Monetäre Verteilungspolitik: Zur Begründung und Bewertung verteilungspolitischer Maßnahmen am Beispiel Österreichs und der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.] 9783428470907, 9783428070909

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Monetäre Verteilungspolitik: Zur Begründung und Bewertung verteilungspolitischer Maßnahmen am Beispiel Österreichs und der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.]
 9783428470907, 9783428070909

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Volkswirtschaftliche Schriften Band 408

Monetäre Verteilungspolitik Zur Begründung und Bewertung verteilungspolitischer Maßnahmen am Beispiel Österreichs und der Bundesrepublik Deutschland

Von

Friedrich Hinterberger

Duncker & Humblot · Berlin

FRIEDRICH HINTERBERGER

Monetäre Verteilungspolitik

Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann

Heft 408

Monetäre Verteilungspolitik Zur Begründung und Bewertung verteilungspolitischer Maßnahmen am Beispiel Österreichs und der Bundesrepublik Deutschland

Von

Friedrich Hinterberger

ä

Duncker & Humblot - Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Hinterberger, Friedrich: Monetäre Verteilungspolitik: zur Begründung und Bewertung verteilungspolitischer Massnahmen am Beispiel Österreichs und der Bundesrepublik Deutschland / von Friedrich Hinterberger. Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 408) Zugl.: Glessen, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07090-9 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-07090-9

"Armut ist ohne Zweifel das Schrecklichste. Mir dürft einer zehn Millionen herlegen und sagen, ich soll arm sein dafür, ich nehmet's nicht."

Nestroy

Vorwort Johann Nestroy bringt in dem einleitenden Zitat die verwirrende Komplexität zum Ausdruck, der das in diesem Band behandelte Problem bis heute unterliegt - in der öffentlichen wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion fast gleichermaßen. Diese Arbeit versucht, einen möglichen Weg durch diesen Dschungel zu weisen und dokumentiert dabei nicht zuletzt meine persönliche Auseinandersetzung mit den am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen und an der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Johannes-KeplerUniversität Linz vertretenen nationalökonomischen Schulen, deren Unterschiede und Verbindungslinien anhand eines konkreten Problems, eben der Verteilungspolitik, herausgearbeitet wurden. Danken möchte ich daher zunächst meinen Linzer und Gießener Lehrern, den Professoren Dr. Kurt W. Rothschild, Dr. Kazimierz Laski und Dr. Hans-Georg Petersen für ihre Förderung und Diskussionsbereitschaft, letzterem insbesondere auch für seine fördernde Begleitung der gesamten Arbeit, die als Dissertation während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl VWL I I des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen entstand, und die Einräumung des dafür nötigen zeitlichen wie inhaltlichen Freiraumes. Darüber hinaus danke ich Professor Dr. Armin Bohnet für die Erstellung des Zweitgutachtens. Die Arbeit, die im empirischen Teil eine Zwei-Länder-Studie darstellt, wurde ausfühlich diskutiert mit österreichischen und deutschen Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen, denen ich an dieser Stelle recht herzlich für Ihre vielen kritischen Stellungnahmen zu ersten Versionen einzelner Teile danken möchte: Michael Buss, Alfred Burgstaller, Laura Elke Czeschick, Andrä Karl Gärber, Jutta Lusche, Walter Ötsch, Josef Zweimüller sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an mehreren Mitarbeiterseminaren des Linzer Instituts für Volkswirtschaftslehre und

VI

Vorwort

des Gießener Fachbereichs. Ihre Einwände haben meine Arbeit meist intensiviert und oft dafür gesorgt, daß das Spektrum der behandelten Fragen noch weiter aufgespalten wurde. Hervorheben möchte ich die ausführlichen und oft hitzigen Diskussionen, die ich mit meinen Freunden und Kollegen am Lehrstuhl VWL II, Klaus Müller und Michael Hüther, geführt habe, und deren kritische Einwände verbunden mit der nötigen moralischen Unterstützung - viel zu einer Schärfung der eigenen Argumente beigetragen haben. Einige wichtige Helferinnen und Helfer haben schließlich bei der Erstellung der Endfassung der Doktorarbeit und des vorliegenden druckreifen Manuskripts beigetragen, von denen ich Frau Helga Pfeiffer besonders hervorheben möchte. Kerstin Heyd unterstützte mich nicht zuletzt kontrollierend in dem Bemühen um eine weitgehend geschlechtsneutrale Ausdrucksweise. Alle verbleibenden Unzulänglichkeiten sind schon deshalb mir alleine anzulasten, weil ich mich nicht allen Anregungen und Kritikpunkten anschließen konnte. Gießen, im Oktober 1990

Friedrich Hinterberger

Inhalt

Vorwort

V

Inhalt

VII

Verzeichnis der Abbildungen

XII

Verzeichnis der Tabellen

XII

Verzeichnis der Übersichten A. Zur Vorgehensweise I.

II.

XIII 1

Einführung

2

1. Zum Anliegen und Gang der Untersuchung 2. Ausgrenzungen 3. Einordnung in die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

2 5 9

Methodische Grundlagen

13

1. Eine allgemeine Zielformulierung a) Positive und normative Betrachtung. b) Übereinstimmung, Kompatibilität, Inkompatibilität, Koinzidenz und Störung c) Zur Ableitung eines spezifischen verteilungspolitischen Handlungsbedarfs 2. Entscheidungsfreiheit als Erklärungsprinzip und als Wert a) Zur positiven Fragestellung: Entscheidungsfreiheit als Erklärungsprinzip b) Zur normativen Fragestellung: Entscheidungsfreiheit als Wert c) Kompatibilität und Begründung verteilungspolitischer Maßnahmen

13 13

30

B. Gerechtigkeitsvorstellungen und Verteilungserklärungen in einem "allgemeinen Bewertungsrahmen" (ABR)

32

I.

16 18 19 21 28

Die "verteilungsrelevante Position"

33

1.

33 33 37

Begriff und Meßkonzepte der Position a) Definition b) "Meßkonzepte" der Position

VIII

II.

III.

Gliederung 2. Mögliche Positionsbegriffe a) Eindimensional-objektive Positionsbegriffe b) Eindimensional-subjektive Positionsbegriffe c) Mehrdimensional-objektive Positionsbegriffe d) Mehrdimensional-subjektive Positionsbegriffe e) Zusammenhänge und Kompatibilität zwischen den Positionsbegriffen

44

Strukturierung normativer und positiver Verteilungstheorien

47

1. Normative Verteilungstheorien: Gerechtigkeitskonzepte a) Definition von Armut und Ungleichheit b) Drei mögliche Sichtweisen der Gerechtigkeitsdefinition 2. Positive Verteilungstheorien: Konzepte der Verteilungserklärung a) Armuts- und Verteilungserklärungen b) Drei Sichtweisen der Ungerechtigkeitserklärung 3. Kompatibilität im Rahmen der verschiedenen Konzepte a) Allgemeine Kompatibilitätsbedingungen b) Kompatibilität in den drei Sichtweisen 4. Verteilungspolitische Ansatzpunkte a) Der "positionsrelevante Aspekt" b) Die allgemeine Darstellung einer spezifischen Steuer-/ Transferfunktion im ABR.

47 48 49 54 55 55 58 58 59 63 64

Weiterreichende Fragestellungen: Unterschiede und Zusammenhänge zwischen den Theorien 1. Einzelne Ungerechtigkeitstatbestände und deren Messung a) Zur "Relativität" der Ungerechtigkeit b) Messung von Armut und Ungleichheit 2. Ein einfaches subjektbezogenes Verteilungsmodell: Strukturierung nach Begründungsfaktoren a) Zusammenhänge zwischen den Erklärungsansätzen b) Gesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Einflüsse c) Die Zusammenhänge zwischen Armut und Ungleichheit

C. Vier Konzeptionelle Fragen bei subjektbezogener Skhtweise I.

39 40 42 42 44

69 71 71 71 77 79 83 91 94 96

Die Bezugsgröße: Gerechtigkeitsstandards und Verteilungstypen

97

1. Der Möglichkeitsraum a) Bedarf, Bedürfnisse, Präferenzen, b) Leistung: output- und inputorientierte Bezugsgrößen c) Berücksichtigung der Entscheidungsfreiheit bezüglich der Leistung: die Bezugsgröße Anstrengung d) Die Bezugsgröße Gesetz: Gesellschaftliche Akzeptanz bzw. Ergebnis der gesellschaftlichen Auseinandersetzung 2. Normative Fragestellung: Gerechtigkeitsstandards a) Der Standard Bedarf b) Der Standard Leistung c) Der Standard Anstrengung d) Der Standard Gesetz e) Kombinationen von Standards

98 98 99 101 103 104 106 108 109 109 111

Inhalt

II.

III.

3. Positive Fragestellung: Verteilungstypen a) Der Verteilungstyp Bedarf b) Der Verteilungstyp Leistung c) Anstrengung im Rahmen der Verteilungserklärung d) Bargainingtheoretische Verteilungserklärungen: der Verteilungstyp Gesetz 4. Zur Kompatibilität von Standard und Verteilungstyp und die Ableitung verteilungspolitischer Maßnahmen a) Kompatibilität bei symmetrischer und asymmetrischer Berücksichtigung der Entscheidungsfreiheit b) Kompatibilität ohne besondere Berücksichtigung der Entscheidungsfreiheit c) Zur Ableitung verteilungspolitischer Maßnahmen aus einer Inkompatibilität zwischen Standard und Verteilungstyp

124

Das Subjekt

125

1. Mögliche Subjektbegriffe a) "Ein-" und "Mehrpersonen-Subjekte" b) Verwandtschaftliche, juristische, wirtschaftliche und sonstige Bindungen c) Personenbezogene Subjekte im einzelnen d) Gruppenbezogene Subjektbegriffe 2. Der normative Subjektbegriff: Auf welche Einheiten soll verteilt werden? a) Personenbezogene Subjektbegriffe b) Gruppenbezogene Subjektbegriffe 3. Der positive Subjektbegriff: Auf welche Einheiten wird verteilt? a) Personenbezogene Subjektbegriffe b) Gruppenbezogene Subjektbegriffe 4. Die Kompatibilität von normativem und positivem Subjektbegriff und Implikationen für die Verteilungspolitik a) Personenbezogene Subjektbegriffe b) Gruppenbezogene Subjektbegriffe c) Zur Ableitung verteilungspolitischen Handlungsbedarfs

125 126

135 136 137 137

Die Funktionalzusammenhänge f und g und die subjektbezogenen Charakteristika

140

1. Mögliche Funktionalzusammenhänge und die Rolle der Charakteristika 2. Subjektbezogene Charakteristika in normativer Sicht 3. Subjektbezogene Charakteristika in positiver Sicht 4. Kompatibilität der Funktionalzusammenhänge, der Charakteristika und Implikationen für die Verteilungspolitik IV.

IX 112 113 114 117 118 119 121 123

127 128 129 131 131 132 133 133 135

140 143 145 146

Der Zeitaspekt und der Zeitbegriff

148

1. Der Möglichkeitsraum

148

2. Die Zeit in normativer Sicht 3. Die Zeit in positiver Sicht 4. Kompatibilität und Begründung verteilungspolitischen Handlungsbedarfs hinsichtlich des Zeitaspekts und -begriffs

152 154 156

X

Gliederung V.

Zusammenfassung und theoretische Erweiterungen

157

1. Zusammenfassende Darstellung des ABR a) Kompatibilitätserfordernisse und die Ableitung einer konkreten Steuer-/Transferfunktion b) Das Standardmodell in subjektbezogener Betrachtungsweise 2. Der Allgemeine Bewertungsrahmen und die verteilungspolitische Realität a) Zur Begründung und Bewertung von Reformen des Steuer-/ Transfersystems b) Die Berücksichtigung von Allokationsgesichtspunkten im ABR.

157

D. Darstellung einzelner verteihingspolitischer Regelungen I.

II.

III.

IV.

158 162 165 166 167 171

Einige relevante Bestimmungen aus übergeordneten Gesetzen: Verfassungsrecht und Bürgerliches Recht

174

1. Entscheidungsfreiheit als Grundrecht

175

2. Positionsbegriff und "verteilungspolitische Maßnahme" 3. Zeitaspekt und Subjektbegriffe 4. Bezugsgröße, subjektbezogene Charakteristika und die Funktionalzusammenhänge a) Die "Transfer"-Seite b) Die "Steuer"-Seite c) Zusammmenführung von "Steuer"- und "Transfer"-Seite 5. Positionsrelevanter Aspekt und "Steuer-Transferfunktion": Einkommen und Unterhaltszahlung. 6. Zur "Relativität" des zugrundeliegenden Gerechtigkeitskonzepts

176 177 181 182 184 185

Sozialhilfe

193

1. 2. 3. 4. 5.

193 197 199 201 204

Bezugsgröße und Armutskonzept Positionsbegriff und kritischer Wert Positionsrelevanter Aspekt, Armutsgrenzen und Transferfunktion Zeitaspekt, Subjektbegriff und subjektbezogene Charakteristika Zusammenfassung und die Frage der Entscheidungsfreiheit

Subjektbezogene Wohnförderung

186 189

207

1. Verteilungspolitische Maßnahme und Transfer

207

2. Subjektbegriff und Zeitaspekt

209

3. Positionsbegriff und positionsrelevanter Aspekt 4. Bezugsgröße und subjektbezogene Charakteristika 5. Zusammenfassung unter Berücksichtigung der Fragen der Relativität und der Entscheidungsfreiheit

209 211 213

Ausbildungsförderung.

215

1. Die österreichische Begabtenförderung 2. Die bedarfsbezogene Ausbildungsförderung

216 217

V.

VI.

Inhalt

XI

Sozialversicherung bei Arbeitslosigkeit

221

1. Die Steuer- und die Transferseite der Arbeitslosenversicherung.

222

2.

223

Zeitaspekt und Subjektbegriff

3. Position und poeitionsrelevanter Aspekt 4. Bezugsgröße und subjektbezogene Charakteristika 5. Zusammengefaßte Darstellung in kurz- und längerfristiger Sicht: Relativität und Entscheidungsfreiheit im Rahmen der Sozialversicherung

227

Direkte personenbezogene Besteuerung

232

1. Positionsbegriff und verteilungspolitische Maßnahmen (positionsrelevanter Aspekt und Steuerfunktion) 2. Bezugsgröße und subjektbezogene Charakteristika

232 236

3. Subjektbegriff und Zeitaspekt 4. Die Spezifikation des statistischen Konzepts durch den Einkommensteuertarif

238

5.

239

Zur Relativität des Einkommensteuerrechts und Zusammenfassung

E. Synthese, Zusammenfassung und Ausblick I.

II.

224 226

236

241

Gesamtdarstellung und Bewertung der betrachteten Maßnahmen

241

1. Zusammengefaßte Darstellung der Gesamtsysteme a) Die Spezifikationen des Subjektbegriffs b) Die Spezifikationen des Zeitbegriffs und -aspekts c) Die Spezifikationen des Positionsbegriffs und des positionsrelevanten Aspekts d) Die Spezifikationen der Bezugsgrößen 2. Bewertung anhand dreier weiterer Kriterien a) Entscheidungsfreiheit b) Relativität c) Verteilungspolitik im eklektischen Verteilungsmodell d) Das "Spektrum" verteilungspolitischer Maßnahmen

242 244 245 247 249 250 251 252 253 255

Abschließende Bemerkungen

256

Anhang

263

I.

Literaturverzeichnis

263

II.

Verwendete Gesetzestexte

282

III.

Verzeichnis der Variablen, Abküizungen und Bezeichnungen

284

1. Variablen des ABR, Abkürzungen und Bezeichnungen des theoretischen Teils

284

2. Spezifikationen des empirischen Teils (Variablen und Abkürzungen)

287

XII

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Abbildung 1:

Kompatibilität bezüglich des Positionsbegriffs, des konkreten Werts der Position, des Subjektbegriffs, des Zeitaspekts und der Entscheidungsfreiheit

35

Abbildung 2:

Kompatibilität von Bezugsgröße und Funktionalzusammenhang

61

Abbildung 3:

Verteilungspolitische Möglichkeiten in subjektbezogener Sichtweise

68

Abbildung 4:

Das Einkommen-Freizeit-Arbeitsbedingungen-Modell (Version I) unter Berücksichtigung verschiedener Nebenbedingungen der Arbeitszeitentscheidung

85

Abbildung 5:

Das Einkommen-Freizeit-Aibeitsbedingungen-Modell (Version II)

88

Abbildung 6:

Die Positionsverteilung in einer "unsicheren Welt"

Abbildung 7:

Zusammenhänge zwischen den Subjekt-Typen

Abbildung 8:

Zusammenfassung der Kompatibilitätserfordernisse bei

95 131

subjektbezogener Betrachtungsweise

159

Abbildung 9:

"Polit-ökonomische" Zusammenhänge und Verteilung

167

Abbildung 10:

Die beiden Seiten des Unterhaltsrechts

186

Abbildung 11:

Der Zusammenhang zwischen Wohnförderung und Unterhalt

210

Abbildung 12:

Eine Interpretation des Zusammenhangs zwischen Abzugsbetragsregelung und Steuertarif im ABR

235

Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1:

Tabelle 2:

Zusammenhänge zwischen interpersoneller und intertemporaler Verteilung

150

Regelsätze nach dem Haushaltsprinzip und nach dem Individualprinzip

203

Verzeichnis der Übersichten

Übersicht 1:

Übersicht 2:

Übereinstimmung, Kompatibilität, Inkompatibilität, Koinzidenz und Störung

18

Kompatibilität und Koinzidenz positiver und normativer Meß- bzw. Bewertungskonzepte

39

Übersicht 3:

Zusammenhänge zwischen den Positionsbegriffen

46

Übersicht 4:

Gerechtigkeitskonzepte unter dem absoluten und unter dem relativen Aspekt Kompatibilität und Koinzidenz zwischen den drei

54

verteilungstheoretischen Sichtweisen

63

Übersicht 6:

Komponenten eines einfachen eklektischen Verteilungsmodells

82

Übersicht 7:

Kompatibilität und Koinzidenz bei unterschiedlichen Bezugsgrößen

124

Übersicht 8:

"Subjekt-Typen"

130

Übersicht 9:

Kompatibilität und Koinzidenz zwischen normativem und positivem Subjektbegriff Funktionalzusamenhänge zwischen unterschiedlichen Positionsbegriffen und Bezugsgrößen

Übersicht 5:

Übersicht 10:

Übersicht 11:

Übersicht 12:

Darstellung des Unterhaltsrechts im ABR aus der Sicht der Berechtigten

139 141

191

Darstellung des Unterhaltsrechts im ABR aus der Sicht der Verpflichteten

192

Übersicht 13:

Darstellung der Sozialhilfe im ABR

206

Übersicht 14:

Darstellung der Wohnförderung im ABR

214

Übersicht 15:

Darstellung der Ausbildungsförderung im ABR

220

Übersicht 16:

Darstellung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im ABR

229

Übersicht 17:

Darstellung des Arbeitslosengeldes im ABR

230

Übersicht 18:

Darstellung der Arbeitslosen- bzw. Notstandshilfe im ABR

231

XIV

Übereichtenveizeichnis

Übersicht 19:

Darstellung der Einkommensteuer im ABR

240

Übersicht 20:

Die betrachteten verteilungspolitischen Maßnahmen und Steuerbzw. Transferfunktionen (Österreich und Bundesrepublik Deutschland)

243

Die Spezifikationen des Subjektbegriffs und des Zeitaspekts (Österreich und Bundesrepublik Deutschland)

246

Die Spezifikationen des Poeitionsbegriffs und des positionsrelevanten Aspekts (Österreich und Bundesrepublik Deutschland)

248

Die Spezifikationen der Bezugsgrößen der Höhe (M) und des Anspruchs bzw. der Verpflichtung (N) (Österreich und Bundesrepublik Deutschland)

249

Übersicht 21:

Übersicht 22:

Übersicht 23:

Α. Zur Vorgehensweise Auf einer Insel (in der Südsee) leben zwei Frauen, Mitte 30, und ernähren sich von den "Früchten der Erde", die sie sammeln und jagen. 1 (a) Jede lebt von dem, was sie jagt und sammelt; die Mengen, die sie sammeln und jagen, unterscheiden sich nach ihrem persönlichen Geschmack, (b) Beide sind der Ansicht, daß es "gerecht" ist, die "Früchte" der Insel auf sie beide gemäß ihrem Sammlungs- und Jagdergebnis aufzuteilen. Dieses Beispiel zeigt in einem sehr einfachen und eindeutigen Fall, wie (b) unter gegebenen Verteilungsbenormative Gerechtigkeitsvorstellungen dingungen (a) erfüllt sein können. Unsere Realität ist aber komplexer, sowohl hinsichtlich des Verteilungsmechanismus als auch der Gerechtigkeitsvorstellungen. Bezüglich der Verteilungsbedingungen weist die moderne Wirtschaft arbeitsteilige Produktionsbeziehungen auf, die teilweise längerfristiger Natur sind (Investitionsproblem), insbesondere aber auf Tauschund Geldwirtschaft beruhen. Dies läßt prima vista keine eindeutigen Zurechnungen des Produktionsergebnisses auf die daran beteiligten (aber auch auf daran imbeteiligte) Personen zu. Ferner ist die moderne Gesellschaft strukturiert in Generationen, soziale Gruppen, Geschlechter etc. mit jeweils unterschiedlichen Möglichkeiten, Leistungen zu erbringen und ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Außerdem haben sich politisch und geistesgeschichtlich entsprechend diesen Verhältnissen strukturierte Gerechtigkeitsvorstellungen herausgebildet, die beispielsweise von der Leistung, vom Bedarf oder einfach von der persönlichen Macht der "Verteilungssubjekte" ausgehen.

In dieser Arbeit sollen die Möglichkeiten einer Erfüllung unterschiedlicher Gerechtigkeitsvorstellungen bei Vorliegen von unterschiedlichen Verteilung mechanismen (-bedingungen, -prozessen) dargestellt werden. Unter nVerteilungspolitik" (verteilungspolitischen Maßnahmen) werden all diejenigen staatlichen Maßnahmen2 verstanden, die dann ergriffen werden, wenn Gerechtigkeitsvorstellungen den (positiven) Vorstellungen über das Zustandekommen der Verteilung nicht entsprechen, um einer als gerecht erachteten 1 Das Beispiel könnte auch in der Karibik oder in einer anderen fruchtbaren Gegend spielen. Es könnte sich auch um zwei Männer handeln, die dort leben. Der Intention des Beispiels entsprechend sollten jedenfalls beide eine ähnlich gute geistige und körperliche Konstitution aufweisen. 2 Der Begriff "Maßnahme" wird in dieser Arbeit als "Regelung" verstanden und nicht als "Reformmaßnahme" im Sinne einer Änderung bestehender Regelungen.

Α. Vorgehensweise

2

Situation näher zu kommen. Der in den Titel aufgenommene Zusatz "monetär" bezieht sich auf eine Einschränkung hinsichtlich der betrachteten Maßnahmen.3 Nach einigen einführenden Bemerkungen (I.) folgt in diesem Abschnitt die Erläuterung des verwendeten methodischen Ansatzes (II.).

I. Einfuhrung Nach einer kurzen Darstellung des Anliegens und einem groben Überblick über die Arbeit (1.) dient dieses Kapitel (2.) einer Auflistung derjenigen Bereiche, die nicht behandelt werden, obwohl sie einen engen inhaltlichen Bezug zu den behandelten Fragestellungen aufweisen, sowie (3.) einer Einordnung in den Rahmen wirtschaftstheoretischer, finanzwissenschaftlicher und sozialpolitischer Theorien.

1· Zum Anliegen und Gang der Untersuchung

Positive Verteilungstheorien 4 zur Erklärung der Verteilung des Volkseinkommens genießen seit den Anfängen der Volkswirtschaftslehre ein Interesse schwankender Intensität.5 Atkinson (1975) stellte vor etwa fünfzehn Jahren ein Defizit an verteilungstheoretischer Literatur fest. 6 Die in letzter Zeit erschienenen Artikel zu Verteilungsproblemen widmen sich vorwiegend technischen Problemen der Ungleichheitsmessung und den Wohlfahrtsimplikationen von Verteilungsmaßen7, der Theorie der optimalen Besteuerung und Transfergewährung^ sowie einer dogmengeschichtlichen Behandlung des Themas9.

3

Siehe dazu unten Gliederungspunkt B.II.4.

4

Die Begriffe "positiv", "normativ" und "Verteilungstheorie" werden in den folgenden Kapiteln spezifiziert. An dieser Stelle genügt ein allgemeines Verständnis der Begriffe. 5 6

Vgl. z.B. Hofmann (1986).

Vgl. Atkinson (1975, S. 1). Ähnlich auch Nutzinger im Vorwort zur deutschen Ausgabe von Sen (1975; Originalveröffentlichung; 1973). Dagegen beklagt Samuelson (1951, S. 312), daß es zu viele (unterschiedliche) personelle Einkommensverteilungstheorien gibt. 7 Vgl. etwa den Band von Gaertner/Pattanaik (1988, Hg.). Dabei ist Atkinson (1970) als grundlegender Artikel zu nennen, auf den eine große Anzahl von Arbeiten aufbaut. 8 Vgl. etwa Brunner (1989). 9 Vgl. etwa den Band von Asimakopulos (1988, Hg.).

I. Einführung

3

Ahnliches gilt für die normative Verteilungstheorie. 10 In einer Gesellschaft herrschen bestimmte Vorstellungen darüber, was gerecht ist. Diese sind einerseits oft sehr diffus und wenig fundiert, andererseits nicht einheitlich für alle gesellschaftlichen Gruppen und Individuen. Sanmann (1973) weist darauf hin, daß gerade in der wissenschaftlichen Sozialpolitik im Gegensatz zu anderen Gebieten der allgemeinen Wirtschaftspolitik, eine Zielfundierung fehlt. 11 Auch daran hat sich in den letzten 15 Jahren wenig geändert. 12 Das öffentliche Interesse scheint dagegen in vergleichsweise stärkerem Ausmaß der Verteilungsfrage zu gelten.1 Aus diesen Defiziten einerseits und der Bedeutung einer konsistenten Zielformulierung für die praktische Verteilungspolitik andererseits ergibt sich das Anliegen dieser Arbeit: die Entwicklung eines Konzepts, innerhalb dessen unterschiedliche sozialpolitische Forderungen diskutiert (begründet bewertet) werden können. Es geht nicht um die "wissenschaftliche Fundierung" (eigener) verteilungspolitischer Ziele, sondern um eine Strukturierung und Operationalisierung dessen, was eine Gesellschaft oder einzelne gesellschaftliche Gruppen wünschen bzw. was sie sinnvollerweise fordern können. Konkrete sozialpolitische Maßnahmen können so auf die dahinter stehenden normativen und positiven Vorstellungen zurückgeführt werden, die wegen der Komplexität der heutigen institutionellen Regelungen (von denen sich ja auch die meisten Reformvorschläge nur teilweise lösen können) alles andere als direkt erkennbar sind.14 In Zeiten, in denen eher die Problematik des Staatsversagens diskutiert wird als die des Marktversagens sowie ein Zurückdrängen des Staatseinflusses (insbesondere auch im Sozialbereich) gefordert wird, mag es vielleicht unzeitgemäß erscheinen, sich gerade mit Forderungen nach Staatseingriffen zu beschäftigen. Dem ist entgegenzuhalten, daß besonders im Hinblick auf diese dem Staat gegenüber kritischen Standpunkte eine sorgfältige und fundierte Begründung der für notwendig erachteten staatlichen Maßnahmen

10 Vgl. etwa Vobruba (1983,1985). Die Geschichte normativer Verteilungsvorstellungen ist untrennbar mit der politischen Philosophie bzw. mit der Staatsphilosophie verbunden. Vgl. z.B. Hofmann (1979), Zippelius (1971). 11 Vgl. Sanmann (1973, S. 67 f.). Als "rühmliche Ausnahme" hebt er Liefmann-Keils "Ökonomische Theorie der Sozialpolitik" (1961) hervor (vgl. ebd.).

12

Vgl. Herder-Dorneich (1986). Es scheint dabei eine große Zurückhaltung der Autoren gegenüber wissenschaftlich nicht fundierbaren Werturteilen vorzuherrschen mit der Konsequenz, daß das Marktergebnis mangels anderer Kriterien als "gerecht" akzeptiert wird. Genauso gut können denn aber auch andere - eigene - Normen postuliert werden. 13 Vgl. v.d.Schulenburg (1988). 14 Die - im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht zu beantwortende - Frage wäre dann, ob diejenigen Gruppen, die der einen oder anderen sozialpolitischen Schule anhängen, die hier offengelegten normativen Vorstellungen als die ihren wiedererkennen.

4

Α. Vorgehensweise

erforderlich ist, was in Zeiten größerer "Staatseuphorie" weitgehend vernachlässigt wurde. Die Einigung auf ein Bewertungskonzept, wie es in dieser Arbeit vorgeschlagen wird, könnte die öffentliche wie auch die wissenschaftliche Diskussion verteilungspolitischer Fragen im doppelten Sinne des Wortes "rationalisieren", nämlich vereinfachen, aber auch auf eine rationalere Grundlage stellen. Es läßt sich eben doch besser streiten, wenn man weiß worum. 15 Im ersten Teil der Arbeit geht es um die Begründung der Verteilungspolitik. Neben der Diskussion einiger konzeptioneller Grundfragen (Abschnitt A) steht dabei die Schaffung eines "Allgemeinen Bewertungsrahmens" (ABR; Abschnitt B) im Mittelpunkt, innerhalb dessen verteilungspolitisch relevante Aussagen unter Berücksichtigung der besprochenen Zweiteilung in normative und positive Aspekte vergleichbar formuliert und systematisch, d.h. im Zusammenhang, dargestellt werden können. Die wichtigsten dabei zu beachtenden Fragestellungen beziehen sich auf die Bezugsgröße, von der die Verteilung abhängt bzw. abhängen soll, oder die Art von Wirtschaftssubjekten, zwischen denen verteilt wird bzw. verteilt werden soll. Das gesamte Spektrum solcher Fragen wird in Abschnitt C analytisch untersucht. Der zweite Teil (Abschnitt D und Kapitel E.I.) ist dann der Bewertung ausgewählter verteilungspolitischer Instrumente in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe des Allgemeinen Bewertungsrahmens gewidmet, wobei die Frage beantwortet werden soll, welche normativen und positiven Vorstellungen hinter den konkreten Regelungen stehen (könnten). Dies geschieht zunächst analytisch für die einzelnen Maßnahmen (Abschnitt D) und dann systematisch für alle betrachteten Maßnahmen gemeinsam (Kapitel E.I.). Eine Zusammenfassung der gesamten Arbeit und Überlegungen zu einigen möglichen Erweiterungen des vorgelegten Instrumentariums schließen die Arbeit ab. Zusammenfassend läßt sich als ein Hauptanliegen dieser Arbeit die systematisch-zusammenhängende Darstellung der gesamten Verteilungsproblematik - sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht und im Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis - nennen. Trotz der umfassenden Behandlung der Verteilungstheorie und -politik in der Literatur 16 liegt eine solche Synthese der verschiedenen Ansätze und Fragestellungen bislang nicht vor. Der sich daraus ergebende weit gespannte Bogen (von grundlegenden präferenztheoretischen Überlegungen bis hin zur Regelsatzverordnung zum Bundessozialhilfegesetz) erlaubt es aber nicht, all die angesprochenen analytischen Fragen ausführlich zu diskutieren. Viele wichtige 15 16

Vgl. Krause-Junk (1981, S. 260). Vgl. nicht zuletzt das Lehrbuch von Bohnet (1989a) und die dort angegebene Literatur.

I. Einführung

5

Fragestellungen müssen überhaupt außer Betracht bleiben, um die Gesamtproblematik nicht aus dem Auge zu verlieren. Auf die wichtigsten dieser Einschränkungen soll im folgenden kurz eingegangen werden, wobei auch Anknüpfungspunkte zwischen betrachteten und nicht betrachteten Gesichtspunkten angedeutet werden, die eine Weiterentwicklung des ABR ermöglichen würden. Die Arbeit ist somit auch kein Literatur-Survey, weil nicht die einzelnen Ansätze sondern deren Zusammenhänge (zwischen den einzelnen Theorien, zwischen Theorie und verteilungspolitischer Praxis sowie zwischen einzelnen verteilungspolitischen Maßnahmen) diskutiert werden.

2. Ausgrenzungen

17 Es werden nur sog. originäre Verteilungsnormen diskutiert und nicht die Frage, Hob die Einkommensverteilung theoretisch oder politisch so beeinflußt werden kann, daß sie als Instrument zur Realisierung anderer wirtschaftspolitischer Ziele ... geeignet ist". 18 Hinsichtlich der Paradigmen sei angemerkt, daß das neoklassisch-wohlfahrtstheoretische Standardmodell 19 weitgehend als bekannt vorausgesetzt wird, um intensiver auf alternative Vorstellungen eingehen zu können. Der neoklassisch-wohlfahrtstheoretische Ansatz wird auch aus dem Grund weniger intensiv behandelt, weil aus ihm wegen der weitgehenden Kompatibilität von Norm und Verteilungserklärung^ verteilungspolitische Maßnahmen gerade nicht abgeleitet, sondern lediglich deren (allokative, aber auch distributive) Ineffizienzen belegt werden können. Es soll mit dieser Arbeit gezeigt werden, daß verteilungspolitische Maßnahmen insbesondere auf diejenigen Phänomene zurückgeführt werden können, die vom neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Standardmodell nicht erklärt werden.

17 Vgl. Krause-Junk (1974, S. 34). Die Existenz solcher originärer Verteilungsziele ist allerdings nicht unumstritten. Anders etwa Luckenbach (1986, S. 170): "Es ist das Ziel distributionspolitischer Maßnahmen, die durch soziale Argumente gestützte Marktablehnung zu verhindern, so daß das Ergebnis distributionspolitischer Bemühungen die soziale Marktwirtschaft ist". Zu unterschiedlichen Motiven staatlicher Verteilungspolitik vgl. Bohnet (1989a, S. 1 und 7 ff.) und die dort angegebene Literatur. 18 Kowalski (1974, S. 436). Vgl. dazu auch Vobruba (1989). 19

Darunter wird das walrasianische Allokationsmodell in der modernen Formulierung von Debreu (1976; Originalveröffentlichung: 1959), das letzten Endes auch eine Verteilungserklärung liefert, sowie die wohlfahrtstheoretische Zielbestimmung verstanden (vgl. etwa das Lehrbuch von Stigliti, 1988). Siehe dazu Kapitel B.II. 20 Siehe dazu die nächsten beiden Abschnitte Β und C.

Α. Vorgehensweise

6

Liefmann-Keil zieht "einen klaren Trennungsstrich zwischen wirtschaftspolitischer und sozialpolitischer Problematik"2 . Während bei ersterer Rationalitäts- (also Allokations)gesichtspunkte im Vordergrund stehen, ist für letztere der mögliche Abbau von Ungerechtigkeit der Maßstab,22 was allerdings nicht bedeutet, daß die Sozialpolitik dabei nicht ebenso unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten wäre. Dieser Trennung folgend sind in dieser Arbeit Allokations- wie auch Stabilitätsgesichtspunkte, also insbesondere auch die (Ausweich-)Reaktionen der Wirtschaftssubjekte 23 explizit von der Behandlung ausgeschlossen. Dies nicht, weil ich diesen Punkt für unwichtig halte, sondern weil er m.E. strikt von der Formulierung der grundlegenden verteilungspolitischen Ziele getrennt werden muß. Erst in einer gegeneinander abwägenden Zusammenschau mit Arbeiten, die Allokations- und Stabilitätsgesichtspunkte betonen, kann eine endgültige Bewertung verteilungspolitischer Maßnahmen erfolgen, die auch mögliche tradeoffs zwischen Effizienz und Verteilung einbeziehen muß. 24 Durch diese Einschränkung bleibt aber auch eine wichtige Sichtweise staatlicher Verteilungspolitik aus der Betrachtung ausgeblendet, weil diese vorwiegend unter Allokationsgesichtspunkten von Bedeutung ist und weniger unter originär verteilungstheoretischen: die soziale Sicherung. Nicht betrachtet werden daher auch makroökonomische Überlegungen, in dem Sinne, daß (Rück-)wirkungen von Entscheidungen einzelner Wirtschaftssubjekte auf die gesamtwirtschaftliche Verteilung unberücksichtigt bleiben.25 Ebensowenig wird auf die Bedeutung einer funktionierenden Verteilungspolitik für die Funktionsfähigkeit des ökonomischen Systems eingegangen.26 Auch Geld (in seiner Spezialität gegenüber anderen Gütern 2 j und die Rolle der Preise werden nicht betrachtet. 28 Ein anderer notwendiger Schritt der Politikanalyse fehlt ebenfalls, nämlich die Frage, ob staatliches Handeln (bei gegebenen Entscheidungsmecha21

Külp (1973, S. 8).

22

Vgl. zu diesem Punkt auch Achinger (1971; Originalveröffentlichung: 1955); Musgrave/Musgrave/KuUmer (1987a, S. 105), Vobruba (1988). 23 Einen Überblick über diese Problematik bieten z.B. Danüger/Haveman/Plotnick (1981), Petersen (1989a); zu theoretischen Ansätzen vgl. etwa Falkinger (1988). 24 Da - wie unten (B.II.) gezeigt wird - auch die Allokation unter normativen und positiven Gesichtspunkten diskutiert werden kann, stellt dies keine grundsätzliche Einschränkung des in dieser Arbeit entwickelten Konzepts dar, sondern wurde aus pragmatischen Gründen zugunsten einer anderen Schwerpunktsetzung im Hinblick auf den Umfang dieser Arbeit gewählt. 25 26 27

28

In diese Kategorie gehört auch die Diskussion um die sog. Kuznets (1955,1973)-These. Vgl. dazu etwa Guldimann (1976). Vgl. dazu insbesondere Pesek (1989; Originalveiöffentlichung: 1986).

Folglich ist auch nicht zwischen Nominal- und Realverteilung zu unterscheiden (vgl. dazu Bohnet, 1967, Stobbe, 1981, S. 33 f.; Originalveröffentlichung: 1962).

I. Einführung

7

nìsmen) erfolgreich durchgeführt werden kann. Diese Diskussion um das sog. Staatsversagen29 sowie die public-choice-Problematik30 bleibt also weitgehend ausgeklammert. Auch diesbezüglich muß ein Hinweis darauf genügen, daß sich diese Fragen zu sehr von der Verteilungsfrage unterscheiden, um beide Komplexe in der gebotenen Intensität zu untersuchen. Daß "der Markt" i.d.R. nicht per se zu einer "gerechten" Verteilung führen kann, in bezug auf die Verteilungszielsetzung also Marktversagen 31 vorliegt, scheint unumstritten 32. Ziel dieser Arbeit ist es, dieses (distributive) Marktversagen zu spezifizieren, um es dem anderweitig konstatierten Staatsversagen (in bezug auf diese und andere Zielsetzungen) gegenüberstellen zu können. Die Frage nach der Effizienz und der Effektivität der Umverteilung bleibt damit unberücksichtigt.33 Die (im Sinne der ökonomischen Orientierung der Arbeit notwendigerweise) enge Definition der Sozialpolitik schließt eine gesellschaftspolitische Betrachtung aus.34 Insbesondere die Sozialarbeit 3 5 , ein wichtiger Teil der Sozialpolitik, kann hier nicht behandelt werden. Andere Problemkreise werden eher aus pragmatischen und systematischen Gründen übergangen, so z.B. die Diskussion um gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtseffekte 36, regionale 37 und internationale Disparitäten sowie historische 38 und internationale 39 Analysen.

29 30

Vgl. dazu Petersen (1988a, S. 30). Vgl. dazu z.B. Knappe (1980) sowie den Band von Gaertner/Pattinaik

(1988, Hg.).

31

Manche Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von "Marktablehnung", da die Herstellung einer "gerechten" Verteilung von vornherein keine Aufgabe des Marktes sein kann, und daher der Begriff des "Marktversagens" nicht gerechtfertigt wäre; vgl. etwa Luckenbach (1986, S. 145 ff.). 32 Vgl. etwa Sabota (1978, S. 34), Musgrave/Musgrave/KuUmer (1987a, S. 11), Hammond (1988, S. 3 ff.). 33 Vgl. dazu umfassend Grüske (1985), sowie beispielsweise zu den Kosten der Steuererhebung Bauer (1988) und denjenigen der Sozialgesetze Härders (1988). 34

Vgl. Sanmann (1973).

35

Vgl. dazu grundlegend Eyfurth/Otto

36

Vgl. z.B. den Überblick von Lambert/Pfdhler

/Thiersch

(1984).

(1990).

37 Die räumliche Verteilung stellt m.E. auch kein eigenständiges Ziel dar, sondern lediglich die räumliche Komponente der sonstigen Ziele. Bei der Umsetzung kann die Theorie des "fiscal federalism" herangezogen werden. Diese erklärt, mit welchem Grad an Dezentralisierung die konkrete Politik bei gegebenen Zielen ansetzen soll. 38 Für Österreich vgl. Weidenhotzer (1985); für die Bundesrepublik Deutschland vgl. z.B. Schmäht et al. (1987, Hg.), Hentschel (1983) sowie Preusser (1981, Hg.) und Berding (1986). Allerdings wird auf einige dogmengeschichtliche Ansichten hinsichtlich positiver und normativer Verteilungsvorstellungen eingegangen (vgl. dazu auch den Band von Diehl/Mombert, 1984, Hg.; Originalveröffentlichurig: 1921). 39

Vgl. etwa Krug (1987), Petersen (1989b), Unger (1989).

Α. Vorgehensweise

8

Die ökonomische Behandlung rationaler Verteilungspolitik stellt natürlich nicht die einzige Möglichkeit dar, Verteilungspolitik zu diskutieren; soziale, politische, psychologische Faktoren spielen ebenso eine bedeutsame Rolle. In einer interdisziplinären Sicht müßte der hier vorgelegte Ansatz mit Konzepten aus anderen Wissenschaften verknüpft werden; erst dann könnte das Problem umfassend diskutiert werden. In dieser Arbeit wird aber versucht, einige "Anregungen" aus anderen Wissenschaften aufzugreifen, soweit sie innerhalb der ökonomischen Analyse relevant sind. Im zweiten Teil wird die praktische Sozialpolitik in Österreich und der Bundesrepublik Deutschland nach dem Wortlaut der einzelnen Regelungen untersucht. 41 Dabei wird lediglich beispielhaft auf wichtige sozialpolitische Instrumente eingegangen, wobei lediglich monetäre Instrumente behandelt werden. Grundsätzlich lassen sich auch Realtransfers mit dem hier entwikkelten Instrumentarium analysieren, werfen aber zusätzliche (insbesondere Bewertungs-)Probleme auf. Ähnliches gilt für die indirekten Steuern und Subventionen, Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern.42 Nicht betrachtet werden intergenerative Überlegungen in dem Sinne, daß die Vererbung auf die nächste Generation als Handlungsmotiv nicht auftritt; ebenso bleibt die (normative) Problematik von Abwägungen zwischen Generationen vernachlässigt. Auch für die Dynamisierung von Steuern und Sozialleistungen müßte ein möglichst einheitlicher Standard gefunden werden, worauf hier verzichtet wird. Schließlich ist zu erwähnen, daß weder die Problematik bestimmter sozialer Gruppen (nicht zuletzt in Abhängigkeit von der geographischen Herkunft, der Staatsbürgerschaft und des Aufenthaltsstatus43) noch "alternative" Richtungen der sozialpolitischen Forschung, die etwa unter den Schlagworten "ökologische Sozialpolitik"44 und "feministische Sozialpolitik"45 bekannt sind, behandelt werden. Was die Normen anbelangt, bleibt die breite Diskussion um ethische Hintergründe der Verteilungsfrage unberücksichtigt.46

40

Dies gilt sowohl für den positiven, wie für den normativen Aspekt. Vgl. z.B. Lantpert (1985), Herder-Dorneich (1986). 41 D.h., es werden nur sog. Erste-Runde-Effekte betrachtet; vgl. zu dieser Terminologie Nakamura/Nakamura (1990). 42

Zur Auswahl der untersuchten Regelungen siehe die einleitenden Bemerkungen zu Abschnitt D. 43 Vgl. dazu etwa Zapf/Brachü (1984), Zideeg (1985), Bauböck (1988). 44 Vgl. dazu Evers/Opielka (1985), Gretschmann/Voelzkow (1986), Diemer (1984), Narr (1984), Teufel (1988) und die dort angegebene Literatur. 45 Vgl. dazu den Band von Kickbusch/RiedmüUer (1985, Hg.). 46 Vgl. etwa Koslowski (1988), Gutmann/Schüller (1989, Hg.).

I. Einführung

9

3. Einordnung in die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Das in dieser Arbeit vorgestellte Konzept ist im weitesten Sinne als eine "ökonomische Theorie der Sozialpolitik" aufzufassen, wie sie von LiefmannKeil (1961) begründet wurde 47 . In diesem Kapitel soll der theoretische Rahmen dargestellt werden, in den die gesamte Arbeit gestellt ist; es erfolgt eine Einordnung in die Volkswirtschaftstheorie, in die Finanzwissenschaft sowie in die theoretische Sozialpolitik. (1) Wirtschaftstheoretisch behandelt die Arbeit insbesondere mikroökonomisch fundierte personelle Verteilungstheorien, was aber naturgemäß nur in einer gesamtwirtschaftlichen und - soweit wir über rein ökonomische Zusammenhänge hinausblicken - gesamtgesellschaftlichen Betrachtungsweise möglich ist, für die die vorliegende Analyse eine Mikrofundierung liefert. Makroökonomische Zusammenhänge werden lediglich als Nebenbedingung betrachtet. Bei der Einordnung in die allgemeine Volkswirtschaftslehre stellt sich die Frage des ökonomischen Paradigmas ,48 Die in dieser Arbeit aufgeworfenen konzeptionellen Fragestellungen49 sind m.E. nicht im Rahmen eines wirtschaftswissenschaftlichen Paradigmas, wie beispielsweise des neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen 50 oder eines postkeynesianischen51, zu diskutieren. 52 Daher wird ein hinsichtlich der Paradigmen offener Ansatz verwendet: Im Zentrum der positiven und normativen Analysen stehen neoklassisch-wohlfahrtstheoretische Antworten auf die aufgeworfenen Fragen. Diese beruhen zwar auf einem weitgehend ausgearbeiteten, stringent formulierten Modell, das aber zu wenig Freiheitsgrade besitzt, um auf "alter47

Vgl. Herder-Dorneich (1986). Vgl. etwa Ward (1981; Originalveröffentlichung: 1979), Devine (1989). Zur Theorie des Paradigmenwechsels vgl. Kuhn (1970). 49 Siehe dazu insbesondere Kapitel B.I. und den Abschnitt C. 48

so

Wohlfahrtstheoretische Gerechtigkeitsvorstellungen und neoklassische Verteilungserklärungen können zu einem neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Modell zusammengefaßt werden. Siehe dazu unten Kapitel B.II. 51 Vgl. etwa die Lehrbücher von Kregel (1988: Originalveröffentlichung: 1978) und Bhaduri (1988; Originalveröffentlichung: 1986). Diese Theorie-Richtung liefert aber nach heutigem Stand kaum brauchbare Elemente für eine mikroökonomisch fundierte Verteilungstheorie. Eine antithetische Gegenüberstellung zwischen den Ansätzen der neoklassischen und der postkeynesianischen Ökonomie im Überblick liefert Hoffmann (1987, S. 27). 52

Es wäre auch nicht hilfreich · und mangels Alternativen nicht möglich - sich völlig vom neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Instrumentarium zu lösen, das in einigen Bereichen wertvolle Lösungsansätze liefert. Ein einigermaßen umfassendes alternatives Modell fehlt im Bereich der Finanzwissenschaft (mit Ausnahme der Theorie der Fiskalpolitik), aber auch im Bereich der Mikrofundierung des Haushaltsverhaltens noch völlig, ötsch (1990) weist darauf hin, daß selbst zwischen dem marxistischen und dem neoklassischen Paradigma grundsätzliche Parallelen in der Erklärung der Preisbildung bestehen, die letzten Endes auch für die Verteilungstheorie mitentscheidend ist.

Α. Vorgehensweise

10

native Ansätze" angemessen differenziert einzugehen. Deshalb werden neben den neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen auch andere Antworten aufgezeigt. Das neoklassisch-wohlfahrtstheoretische Standardmodell stellt gewissermaßen eine Referenzlösung dar, die aber vom verteüungppolitischen Standpunkt aus gesehen weniger interessant ist. 53 Die Paradigmendebatte wurde in letzter Zeit immer umfassender von der allgemeinen Volkswirtschaftslehre auf die Finanzwissenschaft und dabei insbesondere auf die Theorie der Verteilungspolitik übertragen. 54 R.K. von Weizsäcker (1988) bezeichnet dabei die neoklassisch orientierte Finanzwissenschaft als "angewandte Wohlfahrtsökonomik" 55, und zwar, was die positive als auch die normative Analyse betrifft. 56 Problematisch ist innerhalb dieses Paradigmas - neben dem Problem der empirischen Verifikation 57 - insbesondere die Ausblendung rechtlicher und institutioneller Gegebenheiten: "Es hat bisweüen den Anschein, als ob der neoklassische Finanzwissenschaftler in seinem Streben nach konsistenten mathematischen Modellen die Tatsache aus dem Auge verlöre, daß Anwendbarkeit und Durchführbarkeit wichtige Kriterien für die Relevanz seiner Forschungsergebnisse sind. Analysiert wird typischerweise das, was dem mathematischen Instrumentarium zugänglich ist; Fragestellung und Inhalt werden der verfügbaren Technik untergeordnet. Institutionen sind eben schwer formalisierbar und stehen daher meist außen vor. Statt mathematische Methoden auf ökonomische Strukturen, die durch empirische Befunde geprägt sind, anzuwenden, begehen viele der neoklassischen Finanztheoretiker den Fehler, mathematische Methoden und mathematische Strukturen auf ökonomische Probleme zu projizieren. Die Technik ist indes der Ökonomik anzupassen und nicht die Ökonomik der Technik. Aus dem Anspruch, konkrete institutionelle Regelungen zu beschreiben, zu begründen und zu bewerten, ergibt sich somit unmittelbar, daß die neoklassisch-wohlfahrtstheoretische Sichtweise für den Zweck dieser Arbeit zu kurz greift und lediglich als theoretischer Referenzmaßstab von 53

Siehe dazu unten Gliederungspunkt C.V.2. Möglichkeiten und Grenzen der Wohlfahrtsökonomik und der Neoklassik im Rahmen der Verteilungstheorie wurden ausführlich diskutiert, etwa von Preiser (1970a; Originalveröffentlichung 1953), Sen (1975). Zur Kritik an der54Wohlfahrtstheorie vgl. auch Woll (1984, S. 32 ff.) und die dort angegebene Literatur. Vgl. V.Weizsäcker (1988), der den Begriff der "Neoklassischen Finanzwissenschaft* für die Lehrbücher von Atkinson/Stiglitz (1980) und Stiglitz (1988) verwendet, die er damit von Musgrave (1959) und Musgrave/Musgrave/Kullmer (1987a, 1985,1987b) abgrenzt. 55 Vgl. V.Weizsäcker (1988, S. 513). Siehe dazu auch unten B.II. 56 V. Weizsäcker (1988, S. 513) verwendet diesen Begriff lediglich für die Formulierung normativer Entscheidungsregeln. Als "positive Wohlfahrtsökonomik" könnten wir diejenigen Aussagen bezeichnen, die erklären, ob und unter welchen Bedingungen wohlfahrtstheoretische Optima erreicht werden. Zur Verdeutlichung des Unterschieds sei dafür aber der Begriff "neoklassisches Standardmodell" verwendet. 57

Vgl. v. Weizsäcker (1988, S. 523).

58

V. Weizsäcker (1988, S. 523 f.).

I. Einführung

11

Bedeutung ist. Zielführender ist aus dieser Sicht ein eklektischer Ansatz, wie er in dieser Arbeit verwendet wird, wobei auf den unterschiedlichen Ebenen die Frage zu beantworten ist, inwieweit jeweils die eine oder andere Erklärung bzw. Norm gilt Trotzdem ist es im Rahmen eines solchen Ansatzes sinnvoll, das neoklassisch-wohlfahrtstheoretische Modell in den Mittelpunkt zu stellen und die alternativen Ansätze gewissermaßen darum herum zu gruppieren, weil ersteres die grundlegenden Verhaltensweisen beschreibt, während letztere gerade die verteilungspolitisch relevanten Abweichungen von diesem Grundmuster beschreiben. Der hier verwendete Ansatz ist - wie der neoklassisch-wohlfahrtstheoretische - formal, modelltheoretisch und mathematisch formuliert. Er ist vielleicht weniger elegant, dafür aber der Realität besser angepaßt; die Realität wie auch die real existierenden Normen lassen m.E. eine elegantere Formulierung nicht zu. Ein solches Theoriekonzept, das Raum für die Untersuchung praktischer Probleme läßt, mag sowohl strenge Theoretiker als auch Praktiker (institutionelle Sozialpolitik-Analytiker) nicht befriedigen, weil den einen die theoretische Stringenz, den anderen eine detailliertere institutionelle Beschreibung fehlt. Das Hauptanliegen besteht darin, mittels einer Verknüpfung von Theorie und Institutionenlehre einen Beitrag zur größeren Relevanz des einen und zur besseren Fundierung des anderen zu liefern. Die Arbeit stellt einen ersten Versuch in dieser Richtung dar, der sicherlich Verbesserungs- und Erweiterungsmöglichkeiten aufweist. (2) Kommen wir zur Einordnung der Arbeit in die Finanzwissenschaft. Aus der Sicht der multiplen Theorie des öffentlichen Haushalts59 wird in dieser Arbeit naturgemäß insbesondere die Verteilungszielsetzung behandelt. Im Unterschied zu Musgrave (1959, S. 28 ff.) wird hier aber nicht angenommen, daß die Allokations- und Stabilisierungsziele optimal erfüllt sind. Da die Finanzwissenschaft im Bereich der Verteilungspolitik (noch) nicht über eine ähnlich entwickelte theoretische Fundierung verfügt wie etwa die Stabilisierungspolitik (mit der Theorie der Fiskalpolitik) oder die Allokationspolitik (mit der Theorie der öffentlichen Güter), 60 besteht das Ziel dieser Arbeit auch in einer solchen Formulierung relevanter Teilaspekte der Verteilungstheorie, die als Grundlage für eine Theorie der Verteilungspolitik dienen können. Darüber hinaus liefert dieses Konzept Ansatzpunkte, die im Rahmen der neueren finanzwissenschaftlichen Forschung von Interesse sind. So stellt es die Basis für eine rationale Entscheidungsfindung sowie die Aufstellung eines rationalen Verteilungs-, d.h. Steuer- und Trmskrsystems dar. Außerdem 59

Vgl. Musgrave/Musgrave/Kullmer (1987a). Musgraves "Theorie der optimalen Verteilung" liefert hier lediglich "Ansätze"; vgl. Musgrave/Musgrave/Kullmer (1987a, S. 109 ff.). 60

Α. Vorgehensweise

12

kann es als Ausgangspunkt für die Mikrosimulation verteilungspolitischer Maßnahmen wie auch für empirische Studien angesehen werden. Die mathematisch-modelltheoretische Formulierung bildet dabei die Grundlage für die Implementation der im praktischen Teil dieser Arbeit gemachten Aussagen in simulative oder empirische Modelle, wobei allerdings die einzelnen Variablen, die hierbei neben den theoretischen lediglich deskriptiven Ansprüchen genügen, im Sinne der Datenverfügbarkeit zu modifizieren sind. (3) Sozialpolitik ist Verteilungspolitik im weitesten Sinne.61 Die beiden Begriffe werden daher in dieser Arbeit synonym verwendet. Der Begriff schließt intrapersonelle (intertemporale) Umverteilung - bei unterschiedlicher Gewichtung - ein. 62 Im Rahmen der wissenschaftlich fundierten Sozialpolitik (= Theorie der Sozialpolitik) herrscht historisch-deskriptives Vorgehen vor, was sich auch auf die Versuche auswirkt, Sozialpolitik theoretisch zu fassen. So beschreibt beispielsweise Lantpert (1985) in seinen "Grundzügen einer allgemeinen Theorie der Sozialpolitik"63 lediglich "Entstehungs-" und "Entwicklungsbedingungen" staatlicher Sozialpolitik, nicht aber ein analytisches Konzept zu deren Erklärung oder theoretisch fundierter Begründung. Im praktischen Teil dieser Arbeit (Teil 2) wird lediglich in dem Sinne empirisch vorgegangen, als reale Institutionen in der hier vorgestellten Formulierung beschrieben und so vor allem qualitativ verglichen werden, also ohne statistische Daten heranzuziehen. Die Arbeit stellt eher ein Forschungsdesign für die empirische Analyse oder auch für Simulationsanalysen dar, die im Rahmen eines umfangreicheren Projekts durchgeführt werden müßten.64 Eine fundierte normative und positive Analyse ist m.E. insbesondere als Grundlage von Simulationsanalysen erforderlich. Aber auch zur Interpretation der Ergebnisse bereits erstellter Simulationsanalysen, die immer auf einer Reihe positiver (und zumindest durch die Auswahl der Fragestellungen auch normativer) Annahmen aufbauen, kann das im folgenden zu entwickelnde Konzept wertvolle Hinweise liefern.

61 62 63 64

Vgl. Liefmann-Keil (1961), Petersen (1989a). Vgl. auch Burghardt (1979). Vgl. Lampen (1985, S. 113 ff.). In Kapitel E.II.2. (Ausblick) werden einige Hinweise dazu gegeben.

II. Methodische Grundlagen

13

II. Methodische Grundlagen In diesem Kapitel soll (1.) die Unterscheidung von normativer und positiver Sichtweise erläutert werden, aus der sich der Begriff der Gerechtigkeit ableitet, wie er in dieser Arbeit verwendet wird, bevor (2.) die Frage nach der Entscheidungsfreiheit diskutiert wird, die - wie die Unterscheidung positiv/normativ - von zentraler Bedeutung für die wirtschaftspolitische und somit auch für die verteilungspolitische Diskussion ist.

1· Eine allgemeine Zielformulierung

In diesem Gliederungspunkt wird (a) die Unterscheidung zwischen normativen und positiven Aussagen kurz dogmenhistorisch eingeordnet sowie für den Fall der Verteilungsproblematik 1 näher erläutert, was zur Formulierung eines obersten Verteilungszieles führt. Daran schließen sich (b) eine Klassifizierung der möglichen Zusammenhänge zwischen normativen und positiven Aussagen sowie (c) einige grundsätzliche Bemerkungen zu den Bedingungen an, einen verteilungspolitischen Handlungsbedarf abzuleiten. a) Positive und normative Betrachtung Die Erfüllung von Normen kann - wie bereits angedeutet - immer nur im Zusammenhang mit bestimmten positiven Erklärungsmustern beurteilt werden. Nach Max Weber unterscheiden wir zwischen positiver und normativer Ökonomik in dem Sinne, daß erstere die Erklärung dessen darstellt, was ist (Aufklärung sozio-ökonomischer Zusammenhänge und empirischer Gesetzmäßigkeiten)3, während sich letztere mit dem befaßt, was sein soll. 4

1 Normen können sich auch auf die hier nicht betrachteten Bereiche der Allokation und der Stabilität beziehen. 2 Vgl. dazu im Zusammenhang mit der Verteilungsproblematik auch Abbing (1978). Dieser verweist dabei auch auf die ebenfalls auf Max Weber zurück- gehende Unterscheidung zwischen Realtypus und Idealtypus (vgl. dazu auch Machlup, 1960/61). 3 In gewissem Sinne eine '"Vorfrage" zur normativen Formulierung der Wertvorstellungen wie auch zur poeitiven Analyse der Begründungszusammenhänge stellt die Messung der relevanten Tatbestände dar. Auf einige relevante Maße und Meßmethoden wird in Kap B.II, eingegangen.

14

Α. Vorgehensweise

Aus beiden Komponenten läßt sich ein konsistentes Zielsystem für die zu treffenden Maßnahmen ableiten.5 Ziele sind Vorstellungen über gewünschte Lagen (Programmsituationen) 6; Maßnahmen dienen der Erreichung dieser Lagen.

Daraus leitet sich die für diese Arbeit grundlegende Vorgehensweise ab, der bei der Behandlung unterschiedlichster Fragestellungen immer wieder gefolgt wird: Im ersten Schritt werden jeweils auf der Werturteilsebene eine Reihe von Bewertungsmöglichkeiten aufgestellt und diskutiert, bevor auf der Erklärungsebene aus der Literatur bekannte Begründungen7 für die beobachtete Verteilung behandelt werden.8 Im Falle einer Diskrepanz zwischen Norm und Erklärung läßt sich ein spezifischer Handlungsbedarf ableiten, der sich genau auf diese Diskrepanzen bezieht. Um diese Aussagen unter dem Verteilungsaspekt zu konkretisieren, sei ein oberstes (und gleichzeitig allgemeinstes) Postulat formuliert, das von einer allgemeinen Gerechtigkeitsdefinition ausgeht und dem alle konkreteren Ziele, die in dieser Arbeit aufgestellt werden, genügen sollen. Dieses Postulat formuliert als allgemeines originäres - nicht ein bloß zur Erreichung übergeordneter Ziele abgeleitetes - Verteilungsziel 9: Verteilungspolitische Maßnahmen dienen einer Vermeidung (oder Verringerung) 10 von Verteilungsungerechtigkeit. n Es entspricht dem Musgraveschen Verteilungsziel, wonach eine der drei Hauptfunktionen des Staates "die Korrektur von Einkommen und Vermö4 Vgl. dazu Albert (1971; Originalveröffentlichung: 1963), Weber/Topitsch (1971; Originalveröffentlichung' 1952), Merk (1985). Einen theoretischen Überblick über deskriptive, prädiktive und normative Theorien sowie deren Zusammenhänge gibt Morgenstern (1972). 5 Vgl. Giersch (1961, S. 26): die Ableitung eines Zielsystems stelle eine Kunstlehre zur Überbrückung von Sein und Seinsollen dar. 6 Vgl. Sanmann (1973, S. 62). Von den Zielen sind die dahinter stehenden Leitbilder zu unterscheiden. Diese sind Vorstellungen über die gewünschte Gesellschaft (vgl. ebd.). Hinter einzelnen Selen können unterschiedliche Leitbilder (oder ideologische Hintergründe) stehen, die aber hier nicht zur Diskussion gestellt werden. Leitbilder oder Ideologien helfen bei der Auswahl von Selen. Im Rahmen dieser Arbeit soll die grundsätzliche Aufstellung der Ziele nicht schon aus ideologischen Gründen ausgeschlossen werden. Im politischen Prozeß können sich - unter anderem in Abhängigkeit von den Leitbildern - nur bestimmte Ziele durchsetzen. Vgl. dazu auch Bohnet (1989b). 7 Eigene Werturteile kommen dabei schon durch die Auswahl zum Ausdruck, wenn neben der Darstellung gängiger (traditioneller) Bewertungs- und Begründungsmuster nach Alternativen gesucht wird, die diese Muster zumindest relativieren. g Zunächst müssen (1) die Sachverhalte definiert werden, die dann (2) bewertet und (3) erklärt werden. Die Schritte (1) und (2) weiden auch in dieser Arbeit häufig verbunden. 9 Vgl. dazu Krause-Junk (1981, S. 34). 10 Der Unterschied zwischen Verringerung und Vermeidung ist "graduell" zu verstehen: Ersteres bedeutet nur teilweisen, letzteres vollen Zielerreichungsgrad und nicht "Prophylaxe". 11 Der Begriff der Gerechtigkeit ist damit in dieser Arbeit immer im Sinne von "Verteilungsgerechtigkeit" zu verstehen und nicht etwa im Hinblick auf die Verwirklichung von Menschenrechten etc. Zu den philosophischen Grundlagen dieses Begriffs vgl. Kerber (1989).

II. Methodische Grundlagen

15

gen in Übereinstimmung dessen, was die Gesellschaft als 'fairen' oder 'gerechten' Verteilungsstand ansieht"12, ist. Nur wenn die "Früchte der Erde" so verteilt werden, wie sie gemäß der normativen Vorstellungen verteilt werden sollen, gilt das verteilungspolitische Ziel als erfüllt. Verteilungspolitische Maßnahmen sind dann nicht erforderlich. Zur Konkretisierung dieses Postulats bzw. des Begriffes "Ungerechtigkeit" müssen gemäß dem oben vorgeschlagenen zweistufigen Ansatz zwei Fragen diskutiert werden: Antworten auf die Frage nach der Art der Ungerechtigkeit (deskriptiv-normative Analyse zur Beschreibung von Ungerechtigkeitstatbeständen) führen - je nach der Beantwortung von jeweils mehreren konzeptionellen Fragestellungen - zu unterschiedlichen normativen AussagenΡ Antworten auf die Frage nach den Ursachen der Ungerechtigkeit (kausal-positive Analyse zur Erklärung von Unterschieden in der Position) führen - ebenfalls je nach Beantwortung der damit verbundenen konzeptionellen Fragen - zu unterschiedlichen positiven Aussagen} 4 Aber auch Aussagen über Normen sind insofern positiv, als es sich nicht um eigene Normen handelt, sondern um die Beschreibung real existierender Normen anderer, ohne daß diese selbst bewertet werden. "Bündel" von normativen und positiven Aussagen werden als normative und positive Verteilungstheorien bezeichnet.15 Die Festlegung der Gerechtigkeitskriterien unabhängig von der Analyse der Ursachen - mit dem Ziel, den verteilungspolitischen Handlungsbedarf aus einer fehlenden Übereinstimmung zwischen normativen und positiven Vorstellungen abzuleiten - ist nicht selbstverständlich. Sie wird in der politischen Diskussion, aber auch in der ökonomischen Literatur m.E. oft verwischt. Daß eine solche analytische 12 Musgrave/Musgrave/Kullmer

(1987a, S. 5).

13

Dafür sind Maße nötig, die es ermöglichen, Werturteile für andere verständlich auszudrücken. Zur "Objektivität" solcher Maße vgl. Sen (1973). Siehe dazu auch unten B.III.l.b. 14 Diese Reihenfolge ist - weil beide Fragen analytisch getrennt werden - nicht zwangsläufig, hat aber den Vorteil, im zweiten Schritt schon von Ursachen der Ungerechtigkeit sprechen zu können und somit gezielt diejenigen Phänomene zu erklären, die vorher als "Ungerechtigkeit" festgestellt wurden. Die konsequente Trennung zwischen Norm und Erklärung macht gewisse Wiederholungen unvermeidlich, auf die, um die Klarheit der Aussagen (und dabei insbesondere auch die Unterschiede zwischen den Aussagen) zu erhalten, nicht verzichtet werden soll. 15

Zur Unterscheidung zwischen normativen und positiven Theorien vgl. auch Sahota (1978), der im Zusammenhang mit normativen Verteilungstheorien von "theories of distributive justice" spricht. Tinbergen (1970) verdeutlicht diesen Unterschied anhand eines konkreten (neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen) Typs von Verteilungstheorien: Eine positive Verteilungstheorie basiert auf Annahmen über Angebot und Nachfrage nach produktiven Faktoren, eine normative Theorie dagegen auf der Maximierung einer sozialen Nutzen- oder Wohlfahrtsfunktion (unter Nebenbedingungen, die wiederum aus der positiven Theorie abgeleitet werden); vgl. dazu auch Krette (1978). Im Sinne des in dieser Arbeit gewählten breiteren Ansatzes sind auch die Begriffe der normativen und positiven Theorien weiter zu fassen.

16

Α. Vorgehensweise

Trennung immer überschneidungsfrei durchgeführt werden kann, muß zwar bezweifelt werden, 16 trotzdem scheint sie ein brauchbares Instrument zu sein, die Diskussion um die verteilungspolitischen Ziele zu entwirren. b) Übereinstimmung, Kompatibilität,

Inkompatibilität,

Koinzidenz und Störung Wir gehen im ersten Teil dieser Arbeit - soweit nichts anderes angegeben ist 1 7 - immer vom hypothetischen Fall einer Abwesenheit verteilungspolitischer Maßnahmen aus. Eine Forderung nach verteilungspolitischen Maßnahmen ist - soweit dem nicht andere Überlegungen entgegenstehen18 dann gerechtfertigt, wenn positive und normative Aussagen nicht übereinstimmen: "Übereinstimmung" von Ist und Soll bedeutet dabei allgemein, daß das Verteilungsergebnis gemäß den Aussagen einer bestimmten positiven Verteilungstheorie als gerecht im Sinne des angesprochenen normativen Konzepts angesehen werden kann.19 Dabei sind mehrere Fälle solcher Übereinstimmungen zu unterscheiden. Partielle Übereinstimmung liegt dann vor, wenn nur einzelne Fragestellungen einander entsprechend beantwortet werden. Die Untersuchung der partiellen Übereinstimmung kann sich auf die Übereinstimmung von erklärenden Größen 20, auf die zahlenmäßige Gleichheit solcher Größen, aber auch auf eine Entsprechung der jeweiligen Mechanismen beziehen. Analog zur üblichen ceteris-paribus-Bedingung können einzelne Fragen "ceteris juris" betrachtet werden, d.h. so, als ob die Antworten auf alle nicht betrachteten Fragen übereinstimmen würden. Im Falle totaler Übereinstimmung stimmen die Antworten auf alle relevanten Fragestellungen aus normativer und positiver Sicht überein. Im Falle einer "Kompatibilität" von Verteilungserklärung und Gerechtigkeitsvorstellung ergibt sich "Gerechtigkeit" gewissermaßen definitionsgemäß: Es besteht ein innerer Zusammenhang21 zwischen normativen und po16 Vgl. etwa zum normativen Hintergrund positiver Theorien Myrdal (1963; Originalveröffentlichung: 1932). vgl. auch Sen (1975, S. 15). 17 Siehe dazu insbesondere unten C.V.2.

18

Dabei ist insbesondere an allokative Nachteile sowie erwartetes Staatsversagen zu denken.19 20

Dieser Sachverhalt könnte auch mit dem Begriff der "Kongruenz" umschrieben werden. Ein Beispiel für eine solche Größe ist der Positionsbegriff; siehe dazu unten B.I.2.

21

Ein solcher innerer Zusammenhang kann unterschiedliche Formen aufweisen. So kann etwa die Wahl der Erklärung von der jeweiligen Norm determiniert sein, oder umgekehrt die Norm durch die entsprechende Auffassung von der Realität (pragmatisches Vorgehen). Ins-

II. Methodische Grundlagen

17

sitiven Vorstellungen. Zu jeder positiven Verteilungstheorie kann eine Wertvorstellung gefunden werden, die damit in dem Sinne kompatibel ist, daß Ungerechtigkeit "wegdefiniert" wird, weil sie gerade diese(n) Begründungsfaktor 22 für gerecht erachtet; 23 umgekehrt ist dies nicht unbedingt der Fall. Die Tatsache, daß die jeweilige positive Theorie eine von der als gerecht erachteten (normativen) Verteilung abweichende Verteilung postuliert, kann als "Störung bezeichnet werden. Auch in diesem Falle besteht ein innerer Zusammenhang zwischen normativen und positiven Vorstellungen. Liegt hingegen weder ein "positiver" noch ein "negativer" Zusammenhang zwischen positiven und normativen Aussagen vor, sondern führt die positive Theorie höchstens zufällig zu einem "gerechten" Ergebnis, stört es aber auch nicht grundsätzlich, so kann von "Koinzidenz" und einer fallweisen Übereinstimmung gesprochen werden. Koinzidenz ist dabei - wie sich zeigen wird - eher als Normalfall zu betrachten, Kompatibilität und Störung als Spezialfälle, wenn bestimmte normative und positive Aussagen aufeinander treffen, zwischen denen ein gewisser innerer Zusammenhang besteht: Eine Übereinstimmung tritt im Falle der Kompatibilität grundsätzlich auf, bei Vorliegen einer Störung grundsätzlich nicht sowie im Falle der Koinzidenz wiederum nur in einem Spezialfall der zufälligen Übereinstimmung.25 Der Begriff der "Inkompatibilität" wird in negativer Abgrenzung von der Kompatibilität verstanden und schließt daher Störung und Koinzidenz ein. Wird auf der Erklärungsseite von einem Marktmechanismus ausgegangen, so kann Inkompatibilität auch als "distributives Marktversagen" aufgefaßt werden: "Der Markt" erfüllt das angestrebte Ziel nicht. Kompatibilitätsaussagen sind Antworten auf die Frage nach dem Verhältnis normativer und positiver Aussagen zueinander. Der Möglichkeitsraum von Antworten auf diese Fragen zueinander ist in der Übersicht 1 zusammengestellt, woraus letzten Endes auch verteilungspolitischer Handlungsbedarf abzuleiten ist, was zum Abschluß dieses Gliederungspunkt überleitet.

besondere die neoklassisch-wohlfahrtstheoretische Standardtheorie liefert ein konsistentes Gedankengebäude von Normen und Erklärungen für die Realität auf den meisten der in dieser Arbeit untersuchten Ebenen. Diese Arbeit baut aber auf der Grundüberlegung auf, daß eine solche Übereinstimmung nicht von vornherein zwingend ist. 22 Zum Begriff des Begründungsfaktors vgl. B.III.2. 23

Gerecht ist, was ist.

24

Es lassen sich Normen formulieren, denen keine vernünftige Erklärung entspricht. Insbesondere der Fall einer "Störung" scheint realiter von vergleichsweise geringer Bedeutung zu sein. 25

18

Α. Vorgehensweise

Übereinstimmung von Ist und Soll

innerer Zusammenhang von Ist und Soll Legende:

A Β C

nem

ja

nein

A

Β

C

D

Kompatibilität; Störung; bloße Übereinstimmung;

C,D B,C,D B,D

Koinzidenz; Inkompatibilität; Handlungsbedarf.

Übersicht 1: Übereinstimmung, Kompatibilität, Inkompatibilität, Koinzidenz und Störung

c) Zur Ableitung eines spezifischen verteilungspolitischen

Handlungsbedarfs

Im Falle totaler Kompatibilität ist verteilungspolitisches Handeln nicht erforderlich; im Falle partieller Kompatibilität ist Verteilungspolitik hinsichtlich des angesprochenen kompatiblen Teilaspekts nicht erforderlich. Die aufgrund einer Gegenüberstellung von positiven und normativen Aussagen konstatierten Ungerechtigkeiten sowie daraus abgeleiteten verteilungspolitischen Maßnahmen unterscheiden sich je nach der Beantwortung der gestellten (positiven und normativen) konzeptionellen Fragen, durch deren Beantwortung der Begriff "Gerechtigkeit" in den Abschnitten Β und C weiter konkretisiert wird. Insofern kann von einem spezifischen Handlungsbedarf gesprochen werden. Im Falle einer Störung müßte eine solche spezifische Maßnahme darauf abstellen, den negativen inneren Zusammenhang zwischen Ist und Soll aufzulösen, während sie im Falle einer Koinzidenz so auszugestalten ist, daß sie auf die konkrete Nicht-Übereinstimmung Bezug nimmt und im Spezialfall der Übereinstimmung nicht eingreift. Bevor nun diese Aussagen weiter zu konkretisieren sind, soll auf eine andere Frage eingegangen werden, die in der verteilungspolitischen Diskussion eine zentrale Rolle spielt und daher in den folgenden Abschnitten immer wieder angesprochen wird, ob nämlich die Wirtschaftssubjekte ihre verteilungsrelevanten Entscheidungen aufgrund exogener, rationaler und nicht

I

Methodische Grundlagen

19

"gestörter" Präferenzen treffen bzw. treffen sollen und welche Implikationen unterschiedliche Antworten auf diese Fragen für die Ableitung verteilungspolitischen Handlungsbedarfs haben. Diese Diskussion ist von entscheidender Bedeutung für die Frage, inwieweit verteilungspolitische Maßnahmen die Entscheidungsfreiheit einschränken.

2. Entscheidungsfreiheit als Erklärungsprinzip und als Wert

Ein wesentlicher Einwand gegen verteilungspolitische Maßnahmen bezieht sich auf von diesen hervorgerufene Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit. Eine Diskussion verteilungspolitischer Maßnahmen bedarf einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit diesem Argument, das sowohl aus positiver wie auch aus normativer Sicht zu hinterfragen ist: verteilungspolitische Maßnahmen sind nämlich nur insoweit zu rechtfertigen, als (normativ) die Entscheidungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte nicht als Wert akzeptiert wird (sie sollen sich nicht entscheiden können) und/oder (positiv) eine solche Entscheidungsfreiheit gar nicht vorliegt (sie können sich nicht entscheiden).26 Die in der neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Standardtheorie üblichen 77 Annahmen über das Individuum oder den Haushalt als sog. "Homo oecoW ΛΟ

nomicus" interpretieren die Entscheidungsfreiheit sowohl auf der Erklärungsebene als auch auf der normativen Ebene im Sinne der Möglichkeit, sich "rational" zu verhalten. Dabei wird ein Streben nach (subjektiver) Nutzen- und Gewinnmaximierung postuliert, das auf Präferenzordnungen 29 basiert, die den Bedingungen der NichtSättigung, der Stetigkeit und der Konvexität sowie der Exogenität und der Individualität unterliegen. Diese

26

Wir diskutieren die Problematik in diesem Kapitel lediglich in kurzfristiger Sicht. Viele der hier angesprochenen Probleme wurden insbesondere im Zusammenhang mit längerfristigen Entscheidungen diskutiert (vgl. z.B. Strotz, 1955/56, Poüak, 1970, Thalerj Shefrin, 1981). Auf verwandte Fragestellungen in längerfristigen Modellen wird unten in Kapitel C.IV. eingegangen. 27

Diese Annahmen wurden in der ökonomischen Theorie zunächst zur Erklärung ökonomischer Zusammenhänge getroffen. Werden daraus aber Normen abgeleitet, müssen sie auch unter normativen Gesichtspunkten diskutiert werden; vgl. auch Kode (1962, S. 148). 28 Zur Weiterentwicklung des Homo oeconomicus-Konzepts zu einer allgemeinen Portfoliotheorie vgl. Burchardt (1988). 29 Der Begriff der Präferenzen hängt eng zusammen mit dem Begriff des subjektiv definierten Bedarfs, der in der verteilungspolitischen Diskussion eine entscheidende Rolle spielt. Siehe dazu unten Kapitel C.I. 30 Vgl. dazu u.a. Arrow (1963, S. 11 ff.), Debreu (1976, S. 68 ff.). Weitergehende Annahmen werden insbesondere von v.Neumann/Morgenstern (1961) gemacht.

Α. Vorgehensweise

20

Bedingungen sind insbesondere für die Konsistenz der darauf aufbauenden mathematischen Marktmodelle von entscheidender Bedeutung. Einschränkungen der so definierten Entscheidungsfreiheit können in zweierlei Hinsicht gesehen werden: extern und intern. Externe Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit beziehen sich darauf, daß es zu "unfreiwilligen** Handlungen (oder Unterlassungen) der Individuen oder Haushalte kommen kann, was bedeutet, daß verteilungsrelevante Ergebnisse dieser Handlungen nicht den Präferenzen der Wirtschaftssubjekte entsprechen.33 In diesem Zusammenhang sei nur erwähnt, daß der hier nicht ausführlich diskutierte Einfluß makroökonomischer Faktoren, damit verbunden die ökonomische Stabilität und dabei insbesondere die Frage der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit, auf die Verteilungssituation nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Eine andere Frage, die im Zusammenhang mit der Entscheidungsfreiheit zu stellen wäre, bezieht sich auf die Symmetrie der Verhandlungspositionen. Grundsätzlich ist die Entscheidungsfreiheit eines Wirtschaftssubjekts beschränkt durch die Entscheidungen der anderen Wirtschaftssubjekte, wobei, damit es zu einer Einigung überhaupt kommt, i.d.R. beide Seiten "Abstriche" von ihren "Maximalvorstellungen" machen müssen. Dies ist im Rahmen der Standardtheorie solange nicht von Bedeutung,35 als nicht asymmetrische Verhandlungspositionen vorliegen, also beide Seiten gleiche Chancen haben, ihre Wünsche durchzusetzen. Diese Frage der "Tauschgerechtigkeit" 36 hat aber eher allokativen Charakter; verteilungspolitische Maßnahmen lassen sich nun insoweit ableiten, als entweder positiv externe Einschränkungen vorliegen (so kann beispielsweise eine Arbeitslosenunterstützung bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit gerechtfertigt werden) bzw. externe Einschränkungen, die durch die verteilungspolitische Maßnahme selbst hervorgerufen werden, normativ gerechtfertigt erscheinen.37

31

Die Individualität ist hier unabhängig vom "Subjektbegriff" (Individuum, Haushalt, Familie etc.) zu sehen; siehe dazu unten Kapitel C.II. 32 Vgl. etwa die Darstellung im Anhang von Ahlheim/Rose (1989). 33 Zu solchen Fällen im Rahmen der positiven Verteilungsanalyse siehe insbesondere Kapitel B.III.2. Zu einer dogmengeschichtlichen Einordnung dieser Frage vgl. Hüther (1988, 1989). 34 Vgl. dazu grundsätzlich Rothschild (1978). 35 36

Die "unsichtbare Hand" führt zu einem optimalen Ergebnis. Vgl. dazu etwa de Gijsel (1984), Taubman (1981; Originalveröffentlichung· 1975).

37 Auf die Konsequenzen externer Einschränkungen für die Entscheidungsfreiheit für die Verteilungspolitik wird im Zusammenhang mit der Leistungsgerechtigkeit näher eingegangen. Siehe dazu unten C.I.

II. Methodische Grundlagen

21

In diesem Kapitel soll die Frage der Entscheidungsfreiheit aber noch grundsätzlicher, nämlich hinsichtlich der präferenztheoretischen internen Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit, angegangen werden, wobei die o.g. präferenztheoretischen Axiome zu hinterfragen sind. Werden etwa auf der Erklärungsebene einige dieser Axiome nicht akzeptiert, dann würde sich eine Norm, die - positiv gesehen - die Entscheidungsfreiheit im Sinne der Standardtheorie postuliert, an Präferenzen orientieren, die eine Entscheidungsfreiheit so nicht zulassen.38 In diesem Gliederungspunkt sollen nun einige grundsätzliche Kritikpunkte an den Annahmen der Standardtheorie hinsichtlich der Präferenzordnungen der Wirtschaftssubjekte angeführt werden, die die Brauchbarkeit des Homo oeconomicus-Konzepts für die (a) positive und (b) normative Verteilungsanalyse einschränken. Daraus lassen sich (c) einige Konsequenzen für die Rechtfertigung verteilungspolitischen Handlungsbedarfs ableiten. Die angeführten Kritikpunkte sind dabei jeweils zu drei Gruppen von Argumenten zusammengefaßt, die (1) sog. "Störungen" der Präferenzen, (2) eine Kritik am Rationalitätsbegriff und schließlich (3) eine mögliche Endogenität der Präferenzen betreffen. 40 a) Zur positiven Fragestellung: Entscheidungsfreiheit

als Erklärungsprinzip

Positiv ist die Frage zu beantworten, inwieweit die Wirtschaftssubjekte ihre Entscheidungen aufgrund ihrer Präferenzen treffen (können), inwieweit also Entscheidungsfreiheit vorliegt. 41 Als positive verteilungstheoretische Aussage der Standardtheorie läßt sich formulieren: Die Verteilung kommt aufgrund der Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte (gemäß ihrer Präfe zen) zustande 4 2 Grundsätzlich wird diese Aussage heute kaum bestritten. 43

38

Vgl. zu einer sehr grundsätzlichen Behandlung dieses Punktes Steedman (1989). An dieser Stelle sei nur erwähnt, daß auch das Verständnis der Unterscheidung externer Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit von "normalen" Nebenbedingungen im Tauschprozeß keineswegs allgemeingültig ist, dieses Verständnis von ökonomischen Zusammenhängen aber für die Formation individueller Normen wie auch für das individuelle ökonomisches Handeln von Bedeutung sein dürfte. 39

Aus Gründen der einfacheren Darstellung wurde hier nicht die ansonsten gewählte Reihenfolge (die positive Analyse folgt der normativen) zugrunde gelegt. 40 Wir beschäftigen uns in diesem Kapitel insbesondere mit der Nutzenmaximierung aus der Sicht der Haushalte. Einen entscheidenden Einwand gegen das Postulat der Optimierung auf der Produktionsseite (Gewinnmaximierung) liefert beispielsweise die Hypothese der innerbetrieblichen X-Ineffizienz; vgl. dazu Leibenstein (1966,1984). 41 Vgl. etwa Marquard (1986, S. 117 ff.). 42

Vgl. etwa die grundlegende Darstellung von Hicks/Allen (1934). Vgl. etwa die breite Diskussion über die Ausweichreaktionen auf staatliche Einflüsse (z.B. Recktenwald, 1984, Petersen, 1984 und die dort angegebene Literatur). 43

Α. Vorgehensweise

22

Die meisten mikroökonomischen44 oder wohlfahrtstheoretischen 45, aber A/r

auch viele finanzwissenschaftliche und Sozialpolitik-theoretische Standardlehrbücher 47 gehen grundsätzlich von dieser Annahme aus, und viele ökonomische Phänomene lassen sich damit hinreichend beschreiben und erklären, weshalb aus dieser Sicht von einer grundsätzlichen Funktionsfähigkeit Hdes Marktes" insbesondere hinsichtlich der Erreichung des Allokationszieles ausgegangen werden kann. Für die hier vorzunehmende verteilungspolitische Zielbestimmung sind allerdings doch einige Einschränkungen von Bedeutimg. So meint etwa Little (1957, S. 39) in seiner kritischen Analyse der Wohlfahrtstheorie: "... a very considerable proportion of the population do very little choosing for themselves. Indeed ... only a small minority of the population control their own expenditure for their own benefit." Auf drei Faktoren, die die von der Standardtheorie definierten Präferenzen und die aus ihnen abgeleitete Entscheidungsfreiheit als Grundlage ökonomischer Erklärungen in Frage stellen48 und somit letztlich die Entscheidungsfreiheit als zentrales Erklärungsprinzip der Verteilung einschränken, wird nun näher eingegangen. (1) Unter dem Begriff "Meritorik 1,49 wird eine Sichtweise diskutiert, die die Präferenzen als "gestört" oder "verzerrt" ("violated") betrachtet. 50 Obwohl dieses Argument meist unter Allokationsgesichtspunkten diskutiert wird, ist es auch unter Verteilungsgesichtspunkten relevant, wenn Verteilungsunterschiede auf in unterschiedlichem Maße "gestörte" Präferenzen zurückzuführen sind. 51 Wenn nämlich solche Störungen in einer Gesellschaft für die einzelnen Wirtschaftssubjekte in unterschiedlichem Ausmaß gelten, so ist auch deren Möglichkeit, sich zu ihrem größtmöglichen Vorteil zu ver-

44

Vgl. z.B. Schumann (1987), Maddala/Miller (1989). Vgl. z.B. Sohmen (1976), Luckenbach (1986). 46 Vgl. z.B. Aronson (1985), Atkinson /Stiglitz (1980), Petersen (1988a). 47 Vgl. z.B. Cufyer (1980), Petersen (1989a). 48 Vgl. etwa Hollis/NeU (1975). 49 Dieses Konzept geht zurück auf Musgrave (1956/57); vgl. dazu Andel (1984, S. 631). Vgl. auch Musgrave (1959, S. 13 ff., 1986, S. 34 ff.), Petersen (1988a, S. 131 ff.). Zu einer ausführlichen Diskussion des "meritorischen Arguments" vgl. Head (1966,1969,1988), McLure (1968), Brennan/Lomasky (1983). Pulsipher (1971/72) behandelt diesen Fall unter dem Stichwort "soziale Güter", ein Begriff, der ebenfalls von Musgrave (1959) geprägt wurde; vgl. dazu auch Musgrave (1969). Zur institutionellen Problematik der Meritorik vgl. Schmidt (1988). Der Fall externer Effekte als Begründung, wie dies z.B. Petersen (1988a, S. 128 ff.) aber auch Musgrave (1959) getan haben, soll hier nicht unter dem Stichwort "Meritorik" behandelt werden. 45

50

Dabei kann die Nicht-Beachtung der individuellen Präferenzen ggf. nur bei Vorliegen bestimmter persönlicher Charakteristika gerechtfertigt werden (siehe C.III.). 51 Vgl. auch Head (1988, S. 5 f.).

II. Methodische Grundlagen

23

halten, unterschiedlich. Darüber hinaus kann argumentiert werden, daß "gestörte" Präferenzen Armut begründen.52 Worin können solche "Störungen" nun in positiver Sicht gesehen werden? Häufig wird in diesem Zusammenhang die Problematik von intrapersonellen Präferenzhierarchien genannt, worunter das Vorliegen von "Präferenzen über Präferenzen" 53 verstanden wird. 54 Damit wird ein Verhalten über sich selbst reflektierender (bewußter) Menschen beschrieben, in dem präferenztheoretisch ein Widerspruch enthalten ist, weshalb sich keine widerspruchsfreie Präferenzordnung wie die der Standardtheorie konstruieren läßt 5 5 Die Strategien und Lösungen solcher intrapersoneller Konflikte ähneln denen interpersoneller Konflikte, 56 wobei Situationen auftreten können, die dem Arrow-Paradoxon 57 ähnlich sind: 58 Das Entscheidungsproblem ist u.U. nicht konsistent lösbar und hängt von anderen Größen ab, als nur von den Präferenzen. Festzuhalten ist, daß es sich bei diesem Argument nicht um eine Wertung aus übergeordneter Sicht handelt, sondern um die (positive) Beschreibung menschlichen Verhaltens, wie es von der Psychologie als völlig normal für menschliche Individuen beschrieben wird. So gesehen, wird die "Störung" der im Sinne der ökonomischen Axiomatik definierten Präferenzen aber zum Normalfall. "Gestört" wäre - wenn man so will - bestenfalls der Prozeß der Entscheidungsfindung, der sich aus dem Vorhandensein komplexer Präferenzstrukturen ergibt, und nicht die Präferenzen selbst.59 Zentral ist dabei das Argument, der Wirtschaftswissenschaft fehle eine Theorie des menschlichen Bewußtseins, die aber ohne Zuhilfenahme ande52

Siehe dazu die sog. Subkultur-Theorien, auf die unten in Gliederungspunkt B.III.2. näher5eingegangen wird. 3 Vgl. z.B. Brerman/Lomasky (1983, S. 193 ff.). Vgl. auch Thaler/Shefrin (1981). 54

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Jemand hat starke Präferenzen für Schweinebraten und geringere für Müsli. Auf der "höheren" Ebene weist dieselbe Person aber (etwa aus Gesundheitsgründen) den Präferenzen für den Schweinebraten einen geringeren Wert zu. 55 Es scheint nicht in jedem Falle zulässig zu sein, positive und negative "Nutzen" einfach gegeneinander aufzurechnen. Die beiden Ebenen von Präferenzen können auf unterschiedliche Weise gebildet sein, etwa auf einer mehr emotionalen und auf einer mehr rationalen Ebene; so unterscheiden sich etwa die rechte und linke Gehirnhälfte in ihrer Funktionsweise sehr stark voneinander, was einen Vergleich oder gar eine gegenseitige Aufrechnung von auf solch unterschiedliche Weise gebildeten Präferenzen sehr fragwürdig macht. 56

Vgl. Thaler/Shefrin

57

Vgl. Arrow (1973; Originalveröffentlichung: 1967). Vgl. Steedman/Krause (1986).

58

(1981).

39

Der Begriff der "Störung" der Präferenzen ist ein Begriff aus der Pathologie. Offenbar und dies sollte die hier dargestellte Diskussion zeigen - liegt dieser Sichtweise eine sehr eingeschränkte Vorstellung menschlichen Verhaltens zugrunde, die alle Verhaltensweisen als "gestört" betrachtet, die nicht unmittelbar zu einem ökonomisch rationalen Verhalten führen.

Α. Vorgehensweise

24

• ΑΠ rer Wissenschaftsdisziplinen nicht zu entwickeln ist. Tatsächlich ist die "Psychologie", auf der die meisten ökonomischen Theorien aufbauen, 61 eine sehr vereinfachte behavioristische62, ein Ansatz, der - in seiner extremen Ausprägung - das Bewußtsein explizit "wegdefiniert". 63 In gewissem Sinne ist das Nutzen- bzw. Präferenzkonzept eine (sehr rudimentäre) Theorie des menschlichen Verhaltens und menschlicher Motivation,64 die den Nutzen als "abstrakte Lust" und somit als theoretische Reduktion konkret-sinnlicher Lusterlebnisse auffaßt. 65 Der Einwand richtet sich nun gegen die Behauptung, daß dabei der für das ökonomische Verhalten relevante Teil des menschlichen Bewußtseins im Sinne der angesprochenen Axiome als logisch geordnet und damit mathematisch beschreibbar angenommen ist. Die Kritik richtet sich insbesondere gegen die strenge mathematische Formulierung der Präferenzen im neoklassischen Standardmodell. Die benötigten Axiome stellen nämlich nur vordergründig sehr geringe Anforderungen an die Präferenzordnung. Eine Reihe bedeutender menschlicher Verhaltensweisen kann aber damit nicht erklärt werden. 66 Der Homo oeconomicus ist eine Figur, die als Reiz-Reaktions-Automat beschrieben wird, der den Charakter eines Programms 67 aufweist. Eine Theorie von bewußten Menschen, die über sich selbst reflektieren, 68 wie sie von der humanistischen Psychologie beschrieben wird, 69 ist damit aber nicht vereinbar. Die Frage nach dem relevanten psychologischen Erklärungsmodell kann daher nicht (als lediglich für die Beschreibung des Inhalts der Präferenzordnung zuständig) in die "Rahmenbedingungen" abgeschoben

60 Zum Beitrag anderer Humanwissenschaften (insbesondere der Psychologie) zur Erklärung menschlichen Verhaltens vgl. Lesourne (1977). Zur Frage, inwieweit das Konzept des Homo oeconomicus mit psychologischen Theorien vereinbar ist, vgl. auch die Diskussion von Frey/Stroebe (1980,1981) und Rothschild (1981a). 61

Vgl. dazu auch Alhadeff (1982), Pelzmann (1988). Vgl. etwa Holland/Sfdnner (1971; Originalveröffentlichung: 1961). Es zeigt sich, daß schon die rudimentärsten behavioristischen Modelle über die einfache ökonomische Sichtweise hinausgehen. Vgl. auch Hofstätter (1957). 62

63

Der Behaviorismus "emphasizes the importance of an objective study of actual responses. The extreme behaviourist 'has no use for consciousness or conscious process'." (Drever , 1964). 64 Vgl. dazu Maslow (1981; Originalveröffentlichung: 1943), HolzkampOsterkamp (1981, 1983), McClelland (1985). 65 Vgl. dazu die Interpretation von Kotier (1984, S. 84 f.). 66 Vgl. dazu grundlegend Diekmann/Mitter (1986, Hg.). 67 Vgl. Blaseio (1986, S. 137). 68 Vgl. etwa Eccles (1989). 69 Moderne Therapieformen bauen darauf auf; vgl. etwa Fromm (1989).

II. Methodische Grundlagen

25

werden, sondern ist eine zentrale Frage der ökonomischen Theorie. 70 Das reduzierte behavioristische Modell und das dazugehörige Menschenbild betrifft den Kern des neoklassischen Paradigmas und damit auch der neoklassischen Verteilungserklärung: die Form der Präferenzordnung selbst. (2) Gründe für eine "Störung" der Präferenzen können auch in mangelnder "Einsicht"71 und mangelnder Information 72, damit verbundenen Unsicherheiten sowie Irrationalitäten hegen73. Dies leitet über zu dem nächsten in diesem Zusammenhang relevanten Argument, der Annahme einer nur begrenzten Rationalität ("bounded rationality"), die auf den Umstand Rücksicht nimmt, daß die Wirtschaftssubjekte "nur Teilausschnitte der Realität in beschränkter Zeit aufnehmen, behalten und - allein oder in Organisationen (mit neuen Einschränkungen) - zu Entscheidungen verarbeiten können."74 So ist schon die menschliche Informationsverarbeitungskapazität begrenzt. 75 Gerade in hochentwickelten Volkswirtschaften werden - zumindest für bestimmte Gruppen der Gesellschaft - Bedürfnisse unklarer. 76 Dabei gewinnen trial and error-Prozesse und der Einfluß von VermarktungsStrategien an Bedeutung. In dem Maße, in dem es den getroffenen Entscheidungen von Subjekt zu Subjekt in unterschiedlicher Weise an Rationalität mangelt,77 weicht auch das Verteilungsergebnis von dem ab, das bei angenommener Rationalität entsprechend den Präferenzen zustande kommen würde. V. Weizsäcker (1988, S. 524) spricht im Zusammenhang mit dem Homo oeconomicus von einem "Zerrbild": "Primäres Ziel des neoklassischen Forschungsprogramms scheint nicht (Hervorhebung im Original, F.H.) das Verstehen menschlicher Ziele und Entscheidungen zu sein. Der Konsument scheint vielmehr von vornherein als ein eigennütziger rationaler Homo oeconomicus mit einem unbegrenzten materiellen Bedürfnis betrachtet." 70 Vgl. dazu etwa Molt/Hartmann/Stringer (1981), Albanese (1988, Hg.; dabei insbesondere das Vorwort von Scitovsky), Earl (1988, Hg.; dabei insbesondere Boland). 71 Charles/Westaway (1981) diskutieren in diesem Zusammenhang die Fälle technischer Komplexität und seltener Ereignisse. 72 Vgl. z.B. Musgrave/Musgrave/Kullmer (1987a, S. 101), Arrow (1963, S. 3). Dies ist vor allem dann relevant, wenn die Entscheidungen im Nachhinein (also retrospektiv) anders getroffen würden als vorher, was vor allem im Zusammenhang mit der Nachfrage nach Bildungsgütern eine Rolle spielen dürfte (vgl. Basu, 1976/77). 73 74

Vgl. Head (1966).

Rothschild (1981a, S. 291). Vgl. zu dieser Problematik auch Reber (1973). 75 Vgl. Miller (1981; Originalveiöffentlichung: 1956). Vgl. zum Themenkomplex Er(1989, Hg.). kenntnis und "Welterfahrung" den Band von Dürr/Zimmerli 76 Vgl. Falkinger (1986, S. 174 ff.). 77 Zu weiteren Fällen inkonsistenten Verhaltens siehe Little (1957, S. 39 ff.). Zu einer grundlegenden Diskussion von Alternativen zum (westlichen) Rationalitätsbegriff vgl. Schissler/Tuschhoff (1988), Bharati (1989), Panikkar (1989).

Α. Vorgehensweise

26

Und "Niemand von uns maximiert indes anhand eines komplizierten Kontrollproblems seinen Lebensnutzen; niemand besitzt die dort unterstellte perfekte Voraussicht; keiner verhält sich unbegrenzt rational." 78 Der Begriff der "Rationalität" (Konsistenz der Präferenzen, Gewinn- und Nutzenmaximierung) wird im übrigen als an sich tautologisch kritisiert: der Begriff der Präferenzen (wie der des Nutzens) sei lediglich eine Definition und erschließt sich einer empirischen Kontrolle erst anhand (positiver) Theorien, die darauf aufgebaut werden. 79 Aus dem Marktverhalten sind ja nicht direkt die Präferenzen (Nutzen), sondern bestenfalls anhand der getroffenen Entscheidungen die sog. revealed preferences 80 ersichtlich. 81 Da das "Rationalitätspostulat" nicht empirisch belegbar ist, folgert Kode (1962, S. 159), daß es sich bei der neoklassischen Theorie lediglich um "Entscheidungslogik", nicht aber um eine Theorie wirtschaftlichen Verhaltens handeln kann. Eine andere grundlegende Frage ist die, ob Maximierungsverhalten überhaupt eine zulässige Hypothese ist. "Ob wir nun von Aspirationsniveaus, 'befriedigendem' Verhalten oder anderen Mechanismen sprechen, fest steht, daß sich statische Optimierungsmodelle nicht oder nur in bestimmten Fällen eignen."82 "It is just not true that market behaviour can reveal preferences". 8 (3) Dieser letzte Punkt leitet bereits über zum nächsten. Der "Idealtyp" des Homo oeconomicus ist "Individualist im strengen Sinn, d.h. er kennt nur sich und die Gesellschaft; dazwischen gibt es nichts. Das bedeutet nicht, daß er keine Familie, Freunde oder Bezugspersonen haben kann, er ist in seinen Entscheidungen nur nicht von diesen abhängig. Die Gesellschaft geht nur in parametrischer Form, quasi als zweite Natur, in sein Entscheidungsfeld ein." 84 Diese postulierte Exogenität der Präferenzen 85 wird aber dem Um78

V. Weizsäcker (1988, S. 524).

79

Vgl. Kode (1962, S. 159); vgl. auch Arnaszus (1974) unter Hinweis auf Luce/Raiffa und v.Neumann/Morgenstern sowie Robinson (1964, S. 48). 80

81

Vgl. Samuelson (1938,1948,1950), Robinson (1964, S. 50 ff.).

Dabei ist zu beachten, daß die "wahren" Präferenzen den bekundeten entsprechen müssen. Zu Verfahren der direkten Präferenzerfassung vgl. Pommerehne (1987, S. 142 ff.) und die dort angegebene Literatur (der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Erfassung der Präferenzen für öffentliche Güter) sowie im Zusammenhang mit der Ableitung von Steuertarifen Seidl/Schmidt (1988). Gerade die zuletzt genannte Arbeit zeigt aber auch deutlich die Restriktionen, denen dieser Forschungszweig unterliegt. Robinson (1964) weist auf die Grenzen der wissenschaftlichen Erfaßbarkeit (z.B. mittels Experimenten) hin. Zu empirischen Ansätzen der82Präferenzerfassung vgl. Frey/Pommerehne (1982). Rothschild (1981a, S. 291). Vgl. dazu etwa auch Singh/Frantz (1988). 83 Robinson (1964, S. 50). 84 85

PöU(1980, S. 16).

Sehr deutlich wurde dieser Punkt von Marshall in seinen "Principles of Economics" erwähnt (vgl. C.C. V.Weizsäcker, 1971, S. 346).

II. Methodische Grundlagen

27

stand nicht gerecht, daß die Präferenzen der Menschen als "soziale Wesen" auch von den Aktionen anderer, von der Umwelt i.w.S. und damit nicht zuletzt vom institutionellen (politischen wie ökonomischen) Rahmen abhängen. 86 "It is thus suggested that in an economic theory based on the analysis of individual rational action, it is incoherent to treat the individual's R7

knowledge, beliefs and preferences as fundamental data. "And if the (perfectly genuine and perhaps deeply felt) preference orderings of individuals are even partially determined by the economy, one could no more regard those preference orderings as criteria for the successful working of the economy...",88 weil "unless the wants of consumers exist independently of the products ... it is not correct to speak of the market as acting ... to meet the requirements of the society".89 Wir haben es demnach mit einem Zirkelschluß zu tun, innerhalb dessen ein fixer Ausgangspunkt fehlt: Die Präferenzen bestimmen das Wirtschaftsergebnis, aber dieses bestimmt die Präferenzen. Übertragen auf die Verteilungstheorie läßt sich formulieren: Die Präferenzen sind nicht der Ausgangspunkt der Verteilungserklärung, sondern das Verteilungsergebnis wird vom Verteilungsergebnis selbst (beispielsweise der Vorperiode) mitbestimmt. Dies hat nichts mit einer "kollektivistischen" Sichtweise zu tun: Es wird nicht bestritten, "that individuals differ from one another (the denial would be self-contradictiory) and at no point suggested that 'society9 is homogenous or is an existence above and apart from individual."90 Ein Argument für Meritorik kann daraus also nicht abgeleitet werden. Wenn aber der Verteilungsprozeß als zirkulär beschrieben wird, ist es nicht möglich, einen fixen Ausgangspunkt zu finden, von dem aus sich der Rest des Systems erklären läßt. 91 Als weiterer Fall, in dem von einer Endogenität der Präferenzen ausgegangen werden kann, ist die sodale Bedingtheit der Präferenzen durch die Erziehung zu erwähnen.92 Viele Präferenzen sind (wie z.B. solche in bezug auf Moden) zu einem großen Teil sozial und in geringerem Ausmaß indivi-

86 So ist z.B. auch für Fromm (1979; Originalausgabe: 1976) die "Existenzweise des Habens" grundlegend von der "gewinnorientierten Gesellschaft" geprägt. M.a.W.: das Wirtschaftssystem verstärkt selbst die Haben-Orientierung, auf der es basiert. 87

Steedman (1989, S. 216).

88

Steedman (1989, S. 216).

89 Mishan (1967, S. 110). Dieses Argument ist ein häufig angeführter Kritikpunkt an der Konsistenz des neoklassischen Modells (vgl. auch Arrow/Hahn, 1971, S. 129, Little , 1957, S. 39 f.), nicht aber, wie Steedman (1989) unter Hinweis auf Dworkin (1978) anmerkt, eine Kritik am "Liberalismus", soweit dieser - was nicht zwingend ist - nicht auf dem neoklassischen Präferenzkonzept, dem Utilitarismus und unterstelltem Maximierungsverhalten aufgebaut ist. 90 Steedman (1989, S. 218). 91 92

Vgl. zu diesem Problemkreis auch die Stigler/Becker Vgl. Little (1957, S. 44 f.\ Steedman (1989).

(197T)-Cowen

(1989)-Kontroverse.

28

Α. Vorgehensweise

duell bestimmt. In den Fällen endogener Präferenzen passen sich die Wirtschaftssubjekte neuen Situationen nicht unbedingt an, sondern orientieren sich an ihren früheren Entscheidungen.94 Wenn Wirtschaftssubjekte aus mehr als einer Person bestehen (Familien, Mehrpersonenhaushalte), kann es bei der Bildung von gemeinsamen Präferenzen zu Abstimmungsproblemen kommen (Unmöglichkeitsparadoxon95). Außerdem sind in folgenden Fällen die Entscheidimgsmöglichkeiten eingeschränkt: Ver- und Gebote verbunden mit staatlicher oder gesellschaftlicher Sanktionierung,96 irreführender Werbung. 97 Positive Verteilungsaussagen müssen jedenfalls Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit einbeziehen. Es ist dabei die Frage zu beantworten, wie die Einschränkungen der Entscheidungsmöglichkeiten verteilt sind. Die Entwicklung alternativer Präferenzordungen steckt allerdings in den Kinderschuhen.98 b) Zur normativen Fragestellung: Entscheidungsfreiheit

als Wert

Gerechtigkeit der Verteilung, die sich aufgrund von Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte gemäß ihrer Präferenzen unter Nebenbedingungen ergibt, muß - wenn dies als Wert anerkannt werden soll - als eigenständiges Gerechtigkeitspostulat formuliert werden. So spricht Kath (1985, S. 404) vom "Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit" (er nennt es "Individualprinzip"). Die Beachtung der Präferenzen kann als normatives "Entscheidungsfreiheitspostulat" fakultativ neben die anderen Normen treten. Eine wesentliche Bedeutung kommt hier den Nebenbedingungen zu und der Frage, inwieweit die Verteilung der Entscheidungsmöglichkeiten (etwa die Menge der zur Verfügung stehenden Alternativen) als "gerecht" 100 erachtet 93 94 95 96

Vgl. Mishan (1967, S. 113 f.). Vgl. V.Weizsäcker (1971), Dardi (1988). Vgl. Arrow (1973; Originalveröffentlichung: 1967).

In dem Falle, daß Ver- oder Gebote aufgrund von Mehrheitsentscheidungen getroffen werden, gilt dies für die Minorität (vgl. Musgrave/Musgrave/Kullmer, 1987a, S. 101) und in Situationen, die mit dem sog. "prisoners dilemma"-Phänomen beschrieben werden können, auch für die Mehrheit. 97 Vgl. Mishan (1967, S. 110 f.), Musgrave/Musgrave/Kullmer (1987a, S. 101). 98 Vgl. etwa Dardi (1988), Leitzel (1989). 99 Dieses Postulat wird auch als Individualismus (vgl. v.Hayek, 1952, S. 9 ff.) bezeichnet. Weil sich die Entscheidungsfreiheit nicht unbedingt auf die Entscheidungen von Individuen beziehen muß, sondern sich auf andere "Subjektbegriffe" (Haushalte, Familien, soziale Gruppen etc.) beziehen kann (vgl. unten C.IL), wird dieser Begriff hier nicht verwendet. 100 "Freiheit bedarf der Alternativen" (Büchele/Wohlgenannt, 1985, S. 23).

II. Methodische Grundlagen

29

wird. In einer extremen Form wird das normative Postulat der Entscheidungsfreiheit als einzige Norm zugelassen, womit jedes Ergebnis akzeptiert wird, das im Rahmen freier Entscheidungsregeln zustande kommt. 101 Die festgestellten Mängel des präferenztheoretischen Konzepts schränken aber die Tauglichkeit der Präferenzen bzw. des daraus abgeleiteten Postulats der Entscheidungsfreiheit als Wert ein. Aufgrund endogener oder gestörter Präferenzen verlieren die Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte (deren revealed preferences) als relevanter Maßstab für normative Aussagen an Bedeutung. Werden die Entscheidungen aufgrund der Präferenzen als gerecht erachtet, kommt es darauf an, was unter Präferenzen überhaupt verstanden wird. Einwände gegen den Präferenzbegriff des Homo oeconomicus-Konzepts aus normativer Sicht werden von verschiedener Seite vorgebracht. (1) Zunächst kann die Aussage, daß "gestörte" Präferenzen vorliegen (Argument der Meritorik), als Norm verstanden werden, in der die Präferenzen aus (akzeptiert oder selbsternannt) übergeordneter Sicht als falsch oder gestört betrachtet werden. Dabei handelt es sich um den typischen Fall einer Geringschätzung oder (neutraler) Nichtbeachtung der Präferenzen. Aus positiver Sicht "gestörte" Präferenzen 102 (positives meritorisches Argument) können aber keine sinnvolle Norm darstellen, was anhand der Interpretation von Präferenzhierarchien verdeutlicht werden kann. Brennan/Lomasky (1983, S. 195) führen dies am Beispiel eines Rauchers aus, der aufgrund seiner Präferenzen höherer Ordnung eigentlich nicht rauchen möchte: "It is open to question not so much from the point of view of some self-proclaimed 'moral expert', but more importantly, from the standpoint of the smoker himself. It requires no denial of subjectivism to conclude that the smoker may have good reason to desire that his mpreferences (die Präferenz für das Rauchen, F.H.) not be satisfied, and such nonsatisfaction may be the normatively optimal outcome for him." (2) Ahnliches gilt auch für begrenzt rationales Verhalten. Rationalität im Sinne von Nutzen- (bzw. Gewinn-)maximierendem Verhalten wird aber verschiedentlich auch als (individuelle) Norm selbst in Frage gestellt.103 Demnach ist das sog. ökonomisch-rationale Verhalten und somit auch das daraus resultierende Verteilungsergebnis nicht positiv bewertet. Altruistisches Verhalten etwa wird in dieser Sicht auch dann gefordert, wenn es nicht den Präferenzen aller Wirtschaftssubjekte entspricht. E. Fromm (1979) spricht etwa von der "historischen Bedeutung" eines

101

Atkinson /Stiglitz (1980, S. 237) verweisen in diesem Zusammenhang auf Nozick (1974). Siehe oben A.II.2.a. 103 Vgl. z.B. Linder (1970). 102

Α. Vorgehensweise

30

Trends von der "Existenzweise des Habens" zur "Existenzweise des Seins", die er auch normativ als die "bessere" darstellt. Ein solcher Wertewandel ist auch empirisch nachweisbar.105 (3) Für alle Fälle endogener (also auch vom Verteilungsmechanismus und -ergebnis abhängiger) Präferenzen gilt, daß diese insoweit nicht als Maßstab für die Gerechtigkeit des Verteilungergebnisses fungieren und somit keine relevante Norm abgeben können, als sie vom zu beurteilenden Verteilungsergebnis selbst abhängen. Endogene Präferenzen können aber auch als Norm selbst eine Rolle spielen, nämlich in Form des Altruismus, der als Nutzeninterdependenz beschrieben werden kann (in den Nutzen eines Wirtschaftssubjekts geht der Nutzen anderer Wirtschaftssubjekte ein). 106 c) Kompatibilität

und Begründung verteilungspolitischer

Maßnahmen

(Partielle) Kompatibilität liegt vor, wenn sowohl normative als auch positive Aussagen Entscheidungsfreiheit im Sinne der Standardtheorie postulieren Beim Zusammentreffen der neoklassischen Verteilungserklärung und der wohlfahrtstheoretischen Normensetzung ist Kompatibilität auf dieser Ebene in jedem Fall gegeben. Wenn die Präferenzen nicht als Entscheidungsgrundlage akzeptiert und/oder die Entscheidungen nicht aufgrund dieser Präferenzen getroffen werden, dann können Eingriffe gerechtfertigt sein, um das Verteilungergebnis an die jeweilige normative Forderung anzupassen. Im Falle, daß das Entscheidungsfreiheitspostulat zwar als Norm gilt, der Verteilungsprozeß aber nicht auf der Grundlage "ungestörter", exogener Präferenzen in einem rationalen Entscheidungsprozeß erfolgt, ist - sofern dies auch aus Allokationsgesichtspunkten als zielführend erachtet wird - die Forderung nach Maßnahmen angezeigt, die zu größeren Freiheiten führen. Ist eine solche Liberalisierung nicht zielführend oder unmöglich, so kann eine sinnvolle Forderung auf die Herstellung eines Ergebnisses abzielen, wie es unter Bedingungen der Entscheidungsfreiheit zustande käme. So dürfte etwa der Wert (Nutzen) der Bildung sowie bestimmter kultureller Aktivitäten erst ab einem bestimmten Ausmaß deutlich werden, in dem diese Güter

104

Vgl. dazu etwa HiUmann (1989). Vgl. etwa den Band von v.Klipstein/Strümpel (1985, Hg.). 106 Vgl. dazu auch Phelps (Hg., 1975), Forte (1989). 105

II. Methodische Grundlagen

31

1Π7

konsumiert werden. Wird die Entscheidungsfreiheit als Wert ernst genommen, wäre in diesem Fall eine Inkompatibilität zwischen "Ist" und "Soll" zu konstatieren. Eine Anhebung der Konsummöglichkeiten erschiene aus dieser Sicht gerechtfertigt. Auch im Zusammenhang mit endogenen Präferenzen gilt, daß die Nutzen der einzelnen Wirtschaftssubjekte von der Standard-Theorie positiv zu hoch oder zu gering eingeschätzt werden, was in Verbindung mit der wohlfahrtstheoretischen normativen Sicht wieder Inkompatibilität bedingt und Eingriffe aus dieser Sicht rechtfertigt. Diese Aussagen bleiben dem Abstraktionsgrad der bisherigen Ausführungen entsprechend allgemein und müssen in den nächsten Kapiteln mit Inhalten gefüllt werden. Konkrete Maßnahmen sind daraus nicht ableitbar. Sie sollten aufzeigen, daß - wenn vom Referenzmodell des neoklassischwohlfahrtstheoretischen Standardmodells abgegangen wird - auch aus der Sicht der wirtschaftstheoretischen Grundlagen Eingriffe in die "Souveränität" der Wirtschaftssubjekte, wie sie in den beiden Haupt-Teilen dieser Arbeit diskutiert werden, nicht schon wegen damit vermeintlich verbundener Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit zu verwerfen sind. In der verteilungstheoretischen Literatur ist es jedenfalls umstritten, ob und inwieweit die individuellen Präferenzen allein einen adäquaten theoretischen Rahmen abgeben können. 108 Eine Alternative besteht darin, nicht von abstrakten, aber praktisch zu unsensiblen, und von herrschenden Werturteilen absehenden Normen auszugehen, sondern von konkreteren, der verteilungspolitischen Realität besser entsprechenden Normen. Um dabei nicht völlig von den individuellen Präferenzen absehen zu müssen und damit einem weitreichenden Paternalismus die Tür zu öffnen, ist in die Betrachtung einzubeziehen, daß und wie individuelle Präferenzen auf einen sich demokratisch 109

legitimieren müssenden Staat einwirken. In den folgenden beiden Abschnitten werden ausgehend von (B.) einer grundlegenden (verbalen und mathematischen) Formulierung verteilungspolitischen Handlungsbedarfs (C.) normative und positive Verteilungsaussagen - strukturiert nach verschiedenen relevanten Fragestellungen verglichen und ihre Unterschiede theoretisch untersucht. 107 Aus diesem Niveau kann eine (wohl relative) Armutsgrenze abgeleitet werden; siehe dazu unten B.II. Als Begründung dafür können etwa Subkultur-Theorien herangezogen werden. Siehe dazu unten B.III.2. 108 Vgl. etwa Sen (1973).

109

Vgl. dazu Paqué s (1986) "Prinzip der individualistischen Ethik". In diesem Zusammenhang kann schließlich die Frage aufgeworfen werden, ob - wenn schon positive Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit konstatiert werden - diese als "natürlich" gegeben - und somit nicht zu ändern - oder gesellschaftlich bedingt angesehen werden. Darauf aufbauend stellt sich die Frage, welche der beiden Arten von Einschränkungen verteilungspolitisch "bekämpft" werden sollen und können. Vgl. dazu Fischer (1989), der die natürliche und die soziale Bedingtheit des "gesunden Menschenverstandes" diskutiert, sowie v. Ditfurih (1989).

Β. Gerechtigkeitsvorstellungen und Verteilungserklärungen in einem "Allgemeinen Bewertungsrahmen" (ABR) Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit existieren nicht per se, sondern sind eine Frage der Definition, weshalb eine Strukturierung der unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen sinnvoll ist. Der Weg von allgemeinen Definitionen zur Bewertung konkreter sozialpolitischer Maßnahmen wird in diesem Kapitel mit einer allgemeinen Schreibweise begonnen, mit deren Hilfe die unterschiedlichen, in der Literatur und in der verteilungspolitischen Praxis vorliegenden normativen und positiven Vorstellungen exakt und vergleichbar ausgedrückt werden können: dem "Allgemeinen Bewertungsrahmen" (ABR)} Dieser ABR hat somit keinen eigenständigen Erklärungswert, sondern ist lediglich ein Instrument der Darstellung. Nach der Vereinbarung wichtiger Begriffe (I.), mit deren Hilfe (II.) die grundlegenden normativen und positiven Fragen und Antworten strukturiert werden, folgt (III.) die Diskussion einiger damit verbundener Probleme, ohne zunächst auf eine Reihe konzeptioneller Fragen einzugehen, die in Abschnitt C behandelt werden. Der ABR muß unter Verwendung sehr allgemeiner Begriffe wie "Aspekt", "Charakteristik", "Position" und "Subjekt" formuliert werden, weil konkretere Begriffe, wie etwa Haushalt oder Einkommen sich schon auf speziellere normative und positive Aussagen beziehen, im ABR aber die Gesamtheit solcher Aussagen allgemein dargestellt werden soll. So kann das "Subjekt" beispielsweise als Individuum, Familie oder Haushalt spezifiziert sein, die "Position" als Einkommen oder Nutzen. Diese Ausdrucksweise, wie auch die mathematische Formulierung des gesamten Ansatzes soll nicht davon ablenken, daß die damit behandelten Probleme persönliche Schicksale betreffen; gerade die hier gewählte Vorgehensweise soll es ermöglichen, von einer globalen und oft sehr oberflächlichen Diskussion zu einer rationaleren Bewertung auch einzelner "Fälle" zu gelangen. Um dies zu erreichen, soll der ABR einerseits exakter sein als die Alltagssprache, andererseits aber 1

Der ABR ist eine wesentlich weitergehende Verallgemeinerung des allgemeinen "poverty line"-Konzepts von Hagenaars/van Praag (1985). ABR kann auch als "allgemeiner Begründungstahmcn" gelesen werden, mit dessen Hilfe im ersten Teil dieser Arbeit verteilungspolitische Maßnahmen abgeleitet, also begründet werden. Erst im zweiten Teil dient er dann der vergleichenden Bewertung.

I. Die "verteilungsrelevante Position"

33

mindestens ebenso reichhaltig wie diese, um so auch diejenigen Inhalte zu vermitteln, die im allgemeinen Sprachgebrauch damit verbunden sind.2

I. Die "verteilungsrelevante Position" Ausgangspunkt des ABR ist der Begriff der "verteilungsrelevanten Position", der in diesem Kapitel zunächst (1.) allgemein eingeführt wird, um dann (2.) auf die unterschiedlichen Inhalte einzugehen, die dieser Begriff annehmen kann.

1· Begriff und Meßkonzepte der Position

Nach einer Definition dieses Begriffs (a) werden in diesem Gliederungspunkt unterschiedliche Konzepte zur Messung der verteilungsrelevanten Position dargestellt (b), woraus sich eine Strukturierung unterschiedlicher Positionsbegriffe ergibt. a) Definition Die "verteilungsrelevante Position" P. (z.B. Nutzen, Einkommen; im folgenden kurz: "Position") eines Wirtschaftssubjekts i (Individuum, Familie, Haushalt, soziale Gruppe, etc.; kurz: "Subjekt") in der Periode oder zum Zeitpunkt t (dieser zeitliche Bezug soll allgemein als "Zeitaspekt" bezeichnet werden) beschreibt eine Situation, in der sich das betrachtete Subjekt befindet.3 Der Begriff wird im weiteren Sinne des Wortes verstanden: nicht als Stellung innerhalb einer Rangfolge, sondern als Situationsbeschreibung, die die für positive oder normative Aussagen jeweils relevanten Kriterien widerspiegelt. Die Position P. sei eine reelle Zahl oder ein Vektor, dessen Elemente reelle Zahlen sind.4 Sie kann normativ oder positiv betrachtet werden: 2

Vgl. PO/(1980, S. 6). Krause-Junk (1981, S. 260 ff.) spricht in diesem Zusammenhang vom "Verteilungsgegenstand". 4 Soweit nicht anders angegeben, ist P. als Zahl aufzufassen. Eine Erweiterung der von Hagenaars/van Praag (1985) verwendeten Formulierung ergibt sich schon darin, daß Hagenaars/van Praag (1985) anstatt von der Position von der Wohlfahrt (welfare) sprechen, was innerhalb des ABR nur ein möglicher Positionsbegriff sein soll (siehe dazu unten B.I.2.; vgl. dazu auch das Vorgehen von Kolm, 1974, S. 151 ff.). 3

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

34

Die normative Position t P. n gibt an, welche Situation das Subjekt i zum Zeitpunkt oder in der Periode t auf weisen soll. Die positive Position t P. p gibt die Situation an, in der ein Subjekt i sich in der Periode oder zum Zeitpunkt t in der Gesellschaft befindet. Die Position ist die Seivariable der Verteilung(spolitik), aber nicht unbedingt die Instrumentvariable. Mit anderen Worten, die Frage nach dem verteilungspolitischen Instument, also mit welchen Mitteln die Umverteilung durchgeführt werden soll, ist unabhängig von der hier gestellten Frage nach dem "distribuendum".1 Die Skala, auf der die Position gemessen wird (z.B. in Nutzen- oder in Einkommenseinheiten), wird in dieser Arbeit als "Positionsbegriff' bezeichnet. Sie beantwortet die Fragen danach, was letztlich verteilt werden soll bzw. was tatsächlich verteilt wird und was schließlich mit Hilfe von Steuern und Transfers umverteilt werden soll. Der konkrete Wert, den die positive Position annimmt, ist dann die tatsächliche Lage des betrachteten Subjekts (gemessen in Einheiten des positiven Positionsbegriffs); der konkrete Wert der normativen Position ist die gewünschte Lage (gemessen in Einheiten des normativen Positionsbegriffs). Der Positionsbegriff bezeichnet also das Merkmal, der Wert von tP. dagegen die Merkmalsausprägung. Ein konzeptioneller Unterschied zwischen t P. n und J*? besteht darin, daß - während die Skala (der Positionsbegriff) in beiden Fällen festgelegt werden muß der konkrete Wert der positiven Position auf der entsprechenden Skala lediglich gemessen, derjenige der normativen Position dagegen ebenfalls originär festgelegt werden kann. Kompatibilität des Positionsbegriffs t P* bedeutet nun, daß sowohl normativ als auch positiv dieselbe Größe als Positionsbegriff angesehen wird, wobei der Index in ^P. diese Gleichheit ausdrückt.2 Darüber hinaus erfordert totale Kompatibilität, daß auch die konkreten Werte gleich sind: p n 3 P." = tP. = t P. . i i

ti 1

2

(1)

\ '

Die Frage nach dem Instrument wird unten im Gliederungspunkt B.II.4. diskutiert.

Von einer Koinzidenz bezüglich des Positionsbegriffs ist i.d.R. dann auszugehen, wenn die Positionsbegriffe unterschiedlich sind, wobei eine Kompatibilität zwischen Norm und Erklärung dann möglich ist, wenn zwischen dem normativen und dem positiven Positionsbegriff ein entsprechender funktionaler Zusammenhang angegeben werden kann (etwa zwischen Einkommen und Nutzen in Form einer Nutzenfunktion). 3

··

Der Index weist also auf die - zweifache - Kompatibilität von Begriff und Wert hin. Soweit nicht anders angegeben, werden zunächst der Zeitaspekt und der Subjektbegriff - ohne näher darauf einzugehen - als kompatibel angenommen. Dies ist schon allein deshalb nötig, weil ansonsten eine Obereinstimmung nicht in der Form der Identität (1) geschrieben werden kann. Die Kompatibilität von Subjektbegriff und Zeitaspekt kann unabhängig von den anderen Fragestellungen betrachtet werden und stellt - zumindest prima vista - eher ein Umrechnungsproblem denn ein Gerechtigkeitsproblem dar. Die Begriffe werden in den Kapiteln C.II. und C.IV. näher diskutiert.

I. Die "verteilungsrelevante Position"

35

pO

p&nO

nO

ι pia I

i p&nla 4

i ηla 1

Î pi*

Î p&nl0

η\β

î

n2

p&n2 1

P2

Ρ Ρ

tri

î p&n3

P3 Legende:

ρ η

positive Aussage; normative Aussage;

ρ&η

Kompatibilitätsaussage;

0

bzgl. Entscheidungsfreiheit;

n3 Ια lß 2 3

bzgl. des Positionsbegriffs; bzgl. des Werts der Position; bzgl. des Subjektbegriffs; bzgl. des Zeitaspekts.

Abbildung 1: Kompatibilität bezüglich des Positionsbegriffs, des konkreten Werts der Position, des Subjektbegriffs, des Zeitaspekts und der Entscheidungsfreiheit

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

36

Im oberen Teil der Abbildung 1 sind diese Zusammenhänge graphisch verdeutlicht. Wird die Festlegung des positiven und des normativen Positionsbegriffs jeweils als positive und normative Aussage la (pia und nia) bezeichnet, so bezieht sich die entsprechende Kompatibilitätsaussage Ια (ρ&ηία) auf die Identität der Positionsbegriffe. Wenn dann in einem zweiten Schritt normativ und positiv die Festlegung der entsprechenden konkreten Werte als positive und normative Aussagen lß bezeichnet werden, dann gibt die o.g. Identität (1) die Kompatibilitätsaussage lß wieder. Gewissermaßen dahinter stehen die positiven und normativen Aussagen nO, pO sowie p&nO, die sich auf die Frage der Entscheidungsfreiheit beziehen.

Kompatibilitätsaussagen sind - wie oben erwähnt4 - zunächst ja/neinAussagen. Im Falle einer Inkompatibilität sind zusätzliche Informationen über Art (Koinzidenz oder Störung) und Ausmaß nötig, um daraus verteilungspolitische Maßnahmen abzuleiten. So kann beispielsweise für den Fall, daß zwar die Fositionsbegriffe, nicht aber die konkreten Werte übereinstimmen, als erste Konkretisierung des o.g. allgemeinen Gerechtigkeitspostulats formuliert werden: Aufgabe der Verteilungspolitik ist es, die tatsächliche Position der einzelnen Subjekte an die normative Position anzugleichen (bzw anzunähern). Nach diesen allgemein-definitorischen Aussagen soll nun etwas konkreter auf die einzelnen Positionsbegriffe eingegangen werden. Die Auswahl des Positionsbegriffs stellt ein Bewertungsproblem dar; es kommen insbesondere die folgenden Größen in Frage:5 - Einkommen, Vermögen, Konsum (Ausgaben), - Güterbündel (Warenkorb), Lebenslage, Zufriedenheit, - Arbeits- oder Freizeit, Arbeitsbedingungen, Arbeitseinsatz, - Nutzen, Wohlfahrt, Capability, - Verhältniszahlen, - bestimmte Kombinationen dieser Begriffe. Für die Spezifikation eines allgemeinen Begriffs soll das Zeichen "->" verwendet werden (lies: "ist spezifiziert als"). Z.B. bedeutet mit U als Nutzen

4

Siehe oben A.II.l.b. Vgl. in diesem Zusammenhang unter besonderer Bezugnahme auf den Aspekt der Armut Moon/Smolensky (1977, Hg.). 5

I. Die "verteilungsrelevante Position"

37

daß die positive Position eines Subjekts als dessen Nutzen spezifiziert ist.6 Die o.g. Begriffe sind in der ökonomischen Literatur umfassend diskutiert und im öffentlichen Sprachgebrauch einigermaßen fest umrissen. Im nächsten Gliederungspunkt folgen daher lediglich ein knapper Abriß sowie eine Konkretisierung und Strukturierung, die den Anforderungen dieser Arbeit genügen; die sehr allgemein gehaltenen abstrakten Definitionen sind dann von Fall zu Fall mit den entsprechenden Inhalten zu füllen. 7 Zunächst soll kurz auf die unterschiedlichen "Meßkonzepte" eingegangen werden, denen Positionsbegriffe unterliegen können.8 b) "Meßkonzepte" der Position Je nach Beantwortung der Fragen, ob Ungerechtigkeit auf subjektiven oder objektiven, individuellen oder gesellschaftlichen Faktoren beruht, muß der (normative wie der positive) Positionsbegriff so gewählt werden, daß er dem entsprechenden "Meßkonzept" genügt. Darunter soll verstanden werden, aus wessen Sicht der konkrete Wert der Position festgelegt (also "gemessen") wird. Auch diese Begriffe werden in der Literatur 9 wie im allgemeinen Sprachgebrauch sehr unterschiedlich verwendet und selbst mit Werturteilen belegt. Insbesondere die Unterscheidung subjektiv/objektiv hängt eng mit der Behandlung der Präferenzen der Subjekte und der aus den Präferenzen abgeleiteten Entscheidungen im Rahmen positiver und normativer Verteilungstheorien zusammen.1 (1) Im Falle subjektiver Positionsbegriffe geschieht die Bewertung aus der Sicht der betroffenen Subjekte selbst,11 wohingegen eine objektive "Mes-

6

Ist die Position erst einmal durch eine konkrete Größe spezifiziert, ergibt sich kein Unterschied zwischen normativen und positiven Größen. Der Index in Klammern (p) oder (n) soll darauf hinweisen, um welche Sichtweise es sich handelt. 7

g

Dies ist insbesondere auch die Aufgabe verteilungspolitischer Gesetze.

Diese Meßkonzepte können auch hinsichtlich anderer Größen des ABR unterschieden werden, etwa die Bezugsgrößen subjektbezogener Verteilungsvorstellungen (siehe unten CI.). 9 Zapf (1984) unterscheidet beispielsweise objektive "Lebensbedingungen" von subjektivem "Wohlbefinden", Townsend (1979, S. 237 ff.) subjektive von objektiven Armutsdefinitionen, indem er einerseits die "Haltungen" der Individuen oder des Staates berücksichtigt und andererseits entweder reine Verteilungsparameter berechnet ("The Relative Income Standard of Poverty") oder Indikatoren des Lebensstils angibt, die für die Position der Subjekte relevant sein sollen ("The Deprivation Standard of Poverty"). 10 Siehe oben Gliederungspunkt A.II.2. 11

Dabei können die Kriterien (der Positionsbegriff) vorgegeben sein, nach denen das Subjekt gewissermaßen gefragt wird. Die Beurteilung liegt aber beim Subjekt, dessen Position beurteilt wird, selbst. Grundsätzlich ist aber auch eine völlig offene "Befragung" möglich.

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

38



-J Ο

sung" aus der Sicht einer außenstehenden Instanz vorgenommen wird. Beide Arten von Positionsbegriffen sind mit Problemen verbunden, die die Ergebnisse verzerren bzw. nur eingeschränkt interpretierbar machen. Mit der subjektiven Bewertung ist ein Bekundungsproblem verbunden, mit der objektiven Messung ein Erkenntnisproblem: Ein Bekundungsproblem tritt auf, wenn die befragten Subjekte ihre Position unrichtig angeben, um z.B. in den Genuß von Sozialleistungen zu kommen,14 ein Erkenntnisproblem, wenn die Position für die befragende Instanz nicht direkt ersichtlich ist 1 5 . 1 6 (2) Eine andere Unterscheidung der verschiedenen Ansätze ergibt sich dadurch, daß die Bewertung oder Messung nicht nur auf der Ebene einzelner Subjekte (individuelle Ebene17) möglich ist, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene.18 Beim gesellschaftlichen Ansatz 19 wird die Meinung der Gesellschaft über die Position einzelner bzw. die Verteilung der Positionen untersucht; dabei könnte ersteres eher als objektiv (weil die Gesellschaft über einzelne ihrer Mitglieder urteilt 20 ), zweiteres als eher subjektiv (weil die Gesellschaft übersieh urteilt) bezeichnet werden. Beim individuellen Ansatz urteilen Subjekte über sich, andere oder die Gesellschaft. (3) Die Frage nach der partiellen Kompatibilität kann nun hinsichtlich des Teilaspekts des Bewertungs- oder Meßkonzepts gestellt werden. Kompatibilität erfordert, daß die Konzepte hinsichtlich der normativen und der positiven Position jeweils übereinstimmen: Wenn es zutrifft, daß nach einem bestimmten der angesprochenen Kriterien verteilt werden soll und auch wird, dann hegt auf dieser Ebene (partielle) Kompatibilität vor, und eine Verteilungskorrektur ist "ceteris juris" nicht nötig. Dies gilt insbesondere für das neoklassisch-wohlfahrtstheoretische Standardmodell, das sowohl normativ als auch positiv einen subjektiven Positionsbegriff postuliert, den subjektiven 12 Objektive Maße spiegeln dabei natürlich die subjektive Meinung der befragenden Instanz und nicht (bzw. nur indirekt) die der Subjekte wider. 13 Vgl. dazu auch Hagenaars (1985, S. 13). 14 Hier sei auf die umfangreiche Diskussion zur Problematik der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung verwiesen. Siehe auch unten C.V.2. 15 Dies ist auch dann der Fall, wenn die Befragenden gewisse Sachverhalte nicht "sehen wollen". 16 Dabei sind in der Realität häufig Ermessensentscheidungen möglich. 17

Der Begriff "individuell" schließt gemäß unserer Terminologie auch Subjekte ein, die aus1mehreren Individuen bestehen. 8 Mit einer weniger populären Vokabel kann diese Betrachtungsweise auch "kollektivistisch" genannt werden. 19 Townsend (1979, S. 237 ff.) bezeichnet ihn auch als "Soziale Definition", die durch repräsentative Befragung der Art "Do you think there's such a thing as real poverty these days?"erkundet wird. 20

Ein solches Maß ist das LEYDEN-Armutsmaß (vgl. Hagenaars/van Praag, 1985 und die dort angegebene Literatur).

I. Die "verteilungsrelevante Poition"

39

Nutzen. In allen anderen Konstellationen herrscht Koinzidenz vor, woraus verteilungspolitische Maßnahmen ableitbar sind. Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Meßkonzepten sind in der Übersicht 2 dargestellt. positiv:

individuell objektiv

individuell subjektiv

gesellschaftlich objektiv

gesellschaftlich subjektiv

individuell objektiv

KOMPATI-

KOINZI-

KOINZI-

KOINZI-

BILITÄT

DENZ

DENZ

DENZ

individuell subjektiv

KOINZI-

KOMPATI-

KOINZI-

KOINZI-

DENZ

BILITÄT 8 )

DENZ

DENZ

gesellschaftlich objektiv

KOINZI-

KOINZI-

KOMPATI-

KOINZI-

DENZ

DENZ

BILITÄT

DENZ

gesellschaftlich subjektiv

KOINZI-

KOINZI-

KOINZI-

KOMPATI-

DENZ

DENZ

DENZ

BILITÄT

normativ:

Spezifikation des neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Standardmodells Übersicht 2: Kompatibilität und Koinzidenz positiver und normativer Meßbzw. Bewertungskonzepte

(4) Der konkrete Wert der positiven Position wird hier immer "vor Staatseingriff - also "brutto" - verstanden; der konkrete Wert der normativen Position entspricht dann der angestrebten Netto-Größe. Des weiteren kann die Position in realen oder monetären Größen angegeben werden, was bei längerfristiger Betrachtung unter Berücksichtigung inflationärer Prozesse entscheidend ist. 21

2. Mögliche Positionsbegriffe

Eine Einteilung der Positionsbegriffe in ökonomische und außerökonomische Größen ist nicht besonders hilfreich, sondern lediglich eine Definitionsfrage; 22 sinnvoller scheint dagegen eine Strukturierimg nach Dimensionalität und (objektiver oder subjektiver) "Meßbarkeit"; bei eindimensionalen 21 22

Eine Umrechnung ist mit Hilfe jeweils relevanter Preisindizes möglich.

Sollte etwa die Freizeit im Einkommen-Freizeit-Modell als ökonomische oder außerökonomische Variable gewertet werden? Vgl. dazu auch Little (1957, S. 6).

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

40

Positionsbegriffen (Unterpunkte a und b) ist lediglich die Höhe, nicht aber die Struktur relevant, wie dies bei mehrdimensionalen Begriffen der Fall ist; des weiteren können objektive (a und c) und subjektive (b und d) Positionsbegriffe unterschieden werden. Die in diesem Gliederungspunkt angeführten allgemeinen Definitionen sind bei der Beantwortung diverser konzeptioneller Fragen 23 sowie der Beschreibung und Bewertung der sozialpolitischen Maßnahmen gegebenenfalls zu konkretisieren. 24 a) Eindimensional-objektive

Positionsbegriffe

Vergleichsweise eindeutig definiert und einfach zu handhaben sind eindimensional-objektive Positionsbegriffe, wie Einkommen, Ausgaben oder Vermögen. Ihr Nachteil hegt im bereits angesprochenen Erkenntnisproblem sowie in der jeweiligen Ausblendung anderer relevanter Tatbestände. (1) Einkommen (E) ist - bei gegebenem Vermögen - die Stromgröße der Konsummöglichkeiten. Schon bei diesem Positionsbegriff wird deutlich, daß eine eindeutige, umfassende ("comprehensive") Definition theoretisch schwierig ist und praktisch viele Probleme aufwirft. 25 Unter Anwendung einer Enumerationsmethode müssen insbesondere die Einkommen aus dem Einsatz aller (als relevant erachteter) Produktionsfaktoren einbezogen werden; zu beachten sind dabei insbesondere die (Verteilung der) Gestaltungsmöglichkeiten durch die Subjekte (Bekundungsproblem). Eine Definition gemäß der Reinvermögenszugangstheorie beinhaltet sowohl die Konsumausgaben als auch die (Kapital-)Akkumulation der Subjekte.26 Für unsere Zwecke müßte Einkommen im weitesten Sinne neben den Konsumaus27

gaben die Bestandserhöhimg aller gemäß dem gewählten Konzept relevanten Produktionsfaktoren (insb. auch Humankapital) beinhalten. Bewertungsprobleme ergeben sich im Falle einer Einbeziehung von Wertzuwächsen, imputed income und fringe benefits, von "non cash income"28 im weites23 24

Siehe unten Abschnitt C.

Der hier verwendete Begriff des Verteilungsobjekts ist enger, als der von Bohrtet (1989a, S. 32 f.) verwendete, der auch Handlungsrechte, soziale Rangstellungen und Titel einbezieht. 5 Vgl. u.a. Schanz (1896), Simons (1970, S. 41 ff.; Originalveröffentlichung 1938), Der Wissenschaftliche Beirat... (1974a, 335 ff.), Pechman (Hg., 1977), Atkinson (1975, S. 57 ff.), Petersen (1988a, S. 247 ff.), Bohrtet (1989a). 26 Vgl. Simons (1970, S. 206). Neben dem Sachkapital ist auch der Bestand an Humankapital und Boden zu betrachten. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Problemkreis der "Armut" muß auch die Erhaltung der Arbeitskraft (des Produktionsfaktors Arbeit) in die Betrachtung einbezogen werden.

27

28

Standard oder Verteilungstyp; siehe dazu unten Kapitel C.I. in Verbindung mit B.III.2. Vgl. dazu Buhmann et al. (1987).

I. Die "verteilungsrelevante Position"

41

ten Sinne, benefits öffentlicher Ausgaben, des Einkommens aus dem informellen Sektor sowie sozialer Dienstleistungen.29 Personelle Einkommensverteilungstheorien beziehen sich zumeist lediglich auf das Arbeitseinkommen 30 oder auf bestimmte eingeschränkte Gruppen der Gesellschaft wie z.B. "männliche, erwachsene, während der gesamten Periode vollzeitbeschäftigte Personen, alle Berufe umfassend, in allen Wirtschaftszweigen außer Landwirtschaft" 31. (2) Konsumausgaben (K) sind die realisierten laufenden Konsummöglich' keiten 32. Vom oben bereits definierten Einkommensbegriff sind also die Ersparnisse abzuziehen; die Bewertungs- und Bekundungsprobleme der Einkommensdefinition ergeben sich somit auch hier. 33 Problematisch ist insbesondere die Behandlung von langlebigen Konsumgütern im Rahmen von kurzfristigen Modellen, und zwar, wenn die betrachtete Periode 34 kürzer ist als die Lebenszeit der Güter. (3) Das gesamte Vermögen (V) kann einerseits als Bestandsgröße der zukünftigen Konsummöglichkeiten , andererseits als potentieller Einsatz von Produktionsfaktoren angesehen werden 36, wobei ggf. Forderungen und Verbindlichkeiten zu saldieren sind (Nettobetrachtung). Die Spannweite der möglichen Definitionen geht von der Enumeration einzelner Vermögensgüter bis hin zum gesamten persönlichen Bestand an Vermögensgütern. 37 Zu unterscheiden ist wieder zwischen den einzelnen Produktionsfaktoren, die alternativ oder additiv als relevant erachtet werden können, wobei dem Humankapital eine Sonderstellung zukommt, weil es empirisch kaum vom

Ä

Vgl. Petersen (1988a, S. 248 f.). Vgl. LydaU (1981, Originalveröffentlichung: 1976), Mincer (1981, Originalveröffentlichung: 1976). 31 Lydall (1968, S. 60; zitiert nach LydaU 1981, S. 127). 30

32

Dadurch unterscheiden sich die Konsumausgaben einerseits vom Einkommen, das als Strom der Konsummöglichkeiten definiert wurde und andererseits vom Vermögen, dem Bestand an zukünftigen Konsummöglichkeiten. 33 Vgl. dazu etwa Schneider (1979, S. 31 ff.), Peffekoven (1980, S. 427 ff.), Musgrave (1989) und die dort angegebene Literatur. Zur empirischen Erfaßbarkeit von Einkommen und Ausgaben im Rahmen von Mikrosimulationsmodellen vgl. Hinterberger/Müller/Petersen (1989). 34

Siehe dazu unten C.IV. Dies gilt zumindest insoweit, als es sich nicht um "unproduktive" Vermögensgüter handelt. Zur Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Investitionen vgl. Müller (1989,1990). 35

36

Diese beiden Sichtweisen stellen zwei Seiten einer Medaille dar, von denen aber kurzfristig nur die zweite relevant ist. 37 Vgl. etwa Schneider (1979), Boadway/Wildasin (1984, S. 269), Petersen (1988a, S. 256 f.), Bohnet (1989, S. 26 ff.).

42

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

• . ic . Faktor Arbeitskraft zu trennen ist. Daneben ist aber auch die Bewertung des Vermögens ein Problem. Richtig definiert bestimmen Einkommen und Vermögen die ökonomische Position eines Subjekts.39 (4) Schließlich kann als eindimensional-objektiver Positionsbegriff das Verhältnis von Ruhe- zu Aktiveinkommen angesehen werden, wie es sich etwa zur Darstellung der Sozialversicherung im ABR anbietet. b) Eindimensional-subjektive

Positionsbegriffe

Der M/ize/ibegriff (U) ist der in der ökonomischen Literatur am meisten verwendete und wohl der in den Sozialwissenschaften überhaupt aromatisch am genauesten - wenn auch nicht einheitlich - gefaßte subjektive "Positionsbegriff. 41 Er drückt die faktische Befriedigung der Subjekte durch den Konsum materieller, aber auch anderer Güter (insbesondere Freizeit) aus subjektiver Sicht aus. Verschiedene Nutzenbegriffe unterscheiden sich in der Axiomatik, insbesondere, was die Frage der ordinalen oder kardinalen Meßbarkeit sowie der interpersonellen Vergleichbarkeit anbelangt.42 Solche Unterschiede haben aber weitreichende Konsequenzen für die Ableitung verteilungspolitischer Maßnahmen.43 Der aus der englischsprachigen Literatur stammende Begriff der "Wohlfahrt" (welfare) wird synonym verwendet. 44 Die "soziale Wohlfahrt" hingegen stellt ein - auf dem Nutzenbegriff aufbauendes - gesellschaftliches Konzept dar. 45 c) Mehrdimensional-objektive

Positionsbegriffe

Hier handelt es sich entweder um eigenständige Positionskonzepte (wie das Warenkorb- und das Capability-Konzept) oder um Kombinationen von

38

Die verschiedenen Produktionsfaktoren können auch als Bezugsgrößen subjektbezogener3Verteilungsvorstellungen dargestellt werden. Siehe dazu unten C.I. 9 Vgl. Krause-Junk (1981). 40

Wir werden uns im Rahmen der Behandlung des Zeitaspekts näher damit befassen. Vgl. dazu etwa die Darstellung von Poll (1980), Varian (1985; Originalausgabe: 1978), Ahlheim/Rose (1989). Die Problematik des Nutzenbegriffs wurde im Zusammenhang mit der Diskussion der Entscheidungsfreiheit ausführlich erörtert; siehe A.II.2. 42 Vgl. dazu Möller (1983). 41

43 44 45

Siehe dazu unten B.II.4.b. Vgl. dazu Luckenbach (1986, S. 24 ff.). Siehe unten Kapitel B.II.

I. Die "verteilungsrelevante Position"

Begriffen in Form von Vektoren (Einkommen-Freizeit-Vektor Ressourcen).

43

oder

(1) Als eigenständiges Konzept wären (Kö/tram -) Güterbündel zu nennen, die zu sog. Warenkörben (W) zusammengefaßt werden. 46 Problematisch ist hierbei, daß insbesondere Substitutionsbeziehungen zwischen den einzelnen Gütern nicht berücksichtigt werden. (2) Sen (1983,1985a,b) weist (bei der Messung des Lebensstandards) den einzelnen "Gütern" (z.B. einem Fahrrad) eine "Charakteristik" zu (etwa die Transportfunktion des Fahrrads), die bestimmten Subjekten spezifische Fähigkeiten oder Möglichkeiten (hier: damit zu fahren) verleiht, woraus sie einen bestimmten "Nutzen" ziehen können. Diese Möglichkeit bezeichnet Sen als Capability (C). Das Gut an sich oder seine Charakteristik sagt nichts über seinen Nutzen aus.47 "So the constituent part of the standard of living is not the good, nor its characteristics, but the ability to do various things by using that good or its characteristics, and it is that ability rather than the mental reaction to that ability in the form of happiness that, in this view, reflects the standard of living."48 Das Capability-Konzept steht damit hinsichtlich der Meßbarkeit zwischen dem Warenkorb- und dem Nutzen-Konzept: letzteres wird gewissermaßen objektiviert, ersteres subjektiviert. Die Capability kann als Vektor oder (akzeptiert man die mit der Aggregation verbundenen Bewertungsprobleme) als (positive) reelle Zahl definiert werden. Die verteilungsrelevante Position wird somit auf einer Skala (oder mehreren Skalen) der Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten gemessen. Einem Capability-Konzept entspricht auch der im Sozialrecht gebräuchliche Begriff des Unterhalts 4 9 (3) Um den Problemen, die mit der Nutzenmessung verbunden sind, zu entgehen, ist es möglich, ein Einkommen-Freizeit-Modell mit Hilfe eines Einkommen-Freizeit-Vektors (EF) zu formulieren 50, ohne daraus einen Nutzen abzuleiten. Die subjektive Bewertung von Einkommen und Freizeit wird im Gegensatz zum traditionellen Einkommen-Freizeit-Modell nicht vorgenommen. Die Problematik der "objektiven" Einkommensbestimmung wurde bereits behandelt. Freizeit ist der Zeitraum, der "dem Menschen unbeschadet der unabweisbaren Elementarbedürfnisse zur Verfügung steht, um der

46 47 48

Einzelne Güter als Positionsbegriff aufzufassen, wäre wenig sinnvoll. Wer beispielsweise körperbehindert ist, kann sich nicht mit einem Fahrrad fortbewegen. Sen (1983, S. 160).

49 50

Siehe dazu Abschnitt D. Siehe dazu auch unten Gliederungspunkt B.III.2.

44

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

Muße zu pflegen." 51 Eine "objektive" Bewertung der Freizeit stößt an Grenzen.52 Allerdings ist sie (heute) 53 eine subjektiv wie objektiv (bei Einigung über einige Fragen, wie der Einbeziehung von Arbeitspausen, Arbeitswegen, Vorbereitungszeiten etc.) eindeutig meßbare Größe. Aus der Sicht bestimmter Fragestellungen kann der Einkommen-Freizeit-Vektor zu einem Einkommen-Freizeit-Arbeitsbedingungen-Vektor (EFA) erweitert werden. 54 (4) Einen anderen mehrdimensional-objektiven Positionsbegriff stellt der in der Armutsforschung häufig verwendete Begriff der Ressourcen (R) dar. 55 Darin wird neben dem erzielten (Netto-)Einkommen und Vermögen auch erzielbares sowie aus bestimmten Gründen nicht erzieltes Einkommen (z.B. aus möglicher oder zumutbarer Arbeitsleistung) einbezogen.

d) Mehrdimensional-subjektive

Positionsbegrijfe

Mehrdimensional-subjektive Positionsbegriffe sind insbesondere die aus der empirischen Sozialforschung bekannten Konzepte Lebenslage, Zufriedenheit, Wohlbefinden (Z). 5 6 Neben ökonomischen Faktoren sind hier auch die Beiträge aus der Politologie, der Soziologie und dem Sozial- (und Arbeits-)Recht interessant. In die Lebenslagendefinition einbezogen werden neben Nahrungsmitteln, Bekleidung, ärztlichen und pflegerischen Leistungen etc. (also Dingen, die auch in ein Warenkorbkonzept eingehen) beispielsweise Anforderungen an einen Arbeitsplatz. 57 Objektiv aufgefaßt, entspricht der Lebenslage ein Capability-Konzept. e) Zusammenhänge und Kompatibilität zwischen den Positionsbegriffen In Übersicht 3 sind nun die unterschiedlichen Konstellationen der verschiedenen positiven und normativen Positionsbegriffe dargestellt. Kompa51

V.NeU-Breumng (1965, S. 138); dazu gehört i.d.R. nicht die "berufsgebundene Freizeit", zu der insb. die Zeit für den Weg von und zur Arbeitsstätte zählt. Vgl. dazu auch Becker (1965, S. 503 ff.). 52 53

Vgl. Erlinghagen (1965, S. 141). Vgl. dazu Seifen (1988).

54

Ebenso kann das Standard-Einkommen-Freizeit-Modell (das den Nutzen aus Einkommen und Freizeit als Positionsbegriff verwendet) um den Nutzen der Arbeitsbedingungen ("Arbeitsleid"), der als negativer Nutzen der Arbeitsbedingungen definiert werden kann, erweitert werden. Siehe dazu unten Gliederungspunkt B.III.2. Ä Vgl. z.B. Hauser (1988, S. 10). 56 Vgl. etwa Glatzer/Zapf (1984). 57 Vgl. Hauser (1988, S. 13), Moon (1977).

I. Die

erteilungsrelevante Position"

45

tibilität herrscht, wenn normativ und positiv der gleiche Positionsbegriff als relevant erachtet wird. Diese Fälle sind in den Feldern auf der Diagonale der Übersicht 3 abzulesen. Der Nutzen kann sowohl positiv als auch normativ als relevanter Positionsbegriff des neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Standardmodells angesehen werden. Es ist also auch hinsichtlich des Positionsbegriffs kompatibel. Er ist normativ die Zielgröße und spielt positiv eine zentrale Rolle als Begründungsfaktor. 58 Der Nutzen stellt aber nur dann eine sinnvolle Basis für positive und normative Überlegungen dar, wenn die Subjekte ihre Entscheidungen im Sinne der obigen Ausführungen 59 gemäß ihren Präferenzen treffen können bzw. sollen. Die zunächst aufgestellte Bedingung einer Übereinstimmung der Positionsbegriffe als Voraussetzung für die Gleichheit der entsprechenden Werte wie auch für die Ableitung verteilungspolitischer Maßnahmen kann nun gelockert werden: Daß es sich dabei nämlich nicht um eine notwendige Bedingung handelt, zeigt sich darin, daß in den anderen Fällen zumindest rein rechnerisch die Möglichkeit besteht, den positiven Positionsbegriff mit Hilfe einer Funktion in den normativen umzurechnen, z.B. mittels einer Konsumfunktion zwischen Einkommen und Konsum, einer Monetarisierung realer Größen oder einer "Realisierung" monetärer Größen, wobei in letzterem Fall zusätzliche Informationen berücksichtigt werden müssen, die in den monetären Größen nicht enthalten sind.60 Analog dazu muß im Falle des Positionsbegriffs Vermögen auf die Konsummöglichkeiten, Nutzenmöglichkeiten etc. geschlossen werden, die sich aus dem Einsatz des Vermögens ergeben. Der Zusammenhang mehrdimensionaler subjektiver Positionsbegriffe mit anderen ist zu komplex, um ihn in dieser zweidimensionalen Übersicht darzustellen. Ahnliches gilt für den Positionsbegriff Ressourcen. Die Kenntnis der Zusammenhänge zwischen den Positionsbegriffen ist entscheidend für die Ableitung einer verteilungspolitischen Maßnahme, wenn die tatsächliche Position an die normative Position angeglichen werden soll, die einem anderen Positionsbegriff unterliegt.

58

Siehe unten B.III.2. Siehe oben A.II.2. 60 Zu den Zusammenhängen zwischen objektiven und subjektiven Meßmethoden vgl. auch Zop/(1984, S. 24). 59

Einkommen

inverse Funktion der mögl. Capability

Nutzenfunktion der Capability

inverse Funktion der mögl. Warenkörbe

Nutzenfunktion des Warenkorbs

inverse Funktion der "Nutzenmöglichkeiten"

CapabilityFunktion des Warenkorbs

"Monetarìsiening" des Warenkorbs

invene Nutzenfunktion inverse Nutzenfunktion

Funktion der möglichen Capability Funktion möglicher E-Fz-(Ao-) Kombinationen

inverse "Produktionsfunktion"

Nutzenfunktion des Konsums

"Realisierung" des Konsums

"Realisiening" des Konsums

"Realisierung" des Konsums

inverse ."Produktionsfunktion"

Nutzenfunktion des Einkommens

"Realisiening" des Einkommens

"Realisierung" des Einkommens

"Realisierung" des Einkommens

Capability

î

$

Nutzen Ρ-

if â -

U

1e 1

'Monetarìsiening" der Capability

•ILTTÄT

KOMPATI·

Ώ

BILITÄT

KOMPATI-

CapabilityFunktion des Einkommens

"Realisierung" des Einkommens

1

invene Nutzenfunktion

Kombination

E-FZKAQ.)

inverse Funktion der

"Monetarìsiening"

"Monetarisierung"

E-FZ(-AQ)

Hi

Funktion möglicher Warenkörbe

Funktion des möglichen Nutzens

£π -

U I

invene Capabilityfunktion

"Monetari-" siening"

"Monetarìsiening"

inverse Nutzenfunktion

? ?

Konsum KOMPATI·

"Produktionsfunktion"

"Monetari·" siening"

inverse Nutzenfunktion

"Produktionsfunktion"

inverse Konsumfunktion "Monetarìsiening"

Nutzen

Vennögen

Capability

mehrdimensional objektiv Warenkorb

eindim. subjektiv

Konsum

eindimensional objektiv

•ILTTÄT

If

Konsumfunktion

Einkommen

normativ*.

positiv:

46

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

II. Strukturierung der Verteilungstheorien

47

II. Strukturierung normativer und positiver Verteilungstheorien Dieses Kapitel dient, aufbauend auf den Definitionen des vorangegangenen Kapitels, der strukturierten, formalen Darstellung (1.) normativer und (2.) positiver Verteilungstheorien im ABR, wobei erstere die (Verteilung der) positive(n) und letztere die (Verteilung der) normative(n) Position(en) näher spezifizieren. Daraus können (3.) allgemeine Kompatibilitätsbedingungen angegeben bzw. für den Fall einer konstatierten Inkompatibilität ein spezifischer verteilungspolitischer Handlungsbedarf begründet sowie schließlich (4.) allgemein formulierte, aber spezifisch auf diese Inkompatibilitäten Bezug nehmende verteilungspolitische Maßnahmen abgeleitet werden. Ohne zunächst auf einzelne Inhalte1 einzugehen, die mit Hilfe des ABR dargestellt werden können, wird die Strukturierung dabei in zwei Dimensionen vorgenommen. Es werden Armut und Ungleichheit unterschieden, die jeweils neoklassisch-wohlfahrtstheoretisch, subjektbezogen und statistisch zu definieren bzw. zu erklären sind. Positive und normative Ansätze sind dabei konsequent voneinander zu trennen, was insbesondere bei der neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Sichtweise nicht unbedingt der traditionellen Vorgehensweise entspricht, die die beiden Aspekte häufig vermischt. Aber auch andere Klassifikationen von Verteilungsvorstellungen finden sich in dieser Vorgehensweise wieder, wie etwa die Unterscheidung zwischen horizontalen und vertikalen Gerechtigkeitsvorstellungen und Verteilungstheorien.

1· Normative Verteilungstheorien: Gerechtigkeitskonzepte

Mit den im vorhergehenden Kapitel eingeführten Begriffen lautet nun die Frage nach der normativen Gerechtigkeitsvorstellung: Welchen Wert soll die Position eines Subjekts und welche Verteilung sollen die Werte der Positione der relevanten Subjekte annehmen? Aus dieser Fragestellung werden bereits die beiden Aspekte von Ungerechtigkeit deutlich, der "absolute" und der "relative",2 die hier einleitend unterschieden werden (a). Daneben sind jeweils wohlfahrtstheoretische, subjektbezogene und statistische Sichtweisen dieser Ungerechtigkeitstatbestände zu unterscheiden (b). 1 Solche darstellbaren Inhalte können sowohl theoretischer (siehe dazu die folgenden Kapitel dieses Teils der Arbeit) als auch empirischer Natur sein (siehe Abschnitt D.).

2

Damit ist nicht die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Armutskonzepten gemeint, worauf der Gliederungspunkt B.III.l.a. näher eingeht.

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

48

a) Definition von Armut und Ungleichheit Es ist zweckmäßig, den Begriff der Ungerechtigkeit folgendermaßen zu unterteilen: Während der absolute Aspekt die Position eines einzelnen Subjekts in bezug auf einen kritischen Wert untersucht, bezieht sich der relative Aspekt auf den Vergleich der Positionen mindestens zweier Subjekte und in der Regel auf die Fositions-Verteilung innerhalb einer Gesamtheit von Subjekten. Diese Aspekte werden als Armut 3 und Ungleichheit bezeichnet und stellen sich im ABR als Bedingungen für die (Verteilung der) normative(n) Position(en) dar. Armut, der absolute Aspekt der Ungerechtigkeit, bezieht sich auf die absolute Höhe des konkreten Werts der Position eines Subjekts i zum Zeitpunkt oder in der Periode t in Relation zu einem "kritischen Wert" gemessen in Einheiten des Positionsbegriffs, den wir mit t P. a bezeichnen: Die normative Position ist unter dem absoluten Aspekt durch die Ungleichung tP"

> t Pi a

(2)

4

spezifiziert, was bedeutet, daß keine Armut auftreten soll. Auf den ersten Blick weniger einsichtig ist die Relevanz der zweiten Möglichkeit einer absoluten Definition, nämlich der Festlegung eines oberen kritischen Werts 5 t P.°. In der praktischen Verteilungspolitik werden aber des öfteren solche Ooergrenzen (zumindest als Nebenbedingung) festgelegt. 6 Zusammengefaßt ist der absolute Aspekt dann folgendermaßen zu formulieren: Ρ a < Ρ n < P° . t 1

t 1

t 1

v

(3) '

Die (doppelte) Ungleichung (3) kann als Definition Mabsoluter Gerechtigkeit" ("Gerechtigkeit unter dem absoluten Aspekt") angesehen werden. Ungleichheit, der relative Aspekt der Ungerechtigkeit, bezieht sich in der Darstellung des ABR auf die relative Stellung der Subjekte zueinander, d.h. auf die Häufigkeitsverteilung der Positionen innerhalb der Gesellschaft (aller Subjekte) in der Periode oder zum Zeitpunkt t. Die relative Norm spezifiziert die Verteilung der normativen Positionen H( t P. n ) so, daß sie einer normativen Verteilung G entspricht: H( t P i n ) = G .

(4)

3 Gegebenenfalls kann auch "ungerechtfertigter Reichtum" als absoluter Gerechtigkeitsaspekt angesehen werden; siehe dazu unten. 4 Diese Ungleichung kann auch als absolute Norm bezeichnet werden. 5

6

Die absolute Norm lautet in diesem Fall: P n < P ° . t1 t 1 Siehe etwa D.III.4.

II. Strukturierung der Verteilungstheorien

49

Die Gleichung (4) kann als Definition von "relativer Gerechtigkeit" ("Gerechtigkeit unter dem relative Aspekt") bzw. von "Gleichheit" bezeichnet werden;7 umgekehrt sei Ungleichheit als Zustand definiert, in dem (4) nicht gilt. Die Spezifikationen der normativen Position t P. n in (2), (3) und (4) beschreiben zusammengenommen eine Definition der Gerechtigkeit, wobei die unterschiedlichen Aspekte der normativen Position additiv oder alternativ vorgenommen werden können, d.h., es kann beispielsweise nur Ungleichheit als Ungerechtigkeit betrachtet werden oder nur Armut. Dabei ist zu bedenken, daß es sich lediglich um unterschiedliche Phänomene ein und derselben Verteilung der Positionen handelt. *

ο

Als weitere Konkretisierung des o.g. obersten Postulats kann somit festgehalten werden: Ziel der Verteilungspolitik ist die Vermeidung (Verringerung) von Armut und/oder Ungleichheit in dem Sinne, daß eine Situation hergestellt werden soll, in der die Bedingungen (3), (4) und/oder (5) erfüllt sind,. b) Drei mögliche Sichtweisen der Gerechtigkeitsdefinition Es gibt drei verschiedene Sichtweisen, wie "Gerechtigkeit" definiert, also G, t R a bzw. t P ° festgelegt werden kann, nämlich wohlfahrtstheoretisch, subjektbezogen oder statistisch, wobei die erstere in einer bestimmten Interpretation als Spezialfall der zweiten angesehen werden kann. Die Spezialität der wohlfahrtstheoretischen Sichtweise rechtfertigt aber eine getrennte Behandlung. Gerechtigkeitsvorstellungen stellen die norma(1) Wohlfahrtstheoretische tive Seite des neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Standardmodells dar, 9 wobei zwei Typen von Normen 10 zu unterscheiden sind, nämlich Allokationsnormen und Verteilungsnormen. Erstere sind durch eine Reihe von Margmalbedingungen beschrieben, die ein Effizienzmaximum charakterisieren. Dieses ist im Rahmen dieser Arbeit allerdings nur insofern zu be7

Gleichheit ist also in negativer Abgrenzung von Ungleichheit zu verstehen und nicht unbedingt als Gleichverteilung, g Siehe oben A.II.l.a. 9

Der hier als Wohlfahrtstheorie bezeichnete Ansatz wird auch als paretianische Wohlfahrtsökonomik oder Wohlstandstheorie bezeichnet. Da dieser Ansatz - wohl mehr als alle anderen - allgemein akzeptiert ist, genügt es, in diesem Bereich auf einschlägige Lehrbücher zu verweisen: vgl. etwa Sohmen (1976), Atkinson/Stiglitz (1980, S. 336 ff.), Luckenbach (1986, 1988), Maddala/Müler (1989, S. 515 ff.). 10 Diese werden in der entsprechenden Literatur meist als "Ziele" bezeichnet; vgl. etwa Luckenbach (1986, S. 23). 11 Vgl. etwa Luckenbach (1986, S. 73 ff; 1988); sie spricht von einer Wohlstandsfunktion vom Typ I. Diese Allokationsnormen werden häufig hinter technischen Formulierungen (wie

50

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

trachten, als damit immer auch eine bestimmte Verteilungssituation hinsichtlich der Güter, Faktoren, Einkommen, aber auch der Nutzen verbunden ist, in der sich insbesondere die Ausgangsverteilung der Produktionsfaktoren widerspiegelt. 12 Der Nutzen ist - wie oben erwähnt - der (normative) Positionsbegriff dieser normativen Verteilungstheorie: t P.

n

->

t

u(n).

Entscheidend sind dabei die Annahmen über die Nutzenfunktionen (insbesondere Ordinalität und Nicht-Vergleichbarkeit) 13. Verteilungsnormen beziehen sich nach diesem Ansatz auf den Vergleich mehrerer als effizient eingestufter Situationen, der mittels sozialer Wohlfahrtsfunktionen durchgeführt wird. 14 Derartige Funktionen beschreiben eine Verknüpfung der Nutzen aller relevanten Subjekte, woraus sich eine Verteilungsfunktion GQU.^) ableiten läßt. Die bekannteste Wohlfahrtsfunktion ist die sog. utilitaristische oder Bentham-Wohlfahrtsfunktion, bei der die Summe der individuellen Nutzen maximiert wird; zwei Extrempositionen stellen die egalitäre und die elitäre Wohlfahrtsfunktion dar, 15 zwischen denen eine Reihe von Wohlfahrtsfunktionen angesiedelt ist, die eine gewisse Präferenz für Egalität aufweisen. Als "absolutes Konzept", das die Problematik der Armut berücksichtigt, kann die Rawlssche Wohlfahrtsfunktion angesehen werden. Diese erfordert, daß die Position des am schlechtesten gestellten Subjekts maximiert wird. 16 Einige dieser Funktionen beziehen ihre Legitimation daraus, daß sie in einer hypothetischen Referenzsituation unter bestimmten (teilweise sehr

Tausch-, Produktions- und Top-Level-Optimum) versteckt: These are purely technical conditions devoid of any institutional content..." ÇBoadway/Wildasin , 1984, S. 17). 12 Vgl. Samuelson/Nordhaus (1989, S. 405). Dazu Sen (1973, S. 7): "The almost singleminded concern of modern welfare economics with Pareto optimality does not make that engaging branch of study particularly suitable for investigating problems of inequality."

13

Dies entspricht der strengen Form des Standardmodells, aus dem sich konkrete Aussagen schwer ableiten lassen. Daher wurden die Annahmen von einigen Autoren konkretisiert; vgl. dazu etwa v. Neumann/Morgenstern (1961) und die Kritik daran von Arnaszus (1974). Vgl. dazu die Diskussion zwischen Cooter/Rappoport (1984, 1985), Rappoport (1988), Little (1985), Hennipman (1988). 14 Vgl. etwa Boadway/Wildasin (1984, S. 68), die die Begriffe der sozialen Wohlfahrtsfunktion und der "formalen normativen Theorie" gleich setzen. Luckenbach (1986, S. 81 ff.) spricht von gesellschaftlichen Wohlstandsfunktionen. Einen kurzen Abriß über unterschiedliche Wohlfahrtsfunktionen geben Atkinson/Stiglitz (1980). Eine Diskussion darüber findet sich bei Posner (1983). Luckenbach (1988, S. 395) stellt die Bedingungen dar, denen eine individualistisch konzipierte Wohlstandsfunktion genügen muß. 15 Vgl. Petersen (1988a, S. 245). 16 Vgl. dazu Rawls (1972), Lütgenhorst (1984).

II. Strukturierung der Verteilungstheorien

51 17

strengen) Annahmen von rationalen Subjekten gewählt würden. Eine Alternative zur in diesem strengen Sinne wohlfahrtstheoretischen Vorgehensweise stellt das schwache Gleichheitsaxiom (weak equity axiom) dar, worauf aber nicht näher eingegangen wird. Es lautet in einer allgemeinen Formulierung des ABR: Wenn ein Subjekt i 1 bei jedem Einkommen eine geringere Position erlangt als ein anderes Subjekt L, dann muß bei der Verteilung einer bestimmten Einkommensumme auf m Subjekte (unter denen sich auch i 1 und ^ befinden) mehr erhalten als i^ um eine optimale Lösung zu erreichen. (2) Das subjektbezogene Konzept der Gerechtigkeitsdefinition ist das vielseitigste und - wie zu zeigen sein wird - gleichzeitig aus der Sicht der praktischen Verteilungspolitik das handhabbarste Konzept. Dabei wird die normative Position P. n in einer bestimmten Weise von einer Bezugsgröße M. n abhängig gemacnt, beispielsweise vom Bedarf oder der Leistimg.19 Allgemein gesprochen, sei der Zusammenhang zwischen t P. n und t M . n durch die Funktion g beschrieben: Λ " =g(tMin)· (5) Es ist auch hier zwischen relativem und absolutem Aspekt zu unterscheiden. Als relative Norm gilt (5) für alle i, woraus sich die normative Verteilung G als G = G(g( t M. n ))

(6)

ergibt. Der Positionsbegriff kann dabei unterschiedlich spezifiziert sein. Ein Beispiel soll dieses Konzept verdeutlichen: Wenn t P. n das Einkommen der relevanten Personen ist und t M . n deren Bedarf, dann besagt (6), daß das Einkommen aller Personen entsprechend der Funktion g mit ihrem Bedarf zusammenhängen soll. In dieser Form wird deutlich, daß lediglich die Wahl der Bezugsgröße Gegenstand einer normativen Festlegung ist, nicht aber der konkrete Wert auf dieser Skala; dieser ist Gegenstand einer (objektiven oder subjektiven20) Messung21. Es besteht aber auch die Möglichkeit, den Wert der Bezugsgröße originär festzulegen.

17

Vgl. etwa Rawls (1972) für die "Maxi-min"-Funktion; vgl. auch die Darstellung bei Binmore (1989). 18 Vgl. Sen (1973, S. 18). 19

Auf die verschiedenen normativen Bezugsgrößen wird unten in Gliederungspunkt C.I.2. näher 20 eingegangen. Dies ist abhängig von der gewählten Bezugsgröße. 21 Während die Wahl der Bezugsgröße (ähnlich wie beim Positionsbegriff) mit Bewertungsproblemen veibunden ist, ist die Messung (ähnlich wie beim konkreten Wert der - positiven - Position) mit Bekundungs- und Erkenntnisproblemen verbunden.

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

52

Unter dem absoluten Aspekt ergibt sich aus (5) der kritische Wert der normativen Position in Abhängigkeit von einem korrespondierenden kritischen Wert auf der Skala der Bezugsgröße: i * tpia =g(,Mia)· co a Analog zum obigen Beispiel könnte ( M. einen Minimalbedarf darstellen, woraus mittels der Funktion g die minimale Position berechnet wird, die ein Subjekt aufweisen soll. In diesem Fall ist der konkrete Wert der Bezugsgröße, also die Höhe von t M. a , Gegenstand einer originären Festlegung. Weist eine subjektbezogene Gerechtigkeitsvorstellung zusätzlich zur Armuts- auch eine Obergrenze auf, so kann diese absolute Norm folgendermaßen formuliert werden: t

p n

g( t M.°) = tP.° > t P. n > t P. a = g ( t M . a ) .

(8)

Gilt (8), so hegen weder Armut noch ungerechtfertigter Reichtum 22 vor. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise können neben unterschiedlichen Subjektbegriffen auch bestimmte subjektbezogene Charakteristika berücksichtigt werden (wie z.B. Alter, Familienstand oder Kinderzahl 23), die wir mit t x. n bezeichnen. Aus (5) wird dann: tp.

n

= gx(tM.n;txj11)24

(9)

und aus (8) gx(tMi°;tx.O) = t P.° > t P» > t P. a = g x ( t M i a ; t x i °) .

(9')

(3) Statistische Gerechtigkeitsvorstellungen legen den kritischen Wert t P. a (ggf. t P°) und/oder die Verteilung G ohne Bezugnahme auf eine Referenzgröße (^Bezugsgröße t M.) fest, ohne damit Aussagen über einzelne Subjekte zu treffen. So kann G beispielsweise eine Gleich-, eine Normal- oder Paretoverteilung mit bestimmten Parametern sein. Solche Festlegungen können sich ggf. nur auf bestimmte Subjekttypen (Individuum, Familie, Haushalt etc.) bzw. auf Subjekte beziehen, die bestimmte Charakteristika (z.B. ein bestimmtes Alter) aufweisen. 25 G muß nicht unbedingt eine eindeutige Form haben, sondern kann auch als Korridor von Verteilungen aufgefaßt werden, innerhalb dessen eine positive Verteilung als gerecht

22

"Ungerechtfertigt" ist dabei im wörtlichen Sinne von "nicht anderweitig gerechtfertigt" also23"ceteris juris" - zu verstehen. Auf die Berücksichtigung unterschiedlicher persönlicher Charakteristika wird unten in Kapitel Gill, näher eingegangen. 24

(7) und (8) müssen entsprechend modifiziert werden. Auf solche Größen, die den grundsätzlichen Anspruch auf Sozialleistung bzw. die grundsätzliche Verpflichtung zur Steuerzahlung (jeweils dem Grunde und nicht der Höhe nach) charakterisieren, wird unter B.II.4. näher eingegangen. 25

II. Strukturierung der Verteilungstheorien

53

erachtet wird. Als besondere statistische Norm können sog. Tarifformeln aufgefaßt werden, worauf wir bei der Ableitung spezifischen verteilungspolitischen Handlungsbedarfs zurückkommen, weil diese Normen sehr eng an die positiven Ergebnisse anknüpfen und daher nur im Zusammenhang mit diesen zu diskutieren sind. 27

Eine Zusammenfassung dieser zweifach strukturierten Gerechtigkeitsvorstellungen ist in Übersicht 4 abzulesen. Real existierende Gerechtigkeitsvorstellungen sind i.d.R. Kombinationen aus mehreren subjektbezogenen und ggf. statistischen Gerechtigkeitsvorstellungen, denen ein allgemeines Entscheidungsfreiheitspostulat beigefügt sein kann. Dieser Vielschichtigkeit wird die wohlfahrtstheoretische Norm nicht gerecht, die - vereinfacht gesagt - eine Norm, nämlich das Entscheidungsfreiheitspostulat der Standardtheorie, auf alle relevanten Fragestellungen anwendet. Inwieweit die wohlfahrtstheoretische Gerechtigkeitsdefinition als Spezialfall einer subjektbezogen Sichtweise angesehen werden kann, soll insbesondere im nächsten Abschnitt weiter verdeutlicht werden, wenn unterschiedliche Antworten auf die konzeptionellen Fragen nach der Bezugsgröße, dem Subjektbegriff, den Charakteristika und der relevanten Periode (dem relevanten Zeitpunkt) diskutiert werden. Dabei kann gezeigt werden kann, daß dieses Modell aus der Sicht der praktischen monetären Verteilungspolitik, die sich mit der Kompensation von Inkompatibilitäten beschäftigt, wenig hilfreich ist. Die subjektbezogene Interpretation ist andererseits nur eine sehr spezielle Interpretation, die sich eher auf Nebensächlichkeiten des wohlfahrtstheoretischen Modells bezieht. Die zentrale Norm dieses Modells ist das umfassende (normative) Postulat der Entscheidungsfreiheit, aus dem sich der entsprechende Verteilungsmechanismus als Norm ableitet. Mit Hilfe dieser Strukturierung lassen sich auch die Begriffe horizontale und vertikale Verteilung (Gerechtigkeitsvorstellungen wie entsprechende Erklärungen) beschreiben, indem nämlich erstere durch die Berücksichtigung des Subjektbegriffs und der subjektbezogenen Charakteristika, letztere durch die statistische Festlegung der Verteilung G und mittels der Bezugsgröße t M . n dargestellt werden. Statistische und subjektbezogene Sichtweise schließen sich auch nicht grundsätzlich aus, weil es einerseits möglich ist, erstere als mathematisch-wahrscheinlichkeitstheoretische Abstraktion der letzteren aufzufassen und andererseits, umgekehrt, statistische Gerechtigkeitsvorstellungen inhaltlich zu fundieren. 28

26

Vgl. Hemmer (1988, S. 81 ff.). Siehe unten B.II.4. sowie D.VI. 28 Dies ist vor allem dann einsichtig, wenn man sich die Zusammenhänge zwischen positiven statistischen und subjektbezogenen Theorien vergegenwärtigt. Siehe dazu unten C.I.3.b. 27

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

54

Grechtigjceitskonzept :

WOHLFAHRTSTHEORETISCH

STATISTISCH

ABSOLUT

ζ. B. Mini-maxWohlfahrtsfunktion

"freie" Festlegung von t ? *

RELATIV

z.B. utilitaristische Wohlfahrtsfunktion

"freie" Festlegung von G

SUBJEKTBEZOGEN

Aspekt:

tP" *

8 ^ " )

Übersicht 4: Gerechtigkeitskonzepte unter dem absoluten und unter dem relativen Aspekt

2. Positive Verteilungstheorien: Konzepte der Verteilungserklärung

Analog zur Vorgehensweise im vorhergehenden Kapitel lautet nun die Frage nach der (positiven) Verteilungserklärung: Welchen Wert nimmt die Position eines Subjekts bzw. welche Verteilung von Werten nehmen die Po tionen der relevanten Subjekte an? Die Verteilung der positiven Positionen sei mit F( t P. p ) bezeichnet. Ungerechtigkeiten, die - nach den im vorhergehenden Kapitel aufgestellten Kriterien beurteilt - gewissermaßen "gleich aussehen" (im Sinne einer bestimmten von der gewünschten Verteilung abweichenden Verteilung bzw. einem bestimmten Ausmaß an Armut), können unterschiedliche Ursachen haben und so einen unterschiedlichen Handlungsbedarf erfordern, mit dessen Begründung wir uns im nächsten Gliederungspunkt beschäftigen. Bevor nun analog zu den im vorhergehenden Kapitel dargestellten drei Sichtweisen (neoklassisch29, subjektbezogen und statistisch) die unterschiedlichen Erklärungen für Ungerechtigkeitstatbestände strukturiert werden (b), soll einleitend (a) kurz auf die Unterscheidung zwischen Armuts- und Verteilungstheorien eingegangen werden.

29

Dieser Sichtweise entspricht im Rahmen der normativen Theorien die wohlfahrtstheoretische.

II. Strukturierung der Verteilungstheorien

55

a) Armuts- und Verteilungserklärungen In der Literatur werden (positive) Armuts- und Verteilungstheorien häufig getrennt voneinander behandelt.30 Da aber Armut und Ungleichheit wie oben definiert - lediglich zwei Aspekte ein und derselben Verteilung der Positionen darstellen, erklären positive Verteilungstheorien beide Phänomene. Ist die tatsächliche (Verteilung der) Position(en) gegeben, so kann es sein, daß Subjekte gemäß einem bestimmten Armutskonzept als arm eingestuft werden. Allerdings können in eklektischen Ansätzen gewisse Begründungen für die Höhe der Position "armer" Subjekte (also solcher mit einer vergleichsweise geringeren Position) relevanter sein als für andere. Beispielsweise werden Subkultur-Theorien 32 wesentlich häufiger zur Erklärung der Armut herangezogen als zur Erklärung von Ungleichheit.

b) Drei Sichtweisen der Ungerechtigkeitserklärung Wie bei den Gerechtigkeitsdefinitionen (B.II.l.b.) können wir auch bei der Erklärung der (Verteilung der) Position(en) drei Sichtweisen unterscheiden: neoklassische, subjektbezogene sowie statistische Verteilungstheorien. Wiederum können erstere in gewisser Weise als Spezialfall der zweiten aufgefaßt werden, was aber nicht zwangsläufig ist und somit eine eigene Darstellung rechtfertigt. (1) Im neoklassischen Standardmodell wird die Verteilung in Abhängigkeit von der Marktform erklärt: Die "paretianische Wohlstandstheorie"33 beschreibt die sich unter der Voraussetzung unterschiedlicher Marktbedingungen ergebenden Verteilungsergebnisse und lehrt dabei insbesondere, daß bei vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten eine allokativ effiziente Situation erreicht wird, die durch die Erfüllung der bekannten Marginalbedin30

Als Beleg seien nur drei Beispiele genannt. Während Atkinson (1975) der Armut ein relativ abgeschlossenes - Kapitel seiner "Economics of Inequality" widmet, führt Townsend (1979, S. 61 ff.) als Armutstheorien im wesentlichen die gleichen Erklärungsansätze an, die etwa bei Sahota (1978) als personelle Verteilungstheorien firmieren. 31 Das ist für diejenigen Subjekte der Fall, für die Ρ p < P * gilt. Diese Frage ist aber erst im Zusammenhang mit der Kompatibilität zu stellen; sieÄe unten B.II.2.a. 32 Siehe dazu unten B.III.2.b. 33 Der Begriff der "paretianischen Wohlstandstheorie", wie ihn Luckenbach (1988) verwendet, ist hier synonym zum "neoklassischen Standardmodell" zu verstehen. Es handelt sich um denjenigen Typ einer impliziten Verteilungserklärung, mit dessen Hilfe die Bedingungen beschrieben werden, unter denen es zu der wohlfahrtstheoretisch als optimal erkannten Verteilung der Einkommen und Nutzen kommt. Vgl. etwa die Darstellung von Arrow/Hahn (1971), Dufpe/Sonnenschein (1989).

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

56

gungen gekennzeichnet ist. 34 Die damit verbundene Verteilung der Güter, Produktionsfaktoren, Einkommen und Nutzen ist - wie erwähnt - von der angenommenen oder gegebenen Ausgangsverteilung der Produktionsfaktoren auf die Subjekte abhängig.35 Die neoklassische Grenzproduktivitätstheorie und das traditionelle Einkommen-Freizeit-Modell sind Spielarten dieser Verteilungserklärung, die jeweils gewisse Gesichtspunkte und Ergebnisse betonen. Der Nutzen kann als relevanter positiver Positionsbegriff angesehen werden: tpp->tuö»,

woraus sich die relevante positive Verteilung FQU.®) ergibt, die in der Regel nicht in dem Sinne verteilungsoptimal ist, wie es einer bestimmten sozialen Wohlfahrtsfunktion entsprechen würde. Aber auch eine Einigung aller Subjekte einer Gesellschaft auf eine konkrete Wohlfahrtsfunktion, die dann durch entsprechende Umverteilungsmaßnahmen erfüllt werden könnte, ist in der Regel nicht denkbar, und selbst bei einer Abstimmung über mehrere Alternativen würde es zu einem Wahlparadoxon kommen, wie es von Condorcet (1785) und Arrow (1973)36 beschrieben wurde. 37 Eine Ausnahme bildet der höchst hypothetische Fall, der von Sen (1970) diskutiert wird. (2) Im Rahmen subjektbezogener Verteilungstheorien wird der Zusammenhang der positiven Position t P. p mit einer dafür als relevant erachteten Bezugsgröße t M . p untersucht. Während eine subjektbezogene Gerechtigkeitsdefinition (normative Verteilungstheorie gemäß den Formeln 5 bis 9) besagt, wie die Position mit einer normativen Bezugsgröße t M . n zusammenhängen soll, erklärt eine subjektbezogene positive Verteilungstheorie, daß die Position jeweils zweier (und damit aller) betrachteter Subjekte gleich dem Funktionswert einer vorgegebenen Funktion f dieser oder einer anderen Bezugsgröße ist: tP.P

= f( t M.P).

(10)

Gilt die Funktion f für alle i, so folgt daraus die Verteilung der Positionen F(tP.P) = F(f( t M.P)).

34

(11)

Vgl. Luckenbach (1988, S. 400). Im nächsten Kapitel wird dies anhand eines einfachen Verteilungsmodells - dessen Kern ein neoklassisches (Einkommen-Freizeit-)Modell bildet - verdeutlicht. Vgl. dazu die umfassende Darstellung der neoklassischen Theorie der Verteilung des Arbeitseinkommens bei v. Weizsäcker (1987). Zur Kritik an der neoklassischen Verteilungserklärung vgl. etwa Dobb (1969). 35

36 37

Originalveröffentlichung: 1967. Vgl. dazu auch die Darstellung von MacKay (1980).

II. Strukturierung der Verteilungstheorien t P.

57

p

kann nun wieder von gewissen Charakteristika des Subjekts ( t xP) abhängig sein: t PP

= f x ( t M.P; t ,P) .

(10')

Bei entsprechender Spezifikation von Position, Bezugsgröße und Charakteristika könnte (10') beispielsweise besagen, daß das monatliche Einkommen einer Familie von deren Leistung in Verbindung mit der Familiengröße und der Altersstruktur abhängt. (3) Im Falle statistischer Verteilungserklärungen wird die Verteilung der Positionen F ( u P k p ) für die Gesamtheit der Subjekte aus einer Überlagerung der Verteilungen verschiedener Merkmale erklärt, ohne dabei Aussagen über einzelne Subjekte zu treffen. 39 Diese dogmenhistorisch am weitesten zurückgehende Gruppe von personellen Einkommensverteilungstheorien führt die Verteilung zunächst auf einen generalisierbaren Typ zurück. 40 Daran schließt sich die Frage an, wie eine solche Verteilung zustande kommt, die zunächst mit Hilfe mathematischer und wahrscheinlichkeitstheoretischer Sätze beantwortet werden kann. Dabei ging es vor allem darum, die Schiefe der Verteilung zu erklären, die von der prima vista als "natürlich" erachteten Normalverteilung abweicht. Diese groben Verfahren sind mit einem hohen Informationsverlust verbunden. Informativer sind hier Verfahren, die etwa - deskriptiv - die Querverteilung darstellen. "Der Anteil, den eine bestimmte Haushaltsgruppe am Gesamteinkommen hat, kann bestimmt werden aus der funktionellen Verteilung, repräsentiert durch den funktionellen Verteilungsvektor, und der Verteilung der einzelnen Einkommensarten auf die Haushaltsgruppen."41 Real existierende verteilungspolitische Maßnahmen gehen auf der positiven Seite meist von nicht näher "begründeten" Einkommens- und CapabilityGrößen aus, die - in der hier vorgelegten Klassifikation und als Abgrenzung von einer subjektbezogenen Spezifikation der positiven Position - als statistische Größen angesehen werden können, da sie nicht auf irgendeine Bezugsgröße abstellen, sondern bei genauer Festlegung des jeweiligen Positionsbegriffs den konkreten Wert der Position lediglich messen. Auch bei der Darstellung positiver Verteilungstheorien wird deutlich, daß sich die neoklassische Theorie als Spezialfall einer subjektbezogenen Betrachtungsweise darstellen läßt, worauf im nächsten Abschnitt näher eingegangen wird. 38

Diese werden auch als "stochastische" Verteilungstheorien bezeichnet; vgl. etwa Sahota (1978) 39 und Blümle (1975). 40 41

Die Existenz von Armut ist eine Eigenschaft, die diese Verteilung aufweisen kann. Vgl. Townsend (1979, S. 72). Krupp (1981, S. 194; Originalveröffentlichung 1968).

Β. Der Allgemeine Bewertungsrahmen

58

3. Kompatibilität im Rahmen der verschiedenen Konzepte

In diesem Gliederungspunkt sollen die in den beiden vorangegangenen Gliederungspunkten gemachten Verteilungsaussagen zusammengeführt, verglichen sowie auf Kompatibilität überprüft werden, und zwar zunächst (a) allgemein und dann (b) im Vergleich zwischen den drei angesprochenen unterschiedlichen Sichtweisen. Daraus ist im nächsten Kapitel für alle Fälle von Inkompatibilitäten bei subjektbezogener Betrachtungsweise eine spezifische verteilungspolitische Maßnahme abzuleiten.

a) Allgemeine Kompatibilitätsbedingungen Auf der abstrakten Ebene dieses Kapitels kann - außer für das Standardmodell - die oben getroffene Unterscheidung zwischen Kompatibilität und Übereinstimmimg von Norm und Realität nicht dargestellt werden, da die angesprochenen Größen (Ρ, M und x) nicht theoretisch fundiert wurden, sondern lediglich als Darstellungsform unterschiedlicher Theorien zu verstehen sind und somit auch keine Aussagen über die Wertbasis enthalten, auf der ein innerer Zusammenhang zwischen Norm und Erklärung beruhen könnte. Trotzdem können hier einige grundlegende Aussagen getroffen werden, da Übereinstimmungserfordernisse immer auch eine Voraussetzung für eine Kompatibilität darstellen und daher auch als Kompatibilitätsbedingung interpretiert werden können. Gemäß (1) erfordert Übereinstimmung/Kompatibilität, daß der Wert der normativen Position t P. n dem der positiven Position t P. p gleich sein muß, wobei ersterer ggf. sowohl absolute als auch relative Gerechtigkeit beinhaltet. Ist die sich aus (10) ergebende positive Position geringer als der kritische Wert aus (2), tPi

P

t ι

oder

113



t ι

T M . P - > T X.

,

wobei für die einzelnen Größen die in Gliederungspunkt C.I.I. angestellten Überlegungen jeweils zu weiteren Konkretisierungen der Formel (10) führen. Ist beispielsweise die LEISTUNG positive Bezugsgröße, so besagt dies, daß die Positionen aller betrachteten Subjekte gleich dem Funktionswert der Funktion f von deren jeweiliger LEISTUNG sind: t PP

= f( tL.G>>).

(50) p

Daraus folgt, daß die Verteilung der Positionen ( F( t P. ) ) der Verteilung der LEISTUNG insofern entspricht, als F(tP.P) = F(f( tL.Ö>))).

(51)

Armut tritt dann auf, wenn tP.P

= f( tL^) Sahota (1978, S.4).

Andererseits zeichnen sich "Luxusgüter" häufig dadurch aus, daß sie wegen des hohen Preises pro Einheit eine geringe (im Extremfall überhaupt keine) Konsumtionszeit benötigen. So erklärt sich das Phänomen von "progressivem Luxus" (vgl. Poll, 1980). 98 Pareto erklärte etwa die Schiefe durch ein Mindesteinkommen, unter das das individuelle Einkommen nicht fallen kann (sog. "trunctated distribution"; vgl. Townsend, 1979, S. 72 f.). 99 Townsend (1979 S. 75). 100 Vgl. auch LydaU (1981; Originalveröffentlichung 1976). Zur Kritik vgl. Townsend (1979, S. 75 ff.).

I. Die Bezugsgröße

117

Da den "ability-Ansätzen" somit auch im Rahmen statistischer Verteilungserklärungen eine besondere Rolle zukommt, sei darauf etwas näher eingegangen: Wenn jedes Subjekt über ein Bündel von einkommensbeeinflussenden Faktoren verfügt, die jeweils normalverteilt sind, ergibt sich nach dem zentralen Grenzwertsatz eine Normalverteilung der Einkommen. 101 Gemäß einem Einwand von Gibrat sind die Einkommen einer Lognormalverteilung entsprechend verteilt, weil nicht die absoluten, sondern die relativen Änderungen der Einkommen die häufigkeitstheoretischen Komponenten seien; Einkommensrelationen äußern sich in absoluten Differenzen der 1 (Y2.

Logarithmen. M.a.W., eine Lognormalverteilung ergibt sich aus einer multiplikativen Verknüpfung der Zufallseinflüsse, eine Normalverteilung aus einer additiven Verknüpfung. Die Lognormalverteilung erklärt die Schiefe der personellen Einkommensverteilung und "paßt" vor allem füf mittlere Einkommen, nicht allerdings für schwach besetzte hohe und niedrige Einkommensklassen.103 Sahota (1978) kommt aber zu dem Schluß: "The unfinished agenda here is rather large. As yet we know very little about the independent influence of genetic and environmental factors on ability, education, and earnings or about the direct and indirect influence of ability on earnings, independently of family background. Researchers are more coming to the view that true relationships are not likely to be available until they are derived by treating earnings, schooling, informal human investment, and abilities endogenously in a simultaneous equations context..." (S. 7). Bliimle (1974) stellt fest, daß aus einem Zufallsprozeß, wie er von Gibrat angenommen wurde, eine Zunahme der Varianz mit dem Alter verbunden sein müßte. 104 Im Zusammenhang mit Preisers Interpretation der Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung kann der Bestand an Boden und Kapital auch als direkt verteilungsrelevant angesehen werden.

c) Anstrengung im Rahmen der Verteilungserklärung Eine Verteilungstheorie, die die ANSTRENGUNG - im oben definierten Sinne - in den Mittelpunkt der Verteilungserklärung stellt, gibt es nicht. "Vermögen" (Faktorbestand) ist Leistungsvermögen und somit ANSTRENGUNGsrelevant, aber eben nur die eine Seite der ANSTRENGUNG. Die Entscheidungsfreiheit der "Besitzlosen", d.h. derer, die als Produktionsfaktor in

101

Vgl. Townsend (1979, S. 73). Er verweist auf Staehle (1943) und Pigou. Vgl. Blümle (1975, S. 48). 103 Vgl. Blümle (1975, S. 48). Vgl. Blümle (1974, S. 66). In der Realität wird dies durch gegenläufige Effekte teilweise konterkariert. 102

118

C. Vier konzeptionelle Fragen

nennenswertem Ausmaß nur die Arbeitskraft besitzen, wird dadurch im Verhältnis zu den "Besitzenden" als eingeschränkt angesehen. Die positive Analyse dieser (internen und externen) Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit ist daher entscheidend für die Begründung verteilungspolitischen Handlungsbedarfs und die Ableitung spezifischer verteilungspolitischer Maßnahmen, was um so leichter fällt, je genauer die entsprechende Norm definiert ist. d) Bargainingtheoretische

Verteilungserklärungen:

der Verteilungstyp

Positive Bargainingtheorien erklären, wie es zu Bargaining kommt und wie Bargaining auf die Verteilung wirkt. 105 Shackle (1972) 106 beschreibt das Phänomen der Verhandlung zwischen zwei Parteien (z.B. Gewerkschaft und Unternehmerverband) als bilaterales Monopol. Im Verhandlungsprozeß wird dabei eine allgemeine Lohnhöhe festgelegt. In der Realität sind auch Fragen der personellen Verteilung zwischen den abhängig Beschäftigten Verhandlungsgegenstand von Bargainingprozessen und können mit einem ähnlichen Instrumentarium analysiert werden 107 , ebenso wie "Arbeitszeit-" und "Arbeitsleidbargaining" 108. Meist werden all diese Fragen als Paket verhandelt, was die analytische Behandlung erschwert. Begründungsfaktoren, die in die Verhandlungsergebnisse eingehen, sind - allgemein gesprochen und ohne auf die Details der Modelle einzugehen - die jeweils erwarteten (Opportunitäts-)Kosten der Auseinandersetzung (bei Widerspruch) sowie der Konzession (bei Akzeptanz), wobei Risikovorstellungen, einsetzbare Druckmittel sowie Möglichkeiten, die Kosten zu tragen, eine bedeutende Rolle spielen.109 Spieltheoretische Ansätze (Gefangenendilemma, ΤΓΓ FOR TAT etc. 110 ) stellen dabei wichtige Analyse-Mittel dar. Ken (1972) 111 weist darauf hin, 105 Vgl. dazu etwa den Ansatz von AshenfelterjJohnson Literatur. 106 107

(1969) und die dort angegebene

Originalveröffentlichung: 1964. Vgl. dazu Ozanne (1972; Originalveröffentlichung: 1959), Layard/Metcalf/NickeU

(1978). 108

Unter letzterem kann die Auseinandersetzung um die Arbeitsbedingungen verstanden werden; dabei können die Indifferenzkurven des einfachen Einkommen-Freizeit-(Arbeitsbedingungen-)Modells (siehe oben die Abbildungen 4 und 5) als Beschreibung der gesellschaftlichen 109 Präferenzen angesehen werden. Vgl. dazu Levison (1972; Originalveröffentlichung: 1966). 110 Vgl. dazu grundlegend Weck-Hannemann (1988), Weimann (1990) sowie Leinfellner (1986) und die dort angegebene Literatur. 111 Originalveröffentlichung: 1954.

Gese

I. Die Bezugsgröße

119

daß in derartigen "industriellen Konflikten** auch nichtrationale oder irrationale Entscheidungen zum Tragen kommen: "Die Führer sind meistens rationaler als die Mitglieder, aber sie sind oft nicht in der Lage, ihr nichtrationales Gefolge zu zügeln."112 "Taktische Schlichtungen" durch eine dritte Partei können Einigungen erleichtern, etwa durch Verminderung der Irrationalität, Beseitigung von Unvernunft, Erkundung von Problemlösungen, Hilfe zum ehrbaren Rückzug bis hin zur Erhöhung der Konfliktkosten für eine oder beide Parteien als Anreiz zum Beilegen des Konflikts. 113 "Strategische Schlichtungen" dienen der grundsätzlichen und längerfristigen Verringerung des Konfliktpotentials. 11 Einige Ansätze von Lydall (1959, 1960) und Beckmann (1971) erklären die Schiefe der Verteilung durch die unterschiedliche Bedeutung von Verantwortung in hierarchischen Strukturen. 115 Beckmann (1971) postuliert auch für die Realität - neben einigen von Max Weber abgeleiteten Prinzipien für bürokratische Organisationen 116 - eine Verteilung gemäß seines indisch-königlichen Lehrbuchs. 117

4. Zur Kompatibilität von Standard und Verteilungstyp und die Ableitung verteilungspolitischer Maßnahmen

Wenn "ceteris juris" der Gerechtigkeitsstandard dem Verteilungstyp entspricht, d.h., wenn die Positionen der Subjekte gemäß einer in bestimmter Weise spezifizierten Bezugsgröße oberhalb des kritischen Werts hegen bzw. in der gewünschten Weise (d.h. ebenfalls in Abhängigkeit von einer bestimmten Bezugsgröße) verteilt sein sollen und sich die Verteilung tatsächlich gemäß dieser Bezugsgröße ergibt, dann hegt Kompatibilität zwischen Norm und Erklärung vor, und es kann damit kein Eingriff gerechtfertigt werden; ansonsten können Eingriffserfordernisse begründet werden. Krause-Junk (1974) kommt in seiner "Theorie des distributiven Marktversagens" zu dem Schluß, daß der Markt im allgemeinen in bezug auf alle drei von ihm angesprochenen Verteilungsnormen (Leistung, Bedarf, 111 113

Ken (1972, S. 264). Vgl. Kerr (1972, S. 267).

114 Etwa durch eine Integration der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in die Gesellschaft, Stabilisierung der Gesellschaft, ideologische Annäherung, Schaffung von Spielregeln etc. (vgl. Kerr, 1972, S. 276 ff.; Originalveröffentlichung: 1954/55); mit einem Wort: Sozialpartnerschaft. Zu Taktik und Strategien in Tarifverhandlungen vgl. auch Stevens (1972; Originalveröffentlichung: 1969). 115 Vgl. Blümle (1975, S. 65 ff.). 116 Vgl. Beckmann (1971, S. 660). 117 Siehe C.I.2.d.

120

C. Vier konzeptionelle Fragen

Anstrengung) versagt, ohne daß es notwendig ist, diese Normen exakt zu definieren. 1 Dies gilt ebenso für den hier betrachteten Standard GESETZ. Diese Aussagen lassen sich mit dem Instrument des ABR näher analysieren. In der Übersicht 7 sind die Zusammenhänge zwischen Verteilungsstandards und Verteilungstypen allgemein zusammengefaßt. Dabei ist es sinnvoll, die Diskussion aufzuspalten in (a) Aussagen, wo Entscheidungsfreiheit normativ und/oder positiv postuliert ist (symmetrische oder asymmetrische Berücksichtigung der Entscheidungsfreiheit 119), und (b) Aussagen, in denen sie keine besondere Rolle spielt, 2 0 wobei jeweils von einer allgemeinen Entsprechung von Standard und Verteilungstyp (BEDARF-BEDARF, LEISTUNG-LEISTUNG etc.) ausgegangen wird, da in anderen Fällen eine Nicht-Entsprechung (BEDARF-LEISTUNG etc.) offensichtlich ist. Auf einige dieser Zusammenhänge sei im folgenden noch einmal kurz eingegangen. Den Abschluß bilden (c) einige Bemerkungen zu den Konsequenzen dieser Überlegungen für die Ableitung verteilungspolitischer Maßnahmen. Daß eine Kompatibilität zwischen positiver und normativer Bezugsgröße nicht selbstverständlich ist, wird in drei Fällen besonders deutlich, in denen einer Norm keine entsprechende Erklärung zugeordnet werden kann: erstens im Falle des absoluten Aspekts der Armut, der - wie erwähnt - unter Bedarfsgesichtspunkten bewertet werden muß, was positiv nicht zwingend ist, 1 2 1 zweitens bei Annahme eines ANSTRENGUNGsstandards, weil dieser Norm kein entsprechender Verteilungstyp entgegensteht, und drittens bei originär-normativer Festlegung der Höhe der normativen Bezugsgröße, was ebenfalls positiv nicht möglich ist. Diese unmittelbar einsichtigen Aussagen sind direkt aus der Übersicht 7 abzulesen und brauchen nicht näher erläutert zu werden.

118

Vgl. Krause-Junk (1974, S. 40).

119

Unter "asymmetrischer Berücksichtigung der Entscheidungsfreiheit" ist zu verstehen, daß das Postulat der Entscheidungsfreiheit entweder nur als Norm oder nur als Erklärungsprinzip 120 Gültigkeit hat. Insofern führt diese Analyse zu einer Konkretisierung der oben in A.II.2.C. gemachten Aussagen. 121 Ein Kompromiß könnte darin bestehen, den BEDARF lediglich als Verteilungsnorm des absoluten Aspekts von Gerechtigkeit (Armut) zuzulassen, nicht aber als Verteilungsnorm des relativen Aspekts, um so die LElSTUNGsgerechtigkeit zumindest unter dem relativen Aspekt zu "retten".

I. Die Bezugsgröße

a) Kompatibilität

121

bei symmetrischer und asymmetrischer Berücksichtigung de Entscheidungsfreiheit

(1) Wie in diesem Kapitel dargelegt wurde, ist im neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Standardmodell sowohl der BEDARF als auch die LEISTUNG - im jeweils entsprechend eng definierten Sinne - Bezugsgröße. Aus dem Nutzenmaximierungskalkül ergibt sich, daß der BEDARF als Standard und Verteilungstyp zugleich interpretiert werden kann. LElSTUNGsaspekte dokumentieren sich darin, daß die Produktionsfaktoren gemäß den Präferenzen der Subjekte eingesetzt werden und werden sollen, sowie daß genau dieser Einsatz entlohnt wird. Gilt mindestens eine dieser beiden 1 *yy Bezugsgrößen als Norm , dann (und nur dann!) hegt ceteris juris Kompatibilität mit diesen neoklassischen Vorstellungen bezüglich der Verteilungsbegründung vor. Im einfachsten Fall wird dies auf der ersten Ebene im Einperiodenmodell deutlich, wenn bei anderweitig gerechtfertigten Lohnsätzen auf der positiven Seite unbeeinflußbare Größen nicht berücksichtigt werden (= Konkretisierung des positiven Postulats der Entscheidungsfreiheit) oder aber die Einflüsse, die auf solche unbeeinflußbaren Größen zurück gehen, als gerecht erachtet werden. Ist die Arbeitszeit frei wählbar und der relevante Inputfaktor sowie die Einkommen-Freizeit-Wahl (gemäß den Präferenzen) als Norm postuliert, so ist das Verteilungsergebnis input- und, sofern ein enger Zusammenhang mit dem Output unterstellt wird, auch outputgerecht. Wird der Verteilungsprozeß als zweistufig angesehen (Entscheidungen der Subjekte werden unter Einbeziehung vorher festgelegter politischer Rahmenbedingungen getroffen), dann müßten dem auch die Normen im Sinne einer Normenhierarchie entsprechen und Entscheidungsfreiheit auf beiden Ebenen gefordert werden, wenn eine Kompatibilität vorliegen soll. 123 (2) Werden die von der Standardtheorie recht eng definierten Normen oder Erklärungen nicht akzeptiert, sondern die in diesem Kapitel aufgeworfenen Bewertungsprobleme abweichend gelöst, so ist die Kompatibilität zugunsten einer Koinzidenzannahme zu verwerfen. Das gleiche gilt auf der positiven Seite hinsichtlich der von den Subjekten unbeeinflußbaren Faktoren: Die Norm der Startchancengerechtigkeit wird im Rahmen einer Theo122

123

Siehe oben B.II.l.b.

In dem Falle etwa, daß Arbeitszeitregulierungen als Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Subjekte angesehen werden und daß diese auf dem Ergebnis kollektiver Entscheidungen (bargaining) beruhen, liegt Kompatibilität dann vor, wenn diese Einschränkungen der Präferenzen auf einer entsprechenden GESETZten Norm basieren, d.h. den aggregierten gesellschaftlichen Präferenzen entsprechen.

122

Vier konzeptionelle Fragen

rie, die die personelle Verteilung aus dem auf den Präferenzen beruhenden Faktoreinsatz der Subjekte erklärt, dann als verletzt angesehen, wenn die Verteilung unbeeinflußbarer Ausgangsfaktorbestände nicht als gerecht erachtet wird, womit aus der Sicht des Leistungsvermögens und damit unter (normativen) ANSTRENGUNGsgesichtspunkten Inkompatibilität vorliegt. 124 Noch deutlicher wird Subkultur-Theorien,

der

ein Auseinanderklaffen von Ist und Soll im Falle wo selbst bei Annahme eines BEDARFsorientierten 12S

Standards (aber auch bei Annahme anderer Standards ) nur dann eine Kompatibilität festgestellt werden kann, wenn den einzelnen Gruppen normativ diejenigen Größen als Standard "zugewiesen" werden, die ihnen gemäß dieser positiven Theorie "anhaften". Bei einer Akzeptanz der wohlfahrtstheoretischen Normen und des Einkommen-Freizeit-Modells - allerdings mit der Einschränkung, daß zusätzlich der Erklärungsgehalt der Subkultur-Theorie für die Formation der individuellen Präferenzen akzeptiert wird - kann aus der Verteilungserklärung eine ("automatische") Erfüllung der Norm auch bei Akzeptanz der Ausgangsverteilung nicht mehr abgeleitet werden. (Positiven) Subkulturtheorien ist die normative Frage gegenüberzustellen, ob die Armen ("trotz allem") "glücklich" sind oder nicht. Auch wenn angenommen wird, daß sich die Verteilung der Positionen der Subjekte grundsätzlich aufgrund der Präferenzen der Subjekte ergibt und andererseits die individuellen Präferenzen auch auf eine Ablehnung sich marktmäßig ergebender Armuts- oder Ungleichheitstatbestände zielen, so sind normative und positive Vorstellungen inkompatibel. Eine "Störung" des normativ postulierten Verteilungsergebnisses durch die positive Theorie liegt vor, wenn die Präferenzen der Subjekte im BEDARFsstandard ausdrücklich negativ und nicht nur als indifferent betrachtet werden, was Koinzidenz implizieren würde. Im normativen meritorischen Argument sind beide Fälle enthalten. Zum Schluß soll noch darauf hingewiesen werden, daß, wenn ein Einfluß der funktionalen Verteilung auf die personelle besteht, aus einer eventuell konstatierten Kompatibilität von Standard und Verteilungstyp auf der Ebene der personellen Verteilung (weil z. B. die Einkommen der einzelnen Faktoren der individuellen LEISTUNG entsprechen und LEISTUNG das einzige Gerechtigkeitskriterium ist) noch nicht auf die Gerechtigkeit der gesamten Verteilung geschlossen werden kann. 126

154 Vgl. dazu Krupp (1981; Originalveröffentlichung: 1968). Da Leistungsbereitschaft und Leistungsvermögen auch kulturabhängig sind, kann der Subkultur-Ansatz unter Umständen auf diese Bezugsgröße ausgedehnt werden. 125

126

Das gleiche gilt für den EinfluB der oben in B.III.2. besprochenen makroökonomischen Verteilungserklärungen.

I. Die Bezugsgröße

b) Kompatibilität

123

ohne besondere Berücksichtigung der "Entscheidungsfreiheit"

Wird die Standardtheorie weder positiv noch normativ als relevanter Faktor betrachtet, so läßt sich aus dem in diesem Kapitel Gesagten folgendes ableiten. (1) Ist GESETZ sowohl Standard als auch Verteilungstyp (positive und normative Bezugsgröße), so kann eine Umverteilung gefordert werden, wenn nicht alle gesellschaftlichen Gruppen am Bargaining- oder Wahlprozeß gleichermaßen beteiligt sind, die gemäß der relevanten Norm daran beteiligt sein sollten. Allerdings ist dabei die Frage zu stellen, wer das dann durchsetzen soll, d.h., ob im Bargainingsystem grundsätzlich andere Machtverhältnisse herrschen als im marktökonomischen Verteilungssystem. Das Zusammentreffen von Beckmanns (1971) normativen Aussagen (gemäß dem dort zitierten indisch-königlichen Lehrbuch) und seinen positiven Vorstellungen führt zu einer Pareto-Verteilung der Arbeitseinkommen. 127 Die alte indische Norm als Rechtfertigung scheint dabei weit "hergeholt11 zu sein: Die entsprechende positive Aussage führt automatisch zu einer Pareto-Verteilung,1 woraus auch dann eine Kompatibilität abgeleitet werden kann, wenn eine solche Verteilung bspw. als gesellschaftlich anerkannte (häufigkeitstheoretisch-statistische) Norm gelten würde. 129 (3) In Marxscher Sicht wird von "Ausbeutung" gesprochen, weil durch die Aneignimg des Mehrwerts durch die Kapitalisten die Entlohnung der Arbeiter nicht dem oben formulierten Marxschen normativen Postulat von 1 Vi LElSTUNGsgerechtigkeit entspricht. Insgesamt ist zu beachten, daß gewisse "Störfaktoren" der positiven Theorien einander aufheben können. Eine solche mögliche Kompensation impliziert eine Koinzidenz positiver und normativer Aussagen.

127 ··

Ahnliches zeigt Beckmann (1974) auch in einem Lebenseinkommens-Modell mit Aufstiegschancen. 128 So kommt auch Blümle (1972) unter "recht allgemeinen (positiven, F.H.) Annahmen für die Besitzeinkommen" (S. 459) zu einer Paretoverteilung. 129

Das Beispiel von Beckmann (1971) wurde nur deshalb so ausführlich zitiert, um zu zeigen,I ' Mwie Kompatibilitäten zwischen Norm und Erklärung teilweise konstruiert werden. Vgl. dazu etwa Samuelson (1974; Originalveröffentlichung: 1971), Robinson (1987; Originalveröffentlichung: 1966% Richter et al. (1988, S. 94 ff.).

124

C Vier konzeptionelle Fragen

c) Zur Ableitung verteilungspolitischer

Maßnahmen aus einer

Inkompatibilität zwischen Standard und Verteilungstyp Die in diesem Kapitel diskutierten Normen können auf den verschiedenen Ebenen den positiven Ansätzen des obigen eklektischen Verteilungsmodells entgegengestellt werden, woraus sich ein analog strukturiertes Normensystem entwickeln läßt. Zur Ableitung verteilungspolitischer Maßnahmen aus eklektischen Ansätzen ist anzumerken, daß in dem Ausmaß, in dem die eine oder andere Theorie für relevant erachtet wird, verteilungspolitische Regelungen begründet werden können. Dabei muß zwischen den Normen abgewogen werden (Aufstellung einer Normenhierarchie). Wenn ANSTRENGUNG etwa die normative Bezugsgröße ist, muß zu denen umverteilt werden, die über eine große Leistungsbereitschaft bei geringem Leistungsvermögen verfügen. 131 So führen Unterbewertungen des Leistungsvermögens einzelner Subjekte zu deren relativer Besserstellung bei daraus abgeleiteten sozialpolitischen Maßnahmen. poeitiv:

BEDARF

LEISTUNG

ANSTRENGUNG

GESETZ

KOMPATI-

KOINZI-

KOINZI-

KOINZI-

BILITÄT*^/

DENZ

DENZ

DENZ

KOINZI-

KOMPATI-

KOINZI-

KOINZI-

DENZ

BILITÄT**/

DENZ

DENZ

normativ:

BEDARF

KOINZIDENZ

LEISTUNO

KOINZIDENZ

ANSTRENGUNG

KOINZI-

KOINZI-

KOMPATI-

KOINZI-

DENZ

DENZ

BILITÄT/

DENZ

KOINZIDENZ

GESETZ

KOINZI-

KOINZI-

KOINZI-

KOMPATI-

DENZ

DENZ

DENZ

BILITÄT/ KOINZIDENZ

a) Spezifikation des neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Standardmodells Übersicht 7: Kompatibilität und Koinzidenz bei unterschiedlichen Bezugsgrößen

131

Als Alternative könnte versucht werden, Leistungpmöglichkeiten

zu verteilen.

II. Das Subjekt

125

II. Das Subjekt Der bisher dargestellte Möglichkeitsraum wird durch die Betrachtung unterschiedlicher Subjektbegriffe weiter aufgefächert. In Frage kommen dabei zum einen Einzelpersonen, Ehepaare, Familien in unterschiedlich weiter Definition, Haushalte, Wohn- oder Lebensgemeinschaften, zum anderen - und auf einer etwas anderen Ebene - soziale Gruppen unterschiedlicher Art (1.). Wieder ergeben sich je nach normativen (2.) und positiven Vorstellungen (3.) hinsichtlich des Subjekts unterschiedliche verteilungspolitische Handlungserfordernisse (4.). Zwei Vorbemerkungen sind an dieser Stelle zu machen: Unterschiedliche Subjektbegriffe entsprechen unterschiedlichen Strukturierungen der Gesellschaft; es ist aber auch möglich, daß schon die Gesellschaft an sich unterschiedlich (weit) definiert wird (z.B. hinsichtlich der Frage der Staatsbürgerschaft 1). Eine gegebene Verteilung z.B. des Einkommens auf die Individuen führt im allgemeinen zu einer gleichmäßigeren Verteilung auf Haushalts- oder Familien-Ebene, da Ungleichheiten zwischen den Individuen innerhalb der Subjekte (Haushalte oder Familien) durch die Zusammenfassung ausgeglichen werden.

1· Mögliche Subjektbegriffe In diesem Gliederungspunkt wird der Möglichkeitsraum aufgezeigt, innerhalb dessen die positive und die normative Frage nach dem relevanten Subjektbegriff beantwortet werden können. Ausgehend (a) von einer Unterscheidung in Individuen und "Mehrpersonen-Subjekte" kann (b) bei letzteren weiter nach der Art der Bindungen zwischen den Personen innerhalb der Subjekte unterschieden werden in familiäre, juristische, wirtschaftliche und sonstige Bindungen.3 Überlappungen und Mischformen sind in der Praxis die Regel, woraus sich (c) eine Vielzahl unterschiedlicher Subjektbegriffe ergibt. Neben solchen personenbezogenen oder "Einzelwirtschafts-

1 Diese Frage soll aber - wie in Kapitel A.I.2. erwähnt - nicht weiter verfolgt werden, obwohl sie in der aktuellen (auch: verteilungs-)politischen Diskussion eine nicht unbedeutende Rolle spielt. 2 Das wäre nur dann nicht der Fall, wenn die Individuen, die zu einer Gruppe zusammengeschlossen werden, jeweils eine gleiche Position hätten. Vgl. dazu Atkinson (1975, S. 41), der zur exemplarischen Verdeutlichung in diesem Zusammenhang auch einige ältere Studien zitiert. Vgl. dazu auch Lampman (1985, S. 68 ff.). 3 Auf Unterschiede zwischen den Subjekten wird im nächsten Kapitel eingegangen.

126

C. Vier konzeptionelle Fragen

Subjekten1*4 können (d) auch gruppenbezogene Subjektbegriffe betrachtet werden. a) "Ein-" und "Mehrpersonen-Subjekte" Relativ unproblematisch ist der Subjektbegriff INDIVIDUUM5: Subjekt ist eine natürliche Person6, d.h. ein einzelner Mensch, unabhängig von irgendwelchen Bindungen. Zu problematisieren ist in diesem Fall allenfalls die Festlegung der "Mündigkeit", also des Alters oder anderer Bedingungen, bei deren Vorliegen ein Mensch nicht als INDIVIDUUM behandelt, sondern beispielsweise den Eltern oder einem Vormund unterstellt ("zugerechnet") wird; eng damit verknüpft ist die (positive wie auch normative) Frage der Entscheidimgsfreiheit, d.h. inwieweit eine Person für entscheidungsfähig und entscheidungsberechtigt gehalten wird. 7 Bei Mehrpersonen-Subjekten ist zunächst nach der Art der Bindung zwischen den Personen zu unterscheiden. Eine Klassifizierung ergibt sich dann aus einer mehrdimensionalen Matrix, da eine Person im allgemeinen in mehreren unterschiedlichen Bindungen gleichzeitig steht. Hierbei stellt sich die Frage der Freiwilligkeit der Bindung, die in diesem Zusammenhang den externen Aspekt der Entscheidungsfreiheit repräsentiert, sowie die Frage der Entscheidungsstrukturen innerhalb des Subjekts (zwischen den Personen), die zu internen Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit im oben definierten Sinne führen können, wenn es zu keinen konsistenten gemeinsamen Entscheidungen kommt.

4

Es werden im Zusammenhang mit den in dieser Arbeit vorgenommenen Ausgrenzungen hier nur solche Typen von Subjekten behandelt, deren Verhalten die mikroökonomische Theorie des Haushalts beschreibt, nicht aber Unternehmen, auf die sich der Terminus "Einzelwirtschaftssubjekte" auch beziehen könnte. 5 Nicht eingegangen werden soll in diesem Zusammenhang auf die sehr grundsätzliche schon eher philosophische - Frage nach der Individualität, wie sie etwa v.Hayek (1952) einerseits und de Gijsel (1984) andererseits diskutieren. Ersterer sieht die Individualität durch die Verteilungspolitik eingeschränkt, zweiterer im Gegenteil dazu eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit erst als Voraussetzung dafür, von Individuen sprechen zu können. Ein Teilaspekt dieser Frage wurde im Zusammenhang mit dem Themenkomplex der Entscheidungsfreiheit diskutiert; siehe dazu oben A.II.2. 6

In einem weiter gefaßten Verteilungsmodell müßten auch juristische Personen berücksichtigt werden, was in Hinblick auf die hier untersuchten Fragen (siehe Abschnitt D) aber nicht relevant ist. 7 Diese Frage wird z.B. zur Zeit (1990) in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit der Novellierung des Vormundschaftsgesetzes diskutiert.

II. Das Subjekt

b) Verwandtschaftliche,

juristische, wirtschaftliche

127

und sonstige Bindungen

FAMlLlEn sind gekennzeichnet durch die Zusammenfassung von Individuen aufgrund ihrer verwandtschaftlichen Bindung, die unterschiedlich weit gefaßt sein kann.8 Die FAMILIE i.e.S. (Kernfamilie) umfaßt Ehepartner bzw. Alleinerziehende und deren Kinder (eventuell bis zu einem bestimmten Alter bzw. insoweit diese keine eigene Familie "haben"); weiter gefaßte FAMlLIEnbegriffe beziehen Verwandte in (direkter und ggf. auch indirekter) auf- und/oder absteigender Linie bis zu einem bestimmten Grade mit ein.9 In der Ehe (Subjektbegriff EHEPAAR) dokumentiert sich ein Teilaspekt des Tatbestandes Familie juristisch. 10 Insofern hegt eine Überschneidung vor: FAMILIEN können zusätzlich zur (indirekten) verwandtschaftlichen Bindung der Eltern über das Kind juristisch in Form der Ehe gebunden sein.11 Dieser Subjektbegriff leitet sich aus einer Legaldefinition ab, ist mit einer Reihe von gegenseitigen Rechten und Pflichten für die Ehepartner verbunden und dokumentiert somit die jeweils geltende rechtliche Lage; 12 es sind aber analog andere gesetzlich geschützte Bindungen denkbar, wie dies etwa erstmals in Dänemark für gleichgeschlechtliche Partner und Partnerinnen praktiziert wird. Darüber hinaus hegen juristische Bindungen im Bereich der Vormundschaften vor. Unter einem HAUSHALT werden wirtschaftliche - aber nicht kommerzielle - Zusammenschlüsse von Personen ohne Rücksicht auf ein verwandtschaftliches Verhältnis verstanden. Als Kriterium kann hier einerseits die Kon1ί sumgemeinschaft sowie andererseits die Produktionsgemeinschaft herangezogen werden. Näher zu spezifizieren ist dabei die Intensität der wirtschaftlichen Verflechtung, wodurch der Übergang zum Subjektbegriff WOHNGEMEINSCHAFT festgelegt wird. In einer weiten Definition ist schon das gemeinsame Wohnen ein wirtschaftlich berücksichtigungswürdiger Tatbestand, insbesondere, wenn auch gewisse Konsumentscheidungen gemeinsam getroffen werden. In einer engen Definition 14 umfaßt das gemeinsame g

Da viele der hier und im allgemeinen Sprachgebrauch verwendeten Begriffe im bürgerlichen Recht festgelegt sind, ergibt sich ein gewisser Vorgriff auf Kapitel D.I. 9 Vgl. zu diesen Definitionen auch v. Schweitzer (1987). 10 Allerdings sind auch die anderen verwandtschaftlichen Beziehungen juristisch geregelt (siehe unten D.I.). 11 Dieser Tatbestand kann auch mit dem Begriff "FAMILIE mit juristischer Bindung" umschrieben werden. 12

13

Es liegen somit auch Parallelen zu der Bezugsgröße GESETZ vor.

Wegen der Voraussetzung der Nicht-Kommeizialität bezieht sich der Begriff der Produktion hier lediglich auf die Haushaltsproduktion. 14 Die Enge der Definition bezieht sich auf den daraus resultierenden engen Subjektbegriff.

128

C. Vier konzeptionelle Fragen

wirtschaftliche Handeln alle wesentlichen ökonomischen Entscheidungen, so daß etwa ein Großteil der Einnahmen in eine gemeinsame Kasse fließt, aus der die wichtigsten Ausgaben bezahlt werden. Liegen weder verwandtschaftliche noch juristische noch wirtschaftliche Bindungen vor, wird - wie gesagt - von einer WOHNGEMEINSCHAFT gesprochen. Die unterschiedlichen Bindungen können auch mit Abhängigkeiten unterschiedlicher Intensität in Zusammenhang gebracht werden. Besonders deutlich ist dies im Falle (mindeijähriger) Kinder. c) Personenbezogene Subjekte im einzelnen Übersicht 8 zeigt die Zusammenfassung von Subjekten zu "SubjektTypen", je nachdem, welche Kombinationen verwandtschaftlicher, juristischer und/oder wirtschaftlicher Bindungen zwischen den einzelnen Individuen auftreten, ob also alle relevanten Individuen im HAUSHALT leben (wirtschaftliche Bindung), ob eine Ehe (Subjekt: EHEPAAR) oder ein verwandtschaftliches Verhältnis in gerader Linie (FAMILIE) vorliegt. Im "NormaT-Fall leben zwei Verheiratete (ggf. mit Kindern) zusammen: sie stellen zugleich ein EHEPAAR, eine FAMILIE und auch einen HAUSHALT dar. Dieser "Subjekt-Typ I", der nicht getrennt lebende Ehepaare ohne Kinder und nicht getrennt lebende Ehepaare mit Kindern, die im Haushalt leben, umfaßt, stellt nur einen Fall dar, der zudem verteilungspolitisch wohl am wenigsten problematisch einzustufen ist. Alle anderen Kombinationen von Subjektbegriffen sind aus Übersicht 8 abzulesen. Zur FAMILIE i.e.S. zählen neben diesen Fällen noch die Typen II, V I und VII, nämlich Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende mit Kindern in und außer Haus ( A E / K I , L G / K I , AE/KI(GL) und LG/Kl(GL) ) sowie getrennt lebende Ehepaare (ggf. mit Kindern) sowie Ehepaare mit getrennt lebenden Kindern (siehe Typ VI). Die Subjekt-Typen I bis IV und V I bis IX stellen das Subjekt Familie dar: I - > FAMILIE .

Unterschiedsmerkmal zwischen den Subjekt-Typen I bis IV einerseits sowie V I bis IX andererseits ist das gemeinsame oder getrennte Leben von EHEPAAREN und FAMILIEN. 1 5 Der Subjekt-Typ X umfaßt zwei völlig verschiedene Subjekt-Arten, nämlich INDIVIDUEN und WOHNGEMEINSCHAF-

15 Inhaltlich sind die in diesem Gliederungspunkt dargestellten Zusammenhänge trivial und haben lediglich definitorischen Charakter. Eine klare Strukturierung ist deshalb vonnöten, weil unterschiedliche verteilungspolitische Maßnahmen auf unterschiedliche Subjekt-Typen abstellen, was insbesondere im Zuge einer empirischen Untersuchung beachtet werden muß.

II. Das Subjekt

129

TEN, die aber lediglich eine durch das gemeinsame Wohnen verbundene Mehrzahl von Individuen darstellen. 16 Aus der Sicht eines Individuums sind die unterschiedlichen SubjektTypen in Abbildung 7 noch einmal dargestellt. Darin ist also abzulesen, ob es innerhalb oder außerhalb einer FAMILIE steht, ob es verheiratet ist oder nicht und ob es in einem HAUSHALT lebt oder außerhalb bzw. - normativ ob die jeweiligen Bindungen für die Position des Individuums relevant sein sollen. Je nachdem, welche der angesprochenen Bindungen aus positiver und/oder normativer Sicht (einzeln oder in Kombination) als relevant erachtet werden, ist dann der Subjekt-Typ entsprechend zu spezifizieren. d) Gruppenbezogene Subjektbegriffe Neben den bisher behandelten personenbezogenen Subjektbegriffen kennen wir auch gruppenbezogene. Erstere werden durch die eben besprochenen persönlichen Bindungen zusammengehalten, zweitere durch theoretische Kriterien lediglich gedanklich zusammengefaßt (Selbständige, unselbständig Beschäftigte, Arbeitslose). Bei der Identifikation von Ungleichheit kann es u.U. interessant sein, welche Unterschiede zwischen unterschiedlichen sozio-ökonomischen Gruppen, Schichten etc. bestehen; schicht- oder gruppenspezifische verteilungspolitische Maßnahmen müssen mit solchen Unterschieden begründet werden. Armut kann sich dagegen nur auf Personen, Familien, Haushalte, nicht auf nach theoretischen Kriterien zusammengefaßte Gruppen beziehen.17 Wird die Verteilung in einem Marktmodell diskutiert, so ist die Frage zu stellen, ob die "Kontrahenten" am Arbeitsmarkt (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) als Subjekte anzusehen sind. Ein Vergleichbarkeitsproblem hegt darin, daß Arbeitnehmer immer natürliche Personen, also INDIVIDUEN sind, Arbeitgeber aber auch juristische Personen sein können. Die beiden nächsten Gliederungspunkte sind in die Behandlung (a) personenbezogener und (b) gruppenbezogener Subjekt-Typen unterteilt. 16 Letztere sind darüber hinaus kaum von praktisch-verteilungspolitischer Bedeutung, weshalb im praktischen Teil dieser Arbeit auch direkt von einer Spezifikation

I - > IND

gesprochen wird. 17 Vgl. Hauser (1988, S. 8). Davon ausgehend kann dann untersucht werden, inwieweit unterschiedliche Gruppen, Schichten etc. von Armut betroffen sind (vgl. z.B. etwa Studien über die geschlechts- oder hautfarbenspezifische Armut in Kickbusch/RiedmuUer, 1984 bzw. Duncan, 1969). Der Tatbestand der Armut wird aber immer an bestimmten Personen, Haushalten, Familien festgestellt.

EP/Kl

Legende:

IND EP LG AE

im Haushalt

... ... ... ...

Ι LG/Κ AE/Kl

AE/KI(GL) LG/KI(GL) EP(GL)/KI EP(GL)/KI(GL)

Subjekt-Typ VI

EP

Subjekt-Typ Vffl

AE/Kl/Vw

LG

Subjekt-Typ III

Subjekt-Typ IX

Subjekt-Typ IV

EP(GL)/VW(GL) LG/VW(GL) IND EP(GL)/KI(GL)/VW(GL) LG(GL)/KI(GL)/VW(GL) WGM AE/KI(GL)/VW(GL) LG/KI/VW(GL) LG/K(GL)/VW AE/VW(GL)

Subjekt-Typ VII

EP/VW LG/VW LG/Kl/Vw

Subjekt-Typ II

Bindung

verwandtschaftliche Bindung i.w.S. juristische Bindung keine juristische Bindung

Übersicht 8: "Subjekt-Typen"

Individuum (GL) ... getrennt lebend Ehepaar Kl ... Kind(er) Lebensgemeinschaft Vw ... sonstige Verwandte Alleinerziehende WGM ... Wohngemeinschaft

EP(GL) relevantes Indi- EP/KI(GL) viduum lebt nicht

mindestens ein

im Haushalt

Individuen leben

alle relevanten

Subjekt-Typ I

juristische Bindung keine juristische Bindung

verwandtschaftliche Bindung i.e.S.

Subjekt-Typ X

Subjekt-Typ V

keine verwandtschaftliche

C Vier konzeptionelle Fragen

II. Das Subjekt

131

wirtschaftliche Bindung

IV III VIII

II VI

VII IX

juristische Bindung

verwandtschaftliche Bindung'

Abbildung 7: Zusammenhänge zwischen den Subjekt-Typen

2. Der normative Subjektbegriff: Aufweiche Einheiten soll verteilt werden?

Die normative Frage hinsichtlich des Positionsbegriffs lautet: Auf welche Subjekt-Typen soll verteilt werden? a) Personenbezogene Subjektbegrijfe Normative Aussagen hinsichtlich des personenbezogenen Subjektbegriffs lauten: Die Positionen der einzelnen INDIVIDUEN, HAUSHALTE, FAMILIEN etc. sollen nicht niedriger als der der Armutsgrenze entsprechende kritische Wert hegen; die Verteilung der Positionen auf die INDIVIDUEN, HAUSHALTE, FAMILIEN etc. soll der gewünschten Verteilung entsprechen. Auch die Frage nach dem normativen Subjekt ist mit der (normativen) Frage der Entscheidungsfreiheit verbunden und dabei insbesondere hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einem Subjekt. Bei Mehr-PersonenSubjekten muß gleichzeitig mit der Norm auch eine Entscheidungsregel zwischen den Individuen (innerhalb der Subjekte) angegeben werden, wenn das Postulat der Entscheidungsfreiheit auf INDIVIDUEN bezogen ist. Dies kann in Analogie zur Ermittlung gesellschaftlicher Wohlstandsfunktionen

C. Vier konzeptionelle Fragen

132

1ft · · · geschehen, aber auch abweichend davon, wenn beispielsweise die Entscheidungsgewalt einzelner Mitglieder des Subjekts (etwa der Eltern) als allgemein verbindlich angesehen wird. Für die normative Frage der Mündigkeit ist eine Einschätzung der Präferenzen dieser Personen nötig, die der normativen meritorischen Fragestellung entspricht. Für die unterschiedlichen Subjektbegriffe werden aus normativer Sicht unterschiedliche Argumente vorgebracht: Eine inhaltlich nicht näher formulierte Begründung weist verschiedenen Subjektbegriffen einen Wert an sich zu, z.B. der FAMILIE oder der Ehe; eine andere Begründung bezieht sich auf die Gleichbehandlung von "Gleichem": Sind MehrpersonenSubjekte BEDARFS-, ANSTRENGUNGS- oder LEISTUNGS-Gemeinschaften, 19

dann wird es als gerecht erachtet, den entsprechenden Subjekt-Typ auch als normatives Verteilungssubjekt zu betrachten (aus BEDARFssicht sind H KonsumeinheitenH zusammenzufassen, aus LElSTUNGssicht "Produktionseinheiten"). Der normative Subjektbegriff ist somit von anderen normativen und positiven Festlegungen nicht unabhängig.20 Schließlich stellt sich die Frage, ob bezüglich des absoluten Aspekts das Subjekt genauso zu beurteilen ist wie bezüglich des relativen, oder ob nicht etwa ein physisches Existenzminimum jedenfalls für jedes INDIVIDUUM ZU sichern ist, während relative Gerechtigkeitsvorstellungen auf Familien oder HAUSHALTE anzuwenden wären.

b) Gruppenbezogene Subjektbegriffe Die Verteilung auf unterschiedliche soziale Gruppen kann aus ideologischer Sicht begründet werden, im Sinne einer Hervorhebung einer bestimmten Schicht oder "Klasse" gegenüber anderen oder auch - bei einer festgestellten Ungleichheit zwischen den Schichten - im Sinne einer Nivellierung zwischen den Schichten.

18

19

Siehe oben B.II.

Siehe dazu den nächsten Gliederungspunkt. Gemäß der Strukturierung des vorangegangenen Kapitels wäre als vierte Kategorie die "GESErzliche Gemeinschaft" zu nennen. Darunter könnte man die "Mehr-Personen-Subjekte" verstehen, die einen "Wert an 'sich* 20 darstellen. Der innere Zusammenhang, von dem eine Kompatibilität abzuleiten ist (siehe unten C.II.4.a.), liegt hier in der pragmatischen Vorgehensweise der Ableitung der Norm von der entsprechenden positiven Vorstellung.

II. Das Subjekt

133

3. Der positive Subjektbegriff: Auf welche Einheiten wird verteilt?

Auch die Frage nach dem positiven Verteilungssubjekt (auf welche Subjekt-Typen wird verteilt?) kann unterschiedlich beantwortet werden: Unterschiedliche (Verteilungs-)Theorien geben auch hier unterschiedliche Antworten: Während mikroökonomische Theorien des Faktorangebots Individuen, zumindest aber bestimmte kleine (im oben definierten Sinne personenbezogene) Gruppen von Individuen als Entscheidungsträger zum Inhalt haben können, sprechen makroökonomische Verteilungstheorien und die Bargaining-Theorien eher den großen sozialen bzw. ökonomisch-funktionalen Gruppen Entscheidungsmöglichkeiten zu. a) Personenbezogene Subjektbegrijfe Mikroökonomische Verteilungstheorien gehen meist nicht näher auf den gewählten Verteilungstyp ein. Einerseits wird vom individuellen Nutzen gesprochen, der gemäß der Standard-Theorie verteilt wird, 21 und vom Individualismus, andererseits von der Theorie des Haushalts 22 Mikroökonomische Lehrbücher, die sich mit den Angebots- und Nachfrageentscheidungen von Einzelwirtschaftssubjekten (und somit des Standardmodells) beschäftigen, beziehen sich auf den HAUSHALT23 oder sprechen von einer Theorie des Konsumenten,24 worunter wohl i.d.R. konsumierende INDIVIΛΓ

zu verstehen sind, ohne aber die Begriffe näher zu diskutieren. Armutstheorien sprechen dagegen oft von FAMILIEN als positiven Subjekten.26 Die Frage, wie sich die Position bezogen auf das Individuum durch den Zusammenschluß zu Mehr-Personen-Subjekten verhält, wird dabei außer acht gelassen. Dabei wären mehrere - z.T. gegenläufige - Effekte zu beachten: dem Nutzen des Zusammenschlusses (der Beziehung) selbst sowie den (positiven) Größenvorteilen (durch die Arbeitsteilung) sind der Aufwand, der nötig ist, um die Beziehung aufrecht zu erhalten ("Beziehungsaufwand" i.w.S.), entgegenzustellen sowie andere in Kauf genommene Nachteile; dahinter verbirgt sich die Annahme der Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der DUEN

21 22 23 24 25 26

Vgl. etwa Luckenbach (1986, S. 25). Vgl. ebd. Vgl. etwa Schumann (1987), Pfingsten (1989). Vgl. etwa Varian (1985), Lancaster (1987), Stiglitz (1986). Vgl. dazu auch Steedman (1989). Vgl. etwa Wilson/Neckerman (1986).

134

Vier konzeptionelle Fragen

Wahl des Subjekt-Typs27, woraus sich letzten Endes das INDIVIDUUM als verteilungsrelevantes Subjekt ergibt. Aber die Tatsache, daß wegen der "economies of family scale" Mehrpersonen-Subjekte aus "beobachtender" Sicht in dem Sinne als positives Subjekt angesehen werden, als ein Individuum ohne familiären Background weniger leisten würde, bedeutet noch nicht, daß dies am Markt entsprechend "honoriert" wird. Schließlich ist u.U. die subjektinterne Entscheidungsfindung zu diskutieren, wobei eine Problematik auftreten kann, die dem Unmöglichkeitsparadoxon ähnlich ist 28 , was aber wegen der relativ geringen Anzahl von Individuen innerhalb eines Subjekts von geringerer Bedeutung sein dürfte. Eine vereinfachende Analyse geht davon aus, daß sich die Position der einzelnen INDIVIDUEN nach der Position des (als dafür relevant erachteten) Subjekts richtet, dem sie angehören; in einer engen Definition ist die Position der einzelnen Person genau die Position des Subjekts.29 Als Erklärung dafür wird das Subjekt - je nach Wahl der Bezugsgröße - als BEDARFS-, LEISTUNGS- oder ANSTRENGUNGs-Gemeinschaft angesehen und so die (Reproduktions-)Arbeit 30 von nicht im formellen Sektor beschäftigten HAUSHALTS-, FAMlLlENmitgliedern oder EHEpartnern berücksichtigt. Allerdings ist es schwierig, diese "intra-Subjekt-Transfers" zu untersuchen, da neben monetären Zahlungen insbesondere die Leistungen im Rahmen der Arbeitsteilung innerhalb des Subjekts zu erfassen und zu bewerten sind. Eine pragmatische Wirtschaftstheorie geht schon aus diesem Grund von einem solchen Subjekt-Begriff aus.31

27

Im theoretischen Extremfall ist davon auszugehen, daß die Beziehung nur so lange und in dem Ausmaß aufrecht erhalten wird, wie der "Grenznutzen" die "Grenzkosten" deckt (vgl. dazu auch McKenzie/Tiälock, 1984; Originalveröffentlichung 1978). Für die Möglichkeit einer Verletzung dieser Annahme spricht zunächst, daß diese Optimalbedingung für alle Personen gelten muß, die sich zu einem Mehr-Personen-Subjekt zusammengeschlossen haben, also beispielsweise für beide Ehe-Partner, und zwar über längere Zeit hinweg (etwa für die gesamte Zeit der Kindererziehung), und daß Änderungen in den Beziehungen (insb. Trennungen) kulturell und institutionell reguliert sind und insofern die Entscheidungsfreiheit eingeschränkt ist. 28 Vgl. Arrow (1973). 29 Vgl. Krause-Junk (1981, S. 265). 30 Vgl. dazu Chassé (1988, S. 51 ff.). 31 Vgl. Atkinson (1975, S. 41).

II. Das Subjekt

135

b) Gruppenbezogene Subjektbegriffe Während die neoklassische Standardtheorie die Gesellschaft als eine • · · · ·· \y "amorphe Masse prinzipiell gleicher Individuen" oder anderer personenbezogener Einzelwirtschaftssubjekte betrachtet und daher in der Verfügung über unterschiedliche Faktoren keine grundsätzlichen Unterschiede sieht, behandeln postkeynesianische Autoren die Gesellschaft als Klassengesellschaft mit sozialen Schichtungen34 und gehen auf die Besonderheiten unterschiedlich zusammengesetzter Faktorausstattungen ein. 35 So wird insbesondere unterschieden zwischen im Prinzip vermögenslosen Arbeitnehmern, die zur Sicherung ihres Lebensunterhalts im wesentlichen nur ihre Arbeitskraft verkaufen können,36 und Personen, die Kapital und/oder Boden in nennenswertem Ausmaß besitzen. Dies wird als wesentlicher Unterschied gesehen, weil Arbeitnehmern andere Einkommensquellen fehlen, Kapitaleinkommensbezieher aber i.d.R. auch über Arbeitskraft verfügen, weshalb unterschiedliche Risiken bestehen.37 Inwieweit auch innerhalb solcher Gruppen Bindungen bestehen ("Klassenlage"), kann hier nicht näher untersucht werden, ist aber für die positive Verteilungsanalyse nicht unerheblich. Im Rahmen der personellen Verteilungstheorie können diese Sachverhalte als subjektbezogene Charakteristika berücksichtigt werden.

4. Die Kompatibilität von normativem und positivem Subjektbegriff und Implikationen für die Verteilungspolitik

Kompatibilität hegt dann vor, wenn die Positionen (ggf. unter Berücksichtigung freiwilliger privater Transfers) in der gewünschten Weise (ceteris juris) auf diejenigen Subjekte verteilt werden, auf die sie verteilt werden sollen.

32

Hoffmann (1987, S. 27).

33

Ähnliches gilt für die ökonomischen Klassiker (vgl. dazu Weldon, dazu Chassé, 1988, S. 52 ff.).

1988,), Marx (vgl.

34

Vgl. etwa Hamilton/Hirszowicz (1988). Hoffmann (1987, S. 27). 36 Vgl. Bäcker et al. (1980, S. 30); insbesondere besteht keine nennenswerte Möglichkeit zur Verfügungstellung sonstiger Leistungen bzw. das - ohnehin meist in geringem Maße vorhandene - Vermögen aufzubrauchen. 35

37 Siehe dazu die oben (C.I.3.) angeführten Ansätze von Preiser Behandlung des Risikos in B.III.2.a und C.IV.4.b.

(1970a,b), sowie die

136

C. Vier konzeptionelle Fragen

a) Personenbezogene Subjektbegriffe In den vorangegangenen Gliederungspunkten wurde der Subjektbegriff in mehrere, sich teilweise überlappende, personenbezogene Subjekt-Typen aufgespalten. Diese Überlappungen müssen bei der Behandlung der Frage der Kompatibilität zwischen normativem und positivem Subjekt berücksichtigt werden. Zunächst ergibt Übersicht 9 das gewohnte Bild. Während an den Rändern die unterschiedlichen positiven und normativen Subjektbegriffe abzulesen sind, zeigt die Diagonale die auf den ersten Blick kompatiblen Kombinationen. Zur Unterscheidung einzelner "Subjekt-Typen" dient wiederum Übersicht 8 in Verbindung mit Abbildung 7, wobei die Kombinationen der einzelnen Subjektbegriffe zu betrachten sind. Interessant für die Frage der Kompatibilität ist diese Strukturierung deshalb, weil unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge Kompatibilität auch außerhalb der Diagonale festgestellt werden kann, nämlich insoweit, als sich Überschneidungen ergeben. Weitere Kompatibilitäten treten aber auch bei den Kombinationen auf, die in der Übersicht 9 besonders gekennzeichnet sind (a bis e), und zwar beim Vorliegen bestimmter Subjekt-Typen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Im Fall von Lebensgemeinschaften mit im Haushalt lebenden Kindern und Alleinerziehenden mit im Haushalt lebenden Kindern liegen zwar die Subjektbegriffe HAUSHALT und FAMILIE i.e.S., nicht aber der Subjektbegriff EHEPAAR vor. Ist nun HAUSHALT der normative und Kernfamilie (FAMILIE i.e.S.) der positive Subjektbegriff oder umgekehrt, so liegt ebenfalls Kompatibilität vor (Fall b in Übersicht 9). Des weiteren ist zu beachten, daß der Subjektbegriff EHEPAAR auch durch den Subjektbegriff FAMILIE abgedeckt und der Subjektbegriff FAMILIE i.e.S. im Subjektbegriff FAMILIE i.w.S. enthalten ist. Im Fall des Standardmodells ergibt sich schon wegen der angenommenen Entscheidungsfreiheit Kompatibilität: Unter der Annahme eines auch im privaten Bereich "funktionierenden" Kosten-Nutzen-Kalküls ist die Norm automatisch erfüllt. Subjektinterne Kompensationen gleichen Ungerechtigkeiten aus, die auf den ersten Blick dadurch entstehen, daß der (subjektexterne) Markt die Reproduktionsarbeit (etwa der Hausfrau) nur indirekt (über die Entlohnung des am offiziellen Arbeitsmarkt beschäftigten Ehemannes) entlohnt. Ist sowohl das positive als auch das normative Subjekt ein Mehrpersonen-Subjekt und kompatibel, so stellt sich weiterhin die Frage nach der Kompatibilität hinsichtlich der subjektinternen Entscheidungsfreiheit. 38 Aber auch unabhängig vom Standardmodell ergibt sich eine Kompatibilität häufig schon daraus, daß die Norm pragmatisch im Sinne der positi38

Zur Kritik an dieser Sichtweise vgl. etwa Kickbusch (1984).

II. Das Subjekt

137

ven Vorstellung von einer LEISTUNGS- oder BEDARFsgemeinschaft festgelegt wird. b) Gruppenbezogene Subjektbegriffe Bei Einbeziehung von sozialen oder soziologischen Gruppen in die normative und/oder positive Verteilungsanalyse ergeben sich weitere Schwierigkeiten. Sind weiterhin Einzelwirtschaftssubjekte normatives Subjekt und der positive Subjektbegriff hingegen gruppenbezogen, so ist eine Umverteilung gemäß der Norm angezeigt, die dann exakt zu definieren ist. Im umgekehrten Fall kann die Verteilung zwischen den FAMILIEN, HAUSHALTEN oder INDIVIDUEN unberücksichtigt bleiben, wenn nur die Verteilung zwischen den Aggregaten, also etwa die funktionelle Verteilung "stimmt". Umgekehrt muß eine "funktionale Verteilungspolitik" entweder auf positiven oder auf normativen Argumenten begründet sein, die sich auf die Unterschiede zwischen den nach dem Produktionsfaktorbestand strukturierten sozialen Gruppen beziehen. c) Zur Ableitung verteiungspolitischen

Handlungsbedarfs

In den Fällen der Inkompatibilität hinsichtlich des Subjekts kann ein Handlungsbedarf abgeleitet werden. Ist das Individuum positives Subjekt und besteht das normative Subjekt aus mehr als einem Individuum, so müssen die Positionen der einzelnen Individuen innerhalb des Subjekts zusammengefaßt werden. Im umgekehrten Fall muß die Position des positiven Subjekts auf die Individuen aufgeteilt werden (diese Fälle sind in der ersten Spalte sowie in der ersten Zeile von Übersicht 9 dargestellt). Komplizierter ist dies in Fällen, wo Inkompatibilität zwischen Mehr-Personen-Subjekten auftritt. Dort muß neben einer Aufteilung der Position des positiven Subjekts auf die Individuen eine Zusammenfassung zur Position des normativen Subjekts erfolgen. Ist zum Beispiel der HAUSHALT das positive und die FAMILIE das normative Subjekt, so müssen bei allen Subjekt-Typen außer I und I I (bei weiterer Familiendefinition außer I bis IV) die Positionen der nicht zur Familie gehörenden Haushaltsmitglieder abgetrennt (und ggf. den entsprechenden FAMILIEN zugeschlagen) sowie die der nicht im Haushalt lebenden Familienmitglieder dazugerechnet werden. Eine solche subjektinterne Umverteilung kann staatlich verordnet und mit gewissen Sanktionsmechanismen versehen werden. Anstelle dessen können aber auch staatliche verteilungspolitische Regelungen eingesetzt werden, um die "richtige" Verteilung herzustellen.

138

C Vier konzeptionelle Fragen

Ist das INDIVIDUUM zwar normatives Subjekt, werden (positiv) aber die Positionen auf Mehrpersonen-Subjekte verteilt, so ist dies insbesondere dann problematisch, wenn subjektintern nicht von einer Entscheidungsfreiheit ausgegangen werden kann. Im Falle einer konstatierten Unmündigkeit ist wohl die Frage berechtigt, ob nicht statt oder neben der Entscheidungsgewalt der Eltern bzw. des Vormundes über die Position unmündiger Personen auch eine übergeordnete (gesellschaftliche) Entscheidungsgewalt gerechtfertigt ist. Ist beispielsweise Armut von Kindern gerechtfertigt, wenn sie auf den Entscheidungen von deren Eltern beruht. Aus der (positiven) Beschränkung der Entscheidungsfreiheit ergeben sich auch in diesem Zusammenhang Spielräume verteilungspolitische Maßnahmen, und zwar auch bei grundsätzlicher normativer Postulierung der Entscheidungsfreiheit. Es kann dann entweder eine Umverteilung innerhalb der normativen Subjekte erzwungen39 oder eine staatliche Umverteilung so vorgenommen werden, daß sich eine dem gewünschten Subjekt-Typ entsprechende Verteilung ergibt. Auch aus dieser Sicht können Nfamilienpolitische H Maßnahmen begründet werden, was im oben definierten Sinne als meritorisches Argument aufgefaßt werden kann.

39 Wie unten in D.I. gezeigt, kann ein solcher Zwang eine unterschiedliche Intensität aufweisen.

BILITÄT

schaftlich

a) c) e) g)

tionen der

Subjekt

normativen

zum

BILITÄT

wirtschaft-

c)

BILITÄT

ΚΟΜΡΑΊΠ-

e)

b) Kompatibilität im Falle der Subjekt-Typen I und II d) Kompatibilität im Falle der Subjekt-Typen III und IV f) Der Subjektbegriff FAMILIE I.E.S ist im Subjektbegriff FAMILIE I.W.S. enthalten

BILITÄT

normativen Subjekt

d)

I die Individuen und "Zusammenfassung" zum I

auf die Individuen b) d) e) und "Zusammenfassung" zum normativen Subjekt

a) positiven Subjekts

c)

b)

Übersieht 9: Kompatibilität und Koinzidenz zwischen normativem und positivem Subjektbegriff

FAMILIE enthalten.

lieh

"Aufteilung" der Position des positiven Subjekts auf

a)

ΚΟΜΡΑΉ-

I KOMPATl-

KOMPATI-

der Position des

"Aufteilung" Individuen

der Posi- Ι

juristisch*)

"Aufteilung" der Position des positiven Subjekts auf die Individuen

(i.w.S.)

Kompatibilität im Falle der Subjekt-Typen I und VI Kompatibilität im Falle der Subjekt-Typen III und VIII Kompatibilität im Falle der Subjekt-Typen I und III Der Subjektbegriff EHEPAAR ist im SubjektbegrifF

Legende:

Wirtschaftlich

juristisch8)

(i.w.S.)

schaftlich

verwandt-

fassung"

"Zusammen-

verwandt-

(i.e.S.)^

ROMPATIBILITÄT

(i.e.S.)

keine

normativ:

positiv: keine verwandtverwandtBindung schaftlich^ schaftlich

. Das Subjekt 139

140

Vier konzeptionelle Fragen

I I I . Die Funktionalzusammenhänge f und g und die subjektbezogenen Charakteristika Die dritte konzeptionelle Frage, die in diesem Abschnitt zur Diskussion steht, ist die nach den positiven und normativen Funktionalzusammenhängen (f und g) zwischen den gewählten Bezugsgrößen und den Positionen der Subjekte sowie nach den subjektbezogenen Charakteristika, die die jeweiligen Funktionalzusammenhänge beeinflussen und im ABR mit x. bezeichnet sind. Zunächst werden in diesem Kapitel der Zweck der Einführung subjektbezogener Charakteristika dargestellt sowie mögliche Charakteristika allgemein eingeführt (1.). Nach einer Diskussion der normativen und der positiven Problematik (2. und 3.) werden (4.) die Kompatibilitätsfrage in bezug auf Funktionalzusammenhang und Charakteristika sowie die Bedeutung der subjektbezogenen Charakteristika für die Ableitung verteilungspolitischen Handlungsbedarfs behandelt.

1. Mögliche Funktionalzusammenhänge und die Rolle der Charakteristika

Im Kapitel C.I. wurde angenommen, daß die dort besprochenen Bezugsgrößen in der Weise standardisiert sind, daß jeweils einheitliche Funktionalzusammenhänge angegeben werden können, die von subjektbezogenen Charakteristika abstrahieren. In der Übersicht 10 sind diese unterschiedlichen Zusammenhänge zwischen Positionsbegriffen und Bezugsgrößen dargestellt (fl bis g35) - zunächst ohne Berücksichtigung der subjektbezogenen Charakteristika. 1 Bei gegebenen Zusammenhängen zwischen den Positionsbegriffen reicht es aus, die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Bezugsgrößen und einem Positionsbegriff anzugeben (etwa dem Einkommen: fl, gl, f8, g8, fl5, gl5, £22, g22, f29 und g29) und diese auf die anderen Positionsbegriffe "umzurechnen".

1 Die einzelnen Funktionalzusammenhänge sind numeriert, worauf bei der Behandlung konkreter verteilungspolitischer Maßnahmen in Abschnitt D eingegangen wird.

2

Der positive Zusammenhang zwischen Konsum und BEDARF ließe sich dann folgendermaßen formulieren:

Κ = Κ (fl(E(B))) .

Warenkorb

Capability

Einkommen-

a) b)

C » g27(A) EF - g28(A)

C » fl3(LI) EF - fl4(LI) C - gl3(U) EF - gl4(U)

f... positiver Funktionalzusammenhang normativer Funktionalzusammenhang

W - f33(X) C - f34(X) EF - f35(X) W - g33(X) C - g34(X) EF - g35(X)

W - g26(A)

W - fl2(U) W - gl2(U)

Positionsbegriffen und Bezugsgrößen

Übersicht 10: Funktionalzusammenhänge zwischen unterschiedlichen

Spezifikation des wohlfahrtstheoretischen Standardmodells Spezifikation des neoklassischen Standardmodells g...

Legende:

U » f32(X) U - g32(X)

U - g25(A)

U » fll(LI) U - gll(LI)

E - f29(X) Κ « f30(X) V - D1(X) E « g29(X) Κ » g30(X) V - g31(X)

V - g24(A)

V - flO(U) V - glO(LI)

GESETZ (Χ)

Κ • g23(A)

Κ » f9(LI) Κ - g9(U)

E - g22(A)

(EF)

ANSTRENGUNG (A)

C - f6(B) EF - f7(B) C « g«B) EF - g7(B)

-Freizeit

E - fl5(LO) Κ « fl6(LO) V - fl7(LO) U « fl8(LO) a) W - fl9(LO) C - f20(LO) EF - f21(LO) E-gl5(LO) K-gl6(LO) V - gl7(LO) U-gl8(LO)B) W - gl9(LO) C » g20(LO) EF - g21(LO)

W - f3(B) W - gS(B)

(C)

LEOTUNO (LO) (Output)

U - f4(B) A) U-g4(B) B)

Vermögen Nutzen (U) (W)

E • f8(LI) E - g8(LI)

Konsum (V)

LEISTUNG (LI) (Input)

(Κ)

E - fi (Β) Κ - f2(B) V - f3(B) E - gl(B) Κ » g2(B) V - g3(B)

Einkommen (E)

BEDARF (B)

Bezugsgröße:

Positkxubegriff:

III. Funktionalzusammenhänge und Charakteristika 141

142

C. Vier konzeptionelle Fragen

Weicht bei der Betrachtung eines konkreten Subjekts der Zusammenhang von diesem standardisierten Zusammenhang ab, so läßt sich dies mit Hilfe der subjektbezogenen Charakteristika darstellen. Sie erhöhen oder senken die Position bei gegebenem Wert der standardisierten Bezugsgröße.3 Subjektbezogene Charakteristika erlauben es somit (sofern Positionsbegriff und Bezugsgröße eindeutig definiert sind), auf die Besonderheiten der einzelnen Subjekte einzugehen und so den Aspekt der horizontalen Gerechtigkeit abzubilden. Nicht zuletzt dadurch unterscheidet sich die subjektbezogene Sichtweise normativer und positiver Verteilungstheorien von den beiden anderen Sichtweisen, der neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen und der statistischen. In Kapitel B.II. wurden drei Arten subjektbezogener Charakteristika definiert: einerseits solche, die die Funktionalzusammenhänge zwischen (normativer sowie positiver) Position und der jeweils entsprechenden Bezugsgröße ( x/ 1 und t x. p ), und andererseits solche, die den Zusammenhang zwischen Position und positionsrelevantem Aspekt mitbestimmen ( t x. y ). 4 Auf letztere wird zum Abschluß dieses Kapitels einzugehen sein. Subjektbezogene Charakteristika beziehen sich positiv auf einzelne Begründungsfaktoren des eklektischen Verteilungsmodells und normativ auf entsprechende Faktoren, die unter dem Gerechtigkeitsaspekt als verteilungsrelevant angesehen werden. Die Bedeutung subjektbezogener Charakteristika unterscheidet sich in Abhängigkeit von der Bezugsgröße. Gemeinsam ist ihnen der Zweck. Sie bieten im Falle objektiver Bezugsgrößen die Möglichkeit, Einflüsse auf die Höhe der Position zu berücksichtigen, die durch die strenge Anwendung des jeweiligen Standards oder Verteilungstyps unberücksichtigt bleiben. Eine solche Betrachtungsweise ergibt wohl nur insoweit einen Sinn, als objektive Maßstäbe für Position und Bezugsgrößen (letzten Endes auch für die Charakteristika) angegeben werden können. Bei subjektiver Betrachtungsweise (Vorliegen subjektiv meßbarer Positionsbegriffe und/oder Bezugsgrößen) sind solche Aussagen wenig sinnvoll. Im Falle derjenigen Kombinationen, die der Standardtheorie entsprechen, spielen subjektbezogene Charakteristika somit annahmegemäß keine Rolle. Subjektive Positionsbegriffe (wie etwa der Nutzen und die Capability in ihrer subjektiven Interpretation) berücksichtigen solche Unterschiede dagegen schon. Im Falle der Bezugsgröße LEISTUNG spielen subjektbezogene Charakteristika insofern eine Rolle, als sie Faktoren charakterisieren, die 3 Für die empirische Analyse ist die Identifizierung relevanter Charakteristika im übrigen deshalb von Bedeutung, weil danach die einzelnen Subjekte zu für die Verteilungsanalyse relevanten Gruppen zusammengefaßt werden können; siehe auch Gll.l.d. 4 Da - der Aufgabenstellung dieser Arbeit gemäß - sich der praktische Teil lediglich auf den positionsrelevanten Aspekt Einkommen beschränkt, wird in diesem Gliederungspunkt lediglich dieser Spezialfall diskutiert.

. Funktionalzusammenhänge und Charakteristika

143

nicht als "Verdienststandard" in die Norm bzw. als entsprechender Verteilungstyp in die Erklärung eingehen, und somit die (Verteilung der) Positionen) grundsätzlich als durch Leistung "verdient" angesehen wird (werden). Im vorhergehenden Abschnitt wurden die unterschiedlichen Subjektbegriffe und die internen Zusammenhänge zwischen den Subjekt-Typen besprochen. Durch die Wahl eines bestimmten Mehrpersonen-Subjektbegriffs taucht das Problem auf, daß sich aus unterschiedlichen "SubjektGrößen" (Haushalts- oder Familiengrößen) unterschiedliche Einkommenserzielungsmöglichkeiten ergeben, die in positive Theorien einbezogen werden müssen und in normativer Sicht zu berücksichtigen sind. Es geht also um die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Subjekte eines Subjekt-Typs - sowohl unter BEDARFS- als auch unter LElSTUNGsgesichtspunkten, um so die Vorteile der gemeinsamen Haushaltsführung (economies of houshold scale) zu berücksichtigen. Ein anderes häufig genanntes Charakteristikum ist das Alter von Individuen bzw. die Altersstruktur von Mehr-Personen-Subjekten, wobei letztere zu einem (ggf. gewichteten) "Gesamt-" oder Durchschnittsalter zusammengefaßt werden kann.5 Das Gesamtalter berücksichtigt dabei im Gegensatz zum Durchschnittsalter die unterschiedlichen Subjekt-Größen nicht. In diesem Zusammenhang sind auch unterschiedliche Handicaps von Bedeutung, wie Behinderungen oder andere Erschwernisse in bezug auf den BEDARF (die Bedürfnisbefriedigungsfähigkeit), die LEISTUNG (das Leistungsvermögen) und die ANSTRENGUNG. Nicht zuletzt definieren subjektbezogene Charakteristika die Mitglieder von sozialen Gruppen näher und legen so die gruppenbezogenen Subjekte bei gegebenem Subjektbegriff fest.

2· Subjektbezogene Charakteristika in normativer Sicht

Die normative Frage nach den Charakteristika ist folgendermaßen zu stellen: Welchen Einfluß sollen bestimmte subjektbezogene Charakteristika des Verteilungsergebnis ausüben? In Kapitel B.II. wurde die allgemeine Formulierung einer subjektbezogenen Norm unter Berücksichtigung subjektbezogener Charakteristika durch die Formel ,Pin

5

=e/MV")

Atkinson (1975, S. 43) spricht von "adults equivalent scales".

(9)

au

144

C. Vier konzeptionelle Fragen

beschrieben. Beschäftigen wir uns zunächst mit dem Fall, daß die Höhe der normativen Bezugsgröße originär festgelegt werden kann. Gemäß der Formel (9) entspricht einer bestimmten Mindestposition (dem kritischen Wert der Armutsgrenze) eine bestimmte Höhe der standardisierten Bezugsgröße (etwa ein MindestBEDARF), und jeder einem Subjekt gemäß der relativen normativen Verteilungsvorstellung zugewiesenen Position wird ein entsprechender standardisierter BEDARF zugewiesen. Davon ausgehend benötigen unterschiedliche Subjekte eine je nach - näher zu spezifizierenden - subjektbezogenen Charakteristika unterschiedliche "Höhe" ihrer Position. Ist der BEDARF die relevante Bezugsgröße einer relativen Norm, so kann deren normative Verteilung für jeweils gegebene Charakteristika t x. n postuliert werden, beispielsweise als Gleichverteilung. Es gilt dann etwa G( t P i n ) = G ( g ( t B i W t x . n ) ) >

(53)

mit G als Gleichverteilung, die sich aus der Forderung ergibt, daß bei gegebenen t x. n als für alle Subjekte konstant angenommen wird. Forderungen nach einer Variation mit dem Alter, der Familiengröße, einer Behinderung etc. sind dann mittels Variationen in den Charakteristika abgebildet, was oben unter dem Begriff der "Bedürfnisbefriedigungsfähigkeit" diskutiert wurde. Auch wenn G nicht als Gleichverteilung spezifiziert ist, führt eine Berücksichtigung von Charakteristika ceteris juris zu einer größeren tolerierten Ungleichheit. Darüber hinaus eröffnen subjektbezogene Charakteristika die Möglichkeit, zwischen verschiedenen BEDARFskategorien zu "diskriminieren", um so meritorische Normen zu spezifizieren. Im Falle der Bezugsgröße LEISTUNG sind subjektbezogene Charakteristika dann von Bedeutung, wenn die LEISTUNGen unterschiedlich bewertet werden. Leistungen, die nicht in die Position eingehen, sowie Positionen, die nicht in dem Sinne "verdient" sind, daß sie auf konkreten Leistungen beruhen, können so mittels subjektbezogener Charakteristika berücksichtigt werden. Analog zur Vorgehensweise, die oben für den Bedarf diskutiert wurde, können auch im Falle einer originär postulierten ANSTRENGUNGsVerteilung subjektbezogene Charakteristika die sich auf bestimmte "Handicaps" beziehen, in eine "Gerechtigkeitsgieichung" (9) einbezogen werden, so daß für gegebene Charakteristika jeweils eine bestimmte Verteilung gilt. Das Leistungsvermögen und die Leistungsbereitschaft, die bei der Festlegung einer ANSTRENGUNGsgröße - wie oben erwähnt notwendigerweise auf standardisierte Größen Bezug nehmen, können durch subjektbezogene Charakteristika weiter konkretisiert werden.6 6 Dieser Punkt wird anhand der ausgewählten verteilungspolitischen Maßnahmen im praktischen Teil dieser Arbeit weiter vertieft werden.

III. Funktionalzusammenhänge und Charakteristika

145

Im Falle, daß die Bezugsgröße nicht originär festgelegt wird, ist es nicht nötig, Sachverhalte über die Charakteristika abzubilden, die schon in die Definition der jeweiligen Bezugsgröße einbezogen werden können. Es könnte aber u.U. einen didaktischen Vorteil haben, gewisse Aspekte aus der Definition der Bezugsgröße herauszunehmen und als Charakteristika zu definieren. Die Diskussionsgrundlage wäre dann expliziter. Als Beispiel kann das wohlfahrtstheoretische Standardmodell herangezogen werden, in dem subjektbezogene Charakteristika keine Berücksichtigung finden. Wie in Kapitel C.I. erläutert, hegt diesem Modell in seiner subjektbezogenen Interpretation eine LElSTUNGs- bzw. BEDARFsdefinition zugrunde, die die Berücksichtigung subjektbezogener Charakteristika nicht zuläßt. Im Falle einer statistischen Festlegung der Norm können subjektbezogene Charakteristika dazu verwendet werden, herauszufiltern, für welche Subjekte eine bestimmte Norm gilt. Dieser Typ von Charakteristika spielt dann die Rolle der Bezugsgröße des Anspruchs und der Verpflichtung (N) im Rahmen der subjektbezogenen Sichtweise der Ungerechtigkeitsfestlegung. 3. Subjektbezogene Charakteristika in positiver Sicht Welche subjektbezogenen Charakteristika sind nun für die Verteilung relevant? Auf der positiven Seite des subjektbezogenen Modells wurde die Einbeziehung subjektbezogener Charakteristika in der Formel tpip - W ^ r f ) · < 1 0 ') dargestellt. Einige der in Kapitel B.III. genannten Begründungsfaktoren der Verteilung können als Charakteristika aufgefaßt werden, so etwa das Alter, die Familienverhältnisse oder die "Unfreiwilligkeit" der Arbeitslosigkeit. Da bei gewählter Bezugsgröße deren konkrete Höhe lediglich eine Frage der Messung ist, ergibt sich die Berücksichtigung subjektbezogener Charakteristika aber eher aus Gründen der Darstellung denn als verteilungstheoretische Notwendigkeit.7 Dies sei anhand eines Beispieles verdeutlicht. Insofern der wirtschaftliche Zusammenschluß zu einem Haushalt sowohl auf der BEDARFS- als auch auf der LElSTUNGsseite mit economies of scale verbunden ist, müßte eine empirische Untersuchung, die diese Zusammenhänge nicht berücksichtigt, zu dem Schluß kommen, daß Individuen mit einem familiären Background einen geringeren BEDARF bzw. eine höhere LEISTUNG 7

Subjektbezogene Charakteristika können eventuell als zusätzliche Information "herausgefiltert" werden, was insbesondere dann interessant sein könnte, wenn sie mit bestimmten normativen Charakteristika zu kontrastieren sind; sie besitzen aber keinen eigenständigen Erklärungswert.

146

C. Vier konzeptionelle Fragen

aufweisen als andere. Um diese Unterschiede explizit zu berücksichtigen, kann die gleiche Aussage unter Verwendung einer standardisierten Bezugsgröße erfolgen, die von der als subjektbezogenem Charakteristikum zu definierenden Haushaltsgröße abstrahiert, um deren Einfluß gesondert auszuweisen. In beiden Fällen würde der Zusammenhang zwischen der Bezugsgröße bzw. der Bezugsgröße und dem Charakteristikum einerseits und der Position andererseits die gleiche Aussage beinhalten, mit dem Unterschied, daß die Aussage, die das Charakteristikum berücksichtigt, detaillierte Informationen enthält. Dies gilt insbesondere auch für das neoklassische Standardmodell, das für die Berücksichtigung subjektbezogener Charakteristika keinen Platz hat. Zwar gehen alle relevanten Faktoren implizit in die entscheidenden Nutzenund Produktionsfunktionen der Subjekte ein, sind aber nicht von entscheidender theoretischer Bedeutung. Eine explizite Darstellung ist aber insoweit von Interesse, als auf der normativen Seite bestimmte Charakteristika eine Ungleichverteilung rechtfertigen, andere nicht, was bei der Gegenüberstellung von Norm und Erklärung zu berücksichtigen ist.

4. Kompatibilität der Funktionalzusammenhänge, der Charakteristika und Implikationen für die Verteilungspolitik

(1) Über die Anforderungen an den normativen und den positiven Funktionalzusammenhang zur Erreichimg einer totalen Kompatibilität wurden bereits in Gliederungspunkt B.II.2. die wichtigsten Aussagen gemacht,8 wobei zwei Möglichkeiten genannt wurden, die sich auf das Zusammenspiel von Funktionalzusammenhang und Bezugsgrößen beziehen. Für die weitere Behandlung sei eine Kompatibilität hinsichtlich des Funktionalzusammenhangs und der Bezugsgröße angenommen. (2) Werden positiv und normativ die gleichen Charakteristika als relevant angesehen, so ergibt sich ceteris juris Kompatibilität, in den anderen Fällen Inkompatibilität. Verteilungspolitische Maßnahmen können dann in der Weise abgeleitet werden, daß der Einfluß ungerechtfertigter positiver Charakteristika "ausgeschaltet" wird, die entsprechenden normativen Charakteristika hingegen berücksichtigt werden. Gerade beim Zusammentreffen von Marktmechanismus und "Charakteristik-bedingtem" BEDARFS-, aber auch LElsrUNGsstandard ist von einer Inkompatibilität auszugehen. Auf "Cha-

8

Siehe auch die Abbildung 2.

III. Funktionalzusammenhänge und Charakteristika

147

rakteristik-bedingte" unterschiedliche BEDARFS- und LEISTUNGsniveaus nimmt der Marktmechanismus keine Rücksicht.9 In der Spezifikation des Standardmodells spielen Charakteristika für das Ergebnis keine Rolle. Nicht zuletzt anhand dieses Umstands läßt sich die geringe Praxisrelevanz des Standardmodells für die Ableitung (Begründung) verteilungspolitischer Maßnahmen erläutern, die - wenn auch häufig nicht direkt - auf angenommene Diskrepanzen zwischen positiven und normativen Charakteristika Bezug nehmen.10 (3) Wurde in einem ersten Schritt aus einer spezifischen Inkompatibilität eine spezifische verteilungspolitische Maßnahme abgeleitet und gehen wir davon aus, daß der positionsrelevante Aspekt als Einkommensgröße festgelegt ist, so ist es für einen zielgerichteten Eingriff nötig, über die Zusammenhänge zwischen positionsrelevantem Aspekt (Einkommen) und Position Bescheid zu wissen. Ein gegebener Funktionalzusammenhang berücksichtigt dabei nur den vertikalen Verteilungsaspekt. Auch dieser Zusammenhang kann aber nicht als einheitlich für alle Subjekte angesehen werden. Ein Transfer in Höhe von 10 000 DM bringt etwa einer Nicht-Behinderten beim Kauf eines Autos mehr Capability als einem Behinderten, der, um damit fahren zu können, einige Umbauten daran vornehmen lassen muß. Im Nutzenbegriff gehen solche Unterschiede bereits ein; darin zeigt sich die Objektivierung durch die Anwendung eines Capabilitybegriffs gegenüber dem Nutzen. In der Praxis ist dieser Typ von Charakteristika von den beiden anderen schwierig zu trennen. Analytisch sollte der Unterschied aber beachtet werden. Ein umfangreicheres verteilungstheoretisches Forschungsprojekt, das auf der subjektbezogenen Sichtweise aufbaut, müßte sich zentral und ausführlich dieser Problematik widmen, um zu gehaltvollen Aussagen zu gelangen. Da eine eingehendere Betrachtung eine detaillierte und fundierte Analyse ökonomischer, aber auch nicht-ökonomischer Zusammenhänge erfordert, kann im Rahmen des theoretischen Teils dieser Arbeit, der einer Darstellung des Systems dient, der Diskussion der Charakteristika nur geringer Raum - im Sinne einer grundsätzlichen theoretischen Klärung - gewidmet werden. Im praktischen Teil wird auf die wichtigsten Beispiele verteilungspolitisch relevanter Charakteristika eingegangen.

9 10

Vgl. etwa HaUer (1965, S. 142). Siehe unten Abschnitt D.

148

C. Vier konzeptionelle Fragen

IV. Der Zeitaspekt und der ZeitbegrifF Als letzte konzeptionelle Frage dieses Abschnitts soll der Zeitaspekt behandelt werden, dessen unterschiedliche Ausprägungen nicht ausführlich dargestellt zu werden brauchen. Da es sich bei der Frage nach der Länge der relevanten Perioden zunächst im wesentlichen um ein Umrechnungsproblem handelt, genügt diesbezüglich ein Verweis auf das einfache eklektische Verteilungsmodell1, in dem auf der Erklärungsebene eine Strukturierung hinsichtlich unterschiedlicher Zeitaspekte vorgenommen wurde, die auch auf die normative Seite angewendet werden kann. Neben einer kurzen Darstellung der Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Zeitaspekten erfolgt in diesem Kapitel eine grundlegende Bewertung des Zeitbegriffs in ökonomischen Theorien (1.), was sowohl im Rahmen der (2.) normativen als auch der (3.) positiven Behandlung jeweils von Bedeutimg ist.2 Den unterschiedlichen Antworten auf diese beiden Fragestellungen entsprechend ist diesbezüglich auch (4.) die Kompatibilität sowie die Ableitung verteilungspolitischer Maßnahmen hinsichtlich des Zeitaspekts zu untersuchen. Mehrgenerationenbetrachtungen bleiben gemäß den o.g. Ausgrenzungen unberücksichtigt.3

1. Der Möglichkeitsraum Grundsätzlich kann der Faktor Zeit in ökonomischen Theorien dadurch berücksichtigt werden, daß die jeweiligen Variablen auf Zeiträume oder Zeitpunkte bezogen sind, was sich aus der Unterscheidung in Bestands- und Stromgrößen ergibt. Zeitpunktbezogene Positionsbegriîfe sind das Vermögen, die Ressourcen und die Lebenslage; der Nutzen kann sich auf Bestands· wie auch auf Stromgrößen beziehen. Als zeitpunktbezogene Bezugsgröße kann das Ergebnis des gesellschaftspolitischen Prozesses (Bezugsgröße GESETZ) angesehen werden sowie die Inputgrößen Bestand an Produktionsfaktoren, Arbeitsbedingungen und Fähigkeiten. Die Zeitraumbe1 2

3

Siehe oben Gliederungspunkt B.III.2. Vgl. dazu Arouh (1987), Boland (1988b).

Mehrgenerationenmodelle verknüpfen die Betrachtung des Subjekts mit der des Zeitaspekts. Atkinson (1975, S. 40) spricht in diesem Zusammenhang von einem "dynastic view". Wie in Gliederungspunkt B.III.2. erwähnt, werden unterschiedliche Generationen und das Problem der Eibschaft nicht betrachtet. Erben und Erblasser sind daher in die Sphäre exogener Einflüsse abgeschoben.

IV. Zeitaspekt und Zeitbegriff

149

trachtung kann sich auf eine unterschiedliche Dauer beziehen: auf die Zeiteinheit, die der ersten Ebene des einfachen Verteilungsmodells zugrunde gelegt ist,4 auf die kurzfristige Periode der zweiten Ebene (dabei kommen Auszahlungszeiträume5 und administrativ festgelegte Zeiträume 6 in Frage) sowie auf eine Lebensspanne, die ggf. in unterschiedliche Phasen (Erwerbsphase, Ruhephase etc.) unterteilt sein kann. Bei einer laufenden Betrachtung wird die Untersuchung nicht zu bestimmten Zeitpunkten oder Perioden vorgenommen, sondern kontinuierlich, d.h. daß im Prinzip zu jedem Zeitpunkt die positive und die normative Frage gestellt sowie die Zielerreichung überprüft wird. Im Falle von Stromgrößen, die sich auf eine relativ lange Periode beziehen, ist es möglich, sich dabei mit gleitenden Durchschnitten zu behelfen: Für jede einzelne von sich überlappenden Perioden, in die der Zeitpunkt fällt, müßte der durchschnittliche positive Wert mit der Norm verglichen werden. Je länger die betrachtete Periode, desto gleichmäßiger ist die Verteilung, weil unterschiedliche Werte (der Position bzw. der Bezugsgröße), die auf relativ kurze Perioden bezogen sind, durch einen intrapersonellen Ausgleich von Unterschieden über verschiedene Perioden hinweg kompensiert werden - ähnlich der Zusammenfassimg von Individuen zu Mehr-Personen-Subjekten.7 Statistisch ist dies darstellbar als gemeinsame (zweidimensionale) Häufigkeitsverteilung der Subjekte hinsichtlich der Position (bzw. der Bezugsgröße oder des positionsrelevanten Aspekts) und hinsichtlich des Alters. Sind die Subjekte bspw. einerseits nach der Position zu I "Positionsgruppen"8 (ig = 1 ... I) und andererseits zu J Altersjahrgängen (jg = 1 ... J) zusammengefaßt, 9 so ist P. . die aggregierte Position derjenigen Subjekte 4

I.d.R eine Stunde. Abweichend davon werden beispielsweise Lehrtätigkeiten in Unterrichtseinheiten (zu 45 Minuten) gerechnet und bewertet. 5 Im Falle von Arbeitseinkommen ist dies ein Tag, eine Woche, ein Monat, im Falle von Zinseinkommen i.d.R ein Jahr. 6 Dabei handelt es sich i.d.R. um ein Jahr. Die Abgrenzung kann sich dabei wieder an formalen Kriterien orientieren (Kalendeijahr) oder an sachlich-ökonomischen (Wirtschaftsjahr). 7 Vgl. Atkinson (1975, S. 36). Im Falle von zeitpunktbezogenen Variablen (Bestandsgrößen) ist eine solche statistische Nivellierung dann möglich, wenn die Durchschnitte mehrerer, in relativ großem Abstand aufeinander folgender Zeitpunkte betrachtet werden. 8 Der Begriff wurde als Verallgemeinerung in Analogie zum Begriff "Einkommensgruppen" gewählt. 9 Die intrapersonelle (Lebens-Positions-)Verteilung spiegelt sich bei kurzfristiger Betrachtung in der Inter-Kohorten-Verteilung wider. Dabei werden allerdings langfristige Veränderungen (insbes. mit dem Wirtschaftswachstum verbundene Verteilungsänderungen) außer Acht gelassen. Gerade, wenn (z.B. im Rahmen von Simulationsrechnungen) auch Aufkommensüberlegungen eine Rolle spielen, müßten aber solche Überlegungen einbezogen werden.

150

C. Vier konzeptionelle Fragen

aus der ig-ten Gruppe, die dem jg-ten Altersjahrgang angehören. Daraus ergibt sich die über alle Subjekte aggregierte Position tAPFj^ mit APF| t

1

y

I

J

Σ

Σ

ig=l

jg=l

=

t P. 1

.

.

(54) v

«we

J

Tabelle 1 zeigt die verschiedenen eindimensionalen Verteilungen, die sich aus der zweidimensionalen Verteilung ableiten lassen. Die Verteilungen der Position auf die Positionsgruppen bzw. auf die Kohorten (Altersjahrgänge) sind aus den Randverteilungen abzulesen (siehe jeweils die letzte Zeile und die letzte Spalte der Tabelle i), während die Spalte jg und die Zeile ig die (bedingten) Verteilungen der Position auf die Gruppen für die einzelnen Kohorten und auf die Kohorten für die einzelnen Positionsgruppen bezeichnen. Für die jeweiligen Verteilungen können Mittelwerte, Maße der Streuung und der Konzentration, der Steilheit und der Schiefe abgeleitet werden. Die Randverteilungen sind dann jeweils gleichmäßiger als die entsprechenden bedingten Verteilungen. Altersjahrgänge

2

1

3

J

jg

Positionsgruppen

1 2 3

ig

I

P P P

P

1.I 2.1 3.1

i , l

P

ΣΡ

I.l

P

l,2

Ρ

P

2,2 P

P

P

< 9 |.

P

P

ρ

1,3

P

i.

2.3

P

2 . jg

p

ig,J

j 9

ρ

3, jg

ρ

P.i g . j.g

Ρ

ig,3

1.2

p

P

I ,3

P

2 P

U g ig|jg

Σ Ρ

ό9|3

ig.J

3,2

i , 2

j Λ /«®,® verwendet werden mit ^ E . ^ als (in jedem Fall positives) Einkommen einer Referenzperiode (Erwerbsphase) und t y i als positionsrelevanter Aspekt der laufenden Periode (Ruhephase), wobei y und E dem selben "Begriff' entsprechen, d.h. auf der gleichen Skala gemessen, sein können. ^ E . ® kann dabei als Bezugsgröße aufgefaßt werden. Als Alternative dazu kann das Verhältnis des positionsrelevanten Aspekts im Zeitablauf relativ zur Gesellschaft, anstatt zum eigenen, früheren positionsrelevanten Aspekt, als Positionsbegriff definiert werden. Bei dieser Vorgehensweise geht es darum, ob ein Subjekt unter bestimmten Umständen (z. B. bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und Erfüllung gewisser Anstrengungs- oder Leistungskriterien) auch bei einem Absinken der positiven Position seinen "Platz" in der Gesellschaft (in Relation zu den anderen Subjekten in der jeweiligen Kohorte) bis zu einem gewissen Grade behält. t

Aus der Sicht der neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Standardtheorie ist in diesem Zusammenhang auch die theoretische Vorstellung einer Zeitpräferenzrate von Bedeutimg, wobei hinsichtlich der Subjektivität und der Entscheidungsfreiheit zu unterscheiden ist, wessen Zeitpräferenzrate normativ bzw. positiv "gilt", die subjektive der Subjekte selbst (Akzeptanz des Postulats der Entscheidungsfreiheit) oder die einer "übergeordneten Instanz". Dabei ist es für längerfristige Betrachtungen nicht uninteressant, ob die Entwicklung in der Zeit von den Subjekten als linear fortschreitend oder als Kreislauf aufgefaßt wird, was nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der Frage der Endogenität der Präferenzen von Bedeutung sein dürfte. Diese Hinweise sollen - ohne darauf näher einzugehen - zeigen, daß die ökonomische (logische) Zeitbetrachtung insbesondere auch der Standardtheorie ein sehr enges Verständnis der angesprochenen Problematik impliziert, das darüber hinaus nur mit Einschränkungen dem menschlichen Bewußtsein vom Phänomen Zeit entspricht. 10 Im Zusammenhang mit dieser - eher philosophischen - Betrachtung sprechen wir vom Zeitbegriff, während die allgemeinere Frage, die zwischen Zeitpunkt- und Zeitraumbetrachtung, zwischen unterschiedlichen Längen der Perioden und zwischen unterschiedlichen Zeitbegriffen unterscheidet, weiterhin als Frage nach dem Zeitaspekt bezeichnet wird. Die Frage nach dem Zeitbegriff ist bei positiven und nor-

10

Vgl. dazu Bergmann (1988).

152

C. Vier konzeptionelle Fragen

mativen Vorstellungen von Interesse, die am VerteilungsprozejS orientiert sind. Eine Auf- oder Abzinsung ist beim Vergleich zweier oder mehrerer Subjekte dann erforderlich, wenn die Bewertung des längerfristigen Einkommens oder der längerfristigen Position zu einem Zeitpunkt (etwa am Lebensende oder am Lebensanfang) verglichen wird. Sie ist dann nicht vonnöten, wenn die laufende Bewertung verglichen wird. Des weiteren können lags eingeführt werden, um so statische Modelle zu "dynamisieren"} 1 Robinson (1988)12 weist darauf hin, daß neben dem logischen Zeitbegriff, wie er in vielen ökonomischen Modellen (insbesondere auch im Rahmen der Standardtheorie) verwendet wird, ein historischer Zeitbegriff existiert, der in den ökonomischen Modellen von Marx und Kalecki verwendet wird. 13

2. Die Zeit in normativer Sicht

Die normativen Fragen können hinsichtlich des Zeitaspekts und -begriffs folgendermaßen formuliert werden: Ist ßr eine normative Festlegung von Armut und Ungleichheit die (Verteilung der) kurz-, mittel- oder langfristige(n) Position(en) ausschlaggebend, und welcher Zeitbegriff (logisch, historisch . liegt der Gerechtigkeitsvorstellung zugrunde? Im Falle, daß als normativer Positionsbegriff eine Bestandsgröße festgelegt wurde, ergibt sich daraus der Zeitaspekt als Zeitpunkt. Unter intertemporaler Gerechtigkeit versteht Schlotter (1981, S. 6) "die gleiche und gleichmäßige Behandlung ... mehrerer verbundener Generationen", wobei neben den im statischen Begründimgsund Bewertungsrahmen behandelten Größen 14 normativ bestimmt werden muß, "was eine Generation sein soll" und "auf wieviele Generationen die 15

Gerechtigkeitsbetrachtung bezogen werden soll". Er stellt zwei alternative Kardinalprinzipien gegenüber: das der "Wirkungsegalisierung" 16 und das der "Wirkungsnivellierung der die Generationenlage bestimmenden Faktoren". 17 11 12 13 14

Vgl. dazu Boland (1988b). Originalveröffentlichung: 1980. Vgl. dazu auch Hoffmann (1987, S. 27).

Schlotter (1981) spricht allgemein von "wirtschaftlichen und sozialen Gegenständen der Wirtschafts- und Sozialpolitik" und davon "was 'gleich', was 'ungleich' und was 'gleichmäßig'... sein soll" (S. 6). 15 Schlotter (1981, S. 6). 16 Schlotter {1981, S. 7 f.). 17 Schlotter (1981, S. 9 f.).

IV. Zeitaspekt und Zeitbegriff

153

Schlotters (1981) "Generationen" können auch als intrapersonelle Lebensphasen bzw. Kohorten aufgefaßt werden. In der längerfristigen wohlfahtstheoretischen Standardtheorie wird die Gerechtigkeit anhand einer subjektiven Zeitpräferenzrate definiert (so daß auch intertemporal die Entscheidungsfreiheit der Subjekte als Norm herangezogen wird), indem die Lebenszyklushypothese 18 (Hypothese des permanenten Einkommens19) als Norm angesehen wird. 20 Den Subjekten wird es dabei überlassen, während ihrer Erwerbsphase (bei MehrpersonenSubjekten müßte es heißen: im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit) nach eigenem Gutdünken Konsumverzicht zu üben bzw. den Konsum so zu strukturieren, um daraus den Faktorbestand stärker zu erhöhen, als dies ohne längerfristiges Kalkül der Fall wäre. 21 Zinseinkommen aus selbstgebildeten Faktoren kann dann als ungerecht angesehen werden, wenn es aus einer ungerechtfertigt Mzu hohen" Position resultiert. 22 Das meritorische Argument bezieht sich in längerfristiger Betrachtung auf die Zeitpräferenzrate der Subjekte, die normativ als zu gering oder zu hoch eingeschätzt werden kann. In bezug auf eine Armutsdefinition ist dabei wohl ein relativ kürzerer Zeitraum zu wählen, je "absoluter" das gewählte Armutskonzept ist. 24 Liegt die Armutsgrenze am physischen Existenzminimum, so sichert eine Norm, die deutliche Schwankungen innerhalb eines Jahres zuläßt, das Überleben nicht. Schließlich ist in längerfristiger Sicht zu beachten, daß auch Normen selbst einem historischen Wandel unterworfen sind.25

18 19

Diese Theorie geht auf Modigliani/Brumberg Vgl. Friedman (1957).

(1954) zurück.

20

Diese Normen sind - ähnlich wie im statischen wohlfahrtstheoretischen Modell - Allokationsnormen. Eine "langfristige soziale Wohlfahrtsfunktion" wurde von Rawls (1972) entwickelt. 21

Dieser Darstellung liegt ein erweitertes Faktorbildungskonzept zugrunde, wie es auf makroökonomischer Ebene von Müller (1989, 1990) beschrieben wurde. Die entsprechende mikroökonomische Variante soll - aus positiver Sicht - im nächsten Gliederungspunkt diskutiert2 2werden. Vgl. dazuAbbing (1978, S.a. 183 ff.). 23 Würden in diese Betrachtung mehrere Generationen einbezogen, so wäre an dieser Stelle die ökologische Frage nach einer "Verantwortung" für nachfolgende Generationen zu diskutieren (vgl. dazu auch Forte, 1989, der in diesem Zusammenhang auch auf die Endogenität der Präferenzen eingeht), die sich aber auch schon in einem einfachen Wachstumsmodell stellt, wenn es um die Abwägung zwischen produktiver und unproduktiver Mittelverwendung geht.

24

Atkinson (1975, S. 35) macht eine ähnliche Aussage für den Vergleich von Armut und Ungleichheit. 25 Vgl. dazu Zinn (1989).

154

C. Vier konzeptionelle Fragen Oft

Gilt hingegen die Stetigkeit des positionsrelevanten Aspekts als Norm, so daß das Verhältnis zwischen Erwerbs- und Ruheeinkommen einen Mindestwert t R a nicht unterschreiten soll, dann ist die normative Position folgendermaßen definiert:

tP" ->

tiX^tiXtf»'

(55)

3. Die Zeit in positiver Sicht

Die positiven Fragen hinsichtlich des Zeitaspekts und -begriffs lauten entsprechend den normativen: Werden kurz-, mittel· oder langfristige Positionen verteilt, und welcher Zeitbegriff ist der Betrachtung zugrunde gelegt? Ist d positive Positionsbegriff eine Bestandsgröße, dann ist damit gleichzeitig auch der Zeitaspekt als Zeitpunkt festgelegt. Die positive Sichtweise der Standardtheorie hinsichtlich des Zeitaspekts kann völlig analog zur normativen formuliert werden. Wohldefinierte Vorstellungen der Subjekte bezüglich ihrer Zeitpräferenz können insofern als Begründungsfaktor für die Verteilung angesehen werden, als die Subjekte ihr intertemporales Nutzenmaximum anstreben. Um dies theoretisch zu fundieren, ist eine Reihe weiterer Annahmen nötig, so insbesondere die Kardinalität der entsprechenden Nutzenfunktionen. 27 In einer langfristigen (Lebenszeit-) Betrachtung dient also die Lebenszyklushypothese auch als Erklärungsprinzip. Aus der Annahme, daß eine Erhöhung der Faktorbestände nicht nur durch Konsumverzicht, sondern auch durch den Konsum bestimmter Güter TR

(sog. produktiver Konsum ) möglich ist, ergibt sich für die Subjekte ein zweidimensionales Entscheidungsproblem: Es ist so zwischen Konsum und Konsumverzicht sowie zwischen produktivem und unproduktivem Konsum zu wählen, daß ein Lebens-Nutzenmaximum erreicht wird. Als entscheidender Beitrag der Standardtheorie ist in diesem Zusammenhang die Humankapitaltheorie zu nennen.29 Dabei ist aber zu bemerken, daß neben den natürlichen Anlagen (Fähigkeiten) auch die Ausbildungsbereitschaft und die Ausbildungsmöglichkeiten in unterschiedlichem Maße (biologisch, sozial und materiell) "ererbt" und somit für das Subjekt nur teilweise beeinflußbar gegeben sind. Im Zusammenhang mit einer postulierten Entscheidungsfreiheit der Subjekte bezieht sich diese Fragestellung auf die Zeitpräferenzrate der Sub26

Vgl. dazu etwa Schmitz (1983).

27 28

Zur Annahme der Kardinalität vgl. die oben (B.II.) angegebene Literatur. Vgl. dazu Müller (1989,1990).

29

Vgl. etwa die Darstellung bei Mincer (1981; Originalveröffentlichung: 1976), Taubman (1981, S. 112 ff.; Originalveiöffentlichung: 1975).

IV. Zeitaspekt und Zeitbegriff

155

«1Λ

jekte. Die Entscheidungsfreiheit kann subjektintern insofern eingeschränkt sein, als der "Zeithorizont" der Subjekte in unterschiedlicher Weise eingeschränkt ist. Dabei ist das Zeitbewußtsein, der Zeitbegriff der Subjekte von entscheidender Bedeutung.31 Nur wenn die Subjekte ein dem logischen Zeitbegriff der ökonomischen Standardtheorie entsprechendes Zeitbewußtsein aufweisen, "funktioniert" die Verteilung so, wie die Standardtheorie sie beschreibt. 32 Unterschiede ergeben sich im Verhältnis der Einschätzung der eigenen Entwicklungsmöglichkeiten und den tatsächlichen Entwicklungschancen der Subjekte. Das geht bis hin zur subjektiven und objektiven Lebenserwartung. Wer kann schon den Lebensnutzen einer bestimmten (Aus-)Bildung oder das Kapitalbildungserfordernis in Hinblick auf eine zumindest in ihrer Dauer unsichere Ruhephase richtig einschätzen?33 Es hat wohl nichts mit Paternalismus zu tun, die Präferenzen in diesem Punkt unter positiven Gesichtspunkten als "gestört" zu bezeichnen. Und "Störung" bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als eine Abweichung des Zeitbewußtseins der Subjekte vom theoretisch postulierten, logischen Zeitbegriff. Nach Krupp (1981) sind Unterschiede im permanenten Einkommen den Faktorbestandsunterschieden proportional, während transitorische Positionselemente Unterschiede in der Faktorverwertung bzw. -ausnutzung widerspiegeln.34 Blümle (1972, 1974) leitet aus einem einfachen Modell für den Prozeß der Vermögensbildung eine Pareto-Verteilung ab. Die Wahl der Vermögensformen (der Faktoren), die gebildet werden, ist dabei eine Portfolioentscheidung, die insbesondere vom Risikoverhalten abhängt. Die Risikopräferenz ist aber ebenfalls verschiedenen internen und externen Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit unterworfen. 35 Die positive Position im Rahmen der Frage nach der Stetigkeit des positionsrelevanten Aspekts (Positions) lautet

tfKi*!»

-

Nicht zuletzt wären in diesem Zusammenhang auch Unterschiede in der Lebenserwartung (und das Bewußtsein der Subjekte dafür) zu diskutieren. 36 30

Vgl. dazu Niessen (1988). Seifen (1988) stellt die Zusammenhänge zwischen Zeitbewußtsein und wirtschaftlicher Entwicklung dar. 31

32

Vgl. in diesem Zusammenhang auch Heijdra (1988). Vgl. hierbei Cropper /Sussman (1988) zum Zusammenhang zwischen Subjekt und Zeitaspekt. 33

34

Vgl. Krupp (1981, S. 195; Originalveröffentlichung: 1968); vgl. dazu auch die Übersicht (ebd., S. 198) sowie Weisser (1971). 35 36

Siehe dazu oben B.III.2. Vgl. dazu Oppolzer (1986, S. 27 ff.).

156

C. Vier konzeptionelle Fragen

Aus der Sicht eines Subkultur- oder Teufelskreisansatzes stellen sich die Ergebnisse längerfristiger auf der Entscheidungsfreiheit der Subjekte beruhender Theorien in einem etwas anderen Licht dar. Subjekte, die unter bestimmten Voraussetzungen für eine bestimmte Zeit ein bestimmtes Ausmaß an Armut aufweisen, sind danach der Gefahr ausgesetzt, eine höhere Position (und daher auch eine bestimmte Lebensposition) nicht mehr zu erreichen.

4. Kompatibilität und Begründung verteilungspolitischen Handlungsbedarfs hinsichtlich des Zeitaspekts und -begriffe

Zum Abschluß sei nun auf die Bedingungen einer Kompatibilität sowie die Möglichkeiten, bei Inkompatibilitäten hinsichtlich des Zeitaspekts bzw. -begriffs einen verteilungspolitischen Handlungsbedarf zu begründen, eingegangen. Aus dem in den beiden vorangegangenen Gliederungspunkten Gesagten folgt die Kompatibilität des neoklassisch-wohlfahrtstheoretischen Standardmodells auf den unterschiedlichen zeitlichen Ebenen. Spielen zufällige Ereignisse eine Rolle, so kommt es darauf an, ob das "Walten" des Zufalls als gerecht angesehen wird oder nicht. 37 Unterschiede in den Erwartungswerten oder in den Streuungen der zufälligen Ereignisse können dagegen verteilungstheoretisch behandelt werden. Grundsätzlich sind zwei Möglichkeiten einer Inkompatibilität zwischen Norm und Realität hinsichtlich des Zeitaspekts denkbar: Die Norm kann sich entweder (1) auf kürzere oder (2) auf längere Perioden beziehen, als es dem tatsächlichen Verteilungsprozeß entspricht. Wegen des einleitend besprochenen Zusammenhangs zwischen kurz- und langfristig verteilten Größen (die Verteilung von Größen, die sich auf längere Perioden beziehen, ist im allgemeinen gleichmäßiger) ist im zweiten Fall eine Umverteilung zu Subjekten angezeigt, die aktuell (d.h. im Vergleich zur längerfristigen Performanz) in ihrem positionsrelevanten Aspekt absinken. Im ersten Fall, wenn sich die Norm auf die längere Frist bezieht, ist aber ebenfalls eine Umverteilung vonnöten. Dieses Vorgehen ist auch in bezug auf das meritorische Argument hinsichtlich der Zeitpräferenzrate angezeigt, woraus sich eine Rechtfertigung für gesellschaftliche (staatliche) Eingriffe ableiten läßt, nicht aber eine solche Maßnahme selbst. Dies wird unten anhand der Versicherung für den Fall einer Arbeitslosigkeit genauer untersucht. 37 Jedenfalls schränkt der "Zufall" die Entscheidungsfreiheit ein. Der Zufall selbst kann durch verteilungspolitische Maßnahmen nicht beeinflußt werden, wohl aber können verteilungspolitische Maßnahmen dazu dienen, "Zufallsergebnisse" abzugleichen.

V. Zusammenfassung und theoretische Erweiterungen

157

Aus einer aus der Lebenseinkommensbetrachtung beruhenden (etwa aus dem längerfristigen Standardmodell abgeleiteten) Kompatibilität folgt noch nicht unbedingt die Erfüllung einer (kürzerfristig zu definierenden) absoluten Norm. Umgekehrt sollte aber eine armutsbekämpfende verteilungspolitische Maßnahme die entsprechende Lebenszeit-Norm mit berücksichtigen, worauf beispielsweise die Sozialversicherung Rücksicht nimmt. Verteilungspolitische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung eines bestimmten relativen positionsrelevanten Aspekts sind auf der Ebene des oben eingeführten Positionsbegriffs folgendermaßen abzuleiten:

ty^/t-A^ •

t V p i = tyi(n)/,.iEi(p) Auf der Ebene des positionsrelevanten Aspekts lautet die Formel für eine spezifische Steuer-/Transferfunktion in der "Ruhephase": TR. = V. - V.(P) = F F . ® ' / V P . . t 1 tM t Jl t-1 1 t 1

(57) '

v

V. Zusammenfassung und theoretische Erweiterungen In den ersten drei Abschnitten dieser Arbeit wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die unterschiedlichsten verteilungspolitisch relevanten Fragen beantwortet werden können, wobei insbesondere die subjektbezogene Sichtweise hervorgehoben wurde. Zum Abschluß dieses Abschnitts wird neben (1.) einer zusammenhängenden Darstellung des subjektbezogenen ABR und des Spektrums seiner inhaltlichen Spezifikation (2.) auf einige Möglichkeiten verwiesen, den ABR zu erweitern.

1· Zusammenfassende Darstellung des ABR

Um die Komplexität des verteilungspolitischen Problems noch einmal zu verdeutlichen, seien die unterschiedlichen Kompatibilitätserfordernisse in einer Abbildung zusammengestellt (a). Im Anschluß daran wird (b) kurz die oben aufgestellte These diskutiert, daß das neoklassisch-wohlfahrtstheoretische Standardmodell als Spezialfall der subjektbezogenen Betrachtungsweise interpretiert werden kann.

(*>

158

C. Vier konzeptionelle Fragen

a) Kompatibilitätserfordernisse

und die Ableitung einer

konkreten Steuer^/Transferfunktion In der Abbildung 8 sind die Bedingungen für eine totale Kompatibilität zusammengefaßt, um die Komplexität des Verteilungsproblems und die Zusammenhänge zwischen den Problemkreisen zu verdeutlichen. Sie ist gegenüber den Abbildungen 1 und 2 1 um einige Aspekte erweitert: Als zusätzliche Informationen sind die subjektbezogenen Charakteristika angeführt sowie die Unterscheidung zwischen absolutem (in der oberen Hälfte) und relativem Aspekt (in der unteren Hälfte) explizit dargestellt, weshalb anstatt von normativen Aussagen von absoluten und relativen Aussagen gesprochen werden muß. Die Formeln, auf die sich diese Aussagen beziehen, werden hier zur Erinnerung wiederholt: t P / t y i V , 5 ) = ^ \ Ν ΛΧ ° tpi%yiV,y)

( Μ / Ν )

) ,

(23)

= fx(tMiV,p)'

(25)

= tP-\n

ty"

(24>

und Λ

ρ

= A

9


0 und dann (b) als Pflicht zur Leistung einer "Steuer" aus der Sicht der Verpflichteten (iv) in Höhe von^UHL^ < 0 . t UHL^ und t UHL. b sind zunächst potentielle Größen und fungieren gegenseitig als Nebenbedingung (Obergrenze): der kleinere Wert von beiden beschränkt die Höhe von ^ H L . ^ , was (c) bei der Zusammenführung der beiden Betrachtungsweisen zu beachten ist. Diese Dualität der Betrachtung ist deshalb gerechtfertigt, weil weder Berechtigte noch Verpflichtete die relevanten Größen des (der) jeweils anderen beeinflussen können, womit die "Steuer" zur Zwangsabgabe wird. 52 a) Die "Transfer-Seite Als normative Bezugsgröße der Transferberechtigung werden sowohl BEDARFS- als auch ANSTRENGUNGsgesichtspunkte herangezogen: der BEDARF insofern, als sich der normative Unterhalt nach den Lebensverhältnissen - einer BEDARFskategorie - bemißt; ANSTRENGUNG insofern, als gewisse Anspruchsvoraussetzungen gefordert werden: Auf Seiten der Unterhaltsberechtigten ist der Unterhalt bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (ANSTRENGUNGsgesichtspunkte) BEDARFsbezogen. Auf der BEDARFsseite sind die "Lebensstellung" (BGB) bzw. die "Lebensunter Berücksichtigung verhältnisse" (ABGB) 53 der Unterhaltsberechtigten der Lebensstellung bzw. Lebensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen die relevante Bezugsgröße; beide Größen seien mit B1 bezeichnet.54 Die Unterhaltsverpflichtung umfaßt die Kosten des (gemeinsamen) Haushalts, die persönlichen Bedürfnisse sowie ggf. Erziehungs- und Ausbildungskosten.55 Der Unterhalt von Kindern wird nicht bloß originär bestimmt, sondern

52

Gewisse Einschränkungen sind hier zu machen, z.B., wenn besondere Begabungen der Berechtigten zu höheren Unterhaltspflichten führen, wie etwa im Falle von Ausbildungskosten. 53 Vgl. § 94 BGB sowie § 1610 ABGB. 54

Bei einem empirischen Vergleich der beiden Systeme müßte insbesondere in einem solchen Fall untersucht werden, inwieweit die beiden Begriffe aufgrund kultureller, gesellschaftlicher, aber auch ökonomischer Unterschiede voneinander abweichen. Darauf kann eine an der Oberfläche der gesetzlichen Bestimmungen bleibende Analyse nicht eingehen. 55 Vgl. Beitzke (1988, S. 80).

I. Übergeordnete Gesetze

183

richtet sich überwiegend nach der Lebensstellung der Eltern. 56 Das Vermögen der Berechtigten hat i.d.R. keine Bedeutimg für die Bemessung der Unterhaltsleistung. 57 Auf der ANSTRENGUNGsseite wird der Einsatz der Produktionsfaktoren (bzw. die Bereitschaft dazu) gefordert 58 und läßt sich mit Hilfe von t A l i b n , einer (0,1)-Variablen, darstellen, die mit der BEDARFsgröße multiplikativ verknüpft ist. 59 Schließlich sind auch persönliche (subjektbezogene) Charakteristika t x i b n zu berücksichtigen, die hier nicht näher spezifiziert werden können.60 Somit läßt sich (23) folgendermaßen konkretisieren: , V

-> t

U H

i

b

( n )

= g*(tB1ib(n)' t

A

V v C

( B 1 / A 1 )

wobei im Falle der Leistungs-Bereitschaft (ANSTRENGUNG; gilt:

(23-1)

> >

tAljb

n

= 1)

t V - > t U H i b ( n ) = gx(t B 1 i b ( n ) 't x ib n >· «*) Im Falle der Nicht-Bereitschaft, also fehlender ANSTRENGUNG ( t A l . b n = 0), ist die Höhe der normativen Position als gleich der positiven Position postuliert, UHjb = UH i b (P\

(65)

unabhängig von den Vorstellungen über Begriff und Höhe sowohl der positiven Position als auch normativen Bezugsgröße, woraus folgt: t UHL. b

= 0.

Die Zumutbarkeit einer Erwerbsarbeit ist im Fall nicht geschiedener Ehepartner kein Kriterium, wohl aber im Falle geschiedener Ehegatten.61 Die positive Bezugsgröße läßt sich aus dem bürgerlichen Recht nicht subjektbezogen ablesen. Daraus folgt eine Unterhaltsleistung von

56 Vgl. die §§ 1615c BGB und 140(1) ABGB. "Maßstab für den Unterhalt sind die Bedürfnisse des Kindes, bestimmt nach den Lebensverhältnissen der Eltern" (Demberg/Puttfarken, 1983, S. 312). 57 Vgl. Kohler (1984).

58

"Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu erhalten" (§ 1602(1) BGB; ähnlich: § 143 ABGB). Eigene Einkünfte der Kinder mindern den Unterhalt (vgl. § 140(3) ABGB und 1602 ABGB). Vgl. dazu Demberg/Puttfarken (1983, S. 345). 59 Siehe zu diesem Vorgehen oben C.I.2.e. 60 Es wäre beispielsweise die Begabung zu nennen, die in Zusammenhang mit der den Berechtigten zustehenden (Aus-)Bildung relevant ist. 61 Vgl. Kohler (1984, S. 80).

184

D. Ausgewählte Maßnahmen

Lediglich ein (geringerer) notdürftiger Unterhalt, der als eine absolute Armutsgrenze des Unterhaltsrechts angesehen werden kann, steht an sich Unterhaltsberechtigten gemäß § 1611 BGB zu, die durch eigenes "sittliches Verschulden" bedürftig geworden sind oder ihre eigenen Pflichten verletzt haben.62 b) Die "Steuern-Seite Auch auf Seiten der Unterhaltsverpflichteten ist zunächst von deren eigenen Positionen auszugehen. Für den positiven Unterhalt eines gegebenenfalls unterhaltspflichtigen Subjekts gilt ähnliches wie für die Unterhaltsberechtigten: Der Unterhalt ist aus dem Einsatz der Produktionsfaktoren und in bestimmten Fällen auch durch Verringerung des Vermögensstamms zu bestreiten. 63 Daraus ist - wenn er den normativen Unterhalt der Verpflichteten übersteigt - die Unterhaltsleistung zu erbringen. Obwohl somit auch auf Seiten der Verpflichteten der normative Unterhalt nach BEDARFsgesichtspunkten bemessen wird, spricht die Literatur hier von "Leistungsfähigkeit", was damit nicht dem oben 64 definierten Begriff entspricht: "Leistungsfähig ist (im Unterhaltsrecht, F.H.Ì nur, wer den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährden würde." Daneben werden aber auch bestimmte ANSTRENGUNGsobergrenzen gesetzt, was etwa die Verpflichtung zum Verzehr des Vermögens anbelangt. Zwischen Ehepartnern besteht eine gegenseitige Unterhaltsverpflichtung nur solange primär, als der eigene angemessene Unterhalt nicht gefährdet ist. In diesem Fall sind Verwandte heranzuziehen.67 Damit läßt sich (23) auch aus dieser Sicht spezifizieren: P. n - > UH. ( n ) = gjV B l . . λ t

IV

Daraus ergibt sich t UHL^ mit

t

IV

v

t

iV

t

iv

n 7

) -

v

(23-Γ) '

62 Diese Bestimmung gilt nicht für minderjährige unverheiratete Kinder. Eine ähnliche Verwirkungsklausel ergibt sich implizit u.a. aus den §§ 143(1) und 94(2) ABGB. Hier kann die Unterhaltsleistung sogar ganz entfallen. Wie in der Bundesrepublik geht es dabei immer um eine Einschränkung von grundsätzlich be- oder entstehenden Unterhaltsverpflichtungen aufgrund bestimmter Vorwürfe gegen die Berechtigten. Darunter fallen jedoch nicht "Verfehlungen" in der Ehe. 63 Unterhaltspflichtige müssen "nach ihren Kräften" beitragen. Vgl. dazu Koziol/Welser (1988, S. 213 ff.). 64 Siehe oben C.I.I.C. 65 Beitzke (1988, S. 227). 66 Vgl. etwa § 141 ABGB. 67 Vgl. Beitzke (1988, S. 80).

I. Übergeordnete Gesetze

185

JJHL. = UH. ® - U H . t

IV

t

IV

t

(n)

.

(27-Γ) v

IV

7

Der positive Funktionalzusammenhang f läßt sich aus den Aussagen des Unterhaltsrechts nicht näher spezifizieren, da die positive Seite statistisch festgelegt ist. Daraus folgt, daß auch hinsichtlich der Charakteristika nicht eindeutig gesagt werden kann, ob es sich dabei um positive oder normative Charakteristika handelt oder um solche, die den Zusammenhang zwischen Position und positionsrelevantem Aspekt näher bestimmen.68 c) Zusammenßhrungvon "Steuer"- und "Transfer"-Seite Bei der Zusammenführung der "Steuer-" und der "Transfer-"Seite sind nun zwei Fälle zu unterscheiden. Im einen Fall (bezeichnen wir ihn als Fall 1) erhalten wir als Nebenbedingung zu (66), der Unterhaltsleistung aus der Sicht eines Berechtigten, daß der positive Unterhalt der Verpflichteten deren normativen Unterhalt um mindestens die Unterhaltsleistung (66) übersteigen muß UH. ® > UH. t

ìv

t

(n)

iv

+ UHL. k , t

lb '

(67) v

/

so daß sich die Unterhaltsleistung t U H L ^ . b mit t

U H L

i b / i v

-

t

U H L

i b

(68)

aus (66) ergibt. Gilt (67) nicht (Fall 2), so bestimmt sich die Unterhaltsleistung (UHL.^^) bei einem grundsätzlichen Anspruch des Berechtigten mit tUHLib/iv = - t U H L i v >

(69)

tUHLjb/iv

(70)

mit anderen Worten, = min ( t UHL. b , - t U H L i v ) .

Diese Zusammenhänge sind in der Abbildung 10 graphisch dargestellt. Aus den Konstellationen zwischen jeweils normativem und positivem Unterhalt auf beiden Seiten kann sich ergeben, daß es trotz einer - einseitig gesehen - Transferberechtigung tatsächlich nicht zu einer Unterhaltsleistung kommt. In diesem Fall {Fall 2) werden entweder andere Unterhaltsverpflichtete herangezogen oder die Berechtigten sind auf die Sozialhilfe (tSH-b) verwiesen, die im nächsten Kapitel behandelt wird.

68 Ersteres fällt gemäß der gewählten Darstellung aus, da auch der positive Funktionalzusammenhang nicht spezifiziert wurde.

D. Ausgewählte Maßnahmen

186

Falli: Unterhaltsverpflichtete

UH. Ö>) t

UH. t

IV t

IV

U H L

i b / i v

Unterhaltsberechtigte UH. t

t

IV

ib/iv

UH. ("> t

IV

tUHLib

Fall 2: Unterhaltsverpflichtete UHL. t

λ

IV

UH. t

IV

,

U H L

i b

,

U H L

i b

Unterhaltsberechtigte UH. t

ω

IV

,

S H

i b

n

UH. < > t

IV

t

ib

Abbildung 10: Die beiden Seiten des Unterhaltsrechts

5. Positionsrelevanter Aspekt und "Steuer-Transferfunktion": Einkommen und Unterhaltszahlung

Im vorangegangenen Gliederungspunkt wurde zwar von "Steuern" und "Transfers" gesprochen, die Betrachtung blieb aber auf der abstrakten Ebene des Positionsbegriffs Unterhalt. Positionsrelevanter Aspekt ist eine Einkommensgröße: das normativ und positiv unterhaltsrelevante Einkorn-

I. Übergeordnete Gesetze

187

men (El). Der Unterhalt wird - sehen wir von direkten Leistungen in Form der Haushaltsführung ab - in monetären (Einkommens-)Einheiten transferiert, die wir mit E l bezeichnen. Aus dem ABGB ist beispielsweise das "zivilrechtliche Nettoeinkommen" als positionsrelevanter Aspekt abzuleiten. Darunter ist der Gesamtbetrag der Einkünfte unter Abzug der Verluste und der Sonderausgaben zuzüglich von Einkommensanteilen, die nicht der Besteuerung unterliegen (steuerfreie Einkünfte, div. Freibeträge), zu verstehen. 69 Beschränken wir uns auf den allgemeinen Fall (Fall 1 in Abbildung 70), in dem eine Unterhaltsberechtigung in voller Höhe besteht (Formel (66)), so erhalten wir die normative Position mit t V -> t U H i b ( n ) ( t E 1 i b ( n ) > t X ib y ) - gx 0

tUHa/P*

Pia11

Pia tUH.b

)

a

Vrla ^hl^ > 0

Bundesrepublik Deutschland

Plap

Wert der Position (normativ)

PositionsbegrifT

Steuer-Transfer- Tula Funktion

Verteilungspolitische Maßnahme

Bemerkung

I. Übergeordnete Gesetze 191

1

Mlbn

Legende: a)

Zeitaspekt

Subjekt-Typ

c)

1

w

tE1w^

Bl.

(implizit)

t^iv^

t^iv^

laufende Betrachtung (Monat)

TSH.. Λ

Diese ist in der Bundesrepublik im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geregelt, in Österreich auf Länderebene;3 als Beispiel wird das Oberösterreichische Sozialhilfegesetz (O.ö.SHG) herangezogen.4 Es geht um die Verringerung von Armut, also den absoluten Aspekt der Ungerechtigkeit in einem wie zu zeigen sein wird - nicht ganz eindeutigen Sinn, denn das Sozialhilferecht weist selbst mehrere Stufen auf, auf denen Eingriffe in unterschiedlicher Intensität getätigt werden. Die Darstellung des Sozialhilferechts im ABR beginnt mit der Frage nach der Bezugsgröße und dem Armutskonzept des Sozialhilferechts (1.). Danach sollen Positionsbegriff (2.) und positionsrelevante(r) Aspekt(e) gesucht werden sowie darauf aufbauend die Armutsgrenze(n) des BSHG (3.). Die Fragen nach dem Zeitaspekt, dem Subjektbegriff und nach der Berücksichtigung subjektbezogener Charakteristika (4.) bilden den Abschluß der Einordnung der Sozialhilfe in unseren allgemeinen Bewertungsrahmen. Kurz eingegangen werden soll in der Zusammenfassung dieses Kapitels (5.) auch auf die Frage der Entscheidungsfreiheit.

1. Bezugsgröße und Armutskonzept

Das Sozialhilferecht nimmt in beiden betrachteten Ländern sowohl auf Elemente der BEDARFS-, der ANSTRENGUNGS- wie auch der LElSTUNGsge-

rechtigkeit Bezug. Dies kommt schon im § 1(2) BSHG zum Ausdruck, wo es heißt, die Sozialhilfe "soll ihn (den Empfänger, F. H.) soweit wie möglich

1

Bäcker et.al (1980, S. 75) sprechen von einem "letzten Auffangnetz der sozialen Siche-

rung". 2 3

4

Vgl. dazu insbesondere Schulte/Trenk-Hinterberger (1984,1986). Vgl. dazu Pfeil (1989) und die dort angegebene Literatur.

Darüber hinaus sind jeweils Hinweise auf die umfangreiche Gesamtdarstellung des österreichischen Sozialhilferechts bei Pfeil (1989) angegeben.

194

D. Ausgewählte Maßnahmen

befähigen, unabhängig von ihr zu leben".5 Damit ist bei der grundsätzlichen BEDARFsorientierung ("ihr Leistungsgrund ist ein anderweitig nicht gedeckter Bedarf 6 ), die sich schon aus der Armutsorientierung ergibt 7, die Bereitschaft zur eigenen Leistung (ANSTRENGUNG) gefordert. Hinsichtlich des BEDARFS sprechen Schulte/Trenk-Hinterbergßr (1986, S. 145) von der Gewährleistung der "Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens", die wir mit tB2. bezeichnen. Einer BEDARFsorientierung entspricht auch das "Wunschrecht" in § 3(2) BSHG 8 sowie die Konkretisierung des notwendigen Lebensunterhalts, der als kritischer Wert auf der Positionsebene ( t P. a ) aufgefaßt werden kann.9 Das O.Ö.SHG spricht in diesem Zusammenhang noch deutlicher von der "Sicherung des Lebensbedarfes" 10. Auf einen ANSTRENGUNGsstandard weist andererseits die im BSHG mehrmals erwähnte Verpflichtung der Hilfesuchenden und deren Angehöriger hin, 11 mit eigenen Kräften und Mitteln die Bedürftigkeit zu verhindern. Zum Ausdruck kommt dies insbesondere im Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe. Dieser besteht gemäß § 2 BSHG gegenüber Möglichkeiten der Selbsthilfe, tatsächlichen Leistungen und Leistungsverpflichtungen Dritter insbesondere des Unterhalts 12 - sowie bestimmten Ermessensleistungen anderer. 13 Das O.Ö.SHG spricht dabei ausdrücklich von "Subsidiarität". Es besteht die Verpflichtung, mit eigenen Kräften und Mitteln, d.h. durch Einsatz sämtlicher verfügbarer Produktionsfaktoren "den Lebensunterhalt 5

Das hieße wohl, daß Faktoren zu bilden sind, z.B. auch im Rahmen der Rehabilitation. Dies ist auch interessant im Zusammenhang mit Teufelskreistheorien der Armut bzw. Subkultur-Konzepten. 6

Schulte/Trenk-Hinterberger (1986, S. 109). In § 3(1) BSHG heißt es ausdrücklich, daß sich Art, Form und Maß der Sozialhilfe nach der "Art des Bedarfs" zurichtenhaben. §§22 - 24 BSHG sprechen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt von "Regelbedarf und Mehrbedarf. Ein "Bedarfsdeckungsprinzip" wurde auch in einer BVerwGE anerkannt (vgl Schulte/Trenk-Hinterberger, 1986, S. 126). "Bedarf ist ... ein Sammelbegriff für die sozialen Leistungen, die einem Hilfsberechtigten nach dem BSHG zustehen" (Schulte/Trenk-Hinterberger; 1986, S. 148; Hervorhebungen im Original). g Demnach soll Wünschen des Hilfeempfängers, soweit sie angemessen sind, entsprochen werden (vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger, 1986, S. 118 ff.). In der Praxis sind diesem Grundsatz allerdings sehr enge Grenzen gesteckt. 9 Auf die genaue Spezifizierung des Bedarfsbegriffs im BSHG wird bei der Besprechung von positionsrelevantem Aspekt und Armutsgrenze (siehe u. D.II.3.) eingegangen. 10 Analog dazu entspricht der "Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes" gemäß O.Ö.SHG die "Hilfe zum Lebensunterhalt" gemäß BSHG. 7

11

Vgl. z.B. die §§ 2(1), 3(2), 7,11(1), 18(1), 20,25 BSHG sowie 9 und 10 O.Ö.SHG.

12

Daraus ergibt sich, daß im Falle eines freiwilligen Verzichts auf zustehende Unterhaltsleistungen auch kein Anspruch auf Sozialhilfe besteht; siehe dazu unten D.II.6. 13 Vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger (1986, S. 109). 14

§ 8; vgl. dazu auch Pfeil (1989, S. 364 f.).

. Sozialhilfe

195

zu bestreiten". M.a.W., wenn der Lebensunterhalt geringer ist als ein kritischer Wert, besteht ein Anspruch auf Sozialhilfe unter der Voraussetzung, daß die zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren voll eingesetzt und alle anderen Quellen ausgeschöpft wurden. 15 Ob jemand die Produktionsfaktoren besitzt, die notwendig sind, um einen höheren Lebensunterhalt zu erreichen als den kritischen Wert, wird im Rahmen einer sog. Bedürftigkeitsprüfung 16 festgestellt. 17 Im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt (BSHG) bzw. der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs (O.Ö.SHG), einer der beiden Hauptformen der Sozialhilfe 18, ist neben dem nahezu unbeschränkten Einsatz von Netto-Einkommen19 und "verwertbarem Vermögen" 20 die Leistung zumutbarer Arbeit gefordert 21, wobei bei der Zumutbarkeit wesentlich weitere Grenzen gesetzt sind als im Rahmen anderer sozialpolitischer Maßnahmen.22 Analog zur Formulierung im bürgerlichen Recht können wir - ohne zunächst auf die Konkretisierung des Positionsbegriffs einzugehen - die Leistungsbereitschaft wieder als (0,1)-Variable ( t A2. ( a ) ) darstellen, t P2.

a

= g( t B2^ a \ t A2.^) ,

(72)

wobei im Falle der Leistungsbereitschaft ( t A 2 . ^ = 1) die normative Position ausschließlich vom Bedarf abhängig ist, 15

Näheres siehe unten D.II.2. Viele aus der Literatur entnommene Begriffe weichen von den oben definierten ab: während in der Unterhaltsrechtsliteratur von Leistungsfähigkeit gesprochen wird, wo es um Bedarfsgesichtspunkte geht, bezieht sich die Bedürftigkeitsprüfung vor allem - da der Bedarf ja standardisiert ist - auf die Leistung. 16

17

Im Falle des Produktionsfaktors Arbeitskraft (etwa bei Behinderten) wird auch von "Erwerbsunfähigkeitsprüfung" gesprochen.

18

Die Hilfe in besonderen Lebenslagen soll wegen ihrer spezifischen Eingriffe nur am Rande 19 behandelt werden. Das sind etwa nach dem deutschen Sozialhilferecht alle Einkünfte (in Geld oder Geldwert) minus Leistungen der Sozialhilfe, Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, auf das Einkommen entrichtete Steuern, diverse öffentliche und private Versicherungsbeiträge sowie bestimmte Ausgaben, die als "Werbungskosten" eingestuft werden können; (vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger, 1986, S. 218 ff.). 20 Dazu gehören nicht: Sachen zum persönlichen Gebrauch sowie das sog. "Schonvermögen" (vgl. dazu Schulte/Trenk-Hinterberger, 1986, S.225). Ähnliches bestimmt auch §9 O.Ö.SHG. 21 22

Vgl. § 18(3) BSHG sowie 10(1) O.Ö.SHG.

Zumutbar sind unter anderem Arbeiten, die im Vergleich zur früheren Arbeit oder zur Ausbildung hinsichtlich der Entfernung oder der Arbeitsbedingungen ungünstiger sind (vgl. § 18(3) BSHG); das O.Ö.SHG äußert sich dazu weniger detailliert (vgl. aber den § 8 Sozialhilfe VO). Im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen sind der Heranziehung von Einkommen und Vermögen engere Grenzen gesetzt. Der Einsatz der Arbeitskraft wird nicht zugemutet. Dies wäre in den meisten Fällen, in denen die Hilfe in besonderen Lebenslagen "greift", wohl auch schwer möglich. Darin dokumentiert sich die Berücksichtigung der entsprechenden Handicaps im Rahmen der Anstrengungsdefinition des Sozialhilferechts.

196

D. Ausgewählte Maßnahmen t P.

a

= f( tB2.) ;

(72')

im Falle der Nicht-Bereitschaft andererseits ( t A 2 . ^ = 0) ist die positive Position gleich der normativen t P.

a

= tP.P,

(72")

woraus sich kein Sozialhilfeanspruch ergibt (tSH. = 0). Als besonderes ANSTRENGUNGsrelevantes Handicap berücksichtigt das Sozialhilferecht die Kindererziehung: "Bei Erziehungsberechtigten mit Kindern bis zu 3 Jahren soll grundsätzlich keine Arbeitsaufnahme verlangt werden". 23 Dies kann als subjektbezogenes Charaktieristikum zur näheren Bestimmung des Armutsbegriffs interpretiert werden. Eine weitere wichtige Regelung, die auf LElSTUNGsgesichtspunkte abstellt, ist der Grundsatz, daß die Regelsätze zusammen mit den Kosten der Unterkunft 24 i.d.R. "unter dem ... durchschnittlichen Netto-Arbeitsentgelt unterer Lohngruppen zuzüglich Kindergeld und Wohngeld"25 bleiben. Daraus ergibt sich implizit ein relatives Gerechtigkeitskonzept. Es ergeben sich zunächst zwei unterschiedliche Armutsbegriffe: Grundsätzlich ist Hilfe mit dem Ziel gefordert, die Hilfesuchenden in die Lage zu versetzen, z.B. im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt26 "aus eigenen Kräften und Mitteln" den notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. 27 Armut würde dann vorliegen, wenn diese Befähigung nicht gegeben ist eine eher programmatische Forderung (bezeichnen wir diesen Fall als Armuts-Typ I). Hier ist das LEISTUNGsprinzip angesprochen: Die Hilfe soll die Hilfesuchenden befähigen, von ihrer Leistung zu leben. Einen "versorgungsähnlichen Charakter" nimmt die Sozialhilfe in den Fällen an, wo die Befähigung zum Leben ohne Sozialhilfe unerreichbar erscheint. Dies stellt einen zweiten Armutsbegriff innerhalb des SozialhilfeRechts dar, der zwar dem allgemeinen Grundsatz des § 1(2) widerspricht, aber doch toleriert wird. Leistung wird dann nicht einmal mehr als Ziel gefordert. Für die Gewährung der Hilfe ist lediglich der BEDARF relevant (sprechen wir im Fall dieser pragmatischen Forderung vom Armuts-Typ II). 23

Schulte/Trenk-Hinterberger

(1986, S. 199).

24

Diese werden gemäß § 3 Regelsatz-VO zusätzlich zu den Regelsätzen vergütet; siehe dazu unten D.II.3. 25 § 22(3) BSHG. 26

Ahnliches gilt auch gemäß § 28 für die Hilfe in besonderen Lebenslagen, wobei jedoch die Pflicht zum Einsatz eigener Mittel gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt eingeschränkt ist. Analoges bestimmt auch § 5 O.Ö.SHG. 27 So § 11(1) - transitorische Natur der Sozialhilfe; vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger S. 32). 28 Schulte/Trenk-Hinterberger (1986, S. 107).

(1984,

. Sozialhilfe

197

Erklärtes Ziel ist also nicht unbedingt die Beseitigung, sondern eine weitgehende Verringerung einer Armutsöwote vom Typ I, jedenfalls aber die Beseitigung von Armut vom Typ II, zumindest soweit ein "Leistungswille" 30 (ANSTRENGUNG) vorliegt. Je Individuum soll der Armutsgrad der bekämpften Armut gegen Null gehen.

2. Positionsbegriff und kritischer Wert

Aufgabe der Sozialhilfe ist gemäß § 1(2) BSHG die Ermöglichung eines Lebens, "das der Würde des Menschen entspricht". 31 Bei der "Menschenwürde" handelt es sich um einen aus dem Art. 1 GG abgeleiteten Begriff 32, der im ABR als sehr weit gefaßter (allgemein gehaltener) Positionsbegriff aufgefaßt werden kann und nur zwei Ausprägungen hat: "würdig" und "unwürdig". Das Ziel lautet dann: Die (absolute) normative Position soll "würdig" sein, was als kritischer Wert t R a aufgefaßt werden könnte. Die Sozialhilfe müßte eingreifen, wenn die positive Position darunter liegt, und zwar so, daß die Netto-Position (positive Position plus Sozialhilfe) gerade dem Status "würdig" entspricht. Schon auf dieser abstrakten Ebene wird deutlich, daß es sich bei der Armutsgrenze nicht um eine streng absolute handeln kann: Der Begriff der "Menschenwürde" geht über das "physiologisch Notwendige" hinaus. Aber dieser Begriff ist zu allgemein und wird in späteren Paragraphen der beiden betrachteten Gesetze konkretisiert. 33 Einen brauchbareren Positionsbegriff stellt m.E. der "Lebensunterhalts"Begriff der §§ 12 BSHG und 11 O.Ö.SHG dar:

Der Lebensunterhalt stellt neben der erforderlichen Pflege, der Krankenhilfe, der Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen sowie der 14 Erziehung und Erwerbsbefähigung, die hier nicht näher behandelt werden , einen Teil des Lebensbedarfs dar. Er entspricht dem Unterhaltsbegriff im

39

Vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger

(1986, S. 107).

30 31

Zum Subjektbegriff siehe unten D.II.4. Analog auch § 1(1) O.Ö.SHG.

32

Vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger

33

Den Begriff der Menschenwürde könnte man als Meta-Positionsbegriff auffassen.

(1984, S. 31). Siehe dazu auch oben D.I.l.

34

Dabei handelt es sich um Bereiche, die im BSHG und teilweise auch im O.Ö.SHG im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen angesiedelt sind.

D. Ausgewählte Maßnahmen

198 «

β

β

Unterhaltsrecht. Die Armutsgrenze leitet sich dann aus dem kritischen Wert "notwendiger Lebensunterhalt" ( t Lu.< a) ) ab: 36 tP-->tLu(»\

so daß als Norm gilt: tLU.

(n)

> t LU. ( a ) .

(73)

Die "Hilfe zum Lebensunterhalt" ist dann auf die Differenz zwischen dem minimalen normativen und dem positiven Lebensunterhalt abzustellen: tSH.

= tLu.(a) - tLu.® .

(27-11)

Zum notwendigen Lebensunterhalt gehören "besonders Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens"; zu letzteren gehören "in vertretbarem Umfange auch Beziehungen zur Umwelt 39 und eine Teilnahme am kulturellen Leben"· Auch diese fcich letztlich an der Menschenwürde orientierende Formulierung ist mit einem streng absoluten Armutskonzept unvereinbar: was über den Katalog hinausgeht, ist laut einem BVerwGE dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen. 40 Schulte/Trenk-Hinterberger (1986, S. 148) zitieren dazu eine Entscheidung des BVerwG, die in Richtung "Capability-Konzept" deutet: Im Falle einer "Feuerungsbeihilfe" wird auf den Bedarf erheblich beeinflussende Umstände hingewiesen, wie "Größe des Haushalts und der Wohnung, Gesundheitszustand und Alter der Hilfesuchenden". In einem absoluten Konzept wäre die Heizleistung in Kalorien, Steinkohleneinheiten o.ä. genau festzulegen. Die o.g. Formulierung "gemessen an seiner Umweif weist dagegen eher auf ein relatives Armutskonzept hin. 35

Auf Unterschiede im Detail können wir hier nicht eingehen. §§ 11 - 15a, 22 - 24 BSHG. § 11(1) BSHG: "Hilfe zum Lebensunterhalt ist dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht ... beschaffen kann". Die entsprechende Formulierung des O.Ö.SHG lautet "Lebensbedarf (vgl. § 7). Da dort aber ein allgemeiner Positionsbegriff fehlt und somit der "Lebensbedarf auch als Positionsbegriff aufgefaßt werden muß, ist es zweckmäßig das, Begriffspaar "Lebensbedarf (für den Positionsbegriff) und "notwendiger Lebensbedarf (für den kritischen Wert ( P. a ) auch für das oberösterreichische Recht zu verwenden. 36

37

Der entsprechende Begriff des O.Ö.SHG ist die "Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs". 38 "Grundbedürfnisse des täglichen Lebens" {Schulte/Trenk-Hinterberger, 1984, S.51). Während letzteres eher auf ein relatives Konzept hindeutet, sind die anderen Begriffe eher absolut definiert. Zusammengenommen handelt es sich m.E. um ein enges relatives oder breites Capability-Konzept. 39

Dazu gehört z.B. auch die Teilnahme an einer Demonstration; vgl. Schulte/TrenkHinterberger (1984, S. 51 f.). 40 Vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger (1984, S. 51).

. Sozialhilfe

199

3. Positionsrelevanter Aspekt, Armutsgrenzen und Transferfunktion

"Der 'Interventionspunkt' (der kritische Wert t R a , F.H.) der Sozialhilfe ist dann erreicht, wenn der Hilfesuchende soweit m seiner Lebensführung, gemessen an seiner Umwelt, absinkt, daß seine Menschenwürde Schaden nimmt" 41 . Die "Lebensführung" wäre dann - gemäß unserem oben erstgenannten Konzept, dessen Positionsbegriff die Menschenwürde ist - der positionsrelevante Aspekt, der durch die sozialpolitischen Maßnahmen verändert wird. 42 Die Sozialhilfe müßte so eingreifen, daß die Sozialhilfeleistung zusammen mit der "positiven Lebensführung" die "normative Lebensführung" ergibt, die die Armutsgrenze darstellt. Dieses Konzept wurde aber bereits im vorhergehenden Gliederungspunkt als zu oberflächlich erkannt. Außerdem handelt es sich bei der Lebensführung nicht um eine monetäre Größe. Δ.'Χ

Gemäß § 8 BSHG wird die Sozialhilfe neben der persönlichen Hilfe (Beratung), die hier nicht zur Debatte steht, als Geldleistung oder Sachleistung gewährt. Zumindest im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt genießen Geldleistungen den Vorrang gegenüber Sachleistungen.44 Aus diesem Grund kann das Einkommen (in weiter Fassung als Netto-Einkommen incl. Transfereinkommen, das wir als E2 bezeichnen) als positionsrelevanter Aspekt gelten: ν. -> tE2.. 1 t Jl Beschränken wir die Darstellung auf die sog. laufenden Leistungen (LL) 45 . Diese werden in Form von sog. Regelsätzen (Rs) 46 und Mehrbedarfszuschlägen (Mz) sowie den tatsächlichen Kosten der Unterbringung 47 und sonstigen übernommenen Kosten in tatsächlicher Höhe 48 (wir fassen die Unterbrin41 42 43

Schulte/Trenk-Hinterberger Näheres dazu siehe in D.II.3. Analog; § 11(2) O.Ö.SHG.

(1986, S. 105) nach einer Entscheidung des BVerwG.

44

Ausnahmen bilden die Unterbringung in Anstalten etc., die aber gemäß § 3a soweit wie möglich vermieden werden soll, sowie gewisse Leistungen bei Krankheiten und Behinderung. Davon wird im weiteren abgesehen. 45 Diese bedeuten neben einmaligen Leistungen gemäß § 21 BSHG die wesentliche Form der Hilfe zum Lebensunterhalt. 46 Die Festsetzung der Regelsätze gemäß § 22 BSHG und einer entsprechenden Durchführungsverordnung (Verordnung zur Durchführung des §22 des Bundessozialhilfegesetze Regelsatz-VO) bedeutet eine Konkretisierung der in § 12 BSHG genannten Grundbedürfnisse sowie deren Transformation auf die Einkommensebene. Diese erfolgt letzten Endes durch zuständige Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen (§ 22(3) BSHG). Genaueres vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger (1986, S. 157). 47

48

Gemäß § 3(1) Regelsatz-VO (siehe dazu unten). Gemäß §§ 13 - 15a; dabei handelt es sich teilweise um Kann-Bestimmungen.

D. Ausgewählte Maßnahmen

200

gungskosten sowie die sonstigen übernommenen Kosten als ÜK zusammen) in Geldeinheiten berechnet, liegen also auf der Ebene des positionsrelevanten Aspekts E2. Die maximalen laufenden Leistungen stellen somit die Armutsgrenze dar 50 : t y.

a

-> tLL. = tRs. + t Mz. + t ÜK..

(74)

Es darf nicht übersehen werden, daß wir damit die Sozialhilfe auf ihren Kern reduziert haben, der aber den bedeutendsten Teil im Zusammenhang monetärer Sozialpolitik darstellt. Ausgedrückt in Einheiten des Positionsbegriffs können wir schreiben P . V ) - > L U . ( a ) (RS. + Mz. + ÜK.) . 5 1 t 1 KJ ' t 1 Vt 1 t I t V

Laufende Leistungen zur Sozialhilfe werden dann in Höhe von W M

gewährt.

-> t S H Z i = .y" - Λρ - ,

R s

i

+

t

M z

i

+

tÜKi -tE2i

Im Falle der Leistungsbereitschaft gilt nämlich a tSH. = t L u / ) ( t L L ) - t PP( t E2 i; tx.) .

i30-«) (27-ΙΓ)

Die Kosten der Unterkunft sind in der Regel nicht substituierbar (Kündigungsfristen, Zumutbarkeit des Umzugs), was durch die Übernahme der tatsächlichen Kosten vom Gesetz berücksichtigt wird. 53 Unterkunfts- und andere Kosten werden aber nur dann in voller Höhe übernommen, wenn es nicht "den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang" übersteigt.54 Auch wenn weder Eigenleistungen noch Leistungen Dritter vorliegen, stellt diese Armutsgrenze (RS, Mz und ÜK) allerdings keine absolute Untergrenze des Sozialhilfeanspruchs dar. Gemäß § 25(2) kann (in den dort angeführten Fällen 55 ) die Leistung "bis auf das zum Lebensunterhalt Uner49

Analog dazu wird im österreichischen Sozialhilferecht von richtsatzmäßigen, zusätzlichen und anlaßbezogenen Leistungen gesprochen (vgl. Pfeil, 1989, S. 432 f.). 50 Vgl. auch Schulte/Trenk-Hinterberger, 1986, S. 181. 51 Einmalige Leistungen (vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger, 1986, S. 181, sowie S. 186 - 250) bleiben dabei unberücksichtigt. 52 Inhaltlich analog ist das österreichische Sozialhilferecht geregelt (vgl. Pfeil, S. 401).

1989,

53

Dahinter steht wohl auch ein besonderer Bestandsschutz des Unterkunftsverhältnisses. Die "Substituierung" der Unterkunft z.B. durch Genußmittel wird ja unlukrativ und somit unwahrscheinlich, was im Rahmen eines Subkultur-Konzepts, aber auch im Hinblick auf von Sozialhilfeempfängern abhängige Personen sinnvoll erscheint. 54 55

Gemäß § 3(1), 2. Satz Regelsatz-VO.

Absichtliche Verringerung des Einkommens oder Vermögens "in der Absicht, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Hilfe herbeizuführen" (unwirtschaftliches Verhalten "trotz Belehrung").

. Sozialhilfe

201

läßliche eingeschränkt werden" (Armutstyp III). Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, daß es sich zum einen bei der Hilfe zum Lebensunterhalt im Normalfall um keine "absolute Armutsgrenze" (Minimal-BEDARF) handelt, zum anderen, daß die ANSTRENGUNG unabdingbare Voraussetzung der Unterhaltsberechtigung ist. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Regelsätzen des BSHG und den Richtsätzen des österreichischen Sozialhilferechts liegt in der wissenschaftlichen Ableitung 56 ersterer anhand eines Warenkorbstandards, 57 während letztere ohne eine solche Bezugnahme festgelegt werden können.58 Hinsichtlich des Subjekts ist im § 3 BSHG der sog. "Individualisierungsgrundsatz"59 verankert, wonach Art, Form und Maß der Sozialhilfe sich nach der Besonderheit des Einzelfalls richten, also nach den subjektbezogenen Charakteristika. Schulte/Trenk-Hinterberger (1984) weisen darauf hin, daß dieser Grundsatz durch die Notwendigkeit der Objektivierung von Bedarfskriterien und der Pauschalierung von Regelungen eingeschränkt wird. 60 Eine bisher nicht betrachtete Problematik ergibt sich daraus, daß auch bei diesem (obwohl staatlichen) Transfer das berechtigte Subjekt, dessen BEDARF und Anspruch ermittelt wird, sich unterscheidet vom verpflichteten Subjekt, dessen ANSTRENGUNG gefordert wird.

4. Zeitaspekt, Subjektbegriff und subjektbezogene Charakteristika

"Die Sozialhilfe setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe ... bekannt wird, daß die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen". 61 Die Sozialhilfe ist also eine laufende Hilfe, die jeweils im Zeitpunkt der Notlage eingreift und längerfristige Aspekte i.d.R. nicht berücksichtigt. Ausnahmen bilden einerseits die "vorbeugende" und die "nachgehende" Hilfe, die gewährt werden, um drohende Notlagen abzuwenden bzw. um zuvor gewährte Hilfen zu sichern, 62 und andererseits die Möglichkeit, die Sozial-

56

Vgl. dazu Galperin (1985). Dieser soll allerdings durch einen Statistikstandard abgelöst werden, vgl. dazu Scherer (oJ.). Zur Diskussion unterschiedlicher Sozialhilfestandards vgl. Leibfiied/Hartsen/Heisig (1985, S. 132 ff.). 57

58 Vgl. Pfeil (1989, S. 438 f.). Die monatliche Höhe der Richtsätze beträgt für "Alleinunterstützer" zwischen 3370 und 4980 ÖS (480 bis 700 DM) je nach Bundesland. 39 Vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger (1984, S. 34 f.) sowie Pfeil (1989, S. 362 f.). 60

Vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger

61

δ 5 BSHG. Vgl. § 6 BSHG.

62

(1984, S. 36).

D. Ausgewählte Maßnahmen

202

hilfe als Darlehen zu gewähren.63 Soviel zum Zeitaspekt\ kommen wir nun zum Subjektbegriff. Soweit es um die Berechtigung geht, orientiert sich das Gesetz am INDIVIDUUM:

ib2-> IND. § 3(1) BSHG macht Art, Form und Maß der Sozialhilfe ausdrücklich von der Person der Hilfeempfänger und deren Bedarf abhängig. Auch der Anspruch auf Sozialhilfe ist grundsätzlich personenbezogen. Dies kommt u.a. im § 25 BSHG zum Ausdruck, wo bei Ausschluß des Anspruchs oder Einschränkung der Hilfe aus Leistungsgesichtspunkten "zu verhüten (ist), daß die unterhaltsberechtigten Angehörigen ... oder andere mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebende Hilfeempfänger ... mitbetroffen werden." Allerdings werden bei mehreren in einem Haushalt zusammen wohnenden Hilfeempfängern die Kosten der Haushaltsführung nur einmal berücksichtigt (vgl. § 2 Regelsatz-VO). Dabei werden die Regelsätze zunächst für einen Haushaltsvorstand berechnet; für Haushaltsmitglieder in Mehrpersonenhaushalten werden Prozentsätze unter 100% des Regelsatzes für den Haushaltsvorstand angesetzt. Dieser Berechnung liegt das HAUSHALTsprinzip zugrunde (Subjekt-Typen I bis V), indem beim Haushaltsvorstand die Kosten der Haushaltsführung anerkannt werden bzw. bei MehrpersonenHaushalten die Kostenvorteile des Zusammenlebens. Wird aber vom iNDiviDUALprinzip ausgegangen, dann müßte der Regelsatz für eine Person von 22 Jahren und älter (80% vom Regelsatz eines Haushaltsvorstands bzw. Alleinlebenden) als (individuelle) Armutsgrenze angesehen werden 64, auf den pro Haushalt ein Prozentsatz von 25% für die Haushaltsführung aufgeschlagen wird. Die Regelsätze für Kinder müßten dann wie in der Tabelle 2 angegeben modifiziert werden. Daran zeigt sich, daß die Frage des Subjektbegriffs zunächst ein Umrechnungsproblem ist.

63 64

Vgl. die §§ 15b und 27(1) BSHG.

Die Mengenangaben für den notwendigen Lebensunterhalt, von denen sich die Regelsätze (Richtsätze) ableiten, wären dann noch um 20% geringer als in den entsprechenden Verordnungen angegeben, da sich die Kosten der Haushaltsführung ja nicht in "g Rindfleisch" ausdrücken, sondern z.B. in bestimmten Geräten, die pro Haushalt nur einmal vorhanden zu sein brauchen · 65 Materiell ähnliche Regelungen ergeben sich aus allen österreichischen Sozialhilfegesetzen (vgl. dazu Pfeü, 1989, S. 440).

. Sozialhilfe

203

Haushaltsprinzip*) Individualprinzip b) Haushaltsvorstand Zuschlag f. Haushaltsführung sonst. Person ab 22 J. 16-21J. 12-15 J. 8 -11J. 1 - 7 J.

100%

100%

80%

100%

90% 75% 65% 45%

112,5 % 94% 81% 65%

25%

Quelle: a ) Regelsatz-VO § 2(3), b ) eigene Berechnungen. Tabelle 2: Regelsätze nach dem Haushaltsprinzip und nach dem Individualprinzip

Änderungen ergeben sich auch hinsichtlich des prozentualen Aufschlags für Mehrbedarf. Dieser müßte rechnerisch um ein Viertel erhöht werden. Unterschiede zwischen den beiden Berechnungsarten ergeben sich, wenn der Haushalts-Vorstand bzw. Alleinlebende jünger ist als 22 Jahre. Soweit es um die Leistungsbereitschaft und -möglichkeit (ANSTRENGUNG) geht, sind nicht nur die "Bedürftigen" 66, sondern auch deren FAMILIE in die Pflicht genommen67 - also Subjekt, wobei die Familie "nicht von vornherein auf die Kernfamilie (Eltern und Kinder) beschränkt"68 ist - insbesondere aber zusammen lebende Ehegatten.69 Das Sozialhilfe-Recht verweist somit hinsichtlich des verpflichteten Subjekts (iv2) auf das Unterhaltsrecht. 70 Subjektbezogene Charakteristika werden im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt auf dreierlei Weise berücksichtigt, bei der Berechnung der Regelsätze selbst, bei der Zulässigkeit von Abweichungen von den Regelsätzen sowie bei der Berechnung von Mehrbedarf. Bei der Berechnung der Regelsätze berücksichtigt § 2(3) Regelsatz-VO das Alter als subjektbezo66 Das BSHG kennt diesen Ausdruck nicht, sondern spricht von Hilfesuchenden etc.; wohl aber verwenden verschiedene Lehrbücher den Begriff "Bedürftigkeit" (z.B. Bäcker et al., 1980, S. 75 und Winterstein, 1980, S. 129). Für Österreich vgl. PfeU (1989, S. 365). 67 § 7 BSHG - "Familiengerechte Hilfe": die besonderen Verhältnisse der Familie sind zu berücksichtigen. 68 Schulte/Trenk-Hinterberger (1984, S. 43). 69 ZB. § 11(2) BSHG im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt; vgl. Schulte/TrenkHinterberger (1986, S. 144). In bestimmten Fällen wird auch die Unterstützung von in Haushaltsgemeinschaft mit dem oder der Hilfesuchenden lebenden Verwandten oder Verschwägerten "vermutet", was ggf. von den Hilfesuchenden widerlegt werden muß (§ 16 BSHG); vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger (1984, S. 59). 70 Auch im Bereich der Hilfe in besonderen Lebenslagen werden gemäß § 28 nicht getrennt lebende Ehegatten sowie die Eltern von Hilfesuchenden zu einer "Bedarfsgemeinschaft" zusammengefaßt (vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger, 1984, S. 88).

204

D. Ausgewählte Maßnahmen

gene Charakteristik (allerdings nur fur Haushaltsangehörige von Mehrpersonenhaushalten, die jünger sind als 22 Jahre), indem für verschiedene Altersstufen verschiedene Prozentsätze von dem (für den Haushaltsvorstand) festgelegten Regelsatz gelten. Abweichungen von den Regelsätzen (i.d.R. nach oben 71 ) sind gemäß § 22(1) BSHG möglich, wenn dies "nach der Besonderheit des Einzelfalls H erforderlich ist. Dies ist Ausdruck des 72

"Individualisierungsgrundsatzes" . Als Mehrbedarf werden bestimmte festgelegte Prozentsätze vom Regelsatz anerkannt 73, dabei insbesondere für Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, Schwangere, Alleinerziehende, Kranke und behinderte Erwerbstätige. Bei Kindern ist vor allem der durch das Wachstum bedingte Bedarf zu berücksichtigen.74 5. Zusammenfassung und die Frage der Entscheidungsfreiheit

Im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt stellen die Regelsätze zusammen mit den Kosten der Unterkunft und anderen tatsächlich übernommenen Kosten eine nach dem Capability-Konzept aus dem "notwendigen Lebensunterhalt" (Lebensunterhalt als Positionsbegriff) abgeleitete, am kurzfristigen Bedarf einzelner Personen orientierte relative Armutsgrenze dar, die in Geldeinheiten (Einkommen) ausgedrückt ist. Die Höhe der Sozialhilfe ist damit im wesentlichen bedarfsorientiert, wobei in den Fällen des §25(2) 76 ein LElSTUNGs-"Malus"77 eingebaut ist, der zu einer absoluten Armutsgrenze führt, die vom zum Lebensunterhalt Unerläßlichen abgeleitet wird. Die sehr restriktiven Voraussetzungen für den Anspruch auf und die Höhe der Sozialhilfe beziehen sich auf die Leistungskomponente des hinter der Sozialhilfe stehenden Gerechtigkeitsstandards, wobei das Leistungsvermögen von Familien-/Haushaltsangehörigen mit berücksichtigt wird.

71

Vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger (1984, S. 74). Vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger (1984, S. 35) aus § 3(1). Als Beispiel nennen Schulte/Trenk-Hinterberger (1984, S. 74) krankheitsbedingte Ernährungsmehrkosten. 73 Gemäß §§ 23 f. BSHG. 72

74

Vgl. § 12(2) BSHG. Vorrangig auf subjektbezogene Charakteristika abgestellt, die entweder einen besonderen Bedarf und/oder eine verminderte Leistungsfähigkeit verursachen, ist die hier nicht näher besprochene Hilfe in besonderen Lebenslagen (siehe §§27-75 BSHG sowie 20 O.Ö.SHG in Veibindung mit den § § 3 - 6 SozialhilfeVO). Zu nennen sind dabei insbesondere Krankheit, Schwangerschaft, Behinderung, Pflege und Alter. Vgl. dazu auch Pfeil (1989, S. 453 ff.). 75 Vgl. die §§ 1 - 15/6 BSHG. 76 Siehe dazu oben D.II.3. 77

Andererseits enthalten die §§23 und 24 einen LmsruNGs-*BonusN für Blinde und Behinderte, wenn sie Leistungen erbringen, die ihnen grundsätzlich nicht zugemutet werden.

II. Sozialhilfe

205

Einschränkungen des positiven Postulats der Entscheidungsfreiheit wird die Sozialhilfe insoweit gerecht, als sie - insbesondere im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen - auf Gründe eingeht, die eine freie Entscheidung über den Einsatz von Produktionsfaktoren verhindern. Die Beantwortung der Fragen hinsichtlich des Mißbrauchs gestaltet sich bei der Diskussion des BSHG schwierig, da dieses Gesetz sehr viele Kann-Bestimmungen und unbestimmte Rechtsbegriffe aufweist, die Ermessensentscheidungen zulassen. Dabei ist nicht auszuschließen, daß sich das Ermessen unter anderem nach dem Finanzierungsspielraum richtet, der dem SozialhilfeTräger zur Verfügung steht.78 Zwar herrscht gemäß § 5 das Offizialprinzip" vor, das besagt, daß Sozialhilfe nicht auf Antrag, sondern mit dem Bekanntwerden der Voraussetzungen für die Gewährung einsetzt.80 Allerdings kann die Hilfe abgelehnt werden; Sozialhilfe soll menschenwürdiges Leben ja nur "ermöglichen". Die Aussagen dieses Kapitels sind für den allgemeinen Fall der Hilfe zum Lebensunterhalt in der Übersicht 13 zusammengefaßt.

78 79 80

Vgl. hierzu Hauser et. al. (1981). Vgl. Schulte/Trenk-Hinterberger (1984, S. 41). Ähnliches gilt auch für Österreich; vgl. Pfeil (1989, S. 366 f.).

tSH.

Legende: a)

Zeitaspekt

(Z.BJ 18(2): Zumutbarkeit)

(δ7),ΗΗ(δ16)

laufende Betrachtung (Monat)

FAMGR

(δδΧΌ. 11)

(insb. PAMilie, δ 7).

,Α2(η)

tLu.

t^i^

(implizit)

(implizit)

,Λ JB.™

(implizit)

alleS-T

,Α2(η)

laufende Betrachtung (Monat)

(« 9,10 O.Ô.SHG)

δ 110.Ö.SHG

FAMGR, HH

IND

B2.(n)

(n) tU.

(implizit)

('Lebensbedarf, »7 0.Ö.SHG)

(} 110.Ö.SHG)

>0

Lu.(a)

tSHZ.

^ >0

Übersicht 13: Darstellung der Sozialhilfe im ABR

Vgl. insbesondere auch die Hilfe in besonderen Lebenslagen. b) bei längerfristigem Bezug: i.d.R. monatliche Auszahlung.

t2

x2

IV2 IND

Charakteristika

,

, .

(implizit)

,B2.(n) ('Art des Bedarfs", 1 δ 2 BSHG)

W tE2.

(n) tLL.

alle S-T

Subjekt-Typ

Λ)

ib2

N2

M2

y2p

y2n

Subjekt-Typ

Bezugsgröße (Anspruch)

Bezugsgröße (Höhe)

positionsrelevanter Aspekt (positiv)

posi tionsre levanter Aspekt (normativ)

(implizit)

P2P t^i^

Wert der Position (positiv)

tLu.

P2a Lu.(a) ('notwendiger Lebensunterhalt·, δ 11(1))

P2

Wert der Position (kritischer Weit)

Positionsbegriff

(implizit)

(implizit)

Bundesrepublik Deutschland

(J12 BSHG)

> 0

Steuer-Transfer· TR2 tSHZ. > 0 Punktion

Verteilungspolitische Maßnahme Vr2

Bemerkung

Österreich 206 D. Ausgewählte Maßnahmen

. Subjektbezogene Wohnförderung

207

Π Ι . Subjektbezogene Wohnforderung Die staatliche Subjektförderung des Gutes "Wohnen", die in diesem Kapitel behandelte verteilungspolitische Maßnahme (tWF.), ist - wie auch die Ausbildungsförderung 1 - weniger von quantitativer als von systematischer Bedeutung, da sie im Vergleich zu den anderen in dieser Arbeit dargestellten Maßnahmen einige Abweichungen aufweist. Sie ist in der Bundesrepublik als Wohngeld 2 im Wohngeldgesetz (WoGG) 3 , in Österreich unter anderem als Wohnbeihilfe im Wohnbauförderungsgesetz (WFG) 4 5,6 geregelt Die Darstellung beginnt mit der Identifizierung (1.) der verteilungspolitischen Maßnahmen und der Transfers, (2.) des Subjektbegriffs und des Zeitaspekts, (3.) des Positionsbegriffs und des positionsrelevanten Aspekts, (4.) der Bezugsgröße und der subjektbezogenen Charakteristika, bevor (5.) die Aussagen der Wohnförderung unter Berücksichtigung der Fragen nach der Relativität des zugrundeliegenden Ungerechtigkeitskonzepts und der Entscheidungsfreiheit zusammengefaßt werden.

1. Verteilungspolitische Maßnahme und Transfer

Unter den Voraussetzungen, die das WoGG nennt, besteht ein Rechtsanspruch auf Wohngeld, es ist aber antragsgebunden.7 Es stellt - ähnlich wie

1

Siehe unten D.IV.

2

Vgl. dazu Baltes /Rogowski (1986, S. 303 ff.), Bley (1988, S. 390 ff.), Erlenkämper (1984, S. 508 ff.), Thieler (1987, S. 163 ff.). Empirische und historische Analysen zum Wohngeld stammen von Hübler (1975) und Schellhaaß (1988). 3 Vgl. Barrelet et al. (1987, S. 175 ff.). Neben dem WoGG gehen wir in diesem Kapitel auch auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Wohngeldgesetz (WoGVwV) ein. 4 Daneben kommen in diesem Zusammenhang noch Annuitäten- und Zinszuschüsse (nach dem WFG) sowie die Mietzinsbeihilfe nach § 106a EStG/Ö (Einkommensteuergesetz) zur Anwendung. 5 Eine besondere subjektbezogene WohnförderungsmaBnahme ist lediglich vom Subjektbegriff abhängig: die Wohnw/igrbeihilfen nach dem Wohnungsbeihilfengesetz (WBeihG) in Höhe von 30 ÖS pro Monat (das entspricht umgerechnet etwa 50 DM/Jahr) für Arbeitnehmer und Empfänger gewisser Sozialversicherungs- und Versorgungsleistungen. Vgl. Binder/ Ruppe (οJ., S. 290 f.). 6 Vgl. Binder (οJ., 193 ff.; dieser verweist daneben auf einige landesgesetzliche Regelungen; vgl. S. 196). Zu weiteren relevanten Rechtsgrundlagen im Bereich des Wohnungswesens vgl. Binder/Ruppe (oJ., S. 288 f.). 7 Gemäß 1.02 WoGVwV; vgl. auch Bley (1988, S. 391).

208

D. Ausgewählte Maßnahmen

auch die Wohnbeihilfe - ein staatlicher Miet- oder Lastenzuschuß zur wirtQ

schaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens dar; in beiden Fällen handelt es sich um monetäre Transfers ( t WG.), t TR3j -> tWG. > 0 , denen als verteilungspolitische Maßnahme auf der Ebene des Positionsbegriffs die Wohnförderung (WF, der Ausgleich unzumutbarer Wohnbelastung) gegenübergestellt werden kann, tV?3 {

-> tWF. > 0 .

Diese Unterscheidung zwischen Wohngeld und Wohnförderimg ist zwar nicht so deutlich aus den gesetzlichen Regelungen abzulesen, wie dies in den beiden vorhergehenden Kapiteln für das Unterhalts- und das Sozialhilferecht gezeigt wurde, bietet sich aber aus systematischen Gründen an, um die Zusammenhänge mit den anderen Maßnahmen zu verdeutlichen. Das Wohngeld ist - obwohl durch die Angabe in sog. Wohngeldtabellen einfach berechenbar - im ABR wegen zusätzlicher Komplikationen nicht einfacher darzustellen als andere Maßnahmen. Die österreichische Wohnbeihilfe ist nur in ihren Grundsätzen bundesgesetzlich geregelt und insoweit relativ einfach im ABR darstellbar; das WFG verweist darüber hinausführend auf Landesverordnungen, worauf hier aber nicht näher eingegangen wird.

2. Subjektbegriff und Zeitaspekt

Subjekte des WoGG sind Wohnsitzinländer 9 als Mieter bzw. Eigentümer i.w.S. selbst bewohnten Wohnraums 10 sowie deren Familienmitglieder (ebenfalls im weiten Sinne) 11 , soweit sie in einem Haushalt in Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (auch wenn sie "vorübergehend abwesend" sind) 12 , also die Subjekt-Typen I bis IV). Im Falle von Wohn- und Lebensgemeinschaften sind die Individuen Subjekte. i3 -> S-T 1,11,III,IV,IND . 1 3

8 Siehe § 7 SGB I; vgl. Erlenkämper (1984, S. 508); vgl. dazu auch Hübler (1975, S. 95). Die Wohnbeihilfe wird nur Mietern geförderter Wohnungen gewährt. Eigentümern werden Annuitäten- und Zinszuschüsse gewährt. 9

Vgl. 1.01 und 1.03 WoGVwV.

10

Vgl. §§2 und 7 WoGG. Gemäß § 4(1). Wegen der Familien Orientierung kann das Wohngeld auch als Instrument des Familienlastenausgleichs angesehen werden (vgl. Bley, 1988, S. 390). 11

12 13

Vgl. Barrelet et al. (1987, S. 176). Ganz ähnlich ist der Subjektbegriff im WFG geregelt.

209

. Subjektbezogene Wohnförderung

Dieser Subjektbegriff bedeutet eine entscheidende Abweichung zu den bisher besprochenen Maßnahmen, da Berechtigte und Verpflichtete identisch sind. Er führt dazu, daß auch Personen Wohngeld erhalten können, die wegen eines Unterhaltsanspruchs gegenüber nicht in ihrem Haushalt wohnenden Verwandten keinen Sozialhilfeanspruch haben, was dann nicht der Fall wäre, wenn auch hier - wie etwa im Sozialhilferecht - auf der Leistungsseite der Subjektbegriff des Unterhaltsrechts zur Anwendung käme und Familienmitglieder verpflichtet wären, die nicht mit den Wohngeldberechtigten zusammen wohnen.14 Obwohl im WoGG der Berechnung monatliche Beträge (Miete, Familieneinkommen15) zugrunde gelegt werden, ist die Periode der Transfergewährung (Bewilligungszeitraum) ein Zeitraum von 12 Monaten ab dem Monat der Antragstellung 16 und somit der relevante normative Zeitaspekt.

3· Positionsbegriff und positionsrelevanter Aspekt

Der Tatbestand, der zum Eingreifen des WoGG führt, "besteht in einer tatsächlichen, unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der berechtigten Individuen und Familien durch Aufwendungen für angemessenen, familiengerechten Wohnraum"} 1 Daraus läßt sich als Positionsbegriff die Belastung für den angemessenen Wohnraum (tWB.) tP3j

-> tWB.

ableiten, die analog zum Unterhalt als Capability- Größe eines sehr eng definierten Warenkorbs aufgefaßt werden kann und nur das Gut Wohnen beinhaltet. Die normative Position kann dann als zumutbare und die positive Position als die tatsächliche Belastung spezifiziert werden. Die verteilungspolitische Maßnahme dient - wie bereits erwähnt - dem Ausgleich einer solchen unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung. Es ergibt sich WF. = W B . ( N ) - W B . ® . t I t 1 t 1

v

(27-III) 7

Diese Spezifikation erscheint auf den ersten Blick inkonsistent, weil die Wöhnbelastung (WB) offensichtlich negativ definiert ist, obwohl sie als 14 Dies liegt wiederum daran, daß das Wohngeld im Gegensatz zur Sozialhilfe nicht ANSTRENGUNGsorientiert ist. Siehe unten D.III.4. 15 Ein Zwölftel der Summe des Jahreseinkommens der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder. 16 Vgl. dazu Erlenkämper (1984, S. 514) sowie Bley (1988, S. 395). Ähnliches wird im § 34 WFG fest gelegt. 17 Bley (1988, S. 392); Hervorhebungen im Original. Völlig analog formuliert ist der § 32(1) WFG. Die Berechtigung ist dabei aber auf Mieter geförderter Wohnungen beschränkt.

210

D. Ausgewählte Maßnahmen

Anteil am Unterhalt angesehen werden kann: die Wohnförderung ergibt sich aber dann als (positiver) Transfer, wenn die positive Position größer ist als die normative. Dieser auf den ersten Blick paradox erscheinende Zusammenhang soll anhand von Abbildung 11 aufgelöst werden. Als indirekte Zielgöße kann die Differenz aus Unterhalt und Wohnbelastung (UH - WB) aufgefaßt werden. Im Falle, daß positiver und normativer Unterhalt gleich sind, die positive Wohnbelastung aber die normative übersteigt, ist der Anteil am positiven Unterhalt, der nicht für die Wohnung ausgegeben wird, im Vergleich zur Norm zu gering. Dies wird durch die Wohnförderung ausgeglichen. UH.®

t A 1

t WB.(

WF.

n

>

t WB.® J

V t

ι

Abbildung 11: Der Zusammenhang zwischen Wohnförderung und Unterhalt

Als korrespondierende monetäre Größe {positionsrelevanter Aspekt) kann die sog. "zuschußfähige Miete" 18 oder "Wohnaufwand" 19 (WA) angesehen werden, von der ein Teil bezuschußt wird, 20 nämlich in Höhe von WG. = WA. ( n ) - WA.® . 2 1 t

1

t

I

t

1

v

(74) '

t WA.®

und WA.® ergeben sich als monetarisierte (Einkommens-) Größen der Wohnbelastung.22

18

Vgl. Barrelet et al. (1987, S. 176 ff.). Bei letzterer handelt es sich um die Kaltmiete bzw. Kapitaldienst plus Bewirtschaftung (gemäß §§ 5 f. WoGG und den entsprechenden §§ der WoGVwV). Vgl. dazu auch Erlenkämper (1984, S. 509). 19 § 32(1) WFG. 20 Vgl. Bundesregierung (1987, S. 14). 21 Auch hierbei läßt sich eine Unterscheidung zwischen Positionsbegriff und positionsrelevantem Aspekt aus der Wortwahl des Gesetzes ableiten, wenn es die Belastung durch den Wohnungsaufwand vom Wohnungsaufwand selbst unterscheidet. Wie wir sehen werden, ist der praktische Weg aber umgekehrt: Er geht von Einkommensgrößen aus. Der Positionsbegriff steht als theoretische Größe lediglich dahinter.

III. Subjektbezogene Wohnförderung

211

4· Bezugsgröße und subjektbezogene Charakteristika

Die Höhe des Wohngelds (der Wohnbeihilfe) ist - außer von der zuschußfähigen Miete (vom Wohnungsaufwand) - abhängig vom Familieneinkommen (E3; dieses darf gemäß WoGG einen monatlichen Höchstbetrag nicht übersteigen) und von der Familiengröße (FAMGR).23 Wir können ersteres als Bezugsgröße der normativen (zumutbaren) Belastung ( W B ^ ) auffassen 24 und letzteres als subjektbezogene Charakteristik, die den Zusammenhang zwischen WB und E3 näher bestimmt. Gemäß WoGG gilt als Familieneinkommen25 die Summe der Bruttoeinkünfte (alle Einnahmen 26 ohne Rücksicht auf Steuerpflichtigkeit incl. bestimmter privater und StaatW 4 M

*

ΛΟ

ΛΑ

licher Transfers ) abzüglich Werbungskosten , Unterhaltszahlungen , verschiedener steuerfreier Sozialleistungen30, gewisser Freibeträge 31 sowie weiterer 6 bis 30% pauschal für Steuern und Sozialbeiträge 32.33 Auch hierin liegt ein Unterschied zu den bisher betrachteten Maßnahmen, da nicht auf das Leistungsvermögen (die ANSTRENGUNG) des Subjekts oder seiner getrennt lebenden Familie abgestellt wird, sondern lediglich auf das tatsächliche Einkommen, das rein statistisch definiert ist und nicht unbedingt als LElSTUNGseinkommen interpretiert werden muß. 34 Die Berechnung des Transfers folgt in den beiden Gesetzen unterschiedlichen Vorgehensweisen, kann aber aus der Sicht des ABR in ähnlicher Weise interpretiert werden. Zunächst zum WoGG: Zuschußfähig ist die tatsächliche Miete QWA.®), allerdings nur bis zu einer Höchstgrenze, die der normativen Position unter dem absoluten Aspekt QWB.^) entspricht. Diese ist abhängig von der Art 23 24 25

Vgl. § 2(2) WoGG sowie 33(1) WFG. Vgl. §§ 9 f. WoGG. Das Familieneinkommen ist in § 9 WoGG definiert.

26 27 28 29

Dazu gehören insbesondere Unterhaltszahlungen; vgl. Bundesregierung (1987, S. 7). Dazu gehört insbesondere das Kindergeld (vgl. ebd.), nicht aber die Sozialhilfe. 564 DM/Jahr, siehe § 12 WoGG; vgl. auch Bundesregierung (1987, S. 5). Vgl. §12 WoGG.

30

Geburtsbeihilfen, Leistungen aus der gesetzlichen Kranken- bzw. Unfallversicherung etc.3Vgl. § 14 WoGG. 1 Gem. § 15 WoGG können Familienfreibeträge in Höhe von 1200 D M bei Kindern abgesetzt werden bzw. 2400 D M bei Familienmitgliedern, die das 62. Lebensjahr vollendet haben sowie mit Verwandten bzw. Verschwägerten einen Familienhaushalt führen. Vgl. § 15 WoGG. 32

Gemäß §§12-17 WoGG. Vgl. auch Barrelet et. al (1987, S. 177 ff.).

33

Im WFG wird vom Einkommensbegriff des Steuerrechts ausgegangen.

34

Siehe dazu unten D.VII.

212

D. Ausgewählte Maßnahmen

der Wohnung (ADW), der Anzahl der Familienmitglieder (FAMGR) und der Mietstufe (Ms) 3 5 . 3 6 Daraus abgeleitet läßt sich nun (74) konkretisieren: Das Wohngeld beträgt tWG.

= t WA. ( n ) ( t E3- < n ) ; FAMGR) - t WA·® ,

(30-III)

solange TWA.®

< T W A . ( O ) (FAMGR, A D W , M S ) ,

(75)

und andernfalls: T WG.

= T W A . ( N ) ( t E 3 . ( n ) ; FAMGR) - T W A . ( O ) (FAMGR, ADW, MS) .

(30-ΙΙΓ)

In diesem Fall wird deutlich, daß in den Grenzen, die durch die Ober- und die Untergrenze gesetzt sind, das Ergebnis (der Transfer) direkt nur von normativen Überlegungen abhängig ist und nur indirekt von positiven Sachverhalten, nämlich insofern, als die positiven Werte die entsprechenden Grenzen nicht über bzw. unterschreiten. Alis den Wohngeldtabellen ist für ein gegebenes Familieneinkommen und eine gegebene zuschußfähige Miete jeweils die zumutbare Mietbelastung abzulesen.37 Die zumutbare Miete steigt einerseits mit steigendem Einkommen - z.B. bei Alleinstehenden und einer zuschußfähigen Miete von knapp 300 DM von 57 DM oder 19% der zuschußfähigen Miete (bei einem Monatseinkommen von 0 bis 220 DM) über 126 DM oder 42% (bei 500 D M Einkommen) auf 278 D M oder 89,3% (bei 1060 D M Monatseinkommen) und andererseits mit steigender zuschußfähiger Miete bei gegebenem Einkommen (bei einem Einkommen von 750 D M sind bei einer Miethöhe von 150 D M 129 D M oder 86% zumutbar, bei einer Miethöhe von 250 D M aber 168 D M oder 63,2% und einer Miete von 350 D M 207 D M oder 56,3%).38 Das WFG geht einen direkteren Weg. Es definiert die (maximale) Wohnaufwandsbelastung im Verhältnis zum Familieneinkommen, wobei neben der Familiengröße einige andere Sachverhalte zu berücksichtigen sind (etwa eine Behinderung), die als subjektbezogene Charakteristika interpretiert werden können und - je nach Sichtweise - den BEDARF näher spezifizieren oder ANSTRENGUNGsgesichtspunkte berücksichtigen. Außerdem ist die angemessene "Nutzfläche" der Wohnung in m 2 festgelegt, bei 35 Die Mietstufe ist abhängig von der allgemeinen Miethöhe in der Gemeinde und macht den Bedarfscharakter unseres Positionsbegriffs deutlich. Eine Liste der Mietstufen, die für die einzelnen Gemeinden gelten, findet sich in Bundesregierung (1987, S. 51 ff.). 36 Bei Alleinstehenden beträgt die maximale zuschußfähige Miete 440 DM. 37 Gemäß den Anlagen 1 bis 10 WoGG, soweit nicht § 18 WoGG anzuwenden ist. Vgl. § 2(1) WoGG. Die Wohngeldtabellen für Haushalte bis zu 5 Familienmitgliedern sind in Bundesregierung (1987, S. 23-49) abgedruckt.

38

Die prozentualen Anstiege sind in etwa linear.

III. Subjektbezogene Wohnförderung

213

deren Überschreiten die Wohnbeihilfe lediglich anteilsmäßig gewährt wird. 39 Vom Wohnungsaufwand sind andere dafür gewährte Zuschüsse abzusetzen.40 ADW und Ms spielen dabei keine Rolle; in diesem Sinne finden BEDARFsgesichtspunkte damit weniger Beachtung als nach dem WoGG.

5· Zusammenfassung unter Berücksichtigung der Fragen der Relativität und der Entscheidungsfreiheit

Die Spezifikationen der subjektbezogenen Wohnförderung sind in der Übersicht 14 dargestellt. Es handelt sich beim Wohngeld um ein spezielles Instrument zur Armutsbekämpfung: Die zumutbare zuschußfähige Miete n t WA.( ) kann als negative Definition der Armutsgrenze bzw. die zumutbare Wohnbelastung als kritischer Wert der Armutsdefinition angesehen werden. 41 Da dieser Wert mit steigendem Einkommen des Subjekts steigt, haben wir es mit einem sehr relativen Konzept zu tun. Die Bindung an die tatsächliche Miethöhe weist darauf hin, daß im Falle eines "Absackens" im Einkommen ein gewisser Lebensstandard aufrechterhalten werden soll, sowohl in bezug auf das Gut Wohnen, damit aber auch in bezug auf die restlichen Güter, so daß, indem das Subjekt davor bewahrt werden kann, seine Wohnung aufzugeben, sein Lebensstandard gesichert bleiben soll - ein weiterer Hinweis auf ein relatives Armutskonzept. Andererseits wird mit dem Wohnen ein Gut subventioniert, das eindeutig in die Kategorie der Grundbedürfnisse gehört. Das Wohngeld ergänzt in bestimmten Fällen andere verteilungspolitische Leistungen und kommt sowohl wegen seines abweichenden Subjektbegriffes als auch wegen der Nichtanwendbarkeit des ANSTRENGUNGsprinzips u.U. auch bei einem Wegfall der anderen Sozialleistungen zum Tragen. Es ist unmittelbar an den Konsum eines Gutes bzw. einer Gütergruppe ("Wohnen") gebunden. Insoweit ist die Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. All dies kann einerseits damit begründet werden, daß das Wohnen eine besonders schützenswürdige BEDARFskategorie darstellt, und andererseits durch den Umstand, daß die Miete nur teilweise bezuschußt wird, womit indirekt im Falle, daß der "Rest" nicht durch das Subjekt selbst getragen werden

39 40

Siehe §33 WFG. Siehe § 32(3) WFG.

41

Hübler (1975, S. 87) spricht von einer negativen Definition der "sozialen Härte" in diesem Bereich.

Legende:

Zeitaspekt

Subjekt-Typ

Aspekt (positiv) Bezugsgröße (Höhe) Bezugsgröße (Anspruch)

(

tW ι implizit

(

.

WoGG, ADW, MS

1 Jahr

iv » ib - > S-T I, II, III, IV, X.ft 4(1) WoGG

FAMGRft 2(2)

|32(1)WFG

1 Jahr

ft

32(1)

33 WFG

WFG

Übersicht 14: Darstellung der Wohnförderung im ABR

dito

ft

n tB3.

implizit

implizit

/λΛ

implizit >ft 32(1) WFG

GEFW

tWB.
0ft 32(1) WFG

tWB.

ν

JWFJ > 0

Zusätzlich: Obergrenze gemäß Wohngeldtabelle.

t3

i3

N3

Λ)

implizit

implizit

implizit

y3P tWAi M 5 f. WoGG M3 B3 n - E3.(n) »2(2), 19 WoGG

y3n

.

, .

implizit

WB.

tWe.

P3P WB.W

P3

tWoj>0

implizit

(n)

P3

Tr3

VP3 TWFJ> 0

Bundesrepublik Deutschland

N

a)

positions relevanter

Aspekt (normativ)

positionsrelevanter

(positiv)

Wert der Position (normativ) Wert der Position

Poeitionsbe griff

Funktion

Steuer-Transfer-

Maßnahme

Verteilungspolitische

Bemerkung

Österreich

214 D. Ausgewählte Maßnahmen

IV. Ausbildungsförderung

215

kann - auf die nach Sozialhilfe- und Unterhaltsrecht geforderte ANSTRENGUNG verwiesen wird. Wir haben schon im Falle der Sozialhilfe von einer besonderen Schutzwürdigkeit des Wohnens gesprochen. Diese wird dadurch noch unterstützt, daß das WoGG in Fällen greift, in denen (wegen bestehender Unterhaltsberechtigung bzw. darüber hinaus) keine Sozialhilfeberechtigung vorliegt.

IV. Ausbildungsförderung Die Behandlung der subjektbezogenen Ausbildungsförderung ist aus mehreren Gründen interessant: zum einen, weil wir es (in Österreich) neben Sozialtransfers auch mit einem reinen Leistungstransfer zu tun haben (eine Besonderheit im - hier dargestellten - verteilungspolitischen System), der zu Beginn (1.) kurz behandelt werden soll (obwohl deren quantitative Bedeutung vergleichsweise sehr gering ist), zum anderen, weil im bedarfsorientierten Teil der Ausbildungsförderung die Ausbildung offensichtlich - ähnlich wie das Wohnen - als besonders "eingriffswürdiger" Begründungsfaktor von Verteilungsungleichheiten berücksichtigt wird. 1 Die Lösung dieses verteilungspolitischen Problems unterscheidet sich von derjenigen im Rahmen der Wohnförderung, kann aber wegen ihrer relativen Einfachheit sehr kurz dargestellt werden (2.). Allgemein betrachten wir als verteilungspolitische Maßnahme die Ausbildungsförderung QAF.): ,VP4. -> t 1

t

AF., 1'

die in der Bundesrepublik im Bundesausbildungsförderungsgesetz* (BAföG) und in Österreich im Studienförderungsgesetz 19833 (StudFG) geregelt ist,4 woraus sich als monetäre Transfers Stipendien (STIP), TR4. - > STIP. t 1 t 1

ableiten. Wie erwähnt sind dabei zwei Typen zu unterscheiden, die als t AFl. und tAF2. (respektive STIPI, und tSTlP2.) bezeichnet seien. Zu Beginn soll kurz auf àie Begabteniörderung (AFI) eingegangen werden, die es in dieser bedarfsunabhängigen Form lediglich in Österreich gibt. 1

Daraus leitet sich auch die strukturelle Analogie zur subjektbezogenen Wohnförderung ab, weshalb diesem Kapitel auch relativ geringerer Raum gewidmet werden muß. 2 Vgl. dazu Bäcker et al. (1989b, S. 186). 3 Vgl. dazu Binder (o J., S. 192 f.). 4 Für Schüler ist in Österreich das Schülerbeihilfengesetz relevant, das ebenso wie die Bestimmungen, die gemäß BAföG für Schüler gelten, vernachlässigt wird. Vgl. dazu für Österreich Binder (oJ., S. 190 f.).

D. Ausgewählte Maßnahmen

216

1. Die österreichische Begabtenförderung Begabtenstipendien QSTIPl.) sind an höchstens zehn Prozent der inländischen studierenden5 INDIVIDUEN zu vergeben6: i4a -> IND ? PositionsbcgrìS wie auchpositionsrelevanter Aspekt ist eine Einkommensgröße. Voraussetzung für die Förderung ist ein "besonders günstiger Studienerfolg" (STERF), wie er in § 28 StudFG näher definiert ist, den wir als normative Bezugsgröße auffassen können.8 Eine zweite Größe, die als Bezugsgröße eine Rolle spielt, gibt an, ob sich ein Subjekt gemessen am Studienerfolg unter den ersten zehn Prozent befindet (nennen wir sie E10PROZ). Daraus ergibt sich die Bezugsgröße als Vektor tM4ai

n

- > t(STERF, E10PROZ).(n).

Durch die Kombination einer qualitativen Festlegung mit der prozentualen Beschränkung handelt es sich um eine Mischung aus absolutem und relativem Konzept. Eine positive Position bleibt unberücksichtigt: tP4a.P

= 0.

(76)

Die Höhe des Begabtenstipendiums beträgt 6000 ÖS pro Studienjahr, das auch die relevante Periode (Zeitaspekt) darstellt.9 Auch eine Unterscheidung zwischen Position und positionsrelevantem Aspekt ist hier nicht nötig. Charakteristika sind nicht zu berücksichtigen. Somit ist die normative Position gleich der verteilungspolitischen Maßnahme und zudem gleich dem Transfer STIPI: t VP4 a i

= tP4a.n = t y4aj n -> tSTlPl. = g(t(STERF, E10PROZ).(n).

(23-IVa)

Sowohl bei STERF als auch bei E10PROZ handelt es sich um (0,1)-Variablen, wobei im Falle von STERF = 0 und/oder E10PROZ = 0 güt: t SnPl.

=0

(77)

und andernfalls 5 Dies kann als Bezugsgröße des Anspruchs aufgefaßt werden; da aber das StudFG im Bereich der Begabtenförderung nur eine Höhe kennt, seien diese Kriterien des Bezugs als subjektbezogene Charakteristika aufgefaßt. 6 Gemäß § 27(1) StudFG. 7 Zur genauen Festlegung siehe § 1 StudFG. 8 Vgl. § 27(2) bis (4) StudFG. Ist die Zahl der Ansuchen, die diese Voraussetzung erfüllen, höher als die Zahl der gemäß einem Schlüssel der jeweiligen Ausbildungseinrichtung zugewiesenen Stipendien, so wird eine Reihung gemäß § 27(5) vorgenommen. 9 Gemäß § 29 StudFG.

IV. Ausbildungsförderung

jStipI. = 6000 ÖS .

217

(77)

Nach der Betrachtung der Begabtenförderung beziehen wir uns im folgenden ausschließlich auf Sozialstipendien, also diejenigen Ausbildungsförderungsmaßnahmen, die den BEDARFsaspekt einbeziehen.

2. Die bedarfsbezogene Ausbildungsförderung

In diesem Fall der Ausbildungsförderung ist hinsichtlich des Subjektbegriffs zwischen Verpflichteten und Berechtigten zu unterscheiden. Verpflichtet sind nach beiden Gesetzen neben den Berechtigten selbst lediglich Eltern und Ehepartner der Berechtigten: 10 iv4b -> S-T 1,11,VI,VII,IND . Berechtigt sind inländische Studierende sowie in der Bundesrepublik ausnahmsweise auch ausländische Studierende.11 In beiden Ländern besteht eine Altersgrenze für den Studienbeginn: gemäß BAföG liegt diese bei 30 Jahren (wobei eine Reihe von Ausnahmen zugelassen sind 12 ), gemäß StudFG bei 35. 13 Es gilt also auch in diesem Bereich grundsätzlich (in dem hier spezifizierten Sinne):14 ib4b -> IND. Der Zeitaspekt bezieht sich in beiden Ländern auf das Studienjahr; Änderungen in den relevanten Größen, die während eines Studienjahres eintreten, werden aber berücksichtigt. Gemäß § 11 BAföG wird die Ausbildungsförderung für "den Lebensunterhalt und die Ausbildung" geleistet. Da die direkten Kosten der Ausbildung zu einem Großteil in Form öffentlicher Güter kostenlos zur Verfügung gestellt werden 15 und - wie wir gesehen haben - der Unterhaltsbegriff des bürgerlichen Rechts die Ausbildung schon enthält, ist im Normalfall, in dem keine Stipendienberechtigung besteht, die Position nicht besonders zu spezifizieren. Für den Fall aber, daß der allgemeine Unterhalt nicht ausreicht und eine Stipendienberechtigung entsteht, werden durch die einschlägigen 10 11 12

Vgl. §§ 24 ff BAföG und § 13 StudFG. In den Fällen des § 8 BAföG. Vgl. § 10 BAföG.

13 Vgl. § 2 StudFG. Darüber hinaus darf die Erlangung der Hochschulreife nicht länger als 10 Jahre zurückliegen. Zur Ausnahmeregelung siehe § 2(2). 14 Es wäre auch möglich, die Altersgrenze - anstatt sie in die Subjekt-Definition einzubeziehen - als subjektbezogenes Charakteristikum in Form einer (0,1)-Variablen zu formulieren. 15 Auf diese Objektförderung wird hier nicht näher eingegangen.

D. Ausgewählte Maßnahmen

218

Gesetze gesonderte Positionsbegriffe ermittelt. Deshalb sei der normative Positionsbegriff zur Unterscheidung von UH (dem Unterhaltsbegriff des bürgerlichen Rechts) und L u (dem des Sozialhilferechts) mit A u (Ausbildungsunterhalt) bezeichnet: tP4tx

-> t Au. b , 1 6

Im Unterschied zur Wohnförderung ist hier der gesamte Unterhalt relevant und nicht etwa ein für die Ausbildung nötiger Anteil. Dies wird dem Umstand gerecht, daß wegen des Zeitbedarfs der Ausbildung gleichzeitig insbesondere kein eigenes Arbeitsleistungseinkommen erworben werden kann, das den Unterhalt decken könnte. Monetärer positionsrelevanter Aspekt ist eine Einkommensgröße (E4): TY4BJ

->

TE4.B.

Der normative Ausbildungsunterhalt kann als kritischer Wert einer Armutsgrenze interpretiert werden, der als Ausbildungsbedarf γΑΒ; § 12 BAföG spricht vom monatlichen Bedarf) bezeichnet sei und abhängig ist vom Schul- oder Universitätstyp (SCHULE) und davon, ob die Studierenden gemeinsam mit ihren Unterhaltsverpflichteten leben (WOHNF). Beides können wir als subjektbezogene Charakteristika des Zusammenhangs zwischen y und Ρ identifizieren: sie beeinflussen das Einkommen, das für einen bestimmten Lebensunterhalt nötig ist: tAu.b

(a)

= t A u . b ( a ) ( t A B i b ( a ) ; SCHULD WOHNF) . 1 7

(23-Vb)

Gemäß § 13 StudFG kann der sog. Grundbedarf als Armutsgrenze t AB. betrachtet werden, der vom Familienstand abhängig ist und davon, ob die Berechtigten Waisen oder behindert sind, ob er bzw. sie "sich vor Aufnahme des Studiums durch vier Jahre zur Gänze selbst erhalten hat" 18 , ob wegen des Studiums der Aufenthaltsort gewechselt werden mußte und ob nicht mindestens ein Eltern-, Wahleltern- oder Schwiegerelternteil im gleichen Haushalt lebt. 19 Diesem Grundbedarf wäre auf der Ebene des Positionsbegriffes - wenn auch nicht im StudFG direkt abzulesen, so doch sachlogisch abzuleiten - der minimale Lebensunterhalt während der Ausbildung ( t A U . b ( a ) ) zuzuordnen. Positiv entspricht der positionsrelevante Aspekt dem steuerlichen Einkommen 20 , 21 wobei neben dem eigenen Einkommen ( E4. b ®) die Unter16 17 18

Hier wie dort handelt es sich um Capability-Größen. Zusatzleistungen sind in den im § 14a BAföG genannten Fällen möglich. §13(2)b).

19

Einige dieser Gründe führen zu einer kumulativen Erhöhung des Grundbetrages, andere nicht. 20 Vgl. für das StudFG Binder (o J., S. 193).

IV. Ausbildungsförderung

219

haltszahlungen der Eltern bzw. des Ehepartners, d.h. gemäß der Festlegung des Ausbildungsförderungsrechts deren eine bestimmte Grenze überschreitendes Einkommen, ( t E 4 i v ^ ) , relevant sind.22 Wir können somit (27) und (30) folgendermaßen spezifizieren, ohne zunächst auf die Bezugsgröße einzugehen: t AF2. b

= tAu. b

( T A B . B W ; SCHULE; WOHNF) - t A u I B G » ( T E 4 . B ^ ,

und tSnP2;

= t AB ib (") - tE4.bÖ»).

(30-IV)

. . . . Ol Als "Voraussetzungen für die Gewährung einer Studienbeihilfe" nennt das StudFG soziale Bedürftigkeit und günstigen Studienerfolg; im BAföG sind in diesem Zusammenhang lediglich "entsprechende Studienfortschritte" 24 genannt, während Bedürftigkeitsgesichtspunkte im Zusammenhang mit dem Umfang der Leistungen zum Tragen kommen (Anrechnung 25 ). Die Bedürftigkeit wird bereits durch die Festlegung der Armutsgrenze berücksichtigt. Die Eignung hinsichtlich des Studienerfolgs stellt dagegen eine Bezugsgröße dar, die auf die LEISTUNG abstellt und den Anspruch auf den Transfer näher bestimmt. Bei den in § 13 StudFG genannten Gründen für einen höheren Grundbetrag - insbesondere im Falle des getrennten Haushalts und der Behinderung, aber auch dann, wenn Unterhaltsleistungen nicht erfolgen (Waisen) oder auf Grund des StudFG nicht erfolgen müssen (vier Jahre "Selbsterhalt") - handelt es sich um Charakteristika, die bei einem gegebenen geforderten Lebensunterhalt einen höheren Betrag an monetären Mitteln bedingen. Eine Zusammenfassung der Ausbildungsförderung des Studiums in den betrachteten Ländern ist aus der Übersicht 15 abzulesen, wobei allerdings im Falle Österreichs lediglich die bedarfsbezogene Form berücksichtigt ist.

21

Die Einkommensdefinition findet sich in § 21 BAföG. Auch nach dem StudFG verringert sich das Stipendium um eigene Einkommen (wobei ein Freibetrag von 13 000 öS gewährt wird), um zumutbare Unterhaltsleistungen des Ehegatten bzw. der Eltern sowie um andere Stipendien. 22 Sowohl auf Seiten der Berechtigten als auch auf Seiten der verpflichteten Familienangehörigen kommen eine Reihe von Freibeträgen zum Tragen. Das StudFG beschränkt sich darauf, direkt die Höhe der Förderung zu nennen. Davon ist aber die ebenfalls in monetären Einheiten angegebene Unterhaltsleistung der Eltern abzuziehen, was auf einen dahinterstehenden Positionsbegriff verweist, der dem Lebensunterhalt analog ist. Vgl. § 13 StudFG. 23 24 25

§2 StudFG. Vgl. §9 BAföG. Siehe § 11 BAföG.

TR4a/b

Steuer-Transfer· Funktion

SCHULE

1 Studienjahr

StudFG),

STERF

WOHNF

>0

INLSTUD

IND

IND

tSnpl.

Begabtenförderung

1 Studienjahr

StudFG)

STERF/EIOPROZ



0 ÖS

6000 ÖS

0 ÖS

6000 ÖS

tE5a.

> 0

(§27

tSnpl.

Übersicht 15: Darstellung der Ausbildungsförderung im ABR

a) Charakteristika des Anspruchs

INLSTUD (§ 27

Legende:

1 Studienjahr

INLSTUD

dito: § 13 StudFG

t4a/b

x4a/b

S-TI, II, VI, VII, IND

IND

»

B4. =

(ρ) {ΑΒ.

(n) tAn.

tAui^

tL4.

implizit

Österreich

implizit

>0

(n) tAu.

> 0

{AF.

tAu.

t$np2.

Zeitaspekt

Charakteristika

iv4a/b

LA. » STERF

N4a/bn

Bezugsgröße (Anspruch)

Subjekt-Typ

WOHNF

B4. «

M4a/bn

Bezugsgröße (Höhe)

IND

t^i^

y4a/bp

positionsrelevanter Aspekt (positiv)

ib4a/b

(π) (ΑΒ.

y4a/bn

positionsrelevanter Aspekt (normativ)

Subjekt-Typ

tAui^

P4a/bP

Wert der Position (positiv)

1

(n) tAu.

implizit

implizit

P4a/bn

tAu.

STIP2. > 0

AF > 0

Bundesrepublik Deutschland

Wert der Position (normativ)

Positionsbegriff P4a/b

Vp4a/b

Verteilungspolitische Maßnahme

Bemerkung

220 D. Ausgewählte Maßnahmen

V. Sozialversicherung bei Arbeitslosigkeit

221

V. Sozialversicherung bei Arbeitslosigkeit In diesem Kapitel werden als Beispiel für staatliche Sozialversicherungsmaßnahmen diejenigen Leistungen (und die dazugehörigen Beiträge) dargestellt, die auf solche Fälle unfreiwilliger Arbeitslosigkeit abstellen, die nicht krankheits-, Unfalls- oder altersbedingt sind. Diese sind in der Bundesrepublik 1 im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sowie in Österreich 2 im Arbeitslosen3 versicherungsgesetz (A1VG) in Verbindung mit der Notstandshilfeverordnung (Notstandshilfe-VO) geregelt, wobei neben der Sicherung bei Arbeitslosigkeit insbesondere auch die hier nicht näher behandelte Sicherung vor Arbeitslosigkeit 4 zu beachten ist. Da diese Maßnahmen im Rahmen der ökonomischen sozialpolitischen Literatur bereits relativ ausführlich behandelt sind, ist in diesem Kapitel - wie auch im nächsten - lediglich eine formale Darstellung im ABR vonnöten. Als Versicherungsverhältnis ist die verteilungspolitische Maßnahme Arbeitslosenversicherung (Av) vollständig nur in einem Mehrperiodenmodell zu beschreiben. In einer Einperiodenbetrachtung lassen sich Beitrags- und Leistungsseite lediglich nebeneinander stellen, ohne einen sinnvollen Vergleich zuzulassen. Allerdings ist diese kurzfristige Sichtweise schon allein deshalb nicht zu vernachlässigen, weil die Beiträge und Leistungen der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit den anderen kurzfristig wirkenden Elementen der Verteilungspolitik gesehen werden müssen, wenn wir die interpersonellen Umverteilungswirkungen des gesamten Verteilungssystems einer Periode betrachten. Diese Unterschiede zwischen kurz- und langfristiger Betrachtung sollen einleitend (1.) verdeutlicht werden, bevor (2.) auf den Subjektbegriff und den Zeitaspekt, (3.) auf den Positionsbegriff und den positionsrelevanten Aspekt sowie (4.) auf die relevanten Bezugsgrößen und die subjektbezogenen Charakteristika eingegangen wird. Den Abschluß dieses Kapitels bilden (5.) eine Zusammenfassung im Hinblick auf die Relativität des dem Arbeitslosenversicherungsrecht zugrundeliegenden Ungerechtigkeitskonzepts sowie einige Hinweise auf die Berücksichtigung der Entscheidungs1

Vgl. dazu Bundesminister (1986), Bäcker et al. (1989a, S. 236 ff.), Petersen (1989a, S. 217 ff.). 2 Vgl. dazu Tomandl (1989, S. 214 ff. in Verbindung mit S. 59 ff.; das Arbeitslosenversicherungsverhältnis knüpft eng an die gesetzliche Krankenversicherung an, vgl. S. 214), Binder (oJ., S. 156 ff.), Binder/Ruppe (oJ., S. 263 ff.). 3

Dieses nimmt dabei häufig Bezug auf das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG). Vgl. etwa für die Bundesrepublik Deutschland Bruck (1981, S. 92 ff.). In Österreich ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) und das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) von Bedeutung. 4

D. Ausgewählte Maßnahmen

222

freiheit sowohl in einer kurzfristigen als auch in einer langfristigen Sichtweise, wobei die wichtigsten Aussagen in den Übersichten 16 bis 18 zusammengefaßt sind. 1. Die Steuer- und die Transferseite der Arbeitslosenversicherung

Im Falle einer langfristigen (Lebenszeit-)Betrachtung sei die verteilungspolitische Maßnahme mit t ALV. bezeichnet: T

VP5I->TALVR

Das Vorzeichen des dazugehörigen Transfers ist a priori unbestimmt. In einer kurzfristigen Sicht ist hinsichtlich der Steuer-/Transferfunktion zwischen den Beiträgen, die - im Sinne des ABR - Steuercharakter haben, und den Transfers zu unterscheiden, die im Falle der Arbeitslosigkeit gezahlt werden. Die (1) Beiträge seien im ABR mit tALB. bezeichnet:5 TTR5AJ

->

T ALB.

< 0 .

In beiden Ländern gibt es zwei Arten von Transfers, die gleichzeitig zwei Ebenen des sozialen Netzes darstellen, nämlich das (2) Arbeitslosengeld6 QALGj), tTR5bj

-> t ALGj > 0 ,

7

R

Q

und die (3) Arbeitslosen- oder Notstandshilfe ( ALHI.), t TR5c.

- > tALHl. > 0 ,

wobei letztere nur bedingt als Soûalversicherungsleistung angesehen werden kann, weil sie zwar vom Anlaß her an vorhergehende Beitragszahlungen anknüpft, aber aus allgemeinen Steuermitteln finanziert wird. Den drei Steuer- bzw. Transferfunktionen stehen auf der Ebene des Positionsbegriffs

5

Siehe die §§ 167 ff. AFG und 60 ff. A1VG.

6

Siehe die §§ 7 ff. A1VG und 100 AFG.

7

Siehe die §§134 ff. AFG.

8

Siehe §§ 33 ff. A1VG.

9

Darüber hinaus ist im A1VG noch das Karenzurlaubsgeld und die Sondernotstandshilfe für alleinstehende Mütter geregelt, die auf einen besonderen Tatbestand der Anstrengung Bezug nimmt, nämlich eine Einschränkung der "Leistungsmöglichkeiten" wegen Kindererziehung, worauf hier allerdings nicht näher eingegangen werden soll. 10 Siehe § 188 AFG; vgl. dazu Winterstein (1980, S. 91). Bäcker et al. (1989a, S. 239) sprechen vom Zwittercharakter der Arbeitslosenhilfe.

V. Sozialversicherung bei Arbeitslosigkeit

223

formal die entsprechenden verteilungspolitischen Maßnahmen gegenüber, die mit t V P 5 a r > t ALB.

t ALUL > 0

tVP5c

-> tALU2. > 0

und

bezeichnet seien. 2. Zeitaspekt und Subjektbegriff In kurzfristiger Betrachtung sind die normativen Größen hinsichtlich des Zeitaspekts einer laufenden Betrachtung unterzogen. Grundsätzlich beziehen sich die entsprechenden Größen auf Monate, wobei aber am Beginn oder am Ende der Beitragspflicht bzw. eines Anspruchs innerhalb eines Monats eine entsprechende anteilsmäßige Berechnung erfolgt. 12 Eine längerfristige (Lebenszeit-)Betrachtung der verteilungspolitischen Maßnahme Arbeitslosenversicherung aus der Sicht eines Subjekts kann sowohl Beitragsais auch Transferzeiten umfassen. Für einen gegebenen Zeitpunkt schließen Beitragsleistung und Transferzahlung einander aus. Andere aus dem Sozialversicherungsrecht abzuleitende Zeiträume, wie etwa Beitragszahlungs-, Anwartschafts- und Bezugszeiträume sind als anspruchsbegründende Bezugsgrößen 13 und nicht als relevanter Zeitaspekt anzusehen. Relevant für die Festlegung des Subjekts ist in der Aktivphase die gesetzlich festgelegte Beitragspflicht (ggf. auch die Möglichkeit zur freiwilligen Beitragszahlung),14 in der Phase der Arbeitslosigkeit die Leistungsberechtigung, die sich letzten Endes aus der früheren Beitragspflicht ergibt; das 11 Wegen der Identität von Positionsbegriff und Begriff des positionsrelevanten Aspekts (siehe unten D.V.3.) sind im Falle des Beitrags die Spezifikation des Transfers und der verteilungspolitischen Maßnahme identisch.

12

Auf eine laufende Betrachtung weist etwa der § 114 AFG hin: "Das Arbeitslosengeld wird für sechs Wochentage gewährt. Auf jeden Tag entfällt ein Sechstel des wöchentlichen Arbeitslosengeldes." 13 Siehe unten D.V.4. 14 Diese trifft insbesondere Arbeitnehmer (österreichische Formulierung: "Dienstnehmer") und Auszubildende (Östereich: "Lehrlinge"), soweit sie nicht versicherungsfrei sind. Zur Versicherungspflicht siehe die §§ 168 ff. AFG, 1 ff. A1VG. Vgl. dazu Brück (1981, S. 253 f.), Winterstein (1980, S. 93) sowie Tomandl (1989, S. 215,59 ff.). "Die ... Abgrenzungen sind nicht nur legistisch in den §§ 5 bis 8 überaus unübersichtlich vorgenommen worden, sondern entbehren bei Selbständigen oft einer überzeugenden Begründung." (Tomandl, 1989, S. 61).

224

D. Ausgewählte Maßnahmen

Subjekt des Arbeitslosenversicherungsrechts ist somit in beiden Fällen als Individuum zu spezifizieren: I 5 - > IND .

Dies gilt gleichzeitig für die Verpflichtung und die Berechtigung, allerdings mit Ausnahme der Notstands- bzw. Arbeitslosenhilfe: Hier sind insbesondere Angehörige der Berechtigten insofern mitverpflichtet, als dabei auf eine Notlage auf seiten der Berechtigten abgestellt wird: iv5c - > FAMILIE / HAUSHALT. 15

Weitere Einschränkungen ergeben sich aus der Mischfinanzierung der Arbeitslosenversicherung durch Arbeitnehmer, Arbeitgeber und allgemeine Steuermittel, worauf hier nicht näher eingegangen werden soll. 16 3· Position und positionsrelevanter Aspekt (1) Der Positionsbegriff der Beitragszahlung ist gleichzeitig der positionsrelevante Aspekt y den wir mit t E5a i bezeichnen: tP5a.

= ty5ai -> t E5a .

Ein Rückschluß auf nicht-monetäre Positionsbegriffe, wie etwa Capability(Unterhalts-)Größen, ist hinsichtlich der Beiträge aus dem Arbeitslosenversicherungsrecht nicht abzuleiten. Als konkreter Wert der positiven Position (E5a®) kann die Beitrags(bemessungs)grundlage gesehen werden, die damit indirekt auch den Positionsbegriff festlegt. In Österreich ist diese Beitragsgrundlage gleich derjenigen der Krankenversicherung im ASVG, 17 die in ihrem Hauptbestandteil, dem Entgelt,18 weitgehend mit dem steuerrechtlichen Begriff der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit korrespondiert. 19 Die entsprechende Größe in der Bundesrepublik ist die Beitragsbemessungsgrundlage der Rentenversicherung. 20 Wir haben es somit - isoliert 15 Die genaue Festlegung des verpflichteten Subjekts im Bereich der Arbeitslosenhilfe ist derzeit umstritten und beschäftigt einschlägige Gerichte. 16

Siehe die §§ 167 AFG und 60 A1VG. Zur Diskussion um den Arbeitgeberbeitrag vgl. etwa Bussmann (1983), Mackscheidt (1983), Rürup (1983). 17 In Österreich besteht gemäß § 4 ASVG i.d.R. Vollversicherung, d.h. Pensionsversicherung, Krankenversicherung und Unfallversicherung. 18 Siehe §49 ASVG. Daneben gehen gemäß den §§ 44 und 54 ASVG bestimmte Ausbildungsbezüge, selbständige Erwerbseinkommen und Sonderzahlungen in die Bemessungsgrundlage ein; vgl. dazu Tomandl (1989, S. 73 f.). 19

Vgl. Tomandl (1989, S. 72). Zu den Unterschieden hinsichtlich der Ausnahmebestimmungen vgl. ebd. 20 Siehe den §175 AFG.

V. Sozialversicherung bei Arbeitslosigkeit

225

betrachtet - mit einer proportionalen Steuer von der Bemessungsgrundlage .E5aj mit einem Beitragssatz (ABS) von 4,4 % 2 1 bzw. 4,25 % 2 2 (der jeweils anteilig von Versicherten und Arbeitgebern gemeinsam getragen wird) zu tun, t ALB.

= ABS . tE52L{ ,

t ALB.

= t E5a^ n ) - χ Έ 5 ^

(78)

woraus sich mit (27-Va)

der konkrete Wert der normativen Position ergibt, t E5ag

(ll)

=

- ABS . ^ a ® = (1-ABS) .

,23

(23-Va)

allerdings nur bis zur Arbeitslosenversicherungs-Beitragsbemessungs(ober)grenze (ABBG), die in der Bundesrepublik 6100 DM, in Österreich 28 200 öS beträgt. 24 Oberhalb dieser Grenze gilt (27-Va) für t E5aj

(n)

= | E 5 a i ( p ) - ABS . ABBG .

(27-Va')

Positionsbegriff der Transfers ist in beiden Fällen das Verhältnis zwischen Arbeitsloseneinkommen ( t E5b/ n ^ bzw. t E5c.^) und Aktiveinkommen ( t 1 AE5 i ), das mit t VEA5 i (für: Verhältnis zwischen Einkommen und Aktiveinkommen) bezeichnet sei. Dieser Positionsbegriff drückt die Zielvariable einer Konstanz des Nettoeinkommens aus. (2) Für das Arbeitslosengeld läßt sich schreiben: (P5bj

-> t VEA5b i = ( , Ε Λ / ^ Α Ε ^ ) .

(3) Analog dazu ist die Arbeitslosen- bzw. Notstandshilfe folgendermaßen spezifiziert: tP5Cj

-> tVEA5Cj = QESc/^AES) .

Die jeweils normativen Verhältnisse lassen sich aus dem AFG direkt ableiten*^ während sie im A1VG lediglich implizit enthalten sind. Das Verhältnis und Aktivt V E A 5 b ^ zwischen Arbeitslosen- (d.h. Transfer-)cinkommcn einkommen beträgt normativ beim Arbeitslosengeld nach dem AFG 68 bzw.

21

Vgl. Tomandl (1989, S. 216). Vgl. Petersen (1989a, S. 218). Der Beitrag beträgt § 174(1) AFG 4,3 % und kann gemäß § 174(2) AFG auf dem Verordnungsweg gesenkt werden. 22

23 24 25

Indirekt leitet sich daraus die Kompatibilität der Positionsbegriffe ab. Vgl. Bäcker et al. (1989a, S. 262), Tomandl (1989, S. 74). Siehe die §§ 111(1) (Arbeitslosengeld) sowie 136 AFG (Arbeitslosenhilfe).

D. Ausgewählte Maßnahmen

226 Λ/

63 und sinkt gemäß A1VG von 62,3 % mit steigendem Arbeitsverdienst27. Daraus ergibt sich für den Transfer auf dieser Ebene tV?5b {

-> t ALUL = t VEA5b i ( n ) - t VEA5b i ( p )

(27-Vb)

bzw. = t E5b/ n > / M A E . - tE5bG» / T L A E . . (27-Vb') •. Ofi . , Darüber hinaus werden Familienzuschläge gezahlt. Positiv ist der Wert der Position im Falle des Arbeitslosengeldes gleich null zu setzen, weil dem normativen Einkommen kein anrechenbares Einkommen gegenübersteht: Der Begriff des positionsrelevanten Aspekts ist nämlich eine Einkommensgröße und dessen normative Höhe das verfügbare Einkommen das sich aus dem normativ gesetzten Verhältnis t V E A 5 ^ ergibt; aie positive Höhe ist gleich null. Daraus ergibt sich auf der Ebene des Positionsbegriffs: TALUL

t ALUL

= t VEA5b i ( n ) - 0 = ^ ^ / ^ A E S .

(27-Vb")

sowie auf der Ebene des positionsrelevanten Aspekts TR5b. -> ALG. = VEA5b. ( n ) . # -AE. - .VEA5b.^ . , 1 AE. t

i

t

i t

ι

bzw. tALa

t-1

ι

t

ι

t-1

ι

= t E5b. ( n ) (- 0) .

(30-Vb) v

7

(30-Vb')

4. Bezugsgröße und subjektbezogene Charakteristika

(1) Im Falle des Beitrags wird - wie wir gesehen haben - keine Bezugsgröße benötigt, weshalb wir es mit einer rein statistischen Spezifikation von Norm und Realität zu tun haben.29 Anders geartet ist der entsprechende Sachverhalt im Falle der Arbeitslosenversicherungstransfers. (2) Auf Seiten der Transfers kann das Aktiveinkommen t . 1 AE. sowohl normativ als auch positiv als Bezugsgröße aufgefaßt werden. Dieses ist das Bemessungsentgelt gemäß § 112 AFG bzw. in Österreich das Entgelt gemäß § 49 ASVG. 30 Dabei bleiben insbesondere Sonderzahlungen und Mehrarbeitszuschläge sowie Überstundenverdienste außer Betracht. 26 Siehe § 111(1) AFG; die höhere Zahl ergibt sich unter bestimmten Voraussetzungen für Versicherte mit Kindern. 27 Siehe § 21A1VG.

28

In Osterreich sind die Familienzuschläge auf eine Gesamthöhe des ArbeitslosigkeitsAktiveinkommens-Verhältnisses VEA von 80 % beschränkt. 29 Zur Beitragspflicht siehe oben D.V.2. 30 Vgl. § 21(1) A1VG.

V. Sozialversicherung bei Arbeitslosigkeit

227

Als anspruchsbegründende Bezugsgrößen können gemäß § 7 A1VG die Arbeitsfähigkeit 31, die Arbeitswilligkeit 32, die Arbeitslosigkeit 33, die Anwartschaft 34 und die Bezugsdauer angesehen werden, 36 die analog zur Vorgehensweise im Bürgerlichen Recht und im Sozialhilferecht als (0,1)Variablen zu spezifizieren sind, so daß für den Fall, daß kein Anspruch besteht, die normative Position gleich der positiven gesetzt wird. Die ersten drei können als ANSTRENGUNGsgrößen (A5) aufgefaßt werden, letztere als 37 LEISTUNGsgrößen (L5). Die Bezugsdauer steht dabei bis zur Höchstdauer, die wiederum altersabhängig ist, 38 im Verhältnis zur Anwartschaft. 39 Subjektbezogenes Charakteristikum der Höhe ist die Familiengröße (FAMGR5B), die durch einen absoluten Zuschlag pro zuschlagsberechtigter Person, für die der Berechtigte wesentlich beiträgt. 40 Der Bezug ist antragsgebunden,41 was als anspruchsbegründende Charakteristik angesehen werden kann. (3) Die Arbeitslosenhilfe wie auch die Notstandshilfe knüpfen an das Arbeitslosengeld an, wenn der Anspruch darauf erschöpft ist. Anspruchsbegründende subjektbezogene Charakteristika der Notstandshilfe sind daher zunächst direkt von denjenigen des Arbeitslosengeldes abzuleiten. Darüber hinaus ist gemäß den §§ 33 A1VG bzw. 138 AFG eine Notlage bzw. Bedürftigkeit sowie in Österreich auch die österreichische Staatsbürgerschaft erforderlich.

5. Zusammengefaßte Darstellung in kurz- und längerfristiger Sicht: Relativität und Entscheidungsfreiheit im Rahmen der Sozialversicherung

Da Beiträge und Transfers bei einem Subjekt nicht gleichzeitig auftreten, ist im kurzfristigen interpersonellen Vergleich auch die getrennte Darstellung der beiden Seiten von Bedeutung, deren Aussagen in den Übersichten 16 bis 18 zusammengefaßt sind, die die Beitragsseite, das Arbeitslosengeld und die 31 32 33 34 35 36 37

Siehe § 8 A1VG. Siehe die §§ 9 ff. A1VG. Siehe die §§12 ff. A1VG. Siehe die §§14 ff. A1VG. Siehe die §§ 17 ff. A1VG. Siehe außerdem die §§ 22 A1VG. Ähnliches gilt gemäß §§ 100 ff. AFG für die Bundesrepublik.

38 39 40 41

Darin sind wieder y4ftrtreftgu/igsgesichtspunkte zu erkennen. Vgl. Bäcker et al. (1989a, S. 237). Vgl. § 20 A1VG. Vgl. Petersen (1989a, S. 220).

228

D. Ausgewählte Maßnahmen

Notstands- bzw. Arbeitslosenhilfe beschreiben. Weitgehende Einheitlichkeit besteht zunächst hinsichtlich des Subjektbegriffs, wo mit einer Ausnahme immer das Individuum berechtigt und verpflichtet ist. Die Ausnahme betrifft die Verpflichtungsseite im Rahmen der Arbeitslosenhilfe, die wegen der Bezugnahme auf eine Notlage auf die FAMILIE bzw. den HAUSHALT der Arbeitslosen abstellt; hinsichtlich des Zeitaspekts kann in allen Fällen eine große Zeitnähe (laufende Betrachtung) festgestellt werden. Bei der Spezifikation des Positionsbegriffs unterscheiden sich Beiträge und Leistungen insofern, als im einen Fall das Einkommen und im anderen Fall das Verhältnis von Transfereinkommen und Aktiveinkommen den Positionsbegriff bilden. Aus letzterem ergibt sich das Relativitätskonzept dieses Maßnahmenkomplexes, was auch daran ersichtlich ist, daß das Arbeitslosenversicherungsrecht in erster Linie LEISTUNGs-, in zweiter Linie ANSTRENGUNGs- und im Falle der Arbeitslosen- bzw. Notstandshilfe zusätzlich BEDARFsorientiert ist: Es handelt sich langfristig um ein relatives Armutskonzept, das die Aufrechterhaltung der Einkommenssituation des versicherten Subjekts im Zeitablauf betont. Kurzfristig können die Transfers der Arbeitslosenversicherung, aber auch als Instrument zu einer Aufrechterhaltung eines bestimmten "Platzes" in der Gesellschaft - und somit gleichheitsrelevant - gesehen werden. Langfristig muß die intrapersonelle Verteilungswirkimg in einer Lebensbetrachtung oder jedenfalls in einer Betrachtung, die Leistungs- und Beitragszeiten einschließt, analysiert werden, was sich statistisch in der Inter-Kohorten-Verteilung ausdrückt. Da in dieser Arbeit auf eine eingehende Diskussion des Versicherungsprinzips verzichtet wurde, kann die zusammengefaßte Darstellung von Beitrags- und Transferseite nur rudimentäre Ergebnisse liefern. Diese zusammengefaßte verteilungspolitische Maßnahme kann in einer Lebenseinkommenssicht interpretiert werden, 42 wobei - gemäß dem im theoretischen Teil diskutierten Konzept - die Frage unberücksichtigt bleibt, warum diese Maßnahme als staatliche Pflichtversicherung bzw. warum sie überhaupt als Versicherung ausgestaltet ist und ob nicht freiwilliges Sparen ausreichen würde. Mit der Pflichtversicherung ist eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit insofern verbunden, als sich Subjekte in ihrer Lebensplanung anders entscheiden und vielleicht längere Zeiten der Arbeitslosigkeit bei geringerem Einkommen in Kauf nehmen würden. Andererseits ist der Wert (Nutzen) der mit der Versicherung verbundenen Sicherheit selbst in die Betrachtung einzubeziehen.

42

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß es sich bei dem weitgehenden Verzicht auf die Darstellung des längerfristigen (ver)sicherungstheoretischen Aspekts um keinen grundsätzlichen Mangel des ABR handelt, sondern um eine Vereinfachung, die im Rahmen dieser Arbeit aufgrund einer anderen Schwerpunktsetzung getroffen wurde.

a)

IND

U.^

laufende Betrachtung (Monat)

(n) tESa.

(implizit)

- (Ι-Ακ^Εδβ.^

(implizit,ft 60(2))

(implizit,ft 60(2))

laufende Betrachtung (Monat)

IND

(ft 1 AIVG: Umfang der Versicherung)

(5 61(1) AIVG -> 5 45 f. ASVG)

(ft 168: Beitragspflicht) t^ib^ 1 (5169: Beitragsfreiheit)

jESa.^

(ft 174 AFG)

tE5a.

JALB. < 0

^ALB. < 0

(ft 61(1) AIVG)

Österreich

Übersicht 16: Darstellung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im ABR

gleichzeitig positionsrelevanter Aspekt b) zu Beachten: Höchstbeitragsgrundlage (§ 45 ASVG) bzw. Höchstbemessungsgrundlage

t5a

Zeitaspekt

Legende:

i5a

N5an

(n) tE5a.

(implizit)

= (l-ABS^ESa.^

(implizit,ft 167)

(implizit,} 167)

0

tB5b.

(n)

(n) MAE5b.

(implizit)

0

(δ 20(2) AIVG: Familienzuschläge)

(δ 49 ASVG)

0

(δ 21A1VG)

b)

(implizit)

(J 21(3): bis zu 62,3%;)

tVEAb.

(implizit)

(n) tE5b.

tVEAb.

(n)

^AlG. > 0

JALUI. > 0

Österreich

laufende Betrachtung (Tage)

FAMGR

IND

Monat

FAMGR

(δ 100 AFG: Anwartschaft etc., (δ 7 AIVG: Arbeitsfähigkeit, Anwartschaft, tLSb. 1 Bezugsdauer) Bezugsdauer) (δ 100 AFG: Verfügbarkeit) (δ 7 AIVG: Arbeitswille) tA5bj tA5b.

Familenzuschläge

(n) t 1AE5b.

0

(n) tE5b.

tB5bj

IND

L5b.

y5bp

0

tVEAb.

(n)

tVEAbi

(implizit)

tALÜl·

Bundesrepublik Deutschland

Übersicht 17: Darstellung des Arbeitslosengeldes im ABR

Ausgenommen unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5(2) ASVG) b) mit Zuschlägen max. 80%

t5b

Zeitaspekt

Legende:

xSb

Charakteristika

a)

i5b

Bezugsgröße (Anspruch)

N5b

M5bn

y5bn

n

(Höhe)

BezugsgröBc

positionsrelevantcr Aspekt (positiv)

positionsielevanter Aspekt (normativ)

Wert der Position P5bp a) (positiv)

Wert der Position (normativ)

P5b

Poeitionsbegriff

n

TR5b ^AlG. > 0

Vr5b

Steuer-TransferFunktion

VerteilungFpolitische MaBnahme

Bemerkung

230 D. Ausgewählte Maßnahmen

>0

Legende:

Zeitaspekt

Subjekt-Typ

t5c

jB5c , E 6 i ( n )

gegenüberzustellen ist, woraus sich die verteilungspolitische Maßnahme (Steuerfunktion) als Differenz t VP6 i

= tTR6 i -> t ET. = t E6. ( l l ) - t E 6 i ( p )

(27-VI)

ableiten läßt. In dieser Interpretation sind aber die einzelnen Bestimmungen der Einkommensteuergesetze im ABR nicht sinnvoll darzustellen, weil sie die Tarifregelung 6 mit der Abzugsbetragsregelung 7 vermischt. Um diese Regelungen im ABR getrennt voneinander zu berücksichtien, muß das zu versteuernde Einkommen 8 (die Bemessungsgrundlage der tariflichen Einkommensteuer) explizit dargestellt werden, das ebenfalls - mit gewissen Einschränkungen - als positive Größe angesehen werden kann, die mit p t E6 i ^ ) bezeichnet sei: tr6*->

tB6W.

p

Wird t E6^ ) einerseits durch das Anlegen eines Steuertarifs um den Steuerbetrag ET verringert, andererseits aber um die nicht zu versteuernden Einkommensteile (Einkommensteuer-Abzugsbeträge; EA) erhöht, so ergibt sich wieder das verfügbare Einkommen tE6An^ als normative Position : TE6J

(N)

=

T

E6W +

T ET.

+

T EA.

?

(79)

Um die Trennung von Tarif- und Abzugsregelungen im ABR zu berücksichtigen, ist ein dreistufiges Vorgehen denkbar, dessen Teilergebnisse allerdings sehr vorsichtig und nur im Zusammenhang mit der Totalbetrachtung (27-VI) zu interpretieren sind: Auf der ersten Stufe wird dabei die 4

Siehe die §§ 2(3) in beiden EStGen. In einer weiteren Sicht könnten dem alle Einnahmen vorangestellt werden, um so schon eine Begründung für den Abzug der Werbungskosten zu liefern. Darauf soll aber im weiteren verzichtet werden. 5

Je nach Einkunftsart erfolgt die Ermittlung der Einkünfte als Gewinn (siehe die §§ 4 ff. EStG/Ö und EStG/D) oder Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (siehe die §§ 15 ff. EStG/Ö und 8 ff. EStG/D). 6 7 8

9

Siehe dazu unten D.VI.4. Vgl. dazu Petersen (1988b, S. 20 ff.). Siehe die §§ 2(5) EStG/D und 2(3) EStG/Ö.

Das positive Vorzeichen beim Steuerbetrag ergibt sich aus der negativen Definition des Steuerbetrags auf der Transferskala. Siehe dazu oben B.II.4.b.

234

D. Ausgewählte Maßnahmen

Abzugsbetragsregelung dargestellt und auf der zweiten Stufe die Tarifregelung, bevor die beiden Aspekte zusammengefaßt werden. (1) Der Gesamtbetrag der Einkünfte ( E 6 ^ ) erscheint auf der ersten Stufe aus der Sicht des als positive Position definierten zu versteuernden Einkommens als normative Position, woraus sich die verteilungspolitische Maßnahme auf dieser Ebene, die Abzugsbeträge i.w.S. QEA.) als (implizite) Transfers, ergibt: t VP6 ai

-> tEA. = t E 6 ® - t E6&> ,

(80)

(2) Auf der zweiten Stufe ist - zunächst unabhängig davon - vom zu versteuernden Einkommen, das weiterhin die positive Position darstellt, auszugehen, woraus sich als Zwischengröße t E6^ n '\ das "zu versteuernde Einkommen nach Steuern^, ergibt: t

E 6 ^ = t E 6 ^ + tET. . 1 0

t ET.

läßt sich nun auch als - direkt aus dem Gesetz ableitbare melTF darstellen t ET.

(81) 11

- Tariffor-

= TF Q E Ó ^ )

(82)

bzw., um den Vergleich mit den Versicherungsbeiträgen herzustellen: tBsW

= (l-tDss.) .

(82')

mit tDss. als Durchschnittsteuersatz, der aber, da wir es nicht mit einer proportionalen Steuer zu tun haben, selbst abhängig ist vom zu versteuernden Einkommen: tDss.

= tDss. Ç E Ô ^ ) .

(83)

Wir können diese zweite Stufe als konkrete Spezifikation einer rein statistischen Festlegung der Norm auffassen. 12 (3) In einer Zusammenschau der beiden Stufen ergibt sich die normative Position (das verfügbare Einkommen) t E6^ n ^ als Summe aus E6. ( n , ) und den Abzugsbeträgen n tP6L

-> t E6. ( n ) = JE6.W + t EA..

(84)

Daß in dieser Partialbetrachtung die Abzugsbetragsregelung als "Transfer" und der Gesamtbetrag der Einkünfte als normative Position erscheint, ist allerdings nur in der zusamenhängenden Betrachtung mit dem Tarif 10 Das positive Vorzeichen ergibt sich aus der wiederum negativen Definition des Steuerbetrags auf der Transferskala; siehe Formel (30). 11 Vgl. die §§ 33(1) EStG/Ö und 32a(l) EStG/D. 12 Siehe dazu unten D.VI.4.

VI. Direkte Besteuerung

235

sinnvoll zu interpretieren. Die Abzugsbetragsregelung nimmt (im Sinne des ABR normativ!) gewisse Einkommensbestandteile aus der formelhaft berechneten Besteuerung aus, die selbst einer anders bestimmten Norm folgt: Die Abzugsbetragsregelung kann im ABR subjektbezogen dargestellt werden, während der Tarif als statistische Norm spezifiziert ist. 13 So gesehen ist es verständlich, daß die Abzugsbeträge als Transfer erscheinen, der dem aus der statistischen Norm abgeleiteten "zu versteuernden Einkommen nach Steuern" (E6^N zugeschlagen wird. Aus dieser partiellen Sicht ist es darüber hinaus unerheblich, ob es sich bei dieser Diskrepanz zwischen normativer und positiver Position um Frei- oder Abzugsbeträge handelt. Die Zusammenhänge sind in der Abbildung 12 dargestellt, die auch ein Zahlenbeispiel enthält. Eine weitere Beschränkung ergibt sich dadurch, daß der als impliziter Transfer aufgefaßte Abzugsbetrag {ΕΑ. nicht größer sein kann als - isoliert berechnet - der Steuerbetrag. Der zusammengefaßte Steuerbetrag muß größer oder mindestens gleich null sein (in der Formulierung des ABR: tET. < 0). Wie erwähnt, ist diese zweite, aufgespaltene Darstellungsweise nur sehr eingeschränkt interpretierbar, da der Gesamtbetrag der Einkünfte die logische (positive) Ausgangsbasis darstellt. tE6L®

= 12 000 p e ^ = 10 000

EA. = 2 000 ^ E ß W = 7 000

ET. = 3 000

Έ 6 ( Η ) = 9 000

EA. = E.- R

a

TBR.

b)

P6n

y6

P6 tE6.

VP6/TR6

Bundesrepublik Deutschland

P6?

Wert der Position (normativ)

Positionsbegriff (Tarif) » positionsrelevanter Aspekt

Verteilungspolitische Maßnahme / Steuer

Bemerkung

240 D. Ausgewählte Maßnahmen

E. Synthese, Zusammenfassung und Ausblick

Dieser Abschnitt dient zunächst (I.) einer systematisch-bewertenden Zusammenfassung der Ergebnisse der im vorhergehenden Abschnitt analysierten Maßnahmen1 und (II.) einer Zusammenfassung der gesamten Arbeit sowie einem Ausblick auf mögliche Erweiterungen der Analyse.

I. Gesamtdarstellung und Bewertung der betrachteten Maßnahmen Die sechs ausgewählten und im vorhergehenden Abschnitt dargestellten verteilungspolitischen Maßnahmen (Unterhalt, 2 Sozialhilfe, Wohn- und Ausbildungsförderung, Arbeitslosenversicherung und Einkommensteuer) sollen hier im Zusammenhang dargestellt werden, wobei neben (1.) den einzelnen, im ABR zu identifizierenden Größen (2.) insbesondere drei der im theoretischen Teil dieser Arbeit erörterten Kriterien zur Bewertung herangezogen werden sollen: die Relativität des Ungerechtigkeitskonzepts, die Behandlung der Entscheidungsfreiheit sowie die einzelnen positiven Vorstellungen (Erklärungen), wie sie aus unserem einfachen eklektischen Verteilungsmodell abzulesen sind. Dabei soll folgende These belegt werden: Eine integrierte Betrachtung der einzelnen Maßnahmen ergibt, daß sich diese tendenziell in ein Spektrum einordnen lassen, auf dessen einem Ende eher kurzfristige Maßnahmen zu finden sind, die sich auf FAMlLlEn, einen absoluten Gerechtigkeitsaspekt sowie BEDARFS- in Verbindung mit ANSTRENGUNGsgesichtpunkten als Bezugsgrößen und Capability-Größen als Positionsbegriffen beziehen und mit einer relativ starken Einschränkung der Entscheidungsfreiheit verbunden sind. Am anderen Ende dieses Spektrums stehen längerfristige Maß1

Die Betrachtung erfolgt aber nicht systemtheoretisch, etwa im Sinne von HerderDorneich (1988), sondern lediglich in einer zusammenfassenden Darstellung bislang analysierter Einzelinstrumente im ABR.

2

Das Verfassungsrecht und andere zivilrechtliche Regelungen außer dem Unterhaltsrecht 3 bleiben hier unberücksichtigt. Siehe unten E.I.2.d.

242

E. Synthese, Zusammenfassung und Ausblick

nahmen, die sich auf INDIVIDUEN 4 , den relativen Gerechtigkeitsaspekt sowie die LEISTUNG als Bezugsgröße und Einkommensgrößen als Positionsbegriff beziehen und darüber hinaus mit einer relativ geringen Einschränkung der Entscheidungsfreiheit verbunden sind. Wenn die einzelnen Maßnahmen auch nicht hinsichtlich aller dieser Kriterien einer Reihung folgen, so läßt sich doch eine Tendenz erkennen, die dieser These entspricht. Das Unterhaltsrecht nimmt in diesem Spektrum allerdings eine Sonderstellung ein.

1. Zusammengefaßte Darstellung der Gesamtsysteme

Dieser Gliederungspunkt dient einer zusammengefaßten Darstellung der einzelnen Variablen des subjektbezogenen Verteilungsmodells für die Gesamtsysteme der beiden Länder (soweit sie im vorhergehenden Abschnitt beschrieben wurden). Die Informationen der Übersichten 11 bis 19 sind in den Übersichten 20 bis 23 noch einmal zusammengefaßt, und zwar jeweils gemeinsam für die beiden Länder 5 sowie gegliedert nach den einzelnen Variablen des ABR einerseits und nach den untersuchten verteilungspolitischen Maßnahmen andererseits. Die Darstellung beschränkt sich weiterhin lediglich auf die Normen (mit Ausnahme der Position, deren Begriff und Höhe auch positiv zu spezifizieren ist). Sie beginnt mit (a) den unterschiedlichen Spezifikationen des Subjektbegriffs und (b) des Zeitaspekts, geht dann (c) auf die Positionsbegriffe und (kurz) auf den positionsrelevanten Aspekt ein, bevor (d) die unterschiedlichen Bezugsgrößen diskutiert werden.6 Wegen der lediglich beispielhaft angeführten verteilungspolitischen Maßnahmen hat diese zusammenhängende Darstellung einen sehr vorläufigen Charakter. Da diese aber so ausgewählt wurden, daß insgesamt möglichst viele verschiedene Strukturen beschrieben sind (die Arbeitslosenversicherung ist als Sozialversicherung ähnlich im ABR darzustellen wie die Rentenversicherung und führt daher auch zu ähnlichen Antworten auf die aufgeworfenen Fragestellungen), ist ein solcher Schluß zwar nur von eingeschränkter empirischer, aber doch von theoretischer Bedeutung (für die Theorie der Sozialpolitik).

4 Hinsichtlich des Subjektbegriffs bezieht sich diese Aussage auf die jeweils Verpflichteten. Hinsichtlich der Transfeiberechtigung sind im wesentlichen Individuen die relevanten Subjekte. 5 Auf die wenigen grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Ländern wird jeweils hingewiesen. 6 Auf subjektbezogene Charakteristika wird nicht näher eingegangen.

Unterhalt

Sozialhilfe

(Berechtigte)

Unterhalt

(Verplichtete)

< 0

tSH.

>0

^HL^ > 0

tUHL.b

Einkommensteuer

VI.

tEr.

tALU2i > °

< 0

,Ετ. < 0

>0

JALGJ > 0,

0

>0

JSTIPI. > 0,

tWo.

tSHZj

JUHZ^ > 0

tUHZ.b

Steuer- bzw. Transferfunktionen

tALHi.

>0

Übersieht 20: Die betrachteten verteilungspolitischen Maßnahmen und Steuer- bzw. Transferfunktionen (Österreich und Bundesrepublik Deutschland)

Arbeitslosenversicherungstransfers

V.b.

Wohnförderung tWF. > ο Ausbildungsförderung tSnpl. > 0, {AF. > 0 V.a. Arbeitslosen sicherungsbeitrag ^AlB. < 0

III. IV.

II.

I.b.

I.a.

Verteilungspolitische Maßnahmen

I. Zusammenhängende Darstellung 243

244

E. Synthese, Zusammenfassung und Ausblick

a) Die Spezifikationen

des Subjektbegriffs

Zunächst sind die unterschiedlichen verteilungspolitischen Maßnahmen und Transfers aus der Übersicht 20 sowie die entsprechenden Subjektbegriffe aus der Übersicht 21 abzulesen. Dabei fällt auf, daß das normative Subjekt in allen untersuchten verteilungspolitischen Regelungen spezifiziert ist. Im Falle des Unterhaltsrechts, der Sozialhilfe, der Ausbildungsförderung sowie der Arbeitslosen- bzw. Notstandshilfe ist zwischen Berechtigten und Verpflichteten zu unterscheiden, was sich im Falle der Arbeitslosenversicherung auch als Dualität zwischen Beitrags- und Leistungsseite darstellt. Nur beim Arbeitslosengeld und beim Wohngeld stimmen Berechtigte und Verpflichtete überein; Steuern und Beiträge weisen nur Verpflichtete auf, sieht man in kurzfristiger Betrachtungsweise einmal vom Recht auf spätere Transfers ab, die durch die Beitragszahlung zur Arbeitslosenversicherung entstehen. Auf der Berechtigungsseite der Transfers herrscht dabei das iNDlVlDUALprinzip vor, während auf der Verpflichtungsseite eine Mischung aus INDIVIDUAL-, FAMILIEN- und HAUSHALTsprinzip vorzufinden ist. Ausnahmen bilden das Wohngeld y bei dem Berechtigte und Verpflichtete identisch sind und auch FAMlLIEn bzw. HAUSHALTe berechtigt sein können, sowie das auf dem EHEPAARprinzip aufbauende bundesdeutsche Steuerrecht. Am anderen Ende der Skala steht das österreichische Einkommensteuerrecht, das auf einem strengen INDlVlDUALprinzip beruht. 8 Am weitestgehenden ist die FAMlLlEnorientierung im Unterhaltsrecht selbst und darin wiederum im Rahmen der zusammenlebenden Kleinfamilie (Subjekt-Typen I, II), allerdings eingeschränkt durch das Eingreifen der Sozialhilfe, weil dadurch auch die Armutsgrenze der Verpflichteten festgelegt ist, unterhalb derer keine Verpflichtung, sondern eventuell eine eigene Sozialhilfeberechtigung besteht. Umgekehrt dokumentiert die Subsidiarität der Sozialhilfe gegenüber dem Unterhaltsrecht die FAMlLlEnorientierung auch dieser Maßnahme. Aber auch durch die anderen individuell berechtigenden Maßnahmen (Arbeitslosenversicherungsleistungen, Wohn- und Ausbildungsförderung) wird die Pflicht zur Unterhaltsleistung eingeschränkt, auf die die Arbeitslosenversicherungs-, Wohngeld- oder Stipendienberechtigten ansonsten (ausschließlich) verwiesen wären. Im Falle der Arbeitslosenversicherung kehrt sich das Subsidiaritätsprinzip (zumindest auf den ersten Blick) in einem gewissen Sinne gerade um, weil die Familie zu Lasten dieser verteilungspoη

Dies liegt schon allein darin begründet, daß eine gesetzliche Regelung - soll sie jemanden zu etwas verpflichten und/oder berechtigen - zumindest die Adressaten beinhalten muß. g

Allerdings ist hier das Individualprinzip durch den Alleinverdiener- bzw. Alleinerhalterfreibetrag "aufgeweicht".

I. Zusammenhängende Darstellung

245

litischen Maßnahmen aus der Pflicht genommen wird, was aber mit der grundsätzlich INDIVIDUELLEN Leistungsbezogenheit der Arbeitslosenversicherungsleistung zu rechtfertigen ist. Als Gesamtsystem betrachtet orientieren sich beide Länder grundsätzlich am Subjektbegriff FAMILIE, was sich zunächst im Unterhaltsrecht niederschlägt und somit auch für diejenigen sozialpolitischen Regelungen gilt, die nach dem Subsidiaritätsprinzip auf dem Unterhaltsrecht aufbauen: die Sozialhilfe, die Arbeitslosen- bzw. Notstandshilfe sowie die Ausbildungsförderung. INDIVIDUEN sind - außer im Falle des Arbeitslosengeldes - erst dann transferberechtigt, wenn familiäre (Unterhalts-)Leistungen ausgeschöpft sind. Diese familiäre Vepflichtung geht aber bei unterschiedlichen Regelungen unterschiedlich weit.

b) Die Spezifikationen

des Zeitbegriffs

und -aspekts

Über den Zeitbegriff lassen sich keine konkreten Aussagen ableiten; die Zeit hat in den einzelnen Maßnahmen lediglich "technischen" Charakter in dem Sinne, daß eine zeitliche Spezifikation der jeweiligen Maßnahmen nötig ist und lediglich den Zeitaspekt konkretisiert. Die unterschiedlichen Spezifikationen des Zeitaspekts sind ebenfalls in der Übersicht 20 zusammengestellt; dabei lassen sich grundsätzlich drei Typen unterscheiden. Das Unterhaltsrecht ist - ebenso wie die darauf aufbauenden verteilungspolitischen Maßnahmen: die Sozial- und die Arbeitslosen- bzw. Notstandshilfe momentgebunden. Insoweit Unterhaltsleistungen in Form der Haushaltsführung erfolgen, ist eine solche Zeitpunktbezogenheit per se gegeben. Im Falle monetärer (privater oder staatlicher) Transfers, die über einen längeren Zeitraum hinweg anfallen, wird auf bestimmte (relativ kurze) Auszahlungsperioden übergegangen, i.d.R. auf Monate, wobei allerdings an den Rändern (am Anfang und am Ende des Berechtigungszeitraums) eine genauere Berechnung (etwa in Tagen) erfolgt, woraus ebenfalls eine laufende Betrachtung abzuleiten ist. Das Wohngeld ist wegen seines relativ langen Bewilligungszeitraumes (ein Jahr) in eine zweite Gruppe einzuordnen, ebenso wie die Einkommensteuer, die grundsätzlich auf ein Wirtschaftsjahr bezogen ist. Die Sozialversicherung ist schließlich - wenn auch die einzelnen Maßnahmen (Beiträge und Transfers) für sich genommen sehr zeitnah wirken - ein längerfristig angelegtes Instrument {Mehrperiodenbetrachtung).

Wohnförderung

Ausbildungsforderung

Arbeitslosenver-

Arbeitslosengeld

Arbeitslosenhilfe

Einkommensteuer

III.

IV.

V.a.

V.b.

V.c.

VI.

Legende:

a)

X

FAMILIE, HAUSHALT

I, II, VI, VII, IND

I, II, III, IV, IND

I - I

I - IVsonstige I

IND





IND

dito

N

IND

IND D

Zeitaspekt

(Wirtschaftsjahr

laufende Betrachtung

laufende Betrachtung

laufende Betrachtung

Studienjahr

ein Jahr

laufende Betrachtung

laufende Betrachtung

Berechtigtes Subjekt

Übersicht 21: Die Spezifikationen des Subjektbegriffs und des Zeitaspekts (Österreich und Bundesrepublik Deutschland)

"gesteigerter Unterhalt" c) Begabtenförderung bleibt unberücksichtigt b) abhängig vom Unterhaltsrecht d) Unterschied zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland

Er, IND d)

IND

sicherungsbeitrag IND

.

Sozialhilfe

II.

c)

Unterhalt

I.

Verpflichtetes Subjekt

246 E. Synthese, Zusammenfassung und Ausblick

I. Zusammenhängende Darstellung

c) Die Spezifikationen

des Positionsbegriffs

247

und

des positionsrelevanten Aspekts (1) Auch hinsichtlich des Positionsbegriffs ist eine Dreiteilung der unterschiedlichen Maßnahmen festzustellen, was aus der Übersicht 22 zu ersehen ist. Der Unterhalt bzw. vom Unterhalt abgeleitete Größen, die als konkretisierte Capability- Begriffe anzusehen sind, ziehen sich als Positionsbegriffe durch mehrere verteilungspolitische Maßnahmen: die Sozialhilfe, die Wohnund die Ausbildungsförderung. Sowohl bei der Behandlung des Tarifs der Einkommensteuer als auch der Sozial- (hier: Arbeitslosen-)versicherungsbeiträge hatten wir monetäre Größen nicht nur als positionsrelevanten Aspekt, sondern auch als Positionsbegriff aufgefaßt. Die verteilungspolitischen Maßnahmen sind damit gleichzeitig Steuer-/Transferfunktionen. Dadurch unterscheiden sich die Besteuerung und die Sozialbeiträge wesentlich von den in dieser Arbeit behandelten Transfers. 9 Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, könnten entweder die Einkommensgrößen auf Unterhalts- (also Capability-) Größen umgerechnet oder die gesamte Analyse könnte auf der Ebene des monetären positionsrelevanten Aspekts "Einkommen" durchgeführt werden. 10 Eine Sonderstellung nehmen die Leistungen aus der Sozial- (hier: Arbeitslosenversicherung ein, deren Positionsbegriff das Verhältnis zwischen Arbeitslosen- und Aktiveinkommen ist. Darüber hinaus ist eine weitgehende Kompatibilität der Positionsbegriffe innerhalb der einzelnen Maßnahmen festzustellen. (2) Auf der Ebene der positionsrelevanten Aspekte haben wir es - gemäß unserer Themenstellung - ausschließlich mit Einkommen sgrößen zu tun, die aber bei weitem nicht einheitlich definiert sind.11

9 1 0 Eine Ausnahme bildet die Begabtenförderung (siehe oben D.IV.1.). Der wesentlichste Unterschied zwischen den beiden Positionsbegriffen liegt in der Objektivität, die beim Einkommen stärker ausgeprägt ist, und in der mit dem Unterhaltsbegriff verbundenen größeren Einschränkung der Entscheidungsfreiheit. 11 Vgl. für die Bundesrepublik Hüther (1990, S. 104) und die dort angegebene Literatur. Ähnliches gilt auch für das System in Österreich.

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zum Wohngeldgesetz

1986 idF der Bekann

284

Anhang

Π Ι . Verzeichnis der Variablen, Abkürzungen und Bezeichnungen

1. Variablen des ABR, Abkürzungen und Bezeichnungen des theoretischen Teils

Erläuterung: Fett gesetzte Variablen beziehen sich auf die unspezifizierten Variablen des ABR, kursiv gesetzte Variablen auf die im theoretischen Teil vorgenommenen Spezifikationen. Im Anschluß daran werden die Spezifikationen des empirischen Teils sowie andere Bezeichnungen und Abkürzungen angegeben. Die Zahlen (0 bis 6) beziehen sich auf die Abbildungen 1, 2 und 8. Abkürzungen der verwendeten Gesetze werden gesondert erläutert. Die römischen Zahlen I bis X beziehen sich auf die entsprechenden SubjektTypen. 0 1 2 3 4

Festlegung hinsichtlich der Entscheidungsfreiheit; Ursprung Festlegung der Position Festlegung des Subjekts Festlegung des Zeitaspekts Festlegung der Bezugsgröße

5 6 A

Festlegung des Funktionalzusammenhangs Festlegung der subjektbezogenen Charakteristika ^Anstrengung (Konkretisierung von M)

a, (a) ABR AE AQ APF. Az a

normativ (absoluter Aspekt) Allgemeiner Bewertungs- bzw. Begründungsrahmen Alleinerziehende(r) Arbeitsqualität Aggregierte Position(sfunktion) Arbeitszeit Festlegung des Begriffs oder der Skala (der Position, der Bezugsgröße oder der Charakteristika) Bedarf (Konkretisierung von M) Parameter Festlegung der Höhe (der Position, der Bezugsgröße

Β b β

oder der Charakteristika) C. c

Capability (Konkretisierung von Ρ bzw. y) Parameter

III. Variablenliste DD d E E-Fz E-FZ'AQ

EP e F f FAZ FFZ FZ G g GL GM H I i ig II IND J jg K. Kl k L LI LO LG M m max

285

Budgetgeraden und andere Beschränkungen Parameter Einkommen (Konkretisierung von Ρ bzw. y) Einkommen-Freizeit-Vektor (Konkretisierung von P) Einkommen-Freizeü-Arbeitsbedingungen-Vektor

(Konkretisierung von P) Ehepaar Parameter Verteilungsfunktion der positiven Position Funktionszusammenhang zwischen positiver Position und positiver Bezugsgröße "fixe" Arbeitszeit "fixe" Freizeit Freizeit Verteilungsfunktion der normativen Position (relativer Aspekt) Funktionszusammenhang zwischen normativer Position und normativer Bezugsgröße getrennt lebend Gleichheitsmaß (nach Atkinson) Verteilungsfunktion Anzahl der Positionsgruppen Subjekt Positionsgruppen Indifferenzkurven Individuum Anzahl der Altersjahrgänge Altersjahrgänge, Kohorten Konsum (Ausgaben) (Konkretisierung von P) Kinder Parameter Leistung (Konkretisierung von M) Leistung (Input; Konkretisierung von M) Leistung (Output; Konkretisierung von M Lebensgemeinschaft Bezugsgröße der Höhe der Position Anzahl der Subjekte maximal

Ν

Bezugsgröße der Steoerpflteht und des Anspruchs auf Transfers

n, (n) o, (o) Ρ

normativ normativ (absoluter Aspekt; Obeigrenze) Position

286

Anhang

ρ, (ρ)

positiv

Q R r, (r) s S-T t TR

Spezielle Punkte in Abbildungen Ressourcen (Konkretisierung von Ρ bzw. y) normativ (relativer Aspekt) egalitäre Situation Subjekt-Typ Zeitaspekt (Periode oder Zeitpunkt) Steuer- und oder Transferfunktion (auf der Ebene von y) Transferabbau- oder Steuersatz Nutzen (Konkretisierung von P) verfügbar Vermögen (Konkretisierung von Ρ bzw. y) Verteilungspolitische Maßnahme (auf der Ebene von P) Warenkorb (Konkretisierung von Ρ bzw. y) Lohnsatz Wohngemeinschaft Gesetz (Konkretisierung von M) subjektbezogene Charakteristika positionsrelevanter Aspekt Zufriedenheit (Konkretisierung von P) Kompatibilität des Begriffs Gleichheit des Werts

TRS U. ν V. VP W. w WGM X. χ y, Ζ • «*

Ausgewählte Gesamtausdrücke:

a

normative Position des Subjekts i zum Zeitpunkt oder in der Periode t (absoluter Aspekt) = kritischer Wert der Armutsgrenze normative Position des Subjekts i zum Zeitpunkt oder in der Periode t (allgemein) normative Position-des Subjekts i zum Zeitpunkt oder in der Periode t (absoluter Aspekt; Obergrenze) positive Position des Subjekts i zum Zeitpunkt oder in der Periode t Armutsgrenze oder -linie

III. Variablenliste

287

2. Spezifikationen des empirischen Teils (Variablen und Abkürzungen)

Die Ziffern in den Variablen (z.B. A l , P6, VP2) beziehen sich auf die jeweilige Maßnahme (das jeweilige Kapitel), die Kleinbuchstaben dahinter auf die jeweilige Variante. Da manche Spezifikationen nicht näher konkretisiert wurden (etwa die Anstrengung A l im Unterhaltsrecht), finden die Variablen des theoretischen Teils auch Eingang in den praktischen. In einigen Fällen werden die einzelnen Maßnahmen weiter untergliedert (z.B. STIPI und STIP2). Die römischen Zahlen (I bis X) beziehen sich weiterhin auf die entsprechenden Subjekttypen. 1 2 3 4a 4b 5 5a 5b 5c 6 ABBG ABS ADW AE AF ALB ALG ALHI ALU Au

bürgerliches Recht Sozialhilferecht Wohnförderungsrecht Begabtenförderung Ausbildungsförderungsrecht (bedarfsbezogen) Arbeitslosenversicherungsrecht Arbeitslosenversicherungsbeiträge Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe Einkommensteuerrecht Allgemeine Beitragsbemessungsobergrenze der Arbeitslosenversicherung Beitragssatz der Arbeitslosenversicherung Art der Wohnung Aktiveinkommen ((= M5b/c) Ausbildungsförderung ( = VP4) Arbeitslosenversicherungsbeiträge ( = TR5a = Vp5a) Arbeitslosengeld (S TR5b) Arbeitslosenhilfe (S TR5c) Arbeitslosenunterstützung ( = Vp5/b/c) Ausbildungsunterhalt ( = P4)

AV/ALV

Arbeitslosenversicherung ( = VP5)

BMF BVerwG(E) Dss.

Bundesministerium der Finanzen Bundesverwaltungsgericht(sentscheidung) Durchschnittssteuersatz

EIOPROZ

die besten 10 % (Anteil an M4a)

EA EST ET

Einkommensteuer-Abzugsbeträge Einkommensteuertarif Einkommensteuer

FAMGR

Familiengröße

Gem Gss

Gemäß Grenzsteuersatz

288

Anhang

ib INLSTUD iv.

berechtigtes Subjekt Inländische Studenten verpflichtetes Subjekt

LL Lu Lv

laufende Leistungen ( = y2 a ) Lebensunterhalt ( s P2) Lebensverhältnisse ( = M l )

Ms Mz PPBS Rs

Mietstufe Mehrbedarfszuschläge (Anteil an LL) Planning-Programming-Budgeting-System Regelsatz (Anteil an LL)

SH SHZ. STERF STIPI Snp2 TF UH UHL UHZ ÜK VEA

Sozialhilfe ( Ξ TR2) Sozialhilfe (= VP2) Studienerfolg (Anteil an M4a) Begabtenstipendium ( = TR4a) Sozialstipendium ( = TR4b) Tarifformel Unterhalt (S PI) Unterhaltsleistung ( = VPI) Unterhaltszahlung (S TRI) übernommene Kosten (Anteil an LL) Verhältnis zwischen Arbeitslosen- und Aktiveinkommen ( = P5b/c)

VO Volldg

Verordnung Vollendung

WA WF. WB WG

Wohnaufwand ( = y3) Wohnförderung (S VP3) Wohnbelastung (S P3) Wohngeld, Wohnbeihilfe (^TR3)

WOHNF

Wohnform