Nachricht von der Leichenbestattung des wohlseligen Predigers an der St. Gertraudts-Kirche zu Berlin Dr. Hermes: Nebst der an seinem Sarge von dem Professor Dr. Schleiermacher gehaltenen Rede 9783111515489, 9783111147628

136 97 11MB

German Pages 29 [32] Year 1819

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Nachricht von der Leichenbestattung des wohlseligen Predigers an der St. Gertraudts-Kirche zu Berlin Dr. Hermes: Nebst der an seinem Sarge von dem Professor Dr. Schleiermacher gehaltenen Rede
 9783111515489, 9783111147628

Table of contents :
Nachricht von der Leichenbestattung des wohlsellgen Predigers an der St. Gertraudts-Kirche zu Berlin

Citation preview

Nachricht von

der Leichenbestattung des wohlsellgen Predigers an der St. Gertraudts-Kirche zu Berlin

Dr. Hermes nebst der an seinem Sarge von dem Professor

Dr. Schleiermacher

gehaltenen Rede.

Berlin, 1819.

Gedruckt bei G. Reimer.

Bei einigen brr ehemaligen Zuhörer und Beichtkinder de» serligen Herrn Prediger» Dr. Herme» entstand am Tage seiner feierlichen Bestattung der Wunsch, daß eine kurze Beschreibung derselben nebst der an seinem Sarge gehaltenen Rede de» Herrn Professor» Dr. Schleirrmacher abgedruckt, und zugleich mit einem, in Kupfer zu stechenden Bildnisse de» Entschlafenen (von Herrn W. Hensel gezeichnet) zum Besten der verwaiseten Familie verkauft werden mögte.

Die Ausführung diese» Gedan­

ken» hat von mehreren Seiten eine gütige, dankbar anzu­ erkennende Unterstützung gefunden.

So

konnten

jetzt

diese Blätter erscheinen, welche dem göttlichen Sergen und der christlichen Liebe empfohlen «erden.

das am zosten December 1818 erfolgte Hinscheiden des stetigen Herrn Justus Gott­ fried Hermes, DoctorS der Theologie und Pre­ digers an der St. Gerkraudts-Kirche zu Berlin, hat seine Gemeine und die große Anzahl derer, die um ihn trauren, einen sehr schmerzlichen, aber nicht unerwarteten Verlust erlitten.

Bei dem

Herrannahen seines achtzigsten Lebensjahres hak­ ten sich körperliche Leiden, besonders Schwindel und Magenbeschwerden, als Vorboten einer bal­ digen Auflösung,

häufiger bei ihm

eingestellt.

Hiezu kam im lehtvergangenen Herbste ein seit fünfzehn Jahren verschwundenes hämorrhoidalisches Uebel, welchem weder die vom Arzte verord­ nete öftere Leibes - Bewegung, noch sonstige Heil­ mittel Einhalt zu thun vermochten.

Während

dieses bedenklichen GesundheitS - Zustandes ließ aber der theure Greis,

so lange ihm Gott die

Kraft dazu verlieh, nicht ab, sein Amt eben so treu, wie sonst, zu verwalten.

Sein jedesmali-

A -

4 geS regelmäßiges Wieder - Erscheinen am Altare und auf der Kanzel von einer Woche zur andern konnte von seiner Gemeine wohl als eine ganz ausgezeichnete göttliche Wohlthat betrachtet wer­ den. Selten bemerkte man dabei Spuren von einer Abnahme seiner Fähigkeiten; vielmehr schien er an der heiligen Stätte immer wie verjüngt zu seyn, als ob die Kraft des göttlichen Geistes, der seine Predigten erfüllte, zugleich auch seine wür­ dige Gestalt aufrecht erhielte, und seiner Stimme Stärke und Nachdruck gäbe. Als die lehte AdventSzeit herankam, befand er sich zwar hinfälli­ ger und leidender als jemals, aber nichts desto weniger geschickt und freudig, seine Kirchkinder auf das Fest der Geburt ihres Heilandes vorzube­ reiten. Davon zeugten seine schönen Predigten an den drei ersten Advents - Sonntagen, wobei er, wie gewöhnlich über die hergebrachten evange­ lischen und epistolischen Bibeltexte redete. Seine lehte Predigt hielt er am dritten Advents-Sonn­ tage (den iZten Decbr. 1818) Vormittags über Matth, c. 11. t>. 2— 10. Er hob darin ganz besonders den sechsten Vers hervor:

Und selig ist, der sich nicht an mir ärgert.

s Die Schlußworte dieses evangelischen Textes: „Siehe, ich sende meinen Engel „vor dir her, der deinen Weg vor „dir bereiten soll" schienen in einem andern Sinne auf ihn anwend­ bar werden zu sollen, als er am folgenden Mitt­ woch zu der gewöhnlichen Nachmittags-Predigt die Kanzel nicht wieder betrat, und das schnell verbreitete Gerücht von einem bedeutenden Zu­ nehmen seines Uebels die Ahndung feines nahe bevorstehenden Hinganges erregte. Er selbst hielt anfangs den nunmehr eingetretenen KrankheitöZustand, der seine Thätigkeit hemmte, für vor­ übergehend, und meinte, dieselbe schon am WeihnachtSfeste wieder fortsetzen zu können. Auch äusserte sich sein Uebel zuerst noch weniger durch heftige Ausbrüche, als durch fast gänzliche Unfä­ higkeit, Nahrung zu genießen, und eine davon herrührende allmählige Entkräftung, die ihn erst nach Verlauf mehrerer Tage das Bette fortwäh­ rend zu hüten nöthigte. Noch immer war Hoff­ nung vorhanden, daß er sich wieder erholen könnte. "Ich liege auf Hoffnung" sagte er um diese Zeit einmal zu einem ihn besuchenden Amtsbruder, verstand aber wahrscheinlich im Allgemeinen dar-

6. unter seine Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit, die seinen Leiden ein baldiges Ende machen würde. Diese mehrten sich nun von Tage zu Tage. empfand

fast

unaufhörlich

heftige

Er

innerliche

Schmerzen, besonders ein quälendes Brennen im Magen, und die Gelassenheit, womit er sie erdul­ dete, wurde durch häufige Beängstigungen schwer geprüft.

In einem solchen Augenblicke der Angst

wandte er einmal in einem Gespräche auf sich selbst die strafenden Worte an, die Eliphas zu Hiob spricht: Siehe, du hast viele unterwiesen und lasse Hände gestärkt.

Deine Rede hat die Gefal­

lenen aufgerichtet, und die bebenden Kniee hast du bekräftiget.

Nun es aber an Dich

kommt, wirst Du weich, und nun es Dich trifft, erschrickst Du.

Ist das Deine Got­

tesfurcht, Dein Trost, Deine Hoffnung, und Deine Frömmigkeit? (Hiob Kap. 4. V. 5. u f.) Aber mitten in dieser Noth war sein Heiland ihm nahe und half ihm überwinden.

Er betete

oft und anhaltend, forderte auch die ©einigen auf, mit ihm zu beten. Unterdeß ging die Weihnachts­ zeit vorüber, und mit dem Ablaufe des Jahres

7 neigte auch sein irdisches Leben sich zum Ende. Der Sonntag, Montag und Dienstag nach dem Feste waren seine letzten, aber auch höchst qual­ vollen Tage. Endlich nach einem erneuerten hefti­ gen Anfalle von Schmerz und Angst ließ am Mittwoch (den soften Decbr.) früh sein Leiden nach, er ward ganz ruhig, verlor die Sprache und lag einige Stunden lang still und milde in Gottes Frieden.

Man bemerkte, daß er dabei

zuweilen lächelte und mit der Hand winkte, als gälte es einer himmlischen Erscheinung.

So ver­

schied er Mittags gegen 1 Uhr im Glauben an sei­ nen Erlöser.

Die Leiche ward am Sonntage (den steu Jan. 1819) gegen Abend in die dem Sterbehause ganz nahe gelegene St. GertraudtS-Kirche getra­ gen.

Vor dem Altare, an welchem der Verewigte

so viele Jahre Hindurch das heilige Abendmahl ausgespendet, und unter der Kanzel, von welcher herab er unzählige Worte des ewigenS Lebens ge­ redet hatte, stand der seine sterbliche Hülle ein­ schließende Sarg bis zu der, auf den folgenden Tag angesetzten feierlichen Bestattung.

Mon­

tags, den 4ten Januar, Nachmittags um 2 Uhr,

s versammelte sich, unter starkem Zudrange der Men­ ge, in der kleinen Kirche die evangelische Geist­ lichkeit der Stadt, und eine große Anzahl der Männer nnd Frauen aus allen Ständen, die um den Entschlafenen trauern.

Die Feyerlichkeit

begann mit dem Gesänge des Liedes Nr. 851. im Porstschen Gesangbuche. Einen guten Kampf hab' ich Auf der Welt gekämpfet, Denn Gott hat sehr gnädiglich Meine Noth gedampfet, Daß ich meinen Lebenslauf, Seliglich vollendet, Und die Seele Himmelauf Gott dem Herrn gesendet. Forthin ist mir beigelegt Der Gerechten Krone, Die mir wahre Freud' erregt In des Himmels Throne; Forthin meines Lebens Licht, Dem ich hier vertrauet, Nämlich Gottes Angesicht Meine Seele schauet. Dieser böse», schnöden Welt Jämmerliches Leben Mir nun länger nicht gefällt. Drum ich mich ergeben

Meinem Jesu, da ich bia Jetzt in lauter Freuden: Denn sein Tod ist mein Gewinn, Mein Verdienst sein Leiden. Gute Nacht, ihr meine Freund, Alle meine Lieben, Alle die ihr um mich weint, Laßt euch nicht betrüben Diesen Hintritt, den ich thu In die Erde nieder: Schaut, die Sonne geht zur Ruh Kommt doch morgen wieder.

Der Herr Professor Dr. Schleiermacher hielt darauf vor dem Altare die nachstehende Rede: Wir verweilen hier, im Begriff die entseelte Hülle der Erde wiederzugeben, am ^arge eines vielverehrten, vieljährigen Dieners Gottes, weil, wenn gleich das Herz so voll ist, daß der Mund lieber nicht überginge,

wir uns doch nicht still

und stumm trennen können, auch nicht von diesen verweslichen Ueberresten, noch weniger von dem durch ihre Versenkung

bezeichneten Ende der

Wirksamkeit seines Geistes unter uns. Aber nicht voll Klagen fei das Herz in dieser Scheidestunde, indem wir ja nicht traurig sein sol­ len, wie die, welche keine Hoffnung haben.

Und

ich bin so entfernt Klagen anzustimmen, daß ich

IO

sie auch nicht einmal beschwichtigen will durch meine Rede- Wie sollten wir klagen, Geliebte, da der Vollendete daö Maaß des menschlichen Le­ bens, das 70 Jahre währt, wennS hoch kömmt, achtzig, auf eine so schöne Weise erfüllt, da Gott seine Berufsthätigkeit so reichlich gesegnet hat, da ihm die Gnade geworden ist, sie bis kurz vor sei­ nem Hinscheiden ununterbrochen fortsezen zu kön­ nen? Wie sollten wir ihm nicht gönnen, daß er abgerufen wird, um in die Freude seines Herrn einzugehen, da wir ja wissen, daß die welche über­ leben werden bei der Zukunft unsers Herrn denen nicht zuvorkommen, welche im Herrn schlafen. Darum sage ich auch seinen Kindern und nächsten Angehörigen kein Wort deö Trostes, sondern nur das Wort der Ermahnung, daß sie dankbar für sein langes Verweilen unter ihnen auf immer sein frommes Bild in ihrer Seele bewahren und auf dem Wege wandeln mögen, den Er ihnen gezeigt hat, damit auch immer sein Segen auf ihnen ruhe. Eben so wenig aber soll auch mein Mund übergehen von seinem Lobe, denn seine und un­ sers Herrn Stimme würde mir entgegenrufen «Niemand ist gut als Gott"; wir aber, wenn wir

alles gethan,

was wir

zu thun

schuldig sind,

sind wir unnütze Knechte gewesen.

Mag es an­

derwärts schicklich und löblich sein der Verstorbe­ nen rühmend zu gedenken; hier aber ziemt eS uns nicht, wo einmal wie immer nur der Eine darf gerühmt werden, der alles ist. Auch zu erzählen habe ich wenig von ihm und nur soviel als nöthig ist, um uns allen den Eindruck zu vergegenwärtigen von seinem ganzen äußeren Leben, daß eS eben so schlicht und an­ spruchslos gewesen ist als sein Wirken unter uns. Justus Gottfried Hermes, im Jahre 1740 zu Petznick in Pommern geboren, war unter acht Kindern der jüngste Sohn eines Predigers; also wie die meisten, welche diesen Beruf wählen, mit äußern Hülfsmitteln, um sich dazu auszubilden, sparsam ausgestattet.

Auf der Schule, die er

besuchte, gehörte er dem Singechor an, und war zulezt dessen Präfect, wovon auch in sein Amt eine lebendige Theilnahme am Kirchengesang und seiner zweckmäßigen Leitung überging.

Als er

seine Schulstudien vollendet, fehlte es an Mit teln, um die Universität zu beziehen, und er mußte noch ein Paar Jahr im väterlichen Hause bleiben, bis er im

Jahr

1769 nach Königsberg gehn

12

konnte, wo noch zwei von unsern Amtsbrüdern theils mit ihm gewohnt, theils nähern Umgang mit ihm gepflogen haben.

Auch von dort mußte

er aus Mangel an Mitteln früher zurükkehren und übernahm bald darauf, wie es auch den wei­ ften künftigen Geistlichen begegnet, daS Geschäft eines Hauslehrers. des Wortes,

Aber auch bei einem Diener

Herrn Woltersdorf,

ehemals

Prediger an dieser Gemeine, so daß er in dieser Eorbereitungszeit nicht, wie leider so viele, von seinem Beruf abkam, sondern vielmehr viel Gele­ genheit hatte, sich in der Lehre zu üben.

Auch

darin ist ihm etwas gewöhnliches begegnet, daß er späterhin die jüngste Tochter aus diesem Hause geehelicht hak.

Nachdem er einige Jahre jenem

Geschäft obgelegen, trat er in das Predigtamt, welches er seit beinahe fünfzig Jahren zuerst zu Neuenhagen und Dahlwiz, dann zu Selow und seit den lezten 21 Jahren an dieser Gemeine ver­ waltet hat.

Mit seiner Gattin, die ihm nur im

lezten Jahre nach einer 37jährigen Ehe voran­ ging, hat er 12 Kinder erzeugt, wovon aber nur fünf ihn überlebt haben und mit uns an seinem Sarge trauern.

Das ist der schlichte

Lebens­

lauf des theuern Mannes. In der gelehrten Welt

iS

hat er nach keinem ausgezeichneten Plahe ge» strebt, und wiewol sie sein Verdienst ehrend anet« sannt hat, wird doch der oft zweideutige Ruhm, der von ihr ausgeht, seinen Namen nicht verkün« digen. In weltliche Händel ist er nicht verfloch­ ten gewesen, sondern hat still und zurückgezogen alle bedenklichen Zeiten durchlebt, und alle Kraft, Schönheit und Würde seines Lebens ungetheilt auf seine Amtsführung als Lehrer und Seelsorger ge­ wandt. Und nur über diese möchte ich ein paar herzliche Worte reden zuerst zu seiner Gemeine im engern Sinne, die ihm anvertraut und befohlen war und im weiteren zu denen, welche das Wort der Lehre gern und zum Theil ausschließend von ihm zu vernehmen pflegten; dann aber auch zn uns, seinen Mitknechten im Dienste des Herrn. Theure Gemeine, schon ehe der gefürchtete Augenblick kam, bist du ein Gegenstand der in­ nigsten Theilnahme aller Frommen unserer Stadk gewesen. Wir alle haben uns betrübt mit der verwaiseten Heerde, die solchen Führer und Leh­ rer verlieren sollte! und gewiß es soll dir schwer werden die Lücke zu ergänzen, welche dieser Rath­ schluß Gottes, wie wenig er dich auch unvorbe­ reitet überrascht, in dein frommes Leben gerissen

i4 hat!

Aber was würde Er selbst gesagt haben,

wenn ihm vergönnt gewesen wäre, von Euch ins­ gesammt Abschied zu nehmen, und wenn dem de­ müthigen Manne euer Schmerz so gegenwärtig gewesen wäre, wie er uns ist?

So glaube ich

würde er gesagt haben »Tragt immer mein Anden­ ken in einem feinen Herzen als das eines voran­ gegangenen älteren Bruders! bewahrt das em­ pfangene Wort, und laßt es Frucht bringen auch uoch nach meinem Hinscheiden.

Aber wenn ich

geschieden bin, so verlaßt deshalb nicht die Ver­ sammlungen der Christen.

Sondern wenn Euch

das vorzüglich lieb gewesen ist an mir, daß ich dem Worte Gottes nichts zugesetzt von meinem eigenen: so stellt nun mich dahinten, und vertraut aus eigner Erfahrung auch für die Zukunft dieser sich immer gleichen Kraft des Wortes. Und wenn Ihr es nun aus dem Munde anderer Lehrer ver­ nehmt, so vergleicht nicht, als wodurch Ihr Euch selbst nur verkürzen würdet. Es lohnt auch nicht; denn die menschliche Seele und

der menschliche

Mund, durch welche das Wort Gottes hindurch­ geht, ist nichts, sondern das lebendige Wort und das durstende Herz sind alles. immer fort

jenes

Mit diesem fahret

zu suchen, so werdet ihr ferner

15 erquickt werden und gesegnet, und jeder wird auch früher oder später wieder finden, an wen er sich mit ganzem Herzen und vollem Vertrauen mensch» licher Weise anschließen kann. Glaubt Ihr nun, daß er Euch mit solchen und ähnlichen Worten würde getröstet haben und ermahnt: so könnet Ihr ihm gewiß nichts lieberes thun als diesem Rathe folgen. Aber indem nun die gewohnten unmittelba» ren Einwirkungen des Vollendeten auf Eure See» len aufhören, steht Ihr demohnerachtet allerdings an einem wichtigen Abschnitt eures Lebens, und «in solcher soll an dem Christen niemals ohne prü­ fendes Nachdenken vorübergehn. Fragt Euch al­ so noch hier an seinem Sarge, wie redlich Ihr dem Zug des Herzens, der Euch zu ihm zog, genügt habt, wie wenig er entweiht worden ist durch ge­ dankenlose Gewohnheit; prüft auch, wie vielfäl­ tige Frucht sein Work in Euch getragen hat, fowol überhaupt sofern

es von der Kraft

des

Evangelii durchdrungen war, als auch besonders sofern eü Euch durch seine eigenthümliche Art und Weise nahe gebracht ward.

Habt Ihr gelernt

alles in Euch und um Euch auf den wahren Glau­ ben an den Erlöser beziehen, der nicht todt sein

i6

kann, sondern durch die Liebe thätig ist, habt Ihr gelernt Euer Herz erforschen nach der Regel des göttlichen Willens, seid Ihr gekräftiget wor­ den in der ungefärbten Liebe, ist Euch die heilige Schrift klarer und werther geworden von einer Zeit zur andern : so hat das der Geist Gottes in Euch gewirkt, wie er überall in seiner Kirche wirksam ist durch das Wort. Habt Ihr aber auch, abgesehn von dem besonderen Inhalt seiner Vor­ träge, jedesmal die Einfalt lieb und lieber gewon­ nen, und ehren gelernt was schlecht und recht ist; seid Ihr gleichgültig geworden gegen flüchtigen Glanz und unempfänglich für leeren Schein; habt Ihr gelernt wahr und streng sein gegen Euch selbst und jedesmal aufö neue allem Selbstbetrug «ntz aller Eitelkeit abgesagt, habt Ihr jedesmal gefühlt, welch ein köstlich Ding eö ist, daß das Herz fest werde und doch mild bleibe, wie schön eö-ist, Wahrheit suchen und lieben und doch je­ den stehn und fallen lassen seinem Herrn: dann ist auch der Eindruck seines eigenthümlichen We­ sens wirksam gewesen zu eurem Heil und Ihr ver­ dient seine Hörer und Schüler gewesen zu sein in dem Herrn. Aber so gewiß der Mensch in die­ sem Weltgetümmel solche .Eindrücke nicht oft ge­ nug

17 ttug erneuern kann: so gewiß hättet sein theu­ res Bild für immer fest in eurer Seele und laßt sein Andenken euren guten Engel bleiben euer Leben lang. Wir aber, meine Amtsgenossen,

immer wohl

sollen wir erfüllt sein von der Wichtigkeit Unseres hohen Berufs, aber nicht leicht tritt UNS dies Gefühl näher, als wenn wir einen itt unfern Kreis aufnehmen und dann den ganzen Umfang unserer Pflichten und unserer Verantwortlichkeit überschauen, oder wenn wir einen würdigen Bru­ der zur Ruhe bringend, auf den reichen Segen Hinblicken- der eine treue Amtsführung begleitet» Welch gesegnetes Feld hak dieser unser vollende­ ter Bruder bearbeitet.

Wie oft ist mir, wenn

er diese Stätte betrat, das Wort eingefallen, wie lieblich sind die Füße der Boten, welche Frieden verkündigen»

Um des Friedens willen kam der

Herr, das arme in fidj zerrissene und von Gott abgewendete Herz zu stillen und seinem Vater zu» zuführen»

Dieses Friedens Diener sind wir Alle,

und wie Er es mit uns gewesen ist, wie Er durch seinen klaren Verstand am Evangelium, durch seine richtige Einsicht in das menschliche Herz, Gaben, ohne welche freilich niemand dieses Amt

wählen soll und führen kann, aber doch mit wie besonderm Gedeihen unser Vollendeter mit diesen Gaben wirksam gewesen ist, um die Gemüther der Einen wahren Ruhe zuzuführen, das wissen wir; ja nicht nur einen treuen und wackern Ge« nossen haben wir an ihm verloren, sondern auch ein schönes Vorbild.

Doch es bedarf wol eini­

ger Rechtfertigung, daß ich mich dieses Ausdrucks bediene.

Denn einmal Einen Grund giebt eS

nur, und einen andern kann niemand legen, das ist der Grund der Apostel und Propheten, an welchem Christus der Eckstein ist, und auf wel­ chem sich der heilige Bau der Gemeine Gottes erhebt zu einem Tempel des Höchsten; und darin also ist keiner des andern Vorbild, sondern Einer ist unser Meister, Christus.

Der Gaben hinge­

gen sind wieder viele und mancherlei, der Herr bedarf ihrer aller, und theilt sie aus wie Er will. Keiner kann fein und keiner soll auch sein wollen waö der andere ist, und somit kann auch hierin nicht leicht einer des andern Vorbild sein.

Eines

aber ist, meine Brüder, wofür man uns Alle hal­ ten soll, daß wir Haushalter sind über Gottes Ge­ heimnisse.

Von

einem Haushaltec

aber wird

nichts gefordert als daß er treu erfunden werde.

19

und darin kann einer der Andern Vorbild werden. Dazu gehört aber nicht nur, daß einer die ihm anvertraute Heerde nicht versäume, sondern wirk­ lich weide, daß er beurtheile, wohin die Milch des Evangelii gehört und wohin die stärkere Speise, sondern vorzüglich auch, daß jeder daö ihm eigenthümliche Pfund recht gebrauche. Und wie uns allen der Vollendete erwecklich gewesen ist in dem ersten: so war er besonders ein schönes Vorbild in dem lezten. Daö wenigstens ist mir immer besonders herrlich in ihm erschienen, daß er ohne rechts oder links zu sehen, immer allein darauf gestellt war mit der Art und Weise, die ihm der Herr gegeben, daö Wort, was jedesmal vor ihm lag, ins Licht zu stellen und in Kraft zu sezen. Nie wollte er einem andern nachstreben oder etwas anderes sein: und als seine Kirche anfing sich zu füllen auch mit den Höheren und Ge­ bildeteren der Stadt, so hat er niemals um etwa auf diesen oder jenen eine stärkere Wirkung her­ vorzubringen, das mindeste geändert in seiner schlichten einfachen Weise, kurz niemals die Per son angesehn. Und in dieser besonderen Treue, so wie in jener allgemeinen laßt uns seinem schö­ nen Vorbilde folgen. Als treuen HauöhalterrB s

20

Gottes fei es uns immer zu gering, wie wir von Menschen gerichtet werden oder von irgend einem menschlichen Tage; wollen wir immer unser heili­ ges Amt verrichten als vor dem Herrn, nicht den Menschen zu gefallen, sondern sie zu fördern und nichts anderes

an

ihnen sehend, als wie ihr

Herz bedürftig ist der Nahrung aus dem göttli­ chen Wort, und wie es bereit ist sich mit uns vor Gott zu demüthigen und allein aus seiner Fülle zu nehmen Gnade um Gnade. So werden wir in Einem Geist mit ihm, der uns vorangegangen ist, handelnd jeder nach sei­ nem Maaß, wie es den Zurückbleibenden ziemt, die leere Stelle auszufüllen suchen, und immer mehr von dem Herrn der Erndte eben so gesegnet werden wie Er es war. — Und nun laßt uns den Leib der Erde geben, die Seele geht zu Gott, der Rechenschaft entgegen, welche wir alle abzulegen haben davon, wie jeder gehandelt bei Leibes Leben, und welche dieser ge­ treue Diener seines Herrn so freudig ablegen kann, daß wir mit der heitersten Zuversicht sagen kön­ nen: Wohl Dir, Du getreuer Knecht, der Du eingehst in Deines Herrn Freude! Er wird wissen.

worüber er dich zu sehe» und wie Er UNS zu ver­ sorgen hat. Ja Herr, der Du Arbeiter aussendest in deine Erndte und abrufst, wir preisen Dich für alle Förderung Deines Reiches unter uns, die von diesem Deinem selig vollendeten Diener ausgegan­ gen ist.

Aber wie Du abrufst, so sende auch wie­

der, und laß es Deiner Gemeine nie und nirgend fehlen an Lehrern, die wie dieser durchdrungen sind von dem Geiste Deines Sohnes.

Und so

segne der Herr dich, der du hinübergegangen bist und uns, die wir hier noch wallen!

So erleuchte

Er sein Angesicht über dir, da wo dem Gerechten das Licht aufgeht wie der Mittag und über uns «ns den dunkeln Pfaden dieses Lebens!

Er er­

hebe fein Angesicht auf uns und gebe dir den Frie­ den der Schauenden und unö den Frieden der Gläubigen.

Amen!

Nachdem hierauf noch folgende Verse ans dem Liede Nro. 374 des Porstschen Gesangbuches gesungen waren: Hier ist ep inAngst gewesen! Dort ober wird er genesen, In ewiger Freud' und Wonne Leuchten wie die helle Sonne.

22 Nun laßen wir ihn hier schlafe» Und gehn allheim unsre Straßen; Schicken uns auch mit allem Fleiß, Denn der Tod kömmt uns gleicher Weis. Das helf uns Christus unser Trost! Der uns durch sein Blut hat erlöst Bons Teufels G'walt und ew'ger Pein; Ihm sey Lob, Preis und Ehr allein.

wurde von zwanzig schwarz gekleideten jungen Männern, die

ihrem entschlafenen Beichtvater

und Lehrer diese letzte Ehre zu erweisen wünsch­ ten, der Sarg aufgehoben, um von ihnen bis an die Grabstätte getragen zu werden.

Mit ihnen

setzte sich unter Glockengeläute die gestimmte Lei­ chenbegleitung in Bewegung.

An ihrer Spitze

befanden sich Musiker mit Blase - Instrumenten. Dann folgte der Sarg, welchem ein schwarzes Kreuz und die von dem Verewigten täglich ge­ brauchte Bibel geöffnet durch Knaben vorangetra­ gen wurde.

Hinter dem Sarge

gingen die

Söhne des Verstorbenen, und an dieselben schloß sich paarweise die lange Reihe von einigen hun­ dert Begleitern an, unter denen auch die oben er­ wähnten

Geistlichen.

Die

sich

abwechselnden

Melodien der Lieder: „Jesus meine Zuversicht" und „Eine feste Burg" und anderer begleiteten

2Z

den Zug, der sich langsam über die Spittelbrücke bis an den Dönhofschen Plah, und an dessen Ecke umbiegend durch die Kommandantenstraße, einen Theil der alten Jacobsstraße, und die Tod­ ten - Gasse-Nach dem neben der letztem belegenen Jacobs-Kirchhofe bewegte.

Dort war dem Ab­

geschiedenen neben den Ruhestätten seiner ihm vorangegangenen Ehegattin und Kinder das Grab bereitet.

Nachdem die Träger den Sarg herab-

gesenkt, und ihn mit Erde zu bedecken geholfen hatten, sprach der Herr Superintendent Küster noch folgende Worte: Der Staub muß wieder zur Erde werden, davon er genommen ist, Und der Geist zu Gott kommen, der ihn gegeben hat!

So sinke denn nun nach des ewigen Vaters weisem Rathschluß die zerfallene Hülle dieses frommen und getreuen Knechtes ganz in Staub. Keiner, in welchem Christus lebt, wie er in die­ sem Verkündiger seines Evangeliums gelebt hat, wird darüber trauern, denn aus dem Staube ent­ wickelt sich

der verklärte Leib,

in welchem er

schauen wird das Angesicht Gottes und seines Heilandes.

Wir freuen uns vielmehr des herrli­

chen ErbtheilS, das seinem Geist in dem Heilig-

thum des Himmels zufallen wird, denn die treuen Lehrer werden dort leuchten, wie die Sonne, und die Viele zur Gerechtigkeit gewiesen haben, wie die Sterne immer und ewiglich.

Mit der Chri­

sten Zuversicht und Freude rufen wir daher aus: Tod, wo ist dein Stachel? Grab, wo ist dein Sieg? Dir, Gott, fei Dank, daß Du.uns den Sieg gegeben hast durch unsern Herrn Jesum Christum. Voll des Glaubens, den Er in uns entzündet hat, trocknen wir die Thränen der Liebe hier an dem Grabe Deines frommen und getreuen Knechts, den Du verkläret hast, damit er hinfoxt sei droben, wo Christus ist sitzend zu Deiner Rechten. Wir prei­ sen Dich, Vater, für alles Gute, das Du an Dei­ nem Erwählten, noch mehr aber für alles, daö Du durch ihn zum Heil gläubiger Seelen gethan hast,

Du wirst durch sein auf Erden nun vollen­

detes Wirken noch lange die Gemeine, welche um ihn trauert, erbauen und segnen. Wohl den Leh­ rern, die so fromm wandeln und so gesegnet ent­ schlafen, wie er!

Erhalte uns, bse wir noch an

denr Werke arbeiten, von welchen Du ihn abgeru­ fen hast, fest und unbeweglich, daß wir immer zunehmen in dem Werke des Herrn, sintemal wst

SS wissen, daß unsere Arbeit nicht vergeblich iß in dem Herrn.

Dir und dem großen Hirten der

Schaafe durch das Blut des ewigen Testaments, unserm Herrn Jesu Christo, sei Ehre hier in dem Lande des Staubes und dort in dem Gebiete der Verklärung von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.

Vater unser u. s. w. Der Herr segne dein Gedächtniß und behüte dei­ nen irdischen Theil zum Tage der Auferste­ hung! Der Herr laß leuchten sein Antlitz über dir in jener Welt und sei dir gnädig! Der Herr erhebe dich zu den Belohnungen seiner frommen Knechte und gebe dir des Him­ mels Frieden! Amen« Indessen Hatte sich rings um das Grab ein weiter Kreis, meistens von jüngeren Leuten gebil­ det, welche,

als der Geistliche schwieg, nach

einem

stillen Gebete, dqö Lied: Jesus, meine Zuversicht, unter Begleitung d?r Blase-Instrumente mit ent­ blößten Häuptern sangen, bis am Schlüsse dessel­ ben von den Todtengrabern der Hügel über dem Grabe vollends aufgeschüttet war.

26

Matth. Cap. xx. SB. 2 — 10. Wollt ihr Heil und Frieden finden: Wendet euch zu Christo nur, Nicht zu seiner Creatur, Nicht als Blinde zu den Blinden. Zweifelt ihr in eitlem Zage» Ob Er helfen will und kann: Bei Ihm selber fraget an, Und Er wird'» getreulich sagen. Darum auch aus dem Gefängniß Sendete Johannes zween Seiner Jünger, hinzugehn Zu dem Retter von Bedrängniß; Daß sie sprächen, sich zum Frommen: „Bist Du, der da kommen soll, „Oder muß man zweifelsvoll ..Harr'n auf eines ander» Kommen?" Jesus sprach mit holdem Munde Und antwortet ihnen: Geht Hin, und was ihr hört und seht, Davon bringt Johanni Kunde.

27 Blinde schauen, Lahme gehen, Und AuSsätz'ge werden rein» Taube hören wieder fein, Todte können auferstehen.

Und den Armen wird verkündet Froher Botschaft ew'ges Licht; Selig aber ist, wer nicht Sich an Mir zu ärgern findet.

So hat der liebe Herr gesprochen: Sein treuer Diener legt es aus, Al« er zuletzt vor wenig Wochen Zur Predigt kam ins Gotteshaus.

Ja, das war seine letzte Predigt, Das rief der Greis in unser Herz, Bevor er, dieser Welt entledigt, Gerufen wurde himmelwärts.

Auch er, ein Täufer und Verkünder Wies' weg von sich zum Bräutigam Der Seelen die betrübten Sünder: »,Das, sprach er, das ist Gottes Lamm!"

23

Ihm wird der Herr das Zeugniß geben Vor Seiner Auserwiihlten Chor: „Du warst im ird'fchcn Windes-Weben Kein hin und her getrieb'nes Rohr;

Du strebtest nicht nach stolzen Ehren, Entbehrtest gern das weiche Kleid, Und nur bedacht, Mein Reich zu mehren Bliebst du, wie Ich, in Dürftigkeit.

Drum hatt' Ich auch dich ausgekoren Zum Werkzeug Meiner Gnadenkraft, Die sich eröffnet taube Ohren Und Licht in blinden Augen schafft.

Es sind durch dich in Meinem Namen Der stillen Wunder viel geschehn, Sind stark geworden viele Lahmen Auf Meinem Weg' einherzugchn.

Auch viele find auf ihr Verlangen Vom Aussatz schnöder Sünde rein, Weil sie zum Heil von Mir empfangen Aus deinen Handen Brod und Wein.

29 Von Meinem ewigen Erbarincn War niemals deine Lippe stumm; Geprediget hast du den Armen Mein süßes Evangelium. Dein Amt mit Seegen fortzutreiben In einer eitel», bösen Zeit Ließ Ich dich lang auf Erden bleiben Geschmückt mit Greises-Würdigkeit.

Daß Meiner Wahrheit mußte huld'gen Wer in die Kirche zu dir kam, Ws niemand mogte sich entschuldgen, Der Aergerniß noch an Mir nahm;

Daß durch dein Lehren selig würden, So viele als Mein Rath ersehn, Bis du, befreit von allen Bürden Zu Meinen Freuden konntest gehn;

Da schloß Ich liebend dein Gefängniß Durch Meinen Todes - Engel auf, Und setze dir nach dem Bedrängniß Der Welt des Lebens Krone auf.