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German Pages 11 [17] Year 2022
Nachricht von der
Mädchenschule |U
Züllichau.
Gedruckt bei G. Reimer.
Nachricht von der Mädchenschule*) zu Züllichau. volle zwanzig Jahre hatte der nunmehr schon verstorbene Herr Hofpredi« ger und Superintendent Hcrrosee zu rei chem Segen unserer Stadt und Umgegend einer Mädchenschule vorgestanden, als Äl« teröschwäche und Kränklichkeit ihn dieselbe im Herbste 1820 zn schließen nöthigten. Dadurch in Verlegenheit gesetzt, forderte» mich mehrere Aeltern dazu auf, die Leitung einer solchen Mädchenschule zu übernehmen, in welcher die Kinder, wären sie einmal de» *) Es darf nicht heißen „Tichterschule", weit Las weibliche Kind nur in Beziehung auf seine 2sek tera „Tochter", in jeder andern Beziehung aber so lange „Mädchen" heißt, bis e- in bit Zahr» kommt, da man es „Jungfrau", „Fräuleins anredet.
4 bestehenden
Elementarschulen
entwachsen
weiter fortschreiten könnten, als es in den letzteren, vermöge ihres Zweckes und ihrer
Einrichtung geschehen
kann.
Ich
über
zeugte mich, daß auf diese Weise keiner
-er bestehenden Schulen irgendwie Abbruch würde gethan werden, daß ich dadurch in
-er Erfüllung meiner Amtsgeschäfte auch nicht die geringste Störung erleiden würde,
dabei mir aber eine neue Gelegenheit eröff nen, den Samen des Guten in ein schöne-, für ihn empfängliches Feld auszustreuen;
und ich ließ mich daher sehr gern zur Ueber
nahme dieses Geschäftes bereit finden, un ter der Bedingung, daß die Verwaltung
der Geldangelegenheiten ein andrer Freund
-er guten Sache übernähme.
s. Um nun die Anstalt so zweckmäßig und so gemeinnützig, als möglich, einzurich ten, mußte ich zunächst, um mit demAeu»
fieren anzufangen, das Schulgeld so gering
alö möglich ansehen.
Es war und ist fort
während zu bestreiten die erste Einrichtung,
-ar Gehalt für die Lehrer, -er Lohn für
Sie Aufwarkerlnn, Holz- und Lichtvorrath und von Zeit zu Zeit nothwendig werdende
Hülfsmittel des Unterrichts.
Zu dem allen
ist nur nöthig ein monatliches Schulgeld von i Thl. »2 Gr. Court, für jedes Kind, welches, sollte die Schule so besucht blei
ben oder vielleicht noch mehr besucht wer
den, als sie es ist,
noch wird ermäßigt
werden können. 3.
Es mußten ferner, jenen Zweck zn
erreichen,
alle gewählten Gegenstände des
Unterrichtes für einen Jeden von gleichem Ruhen, und daher solche sein, die überhaupt Lazu dienen, die Menschen' dahin zu führen,
geschicktere
und
tauglichere
Glieder
der
menschlichen Gesellschaft und nühlichere Bür ger des Vaterlandes zu werden, also, hier
besonders angewandt: die Mädchen dahin zu
bilden, daß sie einst als tüchtige, fromme Jungfrauen und Frauen immitten ihres Vol
kes dastehn zum Heil und Segen des kom menden Geschlechtes. 4.
Aus
diesem
Grunde
durfte
das
Französische in der Reihe der Unterrichts-
gegenstände keine Stelle finden, weil — meiner Ueberzeugung nach — in der Re gel kein deutsches Mädchen das Französi
sche erlernen muß; denn alle Gründe, die
man dafür anzuführen pfiegt, mich durchaus unhaltbar.
sind für
Soll es zur rei
feren Ausbildung des Verstandes und Her
zens behülflich feilt, fo geben da die' Geifieswerke der Deutschen eine größere Aus beute,
als
von den Allermeisten
benutzt
werden kann;— oder soll es tiefer einfüh
ren in das eine oder andere Feld der Wis senschaft, so ist hier, was die Deutsche« geleistet Haben, für den, der aus den Quel
len nicht selbst zu schöpfen berufen ist, we
nigstens eben so genügend, wenn nicht in den meisten Fällen genügender, als was wir auf dem Gebiete des französischen Schrift tums antreffen; — oder soll eS in den
Stand setzen, die unzähligen, meistens wie Unkraut unter dem Waizen, in unsrer
lieben, deutschen, mehr, als jede andere, rei chen, volltönenden, wohlklingenden Mutter
sprache befindlichen fremden Wörter zu ver-
7 stehen, so ist nicht zu leugnen, daß für die sen Zweck lieber das Griechische und Latei nische gelehrt und gelernt werden müßte, aber auch hoffentlich die Zeit nicht mehr fern, wo die deutschen Schriftsteller sich beeifern werden, immer vollkommner diese Unart abzulegen, diese nemlich, durch fremde Worte ausdrücken zu wollen, was mit deut schen Worten viel treffender und, natürlich, gemeinverständlicher bezeichnet werden wür de. Doch statt aller Gegengründe nur noch dies Zweies. Zuerst: Soll etwas Ordent liches, Gründliches, vermeinten Nutzen Schaffender erreicht werden, sg muß. es bis zum Französischdenken gebracht werden; aber dahin kann es in einer solchen Schul« nicht kommen, und wie Viele derer, die er bis dahin bringen, verlernen dabei auch dar Deutschdenken und ersticken -en deutschen Sinn, wahrend sie dem französischen We sen in sich Raum geben. Indessen will ich damit kein rückgültiges Urtheil auSgespro? chen haben, weil ich sonst den mir am mei sten schätzbaren Frauen den deutschen Sinn
-bsprechen würde, die ttr jener Zeit gebil-
det wurden, wo man dafür hielt,
eine
Frau, die nicht Französisch gelernt hatte, dürfte sich nicht zu den Gebildeten zählen. —
Zweitens: Einer -er gelehrtesten und ge feiertesten deutschen Schriftsteller, Göthe,
sagt Folgendes von der französischen Spra che; „Zu Reservationen, Halbheiten und
„Lügen ist es eine vortreffliche Sprache; „sie ist eine perfide Sprache! Ich finde, „Gott sei Dank, kein deutsches Wort, um
„(„das französische") perfid in feinem
„ ganzen Umfange auSzudrücken. Unser arm„seligeS „„treulos"" ist ein unschuldi„ges Kind dagegen.
Perfid ist treulos
„mit Genuß, Mik Uebermuth und Schaden-
„ freude-
Französisch ist recht die Sprache
„ der Welt, werth, die allgemeine Sprache „zu sein, damit sie sich nur recht unter „einander betrügen und belügen können.^
Wilh. Meist. Lehrj. B, 6. Kap. 16. Da jedoch Mehrere sich für eine entge»
VkNgesehte Ueberzeugung aussprachen, es sich aber für mich, wie für Keinen ziemte,
bis eigne Ueberzeugung ihnen aufdringen
zu wollen, so wird in zwei besonder» Stunden wöchentlich, die
nicht zu den
Schulstunden gehören, durch zwei Abthei
lungen das Französische für diejenigen ge-
lehrt, die es ausdrücklich wünschen.
5.
Alle übrigen Gegenstände des Un
terrichtes sind, wie aus dem Nachfolgen den erhellt, vyn der Art, daß keiner der
selben fehlen darf, ohne einen wesentlichen Mangel im Ganzen zu verursachen.
6.
Der Unterricht in der Religion geht
darauf hinaus, den Kindern die nöthige Vorbereitung zum Einsegnungsunterrichte
zu geben, und umfaßt daher die Geschichte,
Nicht nur des jüdischen Volkes,
sonder»
auch der christlichen Kirche, so wie die Er klärung des einen und des andern Buches
aus der heiligen Schrift, wobei einzelne Bibel» und Gesangverse auswendig gelernt
werden. Für die Erwachseneren, welche schön em
oder mehrere Jahre den Einsegnungsunter richt genossen haben, oder schon eingesegrrek
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sind, wird mit dem nächsten Halbjahre eine
besondere Stunde eingerichtet werden.
7.
Die deutsche Sprache wird durch
drei Abtheilungen gelehrt und mit dersel ben der Unterricht in der Geschichte des Vaterlandes verbunden, für die zweite Ab
theilung in der brandenburgischen Geschichte nach Krause, für die erste Abtheilung in der allgemeinen deutschen Geschichte nach Kohlrausch. 8. Der Unterricht im guten Verle
sen steht in Verbindung mit dem Unter
richt in
der
allgemeinen
Weltge
schichte, weshalb hier „Bredow's um ständliche Erzählungen" als Schulbuch ein geführt sind.
Außerdem wird in allen weib
lichen Arbeitsstunden aus allgemeinnüHlichen Büchern vorgelesen. 9. Der Unterricht in der Erdkunde
giebt nebst einer allgemeinen Einleitung und
der ausführlichen Beschreibung unseres deut
schen Vaterlandes, nach und nach eine all gemeine Kenntniß.der ganzen bewohnten Erde»
io^ Bei der Naknrlehre und Na« »Urgeschichte mußten die Schwächeren
nothwendig
eine Vorbereitungsabtheilung
finden.
li. Außerdem wird im Schönschr ei
ben, im Rechnen, im Zeichnen und in Len weiblichen
Handarbeiten aller
Art Unterricht gegeben, wie auch endlich
noch im Gesänge; dies
letzte zu dem
Zwecke, um die Kinder namentlich dahin
zu bringen, daß sie, auch ohne vorherige
Kenntniß dieser oder jener Kirchengesangr weise,
selbige wenigstens nach Noten zu
fingen im Stande seien, und so weit kom
men, daß sie, mit den vorzüglichsten und gangbarsten Kirchengesangwcisen bekannt, aus der Schule ausscheiden.
Denn ohne
diese Mitgift sollte überhaupt in keiner Zeit eine Schule die Zöglinge ins Lebe«
entlassen, wie viel weniger heut zu Tage, wo aus so vielen Häusern der Kirchenge
sang
immer mehr verschwindet! —
Er
ist deshalb eine von mir schon früher be sorgte
Sammlung der
gangbarsten Kir-
Iß chengesangweisen als Schulbuch eingeführt worden»
12.
Was schließlich die Schulordnung
betrifft, so ist, bis ich zu besserer Einsicht werde gelangt sein, Folgendes festgesetzt:
a.
Aeltern,
die
ihre Kinder in die
Schule aufnehmen lassen wollen, melden
sich dieserhalb zuvor bei mir und bei dem
altern Herrn Mühlmann, der die Güte gehabt hat,
sich
mit Führung der Ein
nahme und Ausgabe für die Anstalt zu
belästigen.
Mit dem meisten Nutzen für
-re Kinder geschieht der Eintritt jedes Mal
zu Ostern und zu Michaelis. b.
Kein Kind wird ausgenommen, ohne
vorher einige Fertigkeit im Richtiglesen und
Schreiben sich erworben und die Ziffern wenigstens kennen gelernt zu haben.
c.
Der Unterricht beginnt jeden Mor
gen mit Gesang und Gebet, welche löb liche Sitte der Vater ich um so lieber bei behalten habe, als wol nichts natürlicher
ist, als mit dem Andenken an Den jeden
Lage- Werk und Arbeit anzufangen. Der allein die Kraft dazu verleihen kann.
d.
Oeffentliche Prüfungen finden nie
statt; sie stöhnen nur, zumal in Mädchen schulen, der Eitelkeit, und täuschen die Zu Dagegen werden am Schlüsse je
schauer.
den Halbjahres alle Schülerinnen in Ge genwart sämmtlicher Lehrer geprüft;
und
steht es außerdem, nach vorhergeschehener Meldung/ den Aeltern allezeit frei, dem
Unterrichte beizuwohttett und ihre Ausstel
lungen zu machen, so sie dergleichen für nöthig erachten, welche jederzeit mit Dank werden an- und ausgenommen werden»
e.
Eben so fallen alle
wöchentliche,
monatliche oder sonstige Zeugnißvertheilungen weg.
Sollte aber dies oder jenes Kind
sich den Tadel eines Lehrers in irgend ei ner Art zuziehen, so wird solches in ein in
der Schule befindliches verschlossenes Ta-
delbuch eingetragen, die Aeltern aber durch ein Büchelchen davon in Kenntniß gesetzt, welches jedes Kind beim Eintritt in die
Schule abliefern muß. ♦
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14 Möge Der, Der allein zu allem Un ternehmen kann das Gedeihen geben, möge Gott auch Lieser werdenden Anstalt mit Seinem Segen nahe sein, damit sie erblühe als eine Pflanzschule der Tugend und Gott seligkeit! Züllichau, den 1. Lenzmond 1821,
Karsten, Prehrger.
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