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German Pages 295 [149] Year 1981
osmanische Oeschichtsschreiber 10
DerLöWe Von Temeschwar
Styria
OSMANISCHE GESCHlCHTSSCHREIBER Herausgegeben von
DR. RtCHA RD F. KREUTEL Band l0
DER LowE VON TEMESCHWAR Erinnerungen an Ca'fer Pascha
den )'lıeren, aufgezeichnet yon seinem
Siegelbewahıer'Ali
unter Mitarbeit yon
KARL TEPLY übersetzt, eingeleitet und erklert Von
RICHARD F. KREUTEL
VERLAG STYRIA GRAZ WIEN KÖLN
INHALT
ClIıKu17(iıeIa!ılnahme dcr dcuıschen Bibliolhek Ali:
Der Löwe von Temçschwar : Erinnerung an ca'fer Pa§cha den A]teren / Aufgezeichnğt
!on §e!nem sieselbewahrer'Ali. Unler Mil arbeit !on Ka"rl Tepl}. Übers.. eingeleiıeı u. erkl. Von Richard l . Kreukl Cral; wien; KöIn: Verlag styria, 1981 , (osmani§ch6 Geschichtsschreibe.; Bd. l0)
|SBN 3-222-10412-1
NE i Kreutel, Richard F. [übefs.];
C@
OJ copyright
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1981 by Verlag
slyria Graz wien Kölı]
Allc Rechte vorbehalten, Printed in Auslria Umschlaggestaltung: Christop}ı Albrecht Gesamthcrsteilung: Druck- und Ver]agshaus Slyfia, craz
ISBN 3-222_10472-7
Zur Aussprache tüIkischel
Einleitung. Text. Anmerkungen Register.
wörter. .......
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ZUR AUSSPRACHE TÜRKISCHER WÖRTER
Die türkischen ebenso wie die arabişchen und persischen Wörter werden soweit sie nicht (wie etwa ,,Janitscha-
re", ,,Pascha", ,,Wesir", ,,Giaur") bereits zum festen
Bestand an Lehnwörtern im deutschçn woItschatz zehin der heutigen türkischen Lateinschrift wiedergegeben, deren Aussprache die folgenden Besonderheiten
len
aufweist:
c ç e
: :
ğ
:
:
h
:
ı
:
stimmhaftes dsch (wie engl. j in ,,John") stimmloses tsch wie in ,,Tschibuk" (engl. ch
in,,chuıch") nur vor ğ und y geschiossen wie in ,,See" (z.B. Beğ), sonst immer offen wie ii in ,,Armel"
nach e, i, ö, ü wie deutschesj; nach a, ı, o, u
unhörbar, jedoch Dehnungdes betreffenden
vokales bewirkend
auch am silbenende deutliçh hörbar, fast wie deutsches ch
dumpfes i wie russ. y in ,,Iyba"; im Deutschen an sich unbekannt, jedoch unwillkürlich gebildet bei langsamer Aussprache der
Interjektionen ,,hm!" und ,,brrr!" (die ein Türke folgerichtig hım und bır schreiben
i s
: :
Ş v y z
: : : :
würde)
wie französ. j in ,journal"
immtr stimmlos (scharO wie deutsches und IJ wie sch in ,,Schule" wie deııtsches w wie deutsches j wie stimmhaftes deutsches s in ,,Wiese"
ss
' und
':
stimmabsatz vor und zwischen vokalen. wic zwischen e und i bei betont koırekter Aussprache des Wortes ,,beinhalten" In der Schreibung mit GroBbuchstaben erscheinen ı als I, i als I und ğ als blol}es G. Vokale mit übergesetztem Zirkumflex (i, i, ü) sind lang auszusprechen. (Diese Lengenbezeichnung wird nur dort angewandt, wo sie heute noch phonetisch bedeutsam iSt oder aus sonstigen besonderen Gründen wünschenswert
erscheint.)
Die ungaıischen, rumanischen und südslawischen Na-
men werden in einer verdeut§çhenden umschrift wiedergegçben, so daB z. B. ,,t§ch" für ungar. ,,cs" (Ketschkemet
:
Kecskem6t), für rumtin. ,.c" (Tschenej : Cenei) und : Beöej) steht. Einige Folgewidrigkeiteff und kleinere Ungenauigkeiten waren dabei niçht zu vermeiden.
für serb. ,,ö" (Betschej
EINLElTUNG
Der Sogenannte ,,Gro8e Türkenkrieg" l683 bis l699 hat
in mehrfacher Hinsicht Epoche gemacht. zittelte,
alŞ
Kara Mustafa die RolJschweife gegen den Westen aus-
stecken lieB, das Abendland davor. daB den Osmanen diesmal der Gıiff nach dem ,,Goldenen Apfel der Deutschen" gelingen könnte, so lieRen das Debakel seines Riesenheeres vor Wien und danach die Feldzugsjahr für Feldzugsjahı erfochtenen Siege der Kaiserlichen und ihrer Veıbündeten am Wiçner Hof sogar die verwegene Hoffnung aufkeimen, möglicherweise,,die Conquesten bis Constantinopel zu poussieren". Solchen Trdumen kam keine Realitat zu. Aber die Gewichte hatten sich unwiderrufl içh veısçhoben. In dem zu Karlowitz am 26. 1. I699 unterzeichneten Frieden mu8te del sultan erstmals türkischen Boden preisgeben, und.für die in ihrem Hochgelühl militerişçher und kultureller Uberlegenheit über die ,,Giauren" zutiefst verunsicherten Osmanen setzte eine lange Periode deş subştanzabbaues und schlieBlich des verfalls ihres noch immer über drei Kontinente hingestİeÇkten lmperiums
ein, wdhrend sich die Monarchia Austriaca als GroBmacht des Donauraumes etablierte und vom Norden her sein unerbittlicher zukünftiger Gegenspieler auf dem Balkan, RuRland, berandrangte. Es ist Selbstverstiindlich. dal] füı uns das Geschiçhtsbild dieses Krieges von den wuchtigen Schlagen be§timmt wird, die entlang der Donau als Rückgrat und Hauptachse der Gegenoffensive fielen. Wenige Wochen nach dem l2. Septembef l683, dem Tag des EntŞatzes von Wien, wurde Gran genommen, l685 Neuhiiusel. 1686 das noch zwei Jahre zuvor vergebens berannte Ofen anderthalb
Jahrhunderte 1ang
die Zentrale Festung
Türkisch-
den schauplatz. Am 11. septemb€r
1687 besiegelte die zweite Schlacht von Mohiicş die Eroberung des ungarischen Tieflandes. und l688 wehte erstmals der kaiserliche Doppeladleı über Belgrad, dem Sçhlüssel zum Balkan. Dann kam ein Rückschlag, da der von diesen Eılolgen
1697 stellte er das osmanische Heeı bei Senta, als es eben die TheiB überschdtt, und vernichtete es. Das fünfzehnjöhrige Ringen waI ent§chieden. Mit seiner,,Chronik der Begebenheiten Ca'fer Paschas" ( Tarih-i Vak'an6me-i Ca'fer Paşal, die wir hier in
schwer angeschlagenen Osmanen nützten die Atempause. Unter Süleyman IL, der seinem durch die Janitscharenrevolte abgesetzten Bruder Mehmed IV. 1687 aufdem
miterlebte Kıiegsgeschehen an deI osmanisch-habsburgischen Grenze wahrheitsgetreu zu schildern und gleichzeitjg seinem berühmten Herrn. Ca'ler Pascha dem Alteren.
Ungarns ,
alarmierte Ludwig XIV. von Frankreich nunmehr am Rhein zum offenen Krieg gegen das Reich überging. Die
Thron gefolgt war, konnte der GıofJwesir Mustafa Köprülü die Autoritat der Hohen Pforte in den Provinzen des Reiches wiederherstellen und l690 Nisch, Smederevo
und auch Belgrad zurückerobern, Als eı jedoch 169l
gegen Peterwardein ıückte, erlitt er bei Slankamen durch
Ludwig von Baden eine schwere Niederlage und fand den
Tod auf dem schlachtfeld.
Die ndchsten Jahre lassen aufbeiden Seiten konsequent verfolgte strategische Konzepte vermissen. Füı die Kaiserlichen beanspıuchte die Front im Westen ihre besten Krefte. und die Oberbefehlshaber, die dem ,,Türkenlouis", dem Sieger von Slankamen, auf dem ungarischen Kriegsschauplatz folgten. waren ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Der im September 1693 unternommene Ver-
such, sich Belgrads wieder zu beııöchtigen, scheiterte unteı schweren Verlusten, abeı das gleiche gilt für die
Belagerung Peterwardeins durch die osmanen im folgenden Jahr. Auch die Erfolge des neuen sultanS, Mustafas II., auf den von ihm persönlich geführten Feldzügen mit dem Sieg über den altbewahrten Veterani l695 und dem
noch eindrucksvolleren Triuınph über den Kurfürsten Friedrich August von Sachsen l696 erbrachten letztlich nicht den kıiegsentscheidenden Ausschlag und waren
ihm. so sehr sie die Kaiserlichen erschütterten, eher dank der Gunst besonderer Umstende zugelallen als durch strategische Überlegenheit errungen worden. Erst mit dem jungen Prinzen Eugen trat wieder ein Feldherr auf
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Ubersetzung vorlegen, velfolgte del Autoı, 'Ali aus Temeschwar, einen doppelten Zweck: Das von ihm
ein Denkmal für die Nachwelt zu schaffen. Demgemö0 behandeltseine schriftim wesentlichen das Jahrzehnt von 1688, als der Pascha die Statthalterschaft zu Temeschwar antrat, bis 1697, ats er in der Schlacht bei Senta fiel. Gelegentlich sprcngt jedoch der Verfasser seine chronologische Darstellung oder greift über seineı zeitlichen Rahmen hinaus, um ein früheres oder spdteres Ereignis zu berichten. Die endlose, verwirrend unübersichtliche und zugleich monotone kette del sich scheinbaı blo8 in lokalçr B€deutung elschöpfenden Aktionen und Gegenaktionen ist der modernen Geschichtsschreibung gewöhnlich keine
zweı Zeileı wert. Und doch zeigt in ihnen der Türkenkrieg sein uleigenstes Wesen. Von del Zeit der ersten osmanischen Eroberungswelle an blieb in jener Welt der Grenzfestungen Kampf odu doth stete KampIbereitsçhaft das Lebensgesetz. ,,Gro8e Kriege" intensiyi€Iten lediglich den ohnehin bestehenden Zustand. Und dieser wieder schuf eine beide seiten erfassende Lebensform besonderer Pıögung, in der sich bei aller Gegnerschaft, allem haBerfüllten Fanatismus so etwas wie eine solidaritet der voldelsten Linie hüben wie drüben ausbildete und sich auch in einem unverbrüchlich eingehaltenen Ehrenkodex niederschlug. Jede einzelne der von unserem
chronisten geschilderten Episoden steht füI Hundelte und Tausende von öhnlichen Begebenheiten und Schick§alen. Insgesamt lassen sie uns nicht nur den iiuBeıen
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Ablauf dieser Überfiille, Blockaden und Streifzüge miterleben von deren Einsegnung durch einen Deıwischşçheiçh biş zu. verteilung der Beute (von der ein fester Anteil in die Fürsorgekasse füI Witwen und Waisen flieB$ , sondern auch ihre aus elementarer Kampflust und glaubensktimpferischer Verpfl ichtetheit amalgamierten psychischen Vorauş§elzungen. Keine andere osmani-
sche oder abendlöndişçhe Quelle erhellt diesen nahezu unbekannten Aspekt des Zeitalters der Türkenkriege in solchem MaBe.
Ca'feı Pascha der Altere ( Büyük oder Ko(,a, zvr
Unterscheidung von seinem arnautischen Namens- und Zeitgenossen) wird von den damaligen osmanischen Geschichtsschreibern als ein Mann von hervorragender
Tapferkeit, Integıitalt. Klugheit, Umsicht, Tüchtigkeit
und Kriegserfahrung gerühmt. In dem Chaıakteıbild, das sein ehemaliger Siegelbewahrer 'Ali von ihm zeichnet und
bei dem diesem Liebe und Verehıung das Schreibrohı führen, erscheint der Pascha, dessen auBergewöhnliche Persönlichkeit auch aus Feindeşmund gewürdigt wird,
überhaupt mit allen Eigenschaften begabt, die da§ oŞmanisçhe Ideal vom ,.aristotelisch weisen wesir" ausmachen und zu denen nitht als letzte die unerbittliche strenge im Walten seiner Gerechtigkeit gehört; gegen den verschiedentlich erl,ıobenen vorwurf der Grausamkeit freiliih verteidigt der Chronist seinen Helden aufdas angelegentlichste. So viel er auch über Ca'fer Paschas Vorzüge a|s WürdentIager und Feldherr zu berichten weiB, über desşen Privatleben erfahren wir so gut wie nichts, nicht einmal wie er aussah. ob er verheiratet oder wann und wo er geboren war. Wenn wir die manchma] widersprüchlichen und sogar offenkundig unzutreffenden einschliigi gen Nachrichten bei aııderen Geschichtsschreibern und aus deı osmanischen Nationalbiographie Sicill-i' o.şmanf
von Mehmed Süreyya ııit den von unseıem Chronisten überliefeften Angaben in kritischer Auswertung zu§ammenstellen, ergibt Sich im UmriB folgende Lebensgeschichte ca'fer paschas: 12
Wohl innerhalb deşJahrzehnts zwischen 1630 und l640 geboren, scheint €r als Page am Sultanshof aufgezogen
worden
zu sein. In seiner Amterlaufbahn, die er in
heıkömmlicher Weise a.|s Kethüda (Hofprafekt) mehreIer Pasçhas etwa um 1670 begonnen haben dürfte, ist das fİüheste gesitherte Datum der Dezember 1682, in den seine Ernennungzum Bannerherrn von Kars in Ostanatolien föllt. Dann wurde eİ statthaltel von Erzerum, am 25. Mai 1684 von Van und im Laufe des islamischen Jahres 1096 (: 8. 12. 1684 2'7,l1. 1685) von Sivas. Im Frühiahr 1686 wurde er unter Erhebung in den Wesirsrang mit einer Strafexpedition gegen die Rebellen in Anatolien beauftragt (vgl. S. 232 ffl) und nach seinem erfolgreichen Ein§atz am l8. Oktober 1686 zum Beğlerbeği von Diyarbekir ernannt (S. 235), als welcher er mit seinen Provinztruppen §ogleich zum Feldheer in Ungarn einrückte und den Winter in Belgrad zubrachte. Im Sommer 1687 zuI
Bewachung der Donaubrücke bei Peterwardein abgestellt, warer an der Schlacht und Niederlage am Harsıiny-
Berg nicht beteiligt (ebd.). Mit seineı Ernennung zum Garnisonkommandeur yon Temeschwar zu Ende 1687 oder eher Anfang I688 (Vgl. Anm. 8 zur Übs,) setzt in unserer Chronik die Erzdhiung seiner weiteren Laufbahn ein: Nach der erfolgreichen Verteidigung des auf allen
Seiten vom Feind eingeschlossenen Temeschwar (September l688-0ktober 1690) führte er als Feldherr den Winterfeldzug (Ende Oktober l69G-Janner 1691) in Siebenbürgen zur Unterstützung Tökölys. Fast das ganze Jahr 169l blieb er als statthalter von Bosnien in dieser Provinz; das gegen Slankamen voırückende Hauptheer, zu dem er einberufen worden war, erreichte er nicht mehr und erlebte so die vernichtende Niederlage gegen den ,,Türkenlouis" arn 19. August (vgl. Anm. 111) nicht mit. Am 7. Dezember 169l wurde er aus Bosnien zum Beşatzungsdienst in Belgrad als Beğlerbeği von Adana
abberufen, und im oktobel 1692 erfolgte seine Ernennung zum statthaltel von Haleb und zugleich zum Oberbefehlshaber in Belgrad, d.h. zum Feldherrn in 13
Ungarn. Mit der glanzenden Verteidigung Belgrads gegen die obenerw5hnte Belagerung durch die Kaiserlichen im Sommer 1693. von der er eine Verletzung am Bein davontrug, erıeichte Ca'fer Pascha den Höhepunkt seines Ruhmes: Hinfort war es seine Stimme, die jeweils im Kriegsrat den Ausschlag gab. Nach einem kurzen Besuch
in Temeschwar als Sohn eines GroBlehenstragels namen§ Mehrned zur Well gekommen, und zwar, da eI l683 neun Jahre alt war (S. 72 mit Anm. 65), anno l674. Als ,,junges
Bruder Yusuf Beğ verwaltete, nahm er mit dem Reichs-
loskaufen lieB (S. 39f.). Zwişchen diesem und Ca'feı
sçineİ Provinz Haleb, die stellvertletend für ihn sein heer an der vergeblichen Belagerung Peterwardeins im september und oktober l694 teil; den winter verbraçhte er wieder in Belgıad, dessen Hut ihm weitelhin anvertraut blieb. Wöhrend der Kampagne Sultan Mustafas im Sommer 1695 elobçrte eI mit einer von ihm selbst vorgeschlagenen Sonderoperation die Festung Titel an der TheiB, und am 6. Oktober wurde ihm wieder die statthalterschaft von Haleb verliehen, aus der er im Dezember des Vorjahres abgelöst worden war (vgl. Anm. l96). l696 weilte er von Maİz bi§ Mitte Mai in Haleb (vgl. Anm. l97-199), und im Sommer nahm er am zweiten Feldzug des Sultans im Banat mit dem Sieg über den Kurfürİten von Sachsen am 26. August (vgl. Anm. 209) teil; dem ihm Ende August (vgl. Anm. 22l) angesichts des bedenklichen zu§tandes der Festung Temeschwar vom
Sultan persönlich erteilten Auftrag, doıt wieder das Kommando zu übeınçhmen, fügte er sich nur nach
ldngeıem Widerstreben, widmete sich dann jedoch der Insİandsetzung der Festung mit vorbildlichem Eifer. lm nachsten Jahr wird der von ihm entworfene und im
Krieg§fat zu Belgrad gebilligte Operationsplan für den dritten sultanischen Feldzug im weiteren Verlauf nicht
eingehalten, und eskommt zur Katastrophe bei Senta, wo
in der Schlacht am ll. Septeııbt.
1697 auch Ca'fer findet. den Tod Pascha Für Angaben über den Verfasser der Chronik, die er selber auch als ein Epos auf die Glaubensstreiter der
Grenze, diese,,Panther und Löwen des Kampfgetümmels", vorstellt, sind wir auldas Wenige angewiesen, das er zu seiner eigenen Person aussagt; Er hie8
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'Ali und war
Bürschchen", nach unserer Rechnung vierzehnjiihrig,
geriet er bei der Einnahme der Festung Lipowa duıch den
kaiserlichen General Caraffa im Juni 1688 in Kriegsgefangenschaft, aus der
ihn sein Vater
unverzüglich
pascha bestand ein altes Gastfreundschaftsverhiiltnis,
unserem
'Ali
das
zugute kam, als er, verwaist und zuı vom Vatel hinterlassenen Haushaltes von
Erhaltung des den Ertldgen des offenbar arg heruntergewirtschafteten Lehens kaum imstande, die groBzügige Untelstützung des als neuer statıhalıer nach Temeschwar sekommenen Ca'fer Pascha erhielt l vgl. Anm. 49 zur Übİ..1, der ihn schlie0lich als Siegelbewahrer in Dienst nahm (S. 68). In dieser Eigenschaft blieb'Ali im ,,inneren" (: engeren) Gefolge seines Herrn bis zu dessen Heldentod bei senta. Dann diente er dem Hazinedal'Ali Pascha wiihrend seiner Statthalterschaft in Belgrad, also zwischen Ende |697 und 1700, als Kanzler (S. 4l). Demnach wird er
Temeschwar Ende 1697 oder bald darauf verlassen haben, und er düıfte erst im oktober oder November
I 708 wieder in seine Heimatstadt gekommen sein, als er, ınzwischen Kethüda des Yürük Hasan Pascha geworden, seinem damals zum statthalter von Temeschwaı ernannten Helrn dorthin folgte (S. 68). Zur Zeit der Eroberung Temeschwars durch den Prinzen Eugen (l3. oktober 1716) scheint 'Ali nicht zugegen gewesen zu sein, da eı sonst darüber gewi8 einlöBlich berichtet hiitte (vgt. Anm. 34); auch über seine weiteren Schicksale erwehnt er nichts. wir wissen nur, und zwar aus dem Abschluovermerk seiner Schrift, daB er Ende Juni l'722. a|so achtundvierzig Jahre alt, noch am Leben war, und aus den Widmungen seiner Einleitungs- und SchluBgedichte an den Sultan und den Gro8wesir können wir schlieBen, daB er damals in Istanbul ansi,ssig war, fern seinel Vaterstadt, die zusammen mit dem Temescher Banat l7l8 im Frieden
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von Passarowitz (Poiarevac) endgültig an Österreich gefallen war.
ist eine bemefkenswerte Tatsache, daB Temeschwar, die Festungsstadt an der ungarischen Grenze, gegen Ende F-s
seineı Türkenzeit gleich dIei Schriftsteller hervorgebracht hat, deren Werke, den osmanischen Bibliographen unbekannt geblieben, für uns zu den interessante§ten Quellen über die Beziehungen zwisçhen Habsburg und der Hohen
Pfotte um die Wende vom 17. zum 18. Jahıhundert gehören. Drei odçr vieı Jahre iilter als 'Ali war der
İ)olmetscher 'Osman Ağa, von dessen Schriften zwei als Band IV (Der Gefangene der Giauren) und Y. (Zwischen Paschas und Generiilen) unserer Reihe in Ubersetzung vorliegen. Da0 'Osman bei'Ali, deı mit lokalpatriotischern Stolz die Gelehrten, Dichter und Kalligraphen Temeschwaıs namentlich anfühıt (S. 69 ff.), nitht erwehnt erscheint. obwohl beide im Juni 1688 an einem Soldgeldtranspoıt nach Lipowa teilnahmen und dort in Kriegsgefangenschaft gerieten (vgt. Anm. 10), ist nicht verwunderlich: Damals war eI nichts weiter als ein junger Kavallerieoflızier. und als er dann ab 1699 in Temeschwar als Dolmetscher und sekretaı der statthalterkanzlei amtierte, war 'Ali, wie wir oben gesehen haben, nicht mehl dolt, wahrend andererseits bei dessen Rückkehr nach Tem€schwar gegen Ende 1708 'Osman seinem damaligen Dienştherrn, 'Ali Pascha dem Bostancıbaşı, nach Belgrad gefolgt war. Der dritte der Temeschwaler chlonisten ist İer wlitaus jüngere, um 1702 geborene ibrahim Na'imeddin. der in seinem Hadikatü 'ş-Şühed|-ı Serhadd (: ,,Garten der Glaubensmertyrer der Grenze") die Begebenheiten nach der Belagerung Wiens l683 bis zum Jahre 1744 beschfieben hat, mei§t dem Hofhistoriogıaphen Rdşid Efendi lolgend. aber mit vielen eigenen Zusdızen iiber Temeschwar. Eine çinldRliche Beschreibung dieser
stadt enthalt das geographische Werk des ibrahim Hamdi aus Bartın (vgl. Anm.53), der uns auch das hübsche Chronostich Ah, gitdi Tımışlar elimizden! (: ,,Ach, verloren ist uns Temeschwar gegangen!") auf l6
tlıs.lahr der Eroberung, l l28 nach der Hidschra l2. l7l5 15. 12. l'7l.6), überliefert.
(:
27.
Unseı'Ali zeigt sich in şeineın Werk alş ein gebildeler
ııı,ıd liebenswürdiger Erzihler, mit Humor begabt und für |'ocsie so begeisteıt, daB eısich, unterdem Dichternamen ,Nıık,r/ ..dg1 Ornamentale "), selber in dieser Kunst
(:
vcrsuchte. Er zitiert arabischç Kolanstellen und Pıopheıcırworte mit der gleichen Leichtigkeit wie persische Verse ıınd hat gemd13 dem Zeitgeschmack in seine Prosaerzihlııırg immer wieder Verszitate und eigene Gedichte eingeslrcut, auch gröBeren Umfangs und Sogar in persischer
Sprıche abgelaBt und sehr oft am Seitenrand oder
zwischen den Zeilen nachtraglich eingefügt. Um den uns r,,ıEcgebenen Buchumfang nichı zu überschreiıen, haben
rrır in unıerer Übersetzung so gut wie alle diese poeıischen Partien des Originaltextes weggelassen, auch so ınıınche allzu verschnörkelt oder anakoluthisch ausgeliıllene Passage stilistisch gestrafft oder prazisiert und
schlic8lich sogaı einige entbehrlich erscheinende Kapitel iilıcrsprungen. So konnte der gıöBtmögliche Teil dieser ıı ıı hıigen Geschichısquelle miı der ı orliegenden C berseıztıı,ıg erschlossen und ihr sachlicher Gehalt anhand von
ı,crlııiltnismdBig zahlreichen Anmerkungen überpfüft
rvcrden. Die aus anderen osmanischen chroniken und :ıııs östeıreichischen Archiven herangezogenen Belegstellcn erweisen unseren'Ali a|s einen im allgemeinen sehr ztıverldssigen Berichteıstatter, wenn er auch hier und da, ıvohl infolge von Gedechtnisteuschungen oder bloBen Schreibversehen, nachweislich irrige Angaben liefert, ıınscre Kenntnisse von den markanten Begebenheiten des ( iroI]en Türkenkrieges werden von ihm, dem Augenzeulıcıı der Verteidigung Belgrads l693, der Belagerung |'cterwaıdeins l694 und der Schlachten bei Tschenej l 696 tınd Senta l697, um viele interessante Einzelzüge bereichcrf
Angesichts des hohen Quellenwertes dieser Ca'fer|'ıscha-Chronik ist es erstaunlich. dafj sie nicht schon
ltingst von der Osmanistik für die allgemeine Geschiçhts-
11
forschung zugiinglich gemacht worden ist, und dies umso mehr, als bereits vor hunderıdreiBig Jahren Jinos Röpicu -
TEXT
ky in der Zeiıschriiı IJj Magyar Muzeum lelsö folyam.
l850-5l. m6sodik követ, PeSt, S. 3l7ff) über die Existenz dieses Manuskriptes berichtet und neben eineı kurzen Inhaltsangabe auİh die ungarische Übersetzung von zwei Kapiteln daraus veröffentlicht hat. Die Handschrift, ein Unikum, wurde im November 1841 von einem nicht niiher identifizierten selim pascha dem damals in der Türkei tatigen Arzt Istvan Mar6thy und spöter nach dessen Tod von seinem Brudeı der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest geschenkt, in deren Orientalia-Sammlung sie unter der Signatur Török F. 60 aufbewahrt ist. Sie umfaOt l93 Blatter, jedoch fehlt nach der Titelseite das erste BIatt, das die übliche Anrufung Allahs und den Beginn der darauffolgenden Lobgedichte aufden sultan und den GroBwesir enthalten haben muB.
Unsere Übersetzung beginnt mit dem auf Blatt 3v
stehenden prosavorwort. Die Arbeit an dem hiemit vorgelegten Band haben wir uns so geteilt, da8 Kreutçl die osmanischen Texte über-
setzt und den osmanistischen Teil der Anmerkungen
bestritten und Teply die Beibringung und Auswertung der abendliindischen Quellen geleistet hat.
Der Ungari§then Akademie der Wisşenschaften und
der Direktorin ihrer Orientalia-Sammlung, Frau Dr. Eva Apor, entbieten_wir für die gütige Erlaubnis zur Publikation unseler Übersetzung der Handschrift, unserem Freund Herrn Prof. Dr. Eriçh Prokosch in Kairo für seine selbstlose Hilfe zur Beschaffung von entlegener Fachliteratur auch an dieser stelle unseren herzlichen Dank.
t8
AnlaJ3 zur NiedeıschriJi dieser kurzgefa.fJten Chronik
Manche Gelehrte schreiben in den von ihnen verfafjten ('hroniken von Schlachten und Belagerungen, von vielerlci denkwürdigen Eıeignissen und seltsamen Begebenheiıcn. die sie zumei§t nur aus zweiter Hand, nach Berichten vıııı Gewdhrsmönnern oder durch Exzerpieren aus ande-
rcn Geschichtswerken überliefern, jedoch als ihr Eigen-
wissen hinzustellen belieben.
lch Geringer und Fehlerreicher aber habe seit dem Wiener Jahreı in eigener Person, aus eigener Anschauung
ıınd am eigenen Leibe binnen kıırzer Zeit Abenteuer c.lebt, die, wenn ich sie alle zusammen aufzeiçhne und sclrildere, wohl ein k