein König. \Dädalus und Ikarus 2. (2. Seite)\ Der König wollte einen riesigen Palast bauen. Dädalus baute es ganz alleine. Eines Tages kriegte er einen Sohn, Ikarus, der half ihm. Eines Tages hatte Dädalus Heimweh. Er wollte weg, aber der König wollte es {aber} nicht. Da wollte Dädalus durch die Luft fliegen. Er baute zwei Gestelle, die fliegen konnten. Sie übten an einem kleinen Hügel und irgendwann waren sie weggeflogen, aber Ikarus flog zu weit an die \Dädalus und Ikarus 3. (3. Seite)\ Sonne ran. Das Wachs schmolz, die Federn gingen ab und er stürzte ab. Dädalus blickte sich um, er sah ihn nicht. Da landete er und fand Ikarus tot am Strand. Seitdem nennt man die Insel Ikaria. Da flog er weiter und landete auf einer anderen Insel. Dort lebte er weiter. (Fabian S47d) Dädalus und Ikarus Dädalus war ein reicher Maler. Er hatte einen Schüler und der Schüler war besser als der Meister, also der Maler. Dädalus dachte, der Schüler wär‘ besser als Dädalus, also schmiss Dädalus den Schüler von dem Berg. Er ging aus der Stadt. Er reist übers Meer, er war auf der Insel Kreta, da herrschte ein König. Der König ließ ihn nicht mit seinem Sohn sein, also erfand er Flügel für Menschen. Und der Vater sagt, mach alles so, wie ich. Vorsicht, flieg nicht zu hoch und nicht zu niedrig. Okay. Und sie fliegen. Der Sohn fiel ins Wasser. Ende (Joris S48d) Es gab einen Berühmten. Der hieß Dädalus und er hatte zwei Schüler. Die beiden waren besser als Dädalus. Der schubste die aus dem Fenster. Die waren tot. Er flog zu einer anderen Insel, die hieß Kreta. Dann hatte er einen Sohn. Der hieß Ikarus. Der König hatte 3 Königreiche. Die waren toll. Für den König. Dann wollte Dädalus seine alte Heimat zeigen. Der König schickte Wachen, um ihn zu beobachten. Aber Dädalus hat eine Maschine gebaut. Die kamen zur alten Heimat. Dädalus hat ihm seine alte Heimat gezeigt. Ikarus sagte: „Tolle Heimat.“ Baue für dich ein Königreich. Dass es so hoch ist wie ein Wolkenkratzer. (Alex S49m) Dädalus und Ikarus Vor langer, langer Zeit herrschte einmal ein König, der hieß Dädalus. Seine Frau hieß Ikarisa und sein Sohn hieß Ikarus. Doch eines Tages starb Ikarisa und es gab ein großes Trauerfest. Ach, ups, ich habe ja ganz vergessen, dass Dädalus nicht irgendein König war, sondern der ägyptische Pharao. Und deswegen wurde Ikarisa auch in eine Pyramide gebracht. Und hat natürlich auch Schätze mitbekommen. Doch Ikarus mochte seine Mutter nicht und hatte deswegen einen Plan! Als {als} das Trauerfest anfing, war er nirgends zu sehen. Aber in der Zwischenzeit war er zuhause und der Schmied machte ihm einen Dietrich. Nach dem Trauerzug ging er zum Grab (Pyramide), nahm seinen Dietrich heraus und öffnete das schwere Eisentor. Dann schlich er zu dem

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Grab der Mutter, öffnete den Deckel (in Ägypten vergrub man die Truhe (wo der Tote drin lag) meistens nicht) und klaute das Kostbarste, was man finden konnte. Aber als die Grabwache kam, sah sie, dass der Deckel offenstand! Das sagte er sofort dem König und der rief seine Wachen und befahl, dass sie den Grabräuber sofort suchen sollten. Aber Ikarus hat die Sachen unter seinem Bett versteckt. Trotzdem kam es irgendwann raus und Dädalus rief seinen Sohn zu sich. Er wollte aber nicht schimpfen, er wollte fliehen. Sie stiegen in ein Boot und fuhren hinaus ins offene Meer. Gleich danach packte sie ein Sturm und niemand hat je wieder was von ihnen gehört. Oder doch? Hatte ich nicht was vergessen? Ah, na klar. Ich habe vergessen, dass irgendwann mal zwei Leichen an einem Strand gespült wurden, die Ikarus und Dädalus ziemlich ähnlich sahen. (Tanja S50d) Dädalus und Ikarus Es war einmal ein ganz berühmter Künstler. Der hieß Dädalus. Er konnte so gut Menschen aus [Stein schlagen], dass man dachte, sie würden einen angucken. Eines Tages bekam er einen Schüler. Dädalus brachte ihm alles bei, was man als Künstler so machen muss. Irgendwann war der Schüler sogar noch besser. Dädalus wurde eifersüchtig und eines Nachts warf er den Schüler eine Klippe runter, dass er starb. Aber dann wusste er, dass er fliehen musste. Er floh bis nach Kreta. (Die Insel gibt es heute noch.) Damals regierte da noch ein König. Schon bald merkte der König, dass Dädalus ein großer Künstler war und Dädalus wurde wieder beachtet und hatte einen Sohn, der hieß Ikarus. Doch bald bekam er Heimweh und wollte wieder nach Hause. Als jedoch der König merkte, dass er fliehen wollte, schickte er Wachen zu ihm. Er durfte nirgendwo alleine mehr hingehen. Dädalus dachte nach. Da fiel ihm ein, dass er Flügel bauen könnte. Er guckte den Vögeln genau zu, wie sie flogen und sammelte viele Vogelfedern, dann baute er die Flügel. Ein Paar für sich und ein Paar Ikarus. Dann flogen sie los. Irgendwann wurde Ikarus leichtsinnig und flog zu nah an die Sonne und das Wachs schmolz. Es ging alles so schnell, dass er nicht mal schreien konnte und ertrank. (Ben S51d) Die Geschichte von Dädalus Dädalus war ein berühmter Künstler. Seine Kunstwerke machte er aus sehr großen Steinen. Er machte aus den Steinen Menschen, Pferde und Tiere und er konnte die Menschen so gut, dass es so aussah, als wenn die Statuen von Dädalus einen anschauen würden. Eines Tages bekam Dädalus einen Schüler. Er brachte seinem Schüler so viel bei, dass der Schüler, eines Tages war der Schüler besser als Dädalus. Man sagte, dass der Schüler den Hammer erfunden hatte und die Säge. Da wurde Dädalus eifersüchtig. Deswegen schubste Dädalus seinen Schüler von seinem Berg und er war tot und danach wollte er fliehen auf eine Insel namens Kreta. Da blieb er und Dädalus bekam einen Sohn und den nannte er Ikarus. Auf der Insel gab es auch einen König. Er hieß Minos und Dädalus baute dem König ein riesengroßes Königreich, aber Dädalus wollte seinem Sohn seine alte Heimat zeigen, aber der König wollte Dädalus nicht gehen lassen, weil Dädalus so gute Sachen bauen konnte, deswegen überlegte er, der König ist der Herrscher des Landes und Meeres, aber nicht des Himmels. Dädalus beobachtete den ganzen Tag, wie die Vögel fliegen, deswegen beschloss er, sich und Ikarus Flügel zu bauen. Er hat Vogelfedern gesammelt und Wachs von einer

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Kerze geholt und beides verbunden und einen Flügelflieger gemacht und auch einen kleineren für Ikarus und [sie] sind dann auf einen Hügel gestiegen und losgeflogen. Doch Ikarus wollte höher und höher fliegen und das Wachs schmolz und Ikarus ist ins Meer gefallen und Ikarus ertrank und ist auf einer Insel gestrandet und von nun [an] hieß die Insel Ikaria. (Samet S52m) Der große Augenblick! Dädalus war ein sehr berühmter Mann. Er war ein Erfinder. Eines Tages war alles anders. Dädalus hatte eine neue Erfindung gebaut. Es wusste jeder auf der Insel. Dass er eine neue Erfindung gebaut hatte. Doch als er aufwachte und zu seiner Erfindung blickte, war sie weg. Dädalus erschrak, denn heute sollte er sie vor der ganzen Insel zeigen. Er guckte auf den Brief, um wieviel Uhr er dahin musste. Er musste genau in 5 Minuten los. Was sollte er nur bauen in der Eile. Doch da fiel ihm etwas ein, er baute die Uhr. Als er fertig war, musste er los. In der Eile vergaß er, sich anzuziehen. Doch jetzt merkte er es. Nach ein paar Minuten war der große Moment da. Er zog das Tuch runter. Die Menschen sagten, die Uhr, die hast du vor 10 Jahren gebaut. Jetzt ging er mit Tränen weg, ganz weit weg. Mit einem Boot. Doch in einer Nacht hatte sich ein ganz großer Sturm zusammengebraut. Er schlief, doch morgens war er tot. Ende!!!! (Nele S53d) Dädalus und Ikarus. … Dädalus weinte bittere Tränen. Ein Mann fragte: „Dädalus, was ist denn?“ Dädalus antwortete: „Mein Sohn Ikarus ist gestorben beim Fliehen.“ Der Mann fragte: „Wie beim Fliehen?“ Dädalus antwortet leise: „Auf Kreta beim König Minus i…….ist er gestorben beim Fliehen“, stotterte er leise.  Er weinte und weinte bis am nächsten Tag. Viele Leute fragten ihn, was los ist. Er antwortete immer wieder weinend. Nach zwei Wochen und 5 Tagen wollte er bei dem Mann arbeiten. Er lernte vieles dazu. Er wollte sich selber töten, weil er dachte, Schuld zu sein \… ….\ Alle von der Insel wurden auch traurig, als sie das Ganze hörten. Alle weinten und weinten. Plötzlich kam eine Frau zu ihm und fragte, bist du Dädalus oder? Dädalus antwortete leise und traurig: „Ja, der bin ich.“ Die Frau hieß Louisa. Die beiden wurden Mann und Frau. Sie bekamen Kinder, sie hießen Ikarus und Peterus. Louisa und Dädalus heirateten und alle ihre Verwandten kamen und bewunderten sie. Alle wollten so sein wie die Familie. Louisa hatte ein wunder \… …\ schönes Kleid mit Schleier. Dädalus hatte einen hübschen Anzug an. Alle tanzten und tanzten. Nach der Feier sangen die Kinder mit ganz vielen anderen Kindern. Dann fuhren alle nach Hause und schliefen. Als Ikarus noch lebte (Djannah S54m) Es war einmal ein Mann, er hieß Dädalus. Er lebte auf einer Insel mit seinem Sohn, er nannte ihn Ikarus. Er war ein sehr berühmter Baumeister und Erfinder. Der Mann und sein Sohn wohnten auf einer Insel namens Kreta. Die Insel war sehr groß. Der Mann baute große Statuen und Paläste. Der Mann und sein Sohn wollten auf eine andere Insel, aber der König wollte, dass der Mann hier bleibt, weil er so ein guter Baumeister ist und so ein guter Erfinder, deswegen hat der König Wachen zu ihm geschickt, damit der Mann nicht abhauen kann. Er wollte was erfinden, mit {was} [dem] er fliegen kann. An einem Tag erfand er das Jetpack. Das Jetpack ist ein Rucksack, mit dem man fliegen kann. Und dann sind der Mann und sein Sohn übers Meer geflohen. Sie sind an ganz

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vielen Inseln vorbeigeflogen. Auf der größten Insel sind sie gelandet und haben ihre gebauten Sachen verkauft und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Jabar S55m) Es war einmal ein Mann, er hieß Dädalus. Dädalus lebte in Griechenland. Dädalus war ein berühmter Mann. Er hatte einen Freund, er hieß Marko. Marko war sein aller, allerbester Freund. Er konnte gut bauen. Marko wollte auch so gut bauen. Er war neidisch. Er wollte einen Kurs machen bei Dädalus. Und das machte er auch, er strengte sich an. Da geschah es, er konnte es besser als Dädalus bauen. Dädalus war neidisch. Marko lachte und lachte bis zu seinem Tod. Dädalus weinte sehr. Er sagte traurig: „Ich gehe weg von hier.“ Marko sagt verwirrt: „Nein, bester Freund!“ „Doch“, sagt Dädalus, „tschüss.“ Marko sagt: „Dann sag, wo du hingehst.“ Dädalus sagt: „Nein!“ „Okay.“ Dädalus segelte nach Kreta. Er kriegte ein Kind. Das Kind heißt Ikarus. Ikarus ist 6 Jahre alt. Er hat morgen Geburtstag am 11.2.2014. Er ist so aufgeregt. Heute hat er Geburtstag, er wird 7 Jahre alt. Er kriegt ein Fahrrad, Auto und eine Geburtstagskrone und Torte. Dädalus will als Geburtstagsgeschenk Griechenland zeigen. Aber sie durften nicht von Kreta weg. Er war ja ein Erfinder, er baute einen Flügel für ihn und einen Flügel für Ikarus. Ikarus freute sich. Sie flogen übers Wasser. Ikarus war zu nah an der Sonne. Er war ins Wasser gefallen, er war tot. (Lara S56d) Dädalus und Ikalus Dädalus und Ikalus wollen einen Palast bauen. Der Mann weinte. Ikalus tröstete ihn. Ikalus ist von der Klippe runtergefallen. Dann ist er zum Sonnenschein geflogen. Dann trifft er Dädalus. (Tabitha S57m) Dädalus und Ikarus. Dädalus war ein berühmter Baumeister und Erfinder. Dädalus hatte einen Schüler, aber eines Tages aber war der Schüler besser als er selber. Man sagte, er hatte die Wasserleitung erfunden. Dädalus hasste diesen Schüler so sehr, dass er ihn getötet hätte und das hat er auch getan. Er reiste dann in ein anderes Land über die Meere und dann landete er an der Insel Kreta. Sie haben ihn dort aufgenommen. Da war auch ein König namens Minos. Er hatte erfahren, dass Dädalus ein berühmter Mann ist. In Kreta war er auch sehr berühmt und erfolgreich. [Ein] paar Wochen später aber bekam er einen Sohn namens Ikarus. Dädalus wollte Ikarus seine Heimat zeigen, aber es ging nicht, weil der König es nicht zugelassen hat. Er hatte Wachen geschickt, um aufzupassen, aber Dädalus war doch ein Erfinder. Dann hat er Wachs genommen, hat Flügel gebaut und hat es getestet. Er hat auch ein kleines gebaut für Ikarus, aber dann ist Ikarus gestorben. Er war traurig. Da kam ein Mädchen namens Hayden. Sie heirateten und bekamen Kinder, sie hießen Ikarus und Peterrus. Alle waren glücklich, als sie geheiratet haben. Sie haben ein Fest gefeiert und [sich] gefreut. (Luise S58m) Dädarus und Ikarus 1 Minute später ist Ikarus aufgestanden. Danach hat Ikarus gesagt: „Ich will so nicht weiter machen. Ich will einfach ein normales Leben führen.“ Dädarus sagte: „Okay, das alles ist Geschichte. Als Familie gibt es sowas nicht mehr.“ Plötzlich kamen die Wachen und sagten: „Ihr könnt wieder verreisen.“ 1 Monat später flogen sie. Als glückliche Familie reisen sie ab. Sie hatten ganz viel Spaß. (Havin S59m)

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Dädalus und Ikarus Es lebte vor langer Zeit ein Mann. Er war nicht besonders reich, doch er hatte ein ganz tolles Hobby. Nämlich bauen. Das macht diesem Mann sehr viel Spaß. Eines Tages kam ein kleiner Junge und fragte: „Hast du etwas zu essen? Ich habe so einen großen Hunger, aber ich habe nichts. Ich bettle schon seit Tagen. Aber die Menschen in der Stadt haben immer nein gesagt. Und es würde mich freuen, wenn ich eine Nacht bei dir schlafen könnte.“ Natürlich hatte der Mann ja gesagt. Und er hatte auch schon das Bett vorbereitet. Dann sagt der Mann: „Ich habe da so eine Idee, wie du reich werden könntest.“ „Wie denn“, fragte der Junge. Der Mann antwortete: „Ich habe da so ein Hobby, was dir bestimmt gefallen würde.“ „Welches Hobby denn?“ Der Mann sagte: „Bauen.“ Oh ja, ich liebe bauen, mein Hobby ist das auch. Dann können wir ja zusammen eine Werkstatt eröffnen! Material liegt ja da draußen. Also gut, wir fangen gleich damit an. Als erstes bauten sie eine Fensterbank aus Holz. Dann bauten sie eine Tafel. Und sie bauten so viel, [dass] die ganze Stadt darüber begeistert war. Nach ein paar Tagen hatte eine Frau gefragt, ob man die Sachen kaufen könnte. Der Mann sagte ja. Menschen kamen aus aller Welt, um die Sachen zu kaufen. {Es stellten sich} Hunderte von Reihen stellten sich an und so wurden sie reicher und reicher und schließlich konnten sich die beiden ein Schloss kaufen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ende (Lene S60m) Klasse D Dädalus und sein Sohn Ikarus Dädalus war ein Bildhauer. Er war ein berühmter Mann. Er war ein Bildhauer. Nach kurzer Zeit hatte er einen Schüler. Einige Tage später, da war der Schüler besser als sein Lehrer. Dädalus war eifersüchtig. Dann, eines Tages, war Dädalus sauer und hat {er} ihn von den Klippen geschubst {ihn}. Da ist Dädalus davongelaufen. Er hat eine Insel gesehen. Die Insel heißt Kreta. In Kreta gab‘s einen König. /Der König/ wollte eine Burg. Dann hat er {hat} Dädalus gefragt. Dädalus hat Ja gesagt. Danach war er fertig und {Dädalus hat} eines Tages hat Dädalus einen Sohn bekommen. Dann wollte er mit seinem Sohn seine Welt zeigen. Aber der König wusste, dass er gehen wollte. Da hat er seine Wachen geschickt. Da hatte Dädalus seine Feder rausgeholt. Da hat er (Ariana S62m) Es war einmal ein Mann, der Mann hieß Dädalus. Dädalus konnte ganz viele Statuen bauen. Er hatte einen Sohn, der Sohn hieß Ikarus. Die zwei waren in Afrika. Dädalus ging schwimmen. Sie wussten nicht, dass [da] Krokodile sind. Ikarus ging ins Wasser. {Der} [Das] Krokodil war neben ihm. Er starb. Der Vater schrie, warum, warum, wenn mein Sohn stirbt, dann sterbe ich auch. Dann war er tot. Ende (Isra S63m) Dädalus geht im Park spazieren und findet ein Baby auf dem Weg und das nennt er Ikarus und er findet einen Stein und er baut aus dem Stein eine Statue von seinem Kind. 18 Jahre später. Ikarus geht in der Bonbonfabrik arbeiten. (Jamie S64d) Dädalus erfand ein Heilmittel, um seinen Sohn zu helfen und es klappte, sein Sohn lebt wieder und er war zufrieden und lebte noch lange und verbrachte viel mit seinem Sohn. (Joel S65d)

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Die Geschichte von Dädalus und Ikarus. Es war einmal ein kühner Kämpfer, der hatte eine Frau und ein Kind, die Frau hieß Anne Marie und das Kind hieß Ikarus. Dädalus war sehr berühmt, doch eines Tages bekam Ikarus einen Bruder, der hieß Ikaria und als die Dämmerung kam, ist die Mutter in das Zimmer reingekommen und hat nur Ikaria Gute Nacht gesagt. Ikarus war sauer. Er beschloss, für 5 Monate hinaus in die weite Welt zu gehen. Nach einiger Zeit hat Ikarus Heimweh gehabt. Er wollte wieder nach Hause gehen. Er war in Indien, er war in Moskau, er war in Thailand, er war schon überall auf der Welt, doch er wollte einfach nur nach Haus zu seinem Vater Dädalus, seiner Mutter Anne Marie, aber seinen Bruder vermisste er nicht. Dädalus machte sich auf den Weg zu seinem Sohn Ikarus. Ikarus hat eine Insel entdeckt, dort hat er Pause gemacht. Sein Vater fand ihn und nahm ihn wieder mit nach Hause mit. Ikarus wollte nicht mitkommen, aber Dädalus hat ihn mitgenommen, ob er wollte oder nicht, Dädalus nahm ihn mit. Als sie zu Hause waren, hat Ikarus von der Insel erzählt. Der Vater hat gesagt, dass wir die Insel Ikaria nennen, aber Ikarus wurde sauer. Er hat geschrien, nein, nein, seitdem Ikaria da ist, kümmert ihr euch nur um ihn, schrie er. Dädalus hat gesagt, hör‘ auf, wir nennen trotzdem die Insel Ikaria. So hieß die Insel also. Alle wollten aber, dass die Insel Ikarus heißt. Dädalus wurde verklagt. Er wurde älter, er ist gestorben und die Insel hieß jetzt Ikarus. Alle sind jetzt glücklich und dann haben sie ein Fest gefeiert bis in die Nacht und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch weiter. (Amanda S66d) Dädalus und Ikarus. Es war mal ein Mann, er hieß Dädalus. Und hatte einen Jungen namens Ikarus. Eines Tages kam ein Fluch auf Ikarus. Eines Morgens wacht er auf. Und hat Zähne geputzt. Und hat seine Klamotten angezogen und ging essen. Und dann raus. Er sah seinen Vater und sagte: „Was machst du.“ Ich guck nur den Himmel an. Und Ikarus sagte, wo ist Mama. Ach, sie ist oben im Himmel bei Gott. Und weinte dabei. Und Ikarus sagte: „Was“, und weinte dabei. In seinen Armen. Was ist passiert. Sie ist geschwommen. Und dann ertrunken. Nein, warum sie unbedingt, Vater. Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht. Ein paar Monate später. Hat Ikarus geheiratet. Und sein Vater Dädalus hat sie kennengelernt. Sie hieß Lusianä. Sie wollten ein Kind kriegen. Und haben es. Es war eine Sie. Sie hieß Rosalinda. Und immer ging‘s weiter. Bald war es anders. Die Zeit. Es war ein Mädchen. Sie hieß Luci. Und mochte keine zu {.} [,] zu freundlichen Kinder. Sie wollte Spaß und die Mutter starb. Sie musste zu ihrem Papa in der Ranch gehen. Der Papa hieß Tom. Sie hasste die Ranch. Eines Tages traf sie ein Huhn, er war kein normales Huhn. Er kriegte goldene und funkelnde Eier. Die glitzerten. Sie war sehr erstaunt. Und sagte: „Ich liebe die Ranch.“ Und sah in einem Buch nach. Das sie gefunden hat auf dem Weg. Und las, Dädalus und Ikarus sind von der Familie Krap abgestammt. Sie sagte, aus unserer Familie. Wow, und sie traf auf einen gut aussehenden Mann. Und schon wollten sie heiraten. {Wo} [Als] sie größer wurde. Und lebten glücklich und zufrieden. (Meryem S67m) Es war einmal ein Künstler, der hieß Dädalus, der hatte einen Schüler. Der Schüler hat ihn so genervt, dass Dädalus ihn von einer Klippe heruntergeworfen hat. Dann musste Dädalus fliehen und auf eine andere Insel. Nach 1 Jahr hat er ein Kind. Das Kind hieß Ikarus. Die beiden wollten fliehen. Dann hat Dädalus für jeden zwei Flügel gebaut.

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Dädalus hat zu dem Sohn gesagt, du darfst nicht zu hoch fliegen, sonst geht {der} [das] Wachs ab. (Mats S68d) Dädalus und Ikarus Eines Tages hatte ein Mann namens Dädalus seinen Schüler getötet, weil, er hatte Angst, dass er besser als er wird. Dann vom Berg runter geschmissen, dann musste er die /Stadt/ verlassen. Dann hatte er bei Kreta ein Kind bekommen namens Ikarus. Dann hatte [er] einen Flügel gebaut. Dann flogen /sie/. War der zu hoch geflogen, schmolz das Wachs. Dann war [er] gestürzt. Dann fielen die Flügel ab, weil er ins Wasser fiel. (Tamim S69m) Dädalus musste [die] ganze Zeit an Ikarus denken und weinte. Er schrie: „Ich will meinen Ikarus!!!!“, und suchte ihn. Er holte Wachs und sammelt Federn und ging auf einen Hügel und flog. Und ruft: „Ikarus, Ikarus“, und auf einmal sah er Ikarus auf Ikaria. Er flog zu Ikarus und weinte. Da wachte Ikarus [auf] und sagte: „Papa, was ist denn los.“ Dädalus war glücklich und die beiden wohnten für immer in Ikaria. Ende (Anoush S70m) Dädalus und sein Sohn Ikarus. Dädalus war ein sehr berühmter Mann, er war ein Bildhauer. Einige Zeit hat er einen Schüler bekommen. Eines Tages war der Schüler besser als Dädalus, da war Dädalus sehr eifersüchtig, an dem Abend schmiss er seinen Schüler vom Felsen. Der Schüler starb, dann musste Dädalus fliehen. Dann war er auf der {der} Insel Kreta. Eines Tages bekam er einen Sohn. Sie nannten ihn Ikarus. Dann wollten sie fliehen. Der Vater sagt: „Ikarus, flieg nicht zu hoch, wenn du an der Sonne bist, schmilzt {der} [das] Wachs, die Federn fallen dann runter.“ Der Sohn fliegt los. Das hat ihm so Spaß gemacht, dass er vergessen hat, was sein Vater Dädalus gesagt hat. Dann flog er immer näher an die Sonne. Langsam schmilzt {der} [das] Wachs, die Federn fallen runter. Dann stürzte er ab, der Vater Dädalus bemerkt es nicht. Da guckte er ins Wasser, da sah er da Federn im Wasser. Dann erinnerte er sich, was er seinem Sohn gesagt hat. Dann sagte er: „Oh nein, er ist zu nah wohl zur Sonne geflogen. Ich musste mehr auf ihn achten, das hab ich aber nicht. Was hab ich gemacht. Dann dachte er. Dädalus sagt: Mein Sohn, es tut mir wirklich leid, es tut mir echt leid.  (Jelena S71m) Die Geschichte von Dädalus und Ikarus Es begann alles am 8.1.1819. Da war ein sehr, sehr netter Mann, er heißt Dädalus. Er wohnte in Ikaria mit seiner Frau Elisa. Sie waren die nettesten in Ikaria und eines Tages bekommt Elisa ein Kind, das heißt Ikarus. Ikarus war soooo süß. Alle Leute in Ikaria waren erstaunt von Ikarus. Das Dorf war sehr klein und noch niemand hat ein Kind in Ikaria. Alle konnten nicht mehr aufhören, ihn zu knuddeln. Dann, nach drei Monaten, war Ikarus schon ein großer Junge sagt Ikarus immer zu Elisa und Dädalus. Er war so glücklich, dass er seine Eltern hat. Danach, ein paar Tage später, bekommt Elisa noch ein Kind. Es ist ein Junge, sagte sie und freut sich sehr. Ikarus ruft, ich such den Namen aus. Elisa sagt okay. Ikarus sagt, er heißt Ikaria. Elisa sagt, das ist ein toller Name für deinen kleinen süßen Bruder. Er hatte so süße Augen und so weiche Wangen, so süß. Ikarus war erstaunt von Ikaria. Dann waren alle glücklich. Doch den nächsten Tag hatten alle ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter, außer Ikarus, er war immer noch glücklich und dann fragt Ikarus Elisa, was ist denn los, Mama.

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Elisa sagt, ich bin richtig krank. Ich habe `ne Lungenentzündung, aber es geht mir morgen schon besser. (Jayne S72d) Dädalus und Ikalus Dädalus hat einen Hund und er war sehr berühmt. Er hat Sachen gebaut. Er hat Steinfiguren gebaut. Er sagte zu dem Hund, ach, vor 5 Tagen ist Ikalus gestorben. Und dann klopfte es an der Tür. Dädalus sagte, herein. Dann sagte der Junge, ich möchte hier arbeiten. Dann hat er angefangen. Dann war er besser als Dädalus. Dann, in der Nacht, hat er ihn aus dem Fenster geworfen und [am] nächsten Morgen ist er geflohen und sein Hund jaulte. Dann sagte er, ich komme wieder, ich möchte weg, aber schnell. Dann ist er {zu} [nach] Kreta gefahren und er sollte da ein Schloss bauen. Ende. The end (Leona S73d) Dädalus und Ikarus Dädalus war ein berühmter Künstler und Vater. Sie lebten auf einer kleinen Insel {im} [in der] Südsee namens Kreta. Auf der Insel lebte auch noch ein böser König, der liebte Dädalus‘ Werke. Der König schickte seine Ritter los, um ihn zu holen. Dädalus wurde gefangen, genauso wie sein Sohn Ikarus. Ikarus wurde im Kerker gefoltert. Dädalus musste für immer dem König Kunstwerke malen, sonst wird sein Sohn geköpft, aber sie konnten fliehen. (Meik S74d) Dädalus und Ikarus Dädalus hatte einen Schüler. Der Schüler war fast besser als er selber. In der Nacht hat er ihn von der Klippe geworfen. Er wurde verwundet. Er {war} [hatte] {auf} [auch] einen Sohn bekommen. Er wollte dem Sohn seine Heimat zeigen, aber der Sohn starb. (Niklas S75d) Dädalus geht ins Wasser, um Ikarus zu finden. Dann kommt ein Hai und frisst ihn auf, sodass er kaum atmen konnte. Dann kommt Ikarus und sieht, dass sein Vater im Hai war. Dädalus boxte gegen den Hai, sodass man ihn hörte. Ende. (Finnjan S76d) Klasse E Dädalus und Ikarus Es war einmal ein reicher Mann, er hieß: Dädalus. Er hat einen Schüler. Dädalus zeigte ihm alles und {lernte} [lehrte] ihn alles, was er kann. Später dachte {Dikarus:} [Dädalus,] dass der Schüler besser als er wird. 11 Monate später wurde plötzlich der Schüler besser als Dädalus. Dädalus wurde neidisch. Er tötete den Schüler und ging. Er ging zu einer Insel, er sah einen König. Der König sagt: Hallo, sind Sie ein Bauer? Dädalus antwortete: Ja, ich bin ein Bauer. Der König sagte: Toll, können Sie mir ein Königreich bauen. Dädalus rief: Ja, mache ich. Dädalus baute sehr, sehr lange. Dädalus bekam einen Sohn. Der hieß: Ikarus. Er wollte seinem Sohn zeigen, wo sein Zuhause früher wohnte. Aber der König wollte es nicht. Dädalus hatte eine Idee. Er sammelte Federn von den Vögeln. Er probierte, dass er mit den Federn fliegen kann. Als plötzlich er fliegen kann, er wurde froh.  Er sammelte noch mehr Federn für seinen Sohn. Aber Dädalus meinte: Flieg nicht so hoch, flieg nicht zu tief. Aber der Sohn wollte hoch fliegen, er ist hoch geflogen. Dann passierte, dass der Sohn runterfiel. Dädalus hat es nicht bemerkt. Dann guckte er runter und sah, dass sein Sohn fiel. Ende. (Malia S79m)

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Dädalus und Ikarus und die Meerjungfrau Es war einmal ein Mann und ein Junge. Der Mann hieß Dädalus und der Junge hieß Ikarus. Die beide lebten glücklich. Ikarus wollte raus {am} [zum] Strand. Dädalus kam mit {und sagt:} „Warte mein Sohn, ich komm mit!“, sagte Dädalus. Dann waren Dädalus und Ikarus [da]. Dann plötzlich sprang eine Meerjungfrau vom Wasser bis zum Strand. Sie schreit: „Hilfe!“ Und Dädalus und Ikarus helfen der Meerjungfrau, brachten sie ins Wasser. Dann gab sie den beiden Seetang. Ikarus und Dädalus aßen den Seetang, gingen ins Wasser. Ikarus ertrank und dann war er ein Meerjungmann und Dädalus auch. Die Meerjungfrau zeigte ihr Haus. In [ein] paar Minuten wollten Dädalus und Ikarus nach Hause gehen. Sie schwammen zurück zum Land, wo sie rauskamen und dann waren die beide Menschen. Und sie aßen. Ende (Anniara S80m) Dädalus und Ikarus Es war einmal ein Mann, er wohnte in einer Stadt in Ägypten und er konnte arabisch reden. Eines Tages kam eine Schlange. Die Schlange sagt: „Du bist ein Fiesling.“ Dädalus schreit: „Verzieh‘ dich, du Schlange.“ Alle wundern [sich] und Dädalus muss ins Gefängnis. Oh nein, sagte Dädalus. Dädalus konnte Sachen brechen, zum Beispiel Holz. Die Stäbe waren aus Holz und er hat die gebrochen und er konnte wieder raus und dann lebte er zufrieden. (Maria S81m) Dädalus und Ikarus Es gab mal einen Künstler. Er hieß Dädalus. Er machte schöne Bilder. Er war so reich, dass er einen Palast kaufte. Eines Tages bekam er einen Schüler. Dädalus zeigte, wie der Schüler malen sollte. Der Schüler war so gut, dass er eines Tages besser als Dädalus sein wird. Dädalus war eifersüchtig {war}. Eines Abends ging er mit seinem Schüler {in} [auf] einen großen Berg. Dädalus hatte ihn runter geschubst. Der Schüler war tot. Dädalus musste fliehen. Dädalus schwamm immer weiter. Als der {in} [auf] einer Insel namens Kreta [war], da herrschte ein König. Dädalus wurde aufgenommen. Er hat ein Kind bekommen. {Der} [Das] Kind hieß Ikarus. Dädalus hat Ikarus erzählt über sein Leben. Dädalus hatte Heimweh. Dädalus will Ikarus seine Heimat zeigen. Dädalus zeigte Ikarus, wie man schwimmt. Dädalus sagte: „Nicht so tief tauchen!“ Dann schwammen sie. Ikarus war so glücklich, dass er tief getaucht {hat} [ist]. Dädalus hat was gemerkt. Dann ist Dädalus auch gestorben. (Farouk S82m) Dädalus und Ikarus Es war einmal ein Dädalus. Er war berühmt. Er hat einen Palast erfunden. Er hatte zwei Schüler. Ein Schüler hieß Bäbalus. Und der andere hieß Hätalus. Bäbalus war fast besser als Dädalus. Und Hätalus war ein bisschen besser als Dädalus. Dädalus sagte zu Hätalus: „Hätalus, wieso bist du besser als {m}ich?“ Hätalus antwortet: „Weil, zuerst habe ich die Heizung erfunden und dann ist einer zu mir gekommen, er hat gesagt: ‚Hast du die Heizung erfunden‘, auf einmal war ich berühmt.“ Dädalus hat Hätalus runter geschubst und er ist gestorben. Und Dädalus musste wegfliegen. Er hat sogar ein Kind bekommen. Das Kind hieß Ikarus. Die hatten sogar ein Haus. Da kam ein Mann. Er hat gesagt: „Willst du beim Wettbewerb mitmachen.“ Dädalus sagt: „Ja!“ Der Mann sagt: „Wer gewinnt, bekommt einen goldenen Pokal.“ Dädalus und Ikarus gehen da hin und die haben alle Spiele gewonnen, außer ein Spiel müssen sie gewinnen. Der Gegner hat geschummelt, aber der Schiedsrichter hat es nicht bemerkt und

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Dädalus hat gezeigt, dass er geschummelt hat. Und die haben den Pokal gewonnen. Und sie lebten zufrieden. Zu Ende (Merik S83m) Dädalus und Es war ein schöner Tag. Alle waren fröhlich. Doch was war das. Auf dem Berg, das war Dädalus. Er machte Statuen. Niemand mochte ihn. Ihm war das egal. Eines Tages wurde er vom König geladen. Nur der König mochte ihn. Dort lebte er immer. (Kambiz S84m) Dädalus und Ikarus Vor vielen, vielen Jahren gab‘s einen Mann namens Dädalus. Er war berühmter Arbeiter. Dädalus haute feine Statuen und war glücklich. Er hatte einen Schüler namens David. Er brachte ihm viel bei. Es dauerte lange, bis er das verstand! David war berühmter. Dädalus sprach zu ihm: „Komm doch mal zu mir, David!“ David machte es. Dädalus nahm ein Messer, stach ihn, David starb. Dädalus flüchtete aus dem Land. VON (Adin S86m) Dädalus und Ikarus Vor vielen, vielen Jahren war ein Mann namens Dädalus. Er war sehr berühmt. Eines Tages bekam er einen Schüler. Der Schüler hat viel gelernt und wurde besser als Dädalus. Dädalus wurde eifersüchtig. Dädalus fragte: „Soll ich dir ein Glas Wasser geben?“ „Ja“, antwortet der Schüler. Dädalus hat ihm das Wasser vergiftet. Gab es ihm, der Schüler fiel tot um. Dädalus ist verreist {zu} [nach] Kreta. In Kreta hat er einen Sohn bekommen. Der Sohn wurde berühmt und wurde reich und Dädalus war stolz auf Kali und dann ist Dädalus {ist} gestorben. Ende (Kabelo S87m) Dädalus und Ikarus im Wrestle-Turnier DÄDALUS IKARUS Vor vielen Millionen Jahren gab es einen Künstler namens Dädalus. Dädalus hat gemerkt, dass Kunst gar nicht so cool war, da hatte er einen neuen Job gesucht. Er hat auch einen gefunden. „Wrestler“, schreit er! Er hat ihn angenommen. Der Computer sagt: „Morgen um 9 in Hamburg ist dein 1. Kampf! Der nächste Tag war angebrochen. Dädalus war in Hamburg zum Wrestle-Turnier um 9 Uhr. Dädalus murmelt: „In 1 Minute geht es los.“ Dädalus wird angesagt. Er kommt, bumm, bumm, kommt der Gegner, sein Name ist Ikarus. Sie kämpfen und kämpfen und dann, Dädalus verliert mit einem gebrochenen Fuß. Er kommt in das Krankenhaus. Das war’s. (Antonia S88d) Dädalus und seine zwei Töchter Es war einmal in einer tiefen Höhle. Da wohnt der arme Dädalus und seine Frau, die schwanger war, und zwei Kinder, sie waren Zwillinge. Sie hatten nur ein Stück Brot und die Töchter waren im Bauch. Es war draußen ein gewaltiger Schauer. Was sollen wir nur tun, wir sind so hoch am Hügel, dass wir nie mehr raus können. 20 Jahre später. Die Mutter ist vor 10 Jahren gestorben, aber der Vater nicht. Ein Helikopter {haben} [hat] sie erkannt und nach Amerika geschickt. Die Mutter konnte es nicht mehr und ist nach der Geburt der zwei Töchter gestorben, aber das war alles 1994. Jetzt ist es aber 2014 und alles ist vergangen. Die zwei Töchter sind Designer geworden und der Vater ist ein Politiker geworden. Er war sehr berühmt und reich, aber er wollte seine Kinder sehen, darum rief er sie an. Die Töchter haben gesagt, ich will ein Familientreffen vereinbaren. Ok. In Florida, in 2 Tagen. Ok. Sie buchten einen Flug. Es gab keinen Flug, weil es am Samstag einen Hurrikan gibt. Oh nein, ich muss Vater anrufen. Der Vater sagte, dann bucht für morgen. Aber komm‘ du doch, sagte

1. Texte zur Sage

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Larissa. Ok. Es war 2 Tage später. In 2 Stunden fängt es an. 3 Stunden später. Sie lagen alle drei tot auf der Straße und hielten die Hände zusammen. Ende. (Munira S89m) Klasse F Es war einmal ein Mann namens Dädalus. Er hat seine Familie sehr zufrieden und glücklich. Sein Sohn hieß Ikarus. Er war sehr nett, aber die Mutter von Ikarus ist gestorben. Dädalus ging spazieren mit seinem Sohn Ikarus. Da traf Dädalus eine Frau. Sie war arm. Sie ging und verkaufte Brötchen. Da ging Dädalus zur Frau und fragte, hallo, wieso verkaufen Sie Brötchen, wenn Sie nichts haben, fragte Dädalus. Alle vom Dorf haben kein Brot, sagte die alte Frau. Okay, sagte Dädalus. Der Dädalus und sein Sohn Ikarus haben ihr geholfen. Alle haben vom Dorf Brötchen gekriegt und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Zerif S90m) Es war einmal ein Mann, der hieß Dädalus. Er war berühmt und war Künstler und hat was aus Stein gemacht. Er ging zu seinem Schüler und sagte, ich bringe dir Kunst bei. Da war Dädalus neidisch und so starb der Schüler. Da ging Dädalus zu Ikarus und sagte, ich gucke mir das genauer an. Ich bin dein König, ich bestimme, ob du gehen darfst oder nicht. Die Wachen nehmen ihn gefangen. Ich kann nicht gehen. Ich baue Flügel, um hier rauszukommen. Ich baue mir selber, ich mache selbst mir Flügel. Ich bin kein Künstler. (Elizna S91m) Eines Tages waren Dädalus und Ikarus nicht glücklich auf der Insel. Dädalus wurde nicht in Ruhe gelassen und Ikarus hatte keine Freunde und Dädalus sagte zu Ikarus, wir müssen fort in das Weite hinaus, und Ikarus meinte, nein, der Kaiser regiert über das Land und das Wasser. Dädalus dachte sich, worüber regiert der Kaiser nicht. Er regiert über das Wasser und das Land, na klar, über die Luft regiert der Kaiser nicht. Da dachte Dädalus, ich baue keine Flügel, sondern ein Flugzeug für mich und Ikarus. Dädalus brauchte 1 Jahr, um das Flugzeug zu bauen. Da flogen sie weit über die Luft und wurden nie mehr wieder in dem Land gesehen und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Sandra S92m) Es war einmal ein Künstler, er hieß Dädalus. Er hatte einen Helfer. Er hieß Leo. Er konnte viel mehr als Dädalus. Dädalus wurde eifersüchtig. Er hat zu Leo gesagt, komm mir nach. Leo ist ihm nachgegangen. Sie waren draußen. Dädalus hat Leo runtergeschubst in der Schlucht bis er starb. Dädalus hatte Angst, dass jemand sieht. Er ist weggereist zu einer Insel. Er fühlte sich wohler {in} [auf] der Insel. Eines Tages, später, wollte er zurück, auch wenn [er] ein Haus gebaut hat, er wollte zurück. Er konnte aber nicht, weil der König seine Wachen holt. Er hat überlegt und überlegt. Er hatte eine Idee. Er hat Flügel gebastelt, für seinen Sohn auch. Er hat seinen Sohn umarmt und gesagt, pass auf, nicht zu hoch fliegen und auch nicht zu tief. Sie haben angefangen, sein Sohn ist zu hoch geflogen. Sein Vater wusste es nicht. Er hat sich umgedreht, ins Wasser geguckt, er war tot. Er war traurig. Er konnte nichts mehr tun, bis er starb. (Nayo S93m)

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Es lebte ein Mann namens Dädalus. Er war berühmt. Er hat Kunst gemacht und hat sie verkauft. Er wurde immer reicher. Er wohnte in einem Dorf. Er war nicht glücklich und zufrieden, wo er wohnte. Er hatte viele Freunde. Er hat gedacht, hmmm, ich habe viel Geld und könnte umziehen? „Ja“, ich ziehe um, sagte er. Er ist umgezogen. Und wenig später hatte er einen Sohn. Sie haben viel zusammen unternommen. Der Sohn hieß Ikarus. Er hat auch gelernt, wie man Kunst macht. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Nina S94d) Eines Tages gab es einen Dädalus. Er war ein Künstler und er baute Menschen und auch Kleider und Tiere und da gab es einen Jungen und er dachte, er ist schlauer und kann alles besser. Dädalus war eifersüchtig und warf den Jungen in {der} [die] Schlucht. Er war tot, musste {den} [das] Land verlassen. Er ist {in} [auf] einer Insel gelandet und da war auch jemand. Sie hieß Greta und wollte einen Palast und Dädalus [baute] {das} [den] Palast immer größer und größer und danach kriegte Dädalus einen Sohn. Dädalus sammelte Federn und dann machte er {aus} [auf] die Federn Wachs und für seinen Sohn auch Flügel und Dädalus erklärte Ikarus alles und dann sind die geflogen und dann sind die die ganze Zeit geflogen, hatte Ikarus Spaß und ist höher geflogen und dann ist das Wachs geschmolzen und dann ist Ikarus gestürzt und Dädalus hat gar nichts bemerkt und drehte sich um und er war nicht mehr da und guckte runter, da waren nur noch Federn und war tot und Dädalus kehrte wieder {in} [auf] eine Insel [zurück]. Ende (Arbesa S96m) und Dädalus war nie mehr glücklich. Da sah er seinen Sohn und rief, Ikarus, mein Sohn. Vater. Da ging er mit seinem Sohn zu der Stadt. Alle riefen, Dädalus, wo warst du. In einer Stadt. Und wer ist das? Mein Sohn. Da ging er weiter. Eines Morgens war Dädalus tot. Ikarus weinte und holte die anderen. Die anderen weinten und alle riefen, du kannst das doch machen. Okay. Er machte das drei Male und er schaffte das. Und wenn sie noch nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Clifton S97m) Dädalus reist, er ist nicht zufrieden, was mit seinem Sohn Ikarus geschehen ist. Er ist aber immer noch traurig, darum hat Dädalus beschlossen, ein neues Leben zu beginnen. Dann hat Dädalus Flügel gebaut aus Federn, die Federn helfen ihm zu fliegen. Er flog wie ein Vogel, es war so schön. Dann war Dädalus langweilig. Dädalus ist ausgestiegen. Er hat eine Frau gesehen, dann hat Dädalus nachgedacht, das war Dädalus‘ Freundin. (Hayal S98m) Der Tod von Dädalus und seinem Freund Carlos Am Morgen ging mal wieder Dädalus spazieren. Er traf seinen Freund. Dädalus sagte: „Hallo, Carlos.“ Carlos sagte: „Hallo, Dädalus.“ Carlos fragte: „Sollen wir im Wald spazieren gehen?“ Dädalus sagte: „Ja, komm, gehen wir los.“ Sie gingen los und sie kamen an. Sie gingen immer weiter, als sie ein Heulen von Wölfen hörten, sie haben den Wolf gesehen, sie sind nach Hause gerannt und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Anoop S99m) Dädalus eigene Stadt Es war einmal ein Künstler, sein Name war Dädalus. Nach dem Tod seines Sohnes gründete er eine Stadt. Sie hieß Konoha Gakure. Sie war geschützt von Wachen. Aber sie waren weg. Jedoch als Dädalus hinging, sah er einen Zettel. Er

2. Texte zum Gemälde

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öffnete ihn. Da drin stand gar nichts. Dädalus verließ die Stadt. Als plötzlich die Stadt verlassen wird. Dädalus verfolgt den Anführer. {Als er den Anführer} Als er ihn sah, da dachte er nur noch an Rache. Er trainierte hart und besiegte ihn und seine Stadt ging in die alte Stadt zurück. Ende (Adnan S100m) {Das} [Der] Tod der Unglaublichen Dädalus hat einen Sohn, er heißt Ikalus. Er musste zur Schule gehen. Aber er wollte nicht hin. Da hatte Dädalus einen Freund zu bauen für Ikalus. Er sagt: „Ok.“ Dann geh in die Schule. Ja. Dädalus baute und baute bis er Roboter erschaffen hat. Der Roboter war richtig wütend, {wegen} [weil] er mit einem Roboter verliebt ist. Genau in der Schule die Stunde lernen sie fliegen. Die Lehrerin fragt: „Wer will als erstes?“ Ikalus ruft: „Ich, ich!“ Er fliegt und flog bis er runterfiel. Da kam der Vater, er fiel auch runter. (Ken S101m) Die Waldgeschichte Es war einmal ein Mann, der hieß Dädalus. Der lebte im Wald. Er konnte mit Tieren reden. Der hatte einen Freund, der hieß Ikarus. Ikarus war {ein} halb Mensch und halb Werwolf. Immer wenn es Vollmond ist, wird er zu einem Werwolf. Aber Dädalus möchte den Bann zerbrechen. Er hat mit dem König der Löwen darüber gesprochen. „Die Legende sagt, man muss den Edelstein von Wolfshund rausholen.“ So hat er sich auf den Weg gemacht. Er war da, aber war zu spät. Er hat das sofort rausgeholt, aber dann war das zu spät. Wolfshund ist aufgewacht. Dädalus ist sofort weggelaufen und hat {das} [den] Bann gebrochen und Ikarus ist kein Werwolf mehr und alle lebten wohl. (Nuar S102m)

2. Texte zum Gemälde Klasse A VICTOR+CIARA, VICTOR IN GEFAHR In Italien wohnte eine Frau, die sehr, sehr traurig war, weil ihr Geliebter einfach nicht ins Café „Olé, Olé Italia“ gekommen war. „Wir wollten uns hier doch eigentlich schon um 12.00 hier treffen. Aber jetzt ist es 14.32 und 37 Sekunden.“ \Wie geht es weiter? Weiter auf Seite 2, Fortsetzung von Seite 1.\ „Wo bin ich?!“, fragte sich Victor Ürscheni, als er in einer Kammer erwachte. Ach, stimmt ja überhaupt… Plötzlich schallte es aus Lautsprechern. „Hör mir jetzt mal gut zu, mein Freund… Hast du die 100.0000?“, fragte jemand mit Dialekt. Lässt du mich jetzt endlich gehen?, fragte Victor zurück. Isch habe disch gschad schkeinde Fragsche geschelscht. Na und ich will hier raus! \Weiter auf Seite 3, Fortsetzung von Seite 2.\ Jetzt ist [es] 15.30 Uhr und 59 Sek. Da ist was passiert! Sie rannte so schnell, wie sie nur konnte und ging in die Wohnung, da waren Kampfspuren. Sie holte das Mikroskop und untersuchte die Kampfspuren. Elias Eckenberg, sagte sie wütend, Schloßallee 176 B. Ciara ging zur Villa und hörte schon bald… „Hilfe, Hilfe, Ciara, Hilfe“ „Victor? Ich hol dich da raus. Ich hol‘ am besten den Schlüssel.“ Sie ging in das Haus und hörte schon \– Wird sie es schaffen? Weiter auf Seite 4, Fortsetzung von Seite 3.\ bald ein lautes

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Schnarchen. Sie ging durch eine Tür und stand plötzlich im Schlafzimmer des Verbrechers. Sie holte den Schlüssel und befreite Victor. Dann übergaben sie Elias Eckenberg der Polizei und segelten aufs Meer hinaus. Ende (Carla G01d) Der große Traum. Vor langer, langer Zeit lebten zwei Menschen. Sie hatten sich lieb, doch eines Tages liebte die Frau jemand anderen. Sie kriegte ein Baby. Sie fuhren mit einem Boot in eine andere Stadt, dass der andere Mann nicht merkte, dass er nicht der Vater von dem Baby war, aber plötzlich blieb das Boot stehen und die zwei konnten nicht mehr weiter und sie hatten keine Vorräte mehr. So ging ein Tag vorbei. Da merkte die Frau, dass die doch auf dem Meer waren. So bastelte die Frau eine Angel und dann angelte sie viele Fische und sie hatten für ein ganzes Jahr Vorräte, das war gut. Doch schon bald war ein Jahr schon herum und das Boot stand immer noch da. Oje, die Fische hängen mir zum Hals raus, sagt die Frau. Plötzlich hatte sie eine Idee. Wir schieben es einfach von hinten an. Ja. Da kam ein Boot. Oh nein, ich hatte mal einen anderen Mann. Und der Mann hatte ein Messer in der Hand. Und er brachte sie um, doch eines hatte sie noch bei sich, ein Amulett aus Gold. Ende (Anke G02d) Die beiden Menschen fahren zu einer schönen Stadt. Die beiden Menschen sind ganz verliebt. Und in der Stadt, da gibt es ein sehr schönes Haus und da wollen sie einziehen. Jetzt schauen sie sich den Sonnenuntergang an. Die Frau heißt Sabine und der Mann heißt Amoor und sie leben glücklich im schönen Haus und in der schönen Stadt. (Viola G03d) Der spannende Ausflug nach Paris Es war einmal ein Ehepaar, das segelte mit einem Schiff auf Paris zu. Und in dem schönen Sonnenuntergang konnte man die Stadt gar nicht so gut erkennen. Und als sie ankamen, sagte der Mann zu der Frau, komm lass uns auf den Eifelturm steigen. Und als sie draufstanden, sagte der Mann, ist das nicht ein schöner Ausblick. Die Frau sagte gar nichts. Sie schaute nur dem Sonnenuntergang zu. Der Mann merke, dass seine Frau ihn nicht mehr beachtete und war so traurig, dass er vom Eifelturm sprang. Ein Glück war da unten grade eh die Feuerwehr, weil ein Haus brannte. Und die Leute auf die Matratze springen sollten. Und weil die Matratze noch dalag, knallte er auf die Matratze. Er wurde ins Krankenhaus gebracht. Am nächsten Tag kam seine Frau ins Zimmer. Mit einem riesigen Blumenstrauß. Oh Gott, wie konnte das denn passieren, sagte sie zu ihrem Mann. Und als er dann wieder nach Hause kam, lebten sie glücklich bis an ihr Lebensende. (Emma G04d) Die beiden wollen nach Paris. Paris ist ziemlich groß. Und die Menschen dort sind ganz schön reich. Der Mann heißt Jonas und die Frau heißt Marike. Nun sind sie in Paris angekommen. Sie werden freundlich aufgenommen. Jonas sagt: Jetzt werden wir erstmal was Richtiges essen. Marike sagte: Aber wo wollen wir was essen? Der Mann sagte: Wir gehen einfach los. Nun sind Marike und Jonas an einem Restaurant angekommen. Da haben die beiden sich erstmal richtig den Bauch voll gehauen. Dann sind sie einfach mal durch die Stadt gebummelt und haben was ganz Tolles entdeckt. Hinter einem Schaufenster stand ein ganz hübsches Boot. Das wollten sie natürlich haben. Es stand

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in einer riesigen Bootshalle. Die beiden haben es sich tatsächlich gekauft. Für 3000 Euro. Dann fuhren sie in aller Ruhe nach Haus. ENDE (Tom G05d) Das Segelboot Es leuchtet in der Ferne wie eine hochgewachsene Laterne. Die Sonne voller Wonne und der Himmel strahlt so bunt, heut bleibt jeder Mensch gesund. Und das Segelboot schippert daher wie ein Fisch im kalten Meer. Mann und Frau draufgesetzt. Und auf nach Budapest. Als sie ankamen, war es toll, denn das Hotel war noch nicht voll. In der Nacht, da kam ein Bösewicht, der hob mal eben ein Gewicht. Er schleuderte es in die Fern und traf damit eine Latern‘. Es klirrte kurz und machte peng. Am Morgen war die Bescherung groß, der Pfahl lag auf dem Boden, wir wollen den Dieb nicht loben. Das Segelboot, das liegt am Kai. Im Hotel gibt es den ersten Gang des Frühstücks. Der Dieb, der liegt im Räubershaus und ruht sich aus. The End (Lars G06d) Die Geschichte von Sabiene und Leonard Vor langer Zeit lebte Sabiene in Stuttgart. Ihre Mutter war sehr gemein zu ihr. Deshalb beschloss sie, nach Hamburg zu ziehen. Das tat sie dann auch. Als sie dann in Hamburg war, traf sie einen Mann. Er war sehr nett. Sabiene verliebte sich in den Mann. Er hieß Leonard. Sabiene fragte, ob er hier wohnt. Ja, sagte er. Wo denn? In der Alsterdorferstraße 12. Sabiene stutzte. „In der Alsterdorferstraße 12.“ Ja, und du? Ich wohne in der Alsterdorferstraße 14, antwortete sie. Dann wohnen wir ja direkt nebeneinander. Nach einem Jahr fragte Leonard Sabiene: Wollen wir nach Köln fahren? Au ja, nach Köln. Aber wie kommen wir denn da hin? Wir kommen ja nicht über den Rhein. Doch, ich habe ein altes Segelboot im Schuppen. Am nächsten Tag fuhren sie hinaus auf den Rhein. Doch sie vergaßen, dass auf dem Rhein große Felsen sind und schon viele Schiffe dort gekentert sind und ausgerechnet dort, wo die großen Felsen sind, fuhren sie entlang. Dann kamen sie zu Felsen. (Sie wurden Teufelsfelsen genannt.) Das Boot fing an zu schwanken und kippte. Leonard und Sabiene konnten sich gerade noch auf einem Rettungsboot retten, das Sabiene ganz schnell angerufen hatte. Dann wurden sie wieder heile nach Hause gebracht. (Emilia G07d) Zwei Menschen in einem Segelboot. Die auf eine Stadt zu steuern. Und sehnsüchtig dem Sonnenuntergang zuschauen. Und der Wind in die Segel bläst. Ohne Hindernisse, ohne Wellen, wie schön kann doch das Leben sein. Und sie steuern ohne Fehler hinaus ins weite schöne Meer, hinaus in das Leben, weit hinaus. (Anna G08d) Ein Mann mit seiner Frau wollten mit ihrem 5 Jahre alten Segelboot hinaus auf das weite Meer fahren. Das Schiff schwankte. Sie fuhren und fuhren bis die Sonne bald unterging. Dann legten sie sich schlafen. Am nächsten Morgen mussten sie weiter fahren. Es war himmlisch, das Schaukeln auf dem Meer. Nach dem späten Nachmittag wurden die Wellen immer höher und höher. Und der Wind wurde stürmischer. Der Mann blieb die Nacht über auf dem Deck, damit er alles unter Kontrolle haben konnte, in der Zeit legte sich die Frau schlafen. Am nächsten Morgen legte sich der Sturm wieder und sie konnten weiterfahren. Aber es verfing sich was in der Schiffsschraube. Sie konnten nicht mehr weiter fahren. Sie blieben mitten im Meer stehen, der Motor ging auch nicht mehr. Ihre Vorräte gingen langsam leer. Und seitdem hat man nichts mehr

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von ihnen gehört und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute! Ende (Annika G09d) Als einmal zwei Verliebte zum Hafen gingen, wollten sie eine Reise nach Paris machen und dann sind sie gleich in ein Segelboot eingestiegen und sind losgefahren. Als sie schon lange gefahren sind, konnten sie Paris entdecken und einen schönen Sonnenuntergang sehen. Als sie dort waren, waren sie glücklich, aber sie wollten nach 3 Wochen wieder nach Hause und dann sind sie wieder mit einem Segelboot nach Hause und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. The End (Henrik G10d) Es war einmal ein gefürchteter Pirat. Er war sehr bekannt. Eines Tages kapert er ein Schiff. Auf dem Schiff war eine schöne Jungfrau. Er fand sie so schön, dass er sie entführte und als Dienstmagd einstellte. Eines Tages waren sie an Deck und ein schöner Gesang lag in der Luft. Sie wollten zu der schönen Frau, die dort auf einem Stein saß, aber die schöne Frau ließ sie nicht. Sie sagte: Nein, geht nicht dahin, und band die gesamte Mannschaft an einen Balken fest. Nun konnten sie nicht mehr weg. Als die Stimmen leiser wurden, band die schöne Frau die Mannschaft wieder ab. Der Kapitän bedankte sich. Er hatte ihr noch nicht seinen Namen gesagt. Ich bin Captain Jack Sparrow und du? Ich bin eigentlich die Tochter von einem berühmten Piraten namens Captain Jack John. Ach der, er ist mein Kollege. Zufälligerweise wollte ich zu ihm. Das ist ja toll, kann ich mit? Komm, Jungfrauen, die mir das Leben retten, sind hier immer willkommen. Und sie fuhren weiter. Dann, nach einer Woche, kamen sie an. Jack John und Josie (die Jungfrau) umarmten sich und dann fuhren sie alle zu dritt in den Sonnenuntergang. Ende (Diana G11d) Es war einmal ein Seefahrer, der durch die ganze Welt reiste. Er fuhr nach China, England, Japan, Griechenland, Schweden, Dänemark und noch viele Länder mehr. Sein Heimatland war Hamburg in Deutschland. Als er nach Amerika reiste, da passierte etwas unvorhergesehen. Es donnerte und regnete, ein Blitz schlug in das Schiff, der Seefahrer geriet in Panik. Noch ein Blitz schlug in das Schiff ein, diesmal einen Zentimeter neben Hans, dem Seefahrer. Hans wurde in das Wasser geschleudert, er hielt sich an einer Holzplanke fest, er wurde an Land gespült, er sagte: „Das war wohl nichts mit der Reise nach Amerika.“ Aber da hat er sich getäuscht, eine Frau kam und sagte: „Willkommen in Amerika.“ Hans glaubte, er träumte, aber das tat er nicht. Die Frau nahm ihn in ihr Haus auf. Später stellte sich heraus, dass die Frau Sabine hieß. Hans wollte in Amerika bleiben und nach einem Jahr bekam er ein Kind, das Sarah hieß, die Familie bekam auch noch einen Hund als Haustier, der Hund hieß Oscar. Hans, Sabine, Sarah und Oscar reisten auch jetzt um die ganze Welt, bald kehrten sie nach Hause zurück. Als Hans und Sabine alt wurden, da blieb Oscar bei ihnen. Sarah bekam auch noch ein Kind und alle waren glücklich und zufrieden. Ende PS: Alle starben im ruhigen Altersheim. Das war jetzt wirklich das Ende. (Lilja G12m) Ich finde diesen Sonnenuntergang einfach prächtig und diese Stadt im Hintergrund. Ich finde das Boot sehr schön, eigentlich finde ich den Hintergrund am besten, aber die Segel von dem Boot sind auch sehr prächtig. von (Helen G13d)

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Zwei Leute segeln mit einem Segelboot und schauen sich den Sonnenuntergang an. Und segeln zu einer Stadt. Und in der Stadt lebten sie glücklich bis an ihr Lebensende. (Olga G14m) Es war einmal ein Mann und eine Frau. Sie segelten übers Meer auf eine Stadt zu. Das Wasser war wellenlos. Der Mann und die Frau genossen den Sonnenuntergang. von (Johannes G15d) Es waren einmal zwei Menschen, sie mochten sich sehr und sie wollten irgendwo hin, aber sie wussten nicht, wohin sie gehen. Dann sind sie einfach auf einem Boot gefahren, aber dann waren die beide müde, aber sie hatten kein Bett, um zu schlafen, also haben sie [es] sich gemütlich gemacht und dann, am nächsten Tag, sind die früh aufgestanden, aber nur jetzt sehen sie eine Stadt. Dann machten sie sich auf den Weg und als sie dort [an]kamen, {dann} schauten sie sich die Stadt an und dann suchten sie sich ein Zuhause und sie fanden {sie} ein Zuhause und sie lebten glücklich bis an[s] Ende ihrer Tage. Ende. (Silvia G16m) Die zwei Reisenden Die zwei, die auf dem Bild zu sehen sind, waren 50 v. Christi in Hamburg und haben glücklich gelebt miteinander und hatten viele Freunde. Sie haben ihre Freunde ziemlich oft besucht, aber die restliche Familie wohnt in Frankreich und hat sich sehr gut verstanden. Aber die restliche Familie war sehr traurig, weil die anderen nicht bei ihnen waren und [sie] wurden eingeladen, weil die beiden Verliebten heiraten wollten und die Gelegenheit haben sie genutzt. Sie sind zur Hochzeit gekommen und haben {die} [den] beiden darauf gesagt, wollt ihr nicht wieder nach Frankreich kommen. Dann gab es eine kleine Diskussion, aber das Hochzeitspaar gab nach. Aber sie versuchten, überall ein Segelboot herzukriegen. Das dauerte dann noch ein Jahr und noch ein halbes Jahr. Dann haben sie ein Segelboot bekommen und haben alles gepackt, was sie brauchen. Dann kam die große Fahrt und sie haben ja keinen Kompass und keine Karte. Dann sind sie nach einem Jahr auf Land gestoßen. Es war Bayern. Sie haben sich für eine Nacht einen Unterschlupf gesucht und haben sich früh auf den Weg gemacht. Dann {kam} [sind sie] nach einem Tag in Frankreich angekommen. Sie wurden freundlich und glücklich empfangen. Es gab gleich ein großes Abendessen. Aber die in Hamburg waren traurig, dass die Eltern der beiden sie überreden konnten und sind auch nach Frankreich gereist und haben einen Unterschlupf bekommen und haben auch die beiden gefunden und haben sie dazu überredet, wieder nach Hamburg zu kommen. Sie sind mit ihrem Segelboot mitgefahren und nach einem Tag in Hamburg empfangen. Die Eltern von den beiden waren sauer auf die in Hamburg, aber die in Hamburg waren glücklich und haben gefeiert, aber die Eltern sind sofort nach Hamburg und haben sie wieder überredet, wieder nach Frankreich zu kommen und sie kamen mit und kamen am Sonnenuntergang an und wollten in Frankreich bleiben und sind wieder nach Hamburg gefahren, um ihre restlichen Anziehsachen zu holen, aber die in Hamburg wollten, dass sie dableiben sollten, aber die beiden sagten, nein, wir bleiben in Frankreich und fahren heute wieder nach Frankreich zurück zu unser restlichen Familie, weil es uns dort besser geht und weil wir euch nicht vergessen und besuchen. Wir fahren jetzt mal wieder, ein schönes Leben noch, dann jetzt auf Wiedersehen.

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Dann mal los. Aber mitten auf dem Weg fängt ein Sturm an und sie gehen und steuern unter Bord, aber sehen nichts mehr. Dann ging der Mann an Bord, aber der Sturm war so fest, dass er wieder unter Bord musste und er fand eine Luke, die klappte er auf, aber sie erkannten die Gegend nicht. Sie glaubten, dass sie in Spanien sind, aber hier in der Gegend kannten sie sich nicht aus und mussten irgendwo an Land gehen. Aber sie sahen weit und breit kein Land, also beschlossen {das} sie, nach rechts zu fahren, aber sie sahen immer noch kein Land und sind noch weiter rechts, aber immer noch nichts. Dann haben sie links von sich eine Stadt liegen. Sie fragten den ersten Mann, den sie trafen, wo liegt Frankreich. Oh, sagte der Mann, sehr weit weg. Erst fahrt ihr nach Ostsüd und Westnord, dann nach allen vier Himmelrichtungen fahren, dann seid ihr da in Frankreich. Sie machten es und waren da, aber sind anders gefahren und waren da und haben [waren?] glücklich mit der Familie immer zusammen, und haben glücklich gelebt in Frankreich und haben richtig oft die in Hamburg besucht, die [haben?] in Hamburg und in Frankreich glücklich gelebt. Ende (Niko G17d) Es war einmal vor langer, langer Zeit auf einem Segelschiff eine Piratenbande, die trieb auf dem Meer. Sie raubten jedes Schiff. Doch es gab einen Erzfeind, alle nannten ihn Otto. Otto hört sich an, als würde man viel essen und das tat er auch, er aß an Tagen so viel, dass seine Piraten sagten, er würde bald platzen. Aber er hat gute, besser gesagt, die besten Krieger. Von allen Weltmeeren. Und Ottos Mannschaft griff an, es gab eine Schlacht, eure Krieger gaben alles. Aber Otto, der Gegnerchef aß und Paaaffeeebummmm, Otto war geplatzt. Otto konnte keine Befehle geben und ihr gewannt, aber fast alle waren tot. Aber der Chef und eine schöne Frau waren übrig. Die Frau machte Essen und machte sauber, der Chef ruderte und ihr saht eine Stadt, die schönste, die ich kenne, es ist Paris. Ja, Paris. Es ist wunderschön an Deck eines Schiffes zu sitzen und auf Paris zu gucken, es ist toll. Ihr kamt an und lebtet als freier Bürger und Bürgerin und ihr gingt ins Restaurant und ihr saht Otto. Er hatte 3 Keulen, 4 Dosen Bohnen und 23 Kugeln Eis. Ihr gingt hin und fragtet, du bist doch geplatzt. Nein, ich bin nicht geplatzt, das war ´ne Kanone. Als ihr raus wart, gab es einen Knallll Bumm, jetzt war Otto geplatzt. (Hans G18d) Es war einmal vor langer Zeit zwei Menschen. Sie hatten ein schönes Leben. Sie lebten in London. Eines Tages sagt die Frau zum Mann, komm lass nach Paris. Der Mann sagte, warum, wir leben doch schön hier in London. Ja, aber in Paris leben wir noch schöner. Na gut, wenn du es sagst, aber wie sollen wir dahin kommen? Mit einem Boot. Aber wir haben doch gar kein Boot. Aber wir können uns ein Boot bauen. Wie denn? Mit Brettern vom Dachboden. Ok, dann bauen wir ein Boot. Sie bauen Tag für Tag, aber sie bauen auch Nächte durch. Sie sind nach vier Wochen fertig. Jetzt segeln sie nach Paris und nach zwei Tagen kommen sie in Paris an. Sie kaufen sich ein Haus und kriegen ein Kind. Das Kind wurde ein sehr berühmter Maler. Er malte und malte viele Bilder, er ist auch mit dem Boot rausgefahren. Ende (Micha G19d) Die beiden wollen nach Hause fahren. Sie kommen aus England und wo sie hingereist sind, das war Argentinien und wo sie als nächstes hinwollen, das ist Mexiko, aber erst

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wollen sie sich ausruhen und gerade sind sie vor der Küste von London, wenn man genau hinsieht, sieht man den Big Ben. (Luke G20m) Klasse B Die Stadt Es war einmal ein Mann und eine Frau. Sie waren auf einem Schiff. Das Schiff segelte über{s} das Wasser. Mit dem Segel an dem Mast kamen sie gut voran. Endlich haben sie die Stadt erreicht. (Lennart G21d) Es war einmal ein Mann, der hieß Pupan. Pupan sagte zu Lis, wollen wir mit einem Schiff durch die ganze Welt reisen? Die Frau antwortet, ja. Nach 7 Wochen ging es los. Endlich haben wir es geschafft, wir sind auf dem Schiff. Nach 13 Jahren segeln sagten sie, endlich, wir haben es geschafft. Wir sind auf den Niagara-Fällen. Das war von Pupan der größte Traum und auch von Lis. Sie hatten sich da ein Haus gebaut und wohnten da drinnen bis sie alt werden und verrotten. Eines Tages, als die Frau 101 war und der Mann 200, starb die Frau. Pupan weinte und weinte. Irgendwann als auch er 599 Jahre alt war, starb er nun auch. Jetzt sind beide tot. Eines Tages kam ein Gott vom Himmel geflogen und wusste, dass Pupan und Lis sehr gute Menschen waren. Jetzt wusste Gott, dass er die beiden wieder zum Leben erwecken wollte. Nun tat er das auch. Pupan [und Lis] freuten sich, dass sie wieder am Leben sind. Sie sagten zu dem Gott, danke, lieber Gott. Danke, danke, danke, lieber Gott. Nun war auch der Gott 10000 Jahre alt. Jetzt starb auch er. Pupan und Lis freuten sich, dass sie wieder am Leben sind, aber sie sind auch nicht so glücklich, weil der Gott jetzt tot ist. Pupan und Lis schauten sich an und sagten {sie}, wenn wir noch einmal sterben, dann ist es endgültig aus. Sie fragten sich beide im Kopf, wie soll es mit unserem Haus weitergehen, wenn wir tot sind. Lis fragte den Mann, ich habe noch ein Baby, was erst 2 ist. Pupan hatte aber auch noch ein kleines Baby, was gerade mal 1 Jahr ist. Sie streiten und streiten und streiten. Nach langer Zeit hatten sie sich langsam beruhigt. Nach so vielen Jahren, bis beide tausend waren, starben sie beide nach dem ganzen Streit. (Mina G22d) Die große Fahrt Trafen sich ein Mann und ´ne Frau. Sie lebten in Hamburg auf einem Schiff. Das Schiff fuhr nach Mallorca. Sie waren sehr begeistert von Mallorca. Deswegen kauften die beiden Mallorca. Die beiden heirateten. Die beiden waren Millionäre. Nach 2 Jahren hatten sie kein Geld mehr und verkauften Mallorca. Mit dem Geld fuhren sie wieder nach Hamburg. Sie waren froh, Hamburg zu sehen, es hat sich viel geändert. Es ist viel los, viele Menschen, viele Autos, viele Bäume, schön ist es, in Hamburg zu sein. Ende (Toni G24m) Ein Mann und eine Frau segeln {die} [der] Sonne hinterher. Weil sie dachten, dass die irgendwann Land entdeckten. Und das dauert 10 Jahre. Und sie sind angekommen und haben gefeiert. (Kendrik G25d) Das Schiff Es war einmal ein Mann und eine Frau, sie sind mit einem Schiff gesegelt. 2 Wochen haben sie nichts gegessen und getrunken. {Am} nächsten Tag haben sie eine Angel gefunden und haben Fische geangelt und haben immer Fisch gegessen und sind ins Bett gegangen. Und dann ist die Angel weggeruckt und ein Hai hat angebissen. Dann

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{ist} [sind] der Mann und die Frau aufgestanden, weil das so laut war und das Messer haben sie geworfen und der Hai ist gestorben und sie hatten so viel Futter. Da haben sie eine Insel gefunden und da kam ein Sturm und [sie] wurden weggeweht. [Sie] mussten {sie} zu der Insel zurück und haben die Insel nicht gefunden und haben weitergesucht, über alle Inseln haben sie gesucht, damit sie eine Karte finden und die erste Insel war da und dann haben sie viele Fische verkauft. Da hatten sie viel Geld und waren reich und [haben] eine Villa gekauft, eine Karte gefunden und da auf der Karte ist [die] Insel, die wir suchen. Wir gehen da hin. Los komm, da ist auch ein Schatz. Ja, okay. Dann sind sie weggefahren und haben die Insel entdeckt. Sie haben den Anker geworfen und der Mann sagt, die Insel heißt die Sturminsel. Fahr schnell. Da ist ein Tornado gekommen und sie waren tot. (Senad G26m) Der Waffenschatz Es war einmal ein Liebespaar. Sie wurden von Piraten auf einem Schiff gefangen gehalten. Sie sehnten sich nach ihrem Zuhause. Tag und Nacht hielten die beiden Ausschau nach ihrer Stadt. Aber sie konnten nichts sehen. Zum Glück! Die Frau hatte eine Idee. Sie sagte: „Du kannst ins Versteck der Piraten gehen. Ich halte weiterhin nach unserer Stadt Ausschau.“ „Gute Idee“, sagt der Mann. Also ging er ins Versteck der Piraten. Auf einmal sah er eine glitzernde Schatztruhe. Da hatte er eine gute Idee. Er nahm die Schatztruhe, in der komischerweise Waffen drin lagen. Nun rief er extra laut: „Juhu, tolle Beute.“ So, dass alle Piraten ihn hörten. Alle Piraten kamen angelaufen. Der Chef der Piraten sagte: „Bitte, gib uns den Piratenwaffenschatz zurück. Dann lassen wir euch auch frei. Und bringen euch nach Hause.“ „Na gut, abgemacht, das ist ein Geschäft“, sagte der Mann. Also brachten die Piraten die beiden nach Hause. Und der Mann gab ihnen den Waffenschatz zurück. Endlich konnten sie nach Hause. Und können wieder glücklich leben. (Heike G27d) Eines Tages gingen zwei auf ein Boot und wollten feiern gehen. Auf einmal kam ein Mann aus dem Keller und der Mann wollte sich entschuldigen, weil er sie erschreckt hat und sie haben die Entschuldigung angenommen. Am nächsten Tag sind sie zu Hause angekommen. Am nächsten Tag gucken sie Fernsehen, weil eine lustige Folge läuft, von Tim und Tapsi läuft. (Till G28d) Julia & Lukas sind arme Leute! Neulich sind sie auf die See gefahren. & da ist doch tatsächlich, naja, das darf ich euch nicht verraten. & das war so: Die beiden saßen da so & plötzlich fiel Julia ins Wasser. Lukas war ganz aufgeregt & das an ihrem Hochzeitstag. (Nelly G29d) Sie (starb) (halb) Sie ging in die Kajüte. Sie überlegte. Wie viel Zeit ist schon vergangen, seitdem er mich mitgenommen hat? Sie wusste es nicht mehr. Nach 150 Tagen hatte sie aufgehört zu zählen. Daheim würde man bestimmt nach ihr suchen. Nach ihr, der Königin von England! Sie fing an, zu weinen. Wie vermisste sie das königliche Leben! Sie machte Feuer und kochte eine Suppe. Sie hörte Schüsse. Der Kapitän war bestimmt schon wieder dabei, ein Schiff auszurauben! Sie ging mit der Suppe in der Hand nach oben und sah nur noch den Rumpf des sinkenden Schiffes. „Was machst du hier?“, fragte der Käpt‘n schroff. „Deine Suppe.“ „Ach so.“ Er trank sie mit einem Schluck aus.

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Schrecklich! Die Frau fing an zu weinen. Konnte er denn nie nett sein? Da hatte sie eine Idee: Fliehen würde nicht gehen, sie würde sich ins Meer werfen und sterben. Es war ein komisches Gefühl, sich auf den Tod zu freuen! Doch alles war ihr lieber als hier zu sein. Jetzt sofort würde sie es machen! Sie ging zur Planke und stürzte sich überglücklich in die Fluten. Und wenn ihr eine Meerjungfrau mit rotem Fischschwanz seht… … sprecht sie mit „Eure Hoheit“ an! Ende \der Käpt’n, die Frau\ (Paula G30d) Der Tod Es war einmal vor langer Zeit ein Mann und eine Frau. Sie wollten ausfahren, aber ein Unwetter kam. Die Frau war von einem Blitz getroffen. Der Mann lachte laut, bis er auch den Tod besaß. Dreißig Jahre später fanden Kinder das Schiff am Ufer. Da sahen die Kinder ganz viele Schätze. Da kam ein Piratenkapitän. Er sagte: „Wo hast du den Schatz her, ich möchte es wissen? Warum willst du das wissen?, fragten die Kinder. Gib mir sofort den Schatz. Da gaben die Kinder den Schatz. Der Pirat guckt rein. Da kam eine Riesenbombe und alle waren tot. (Alea G31d) Ein Mann und `ne Frau fahren auf dem Schiff. Das Seemannsgarn ist klarer Mist. Und wenn die Sonne schließlich ruht, dann laufen sie die Treppe hoch. An Deck, da ist es sonnenklar, die beiden finden’s wunderbar. Der Nebel lichtet sich ganz schnell, die beiden sind sicher, dass sie Nöhrsie, das Ungeheuer gesehen haben, doch war es nur ein großer Schatten, der die beiden überraschte. Die Frau, die holte in Windeseile ihren Mann mit großen Seilen. Und dann sind sie fröhlich, denn es war ein U-Boot, das verkleidet war. Glücklich waren sie auf dem Deck, wo die Frau ein Eiskonfekt aß und dabei ihrem Mann zusah. Der Mann, der machte großen Mist, denn er versah sich absichtlich. Der Abend kam, die Nacht brach rein, die beiden wollten glücklich sein. (Noema G32d) Das Liebespaar Es war einmal ein Liebespaar. Es lebte auf einem Wrack. Dieses Wrack wurde von Piraten aufs Meer getrieben. Nun waren sie auf dem weiten Meer gefangen. Die Frau weinte und meinte: „Wenn uns niemand findet, dann bleiben wir immer auf dem Wrack und außerdem, die Piraten bewachen uns von allen Seiten!“ Der Mann tröstete sie: „Den Piraten wird das Warten auch irgendwann satt. Dann gehen die Piraten, wir können um Hilfe schreien und wenn uns jemand hört, holt er uns bestimmt ab und bringt uns nach Hause.“ Und es geschah so, wie es der Mann gesagt hatte. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ende (Lina G33d) Der Unfall Es waren einmal zwei Freunde, eine hieß Lusi und der andere hieß Luis. Eines Tages beschlossen sie vom Land wegzuziehen und fuhren mit dem Segelboot ganz weit weg. Inzwischen waren sie schon vermählt und segelten immer weiter. Doch eines Tages kam ein Kind und es war ein Mädchen. Das nannten sie Lena! Und Lena war am 1. Dezember geboren und mit der Zeit wurde sie drei und war richtig süß. Dann kam noch ein Kind, das nannten sie Leonard, er war noch null Jahre alt! Und total süß. Die Familie hat nun 4 Mitglieder = Lusi, Luis, Lena, Leonard. Sie haben sehr, sehr, sehr viel gekocht und alle lebten zusammen. Sie waren fröhlich. Die Mutter hatte geputzt und dann kam ein Blitz ins Schiff gedonnert. Sie rief Lena, Leonard & Luis und sagte: „Schnell, holt das Rettungsboot!“ Okay, antworteten sie und in voller Eile holten sie das Rettungsboot, aber dann schlug noch ein Blitz ins Schiff und so kam auch schon die zweite Flut und

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riss das Schiff auseinander und Luis & Lena & Leonard waren auf einer Seite und die Mutter war allein auf der anderen Seite. Leonard & Lena & Luis haben Land gefunden und sprangen runter und lebendig kommen sie an Land und lebten noch alle, aber die Frau kam tot an Land gespült und keiner hat mehr aus der Familie {hat} nie, wirklich nie wieder gelächelt  und Lusi wurde begraben!  (Keona G34m) Es war einmal eine Prinzessin, sie war sehr hübsch. Eines Tages kam ein Seemann und fragte: „Hast du Lust auf eine kleine Reise mit dem Schiff?“ Kaum hatte er gefragt, und sie sagte: „Ja!“ Sie stiegen beide in das Schiff. Sie segelten los. Nach einer Weile, wo die Prinzessin schon schlief, holte der Seemann leise ein dickes Seil und fesselte die Prinzessin. Wo die Prinzessin aufwachte, rief sie hilflos und laut: „Hilfe, Wachen, Hilfe.“ Aber die Wachen waren noch im Schloss. Die Prinzessin weinte. Der Seemann sagte böse: „Jetzt bringe ich dich auf diese Insel und niemand weiß es und du bleibst für immer auf der Insel!“ Die Prinzessin sagte traurig: „Wieso denn das Ganze, wieso machst du das?“ Der Seemann sagte: „Eine Prinzessin weniger, eine Bestimmerin weniger“, und schmiss sie über die Planke und sie ertrank. (Kalea G35m) Es war einmal eine Frau, die wünschte sich einen Mann. Da kam eines Morgens ein Mann an ihrem Fenster vorbei. Da war die Frau gerade draußen und da blieb der Mann stehen und blickte sie an. Das bemerkte sie nicht, aber da sah sie ihn auch an und sie fand sein Lächeln sehr schön und er war auch sehr schön und der Mann fand sie auch sehr schön, da sprach der Mann sie an und sagte: „Wollen Sie mit mir essen gehen?“ „Ja“, sagte die Frau. Da waren sie essen und es war sehr schön. Aber nach dem Essen fand der Mann, ich bin so oft allein. Da fragte er sie, kann ich bei Ihnen leben? Ja, sagte die Frau. Da lebten sie zusammen und eines Tages heirateten sie. | Es war einmal ein Mann, der war Seeräuber. Er fragte sich, was er wohl wieder rauben könne. Aber in einer kleinen Stadt gab es eine Frau, die wollte über die Meere fahren und wenn sie sterben müsse, da würde sie wieder ans Ufer schwimmen. Sie wollte es unbedingt. Da dachte der Seeräuber, ich kann ja mal ans Ufer fahren. Da traf der Seeräuber die Frau und nahm sie mit. Die Frau dachte, dass das ein Kapitän wäre und vertraute ihm deswegen. Da waren sie am anderen Ufer angekommen. Da wollte die Frau rausgehen. Da packte sie der Seeräuber, aber sie nahm ihre Tasche und briet ihm eins über. | Es war einmal ein Mann, der war sehr arm, er besaß nur ein altes Boot. Da traf er eine Frau, die war auch sehr arm und sie waren fast gleich, doch dass der Mann nicht gerne lief und die Frau lieber lief. Sie passten sehr gut zusammen, da musste der Mann sich zusammenreißen und gehen. (Bolko G36d) Das geheimnisvolle Schiff Auf der Insel Hawaii ist mal wieder gar nichts los. Die Kinder spielen, die Erwachsenen erledigen die Arbeit. Da kamen zwei fremde Kinder, die hießen Olaf und Ulf. Da sagt Olaf: „Mir ist sooooo langweilig.“ „Mir auch.“ „Hey, Olaf.“ „Was ist.“ „Wir könnten doch das geheimnisvolle Schiff suchen.“ „Was!!! Das Schiff, niemals!!! Jeder, der sich in die Nähe des Schiffes getraut hat, wurde niemals wieder gesehen.“ „Ja, ist doch nicht langweilig.“ „Spinnst du!!! Ich will noch leben.“ „Bitte, bitte, ich gebe dir auch eine Tonne Eis.“ „Was, eine Tonne Eis, okay.“ Und so suchten

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sie das Schiff. Als sie am Meer waren, war die Insel nicht mehr zu sehen. Plötzlich wurden sie von einem Strudel eingezogen. „Aahhh, w-w-wo sind wir?“ „Cool“, sagt Ulf. „Was cool.“ Wir sind (in der Höhle von dem Schiff) /unter Deck/ gelandet.“ „Ähh, Olaf, guck mal hinter dir.“ „Aaahh.“ „Haa haa, das ist doch nur eine Statue.“ „Findest du das witzig? Na warte, wenn ich dich kriege…“ „Au.“ „Hat man davon“, sagt Olaf. „Nein, das warst nicht du, Olaf.“ „Wer denn?“, fragt Olaf. (Alsan G38d) Es war einmal ein Mann, der hieß Zoltan. Zoltan ist ein Ritter, er hat eine Frau gerettet. In 3 Wochen heiraten sie und die Frau heißt Pamela. Eines Tages waren sie auf dem Schiff und sehen einen Delfin. Der Delfin war verletzt. Der Ritter sprang ins Wasser. Zoltan ist sehr mutig, aber nicht immer. Plötzlich wackelt das Schiff. Pamela kann nicht schwimmen. Zoltan flutschte der Delfin aus der Hand und der Delfin rettet Pamela und Zoltan. Alle drei waren auf dem Schiff. Sie sind nah an der Stadt in 2 Stunden. Sie waren da, alle Leute bewunderten sie. Sie legen den Delfin ins Wasser. Pamela und Zoltan waren glücklich. Sie haben alles erzählt, z.B. der Delfin war verletzt und er hat uns gerettet. Es war einfach toll. In 4 Jahren bekam Pamela ein Baby. Das Baby heißt Nicole. Pamela war glücklich. Die Stadt [hatte] jetzt 1579 Einwohner, zuerst waren es 1578 Einwohner. (Eda-Nur G39m) Es lebten einmal 2 sehr junge Leute. Sie hießen Maria und Josef. Sie wollten heiraten, aber die Eltern waren sehr doll verfeindet und immer als die Eltern Maria fragten, sagte sie immer Josef. Und als die Eltern Josef fragten, sagte er Maria. Den Eltern wurde es zu viel, immer den Namen des Kindes vom Feind zu hören. Marias Eltern sagten immer, entweder du heiratest den, den wir wollen, oder keinen. Genau das sagten auch die Eltern von Josef. Eines Tages kam bei Maria ein Brief an, wo drauf stand{.} [:] Heute Abend am Hafen. Als sie da am Abend ankam, rief Josef, Maria, komm an Bord. Maria rannte Josef entgegen. Als Maria mit Hallo sagen fertig war, drehte Josef einen Hebel um und das Schiff fuhr los. An Bord erklärte er, was er vorhat. Maria fand die Idee blöd und warf ihn über Bord. Er war tot. Ende! (Lola G40d) Klasse C Es war einmal ein Mann, der hieß Yunus und eine Frau, die hieß Liv. Die beiden hatten ein Schiff, das Schiff hatte den Namen Merlin. Sie transportierten Waren von Norwegen nach England. Sie wohnten nah am Meer. Sie hatten auch Schafe. Aus der Wolle /machte/ Liv warme Anziehsachen. Die sie dann verkauften, sie hatten nur wenig Geld. Dienstag der 18.2.1857. Yunus und Liv sind auf dem Markt, sie hatten schon viel Geld. Nach einer Stunde fuhren sie nach Hause. Yunus machte ein Feuer im Ofen an. Liv deckte den Tisch. Danach saßen sie beim Abendbrot. Am nächsten Morgen, wie üblich, fütterte Liv die Schafe und sie hatten viel Geld und waren glücklich. Ende (Marko G43d) Der freche Piratenhund Keks! Romeo und Julia segeln mit dem Piratenschiff in die schöne Stadt New York. Da wollen sie eine Piratenbude aufmachen, damit Romeo Piratenlehrlinge hat. Dann war es soweit, es waren 12 kleine Jungs, oder? Nein, da kommt noch einer, er hieß Felix. Er hatte einen Hund mitgebracht, er hieß Keks. Romeo ist froh, denn ein Hund hat eine gute Spürnase und ein gutes Gehör, lautes Gebell und

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wie die Überschrift schon sagt, er ist frech, listig und frech. Als es zum ersten Mal in ein anderes Land ging, kam ausgerechnet ein Sturm. Der Käpt’n, also Romeo, wurde seekrank. Er starb, sie mussten einen neuen Käpt’n auswählen. Da kam die Wahl. Alle riefen: Felix, Felix! Felix war einverstanden. Keks auch, denn Felix würde nie ohne Keks Käpt‘n sein. Felix hat die letzten Wochen 1000000 € zusammengekriegt. Heute sollten sie gegen Gandalf, den Garnichtgrauen kämpfen. Keks schnüffelte und schnüffelte die ganze Zeit. Da kamen sie. Keks biss sie einmal ins Bein. Jeder fiel tot ins Wasser. Ende (Maja G44d) Es waren einmal ein Mann und eine Frau, sie waren sehr arm. Drum bauten sie sich ein Schiff. Das Schiff war zwar alt und rostig, aber es ging. Schnell schnitten sie die Leine durch und segelten mit ihrem kleinen Schiff davon. Sie hielten sich an den Händen und genossen den Sonnenuntergang. Dann legten sie sich ins Bett, lasen noch ein bisschen und schliefen schnell ein. Als sie aufwachten, war es noch dunkel und kein einziger Stern war zu sehen, drum schliefen sie auch gleich wieder ein. Am Morgen bemerkten sie, dass sie viel zu weit nach Süden getrieben waren. Schnell versuchten sie, das Boot zu lenken, aber es klappte leider nicht, aber plötzlich kam eine Welle und trieb das Boot wieder nach Norden. Sie waren erleichtert und froh, dass die Welle gekommen war. Beide jubelten und waren begeistert. Langsam trieben sie weiter und immer weiter, bis sie eine wunderschöne Stadt sahen. Sie war so schön, dass sie sich einfach nicht satt sehen konnten. Sieh dir das an, sagte der Mann. Auch die Frau sagte: Sieh dir das doch auch mal an. Ja. Aber wir müssen uns vor den Menschen in Acht nehmen, sagte diesmal die Frau. Das weiß ich doch, erwiderte der Mann. Aber wo legen wir denn jetzt an, fragte der Mann. Natürlich da, wo uns niemand sieht, sagte die Frau. Man muss halt ein Köpfchen haben, sagte die Frau. Stimmt gar nicht, sagte der Mann, Männer sind genauso schlau und klug. Okay, willigte die Frau ein. Komm‘ wir legen dahinten im Gebüsch an, aber wo ist unser Tau mit dem wir es festmachen können. Ups, das haben wir doch durchgeschnitten. Und was machen wir jetzt? wollte der Mann wissen, aber die Frau sagte nur, Abwarten und Tee trinken, einverstanden. Ja, aber ich trinke doch gar keinen Tee. Dann eben Kaffee, sagte die Frau, beruhig‘ dich einfach. Aber jetzt mussten sie erstmal was essen und trinken. Ach ja, sagte der Mann. Ach ja, sagte nun auch die Frau. Ich würde gerne mal wissen, wo wir überhaupt sind, sagte der Mann. Ich auch, sagte die Frau. Na gut, dann nehmen wir eben Zweige, mit denen wir das Boot befestigen, okay? Ja, antwortete der Mann. Komm‘, wir steigen jetzt aus. Ja, okay, sagte der Mann. Als sie ausgestiegen waren, schauten sie sich erst einmal um, damit sie wussten, dass sie auch an Land waren. Wow, staunte der Mann. Ja, Wahnsinn, staunte auch die Frau. Komm‘, wir gucken uns alles noch ein bisschen genauer an. Sie gingen ein paar Meter weiter und sahen plötzlich Menschen. Der Mann sagte, guck mal da, viele Menschen. Doch plötzlich wollten sie doch gerne mal in gemütlichen Betten schlafen, drum fragten sie im ersten Haus nach. Welch ein Glück, sie durften bis an ihr Lebensende im Haus wohnen und es gefiel ihnen sehr gut. (Lia G45d) Es war einmal ein Mann und eine Frau. {Auf} [In] ihrem Land herrschte Krieg. Sie wollten fliehen. Sie setzten sich ins Boot und fuhren los und fuhren und fuhren nur so weit,

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wie sie konnten. Sie waren schon 4 Tage und 4 Nächte unterwegs. An einem Abend saßen sie am Tisch und schlürften gemütlich ihre Suppe. Sie besprachen wie es weitergehen sollte. Die Frau sprach zu ihrem Mann: „Wenn wir die nächste Stadt erreichen, möchte [ich] einmal wieder von Bord gehen und mich umgucken. Und außerdem brauchen wir dringend Lebensmittel. Ich hoffe, wir haben genug Geld, um einen „Großeinkauf“ zu machen.“ Der Mann antwortete: „Ich komme mit aufs Land. Ich brauche Medizin, weil ich Schnupfen habe. Aber wie machen wir das mit dem Boot?“ Die Frau sagte: „Wir können das Boot doch anketten.“ Der Mann antwortet: „Ok!“ Die beiden gingen ins Bett. Am nächsten Morgen standen beide auf und frühstückten. Dann machen sie sich fertig. Sie gingen von Bord. Der Mann ging zur Apotheke und die Frau ging ins Geschäft. Der Mann fragte den Apotheker: „Haben Sie Nasenspray.“ Der Apotheker antwortete: „Ja, das wären dann 4,90 €.“ Der Mann sagte: „Hier bitte, die 4,90 €.“ In der Zwischenzeit kaufte die Frau alles Nötige. Jetzt zählte sie durch, ob sie alles hat. Da fiel ihr ein, dass sie die Gurke und Champignons vergessen hat. Sie holte zuerst die Gurken und dann holte sie die Champignons. Sie ging ganz gemütlich zur Kasse zum Bezahlen. Die Kassiererin sagte: „Das wären 25,95 €.“ Dann ging die Frau zum Schiff. Der Mann war schon lange auf dem Schiff. Er machte gerade seinen Mittagsschlaf. Die Frau kochte Kaffee und stellte eine Tasse Kaffee auf seinen Nachtschrank. Danach backte sie für ihren Mann einen leckeren Schokoladenkuchen. Um 16 Uhr wachte der Mann wieder auf. Der Kuchen wurde auch langsam fertig. Zusammen aßen sie den Kuchen. Der Mann freute sich sehr über den Kuchen. Er sagte: „Das war mal wieder einer der leckersten Kuchen, die ich je gegessen habe.“ Und so lebten sie weiter bis an ihr Lebensend!!! (Stella G46d) Zwei Menschen auf einem Schiff, die verliebt sind und die sind vor einer Stadt und ich glaube, der Mann heißt Blackbird und die Frau ist seine Braut. (Fabian G47d) 1 Geschichte Es handelt von einem Piraten und einer Frau, die sich lieben. Jeden Abend halten sie Händchen auf einem Schiff und gucken aufs offene Meer und dahinter sehen sie London. Eines Tages war die junge Piratin weg. Der Chefpirat sagte, da suchen wir das ganze Meer ab. Okay, sagten sie und suchten das ganze Meer ab. 2 Geschichte Da sagte ein Pirat, da ist sie. Hilfe, Hilfe. Kletter‘ das Seil hoch. Okay. Und da küssten sie sich. Ende Verlag (Joris G48d) Ein Mann und eine Frau saßen auf einem Schiff. Das war alt. Sie sahen eine Stadt namens New York. Die wollten dahin segeln. Und bei der Fahrt schauten sie das Meer an. Das Meer war schön. Es gab kleine Wellen. Die schubsten das Schiff. Sie kamen an einer Stadt New York. Da waren große Häuser. Sie gingen zum Schiff. (Alex G49m) Die fantastische Geschichte Vor 2000 Jahren im Mittelalter lebten zwei Menschen, Mann und Frau, die gerade Hochzeit hatten. Nun war Hochzeitsabend und sie hatten sich überlegt, dass es doch romantisch wäre, wenn sie auf einem Schiff nach London fahren würden. Also gesagt, getan. Als die Abendröte kam, brachen sie auf. (Sie selber wohnten in einem kleinen Ort in England.) Und es war wirklich ziemlich romantisch, es

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gab ja auch noch die Abendröte, die machte das alles noch viel romantischer. Deswegen hielt sich das junge Ehepaar an der Hand, küsste sich und schaute aufs Meer hinaus. (Tanja G50d) Der Mann und die Frau Es war einmal ein englischer General. Er hatte viel, viel Geld und ein Schiff. Doch eines hatte er nicht, Gesellschaft. Außer seinen Soldaten hatte er niemand. Er war schon sehr lange auf der Suche nach einer Frau, aber hatte keine gefunden. Irgendwann fuhr er mit seinen Männern aufs Meer. Sie kamen an eine Insel und guckten sich dort um. Auf einmal rief einer seiner Männer: „Chef, kommt mal her! Hier auf der Insel gibt es Menschen!“ „Zeig her!“, rief ein anderer. Der General sagte gar nichts. Er guckte nur auf die Menschen. Besonders fiel ihm eine Frau auf. Doch auf einmal kam lautes Gebrüll vom Strand. Piraten! Sie stürmten zum Strand und die Einwohner auch. Aber die Piraten waren zu viele und nur wenige überlebten. Nur der General und ein paar Einwohner hatten es geschafft. Da sah die Frau den General. Er sagte: „Ich muss zurück nach England.“ Und ging. Da rief ihm die Frau /zu/: „Warte, ich komme mit!“ Und so fuhren sie gemeinsam zurück nach England. (Ben G51d) Es war einmal eine Frau und ein Mann. Sie wollten weg von ihrem alten Land. Weil {es} dort Krieg herrschte. Deswegen beschlossen sie zur U.S.A. zu reisen, weil es dort Frieden gab, alles dort schön ist. Und eines Tages bekam der Mann ein Baby. Und als eines Tages Sommer war, passierte ein Unglück. Der Mann und sein Kind gingen beide zum Strand. Der Vater wollte sich eine Cola kaufen, aber er passte nicht auf das Baby auf. Das Baby ging ins Meer und genau an diesem Zeitpunkt kam ein Tigerhai aus dem Meer und verschlang das Baby und der Vater sah zu, wie sein Baby starb, deswegen wollte er den Tigerhai mit seinem Gewehr töten, aber der Tigerhai spürte gar nichts von den Patronen, aber der Hai wurde wütend, deswegen verschlang der Hai auch den Vater und die Mutter war ganz allein und traurig, aber sie fand einen Mann, der auch einsam war, deswegen heirateten die beiden. Ende (Samet G52m) Bernhard und Bianca auf einer abenteuerlichen Reise! Einmal war Bernhard, der Hausmeister, aus dem Mauseloch gekrochen, um Wasser zu holen. Doch da sah er eine Flaschenpost. Er war erstarrt, denn er hat noch nie eine Flasche mit einem Brief gesehen. Bernhard richtete es sofort Herrn Mauseweiß aus. Als er da war und ihm das erzählte, sagte Mauseweiß, nimm sofort Biane und Olaf mit. Wir müssen diese Flaschenpost haben. Okay, riefen sie und liefen, so schnell sie nur konnten, zu der Flaschenpost. Da, da, rief Bernhard zu ihnen. Einige Minuten später. In der Mäusehöhle sagte Herr Mauseweiß, nun zeigt mal her. Eine halbe Stunde später durfte Bianca sich einen Partner aussuchen, der mit ihr das große Abenteuer machte. Sie nahm Bernhard. Das Abenteuer Bernhard und Bianca gingen in ein Bahnhofsgebäude und als sie auf einem kleinen Bahnhof waren, wo ein Vogel ein Flugzeug war. Es waren 2 Tage vergangen und endlich waren sie da. Da sagte Bianca zu Bernhard, wie hieß sie noch mal. Paula, sagte Bernhard. Am Fluss hatten Bernhard und Bianca ein Schiff gesehen. Guck mal, sagte Bernhard. Da aber unterbrach Bianca ihn und sagte: Das war Paula, Bernhard, sie hat gerufen. Was denn. Sie hat gerufen, dass sie Hilfe braucht. Wir müssen sie retten! rief Bernhard. Bianca, hast du einen Plan. Ja, rief sie, wir schleichen uns in der Nacht in ihr

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Zimmer. Und das klappt. Ja, das klappt. Okay, wenn du das sagst. Und es klappte. Nun war (sie) /Paula/ wieder im Waisenhaus. Da kam ein Paar in das Waisenhaus und sie nahmen Paula. Jetzt lebt Paula glücklich in ihrer neuen Familie. ENDE (Nele G53d) Auf dem Schiff ist ein Mann mit einer Frau. Der Mann und die Frau halten Händchen und schauen auf das blautönige Wasser. Plötzlich blitzte und donnerte es. Eine Flamme entstand vor ihnen. Sie erschraken und sprangen Hand in Hand ins Wasser, um überleben zu können. Sie schwammen so … … schnell sie konnten. Bis sie erschöpft auf einer Insel ankamen. Die Frau lag bewusstlos am Strand der Insel. Der Mann war traurig und dachte, dass die Frau tot ist. Er holte Hilfe. Sie wurde zu einem Mann gebracht. Der Mann war der Freund von dem anderen Mann. Er war Krankenarzt und versorgte ihn und er wohnte jetzt bei ihm. Auf der Insel suchten sie nach ein paar Tagen nach einem Schatz. Sie hatten nämlich eine Schatzkarte gefunden. Ob bei Regen, Blitz, Sonne, egal welches Wetter, sie … … suchten weiter. Als sie den Schatz endlich hatten, gingen sie nach Haus. Sie öffneten die Kiste und innen drinnen /waren/ Gold und Silber, Schmuck und vieles mehr, nur das Beste für die beiden waren die Tabletten. Sie gaben sie seiner Frau und sie erwachte wieder und so blieben sie für immer reich. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. \Ende, Ende, Ende, Ende, fertig, fertig, fertig, fertig, fertig. Hilfe, es brennt!\ (Djannah G54m) Es waren einmal eine Frau und ein Mann. Sie saßen auf einem Schiff. Sie wollten in eine Stadt und sie waren fast am Ziel. Doch dann kam ein Schmugglerschiff und [sie] haben mit einer Kanone den Mast kaputt geschossen. Sie wollten fliehen, aber sie waren zu langsam. Die Piraten haben alles mitgenommen, was sie fanden, und dann hatten sie gar nichts mehr und ihr Boot war fast kaputt. Das Boot ging unter, sie schwammen auf eine Insel, die Insel war voller Kokosnussbäume. Keiner wohnte auf der Insel. Sie bauten sich aus Ästen kleine Hütten, wo sie drinnen wohnten und schliefen. Die Kokosnüsse aßen sie und die Kokosmilch tranken sie. Auf der Insel waren viele Affen. Eines Tages kam ein Segler mit Samen für Obst und Gemüse. Die beiden haben die Samen sofort eingepflanzt und dann haben sie gewartet. 5 bis 7 Monate später waren auf der Insel ganz viel Obst und Gemüse. Sie haben auch ein Kind gekriegt und haben fröhlich bis an ihr Lebens/ende/ gelebt und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Jabar G55m) Es war einmal eine Frau, sie hieß Monalisa. Und es gab einen Mann, er hieß Marko. Marko braucht eine Frau, sagt sein Vater stolz. Seine Mutter sagte immer wieder, dass er seine Liebe selbst finden muss zu Markos Vater. Er sagt, danke Mama. Bitte, sagte die Mama. Und so war es auch bei Monalisa. Monalisa sang die schönsten Lieder. Sie musste für einen Prinzen dienen und der Prinz war Marko. Er sagte eines Tages, komm‘ mit, ich zeige dir mein Zimmer. Sie sagt, okay. Aaaa, schrie Monalisa. Er fragte, warum schreist du? Sie sagt, was war das? Das war mein Frettchen. Aaaa! Schmeiß‘ es raus. Nein. Doch. Na gut. Schon war das Frettchen tot. Ich gehe wieder arbeiten, Marko. Okay, sagt Marko. Am nächsten Tag fragte er, wollen wir, Monalisa sagt gleich nein. Sie ließ ihn nicht mal aussprechen {lassen}. Sie erzählte ihrem Vater das. Er sagte gleich, warte, ich möchte mit dem Prinzen reden. Er wollte einen Vogel auf die Hand nehmen,

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alle Vögel fliegen aus dem Fenster raus. Das Fenster war offen. Monalisa kam reingeflitzt. Sie sagt, ja, lass uns abhauen in der Nacht. Okay. Sie segelten davon. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Lara G56d) Da ist ein Mann und eine Frau. Der Mann und die Frau segeln weg. Sie sind an einer Stadt angekommen. Da sahen sie einen Laden. Sie sind in den Laden reingegangen. Dann hat die Frau den Mann gefragt, kannst du mir die Jacke kaufen. Der Mann hat gesagt, nein. Dann hat die Frau gesagt, aber warum. Ich hab‘ kein Geld mehr. Aber ich hab‘ auch kein Geld mehr. Dann musst du die Jacke leider hierlassen. Aber ich will die Jacke unbedingt. Nein, komm jetzt, wir reisen wieder nach Hause. (Tabitha G57m) Da sitzen ein Mann und eine Frau, sie gucken aufs Meer hinaus und es ist ein ganz altes Boot. Sie wollen nach New York segeln. Sie rufen gerade den Hotelleiter an, um zu fragen, ob ein Hotel frei ist. Der Hotelleiter antwortete, ja, es ist ein Zimmer frei. Sie können gleich in ihr Zimmer hinein. Der Hotelleiter sagte seinen Mitarbeitern, dass sie ein Zimmer freimachen sollen, damit sie hinein gehen können. Sie räumten alles auf, damit Helin und Julian in das Zimmer reingehen. Helin und Julian waren nur beste Freunde, mehr nicht, sie waren nicht verliebt oder so was, sie waren nur Freunde. Als sie angekommen waren, sind sie in das Zimmer reingegangen. Helin sagte, ich will nicht neben dir schlafen. Helin sagte dem Hotelleiter, dass sie ein neues Zimmer will. Sie kriegte ein neues Zimmer und als sie sich hingelegt hatte, ist sie sofort eingeschlafen. Sie hatte aber Julian versprochen, dass sie segeln. Julian hatte sich so lange schick gemacht. Dann ist er zu Helins Zimmer gegangen und hat gesehen, dass Helin schläft. Er war sofort traurig, weil er {wollte} unbedingt mit ihr segeln gehen [wollte]. Er ist traurig zu seinem Zimmer gegangen und hat sich ausgezogen und hat sein Nachthemd angezogen und ist schlafen gegangen. Am nächsten Morgen hat Julian zu Helin gesagt, wir wollten doch gestern segeln gehen. Helin sagte, ja, Entschuldigung, ich bin eingeschlafen, als ich mich hingelegt habe. Julian sagte, ok, aber dann morgen. Helin sagte, ok. Julian sagte, sollen wir heute Eis essen gehen. Helin sagte, ja, gerne. Sie gingen dann zur Eisdiele und Helin hatte sich Schokoeis bestellt und Julian auch. Julian liebte nämlich Helin, deswegen macht er ihr alles nach. Als sie fertig waren, ging Helin zum Schlafen und Julian auch und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ende, Ende, Ende, Ende, Ende (Luise G58m) Es war einmal eine Frau und ein Mann. Sie segelten mit einem alten Boot {zu} [nach] New York. Sie wollten bis ans Ende da leben. Sie frühstücken zusammen. Eines Tages waren sie da. Sie haben ein Haus gekauft. Sie haben da gelebt, sogar mit einem Pool und dann hatten sie ein kleines Baby. Sie war richtig süß. Eines Tages war sie 18 Jahre alt und dann wurde sie entführt. Die Frau sagte: „Ooo nein, nicht schon wieder.“ 1 Monat später war ein Prinz da {mit} [um] sie [zu] retten. Der Prinz hat die schöne Prinzessin gerettet. Sie haben geheiratet. Jetzt waren sie die Könige. Und wenn sie nicht gestorben [sind], dann leben sie noch heute. The End. Von (Havin G59m) Das Gemälde Man sieht ein Gemälde. Es ist sehr schön. Auf dem Gemälde sitzen eine Frau und ein Mann. Sie schauen auf die Stadt und halten Händchen. Das Boot sieht alt

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aus, aber wer weiß, ob es wirklich stimmt. Das Boot ist sehr kaputt. Vielleicht ist es von Piraten überführt worden. Damals waren die Leute nicht besonders reich. Der Mann und die Frau hatten eine kleine Rundfahrt gemacht. Für zwei Stunden. Der Mann und die Frau waren beste Freunde. Sie hatten sich noch nie gestritten. Eines Tages kam ein reicher Mann zu den beiden. Er sagte: „Ich gebe euch mein ganzes Geld, wenn ihr mir versprecht, dass /ich/ bei euch auf dem Boot der Kapitän sein darf.“ Natürlich, sagte der Mann und die Frau, ja, aber unter einer Bedingung. Du reparierst unser Schiff, was uns zu gesegelt ist. Okay, sagte der Mann und so passierte das auch. Die beiden freuten sich sehr. Und sie segelten wieder mit dem jungen Mann aufs weite Meer. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Lene G60m) Klasse D Vor langer Zeit gab‘s ein Schiff. Da auf dem Schiff waren zwei junge Paare. Sie waren ineinander verliebt. Sie sind zu einer Insel /gefahren/. Da war eine Frau. Ihr Name war Sofie. Sie ging ganz alleine. Da war noch Jasmin. Sie /war/ für sie dagewesen. Sofie und Jasmin waren Schwestern. Davor die zwei Paare haben sie gesehen. Da hat sie gesagt zu ihm, warum helfen wir nicht. Weil sie auf der Straße leben. Aber eines Tages sind die zwei Paare, in der Nacht sind sie zu diesen Kindern gegangen. Da wurde alles wieder gut. Ende (Ariana G62m) Ein Mann und eine Frau segeln nach Chicago, aber Chicago ist weit weg, darum hat Jonas gesagt: Sollen wir nach Chicago segeln? Marie sagte: Ja, okay, aber was suchen wir in Chicago. (Isra G63m) Ein Mann und eine Frau sind auf einem [Schiff], segeln zu einer Stadt und genießen die Fahrt. 1 Tag später. Das junge Paar ist in der Stadt und sie haben sich ein Haus gekauft und sie haben ein Kind bekommen und das Kind nennen sie James und James ist schon 11 Jahre alt geworden und sie leben glücklich und zufrieden. (Jamie G64d) Es war einmal ein Mann namens Moritz und Moritz hatte eine Frau namens Leonie und sie wollen nach Paris mit ihrem Schiff, doch dann werden sie überfallen, doch dann kam Max und besiegte die Räuber und sie waren glücklich und zufrieden. (Joel G65d) Es war einmal eine Prinzessin. Sie musste heiraten. Sie musste einen Prinzen heiraten, aber sie wusste ja nicht einmal, wie er heißt und wie er war. Ihr Vater, der König, sagte aber immer, wenn man eine Prinzessin ist, muss man jemanden heiraten, der `ne Krone hat und eines Tages hatte der Vater gesagt, wir fahren mit der Kutsche dort hin. Der Vater ist nicht mitgekommen. So saß sie in der Kutsche. Dann hat sie gesagt, haltet kurz an. Die Diener sagten, warum. Die Prinzessin sagte, weil ich Blumen pflücken möchte. Dann sollte sie reinkommen. Sie hat Ja gesagt und hat die Tür zu gemacht, aber sie war nicht drinnen. Sie ist in den Wald gegangen. Es ist dunkel geworden. Sie ist eingeschlafen. Am Morgen ist eine Frau gekommen, die hat sie mitgenommen zu einem Waisenhaus. Sie hatte dort einen Mann gesehen. Sie hatte sich verliebt. Sie hat mit den Kindern gespielt und gekocht. Eines Tages sind Ritter gekommen, um sie zu suchen, aber sie hatte sich ja schon so angezogen wie ein normales Mädchen und sie hatten sie nicht

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gefunden. Dann hat sie gehört, dass er der Prinz war und dann sind sie wieder zum Schloss gegangen und haben geheiratet und sind mit einem Schiff zu einer Insel gesegelt und so ist dieses Bild entstanden. (Amanda G66d) Es waren mal ein Mann und [eine] Frau, die liebten sich, aber die Eltern erlaubten es nicht. Sie beschlossen, davon zu segeln. Aber dann hat das Mädchen gesagt: „Ich heiße {auf} [in] echt Mari, und der Mann sagte: „Und ich heiß‘ auch eigentlich Jonas. Und sagte: „Wollen wir nicht losgehen. Ja, gehen wir und ich gehe als erstes aufs Schiff, um zu gucken, {dass} [ob] jemand da ist. Aber pass‘ auf dich auf. Gut, Mari, ich werde dich vermissen. Jonas, ich dich auch. Ich muss jetzt gehen. Tick, tock, tick, tock. Es ist niemand hier. Komm schnell, ich helfe dir, Mari. Danke dafür. Haben wir alles. Ja. Sehen wir nochmal nach. Gut. Haben wir Brot. Ja. Haben wir Wasser. Ja. Haben wir Klamotten. Ja. Wir haben alles, auf geht’s. Mach den Dampfer an, ich lass das Segel los. Gut, los geht’s. Oh nein, unsere Klamotten und [unser] Essen. Was ist passiert. Unser Essen ist runtergefallen, {im} [in den] See. Ich gehe es holen, währenddessen du dich ausruhst. Wie konnten wir es vergessen. Ich weiß es nicht. Na gut, bleib hier, ich komm‘ wieder. Tick, tack, tick, tack. Oh, da bist du, ich habe dich vermisst, komm schnell rauf. Ja. Jetzt können wir losgehen. Hier der Rucksack. Ja. Mari, leg‘ du dich hin. Gut. Ja. Wenn’s sein muss. Danke. Schnell sind die Eltern aufgewacht und sahen, dass ihre Kinder weg waren. Die Eltern riefen sich an und fragten nach und die haben’s nach kurzer Zeit erfahren, dass sie davon gegangen sind. Mari wachte auf und sah den Sonnenuntergang und Jonas sagte: „Komm‘ schnell“, und ging auf Deck und Jonas sagte: „Sieh dir das an“, und [sie] halten Händchen. Liebe Mari, ich wollte dich fragen, dass ich dich, wie soll ich sagen, willst du meine Frau werden. Ja, ja, das will ich. Wir sind angekommen. Komm‘ runter, schnell. Gut. Vergiss den Ranzen nicht. Ja. Komm‘, wir sind da. Und wo sind wir? Wir sind in Amerika. Wie, schon. Kannst du Englisch sprechen. Ehrlich gesagt, nein, nicht so gut. Ist doch egal, Mari, wir schaffen‘s schon, denn ich kann Englisch. Ich weiß nicht, vielleicht sollten wir mit niemandem sprechen. Na gut, ich gehe einkaufen. Gut, komm‘ schnell wieder. Ja. Nach einer Minute. Da bist du wieder, mein Schatz, ich habe dich vermisst. Was hast du gekauft. Auflauf und Fisch. Wie wollen wir grillen. Es wird Zeit, ich kaufe uns ein Haus. Toll, komm‘ wieder schnell, während ich koche. Wie denn. Mit einem Lagerfeuer. Toll, ich freue mich. Tschüss. Nach einer Stunde und 55 Minuten. Da bist du, hast du unser Haus. Ja, ziehen wir ein. Hopp, hopp, hopp. Toll ist unser Haus. Es sieht anders aus. Ja, bei denen ist es neumodisch. Schön. Räumen wir auf und kauf Sachen für unser Haus und ein Auto. Gut, Tschüss. Bye, ich gehe schlafen. Nach 55 Minuten. Ding, dang, dong. Wer ist da. Ich bin’s, Jonas. Komm herein. Ting. Wollen wir es dekorieren. Ja. Darauf habe ich mich gefreut. Los geht’s. Nach 2 Stunden. Hallo. Das neue Haus, du siehst gut aus, sagt Jonas und Mari. Toll, legen wir uns aufs Bett und schlafen wir. Gute Nacht. Am nächsten Morgen. Hallo, wach auf, Jonas, ich will wieder nach Haus zurück. Aber hier ist es schön. Da hast du Recht. Aber ich will wieder bei Mama und Papa, au, mein Bauch tut so weh, ich glaub‘, ich bin schwanger. Gehen wir zum Arzt. Gut. Tick, tack, tick, tack. Es ist wahr, du bist schwanger, du hattest Recht.

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Aber ich weiß nicht, {dass} [ob] es ein Junge oder ein Mädchen ist. Er sagte, ein Mädchen. Toll, ich freue mich sehr. Jetzt gehen wir nach Haus. Ach, machst du das Essen heute oder soll ich es machen. Ich mach‘ es schon. Du bist ja schwanger. Danke. Geh schlafen oder fernsehen. Gut. Ähm, ich weiß nicht, wie man es bedient, aber ich versuch’s mal. Oder ich kaufe was Zubereitetes. Ich nehme mir den Schlüssel mit. Tick, buff. Nach 2 Minuten. Na gut, 5 Minuten in die Mikrowelle tun bis… Didid. Fertig. Schon. Tisch zubereiten muss ich noch. Na gut. Auflauf, jetzt kommst du in einem Teller serviert. Du wirst es so bereuen, dass ich dich nicht schneller esse. Wach auf, das Essen ist fertig. Toll. Geh‘ an den Tisch, greif nach dem Löffel. Wie lecker riecht es. Mmh, lecker. Du kannst so lecker kochen. Ich war’s nicht. Ich habe eine Zubereitung gekauft. Trotzdem lecker. Ja, genüsslich. Ich glaube, sie kommt. Na gut, wir gehen schnell zum Krankenhaus. Mein süßes Baby. 5 Jahre später. Sie ist schon 5 Jahre alt. (Meryem G67m) Es sind Ferien für Julia und Noel. Sie haben sich vorgenommen, eine Woche nach Portugal zu fahren. Das wird eine lange Schiffsfahrt. Nach fünf Stunden sind die beiden angekommen und haben sich geküsst. (Mats G68d) Ein Mann und eine Frau wollen nach Paris mit einem Schiff fahren, die Stadt der Liebe. (Tamim G69m) Es war einmal ein Kapitän. Er wollte das Meer sehen, aber er war einsam, er hatte nur seinen Papagei Felix. Er sagte: „Ach, Felix, was mach‘ ich bloß.“ Auf einmal sah er eine Dame im Wasser. Sie schrie: „Hilfe, Hilfe, rettet mich.“ Er sagte: „Ich komme.“ Doch es war zu spät, sie versank. Doch zum Glück retten sie Seehunde und Delfine. Der Kapitän war froh und bedankte sich bei den Seehunden und Delfinen, die Dame ebenso. Ein Seehund sagt, ow, ow, und er ging. Der Mann und die Frau gingen ganz nach vorne. Sie sahen den Sonnenuntergang. Da sahen sie die Seehunde und Delfine und rufen: „Tschüss“, und lebten glücklich und zufrieden. (Anoush G70m) Die Geschichte von dem Piraten und der Piratin Es begann 1988. Die beiden beschlossen zu fliehen {auf} [in] ein Land namens Asien. In ihrer Stadt, wo sie früher wohnten, da passierten so viele schlimme Sachen, fast jeden Tag. Sie wollten fliehen, weil Anna, die Piratenfrau, {war} schwanger [war]. Sie wollten nicht das, wie [es] ihrem anderen Sohn Jonas passiert ist. Er hat einen Schuss abbekommen. Sie wollten nicht, dass es mit diesem Sohn auch noch passiert. Sie hatten zu dolle Angst. Die Reise hat [ein] paar Monate gebraucht. Sie sind gleich angekommen in Asien. 1 Stunde danach waren sie angekommen. Eines Tages bekam Anna das Kind, sie haben sich so gefreut. Es war sooo süß. Sie nannten ihn Jonas wie sein großer Bruder, der gestorben ist. Er sah genauso aus wie sein großer Bruder, wirklich genauso, deswegen nannten sie ihn Jonas. [Ein] paar Tage musste Anna aber noch im Krankenhaus bleiben. [Ein] paar Tage danach wurden Anna und Jonas entlassen. Sie kam nach Hause zu ihrem Mann. Sie waren sehr glücklich mit ihm. Sie war sich ein bisschen umschauen in Asien. Anna sagte: Es ist wirklich sehr schön hier. Jackson, der Piratenmann, sagte: Es ist wirklich sehr schön hier. Anna sagte: Wollen wir mehr Länder oder Inseln ansehen. Da sagte Jackson, der Pirat:

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Ja, das ist aber eine gute Idee, Anna. Sie flohen mit Jonas zum Land London. Als sie ankamen, gingen sie spazieren. Doch plötzlich hörten sie Menschen schreien. Jackson sagte: Anna, bleib‘ hier mit Jonas. Sie sagt: Nein, Jackson, nein. Da sah er die anderen Piraten, seinen Erzfeind. Die anderen haben gehört, dass Pirat Jackson und Piratin Anna ein Kind bekommen haben. Sie wollten das Kind haben. Da sagt Käpt’n Hook: Gib‘ mir das Kind. Nein, sagte Pirat Jackson. Da sagt Käpt’n Hook: Doch, gib es mir oder deine Frau und dein Kind sterben. Nein, bring‘ dann lieber mich um. Nein, ich will dein Kind. Da sagt Jackson: Du kriegst es nicht. Wir kämpfen. Wenn ich gewinne, dann kriegst du das Kind nicht und du gehst wieder zur Insel, wo du wohnst und du lässt die Menschen in Ruhe, Käpt’n Hook. Sie kämpften. Es sieht so aus, dass Pirat Jackson gewinnt und dass Käpt’n Hook verliert. [Nach] einiger Zeit [gab] Käpt’n Hook auf. Dann sagt Jackson: Geh‘ jetzt zur Insel zurück. Käpt’n Hook sagte: Ok. Er tat so. Er ging hinter die Tür, wo Anna, seine Frau, ist. Er sagt zu seinen Matrosen: Kommt. Er nimmt sie mit. Sie sagt: Nein, Hilfe, Jackson, [ein] paar Mal, aber Jackson hörte es nicht. Sie fesselten sie. Sie klebten ihr den Mund zu und nahmen sie mit. Sie brachten sie ins Schiff. Das Schiff war kaputt, Löcher, Wasser kam rein. Käpt’n Hook und seine Matrosen lachten sie aus und sagten: Pech gehabt.“ Da ging {er} Jackson zu seiner Frau hinter der Tür. Hinter der Tür, da war sie aber nicht mehr. Da sagte er: Bestimmt [haben] Käpt’n Hook und seine Matrosen sie genommen, oh nein. Er sah ihn und seine Matrosen. Er sah Käpt’n Hook mit seinem Kind Jonas. Oh nein, meine Frau ertrinkt gerade. Oh nein, sie stirbt gleich, ich muss sie retten. Er sprang ins Wasser. Er schwamm zu seiner Frau Anna. Er macht den Kleber auf, also ab. Er macht das Seil ab. Sie hatte Wasser im Mund, sehr viel Wasser im Mund. Sie lag in Ohnmacht. Er nahm sie raus, [in ein] paar Minuten stand sie wieder auf. (Jelena G71m) Es war einmal ein Krieger und Halbprinz. Er war richtig tapfer und seine Prinzessin war von Gargamel im Turm eingesperrt und der Prinz wird zum Krieger und rettet sie vor Gargamel. Die Prinzessin sagt: „Oh mein Held, komm wir gehen aufs Schiff.“ Und dann gucken sie sich den Sonnenuntergang an und halten Händchen und küssen sich. Nach drei Monaten sind sie verheiratet und haben drei Kinder. (Jayne G72d) Zwei Menschen auf einem Schiff und der Mann sagt, wir sind um die ganze Welt gereist. Jetzt bin ich müde, ich möchte schlafen. Aber es kann alles Mögliche passieren. Dann sind sie eingeschlafen und sind nie wieder aufgewacht. The End (Leona G73d) Ein schönes Bild Ein Paar sitzt am Anfang eines Schiffes und guckt den schönen Sonnenuntergang an und zwischen den beiden herrscht Liebe. (Meik G74d) Ein Mann und eine Frau waren auf einem Boot und wollten auf eine Insel fahren mit dem Boot und sind bei der Insel angekommen. (Niklas G75d) Sie fahren. Mit einem Schiff. In eine Stadt. Und glotzen die Stadt Sylt an. Auf einer Insel. Sie schlafen gleich ein. Idee[:] Dann sinkt das Schiff und sie gehen unter. Und sterben, bevor sie auf Sylt angekommen sind. Ende 1. Stunde (Finnjan G76d)

2. Texte zum Gemälde

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Klasse E Es war einmal ein reicher Bootsmann in einer Stadt. Dieser Mann hieß Eres, wohnte in einem schönen großen Haus. Er wohnte an einem sehr schönen Ort, aber er war nicht glücklich. Eines Tages kam sein Freund zu ihm nach Hause. Sein Freund sagte, iss mal. Eres sagte, nein, kein Hunger, sagte Eres. Irgendwas bedrückt dich. Naja, ich wünsche mir eine Frau. Am nächsten Tag sah er eine schöne Frau und die heiratete  ihn ♡ und sie segelten über die ganze Welt. (Alexa G77d) Es war einmal eine Frau und ein Mann, die wollten so gerne {zu} [nach] New York. Plötzlich hatte die Frau eine Idee. Sie sagte, wir können doch ein Schiff bauen. Das ist eine tolle Idee, sagte der Mann. Die machten sich auf den Weg, Sachen zu holen. Sie waren schon fertig mit dem Boot. Dann segelten die und entdeckten New York. (Mahboob G78m) Die reichen Geschwister Ich sehe einen Mann und seine Frau. Die sind sehr reich. Sie wollten zu `ner Stadt fahren, aber die hatten gar kein Auto. Darum sind sie mit einem Schiff gefahren. Der Mann sagte: Wollen wir echt zu der Stadt fahren. Die Schwester antwortete: Ja, da ist es schön. Später wurde es dunkel und die beiden schlafen ein. Ende (Malia G79m) Es waren einmal zwei Menschen. Die zwei lieben die Aussicht, auch den Sonnenuntergang, am liebsten mit dem Boot. Der Himmel sieht schön aus und das Boot bewegte sich. Ende | Zwei Schwestern Es war[en] einmal {eine} zwei Schwestern, die hatten ein Schiff mit Segeln und Unterschlupf. Die beiden {kamen} [sind] an Land angekommen. Die beiden waren froh. Jetzt haben die ein Haus gekauft. Das war ein Hotel, das ganze Zimmer und das ganze Haus. Die beiden waren wieder froh. Und zum Abschluss haben die beiden eine Party geschmissen. ♡  Ende (Anniara G80m) Der Pirat Es war einmal ein Pirat. Dieser Pirat hatte eine Frau. Die Frau hatte Geburtstag. Der Mann hat ihr etwas versprochen, aber erst am Abend. Es war schon Abend. Die Frau hat sich gefreut. Das war der beste Abend. (Maria G81m) Es war einmal ein Mann mit seiner Frau. Der Mann hat ein Boot gebaut aus Holz. Er mit seiner Frau wollte{n} England besuchen. (Farouk G82m) Ein Mann und eine Frau Es war einmal ein Mann und eine Frau. Der Mann hieß Käpt‘n Black. Und die Frau hieß Mrs. Puff. Sie segelten nach Europa. {Beim} [In] Europa haben sie viel Spaß. Und dann sagte Käpt‘n Black: „Wir segeln nach Italien.“ Mrs. Puff sagte: „Aber bei{m} Italien gibt es viele Räuber!“  Aber der Käpt‘n Black hat es nicht gehört. Und sie hatten ein Haus  zu[m] Glück. Da sagte Käpt‘n Black: „Ich weiß doch, dass [es] in Italien Räuber gibt.“ Und sie lebten friedlich.  Zu Ende (Merik G83m) Der Hochzeitstag von Domenick und Jessie Es war einmal ein Mann und eine Frau. Sie lebten vor vielen, vielen Jahren. Der Mann hieß Domenick und die Frau Jessie. Sie waren verheiratet. Domenick und Jessie hatten Hochzeitstag. Sie waren zuhause. Dome-

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nick sagte zu Jessie: „Ich gehe kurz raus, ich bin bald wieder zuhause.“ Nach einer halben Stunde kam Domenick wieder nachhause. Er sagte zu Jessie: „Jessie, komm mal bitte mit.“ Er verband ihr die Augen mit einem Tuch und brachte sie zu einem wunderschönen See. Er machte ihr die Augen auf und sie sah ein Segelboot. Sie fuhren hinaus und genossen den Sonnenuntergang und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Verena G85m) Die Ausländer Es waren einmal 2 Geschwister, eine hieß Maria, der andere hieß Kakarott. Eines Tages schwammen sie mit dem Boot übers Meer. Es war bereits dunkel und Nebel. Sie sahen was. Kakarott fragte: „Sind das feindliche Schiffe?“ Maria antwortet: „Nein, wir sind bald in Großbritannien.“ WOWWWW, sagte Kakarott. Komm, wir segeln noch einmal, damit wir schneller vorankommen. Sie waren da. Sie sahen nur Soldaten. Sie erschraken sich. Ein Soldat schrie: „AUSländer!“ Jemand nahm eine Minigamm und traf das Boot. Das Boot sank und Maria und Kakarott starben. Ende  (Adin G86m) Es war eines Tages war ein Fischer und seine Frau Jem. Jem war eine Putzfrau, aber sie ist gefeuert, weil sie was nicht gemacht hat, aber sie hat eine neue Arbeit und der Boss ist nett und vieles mehr. Und jetzt ist der Mann Ali. Der Ali ist sehr reich, weil er zwei Arbeiten hat und Schiffe hat er auch. Sie lebten sehr gut. Ende (Kabelo G87m) = Romanze Es war einmal eine Familie. Die hatte [einen] riesigen Fernseher. Eines Tages lief auf 3 Sat eine Romanze! Plötzlich kommt ein riesiger Strudel und zieht die Familie in den Fernseher. Plötzlich kommen sie im Film vor. Sie hatten vergessen, dass der Fernseher aufnimmt. Das Kind schreit: „Ay, der Fernseher nimmt auf, nein!“ Sie landen auf einem Schiff, da sind 2 Leute drauf. Sie denken, dass sie Piraten [sind]. Sie machen Sching-Schang-Schong, huch. Sie blieben beide drauf. Sie fahren bis sie gestorben sind. The end. (Antonia G88d) Der Pirat und seine Krise Vor vielen, vielen Jahren hatte ein Pirat seine Frau mit auf eine Fahrt mitgenommen. Die Frau sagte, diese Fahrt ist wunderschön, aber der Mann sagte, ich muss mit dir Schluss machen. Er schubste sie ins Wasser und überfuhr sie. Am nächsten Tag kam die Polizei und sagte, sie sind verhaftet, {wegen} [weil] Sie ihre eigene Frau umgebracht haben. Oh, Mann. Ende. (Munira G89m) Klasse F Es ist leise. Die sitzen zusammen auf dem Boot. Und gucken sich das Wasser an. Es ist leise. Die haben Angst. Sie denken, dass sie runter blubbern. Die trinken noch ein bisschen und sehen sich den Himmel an und da war `ne Schlange und kam auf sie zu. Sie schrien und sagten Hilfe, Hilfe. Es war zu spät, die wurden aufgefressen, die sind gestorben. Die Mütter von dem Jungen und dem Mädchen waren bei der Beerdigung. Und haben geweint. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Zerif G90m) Es ist dunkel und es wird dunkel. Die beiden kommen nicht an ihrem Land [an]. Es war ein langer Weg in ihr Land. Gucken ins Wasser und [in den] Himmel, ganz weit weg

2. Texte zum Gemälde

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waren sie. Sie sahen sich den Sonnenunter[gang] an und bald sahen sie, dass das Schiff untergluckerte, dabei konnten /die beiden/ nicht schwimmen. (Elizna G91m) Es wird Nacht. Sie fahren mit dem Boot auf eine Insel. Die Insel ist sehr schön. Sie bleiben dort 2 Tage. Dann, als die beiden plötzlich aufs Boot raufsteigen wollten, da fuhr das Boot einfach los. Die beiden wunderten sich, wer außer uns beiden war auf der Insel. Der Bootsfahrer, der war ja böse auf uns, weil wir 2 Tage auf der Insel waren. Wir sollten doch nur 1 Tag auf der Insel bleiben. Das heißt wohl, wir müssen zurückschwimmen. Nein, bitte nicht, ich kann nicht schwimmen. Was sollen wir dann machen. Wir bauen ein Boot aus Palmenholz. Noch 3 Tage brauchten die beiden, um das Boot fertig zu bauen. Da trugen die beiden das Boot aufs Wasser und sie fuhren wieder zurück. Und sie bleiben nicht mehr so lange weg und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Sandra G92m) Es war einmal eine Frau. Ihr Dorf war arm. Sie hatte 1 Kind. Sie haben in Zelten geschlafen. Es war kalt. Ihr Mann hat gesagt, eines Tages werden wir in Paris sein. Sie hat gesagt, eines Tages sind wir tot. Er hat gesagt, ich meinte morgen. Es war morgens. Die Frau hat, aufstehen, aufstehen, gesagt. Habt ihr vergessen, dass wir gehen. Der Mann hat gesagt, wohin. Sie sagt, na, {zu} [nach] Paris. Sie sind losgefahren. Sie waren da. Die Frau sagt, WOW. Da waren Bekannte. Die Bekannten sagen, wollt ihr bei uns schlafen. Die sagten, ja. Sie waren glücklich für immer. Sie wollten nie mehr zurück, aber sie waren traurig, /weil sie ihr Dorf verlassen haben./ (Nayo G93m) Es war einmal eine Frau, sie war noch jung. Sie traf einen Mann. Er war auch noch jung. 1 Woche „später“ /waren/ sie zusammen. Dann sind sie auf ein Schiff gegangen. Sie sind weg gefahren. Es drohte Gefahr. Das Schiff war nicht sicher. Sie sind vom Schiff gesprungen. Sie sind geschwommen und geschwommen und geschwommen. Das Wasser war sehr, sehr kalt. Sie kamen an einer Insel an. Da waren Palmen, Kokosnüsse, Sand wie ein Paradies. Sie waren glücklich, zufrieden, man kann das nicht beschreiben. Sie waren jetzt glücklich, dass die beiden nicht gestorben sind. Sie haben alles bekommen, was sie wollten. Sie bekamen Kokosnüsse und viele andere Dinge und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Nina G94d) Sie wollen nach Bethlehem zu ihren Söhnen. Sie warten schon drei Jahre und endlich sind sie bald da. Sie machen sich Sorgen um ihre Söhne. Weil das Schiff so langsam war, wollten sie schwimmen, aber die Frau konnte nicht schwimmen und das Wasser war echt kalt. Also mussten sie es auf dem Schiff aushalten. Sie waren gleich da, aber sehr unglücklich. Sie wollten nur noch zu ihren drei Kindern Peter, Gustav und Gargamel. Sie warteten schon. Sie waren erschöpft vom Schiff fahren und endlich kamen sie an und gingen zu ihren Söhnen und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Happy end (Anisha G95m) Mir ist wichtig, dass das Schiff runtergluckert und dann, dann die bemerken nichts und dann kommt ein Krach und die haben nichts gehört und dann ist noch ein Geräusch gekommen und die haben immer noch nichts /gehört/ und dann kommt noch ein Ge-

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räusch. Sie hören immer noch das Geräusch und dann ist noch ein Geräusch gekommen und die hören immer noch nichts. Dann ist noch ein Geräusch gekommen, sie hören immer noch nichts und dann ist das halbe Schiff abgebrochen und dann haben sie nichts bemerkt und dann haben sie sich umgedreht und da war ein Riss. Die haben Hilfe gerufen – niemand ist gekommen. Und dann ist ein Geräusch gekommen und sie haben geschrien wie ein Mädchen und dann ist nochmal ein Geräusch gekommen und die haben wieder Hilfe gerufen. Niemand hat die gehört. Sie haben geweint und dann sind mehr Risse gekommen und niemand hat die gehört und dann war die Titanic da. Die haben Hilfe gerufen und dann haben sie angehalten und sagten, bitte, helfen Sie uns, bitte. Okay, kommt hoch. Ja, wir kommen. Okay. Sie sind irgendwo gelandet. Sie sind immer weiter gegangen und dann sind die immer weiter und weiter und weiter und weiter und weiter. Da haben [sie] das Schiff gesehen und sind immer weiter und weiter gegangen und dann sind die immer weiter und da war die Stadt. (Arbesa G96m) Sie fahren in eine Stadt, um unsere Mutter zu besuchen. Sie sind angekommen. Die Stadt war verlassen und alles war kaputt und Schrott. Da fuhren sie zurück nach Hause. 1 Woche später kam die Mutter. Und die drei waren glücklich und zufrieden. Von (Clifton G97m) Das Segel ist schon sehr alt. Der Mann und die Frau sitzen auf einem Schiff. Sie wollten zu einer Stadt segeln. Die Insel hieß Manaberg. Die Stadt war wunderschön, aber dann hat die Frau im Meer einen Riesenkraken gesehen. Sie war ungefähr 10 Meter groß. Der Krake hat die Frau entführt und den Mann auch. Ende (Hayal G98m) Sie sprangen ins Wasser und schwammen immer weiter, als ein Hai sie ansprach. Und er fragte, „Warum schwimmt ihr hier.“ Und sie antworteten, „weil wir das Gefühl hatten, dass unser Schiff runtergluckert“, und sie schwammen weiter. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Anoop G99m) Sie fahren in die Stadt. Sie wohnen in einer anderen Stadt, wo sie hinmussten. Sie wurden angerufen. Sie mussten zur anderen Stadt. Sie wollten wegschwimmen. Aber es hat geregnet. Sie wollten zum Boot gehen. Als das Boot untergluckerte, da kam ein König und sagte, arbeite 1 Monat für mich, dann gebe ich dir ein /Boot./ Ok. 1 Monat war vorbei und sie kamen in die Stadt. Ende (Adnan G100m) Das neue Schiff Sie angeln gerade am Schiff. Und trinken Wein. Aber dann mussten sie runterspringen. Das taten sie nicht. {Wegen} [Weil] da Haie waren. Dann nahmen sie das Rettungsboot. Damit sie fliehen konnten. Da war die Stadt. Sie kauften ein Boot. Dann laden sie Gäste ein, die mussten bezahlen. Dann passierte was, die hatten Kanonen und schießen andere Gegner ab. Da hat ein Schiff die angegriffen. Das Boot /ist/ untergegluckert. Ende (Ken G101m) Der gestohlene König Die sind angekommen. Alle sind ruhig. Es gibt einen neuen König. Der schlägt die ganze Zeit Leute, die was Schlimmes machen. Ein alter Mann ist sehr schlau. Er will den alten König retten. So haben die beiden mitgemacht und haben den

3. Texte zu Figuren

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König gerettet und haben {die ihn} /den neuen König/ {ins} [in den] Kerker geschmissen und alle drei werden ein Ritter von Camelot. (Nuar G102m)

3. Texte zu Figuren Klasse A King, the lion \Lien Leika\ In Afrika, besser gesagt in der Sahara. Es hätte wohl niemals diesen Kampf gegeben, wenn nicht… aber ich will nicht zu viel verraten. Denn hört selbst. 1. Mio: 500801000 Hundert 70. 1. Mio: 50081100010071. Hör auf mit deiner dummen Zählerei, zischte plötzlich eine Stimme. Es war Shakalar, der Leikas Onkel war. (Leika ist der Sohn von Lien und Lien und Shakala sind Brüder.) Du übergibst den Thron als König oder dein Sohn Leika ist in Lebensgefahr! Was hast du mit ihm gemacht? fragte Lien. Ach, ich habe den Kleinen mal in die Sandkammer gepackt. Die Sandkammer war ein extrem enger Raum, aus dem Sand aus allen Ecken kam {Sand}. Denkste, sagte plötzlich Leika hinter ihm. Leika hatte mit Hilfe einer Schlange den Schlüssel gekriegt. Jetzt befreite er Lien. Die beiden liefen schnell weg. Draußen war gerade ein Krieg ausgebrochen. Aber Lien rief: Freunde, Bewohner der Sahara, lasst uns in Frieden leben! Ja, eure Majestät!, riefen plötzlich alle. Aber Shakalar, auch genannt Scar, heckte wieder einen Plan aus. Er lockte Lien zu einer Schlucht und schubste ihn runter. Zum Glück aber war er nicht verletzt. Er ging zu Leika und die beiden lebten glücklich. Ende (Carla F01d) Es war einmal eine Meerjungfrau. Die hieß Arielle. Eines Tages schwamm sie durch das Meer. Plötzlich war das ganze Meer schwarz. Arielle rettete sich schnell nach oben. Sie sagte, das ist keine gewöhnliche Färbung. Sie kommt nur alle hundert Jahre. Oh Gott, sagte Arielle, denn das ganze Wasser wurde zu Eis. Der Strand wurde zu Eis. Jetzt ist der Winter da und ich kann nicht mehr ins Wasser. Oje, was soll ich jetzt nur machen. Da sah Arielle ein Loch. Da kann ich reinschwimmen. Und sie kam gut an. Ende (Anke F02d) Es war einmal eine Meerjungfrau, sie hieß Arielle. Sie hat auch Freundinnen, sie waren nett zu ihr. Aber eine Böse wollte alle Meerjungfrauen. Aber Arielle ließ sich nicht fangen, sie war einfach zu schlau. Aber die Böse versuchte es immer wieder. Aber trotzdem ließ sie sich nicht fangen. Und deswegen war sie die Meerjungfraukönigin geworden. Doch plötzlich ist sie eine Prinzessin. Also, das heißt, dass sie ein Mensch ist. Doch da taucht ein Junge auf, das war kein Junge, sondern ein Prinz, er heißt King. Sie haben geheiratet und sind glücklich bis an ihr Lebensende. (Viola F03d) Es war einmal eine hübsche Meerjungfrau, sie lebte in einer tiefen Unterwasserwelt. Dort herrschte ein König, sie war die Tochter von ihm. Doch in dieser Unterwasserwelt lebte auch eine böse Meereshexe. Arielle hatte diese noch nie gesehen. Aber jetzt möchte Arielle die böse Meereshexe sehen, sie machte sich auf die Suche. Sie

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schwamm durch Algen und durchsuchte alle Winkel, plötzlich stand sie vor einer dunklen Höhle, sie wusste nicht, was auf sie zukommen würde, aber schwamm rein. Alle Wände zitterten, der ganze Tunnel war dunkel, aber dann überraschten Arielle zwei Seemonster, sie packten die kleine Meerjungfrau und trugen sie in einen dunklen Raum mit Gittertüren. Sie trugen Arielle rein und schmissen das Tor zu. Nun war Arielle eingesperrt. Plötzlich ging ein Licht an und eine alte Frau kam in den Raum, sie betrachtete die kleine Meerjungfrau, sie sagte, dich lasse ich erstmal hier. Zuhause auf der Burg herrschte Aufregung, alle suchten nach Arielle. Inzwischen kriegte Arielle Wasser und Brot, aber als die Meereshexe wegging, ließ sie aus Versehen die Tür auf und Arielle schoss an den beiden Seemonstern vorbei und gelangte ins Freie, schnell schoss sie nach Hause und wurde von allen Bewohnern in Empfang genommen und ärgert die Meereshexe noch lang. (Emma F04d) Es war einmal ein Mann, er hieß Hotzenplotz. Er lebt im Wald in einer kleinen Hütte. Da waren auch Seppel und Kasper, aber die lebten in der Stadt. Sie gingen manchmal im Wald spazieren. Und Hotzenplotz auch, weil er die beiden fangen und als Sklaven nehmen will. Jetzt gingen Seppel und Kasper gerade im Wald. Hotzenplotz nutzte die Chance, aber mit was sollte er die beiden schnappen? Na klar, mit der Pfefferpistole. Jetzt sind Seppel und Kasper gefangen. Und so endeten sie bei Hotzenplotz. ENDE (Tom F05d) 1. Kapitel Spider-Man Es war einmal ein Junge, er hieß Peter Parker. Eines Tages wurde er in einem Labor von einer radioaktiven Spinne gebissen. Und verwandelte sich in Spider-Man. Und besaß Superkräfte, mit denen er Wände hochlaufen konnte. Und war bereit, gegen die Bösen Lizard & Venom zu kämpfen. 2. Kapitel Der Kampf. Als Peter Parker (Spider-Man) eines Morgens aufstand, befand er sich in einem fremden Raum. Vor ihm standen Lizard & Venom. Es kam zu einem erbitterten Dreikampf. Spider-Man versuchte zu fliehen, aber schaffte es nicht. Kapitel 3. Die Gefangenschaft. Irgendwann war der Kampf vorbei. Und Spider-Man war im Kerker gefangen. Und versuchte auszubüxen. Und da fielen ihm seine Superkräfte ein. Und er lief einen Schacht hinauf und suchte einen Ausgang. Aber es waren zu viele Schächte und er verirrte sich. Kapitel 4. Die Freiheit. Irgendwann kam ein sehr dickes Wesen, genannt Skorpion, aber Spider Man hatte endlich Tageslicht entdeckt und floh in die Freiheit. The End…. Autor: XXXXX. Erschienen im XXXXXXXX. Regie: XXXXX. Geschrieben von XXXXX. Gestaltet von XXXXX. (Lars F06d) Der Löwenvater Shankar hatte drei Kinder. Sie hießen Leira, Tom und Shelly. Shankar hatte eine Frau, sie hieß Malira. Malira, Shankar, Leira, Tom und Shelly wohnten in der Wüste Sahara. Sie hatten eine windgeschützte Höhle und von oben sah es aus wie ein Berg. Deshalb konnte man die Höhle nicht erkennen. Morgens wenn die Sonne aufgeht und abends wenn die Sonne untergeht, steht die ganze Familie auf dem Berg und genießt den schönen Himmel. Am Mittag gehen sie immer durch die Wüste Sahara und suchen nach Nahrung. Sie teilen es immer. Heute haben sie eine Giraffe gerissen. Am nächsten Morgen war der ganze Himmel mit Regenwolken bedeckt, sie blieben den

3. Texte zu Figuren

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ganzen Tag in der Höhle. Am Abend waren die Regenwolken vorbeigezogen und ein ganz schöner Sternenhimmel war zu sehen. (Emilia F07d) Es lebte einmal in einer total normalen Stadt eine total normale Familie und in dieser Familie lebten 2 Geschwister. Und sie hießen Mira und Mara. Mira und Mara machten alles zusammen. Eines Tages spielten Mira und Mara im Garten. Da kam ein Mädchen angeritten und sprach Mira und Mara an. Und eine Woche später waren sie richtig gute Freunde. Das Mädchen hieß Pippi. Mira, Mara und Pippi hatten alle rote Haare, nur, dass Pippi geflochtene Zöpfe an den Seiten hatte. Schon bald merkten sie, wie unglaublich stark Pippi war. Sie konnte sogar ihr Pferd Kleiner Onkel in die Luft heben. Und Pippi beschützte Mira und Mara, wenn irgendwer ihnen was anhaben wollte. Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende. (Anna F08d) Es war einmal ein kleines hübsches Mädchen. Es wohnte mit ihrem Vater und ihrer Mutter in einem Wohnhaus auf dem Land. Ihre Eltern nannten sie Blümchen. Als Blümchen gerade auf der Blumenwiese hinter dem Haus sich entspannte, kam ihre Mutter und sagte, Blümchen, geh zu Großmutter. Sie ist schwerkrank. Bring ihr eine Flasche Wein. Du musst, wenn du zu Großmutter gehst, durch den Wald, pass gut auf dich auf, nimm dich vor dem bösen Bären in Acht. Und pflück noch einen Blumenstrauß. Dann brach Blümchen auf. Der Weg durch den Wald war harmlos. Doch dann kam eine braune Gestalt auf den Weg und fragte, wohin gehst du. Blümchen sagte, ich gehe zu Großmutter, aber ich glaube, du bist zu alt mir zu folgen. Und sie hüpfte aus dem Wald. (Annika F09d) Es war einmal ein schrecklicher Dieb in der Stadt. Er hatte 7 Messer und eine Pistole. Eines Nachts kam er aus seiner Höhle und wollte die Familie Saner ausrauben. Am nächsten Morgen hatten sich Jan und Leo so doll erschrocken, dass sie gleich die Polizei angerufen haben. Als sie da war, suchte sie die ganze Zeit, aber sie fand ihn nicht. Also hatten Jan und Leo besprochen, ihn selbst zu suchen. Am nächsten Morgen hatte Jan eine Idee, er hatte ein Loch in den Wald gegraben und dort drüber ein Wildschwein an einen Baum gehängt. Dann hat er Stöcke und Blätter über das Loch gelegt. Am nächsten Morgen kamen Jan und Leo zum Loch zurück und tatsächlich, im Loch lag der Dieb. Dann haben sie die Polizei angerufen und der Dieb war jetzt im Gefängnis. Das freute alle und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ende (Henrik F10d) Vor langer Zeit, in einem Land namens Afrika, da wurde ein Löwenbaby geboren, es hieß Leo. Leo wollte immer in die weite Welt, aber Leopold, der Vater wollte es nicht. Er sagte immer, nein, Leo, es ist zu gefährlich. Leo sagte immer, aber, wenn ich groß bin, dann darf ich da runter, oder. Ja, wenn du groß bist. (1 Jahr später.) Leo hielt es nicht mehr aus und ging aus seiner Höhle und ging in die weite Welt hinaus. (3 Jahre später.) Leo war inzwischen ein großer Löwe. Er hatte auch eine Frau namens Leoni und einen Sohn namens Lubo und eine Tochter namens Luba. Luba und Lubo waren Zwillinge. Nun kam die ganze Familie nach Hause. Leo sah nur seinen Vater matt auf dem Boden liegen. Leo rannte zu seinem Vater. Sein Vater sagte, du bist mein Nachfolger. Ich bin stolz auf dich, und Leopold starb. Leo erinnerte sich, was [s]ein Vater einst

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zu ihm gesagt hatte: Ich werde immer bei dir sein, wo ich auch immer bin. Leo und Leoni und Lubo und Luba übernahmen die Familie und alles war gut. ENDE (Diana F11d) Es war einmal ein Mädchen, das alle Rotkäppchen nannten, weil sie immer eine rote Kappe trägt. Sie war gerade bei ihrer Oma im Wald. Rotkäppchen aß gerade ein Stück Kuchen und danach ging sie nach Hause. Früh am Morgen stand sie auf und wollte Blumen pflücken. Plötzlich kam ein Wolf und sie erschrak. Ihre Mutter kam raus und sah den Wolf. Sie nahm Rotkäppchen an die Hand und rannte mit ihr rein. Die Mutter sagte, was machst du denn so ganz alleine draußen? Rotkäppchen antwortete nur mit Blumen pflücken. Die Mutter wurde zum Glück nicht sauer. Am Nachmittag gingen sie zu Oma und aßen wieder Kuchen. (Lilja F12m) Vor langer Zeit lebte ein Räuber in einem tiefen Wald in einer Holzhütte und machte sich gerade ein Essen und dieser Räuber hieß Räuber Hotzenplotz, er war grässlich. Guten Morgen, Lola und Tom, raus aus den Federn. Nein, sagte Tom. Tom ist eine ganz schöne Schlafmütze, dachte Lola. Lola war bereits schon aufgestanden. Komm steh auf, sagte Mama zu Tom. Na gut, sagte Tom, stand auf. Ich fragte meine Mutter, ob wir (Tom und ich) heute noch in den Wald gehen können. Tom sagte, oh ja, bitte. Na gut, sagte Mama. Ach ja, sagte Mama, Oma kommt heute noch, aber das hörten Tom und ich nicht mehr. Ich sagte, wollen wir Räuber Hotzenplotz ausspionieren. Diesen grässlichen Räuber, sagte Tom, lieber nicht. Doch, sagte Lola, komm mit. Aaaaa. Lola war in eine Grube gefallen. Lola, Lola, geht’s dir gut. Ja, bloß wie könnte ich hier wieder rauskommen. Warte, ich hole Mama. Ja, mach das, sagte Lola. Lola war jetzt ganz allein. Lola dachte, da kommt doch etwas, und plötzlich stand Räuber Hotzenplotz über ihr und nahm sie mit. Hilfe, rief sie, aber keiner hörte sie. Räuber Hotzenplotz war bei einer Hütte angelangt. Lola musste putzen. Plötzlich stürmte Tom mit Oma in die Hütte und Oma mit einer Bratpfanne und datschte dem Räuber eins auf die Birne. Der Räuber lag bewusstlos auf dem Boden. Komm, Lola, sagte Oma. Danke, Oma, sagte ich. Ende (Helen F13d) Das ist der Räuber Hotzenplotz. Und er klaut sehr gerne und viel. Und er wohnt in einem sehr tiefen Wald und der Polizei ist es noch nicht gelungen, ihn zu fangen. (Olga F14m) Hotzenplotz auf der Flucht Räuber Hotzenplotz stand hinter einer Mauer im Zoo. Er wollte nämlich ein Känguru stibitzen, damit er bei einer Flucht in den Beutel springen kann. Hotzenplotz tapste hinter der Mauer hervor und ging zum Kängurugehege. Aber er hatte gar nicht den Schlüssel dabei. Plötzlich sah er etwas Schimmerndes auf dem Kiesboden liegen. Es war der Schlüssel, da stand drauf Kängurugehege. Räuber Hotzenplotz schloss das Kängurugehege auf. Er konnte das Känguru /nur schwer/ daraus {zu} kriegen. Hotzenplotz sprang in den Kängurubeutel. Er hopste mit dem Känguru weg. Als Hotzenplotz weg war, kam der Zoowärter, er sah, dass das Känguru weg war. Er rief sofort Dimpfelmoser an. Dimpfelmoser kam und verfolgte Hotzenplotz. Als Dimpfel-

3. Texte zu Figuren

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moser näher an Räuber Hotzenplotz rankam, drehte sich Hotzenplotz und sah Dimpfelmoser. Dimpfelmoser kam näher und näher und Hotzenplotz tat das gleiche. Hinterher landete Räuber Hotzenplotz im Gefängnis. Ende (Johannes F15d) Einmal gab es ein Land, ein sehr friedliches Land, wo ganz viel Natur lebt und es gab auch einen Löwen und das war der König der Löwen, er hatte einen Sohn, doch die Mutter ist gestorben, dann blieb der Vater alleine mit seinem Sohn und der Sohn spielte, aber der Vater hatte Angst, dass sein Sohn zu den Hyänen geht, also hat er beschlossen, dass sein Sohn nicht mehr nach draußen geht, aber der Sohn tat nicht, was sein Vater wollte und es gab immer mehr Hyänen und einmal schlich der Sohn nach draußen und da hat er neue Freunde gefunden und sah Timon und Pumbaa und dann blieb der Sohn bei denen, bis er groß geworden ist, doch bald starb der Vater, aber der Sohn wusste nicht, dass sein Vater gestorben ist, aber dann hat es Timon erfahren, dass der Vater gestorben ist, aber er hat dem Sohn nichts gesagt und Pumbaa auch nicht, weil sonst, wenn der Sohn es nicht wüsste und Timon es gesagt hätte, dann würde Pumbaa es erzählen, weil sonst würde der Sohn dann traurig werden, weil er seinen Vater trotzdem liebte, aber bald musste doch Timon es sagen und bald hat er das gesagt und da war der Sohn ganz traurig, aber dann haben sie versucht, ihn aufzumuntern und es hat auch geholfen und dann war er wieder glücklich, Ende. (Silvia F16m) Hotzenplotz auf der Jagd Räuber Hotzenplotz lebte im wilden Wald in einer Höhle. Er ging auf die Jagd mit seinen sieben Dolchen, seinem Säbel und seiner Pistole. Da sah er einen Hirsch, der nahm aber sofort Reißaus. Da sah er Kaspar und Seppel und versteckte sich hinter einem Baum. Er bereitete sich vor. Er nahm seinen Dolch, aber dann waren Kaspar und Seppel weg. Er nahm die Verfolgung auf. Dann fiel er in eine Jägergrube, aber er fiel nicht so tief, wie er gedacht hat, nur sein Schienbein war im Boden, aber plötzlich wurde er runtergezogen und landete auf einem Boot. Darauf stand Titanic, aber Dimpfelmoser, Kaspar und Seppel standen darauf und Dimpfelmoser sagte: „Sie sind vorläufig festgenommen.“ Doch Hotzenplotz sagte: „Ich habe nichts getan.“ „Doch, Sie wollten Kaspar und Sepp fangen.“ „Nein, wollte ich gar nicht, ich war nur auf der Jagd, deshalb habe ich mich versteckt.“ „Kollegen herkommen, Räuber Hotzenplotz festnehmen.“ „Wir kommen.“ „Gut so.“ Aber Räuber Hotzenplotz lief weg. „Verfolgt ihn“, rief Dimpfelmoser. „Ok.“ „Super.“ „Wir haben ihn.“ „Nehmt ihm die Waffen ab.“ „Machen wir.“ „Gut so.“ „Er greift uns mit den Waffen an.“ „Ihr habt doch Pistolen.“ „Ja, ok.“ „Ich hole die Spezialeinheit.“ „Ok.“ „Sie ist schon auf dem Weg.“ „Super, er ist mit ihnen überwältigt.“ „Er springt ins Wasser.“ „Ich lasse Taucher holen.“ „Gut so.“ „Sie sind auf dem Weg.“ „Super.“ Aber er schwamm zu einem Motorboot und raste weg. „Vollen Kurs voraus“, rief Dimpfelmoser. „Sehr wohl“, riefen die anderen. Die Titanic holte auf, Räuber Hotzenplotz gab Gas. „Ihr kriegt mich nie“, rief Räuber Hotzenplotz und fuhr noch schneller. Aber da kam ein Polizeimotorboot und nahm die Verfolgung auf. „Wir kriegen ihn noch.“ „Niemals“, rief Hotzenplotz. „Doch, doch, wir kriegen dich.“ „Das bildet ihr euch ein.“ „Du bildest es dir selber ein.“ „Niemals bilde ich mir was ein.“ Da sprang er an Land und lief weg. „Haltet ihn.“ Er lief zu einem Auto und

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fuhr davon. Er raste über die Autobahn und stieg mitten auf der Autobahn aus. Die anderen hupten. Er lief wieder nach Hause. Er war in seiner Wohnung und plötzlich gab es ein Erdbeben. Er rannte aus dem Haus und rannte, bis er nicht mehr konnte und sah eine Höhle. Er kroch in die Höhle und übernachtete in der Höhle. Man fand ihn schlafend in der Höhle, aber er floh schon wieder und entwischte ihnen schon wieder und legte sich mitten im Wald schlafen, man fand ihn nicht. Nächsten Tag machte er reichlich Beute und lebte. Am nächsten Tag machte er noch mehr Beute und freute sich. Er ging auf die Jagd, schoss einen Hirsch und fünf Hasen und einen Igel beobachtet er. Dann fand man ihn und nahm ihn fest. Er büxte sofort wieder aus und am nächsten Tag machte er reichlich Beute und schoss einen Hirsch und fünf Hasen und wurde nie mehr. Er lebte glücklich und ist stolz auf sich, dass er alles so gut hingekriegt hat. Aber Kaspar und Seppel haben ihn gesehen und berichteten Dimpfelmoser. Dann wurde er festgenommen und konnte nicht mehr ausbrechen. Ende (Niko F17d) Spinnenmann, der schlechteste Superheld der Welt. Spinnenmann lebte in einem abgelegenen Haus in der Heide. Er rief gerade, Kommando goo, Leute. Nichts passierte. Er hatte keine Gehilfen, sondern wohnt allein, er war immer besoffen und hatte einen Freund, der hieß Kong-Ching. Und war sein bester Freund. Er rief wie immer, die Feinde kommen, goo schneller, und trank immer Alkohol, sie waren die schlechtesten Superhelden der Welt. Der Einbruch war eine Leichtigkeit für sie, hört selbst. Komm in das Haus, sagte Kong-Ching zu Spinnenmann. Sie klingelten an der Tür und liefen weg, das war der Einbruch für sie. Ihr denkt bestimmt, die sind nur dumm und faul, aber ……………………………………………………………………. aber das waren sie ja auch. Sie waren dumm und faul, das muss man sagen. Ich muss noch mehr von Kong-Ching und Spinnenmann /erzählen/. Eigentlich gibt es nicht viel zu erzählen, weil sie {sind} nur dumm und faul [sind] und die schlechtesten Superhelden der Welt eben. (Hans F18d) Es war einmal ein Räuber. Der hieß Hotzenplotz, er hieß Räuber Hotzenplotz. Obwohl Oberwachtmeister Dimpfelmoser Räuber Hotzenplotz schon mehrmals ins Gefängnis gesteckt hat, ist der Räuber immer und immer wieder ausgebüxt. Räuber Hotzenplotz lebte im Wald, dort hatte er eine kleine Hütte. Kasper und Seppel sind gute Freunde, sie gehen oft im Wald, nur sie bedachten nicht, dass Räuber Hotzenplotz dort wohnt. Räuber Hotzenplotz versucht, Kasper und Seppel zu fangen, aber er hat es noch nie geschafft. Ende (Micha F19d) Die zwei Schurken Peter Parker ging in eine normale High School, dort wurde er als Nerd bezeichnet. Doch eines Tages wurde er von einer radioaktiven Spinne gebissen. Sie verlieh ihm Superkräfte. Er bemerkte, dass er auf Hochhäuser springen konnte. Und er bemerkte auch, dass er sich wie eine Spinne verhielt. Er konnte sogar Wände hochklettern. Nun spulen wir ein bisschen vor, diiiet. Und jetzt sind wir im Jahre 2014. Spider Man (Peter Parker) steht vor dem stärksten Schurken der Welt. Es ist Absorbing Man. Er kann irgendeinen Gegenstand berühren. Und er ist der Gegenstand, aber er ist immer noch die Gestalt eines Menschen. Der Kampf beginnt. Spider Man sagt: „Du Klobswandler.“ Und er schießt Spinnenweben ab, sie treffen Absorbing Man mitten in die Brust. Absorbing Man schreit: „Du Mistkäfer.“ Und er greift nach einem Stromkabel, er

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schießt. Spider Man kann noch in letzter Sekunde ausweichen und er schießt sein Torpedoweben ab. Das trifft Absorbing Man so hart, dass er gefangen ist. Spider Man ruft die Polizei. Es dauert nicht lange, da kommt sie. Die Polizei hebt mit einem Helikopter Absorbing Man hoch. Spider Man will gerade gehen, da hört er ein Hissss, Spider Man dreht sich ruckartig um, da sieht er Skorpion. Skorpion brüllt: „Ahhhh.“ Spider Man sagt: „Du Brüllerchen denkst, dass du eine Chance gegen mich hast.“ Skorpion schießt sein Gift ab. Spider Man wird am linken Arm getroffen. Ah, schreit er und er schießt die Spinnenweben ab, sie treffen Skorpion und sie lenken Skorpion ab. Da kommt Professor Shy. Spider Man ruft: „Professor Shy, was machen Sie hier.“ Shy sagt: „Na, Skorpions Gebrülle kann man doch nicht überhören. Lenke ihn weiter ab.“ Und Shy holt eine kleine Spritze raus, die Flüssigkeit war grün-lila. Shy ging näher ran und spritzte in den Arm. Skorpion verdrehte die Augen und fiel zu Boden. Jaaaaa!, schrien alle, der Feind ist besiegt. ENDE Autor: Spider-Man Texte: Spider-Man (Luke F20m) Klasse B Die Flucht Eines Tages ging Pirat Nugat auf die Jagd. Er ging in einen Wald, es raschelt im Gebüsch. Und es knirschte oben im Baum und es machte Bum. Dann rannte Nugat aus dem Wald. Er rannte zu seinem Schiff. Aber es war nicht da. Er dachte nach, das muss doch Fliegenscheiße gewesen sein. Pirat Nugat ging abends zu den Bösen. Er ging auf das Schiff. Und flieht. (Lennart F21d) Eines Tages war ein Superheld namens Spiderman in der Stadt. Er beschützte die Stadt vor dem Bösen. Eines Tages kam ein Schurke in die Stadt. Er klaute das ganze Geld aus der Bank. Er hat einen Fernseher geklaut und rief: „Eine Glotze, eine Glotze, eine Glotze frisch geklaut.“ | Eines Tages schwamm Arielle im Meer. Sie sah eine verletzte Babyschildkröte. Sie schwamm an den Boden des Meeres. Arielle sagte: „Hast du dir weh getan?“ Er sagte: „Ja. Ich habe mir meinen Arm gebrochen!“ Arielle sagte: „Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?“ Er sagte: „Ja.“ | An einem wunderschönen Tag ging der Löwenvater und das Löwenkind nach draußen. Das Kind fragte: „Spielst du mit mir, Papa?“ Der Vater sagte: „Nein, ich habe keine Zeit.“ Das Kind sagte: „Wie schade, du hast ja nie Zeit für mich.“ Am nächsten Tag fragte er wieder, wollen wir spielen? Der Vater sagte, nein, ich habe keine Zeit.  Am nächsten Morgen fragte er wieder, spielen wir. Diesmal sagte er ja  und alle waren glücklich. | Eines Tages stand Pippi Langstrumpf auf. Es war ein schöner sonniger Tag. Als sie in den Garten ging, sah sie, wie ein kleiner Vogel herumzwitscherte. Pippipppipppip, zwitscherte er. Plötzlich hat es Ratsch gemacht.  Pippi Langstrumpf ging zu dem Baum. Da sah sie, wie der Vogel gegen den Baum geflogen ist, jetzt war er tot!!!  Ende | Eines Tages ging Rotkäppchen in den Wald. Ihre Oma war schon sehr alt und konnte nicht laufen, deswegen brachte Rotkäppchen jeden Tag ihrer Oma Essen und Trinken vorbei. Eines Tages ging Rotkäppchen in den Wald zu ihrer Oma und brachte ihr Essen und Trinken. Ende (Mina F22d) König der Löwen 4 \Überschrift\ Klara und Kufo kriegen ein Baby. Und werden angegriffen. Klara und Kufo dürfen endlich zusammen sein. Und nach 1 Woche kriegen sie ein Baby, das Roku heißt. Alle Tiere kommen, um ihn zu bewundern, und dann findet

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eine riesengroße Feier statt. Auf einmal verstimmen alle, weil Kakarea mit ihren Freunden kommt, alle Tiere laufen um ihr Leben, nämlich {ist} sie [ist] die Schrecklichste im Land. Kufo drückt auf einen Knopf und dann saust eine Wand runter. Jetzt kann sie nicht mehr rein. Sie können aber raus, durch einen Hintereingang. Jetzt müssen sie die Kakarea verscheuchen, als sie fertig waren, ging[en] sie ins Bett. Roku ist weg. Als Roku 10 Jahre alt war, war er eines Morgens weg. Mit seiner Freundin Krafoi. Kufo rastete aus und er suchte seinen Sohn und seine Freundin. Als er sie in Kakarea-Land sah, lief er auf sie zu. Als er angekommen war, nahm er die beiden und lief weg. Kakarea kam gerade aus der Höhle. Sie hatten noch Glück gehabt. Kakarea hat uns nicht gesehen! Kufo rief, Zazu, geh mit Krafoi nach Hause. Warum hast du das gemacht? Kakarea konnte dich sehen und dann hätte sie dich getötet. Das ist gefährlich gewesen. Mach das nicht nochmal! Ok. Wir müssen nach Hause, los komm. Angriff von Kakarea Als sie zu Hause waren, waren alle weg. Kufo sah Kakarea. Kufo, dir gehört das Land nicht mehr. Kufo und Roku rannten um ihr Leben. Dahinten waren die anderen Löwen. Wir müssen uns einen Platz finden, wo wir leben sollen. Dahinten ist eine Höhle, darin können wir leben. Kufo geht los und will Kakarea angreifen. Als er unter der Schutzmauer ist, saust sie runter. Er konnte gerade noch schreien. Die anderen hörten das und liefen hin. Als Roku seinen Vater sah, rannte er weg mit seinen Freunden Timon und Pumbaa in den Dschungel. Seine Mutter rief, halt, bleib stehen, bitte. Aber er hörte schon nichts mehr. Pumbaa und Timon fragten ihn, warum er weggegangen war. Weil ich einen Vater haben will. Roku fragt, warum seid ihr mir nachgegangen? Weil wir deine Freunde sind. Ja, Pumbaa und Timon. Als er groß und erwachsen war, griff Pumbaa einen Löwen an{gegriffen}. (Rafael F23d) Straier sucht eine Frau Kapitän Straier war sehr berühmt und reich, aber hatte keine Frau. Er sucht 10 Jahre nach einer Frau. Aber hat keine Frau gefunden. Kapitän Straier wohnt in Hamburg. Und Kapitän Straier hat ein großes Schiff. Straier fuhr jetzt nach Polen. Straier fuhr 11 Stunden. Nach 11 Stunden war er endlich da. Dann ging Straier raus und fand eine Frau. Ende (Toni F24m) Spider-Man Es war ein Junge, der wurde von einer Spinne gebissen. Und so wurde er Spider-Man. Er musste gegen den bösen Spider-Man kämpfen. Der böse Spider-Man hätte ihn fast besiegt, aber er hatte einen Trick. Er nimmt sein Spinnennetz und macht eine Falle und hat gewonnen. (Kendrik F25d) Spiderman Eines Tages sind die Bösen zurückgekehrt. Und Spiderman musste gegen die Bösen kämpfen, das war der Sandmann. Und Spiderman hat gewonnen. Und der nächste war der schwarze Spiderman. Und der rote Spiderman hat ihn besiegt. Und Spidermans Freund ist gestorben. | Arielle Es war eine Meerjungfrau. Sie hieß Arielle und lebte unter Wasser. Sie schwamm herum. Und lachte. Dann war ein Netz da und ein Hai. Und dann ist sie weggeschwommen. Und gar keiner hat sie wiedergefunden. | Pippi Langstrumpf Es war ein Mensch. Er war Pippi Langstrumpfs Vater. Und er war ein Pirat. Und Pippi Langstrumpf hat nur Blödsinn gemacht. Und dann hat sie Streiche gespielt. Und lachte hahahahahaha. | Räuber Hotz und Klops Einmal war ein Pirat. Da hat der Pirat seinen Freund gefragt, ob er mit ein Pirat sein möchte. Da hat er ja gesagt. Da

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haben die gegen andere Piraten gekämpft. Und haben gewonnen. Und dann gegen den Nächsten haben sie verloren. Und sind gestorben. | Der König der Tiere Es war einmal ein Löwe, er war böse. Und wollte den Babyprinz umbringen. Aber der König hat den Bösen angegriffen. Und hat sein Baby in Sicherheit gebracht. Dann hat der König den bösen Löwen verbannt. Und da gab es Krieg. Alle Löwen, die böse waren, sind gestorben. (Senad F26m) Pippi Langstrumpf und der Räuber Hotzenplotz Als Pippi heute spazieren ging, sah sie komischerweise eine Höhle, die da sonst noch nie war. Trotzdem wollte sie da reingehen. Nun ging sie in die Höhle und sah Räuber Hotzenplotz in einem grellen Zimmer. Nur als Vogel. Pippi hatte schon viel von Räuber Hotzenplotz gehört. Ihr Vater hat es ihr erzählt, wie er von Petrosilius Zwackelmann, seinem alten Freund, in einen Vogel verwandelt wurde. Der arme Hotzenplotz, dachte Pippi. Aber was war das? Da hing ja ein Zettel an der Käfigtür. Sie guckte, was auf dem Zettel zu sehen war. Es ist eine Zeichnung von seltenen Wurzeln, die auf einer Bergspitze wachsen. Und es war auf dem Zettel zu sehen, dass er von den Wurzeln wieder zu einem Menschen werden kann. „Toll“, schrie Pippi. Und machte sich auf den Weg zum großen Berg. Sie war schon oft auf dem Berg [gewesen], nur noch nicht ganz auf der Spitze. Also stieg sie den Berg hoch. Bis sie angekommen ist, wollte sie sich noch ein bisschen ausruhen an einem wunderschönen Wasserfall. Kein Fall. Ehrlich gesagt floss der Wasserfall stromaufwärts. Ganz oben, wo der Wasserfall aufhörte, war die Bergspitze. Sie sprang in den Fluss und wurde vom Wasserfall auf die Bergspitze geströmt. Endlich konnte sie sich die Wurzeln schnappen, die sie brauchte, um Räuber Hotzenplotz in einen Menschen zu verwandeln. Neben dem komischen Wasserfall ist auch ein richtiger. Nun sprang sie in den normalen Fluss und wurde jetzt an den Anfang vom Berg gespült. Als sie wieder in der Höhle angekommen war, verwandelte sie ihn zurück in einen Menschen. Endlich bin ich wieder ein Räuber, ein richtiger Räuber. Als er Pippi sah, sagte er: „Vielen Dank.“ Er wollte sich mit einem Schuss aus der Pfefferpistole bedanken. Aber da war sie schon lange weg, sie wollte keinen Pfeffer in die Nase bekommen. (Heike F27d) Der kleine Löwe Es lebte ein kleiner Löwe, er hatte keine Eltern, er war traurig, aber er hatte viele Freunde. Eines Tages in der Nacht ging der kleine Löwe spazieren. Auf einmal war er in einem gruseligen Wald. Da traf er einen Löwen. Der kleine Löwe sagt, wer bist du. Er sagte, ich bin dein Vater. Wirklich. Ja. Ich hab‘ dich gar nicht wiedererkannt, sagte der kleine Löwe. Der kleine Löwe schrie Jääääääär, und da spielten sie lange und zufrieden. | Der traurige Pirat Es lebte einmal ein trauriger Pirat. Er hatte keine Wohnung, aber er darf bei seinen Eltern schlafen und er kriegt jeden Tag Geld, pro Tag 20 €, weil sie ihm auch helfen wollen. Insgesamt hat er 2 000 000 000 Mio. (Till F28d) Rotkäppchen & der liebe Wolf Als eines Tages Rotkäppchen zu ihrer Großmutter ging, sagte sie immer wieder vor sich hin, ich geh zur Großmutter. Da traf sie den Wolf. Der Wolf fragte: Soll ich dir etwas abnehmen? Ja, gerne. & so ging das noch viele Tage & Jahre & wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ende | Pippi & die Geister Als ich, Pippi, auf… Entschuldigt, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Ich bin

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Pippi Viktualia Pfefferminza Efraims Tochter Langstrumpf! Naja, jetzt zu unserer Geschichte. Als ich, Pippi, auf dem Dachboden mit Tommy & Annika übernachten wollte, machten wir erst eine Kissenschlacht & dann haben wir Verstecken gespielt und dann geschah es. Annika war dran mit Suchen & sie guckte hinter einen Schrank, in einen Schrank & in eine Kiste. Als sie die Kiste öffnet, war da ein Geist. Pippi sagte hallo & Annika schrie nur & Tommy sagte okay und war überrascht. Der Geist sagte bis dann & flog einfach weg. Ende | Der Räuber Als der Räuber eines Tages rausging, sah er einen Mann, der kocht. Er fragte den Mann, darf ich auch mal? Der Mann sagte ja & der Räuber versaute die Suppe. | Der kleine König Der König war klein. Er wuchs schnell voran & er verliebte sich in eine wunderschöne Frau. Ende | Der Riese Als Spiderman eines Tages nach draußen ging, sah er einen Riesen. Ende | Arielle & der Traumprinz Als Arielle einmal nach den Fischen tauchte, sah sie einen zuckersüßen Meermann & der Meermann fragte sie, möchtest du meine Frau sein. Ja, sagte Arielle & die beiden wurden die besten Freunde. Ende (Nelly F29d) Ab in die Wildnis Es war einmal… ein kleiner Löwe namens „Simba“. Er lebte mit seinem Vater in einem kleinen Zoo am Stadtrand. Eigentlich sollte er ja glücklich sein, da er vor Gefahren geschützt war und jeden Tag eine Riesenportion Futter bekam – aber nein. Simba wollte nicht behütet werden, er wollte nicht hinter Gitter sitzen und die große weite Welt nur auf dem Poster am Affengehege sehen. Er wollte auch nicht ganz viel Essen in sich reinstopfen, bis er dick und fett wurde. Deshalb plante er seit ungefähr 6 Monden auszubrechen. Aber heute Nacht würde er es durchführen. Am 28. Mond seines Lebens. Es wurde Nacht und er sprang los. Er hatte alles geplant: Springen, hochziehen, laufen, fliehen! Springen, hochziehen, laufen, fliehen! Geschafft! „Simba!“ Oh nein! Sein Vater! „Simba, ich komme mit dir!“ „Wirklich, Vater?“, rief Simba erfreut. „Cool!“ Da rief er: „Ich wette, ich bin der Schnellste!“ „Warte!” Und sie liefen in die Wildnis, in ihr neues Zuhause. Ende (Paula F30d) Räuber Hotzenklop!!!! Es war einmal ein Räuber, jeder nannte ihn Klop, er hatte viele Messer und eine Pistole. Eines Tages ging er in den Wald. Er sah einen Vogel und schoss ihn tot, aber der Vogel fiel nicht herunter, sondern in sein Nest. Was sollte er nur machen? Seine Bande würde ihn umbringen. Es war doch ein Befehl vom Chef, sagte er zu sich selbst. Da sah er einen Raben. Er erschoss ihn und nahm den armen Raben mit. Danach überfällt er eine Bank, das fand er lustig. Da kam die Polizei. Er sagte: „Geld her.“ Aber Klop hatte einen Trick. Er steckte das Geld in seine Hosentaschen. Da findet das Geld die Polizei nie. Das war eine gute Idee, dachte sich Klop. Als aber der Wachhund seine Hose zerriss und das Geld lag auf dem Boden, die Polizei strahlte vor Freude, noch nie haben sie so viel Geld gesehen. Sie nahmen das Geld und waren glücklich. Klop rief laut: „Und was ist mit meiner Hose???“ Jeder lachte laut. Da lag noch ein 20 € Schein. Er nahm es und kaufte sich eine Hose. In Wirklichkeit war Klop gar nicht böse. Er war gefangen von seinem Chef. Jeder in New York wusste das. Sie verstanden ihn nicht, wenn er schon frei rumläuft, er konnte ganz leicht weglaufen, aber er machte es nicht. Er hatte ein Armband um, was nie abgehen wird. Jeder sagte, darf ich dir das abmachen. Eines Tages sagte Klop ja. Er war frei und hatte viel Geld verdient. Er hatte

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ganz viele Freunde gefunden. Er gab den Armen Geld und Essen. Er war sehr lieb. Ende (Alea F31d) An einem wunderschönen Tag saß der alte Löwe neben der großen Eiche. Sein Name war Solus und er wünschte sich nichts mehr als eine Familie. Am Abend sah er eine wunderschöne Löwendame, die fröhlich in der Musik tanzte. „Hm, wie kann ich die Dame bloß beeindrucken?“ Wie er noch überlegte, kam die Löwendame auch schon angetanzt. „Wer bist du?“, fragte sie. Stotternd antwortete er: „Mein N-n-name ist Solus! Un-und was ist euer verehrter Name?“ „Oh, wenn du schon so fragst, ups! Wenn Sie….“ „Ach, ach, dutz mich ruhig!“, meinte er fröhlich. Und sie lernten sich besser kennen und mochten sich sehr, sehr gerne. „Nun, wir kennen uns schon soo lange, aber wie heißt du?“ Die Dame senkte den Blick und sagte: „Ich habe keinen!“ Der Löwe sagte: „Pfauenauge! Ich nenne dich Pfauenauge, weil du so schön bist.“ Sie bekamen ein Kind und nannten es Tander. Eines Tages. „Mama, Papa, ich will in die Welt! Die Schlangen haben mir davon erzählt!“ „Der Dschungel ist sicherer, wir müssen nicht we…“ „Aber ich will!“, unterbrach Tander seinen Vater. Da kam Pfauenauge, die Mami, aus der Höhle. „Maaamaa! Ich will raus aus dem Dschungel.“ „Aber wir haben es doch gut hier und brauchen nichts!“ „Nichts?“, wiederholte er. „Mir ist sooo langweilig!“ Wütend warf er einen Stein weg. Plötzlich schrie jemand auf. „Aua!“ „Du Idiot, fast hätten wir den Löwen gehabt!“ „Oh nein, Wilderer!“, rief Solus! „Weg hier!“, schrie Pfauenauge. (Noema F32d) König der Löwen 3 Mufasa und Simba Es lebte einmal ein Löwe, er hieß Mufasa. Er hatte einen Sohn, der hieß Simba. Sie spielten jeden Tag zusammen jagen oder kämpfen. Jeden Tag eine andere Variante. Manchmal gingen die beiden in den Wald oder begegneten Pumbaa und Timon. Sie hatten jeden Tag jemanden, mit dem sie spielen konnten. Eines Tages wachte Simba ohne Mufasa auf. Seine Mutter leckte ihm den Kopf ab. Simba guckte sich ängstlich um. „Mama, wo ist Papa?“, fragte Simba. „Das weiß ich doch nicht. Woher soll ich das denn wissen, er hat mir nur gesagt, dass er auf die Jagd geht.“ „Er hätte mich mitnehmen sollen!“, ruft Simba übermütig. Plötzlich hörten sie ein Brüllen! Mufasa war in eine Falle von Wilderern gefallen. Simba galoppierte gleich dem Gebrüll entgegen. Da hing Mufasa nun an einem Baum. Simba krallte sich an dem Netz fest. Er biss das Netz auf und Mufasa war frei. Simba und Mufasa waren überglücklich. Simba durfte auf Mufasas Rücken steigen und Mufasa galoppierte los. Zu Hause angekommen, wurden sie von den Tieren begrüßt. Ende | Arielle, die Meerjungfrau Tief unten im Meer, wo wir es gar nicht glauben, liegt ein Reich, ein Reich unter den Wassern. Dort gibt es tausende Wunder, die wir nicht glauben. Arielle ließ sich verträumt durchs Wasser treiben. (Lina F33d) Rotkäppchen Tief im dunklen Märchenwald lebte ein wunderschönes Mädchen mit dem Namen Rotkäppchen. Ihr Name ist wegen dem schönen roten Käppchen, das ihre Oma für sie gestrickt hat und jetzt eine schöne Kurzgeschichte von Rotkäppchen: Eines Tages, als Rotkäppchen nach draußen gehen wollte, um im Garten zu spielen, hörte sie ein lautes Rascheln und Rascheln aus dem Baum und Rotkäppchen kam langsam näher

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und aus dem Baum sprang ein Hase raus und sein Fell war so weiß wie Schnee, vielleicht aber auch heller, ich weiß es nicht, denn ich war ja nicht live dabei, um zu sehen, wie weiß seine Haut war. Aber Rotkäppchen nahm es sofort mit ins Haus und strickte ein weinrotes Käppchen für den Hasen und weil das so gut zu ihm stand, nannte sie es Weißkäppchen. Ende | Pippi Langstrumpf In einer großen Stadt lebte Pippi Langstrumpf. Im alten Haus mit Kleiner Onkel und Herr Nilsson, Kleiner Onkel ist ein Pferd und Herr Nilsson ist ein kleiner Affe. Pippi ist sehr abenteuerlustig, sie hat Gauner, Pferde und Affen als Freunde und jetzt ein kurzes Abenteuer von Pippi! Eines Tages ging Pippi Langstrumpf in den Wald mit Herrn Nilsson und war so glücklich. Aber dann fielen sie in {dem} [das] Fallenlabyrinth und dann war Köpfchen gedacht! Die erste Frage war: „Wer seid [ihr?]“ Pippi gefiel die Frage und [sie] sagt mit lustiger Stimme: „Dein Klon!“, und hat sich schlapp gelacht. Aber es wurde akzeptiert und sie gingen 10 Schritte. Die nächste Frage war: „Was willst du hier?“ Pippi sagte: „Rausfinden“, und dann ging es weiter und diesmal 20 Schritte und dann kam die nächste Frage: „Von wo kommst du?“ Pippi sagte mit lustiger Stimme: „Von mir zu Hause, wo sonst?“, und dann durfte sie 100 Schritte gehen und dann war sie durch. Ende (Keona F34m) Eine kleine Prinzessin, sie lebte im Ozean. Sie war eine ganz hübsche Meerjungfrau. Sie hatte 6 Geschwister und davon ist sie die jüngste. Wenn ihr Papa Triton nicht mehr im Ozean regiert, wird sie Königin des Ozeans und darauf freut sie sich besonders. Und so begann die Geschichte: Eines Tages schwamm Arielle in den Palast des König Triton, um sich krönen zu lassen. Sie schwamm und schwamm, bis sie den Palast erreichte. Arielle schwamm in den Saal, wo alle Freunde und Mitbewohner auf sie warteten. Sogar Fabius ist da! Arielle setzte sich auf den Thron. Ihr Vater Triton wollte ihr gerade die Krone auf den Kopf legen, als plötzlich das Licht ausging und lila Lichter auftauchten, sie kamen immer näher und näher bis Arielles Augen wehtaten. Die Lichter nahmen ihr die Krone weg und verschwanden. Sebastian, der Krebs, machte sofort das Licht an. Als König Triton sah, dass die Krone weg war, war er äußerst wütend. So war die Zeremonie beendet, und alle schwammen nach Hause. Arielle hatte sich so darauf gefreut und jetzt alles umsonst. Fabian schwamm zu Arielle und sagte: „Sei nicht traurig, ich helfe dir, deine Krone wieder zu bekommen.“ So schwammen sie los. Sie fragten überall nach, ob sie eine Krone hätten und ob sie lila Lichter hätten, aber sie bekamen immer ein „Nein“. So schwammen sie zum letzten Haus der Hexe Ursula. Die beiden schwammen leise hinein. Ursula machte gerade einen Zaubertrank. Und daneben war Arielles Krone! Sie guckten überall nach Möglichkeiten, an die Krone heran zu kommen, ohne dass Ursula sie sieht. Aber auf einmal ging es ganz einfach, Ursula ging in ihr Zimmer ohne die Krone! Super Gelegenheit, um die Krone zu schnappen. Sie nahmen sich die Krone und schwammen sofort zum Palast. Als König Triton die Krone sah, war er erstaunt: „Wo habt ihr die Krone gefunden?“ Arielle antwortete: „Bei der Hexe Ursula!“ Triton machte ein komisches Gesicht und ging in den Saal, um die Zeremonie nochmal zu beginnen. König Triton krönte Arielle. ENDE (Kalea F35m) Räuber Kozenplotz Räuber Hotzenplotz war gerade im Wald. Er sah zwei Kinder, er dachte: „Da kann ich bestimmt was rauben.“ Er ging näher heran, aber da sah er, dass

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die Kinder gar nicht mehr da waren. Aber was war das, ein Netz fiel von dem Baum herunter, wo Räuber Hotzenplotz war. Und die Kinder standen auch auf dem Baum. Da schleiften sie den Räuber über den Boden bis zur Polizei. Die wollte ihnen erst gar nicht glauben, aber als sie den Räuber herein schleiften, glaubten sie es ihnen. Da sagte der Polizist, du Kozenplotz. Ende (Bolko F36d) Das Rumpeln Mufasa Skar böse Simba Vor langer Zeit lebte ein Reich, das Reich der Löwen. Im Reich der Löwen lebte ein kleiner besonderer Löwe, er hieß Simba und sein Vater hieß Mufasa. Simba war ein sehr frecher kleiner Löwe. Einmal als sein Vater noch müde war, spielte er Gespenst und erschreckte ihn. Sein Vater erschrak, doch dann lachte er und sagte: „Man, habe ich mich erschrocken, aber warum hast du das gemacht?“ „Na, weil es lustig ist“, sagte der kleine Löwe. Genau so ist es. Es vergingen 3 Jahre. Simba wurde älter. Er ist jetzt schon 8 Jahre alt. Aber Streiche spielt er immer noch. Doch eines Tages passierte etwas sehr Schlimmes. Plötzlich rumpelte die Erde. Alle Löwen brüllten außer Simba, er konnte noch nicht so laut brüllen. Doch da hörte das Gerumpel schon wieder auf. Alle Löwen waren noch unruhig. Nur Simba wollte der Sache auf den Grund gehen. Dann hielt er sein Ohr an den Boden, er hörte immer noch das Gerumpel, es war aber leiser als vorhin. Dann sagte er zu seinem Vater: „Ich gehe zum großen Berg.“ Da rumpelte es fast immer. Doch heute war das Gerumpel noch viel lauter als sonst. Simba überlegte, da fiel ihm ein, dass hinter dem Berg eine weise und alte Schildkröte wohnt. Simba macht sich auf den Weg. Als er ankam, lag die Schildkröte in der Sonne. Simba ging zu ihr und sagte: „Hey, Schildkröte, kannst du mir bei einem Problem helfen?“ „Natürlich“, antwortet die Schildkröte. Dann erzählte er die ganze Geschichte. Als es fertig war, sagte sie: „Ich glaube, ich weiß, woher das Gerumpel kommt. Nicht weit von hier wohnt doch das Nashorn, das macht manchmal Spießübungen.“ Und so wusste Simba endlich, woher das Rumpeln kommt. (Helle F37d) \Kleiner Onkel Pferd, Herr Nielsson Affe, Pippi Schauspieler\ Der Spunk Früh am Morgen steht Pippi auf und macht das Frühstück fertig für Kleiner Onkel, Herrn Nilsson und für mich. Kleiner Onkel kriegt Äpfel und Möhren. Herr Nilsson kriegt Tee. Pippi kriegt Sahnetorte. Nach dem Geschirr abspülen, findet Pippi ein Ding und Pippi erfindet einen Namen. Vielleicht Lolo oder Lala oder Spunk, ja, Spunk. Spunk ist ein guter Name. In der Stadt war Pippi vor der Haustür von Frau Roselinchen. Sie klingelt. Frau Roselinchen macht auf. Jedes Mal kriegt Pippi einen Beutel voller Süßigkeiten! (Eda-Nur F39m) Kasperl und Seppel finden Räuber Hotzenplotz! „Dum del die dundll da!“, sang Großmutter in der Küche. „Heute werden die Würste den beiden gut schmecken und auch das Sauerkraut. Jetzt müssen sie gleich kommen! Ach, da kommen sie“, sagte Großmutter hektisch. „Rumpel, pumpel, da kommen sie, aber wieso laut? Oh, das Sauerkraut, es dampft. Ich muss meine Brille abnehmen.“ „Hallo, Großmutter!“ „Herr Dimpfelmoser, schön Sie zu sehen.“ „Ich bin nicht Dimpfelmoser.“ „Doch, kein anderer Mensch trägt noch einen roten Rock mit schwarzem Gürtel und auch schwarzem Hemd!“ „Setzen Sie doch Ihre Brille auf“, sagte die dunkle Stimme. „Ja, wirklich, Sie sind nicht der Dimpfelmoser, sondern der …“, sagte Großmutter. „Plumps, da lag sie, schade um die Würstchen und das Sauerkraut, aber gut für mich. Alles in die Tasche

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und weg hier“, rief Räuber Hotzenplotz und rannte aus dem Haus. Ein paar Minuten später gingen Kasperl und Seppel am Spritzenhaus vorbei und hörten eine Stimme rufen: „Hilfe, Hilfe, oh, Hilfe doch.“ Kasperl und Seppel liefen weiter in Richtung Spritzenhaus und dachten, Räuber Hotzenplotz sitze noch drin. Sie wollten ihn etwas ärgern und liefen darum zum Fenster, um ihn zu sehen. Als sie ankamen, sahen sie ihn nicht. Sie sagten aber: „Hotzenplotz, der Eierkopf, Hotzenplotz, der Eierkopf“, und rannten weg, doch als sie in Richtung Haus rannten, sahen sie Hotzenplotz im Garten sitzen, sie schlichen sich an und packten ihn und brachten ihn ins Gefängnis und alle feierten Kasperl und Seppel! | Hotzenplotz kocht „Bin ich fertig?“ „Nein, noch etwas Pfeffer.“ „Okay.“ „Fertig.“ Räuber Hotzenplotz muss für Großmutter etwas kochen und wir müssen ihn festhalten, na wunderbar. Doch plötzlich: „Bum, Bum, Bum.“ Er ist weg. Wo ist er und wie ist es passiert, er hat geschossen und… ach, da ist er ja, im Garten, er liegt im Pool und schläft. Ende | Pippi feiert Geburtstag! „Happy birthday, Pippi!“ „Danke, toll, dass ihr gekommen seid!“ „Ja, aber auch danke für die Einladung und hier, dein Geschenk!“ „Oh, wie schön, eine Spardose! Mit Bonbons. Danke, aber für euch habe ich auch was, ein Ball für dich und eine Flöte für dich.“ „Danke“, sagen Tommy und Annika. „Aber jetzt müssen wir feiern, als erstes Kuchen essen.“ „Ja, ich, wir sind alle satt, oder!“ „Ja, schon Und jetzt spielen wir viele schöne Spiele.“ So feierten sie bis in die Nacht, um 12 Uhr gingen alle nach Hause. (Lola F40d) Spider-Man Spider-Man ist in Wahrheit nur ein echter Junge. Spider-Man rettet Menschen und kämpft gegen das Böse. Eines Tages als er gerade gegen einen Schurken kämpft, hört er einen Hilferuf. Spider-Man springt sofort zu dem Hilferuf. Aber das war eine Falle, denn zwei der bösesten Roboter von dem Erzfeind von Spider-Man stehen vor ihm und jetzt kommt auch noch der Roboter von eben. Spider-Man muss sich sehr schnell was ausdenken, um die drei Roboter auszutricksen. Als einer der zwei nebeneinanderstehenden Roboter einen Feuerball auf Spider-Man schießt, springt er sehr schnell hoch, sodass der Feuerball den Roboter hinter ihm trifft. Der Roboter hinter ihm wirft zurück und so braucht Spider-Man nur noch den einen Roboter besiegen. Aber die beiden anderen Roboter sind nicht nur kurz miteinander beschäftigt wie Spider-Man es gedacht hat. Die beiden anderen Roboter erledigen sich selbst. Also hat Spider-Man mal wieder gesiegt. (Kai F41d) Spiderman Eines Tages wurde eine Bank überfallen. Die Räuber flüchteten in ihrem Auto, aber die Reifen waren mit Spinnennetzen umspannt. Der Wagen schlitterte direkt ins Polizeirevier rein, die Räuber wurden verhaftet. Der Mensch, der die Netze gesponnen hatte, wurde nicht erkannt. Aber die Menschen hatten gesehen, dass er rot gekleidet war. So ging das immer weiter, immer der gleiche Mensch spann die Netze. Eines fröhlichen Tages, als der Bürgermeister auf seinen Schreibtisch sah, lag da ein Zettel: „Ich bin Spiderman“, stand darauf. Der Bürgermeister sagte das bei der nächsten Bürgerversammlung. Ende (Björn F42d)

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Klasse C Es war einmal ein Räuber, der hieß Hotzenplotz. Er war sehr bekannt und er wurde überall gesucht. Eines Tages war es sehr warm. Räuber Hotzenplotz lag ruhig in der Sonne auf einem grasbewachsenen Hügel. Doch eins war sehr blöd, ihm war langweilig. In letzter Zeit war nicht so viel los, wo er Angst und Schrecken verbreiten konnte. Plötzlich fiel ihm ein, dass ein kleiner Tante-Emma-Laden noch aufhatte, dort konnte er viel erbeuten. Schnell rannte Räuber Hotzenplotz dort hin. Dort angekommen zückte er seine Pistole und sagte: „Hände hoch oder es knallt!“ Alle hoben die Hände. Dann ging Räuber Hotzenplotz in den Tante-Emma-Laden, dort war eine alte Dame. Räuber Hotzenplotz sagte: „Her mit der Kohle!“ Die Dame stotterte: „B-b-bitte t-t-tu mir nichts.“ Räuber Hotzenplotz sagte: „Nur wenn Sie mir 20 000 € geben.“ Dann sagte die Dame: „Ok.“ Als er das Geld hatte, ging er schnell weg. Denn er wusste, dass die Dame gleich die Bullen rufen wird. Als er auf dem Hügel war, polierte er seine Messer und seine Säbel. Dann ging er in die Stadt, wo er sich ein Croissant kaufte und es genüsslich aufaß. Dann ging er zurück auf den Hügel und schlief ein. Am nächsten Morgen überfiel er einen Juwelenladen, er sagte: „Her mit den Juwelen!“ Der Verkäufer sagte: „Ok.“ Schnell rannte er zur Sparkasse. Räuber Hotzenplotz sagte: „Ich möchte diesen Brillanten in 100 000 € eintauschen.“ Der Mann von der Sparkasse sagte: „Ok“, und rückte seine Brille zurecht. Als Räuber Hotzenplotz aus der Tür trat, war diese von Polizisten umstellt. Räuber Hotzenplotz versuchte zu fliehen. Doch {er wurde von} ein{em} Polizist brachte ihn zum Fallen. Dann wurde er festgenommen. Ein Polizist sagte: „Jetzt kommst du in die Zelle. Die wartet schon auf dich.“ Als er im Gefängniswagen sitzt und flucht, ruft ein Polizist das Hauptquartier an. Als sie da sind, wird Räuber Hotzenplotz ins Gefängnis gesperrt. In der Zelle denkt Räuber Hotzenplotz darüber nach, wie er aus dem Gefängnis kommt. Nach einer halben Stunde fällt ihm etwas ein. Er könnte doch in der Nacht die Gitterfenster raushebeln. Aber wie, er hat ja kein Brecheisen. Zufällig hat ein Gefangener ein Brecheisen unters Bett getan. In der Nacht sagte Räuber Hotzenplotz: „Ha ha ha, jetzt ist die Zeit gekommen, wo ich ausbrechen werde.“ Nach 20 Minuten hatte er das Gitter raus gehebelt. Er kletterte aus dem Fenster, dann rannte er zum grasbewachsenen Hügel. Als er angekommen ist, legt er sich schlafen. Am nächsten Morgen sagte er genervt: „Schon Morgen.“ Dann ging er zum Bäcker und kaufte sich eine Käsestange und aß sie. Er hatte gerade einen Zebrastreifen [überquert], da sah er einen aus der Zelle. Plötzlich kam die Polizei und nahm den Mann fest. Räuber Hotzenplotz ging wieder weg und lebte glücklich und zufrieden. Ende (Marko F43d) RÄUBER HOTZENPLOTZ Eines Tages wollte Räuber Hotzenplotz mit der Räuberei aufhören. Er hat mit Seppel und Kasper das Schießpulver in die Luft geballert. Die Gewehre in den Sumpf geschmissen. Und die Säbel und Messer hat er vergraben. Er wollte gucken, ob alles versunken ist. Doch da ist er versunken. Ende (Maja F44d) Es waren einmal zwei Kinder, die hießen Tommy und Annika. Die zusammen mit ihren Eltern in einem gelben Haus lebten. Doch gegenüber von ihnen, da wohnte Pippi. In

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der Villa Kunterbunt durften sie tun und lassen, was sie wollten. Es war an einem heißen Tag, die Sonne schien auf die Villa Kunterbunt und Pippi hatte Lust, einen Ausflug zu machen. Also ging sie zu Tommy und Annika nach Hause. Jetzt klopfte sie an der Haustür. Tommys und Annikas Mutter fragte: „Wer ist da?“ Pippi antwortete frech, der Pizzaservice. Und Tommys und Annikas Mutter antwortete, sie kommen gleich raus. Okay, sagte Pippi. Es dauerte gar nicht lange, da kamen sie auch schon. Pippi fragte, ob sie Lust hätten, mit ihr einen Ausflug zu machen und das hatten sie. Pippi packte schnell einen Picknickkorb zusammen und sie gingen los. Jetzt waren sie schon im Wald vor einem Gatter. Hinter diesem Gatter stand eine Kuh. Sie versuchten, die Kuh zu vertreiben, aber es half nicht viel, die Kuh ging nicht weg. Da hob Pippi sie einfach hoch und die Kuh trabte weg. Sie wanderten weiter und weiter, bis sie auf einem kleinen Hügel ankamen. Jetzt sagte Pippi, sie sollten ihre Augen zu machen und das taten sie. Jetzt [packte] Pippi aus. Sie hatte drei Puddings eingepackt und viele Pfannkuchen mit Zucker und Brötchen mit Aufschnitt. Als sie die Augen öffneten, staunten sie nicht schlecht, als sie es sahen. Ende (Lia F45d) Es war einmal ein Mädchen, es hieß Pippi Langstrumpf. Sie spielte oft mit ihren Nachbarn namens Annika und Tommy. Heute durften Annika und Tommy bei Pippi übernachten. Alle waren sehr aufgeregt, weil sie dann alleine sind und alles machen können, was sie wollten. Annika und Tommy kamen schon vor dem Frühstück zu Pippi rüber. Pippi machte gerade Frühstück. Annika fragte Pippi: „Können wir mit dir frühstücken?“ Pippi antwortete: „Na klar!“ Zum Frühstück gab es Pfannkuchen. Sie ließen es {ihnen} [sich] schmecken. Danach hatte Annika eine Idee. Sie sagte es Pippi und Tommy. Annikas Idee war, ein Baumhaus in den Baum in Pippis Garten zu bauen. Pippi fand die Idee toll, Tommy auch. Pippi sagte: „Auf dem Dachboden sind noch Bretter, die wir benutzen können.“ Pippi fiel auch wieder ein, wo ihr Werkzeug steht. Alle halfen, das Baumhaus zusammen zu bauen. Als sie es auch schon in den Baum gebaut hatten, sagte Pippi: „Jetzt können wir in dem Baumhaus Tee trinken und Kuchen essen.“ Tommy antwortete: „Super Idee!“ Also machten [sie] es. Herr Nilsson, Pippis Affe, aß auch ein paar Kuchenstücke und trank auch eine Tasse Tee. Nach dem Kaffeekränzchen wollten sie sich Witze erzählen. Sie lachten sehr viel und hatten viel Spaß, nach einer Weile fragte Annika: „Wollen wir jetzt vielleicht Angeln gehen?“ Pippi antworte: „Super Idee, damit wir auch einmal rauskommen.“ Alle räumten die Teller und Tassen weg. Dann packten sie die Angelsachen. Nachdem sie dies getan hatten, haben Annika und Tommy noch ihre Mutter gefragt, ob sie mit Pippi Angeln gehen dürfen. Ihre Mutter sagte ja, weil Annika und Tommy eh zu wenig in der Natur sind. Also gingen alle drei Kinder los. Als sie am See waren, sagte Tommy zu Annika und Pippi: „Guckt mal, das ist Herr Obermeyer, unser Lehrer!“ Pippi daraufhin: „Wollen wir den mit Äpfeln und Birnen bewerfen?“ Annika antwortete: „Super Idee!“ Also pflückten sie die Äpfel und Birnen. Danach versteckten sie sich im Gebüsch und fingen an, die Früchte zu werfen. Herr Obermeyer schrie: „Wer war das?“ Pippi, Annika und Tommy liefen zu Pippis Haus, weil es auch schon so langsam dunkel wurde. Jetzt aßen sie auch Abendbrot. Zum Abendbrot gab es Nudeln mit Tomatensoße. Sie zogen sich ihren Schlafanzug an,

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putzten Zähne und gingen ins Bett. Am nächsten Morgen wachte Pippi als erstes auf. Sie machte Morgensport. Sie hob ihr Pferd namens Kleiner Onkel. So langsam wachten auch Annika und Tommy auf. Sie gingen nach unten zu Pippi und probierten auch, Pippis Kleinen Onkel hochzuheben. Aber sie schafften es nicht, weil nur Pippi das konnte. Sie war das stärkste Mädchen der ganzen Stadt. Tommy fragte: „Was gibt es denn Leckeres zum Frühstück? Ich frage mich, was unsere Eltern jetzt machen?“ Annika antwortete: „Das würde ich auch gerne wissen!“ Pippi antwortete: „Ihr braucht euch keine Sorgen machen, euren Eltern geht es bestimmt gut!“ Tommy sagte: „Lasst uns frühstücken!“ Annika darauf: „Gute Idee! Was gibt es denn zum Frühstück?“ Pippi antwortete: „Brötchen.“ Und so aßen sie gemütlich. ENDE (Stella F46d) SPIDER-Man Wie immer ging Peter zur Schule. Als er wieder zurückkam, war die Polizei um sein Haus versammelt. Er fragte einen Polizisten, was los sei. Der Polizist sagte, deine Eltern wurden getötet. Da sagte Peter, Oh, nein. Wir fahren dich zu deiner Tante. Ja. Nach einer Stunde sind sie endlich angekommen. Seine Tante erwartete ihn schon. Sie sagte, komm rein, Peter. Wir essen einmal. Da klingelte es an der Tür. Ein Mann stand vor der Tür. Hallo, ich bin Doc Ock und wollte fragen, ob Peter auch einmal Doktor werden will. Ok, sagte Peter. Dann komm mit. Zwei Minuten später steht Peter in einem Raum mit Spinnen. Er zieht an einem Faden und es regnet Spinnen. Er wischt sie vom Leib. Eine Spinne bleibt an seinem Hals und beißt ihm in den Hals. Er geht raus und bemerkt es nicht. 2 Stunden später. Peter ist wieder zu Hause. Er will skaten. Er geht in die große Halle. Da bemerkt er, dass er richtig gute Stunts machen kann. Abends sitzt er vorm Computer und guckt, warum er so gute Stunts machen kann. Da findet er eine Information. Spider-Man, wer will werden. Da legt er sich ins Bett. Biep, Biep. Oh, man. Krack. Hä, sagte Peter, mein Wecker ist kaputt. Ich muss mir einen neuen Wecker kaufen. Ich gehe erst einmal nach unten essen. Hallo, Peter, sagte seine Tante, komm, wir essen erstmal. Nach dem Essen ging Peter wieder nach oben, um weiter zu gucken. War da nicht gerade noch eine Spinne? Ja, da war eine. Währenddessen im Büro von Doc Ock. Er hatte nur einen Arm, da hat er sich eine Spritze gegeben und wurde zu einem Monster. Er wütete in der Stadt rum. Da wurde Peter aktiv. Er zog sich um und wurde zu SPIDER-Man. Er bekämpfte das Monster, aber er besiegte es nicht. Wieder am Tag danach. Er ging ins Labor. Doc Ock war schon da. Heute fällt dein Training aus. Na gut“, sagte Peter… (Fabian F47d) Es war einmal Rotkäppchen war ein Mädchen und war auf dem Weg zu ihrer Oma mit Kaffee und Zimtbrötchen. Auf dem Weg sagte ein Wichtel, willst du einen Kaffee. Darauf antwortet Rotkäppchen, ja, bitte. Du kannst für deine Oma Blumen sammeln. Woher weißt du, dass ich eine Oma habe. Ich habe geraten. Ich pflücke jetzt Blumen. /Währenddessen/ macht der Wichtel einen Kaffee mit Gift. Das ist ein Wicht aus den sieben Bergen. Sie trinkt es. /Es/ {ist} ist nichts passiert. Sie ging weiter, da traf sie auf einen Wolf. Er sagte, die Wichtel wollen dich töten. Stimmt das. Ja, ja, der Kaffee war vergiftet, aber dir ist nichts passiert, zum Glück. Sie sah das Haus von ihrer Oma. Ende. (Joris F48d)

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Es war einmal ein Vater. Und der hatte einen Sohn. Dann sagte der Vater, ich gehe jagen. Du bleibst hier. Dann kam er zurück. Komm, ich hab Gazelle. Hm, lecker. Meine Leibspeise. Ich komme. (Alex F49m) Pippi Langstrumpf Pippi außer Rand und Band Meine Brieffreundin heißt Pippi Langstrumpf. Sie ist ein sehr seltsames Mädchen. Das Besondere an ihr ist vieles. 1. Zwei vom Kopf abstehende Zöpfe. 2. Sie hat richtige Clownsschuhe. 3. Sie ist stärker als der stärkste Mann der Welt. 4. Sie wohnt vater- und mutterseelenallein. So, jetzt hast du einen Eindruck gekriegt, wie diese Pippi lebt. Sie hat mir viel von diesen Abenteuern geschrieben. Das war nämlich so: Als sie eines Tages in die Villa Kunterbunt zog, standen da zwei Kinder – Tommy und Annika. Aber da kannte sie Tommy und Annika noch nicht. Sie fragte die beiden: „Wollt ihr nicht mit mir in die Villa Kunterbunt kommen?“ Da sagten die beiden: „Ja, gern!“ Erstmal aßen sie, denn sie hatten alle schrecklich Hunger. Pippi von der langen Reise und Tommy und Annika, weil sie sich mit ihrer Mutter verkracht hatten und nicht zum Mittagessen nach Hause kommen wollten. Annika fragte schüchtern: „Wie heißt du?“ Pippi sagte: „Ich? Ich heiße Pippi Lotta Viktualia Rollgardina, Schokominza Efraims Tochter Langstrumpf, der Negerkönig auf der TakaTuka-Insel. Aber alle nennen mich Pippi. Und ihr.“ Da antwortet Annika: „Ich heiße Annika und der heißt Tommy.“ Tommy fragt: „Wollen wir ausreißen?“ „Ja, sehr gerne!“, antwortet Pippi. Aber Annika sagt {Annika}: „Nein, so schlimm habe ich mich mit Mama auch nicht verkracht.“ Tommy sagt: „Du bist aber auch ein Trotzkopf.“ Aber mit Pippi alleine wollte er auch nicht ausreißen. Wie es dann zu dem Titel >>Pippi außer Rand und Band