Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [64]

Table of contents :
Gerhard Hirschmann, Dr. Fritz Schnelbögl in memoriam
Hans Martin von Erffa, Der Nürnberger Stadtpatron auf italienischen
Gemälden ......................................................................... 1
Franz Machilek, Klosterhumanismus in Nürnberg um 1500 . . 10
Christa Sch aper, Die Familie Tracht — Kaufleute und Unternehmer 46
Karl R. Ziegler, Platz- und Baugestaltung der Weinstadelgruppe 86
Elisabeth Pfeiffer, Dürers Maßeinheiten und Werkzahlen in der
Unterweisung der Messung ...................................................... 111
Helfried Valentinitsch, Nürnberger Waffenhändler und Heereslieferanten
in der Steiermark im 16. und 17. Jahrhundert . . . 165
Wilhelm Schwemmer, Die Anwesen Johannisstraße 39 und Sulzbacher
Straße 32 als Beispiele der Alt-Nürnberger Gartenkultur 183
Gerhard Seibold, Die Imhoffsche Handelsgesellschaft in den Jahren
1579—1635 201
Gerhard H. Müller, Ein unvollendeter und bisher unbekannter Entwurf
des Nürnberger Naturforschers Martin Frobenius Ledermüller
(1719—1769) ................................................................. 215
Gerhard Hirschmann, Zwischen Frankreich, Preußen und Bayern.
Die Lebensschicksale der Brüder von Neu in Nürnberg an der
Wende des 18. zum 19. Jahrhundert ...................................... 223
Fritz Zink, Topographische Nürnberg-Ansichten auf Wandkalendern
von 1822—1865 289
Bernd Zinner, Das Projekt einer süddeutschen Warenmesse für
Nürnberg 1849—1851 306
Kleine Beiträge
Herbert Maas, Woher der Trempelmarkt seinen Namen hat . . 318
Fritz Redenbacher, Der Buchdrucker Kaspar Hochfeder und der
Nürnberger Holzschnitt gegen Ende des 15. Jahrhunderts . . 321
Volkmar S chauz, Neue Funde zu den Transparenten der Nürnberger
Dürer-Feiern von 1828 326
Günter Illner und Helmut Häußler, Das Nürnberger Straßenbahn-
Notgeld 1921/22 329
Niklas Holzberg, Nachtrag zur Hans-Sachs-Bibliographie . . . 333
Horst Brunner, Hans Sachs als Schuster...................................... 344
Buchbesprechungen (im einzelnen siehe Rückseite) ............... 349
Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte .................................. 391
Jahresbericht über das 99. Vereinsjahr 1976 394
Mitgliederverzeichnis ......................................................................... 410
V
BUCHBESPRECHUNGEN
Herbert Maas, Nürnberg — Geschichte und Geschichten für jung und alt, Nürnberg 1976.
(Richard Kölbel) .............................................................................................................. 349
Raimund Ei rieh, Die Imhoff in den schwäbischen Städten im ausgehenden Mittelalter,
Ottobeuren 1976. (Christoph von Imhoff) ................................................................. 351
Rüdiger Heike Klink, Die Behandlung der Pfandrechte in süddeutschen Stadtrechten des
15. und 16. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Rezeption, Tübingen
1976. (Wolfgang Leiser) .................................................................................................. 352
Wiltrud Eikenberg, Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg, Göttingen 1976.
(Wolfgang Leiser) .......................................................................................................... 353
Klaus Kämmerer, Das Unternehmensrecht süddeutscher Handelsgesellschaften in der
Montanindustrie des 15. und 16. Jahrhunderts, Tübingen 1976. (Albert Bartelmeß) . 355
Adrian Wilson, The Making of the Nuremberg Chronicle, Amsterdam 1976. (Elisabeth
Rücker) .............................................................................................................................. 355
Abbildungen zur Neidhart-Uberlieferung II, hrsg. v. Edith Wenzel, Göppingen 1976.
(Horst Brunner) .............................................................................................................. 357
Hans Sachs. Katalog zur Ausstellung, Göttingen 1976. (Horst Brunner)....................... 359
Die Welt des Hans Sachs. 400 Holzschnitte des 16. Jahrhunderts, bearbeitet von Karl Heinz
Schreyl, Matthias Mende, Inge Hebecker, Nürnberg 1976. (Horst Brunner) . 359
Hans Sachs und seine Zeit, Redaktion Herbert Maas und Werner Kästner, Nürnberg
1976. (Horst Brunner) ............................... 360
Horst Brunner, Die alten Meister. Studien zur Überlieferung und Rezeption der mittelhochdeutschen
Sangspruchdichter im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit,
München 1975. (Hartmut Kugler) .............................................................................. 361
Hermann Eichler, Recht und Reich bei Dürer, Innsbruck 1976. (Matthias Mende) 364
Jürgen Lorz, Bibliographia Linckiana. Bibliographie der gedruckten Schriften Dr. Wenzeslaus
Lincks (1483—1547), Nieuwkoop 1977. (Gerhard Pfeiffer) ............................... 365
Georg Förster, Frische Teutsche Liedlein (1539—1556), Wolfenbüttel und Zürich 1976.
(Johannes Rettelbach)...................................................................................................... 365
Hartmut Kugler, Handwerk und Meistergesang. Ambrosius Metzgers Metamorphosen-
Dichtung und die Nürnberger Singschule im frühen 17. Jahrhundert, Göttingen 1977.
(Dieter Merzbacher) ...................................................................................................... 367
Ilse O’Dell-Franke, Kupferstiche und Radierungen aus der Werkstatt des Virgil Solis,
Wiesbaden 1977. (Tilman Falk) .................................................................................. 368
Goda Juchheim, Das ,NEUW GROTTESKEN BUCH’ Nürnberg 1610 von Christoph
Jamnitzer, München 1976. (Klaus Pechstein) .............................................................. 370
Günter Buchstab, Reichsstädte, Städtekurie und Westfälischer Friedenskongreß, Münster
1976. (Hans Joachim Berbig).................................................................................. 371
Renate Freitag-Stadler, Johann Adam Klein 1792—1875, Nürnberg 1975. (Karl Adolf
Knappe)............................................................................................................................. 373
Matthias Mende, Hundert Jahre Albrecht-Dürerhaus-Stiftung Nürnberg 1871—1971,
Nürnberg 1976. (Harald Clauß) .................................................................................. 374
Bernd Zinner, Die Handelskammer von Mittelfranken. Organisation und gutachtliche
Tätigkeit (1842—1889), Nürnberg 1976. (Jürgen Schneider) ................................... 375
Rainer Hambrecht, Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken (1925—1933),
Nürnberg 1976. (Hermann Hanschel) .......................................................................... 376
Helmut Beer, Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Nürnberg 1933—1945,
Nürnberg 1976. (Rainer Hambrecht) .......................................................................... 378
Bradley F. Smith, Der Jahrhundertprozeß, New York/Frankfurt am Main 1977. (Gerhard
Pfeiffer) .............................................................................................................................. 380
Werner Maser, Nürnberg, Tribunal der Sieger, Düsseldorf/London 1977. (Gerhard
Pfeiffer) .............................................................................................................................. 380
Fritz Drescher, Die ersten 25 Jahre der Nürnberger Spielwarenmesse, Bamberg 1976.
(Bernd Zinner) .................................................................................................................. 383
Erich Mulzer, Die Nürnberger Altstadt, Nürnberg 1976. (Helmut Häußler) .... 384
VI
Werner Sprung, Reichelsdorf und Mühlhof, Nürnberg 1976. (Albert Bartelmeß) . . 384
Hans Winterroth, Hartenstein, Chronik von Burg, Festung, Dorf, Selbstverlag des
Verfassers 1977. (Gerhard Hirschmann) ...................................................................... 385
Fränkische Lebensbilder, hrsg. v. Gerhard Pfeiffer u. Alfred Wendehorst, Neustadt/
Aisch 1977. (Anna Maria Kesting) .............................................................................. 386
Gudrun Heinsen Becker, Karl Bröger und die Arbeiterdichtung seiner Zeit, Nürnberg
1977. (Paul Dreykorn) .................................................................................................. 387
Joachim Hotz, Aus Frankens Kunst und Geschichte — Mittelfranken, Lichtenfels 1976.
(Hugo A. Braun) .............................................................................................................. 388
Jahrbuch für Fränkische Landesforschung, Bd. 37, Erlangen-Nürnberg 1977. (Walter
Lehnert) . . . .'.......................................................................................................... 389
Das älteste Coburger Stadtbuch 1388—1453, bearb. von Klaus Frhr. von Andrian-
Werburg, Neustadt/Aisch 1977. (Gerhard Hirschmann) ....................................... 389

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Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

64. Band 1977

Nürnberg 1977 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Schriftleitung: Dr. Gerhard Hirschmann, Dr. Franz Machilek Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich

Für Druckzuschüsse dankt der Verein der Stadt Nürnberg, der Stadtsparkasse Nürnberg, dem Bezirkstag von Mittelfranken, dem Industrie- und Kulturverein Nürnberg, Frau Elisabeth Pfeiffer und Herrn Karl R. Ziegler

Gesamtherstellung: Buchdruckerei Ph.C.W. Schmidt, Neustadt/Aisch Offset-Lithos: Firma Döss, Nürnberg Alle Rechte, auch des Abdrucks im Auszug, Vorbehalten. Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: Egidienplatz 23, 85 Nürnberg) ISSN 0083-5579

INHALT Gerhard Hirschmann, Dr. Fritz Schnelbögl in memoriam Hans Martin von Erffa, Der Nürnberger Stadtpatron auf italieni­ schen Gemälden ......................................................................... Franz Machilek, Klosterhumanismus in Nürnberg um 1500 . . Christa Sch aper, Die Familie Tracht — Kaufleute und Unternehmer Karl R. Ziegler, Platz- und Baugestaltung der Weinstadelgruppe Elisabeth Pfeiffer, Dürers Maßeinheiten und Werkzahlen in der Unterweisung der Messung ...................................................... Helfried Valentinitsch, Nürnberger Waffenhändler und Heeres­ lieferanten in der Steiermark im 16. und 17. Jahrhundert . . . Wilhelm Schwemmer, Die Anwesen Johannisstraße 39 und Sulz­ bacher Straße 32 als Beispiele der Alt-Nürnberger Gartenkultur Gerhard Seibold, Die Imhoffsche Handelsgesellschaft in den Jahren 1579—1635 Gerhard H. Müller, Ein unvollendeter und bisher unbekannter Ent­ wurf des Nürnberger Naturforschers Martin Frobenius Leder­ müller (1719—1769) ................................................................. Gerhard Hirschmann, Zwischen Frankreich, Preußen und Bayern. Die Lebensschicksale der Brüder von Neu in Nürnberg an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert ...................................... Fritz Zink, Topographische Nürnberg-Ansichten auf Wandkalendern von 1822—1865 Bernd Zinner, Das Projekt einer süddeutschen Warenmesse für Nürnberg 1849—1851

1 10 46 86 111 165 183 201 215 223 289 306

Kleine Beiträge

Herbert Maas, Woher der Trempelmarkt seinen Namen hat .. Fritz Redenbacher, Der Buchdrucker Kaspar Hochfeder und der Nürnberger Holzschnitt gegen Ende des 15. Jahrhunderts .. Volkmar S chauz, Neue Funde zu den Transparenten der Nürnberger Dürer-Feiern von 1828 Günter Illner und Helmut Häußler, Das Nürnberger StraßenbahnNotgeld 1921/22 Niklas Holzberg, Nachtrag zur Hans-Sachs-Bibliographie . .. Horst Brunner, Hans Sachs als Schuster...................................... Buchbesprechungen (im einzelnen siehe Rückseite) ............... Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte .................................. Jahresbericht über das 99. Vereinsjahr 1976 Mitgliederverzeichnis .........................................................................

318 321 326 329 333 344 349 391 394 410

V

BUCHBESPRECHUNGEN Herbert Maas, Nürnberg — Geschichte und Geschichten für jung und alt, Nürnberg 1976. (Richard Kölbel) .............................................................................................................. Raimund Ei rieh, Die Imhoff in den schwäbischen Städten im ausgehenden Mittelalter, Ottobeuren 1976. (Christoph von Imhoff) ................................................................. Rüdiger Heike Klink, Die Behandlung der Pfandrechte in süddeutschen Stadtrechten des 15. und 16. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Rezeption, Tübingen 1976. (Wolfgang Leiser) .................................................................................................. Wiltrud Eikenberg, Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg, Göttingen 1976. (Wolfgang Leiser) .......................................................................................................... Klaus Kämmerer, Das Unternehmensrecht süddeutscher Handelsgesellschaften in der Montanindustrie des 15. und 16. Jahrhunderts, Tübingen 1976. (Albert Bartelmeß) . Adrian Wilson, The Making of the Nuremberg Chronicle, Amsterdam 1976. (Elisabeth Rücker) .............................................................................................................................. Abbildungen zur Neidhart-Uberlieferung II, hrsg. v. Edith Wenzel, Göppingen 1976. (Horst Brunner) .............................................................................................................. Hans Sachs. Katalog zur Ausstellung, Göttingen 1976. (Horst Brunner)....................... Die Welt des Hans Sachs. 400 Holzschnitte des 16. Jahrhunderts, bearbeitet von Karl Heinz Schreyl, Matthias Mende, Inge Hebecker, Nürnberg 1976. (Horst Brunner) . Hans Sachs und seine Zeit, Redaktion Herbert Maas und Werner Kästner, Nürnberg 1976. (Horst Brunner) ............................... Horst Brunner, Die alten Meister. Studien zur Überlieferung und Rezeption der mittel­ hochdeutschen Sangspruchdichter im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, München 1975. (Hartmut Kugler) .............................................................................. Hermann Eichler, Recht und Reich bei Dürer, Innsbruck 1976. (Matthias Mende) Jürgen Lorz, Bibliographia Linckiana. Bibliographie der gedruckten Schriften Dr. Wenzeslaus Lincks (1483—1547), Nieuwkoop 1977. (Gerhard Pfeiffer) ............................... Georg Förster, Frische Teutsche Liedlein (1539—1556), Wolfenbüttel und Zürich 1976. (Johannes Rettelbach)...................................................................................................... Hartmut Kugler, Handwerk und Meistergesang. Ambrosius Metzgers MetamorphosenDichtung und die Nürnberger Singschule im frühen 17. Jahrhundert, Göttingen 1977. (Dieter Merzbacher) ...................................................................................................... Ilse O’Dell-Franke, Kupferstiche und Radierungen aus der Werkstatt des Virgil Solis, Wiesbaden 1977. (Tilman Falk) .................................................................................. Goda Juchheim, Das ,NEUW GROTTESKEN BUCH’ Nürnberg 1610 von Christoph Jamnitzer, München 1976. (Klaus Pechstein) .............................................................. Günter Buchstab, Reichsstädte, Städtekurie und Westfälischer Friedenskongreß, Mün­ ster 1976. (Hans Joachim Berbig).................................................................................. Renate Freitag-Stadler, Johann Adam Klein 1792—1875, Nürnberg 1975. (Karl Adolf Knappe).............................................................................................................................. Matthias Mende, Hundert Jahre Albrecht-Dürerhaus-Stiftung Nürnberg 1871—1971, Nürnberg 1976. (Harald Clauß) .................................................................................. Bernd Zinner, Die Handelskammer von Mittelfranken. Organisation und gutachtliche Tätigkeit (1842—1889), Nürnberg 1976. (Jürgen Schneider) ................................... Rainer Hambrecht, Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken (1925—1933), Nürnberg 1976. (Hermann Hanschel) .......................................................................... Helmut Beer, Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Nürnberg 1933—1945, Nürnberg 1976. (Rainer Hambrecht) .......................................................................... Bradley F. Smith, Der Jahrhundertprozeß, New York/Frankfurt am Main 1977. (Gerhard Pfeiffer) .............................................................................................................................. Werner Maser, Nürnberg, Tribunal der Sieger, Düsseldorf/London 1977. (Gerhard Pfeiffer) .............................................................................................................................. Fritz Drescher, Die ersten 25 Jahre der Nürnberger Spielwarenmesse, Bamberg 1976. (Bernd Zinner) .................................................................................................................. Erich Mulzer, Die Nürnberger Altstadt, Nürnberg 1976. (Helmut Häußler) ....

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349 351 352 353 355 355 357 359 359 360 361 364 365 365 367 368 370 371 373 374 375 376 378 380 380 383 384

Werner Sprung, Reichelsdorf und Mühlhof, Nürnberg 1976. (Albert Bartelmeß) . . Hans Winterroth, Hartenstein, Chronik von Burg, Festung, Dorf, Selbstverlag des Verfassers 1977. (Gerhard Hirschmann) ...................................................................... Fränkische Lebensbilder, hrsg. v. Gerhard Pfeiffer u. Alfred Wendehorst, Neustadt/ Aisch 1977. (Anna Maria Kesting) .............................................................................. Gudrun Heinsen Becker, Karl Bröger und die Arbeiterdichtung seiner Zeit, Nürnberg 1977. (Paul Dreykorn) .................................................................................................. Joachim Hotz, Aus Frankens Kunst und Geschichte — Mittelfranken, Lichtenfels 1976. (Hugo A. Braun) .............................................................................................................. Jahrbuch für Fränkische Landesforschung, Bd. 37, Erlangen-Nürnberg 1977. (Walter Lehnert) . . . .'.......................................................................................................... Das älteste Coburger Stadtbuch 1388—1453, bearb. von Klaus Frhr. von AndrianWerburg, Neustadt/Aisch 1977. (Gerhard Hirschmann) .......................................

384 385 386 387 388 389 389

VII

VERZEICHNIS DER MITARBEITER Bartelmeß, Albert, Archivoberamtsrat, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg Berbig, Hans Joachim, Dr., Oberstudienrat, Steinwaldstraße 20, 8590 Marktredwitz Braun, Hugo A., Dipl.-theol., Ziegelhüttenweg 8, 8430 Neumarkt/Opf. Brunner, Horst, Dr., Priv.-Doz., Königsberger Straße 6, 8521 Spardorf Clauß, Harald, Baudirektor i. R., Steinmetzanlage 25, 8500 Nürnberg Dreykorn, Paul, Dr., Oberstudiendirektor, Veillodterstraße 21, 8500 Nürnberg v. Erffa, Hans Martin, Dr., Via Lama 1, Localite Lama, I—50032 Borgo San Lorenzo Falk, Tilman, Dr., Konservator, Kunstmuseum Basel, St. Albangraben 16, CH—4010 Basel Häußler, Helmut, Dr., Archivangestellter, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg Hambrecht, Rainer, Dr., Archivrat z. A., Staudinger Straße 65/III, 8000 München 83 Hanschel, Hermann, Dr., Studienrat z. A., Am Sandberg 21, 8521 Bubenreuth Hirschmann, Gerhard, Dr., Archivdirektor, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg Holzberg, Niklas, Dr., Wiss. Ass., Henkestraße 65a, 8520 Erlangen Illner, Günter, Montage-Techn., Tannenbergstraße 17, 8500 Nürnberg Imhoff, Christoph Frhr. von, Dr. jur., Frommannstraße 8, 8500 Nürnberg Kesting, Anna Maria, Dr., Konservatorin, Vogelsgarten 7, 8500 Nürnberg Knappe, Karl Adolf, Dr., Univ.-Prof., Habichtstraße 7, 8520 Erlangen Kölbel, Richard, Studiendirektor, Neuwerker Weg 58, 8501 Stein-Deutenbach Kugler, Hartmut, Dr., Suarezstraße 27, 1000 Berlin 19 Lehnert, Walter, Dr., Oberarchivrat, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg Leiser, Wolfgang, Dr., Univ.-Prof., Nachtigallenweg 4, 8520 Erlangen Maas, Herbert, Dr., Studiendirektor, Kachletstraße 45, 8500 Nürnberg Machilek, Franz, Dr., Oberarchivrat, Saideisteig 41, 8520 Erlangen Mende, Matthias, Kunsthistoriker, Burgstraße 15, 8500 Nürnberg Merzbacher, Dieter, Wiss. Mitarbeiter, Meuschelstraße 11, 8500 Nürnberg Müller, Gerhard H., cand. rer. nat. et phil., Pestalozzistraße 67, 6603 Sulzbach Pechstein, Klaus, Dr., Oberkonservator, Germanisches Nationalmuseum, 8500 Nürnberg Pfeiffer, Elisabeth, Schnepfenreuther Weg 15, 8500 Nürnberg Pfeiffer, Gerhard, D. Dr., Univ.-Prof., Schnepfenreuther Weg 15, 8500 Nürnberg Redenbacher, Fritz, Dr., Univ.-Prof., Danziger Straße 9, 8520 Erlangen Rettelbach, Johannes, Wiss. Mitarbeiter, Tulpenweg 27, 8501 Schwaig Rücker, Elisabeth, Dr., Bibl.-Dir., Germanisches Nationalmuseum, 8500 Nürnberg Sch aper, Christa, Schöpfstraße 27, 8500 Nürnberg Schauz, Volkmar, Dr., Ermsweg 6, 7440 Nürtingen-Zizishausen Schneider, Jürgen, Dr., Dipl.-Hdl., Wiss. Ass., Fichtenstraße 11, 8501 Winkelhaid Schwemmer, Wilhelm, Dr., Direktor der städt. Kunstsammlungen i. R., Lindenaststraße 63, 8500 Nürnberg Seibold, Gerhard, Dr., An den Hecken 39, 7180 Crailsheim Valentinitsch, Helfried, Mag., Dr., Institut für Österreichische Rechtsgeschichte, Universität Graz, Universitätsplatz 3/1, A—8010 Graz Ziegler, Karl R., Architekt, Dipl.-Ing., Ludwigsstraße 6, 6700 Ludwigshafen/Rhein Zink, Fritz, Dr., Landeskonservator, Hoppertstraße 5, 8500 Nürnberg Zinner, Bernd, Dr., Studienreferendar, Albert-Schweitzer-Straße 3, 8580 Bayreuth

VIII

IN MEMORIAM Völlig unerwartet verstarb Staatsarchivdirektor i.R. Dr. Fritz Schnelbögl am 10. September 1977 an den Folgen einer Operation. Der Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg verlor damit eines seiner tätigsten Mitglieder. Am 26. Januar 1905 wurde Fritz Schnelbögl in Schnaittach geboren. Sein ganzes Leben lang blieb er dem Geburtsort aufs engste verbunden. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Amberg studierte er in Heidelberg und München Germanistik und Geschichte. Seine Studien schloß er mit dem Lehramtsexamen und der Promotion über Heidelberger Liederhandschriften (Parzival und Lohengrin) 1929 ab. Seine starke Neigung, sich mit den Quellen der Geschichte

zu beschäftigen, ließ in ihm den Entschluß reifen, den Archivarsberuf zu ergreifen. Nach dem Besuch der Archivschule in München und dem abschließenden Assessorenexamen begann Dr. Schnelbögl 1934 seine Berufslaufbahn im Staats­ archiv Nürnberg. Leider waren ihm nur fünf Jahre ruhiger Arbeit vergönnt, da er gleich bei Kriegsbeginn 1939 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Bei Kriegs­ ende traf ihn ein hartes Schicksal: Erst 1949 konnte er aus russischer Kriegsgefangenschaft in die Heimat zurückkehren, wo unterdessen seine Frau nach schwerem Leiden verstorben war. Eine zweite Ehe schenkte ihm erneut das Glück einer harmonischen Familiengemeinschaft, in der sich die Kinder der beiden Ehepartner in vorbildlicher Weise zusammenfanden. Bald konnte Dr. Schnelbögl auch in den geliebten Beruf zurückkehren und am Wiederaufbau des Staatsarchivs Nürnberg wirkungsvoll mitarbeiten. Nach der Pensionierung von Dr. Solleder wurde ihm 1954 die Leitung des Archivs übertragen, die er bis 1968 innehatte. Am 30. Juni dieses Jahres trat er vorzeitig in den Ruhestand, um sich ganz seinen wissenschaftlichen Forschungen widmen zu können. Während seiner Amtszeit konnte Dr. Schnelbögl die Wiederinstandsetzung des Staatsarchivs und die Rückführung seiner Bestände zum Abschluß bringen. Sein besonderes Interesse galt der Betreuung der kleineren Stadtarchive inner­ halb des Regierungsbezirks Mittelfranken. Daneben erfreuten sich die Patrizier­ archive seiner Fürsorge. Als engagierter Archivar hatte der Verstorbene aber auch immer wieder das Bedürfnis, selbst Archivbestände zu ordnen und zu erschließen. Hervorzuheben ist die von ihm geschaffene Verzeichnung der umfangreichen und wertvollen Sammlung Nürnberger Pläne im Staatsarchiv. Diese Arbeit kam seinem Spezialforschungsgebiet der historischen Geographie zugute. In den „Mitteilungen“ des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg würdigte er das Werk der Nürnberger Kartographen Paul Pfinzing (Bd. 45), Erhard Etzlaub (Bd. 49 und 57) und Jörg Nöttelein (Bd. 50). Außerdem stammt aus seiner Feder der Katalog zur Ausstellung „Dokumente zur Nürnberger Kartographie“ (1966). Dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg war er über 40 Jahre als treues und aktives Mitglied eng verbunden. Von 1953 bis 1962 versah er mit großer

Sorgfalt das Amt des Schriftführers, von 1969 bis 1975 war er stellvertretender Vereinsvorsitzender. In dieser Eigenschaft wirkte er tätig mit an der Gestaltung der Vereinsarbeit und an der Herausgabe von sieben Jahresbänden der „Mittei­ lungen“ sowie an den Festschriften für Albrecht Dürer (1971) und Hans Sachs (1976). Darüber hinaus verdankt ihm der Verein sehr viel durch zahlreiche Vorträge und Aufsätze über Themen der Nürnberger Geschichte. Seine besondere Liebe gehörte dem Verein „Altnürnberger Landschaft“, an dessen Gründung er 1952 maßgeblich beteiligt war und dessen wissenschaft­ lichen Arbeitskreis er leitete. Seine Verdienste um diesen Verein werden an anderer Stelle gewürdigt. — Immer wieder kreiste sein wissenschaftliches Interesse um den heimatlichen Raum im Osten Nürnbergs. Ihm war sein erstes Buch „Lauf — Schnaittach“ (1941) gewidmet; hierher gehören seine Veröffent­ lichung des „Böhmischen Salbüchleins“ Kaiser Karls IV. über die nördliche Oberpfalz von 1366/68 (1973) und endlich sein letztes großes Werk, die vorbildliche Stadtgeschichte von Auerbach (1976). Das historische Ortsnamen­ buch für den Landkreis „Nürnberger Land“ abzuschließen, war ihm leider nicht mehr vergönnt. Dr. Schnelbögl war nicht vom Ehrgeiz erfüllt, immer an vorderster Stelle zu stehen. Ihn befriedigte es mehr, im Kreise Gleichgesinnter ratend und planend mitzuwirken und eigene wissenschaftliche Arbeiten ungestört ausführen zu können. Dessenungeachtet verschloß er sich niemals, wenn Bitten um Aus­ künfte und Referate an ihn herangetragen wurden. Immer war er bereit, aus dem überreichen Schatz seines historischen Wissens mitzuteilen. Das Bild wäre unvollständig, wenn nicht noch seine Freude an froher Geselligkeit erwähnt würde. Durch den Tod von Fritz Schnelbögl ist eine schmerzliche Lücke entstanden, die im Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg lange Zeit spürbar bleiben wird. Als Persönlichkeit und durch sein wissenschaftliches Werk wird er lebendig greifbar bleiben in der Erinnerung all derer, die ihn kannten und hoch schätzten. Wir haben ihm viel zu danken. Dr. Gerhard Hirschmann

Vorsitzender

DER NÜRNBERGER STADTPATRON AUF ITALIENISCHEN GEMÄLDEN * Von Hans Martin von Erffa Sankt Sebald, der Schutzpatron def Stadt Nürnberg, ist ein im ganzen Franken­ land bekannter Heiliger. In seiner Pilgertracht, mit dem Kirchenmodell in der Hand, wurde er in Malerei und Bildwerk immer wieder dargestellt, man weihte ihm Kirchen und Altäre, und wenn man auf Reisen ging, bat man ihn um sein Geleit. Doch über die engere Heimat hinaus ist sein Kult kaum gedrungen. So muß es überraschen, dem Heiligen auf italienischen Gemälden wiederzubegeg­ nen. Es geschieht ohnehin selten genug. Die Legende hat dem hl. Sebald zwar eine Romfahrt angedichtet und läßt zwei seiner Wundertaten in Oberitalien, in der Gegend von Vicenza, spielen, doch hat der Heilige eine bleibende Stätte der Verehrung in Italien offenbar nicht gefunden. Gewiß, der fränkische Pilger mag sich unerkannt, weil unbe­ nannt, unter manch einer als Jacobus maior, Peregrinus oder ähnlich gedeuteten Heiligenfigur verborgen halten, denn auch in seiner Heimat ist ihm sein individuelles Attribut, das Kirchenmodell, nicht immer beigegeben worden1. Auf den beiden Bildern, von denen hier die Rede sein soll, ist aber zweifelsfrei der Frankenapostel dargestellt. Als geschichtliche Person ist der Heilige nur schwer faßbar. Die erste sichere Erwähnung findet sich in den Annalen des 1077 gestorbenen Lambert von Hersfeld: Sebaldus, so heißt es dort, sei ein Eremit gewesen, vor nicht allzu langer Zeit gestorben, und sein Kult habe sich im Jahr 1072 aus Anlaß einiger Wunderheilungen von seiner Grabstätte bei Nürnberg aus verbreitet2. In den gleichen Zeitraum kämen wir mit der Erwähnung des Heiligen in einem gereimten Offizium von etwa 1280, das ihn in die Zeit von „Kaiser Heinrich“ (III. oder IV.?) setzt; doch könnte hier von der Quelle her ein Zusammenhang mit Lambert von Hersfeld bestehen. Wahrscheinlich ruhten Sebalds Gebeine zu dieser Zeit, im 3. Viertel des 11. Jahrhunderts, in einer ursprünglich dem hl. Petrus geweihten kleinen Kapelle am Fuß der Nürnberger Kaiserburg, und daß die Wallfahrten zum wundertätigen Sebaldusgrab mit zur Entwicklung der kleinen, erst 1062 mit dem Marktrecht beliehenen Stadt Nürnberg beigetragen haben, wird heute allgemein angenommen. „Sebaldo, come nessun altro patrono di una cittä tedesca, e legato allo svilupparsi della propria cittä“3. * Mit freundlicher Erlaubnis des Kunsthistorischen Instituts in Florenz abgedruckt aus: „Mittei­ lungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz“, Band 20, 1977, pp. 1—12. 1 J. Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst, Stuttgart 1943, Sp. 640— 642. 2 MGH.SS., Bd. V, p. 191; vgl. auch Bd. III, pp. 71, 128. 3 Wie kein anderer Stadtheiliger einer deutschen Stadt hat Sebaldus Anteil am Werden der Stadt: K. Kunze in: Bibliotheca Sanctorum. Istituto Giovanni XXIII della Pontificia Universita Lateranense, Bd. XI, Rom 1968, Sp. 764.

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Hans Martin von Erffa

Wo die Geschichtsquellen spärlich fließen, wuchert umso kräftiger die Legende. Die in den Acta Sanctorum verzeichnete Vita4 versetzt den hl. Sebald in die Zeit Karls des Großen und macht ihn zum „Apostel der Nürnberger“ — zu einer Zeit, als es diesen Ort noch gar nicht gab. Nach anderen Quellen war Sebald ein rex christianissimus in Daciab oder auch ein Prinz aus Dänemark. Diese letztere Version findet sich in der ältesten deutschen Vita von 1380— 1385, nach welcher Sebald ein Gefährte der Frankenmissionare Willibald und Wunibald gewesen sei, die er auf seiner Pilgerfahrt in Rom getroffen habe. Willibald, der Patron von Eichstätt, und sein Bruder Wunibald waren angel­ sächsischer Herkunft und sind im 8. Jahrhundert nachweisbar. Wieder andere Quellen machen aus Sebald einen französischen Edelmann, der die Pariser Universität besucht habe, ehe er sich aus der Welt in sein Einsiedlerleben zurückgezogen habe. Im 15. Jahrhundert war man überzeugt, daß Sebald aus dem dänischen Königshaus stammte und seine Mutter eine französische Königs­ tochter gewesen sei; folgerichtig gab man ihm, z. B. im Heiligkreuzmünster zu Schwäbisch Gmünd, die Wappen dieser beiden Königshäuser bei. Die Entwir­ rung der zahllosen Fäden, welche die Legende um unseren Heiligen gesponnen hat, ist erst in jüngster Zeit gelungen6. Der heute im deutschen Sprachbereich übliche Name des Heiligen, Sebaldus, ist eine späte, latinisierte Form des germanischen Siegbald (aus althochdeutsch sigu = Sieg und bald = kühn). So kommt neben Sebaldus auch Sigibaldus oder Sigisbaldus, ebenfalls als Name eines Heiligen, vor: der 36. Bischof von Metz (708—741), Gründer des Klosters St. Avold, hieß Sigibaldus7. Syvaldus findet sich als Name dänischer Königssöhne des 7./8. Jahrhunderts in den um 1185 oder kurz vorher verfassten Gesta Danorum des Saxo Grammaticus, und hier mag die Legende von der dänischen Herkunft des Nürnberger Heiligen ihren Ursprung haben. Daneben gibt es aber im deutschen Sprachbereich noch viele andere abgeleitete Namensformen: Siegbold, Siebold, Sebolt oder ähnlich, auch der Name Seewald hat den gleichen Ursprung. In Italien habe ich einen „San Sebaldo“ bisher nicht finden können, auch „Sigisvaldo“8 scheint als Vorname nicht verbreitet gewesen zu sein. Ein Familienname Sighibuldi (Pistoia, 13. Jahrhundert) dürfte aus der gleichen — 4 A.SS., August III, pp. 769—774. s Historia Sanctorum, Köln 1483,fol. 316d—318b; Ausgabe Löwen 1485, fol. 113 v—115 v; zitiert nach : Bibliographia hagiographica latina, ed. Socii Bollandiani, Brüssel 1900/01, Bd. II, p. 1092, Nr. 7536. 6 A. Borst, Die Sebaldslegenden in der mittelalterlichen Geschichte Nürnbergs, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 26, 1966, pp. 19-178. 7 F. v. S. Doye, Heilige und Selige der römisch-katholischen Kirche, Leipzig 1928—30, Bd. II, p. 326; P. B. Gams, Series episcoporum ecclesiae catholicae, Regensburg 1873, p. 292. — In der Diözese Trier, das sei kurz angemerkt, wird ein hl. Sebald verehrt, der mit dem unseren nicht identisch ist; er lebte zu Anfang des 7. Jahrhunderts unter dem — wohl burgundischen — Namen Sabaudus (Gams p. 318). — Auf die Frage einer Identität unseres hl. Sebald mit dem hl. Theobald wird hier nicht eingegangen, weil sie für unser Thema unerheblich ist. s L. Scarabelli, Vocabulario universale della lingua italiana, Bd. VII, Mailand 1878, Sp. 841, mit einer etwas gewagten Etymologie: „Dal ted. sieg, vittoria, e baldig, presto: Che prestamente riporta vittoria“ [!].

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Der Nürnberger Stadtpatron

germanischen — Quelle stammen. Dagegen hat sich in Italien schon frühzeitig eine dritte Namensform herausgebildet, auch diese sicher germanischen Ur­ sprungs: Sinibaldus. Ein Bischof dieses Namens aus Amelia in Umbrien ist im Jahr 761 als Teilnehmer der Synode zu Rom nachzuweisen9. Wohl die bekann­ teste Persönlichkeit, die diesen Namen trug, ist Sinibaldo, Herr von Quisquina (bei Agrigent) und des Monte delle Rose. Er war der Vater der hl. Rosalia, der Patronin von Palermo, und galt als Nachkomme Karls des Großen und Verwandter des Königs Roger von Sizilien. Seine Lebenszeit fällt in das späte 11./frühe 12. Jahrhundert10. Es scheint uns, daß sich der Name Sinibaldo im 12. und 13. Jahrhundert in ganz Italien besonderer Beliebtheit erfreut hat. Die Familie Sinibaldi in den Marken leitet sich von einem Sinibaldus ab, der 1205 Podestä von Osimo war11. In der Pistoieser Familie Cancellieri war der Name seit dem Ende des 12. Jahrhunderts gebräuchlich12. Als Bischofsname ist Sinibaldus ebenfalls seitdem frühen 12. Jahrhundert nachweisbar: ein Bischof von Padua dieses Namens, oltremontano, amtierte 1106—112413. Ferner: 1218—1239 Sinibaldus I., Bischof von Osimo; 1270—1297 ein Bischof von Imola; 1280—1295 ein Minoritenbruder gleichen Namens, Bischof von Melfi; 1317—1328 ein Bischof von Noli, für den sich auch die Namensformen Signibaldus, Signembaldus und Singuebaldus finden, usw.14 George Kaftal hat 1952 im Toskana-Band seiner Ikonographie der Heiligen in der italienischen Kunst, im Artikel „St. Sinibaldus (Sebaldo)“ ein sienesisches Gemälde mit einer Darstellung der Marienklage abgebildet, das sich damals in der Sammlung der Grafen Serristori befand (Abb. 1)15. Van Marie hatte das Bild, das der Forschung seit Anfang unseres Jahrhunderts bekannt ist, Sassetta zugeschrieben. Pope-Hennessy hat es in das Werk eines Meisters eingereiht, der in die unmittelbare Nachfolge Sassettas gehört und dessen CEuvre dann von Longhi genauer Umrissen und um das Hauptwerk, das 1436 datierte Triptychon der Chiesa dell’Osservanza in Siena, gruppiert worden ist16. Seine heute gültige 9 G. Moroni, Dizionario di erudizione storico-ecclesiastica, Venedig 1840—61, Bd. LXIX, p. 46; Gams p. 662. 10 A. I. Mancuso, Istoria deirammirabile Vita di S. Rosalia vergine e romita palermitana, Palermo 1704, pp. 25—34. 11 V. Spreti, Enciclopedia storico-nobiliare italiana. Famiglie nobili e titolate viventi, Bd. VI, Mailand 1932, p. 333. 12 Sc. Ammirato, Historia della famiglia Cancellieri, Venedig 1622, passim. 13 Moroni Bd. L, p. 124; Gams p. 798. 14 C. Eubel, Hierarchia catholica medii aevi, Bd. I, Münster i. W. 1898, pp. 122, 295, 350, 374. 15 Holz, 101 x 71 cm. G. Kaftal, Iconography of the Saints in Tuscan Painting, Florenz 1952, Sp. 941—944, Nr. 288, Fig. 1055. Farbige Abbildung: Sotheby’s of London, Catalogo di disegni e dipinti dal XV al XX secolo, Florenz, Palazzo Capponi, 23.10.1974, Nr. 60 (mit weiterer Lit.). — Das Bild wurde 1975 von Andreas Rothe gereinigt und befindet sich im Besitz des Monte dei Paschi di Siena in Siena. Ich danke dem Vorstand des Bankhauses für die liebenswürdige Erlaubnis zur Publikation und Frau Carmen Gronau für freundliche Überlassung der Fotos. 16 R. van Marie, The Development of the Italian Schools of Painting, Bd. IX, Den Haag 1927, p. 342; J. Pope-Hennessy, Sassetta, London 1939, p. 170, Taf. 27: „Castelli-Mignanelli Master“; R. Longhi, Fatti di Masolino e di Masaccio, in: Critica d’Arte 5,1940, pp. 145—191 (p. 188 f.,n. 26).

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Einordnung fand das Bild dann in einem Vortrag über den „Maestro delPOsservanza“, den der früh verstorbene Longhi-Schüler Alberto Graziani am 17. Februar 1942 im Kunsthistorischen Institut in Florenz gehalten hat: in einer kritischen Würdigung des bis dahin bekannten CEuvre stellte Graziani die Pieta Serristori an den Anfang der Werke dieses Zeitgenossen und Landsmannes des Sassetta17. Das Bild zeigt einen weißhaarigen Stifter (Abb. 2) im pelzverbrämten Bürgerkleid, der betend rechts hinter dem im Schoß Mariä ruhenden Leichnam Christi kniet. Bis auf einen — ebenfalls weißen— herabhängenden Schnurrbart ist der Stifter bartlos, der Porträtcharakter ist evident. Rechts im Hintergrund steht der hl. Sebald im Pilgergewand, die Muschel am breitkrempigen Hut (Abb. 4), Pilgerstab und Rosenkranz in der Linken, während die Rechte ein großes Kirchenmodell trägt. S. SIBALDUS lautet die Inschrift auf dem Felssockel, auf dem die Kirche steht, und dieser Name meint wohl ebenso den Heiligen wie seine Grabkirche im fernen Nürnberg. Daß der Stifter kein Sienese, sondern ein Nürnberger ist, beweist das zweimal am unteren Bildrand angebrachte Wappen (Abb. 3). Es ist das Wappen der Familie Volckamer, die zu den rats- und gerichtsfähigen Familien der Stadt Nürnberg zählte, später in den Adelsstand erhoben wurde und den Namen Volckamer von Kirchensittenbach annahm. So behält Kaftal teilweise recht mit seiner Vermutung: „Probably the panel was painted for some German pilgrim from Nuremberg“18; wir werden sehen, daß der Dargestellte zwar Nürnberger, aber kein Pilger war. Das Volckamersche Wappen erscheint im Bild etwa so, wie es Rietstap beschreibt — doch mit einer bezeichnenden Abweichung, auf die ich noch zurückkommen werde: „Coupe: au 1 d’argent ä la moitie superieure d’une roue de gueules (= rot); au 2 d’azur ä une fleur-de-lis d’argent; casque couronne. Cimier: la demi-roue renversee, sommee de plumes de coq de sable (= schwarz). Lambrequins d’argent et de gueules“19. Die letztere Angabe ist ungenau: nur die Lorenzer Linie trug die Helmdecke silbern und rot; bei der Sebalder Linie war sie silbern und blau20. Unser Bild zeigt beide Varianten. Mit den Farben des Wappenschildes nahm es der Meister unseres Bildes allerdings nicht allzu genau. Wir können den Stifter des Bildes genauer bestimmen. Es ist Peter Volcka­ mer, seit 1396 Mitglied des Rats, 1414 Bürgermeister, 1426 Obrister Haupt­ mann der Stadt Nürnberg. 1415 vertrat er gemeinsam mit Sebald Pfinzing seine Stadt auf dem Konstanzer Konzil, und seit dieser Zeit, besonders aber in den Jahren seit 1426, hat ihn der spätere Kaiser Sigismund zu vielfältigen diplomati­ schen Missionen gebraucht. Als Sigismund im Herbst 1431 zur Kaiserkrönung 17 A. Graziani, II Maestro dell’Osservanza, in: Proporzioni 2, 1948, pp. 75—88 (p. 80 f., fig. 85); s. auch E. Carli, Sassetta e il Maestro dell’Osservanza, Mailand 1957, pp. 90—91 und im unpaginierten Anhang. 18 G. Kaftal (s. Anm. 15) Sp. 944. 19 J. B. Rietstap, Armorial general, Bd. II, Gouda 1887, p. 1021. 20 W. von Imhoff, Genealogisches Handbuch der z. Z. lebenden rats- und gerichtsfähigen Familien der vormaligen Reichsstadt Nürnberg, 9. Fortsetzung, Nürnberg 1900, p. 233.

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Der Nürnberger Stadtpatron

nach Italien zog, begleitete ihn Volckamer von Augsburg bis Feldkirch und wurde mit dem Auftrag entlassen, während des Königs Abwesenheit für den von Sigismund in den Hussitenkriegen verfolgten Plan einer Einigung der Städte weiter tätig zu sein. Am 16. Juni 1432 schloß Nürnberg mit den Städten Weißenburg und Windsheim ein Bündnis, „um sich beim Reich zu erhalten“. Kurz danach wurde Peter Volckamer nach Italien geschickt, „um dem König über seine bisherigen Verhandlungen mit den Städten zu berichten und das Dreistädtebündnis genehmigen zu lassen“21. „Er traf den König in Siena damit beschäftigt, Vorbereitungen für eine Überwinterung zu treffen. Hier in Siena ereilte den im Dienste für das Reich bewährten Nürnberger Diplomaten am 5. September 1432 der Tod“. In einer handschriftlichen Chronik der Familie Volckamer aus dem 16. Jahrhundert, die das Germanische Nationalmuseum aufbewahrt, findet sich eine zusätzliche Information. In lakonischer Kürze ist Peters Leben verzeichnet: Er kahm zu Nürnberg im Raht, anno 1391 (von späterer Hand berichtigt: 1396) und zog anno 1415 auff das Concilium gen Costnitz und endlich 1432 uff Königs Sigissmundi Crönung in Italien, starb zu Senis und ward daselbst im Thumb begraben21. Unser Bild kann ein Votivbild sein, das der Diplomat in Siena vor seinem Tod in Auftrag gegeben hat. Dann ist es zwischen Juli 1432 (vermutliche Ankunft in Siena) und dem 5. September des gleichen Jahres gemalt. Es kann andererseits als Epitaphbild gemalt sein, und hierfür spricht zweierlei: vor allem die auffällige Anbringung von zwei Volckamerwappen (es kann sich nicht um ein Allianzwap­ pen handeln, denn Peter Volckamers Mutter war eine Nützel, seine Frau eine Haller). Wahrscheinlich ist, daß ein zur Beerdigung nach Siena geeilter Sohn — wenn er nicht gar schon den etwa sechzigjährigen Vater auf seiner Reise begleitet hatte — das Bild malen ließ. Ein weiteres Indiz zugunsten dieser Annahme ist die schon Graziani aufgefallene Porträtähnlichkeit zwischen dem anbetenden Patrizier und seinem Schutzpatron Sebaldus, die fast aussehen wie Vater und Sohn (vgl. Abb. 2 und 4). Einen Sohn Sebald hat Peter Volckamer

21 Dies und das folgende nach H. Müller, Die Reichspolitik Nürnbergs im Zeitalter der luxemburgi­ schen Herrscher 1346—1437, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 58, 1971, p. 1—101 (p. 89); dort auch die Hinweise auf die einschlägigen Quellen, insbesondere die Deutschen Reichstagsakten. Über Peter Volckamer neuerdings Wolfgang von Stromer, Ober­ deutsche Hochfinanz 1350—1450, Wiesbaden 1970, bes. pp. 247 ff., 292 ff. 22 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Ms. 139 789 (* Bg 9158 b, 8°), p. 49. In einer „Nürnberger Chronik aus Kaiser Siegmunds Zeit bis 1434 mit Fortsetzungen bis 1441“, abgedruckt in : Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, hrsg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. I, Leipzig 1862, p. 385, heißt es: Item in demselben jar (1432) da rait der Peter Volkhaymer zu dem kunig gen der Hohen Syn und beleih da innen und starb am Freitag vor unser frawen tag, als sy geporen ward, und zu derselben zeit ward Heincz Fuchss da innen derschossen, und ligen bede bey einander begraben zu der Hohen Syn zu unser frawen in dem thum. — Über die Grabstätte des Peter Volckamer im Sieneser Dom konnte ich nichts in Erfahrung bringen (ein barone Ladislao aus dem Gefolge des Kaisers, der 1433 in Siena starb, erhielt einen Grabstein im Dom von der Hand des Domenico di Niccolo: V. Lusini, 11 Duomo di Siena, Bd. II, Siena 1939, p. 26).

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nicht gehabt. Es liegt nahe, an den Sohn Berthold zu denken, der später die gleichen Ämter bekleidet hat wie sein Vater23. Wir können die Entstehungszeit des Gemäldes des Maestro delhOsservanza aber auch nach unten eingrenzen. Am 6. November 1433 hat Kaiser Sigismund der Familie seines Ratgebers eine Wappenmehrung verliehen : die Volckamer erhalten die Erlaubnis zum Führen einer goldenen Krone auf dem Stechhelm24. Da die beiden Wappen, die sich am unteren Rand des Bildes befinden („lo squillare altero dei due stemmi“ — Graziani), keine Krone auf dem Helm tragen, muß das Bild vor dem 6. November 1433 gemalt sein. Die von Graziani vorgeschlagene Datierung der Tafel in die Zeit von 1425 bis 1430 läßt sich also nicht halten. Dagegen verdient es festgehalten zu werden, daß wir in diesem Gemälde, das im Jahr nach der Vollendung des Genter Altars gemalt ist, ein Stifterbildnis mit offensichtlich individuellen Zügen besitzen. Es ist in diesem Zusammenhang auch an Pisanellos Bildnis des Kaisers Sigismund zu erinnern, das wahrscheinlich im gleichen Jahr, während des Italienaufenthalts des Kaisers, entstanden ist25. Am 25. März 1425 war nach langwährendem Bemühen von seiten der Stadt Nürnberg endlich die Kanonisation des Stadtpatrons durch Papst Martin V. erfolgt. Sie hatte dem Sebalduskult einen neuen Anstoß gegeben. Unter den zahlreichen Kunstwerken, die damals in die Nürnberger Sebalderkirche gestif­ tet wurden, ist auch die sogenannte Volckamersche Verkündigung, die sich heute noch dort befindet. Doch nicht nur die Pilger und die reisenden Diplomaten, auch die Kaufleute aus Nürnberg hatten, wenn sie fern der Heimat ihren Geschäften nachgingen, ihren Stadtpatron gern in erreichbarer Nähe. „Wer Sebald sagte, meinte Nürnberg, nur diese eine Stadt, aber diese ganze Stadt... Er war der Souverän, vor dem sich Nürnbergs Gäste verneigten; er war der Botschafter, wenn Nürnbergs Söhne draußen Beistand brauchten“26. Den deutschen Handelsherren in Venedig, die im Fondaco dei Tedeschi am Rialto zu wohnen verpflichtet waren, hatte die Republik die Kirche S. Bartolomeo al Rialto als Pfarrkirche zugewiesen27. So war es naheliegend, daß die 23 Zur Genealogie der Volckamer siehe vor allem Joh. Gottfried Biedermann, Geschlechtsregister des Hochadligen Patriciats zu Nürnberg, Bayreuth 1748, Taf. 531 B, sowie die handschriftlichen Quellen aus der Sammlung Guido von Volckamer im Germanischen Nationalmuseum. Ich danke den Kollegen Peter Strieder, Leonie von Wilckens und Günter Bräutigam herzlich für ihre liebenswürdige Hilfe. 24 W. von Imhoff (s. Anm. 20) p. 234. Eine alte Kopie des in Basel ausgefertigten Wappenbriefes befindet sich in der Sammlung Volckamer des Germanischen Museums. 25 B. Degenhart, Das Wiener Bildnis Kaiser Sigismunds, ein Werk Pisanellos, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, N.F. 13, 1944, pp. 359—376. — Harald Keller macht mich darauf aufmerksam, daß die Porträtdarstellung eines Stifters in gleicher Größe neben der Muttergottes in so früher Zeit zu den Seltenheiten gehört. 26 A. Borst (s. Anm. 6) p. 172 f. 27 H. M. v. Erffa, Die Deutschen in Venedig und ihre Kirche San Bartolomeo, in: Der Diplomat Hans von Herwarth. Eine Festschrift, Ingolstadt 1974, pp. 73—93.

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Der Nürnberger Stadtpatron

Mitglieder der „Nürnberger Tafel“ am Fondaco ihrem Stadtpatron einen Altar in S. Bartolomeo errichteten. Schon 1385 war auf Veranlassung und Kosten des Stadtrats von Nürnberg eine legend von sant Sebolt nach Venedig geschickt worden28. Seit Anfang des 15. Jahrhunderts werden Nürnberger Bewohner des Fondaco mit dem Taufnamen Sebald erwähnt: 1402 ein Sebold Ellwanger; 1406 ein Sebald Imhoff (Sebaldus In Curia) mit seinen Brüdern; 1420 Sebald Haibach (wohl Halbwachsen)29. Aber erst neun Jahre nach der Heiligsprechung wurde von den Nürnberger Kaufleuten des Fondaco in S. Bartolomeo ein Sebaldusaltar gestiftet. Der Ratsschreiber Müllner berichtet in seinen Annalen30: Die Nürnbergischen Kaufleute, so gen Venedig gehandelt, haben diessjahr (1434) 20 fl ewiger Zins zu einer Mess auf.Skt Sebalds Altar in Skt. Bartholmess Kirche zu Venedig gestiftet. Heinrich Rummel, Kunz Imhoff Erckenbrecht Koler und Fritz Kress sein die ersten Verwalter gewesen und haben die Hauptsumme in die Losungstube zu Nürnberg gelegt. A. 1436 seyn noch 4 fl und A. 1437 noch 2 fl, desgleichen A. 1476 18 fl dazu gestiftet worden, ist also in Allem 44 fli]. Die Stiftung wurde bis 1465 von Anton Paumgartner verwaltet, nach dessen Konkurs übernahmen die Imhoff die Verwaltung. Die Renten der Stiftung dienten zur Besoldung eines Kaplans, den die Nürnberger Kaufleute unterhielten, sowie zur Deckung der Kosten für die feierliche Begehung des Sebaldusfestes (19. August). Der Kaplan war in der Regel ein Deutscher; von 1483 bis 1514 war es pre Luchs12. Im Nürnberger Kreisarchiv liegt eine Urkunde, die besagt, daß diese zwayer Pfründen genannt Sanndt Sebaldts in Venedig 1539 noch bestand33. Mittlerweile hatte der Sebaldskult zu Anfang des 16. Jahrhunderts einen neuen Aufschwung genommen. Die Gebeine des Heiligen ruhten seit 1397 in einem hausförmigen Reliquienschrein, und dieser sollte nun nach dem Wunsch der Kirchenpfleger Ruprecht Haller und Paul Volckamer von einem größeren Gehäuse aus Gelbguß umschlossen werden. Man wandte sich an die beste Gießhütte am Platz und ließ von Peter Vischer dem Älteren 1488 einen Entwurf anfertigen. Dieser hat sich erhalten34, wenngleich die Ausführung erst zwanzig Jahre später, 1508, nach einem anderen Plan begonnen wurde. Am 14. Mai 1507 28 Borst p. 70: Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 54, Nr. 177, f. 144 v. 2V H. Simonsfeld, Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die deutsch-venetianischen Handels­ beziehungen, Stuttgart 1887, Bd. I, p. 141 f., Dok. 292; Bd. II, p. 75 f. '° Johannes Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623 (= Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg Bd. VIII); bisher erschienen: Teil I, Von den Anfängen bis 1350, ed. G. Hirschmann, Nürnberg 1972. M Zitiert nach G. Frhr. von Kreß, Die Stiftung der Nürnberger Kaufleute für den Skt. Sebaldsaltar in der Skt. Bartholomäuskirche zu Venedig, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 11, 1895, pp. 201—211 (p. 201). '2 Kreß p. 204; dort auch die Anstellungsbedingungen für den Kaplan des Sebaldusaltars in S. Bartolomeo. •v' Simonsfeld Bd. II, p. 80; Bd. I, p. 406 f., Dok. 701. 34 Federzeichnung auf Pergament, 1,75 m hoch. Wien, Akademie der bildenden Künste, Kupfer­ stichkabinett der Bibliothek. A. Feulner, Peter Vischers Sebaldusgrab in Nürnberg, München 1924, Abb. 41; K. Pechstein, Beiträge zurGesch. der Vischerhütte in Nürnberg, Diss. Berlin 1962, pp. 49—62. — Vischers Vertragspartner Paul Volckamer ist auch die Stiftung der Passionsreliefs von Veit Stoß und des Volckamerfensters in der Sebalderkirche zu verdanken.

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war offenbar genug Geld gesammelt, um das Gehaus zu des heiligen Himmelsfür­ sten Sant Seholten Sarg von Messing machen zu lassen, denn an diesem Tag schlossen die Nürnberger Ratsherren Anton Tücher d. Ä., Lazarus Holzschuher, Sebald Schreyer und Peter Imhoff ihren Vertrag mit Peter Vischer d. Ä., der sogleich mit der Arbeit anfing. Die östliche Hälfte des Sockels war 1508 fertig, wie die Inschrift Ein anfang durch mich peter vischer 1508 beweist. Wohl 1509 entstand die Figur des Heiligen mit dem Kirchenmodell in der Linken (Abb. 5)35.

Zwei von den Vertragspartnern auf der Seite des Patriziats hatten Beziehun­ gen zu Venedig: Peter Imhoff war 1499 einer der beiden cottimieri des Fondaco dei Tedeschi — so nannte man damals die Verwalter der unter den deutschen Kaufleuten erhobenen Umlage, des cottimo; später hießen sie Konsuln. Anton Tücher war, wie aus seinem Haushaltsbuch von 1507—1517 hervorgeht, zu dieser Zeit Mitglied einer Bruderschaft in Venedig36. Zur gleichen Zeit, als in Nürnberg die Arbeit am Sebaldusgrab beginnt, wird in Venedig, in der Pfarrkirche S. Bartolomeo, eine neue Orgel eingerichtet. Aus einer viel späteren, aber zuverlässigen Quelle kennt man den Stifter: Alvise Ricci. Er war vom 7. Oktober 1507 bis zu seinem Tode 1509 vicario der Kirche; diesen Titel führte der vom Patriarchen von Venedig eingesetzte Erste Geistli­ che an S. Bartolomeo. Zwei bewegliche Flügel mit Heiligendarstellungen auf der Vorder- und Rückseite sollten das Orgelgehäuse schmücken. Den Auftrag für die Malerei erhielt der junge Sebastiano del Piombo, der sich mit der Ausfüh­ rung alsbald einen Namen machte. Auf den Außenseiten der Flügel, also bei geschlossenem Gehäuse sichtbar, stehen die hl. Bartholomäus und Sebastian unter einem großen Triumphbogen37. Das sind der Kirchenpatron und der Schutzheilige der Schützenbruderschaft, die hier ihr Oratorium hatte. Wurden die Orgelflügel aufgeklappt, so zeigten sich in Rundbogennischen links der hl. Ludwig von Toulouse, rechts der hl. Sinibaldus (Abb. 6)38. Läßt sich der erstere vs Durch einen Nürnberger, den eben genannten Sebald Schreyer, war der Sebalduskult auch nach Schwäbisch Gmünd übertragen worden: Schreyer war 1505 mit seiner Frau vor der in Nürnberg herrschenden Pest nach Gmünd geflohen und blieb dort bis Februar 1506. Aus Dankbarkeit stiftete er für die Schreyerkapelle im Heiligkreuzmünster einen Sebaldusaltar, der noch dort erhalten ist. Der Altar ist ein Werk Nürnberger Künstler: im Mittelschrein steht der Heilige in Pilgertracht mit dem Kirchenmodell, rechts und links von ihm das Stifterpaar; die Flügelgemälde stammen aus der Dürerwerkstatt. 1508 ist der Altar nach Gmünd geliefert worden, also gleichzeitig mit dem Beginn der Arbeiten am Sebaldusgrab. Vorher schon, 1507, war in derselben Kirche ein Glasfenster aus der Werkstatt Dürers mit dem Bild des hl. Sebald eingesetzt worden, auch dieses eine Stiftung Sebald Schreyers. O. Schmitt, Das Heiligkreuzmünster in Schwäbisch Gmünd, Stuttgart 1951, pp. 24, 36—38; Taf. 77—82; Elisabeth Caesar, Sebald Schreyer, ein Lebensbild aus dem vorreformatorischen Nürnberg, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 56, 1969, pp. 1—213 (p. 149ff.). 36 Simonsfeld Bd. II, p. 80, Anm. 3; p. 78, Anm. 22. 37 Dieser Bogen ist erst bei der jüngsten Restaurierung 1941 zum Vorschein gekommen und wiederhergestellt worden, Den älteren Zustand zeigen noch die Abb. 4—7 bei L. Dussler, Sebastiano del Piombo, Basel 1942. R. Pallucchini, Sebastian Viniziano, Mailand 1944, gibt den heutigen Zustand. 38 Heute sind die Tafeln einzeln in der Kirche aufgehängt.

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Abb. 1: Maestro dell’Osservanza, Marienklage mit dem Stifter Peter Volckamer und dem hl. Sebald, 1432/33. Siena, Monte dei Pasdii di Siena.

Abb. 3: Aussdinitt aus Abbildung 1.

Abb. 4: Aussdinitt aus Abbildung 1.

Abb. 6: Sebastiano del Piombo, Hl. Sinibaldus, um 1508. Venedig, S. Bartolomeo.

Abb. 5: Peter Vischer der Ältere, Hl. Sebald vom Sebaldusgrab in Nürnberg, 1509.

Abb. 7: Ausschnitt aus Abbildung 6.

Abb. 8: Ausschnitt aus Abbildung 6.

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Der Nürnberger Stadtpatron

leicht als Namenspatron des Orgelstifters erklären39, so deutet die Anwesenheit des anderen Heiligen auf den soeben erwähnten Sebaldusaltar der Nürnberger Kaufleute. Unser Heiliger ist hier, wohl weil er nicht jedem Kirchenbesucher sogleich erkennbar sein dürfte, mit einem großen Namensschild versehen, das vorn rechts am Nischenrand aufrechtsteht; bei den drei anderen Heiligen schien ein solches Schild wohl entbehrlich. Sinibaldus ist ein rüstiger Mann mit langem Bart, in kurzer Reisetracht, mit Pilgerstab und Tasche; die Rechte greift in den Rosenkranz, den er um den Hals gehängt trägt. Den Schlapphut mit den Pilgerzeichen (Abb. 7) kennen wir bereits von anderen Bildern des Heiligen. Was fehlt, ist das Kirchenmodell. Statt dessen ist ein anderer Hinweis auf die Heimat des Heiligen gegeben: der Maler hat auf das Blatt, das die Namensinschrift trägt (Abb. 8), eine zusammen­ gedrängte Gruppe von Bauwerken vergleichsweise nordischer Prägung gemalt, so daß man versucht ist, in dieser ungewöhnlichen Zutat eine Art Stadtmodell von Nürnberg zu sehen. Vielleicht gelingt es eines Tages, Sebastianos Vorbild für dieses Detail zu ermitteln. Die Nachricht von der Stiftung der Orgel durch Alvise Ricci stammt erst aus dem 18. Jahrhundert. Es wäre theoretisch durchaus möglich, daß sie verstüm­ melt auf uns gekommen ist und daß sich die Nürnberger Kaufleute an der Stiftung, soweit sie ihren Stadtpatron betraf, beteiligt haben. Sieht man sich um, wer in den Jahren um 1507 im Fondaco besonderen Anlaß zu einer solchen Stiftung gehabt hätte, so heben sich unter den Nürnberger Kaufleuten drei mit Taufnamen Sebald heraus: 1506 ist Sebald Kneissel Konsul der deutschen Kaufmannschaft, 1508—1512 hat Sebald Grundlach dies Amt inne. Außerdem aber finden wir in der 1508 aufgestellten Liste der ersten Mieter im neu eröffneten Fondaco — er war nach dem Brand von 1505 von Grund auf neu errichtet worden — den Namen „Sinibaldo Rizo“, den Simonsfeldversuchswei­ se mit dem in Anton Tuchers Haushaltsbuch erwähnten Sebald Reich gleich­ setzt40. Ohne genauere Nachforschungen möchte ich aber nicht wagen, aus der Lautverwandtschaft der Namen Ricco (Ricci) und Rizzo weitere Schlüsse zu ziehen. Daß Sebastiano del Piombos Heiliger Sinibaldus eine Stiftung Nürnber­ ger Kaufleute war, muß bis auf weiteres Hypothese bleiben. Bildnachweis: Barsotti, Florenz: Abb. 1—4. — Staatl. Bildstelle, Berlin: Abb. 5. — Fiorentini: Abb. 6, 7. — Dr. Jürgen Julier, Venedig: Abb. 8.

Alvise ist die venezianische Form von Aloysius = Luigi. 40 Simonsfeld Bd. I, p. 364, Dok. 658. ln einer zweiten Fassung der Liste lautet der Name Sinisbaldo Rizzo. Zur Gleichsetzung mit Sebald Reich: ebenda Bd. II, p. 193. 2

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KLOSTERHUMANISMUS IN NÜRNBERG UM 1500 Von Franz Machilek* Die Geschichte des geistigen Strebens in den Nürnberger Klöstern liegt noch sehr im Dunkeln; noch niemand hat danach gefragt wann und wie weit humanistische Interessen in sie eingezogen sind. Unzweifelhaft waren sie alle mehr oder weniger mit dem neuen Geiste in Berührung gekommen... Mit diesen Sätzen hat Arnold Reimann (t 1938) den Stand der Kenntnis über den Humanismus in den Nürnberger Klöstern in seiner 1944 durch Hans Rupprich posthum veröffent­ lichten, im wesentlichen aber bereits um die Jahrhundertwende konzipierten Untersuchung über die älteren Pirckheimer Umrissen und weiterhin Georg Pirckheimer, den Prior der Kartause Marienzelle, als einen in mehrfacher Hinsicht typischen Vertreter des Humanismus in den Nürnberger Klöstern vorgestellt1. Dieser Humanismus wurde seither zwar durch spezielle Arbeiten in Einzelzügen weiter erhellt, eine eingehende Gesamtwürdigung steht aber noch aus2. * Erweiterte Fassung eines im Mai 1976 an der Kirchlichen Gesamthochschule Eichstätt und im Februar bzw. März 1977 am Zentralinstitut für fränkische Landeskunde und allgemeine Regio­ nalforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg in Erlangen sowie vor dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg gehaltenen Vortrags. — In den Anmerkungen werden die folgenden Sigel und Abkürzungen verwendet: AK AnzGNM BHStAM BrCP BStBM Clm GNMN Hain

JfL MABK MVGN Rst. StadtBN StAN StMOSB WPBr WürttLBSt

Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek Nürnberg Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Bayer. Hauptstaatsarchiv München Briefe von, an und über Caritas Pirckheimer aus den Jahren 1498—1530, hrsg. v. Josef Pfänner, Landshut 1966 (Caritas Pirckheimer-Quellensammlung 3) Bayerische Staatsbibliothek München Codex latinus Monacensis (der BStBM) Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg Ludovicus Hain, Repertorium bibliographicum, in quo libri omnes ab arte typographica inventa usque ad annum MD typis expressi... recensentur, 2 Teile, Stuttgart-Paris 1826—1838 Jahrbuch für fränkische Landesforschung Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Reichsstadt Stadtbibliothek Nürnberg Staatsarchiv Nürnberg Studien und Mitteilungen aus dem Benediktinerorden (und seiner Zweige) Willibald Pirckheimers Briefwechsel, 2 Bde., in Verb, mit Arnold Reimann hrsg. u. erl. v. Emil Reicke, München 1940—1956 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart

1 Arnold Reimann, Die älteren Pirckheimer. Geschichte eines Nürnberger Patriziergeschlechtes im Zeitalter des Frühhumanismus (bis 1501). Aus dem Nachlaß hrsg. v. Hans Rupprich. Mit einer Einführung v. Gerhard Ritter, Leipzig 1944, S. 160 ff. (Zitat S. 161). 2 Die Spezialuntersuchungen werden im folgenden in den Anmerkungen zitiert. — Vorläufige

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Allgemein ist die Bedeutung der Klöster als Stätten humanistischen Strebens neben Universitäten, Fürstenhöfen und patrizisch-bürgerlichen Kreisen in den Städten bisher noch nicht genügend beachtet und untersucht worden3. Vor wenigen Jahren hat Paul Oskar Kristeller die erste umfassende Liste humani­ stisch gesinnter Ordensmitglieder vornehmlich aus Italien und Deutschland im Zeitraum von 1400 bis 1530 zusammengestellt und den hohen Beitrag der Humanisten in den Klöstern zur religiösen Kultur der Renaissanceperiode hervorgehoben4. Die bisher in der Literatur vorliegenden Antworten auf die Fragen nach der Bedeutung der Klosterreformen im Prozeß der Rezeption des Humanismus in den Klöstern, nach Bewahrung und Fortsetzung mittelalter­ licher Traditionen durch die dort lebenden Humanisten, nach deren Verhältnis zur weltlichen Bildung und ihrer Einschätzung von vita activa, vita contemplativa und vita solitaria lassen erkennen, wie sehr der vielfach schwankende Begriff des Humanismus gerade im Hinblick auf sein Erscheinungsbild in den Klöstern noch der Korrektur bedarf5. Auf diesen Umstand hat vor wenigen Jahren Klaus Überblicke über den Humanismus in den Nürnberger Klöstern bei Amalie Stahl, Nürnberg vor der Reformation. Eine Studie zur religiös-geistigen Entwicklung der Reichsstadt, Diss. phil. Masch. Erlangen 1949; Romuald Bauerreiß, Kirchengeschichte Bayerns, Bd. 5, St. Ottilien 1955, bes. 136 ff.; Bd. 6, Augsburg 1965, S. 10 ff.; Josef Pfänner, Geisteswissenschaftlicher Humanis­ mus, in: Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, hrsg. v. Gerhard Pfeiffer, München 1971, S. 127—133 (Klöster S. 131 f.); Irmgard Höß, Das religiöse Leben vor der Reformation, ebd. S. 137—146 (Klöster S. 145 f.); Andreas Kraus, Gestalten und Bildungskräfte des fränkischen Humanismus, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, hrsg. v. Max Spindler, Bd. III/l, München 1971, S. 556—602 (Nürnberg S. 582 ff.; mit ausführlichen bibliographischen Hinweisen). — Hervorhebung verdienen die knappen Hinweise auf die Bedeutung der Nürnber­ ger Klöster als Heimstätten eines devoten Humanismus vor der Reformation und auf die Verbindung der Pirckheimer zu diesen Klöstern bei Wilhelm Maurer, Humanismus und Reformation im Nürnberg Pirckheimers und Dürers, JfL 31 (1971), S. 19—34, hier S. 25: Gebildete Laieny die Repräsentanten der Stadtaristokratie, waren wie die Pirckheimerfamiliär und religiös mit den Stadtklöstern verbunden und lebten von den Anregungen, die von diesen Stätten geistlichen Lebens ausgingen. Wir können deren Bedeutung für den Durchbruch um die Gestaltung der Nürnberger Reformation gar nicht hoch genug veranschlagen. — 1935 sammelte Liselotte Karl aus Nürnberg im Staatsarchiv Nürnberg Material für eine von Prof. Bernhard Schmeidler angeregte Doktordissertation über Das Eindringen des Humanismus in die fränkischen Klöster; diese Arbeit scheint jedoch nicht zum Abschluß gelangt zu sein. 3 Ein gut orientierender Überblick zum Stand der Humanismus-Forschung bei Rüdiger Land­ fester, Historia Magistra Vitae. Untersuchungen zur humanistischen Geschichtstheorie des 14. bis 16. Jahrhunderts, Diss. phil. Freiburg i. Br., Genf 1972 (Travaux d’humanisme et renaissance 123), bes. S. 17 ff. — Eine zusammenfassende Darstellung des Humanismus in Deutschland (mit ausführlichen Literaturangaben) bei Hans Rupprich, Vom späten Mittelalter bis zum Barock. Erster Teil: Das ausgehende Mittelalter, Humanismus und Renaissance 1370—1520, München 1970 (Geschichte der deutschen Literatur, hrsg. v. Helmut de Boor und Richard Newald t, Bd. IV/1), S. 425 ff., 775 ff. (Lit.), sowie bei Heinz Otto Burger, Renaissance — Humanismus — Reformation. Deutsche Literatur im europäischen Kontext, Bad Homburg — Berlin — Zürich 1969. 4 The Contribution of Religious Orders to Renaissance Thought and Leaming, in: Paul Oskar Kristeller, Medieval Aspects of Renaissance Learning. Three Essays, ed. and transl. by Edward P. Mahoney, Durham 1974 (Duke Monographs in Medieval and Renaissance Studies 1), S. 95—158. 5 Die Bedeutung der Klosterreformen des 14./15. Jahrhunderts für die Belebung der Klosterge­ lehrsamkeit hat schon Paul Joachimsen, Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus, Leipzig-Berlin 1910, bes. S. 40 f. stark betont: 2*

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Arnold in seinem Buch über Johannes Trithemius, den Benediktinerabt von Sponheim und St. Jakob in Würzburg, besonders hingewiesen6. Zur Kenn­ zeichnung der spezifischen Ausprägung des Humanismus bei Trithemius, dem das Leben im Kloster die angestrebte Verknüpfung von Wissenschaft und Frömmigkeit in idealster Weise zu ermöglichen schien, verwendet Arnold den auch hier im folgenden gebrauchten Begriff Klosterhumanismus7, in Anlehnung an die vor mehr als fünfzig Jahren erstmals erschienenen Beiträge zur Geschichte des Humanismus in Oberösterreich von Richard Newald, die längst als wichtiger Beitrag zur neueren Humanismusforschung anerkannt sind8. Arnold stellt . . .für den Betrieb der Wissenschaften begann in den reformierten Klöstern in der Tat eine neue Zeit . . . (Zitat S. 41). Einzelbeispiele hierzu bei Eduard Winter, Frühhumanismus. Seine Entwick­ lung in Böhmen und deren europäische Bedeutung für die Kirchenreformbestrebungen im 14. Jahrhundert, Berlin 1964 (Beiträge zur Geschichte des religiösen und wissenschaftlichen Denkens 3). — Allgemein zum Verhältnis der Humanisten zur Scholastik und lateinischen Tradition jetzt: Wilhelm Köimel, Scolasticus literator, Historisches Jahrbuch 93 (1973), S. 301—335; im besonderen bei den Dominikanern: Martin Greschat, Martin Bucers Bücherver­ zeichnis von 1518, Archiv für Kulturgeschichte 57 (1975), S. 162—185, bes. S. 164 ff., 183. — Zur Lebensweise in den einzelnen Orden: Karl Suso Frank, Grundzüge der Geschichte des christ­ lichen Mönchtums, Darmstadt 1975 (Grundzüge 25). — Beispiele zur Selbstbesinnung auf die Aufgaben des Mönches im Benediktinerorden unter dem Einfluß von Klosterreform und Humanismus bei: Johannes Trithemius, De laude scriptorum. Zum Lobe der Schreiber, eingel., hrsg. und übers, v. Klaus Arnold, Würzburg 1973 (Mainfränkische Hefte 60); David I. Howie, Benedictine Monks, Manuscripts Copying, and the Renaissance: Johannes Trithemius’ »De laude scriptorum«, Revue benedictine 86 (1976), S. 129—154. — Zur humanistischen Ge­ schichtstheorie neben Landfester (wie Anm. 3): Peter Schaeffer, The Emergence of the Concept „Medieval“ in Central European Humanism, Sixteenth Century Journal 7 (1976), S. 21—30. — Insgesamt wichtig: Otto Herding, Probleme des frühen Humanismus in Deutschland, Archiv für Kulturgeschichte 38 (1956), S. 344—389. 6 Johannes Trithemius (1462—1516), Würzburg 1971 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg XXIII), S. VII, 225 ff. (künftig zitiert: Arnold, Johannes Trithemius). 7 Ebd. S. 217 ff., 227. 8 Erstmals gedruckt: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins 81 (1926) S. 155—223; jetzt zugänglich in: Richard Newald, Probleme und Gestalten des deutschen Humanismus, hrsg. v. Hans-Gert Roloff, Berlin 1963, S. 67—112 (2. Der Klosterhumanismus S. 82—102). —Josef Oswald bezeichnete in einem 1969 veröffentlichten Beitrag über die Freundschaft der humani­ stisch gesinnten Abte Angelus Rumpler von Formbach und Wolfgang Marius von Aldersbach den sogenannten bayerischen Klosterhumanismus als eine Sonderart des deutschen Späthumanis­ mus, die sich auf kirchlich gläubiger Grundlage in vielen Klöstern Bayerns im ausgehenden 15. und in den ersten Jährzehnten des 16. Jahrhunderts entwickelt hatte: Bayerische Humanistenfreund­ schaft. Die Äbte Angelus Rumpler von Formbach und Wolfgang Marius von Aldersbach, in: Festschrift für Max Spindler zum 75. Geburtstag, hrsg. v. Dieter Albrecht, Andreas Kraus, Kurt Reindel, München 1969, S. 379—400, hier S. 401. Der Klosterhumanismus zeigt sich nach Oswald als Frucht der spätmittelalterlichen Reformkonzilien und monastischen Reformbewegun­ gen. Den Erzhumanisten Konrad Celtis, der in vielen Konventen Freunde und Schüler hatte, nennt Oswald den unmittelbaren Vater des bayerischen Klosterhumanismus (S. 402). Auch Rupprich, Die deutsche Literatur, verwendet den Begriff Klosterhumanismus mehrfach (S. 486, 516). Kristeller, The Contribution, spricht von monastic humanists (S. 111). — Vergleiche zur Erscheinung des Klosterhumanismus in Nürnberg bieten für die Reichsstädte Augsburg und Ulm: Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Strukturanalyse der oberdeutschen Reichsstadt, Augsburg 1971, bes. S. 309 ff.; Gottfried Geiger, Die Reichsstadt Ulm vor der Reformation. Städtisches und kirchliches Leben

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Trithemius dabei in eine Reihe mit berühmten Zeitgenossen wie Baptista (Spagnoli) Mantuanus und Arnold Bostius aus dem Karmelitenorden, Charles Fernand aus dem Benediktinerorden und Robert Gaguin aus dem Trinitarierorden, warnt aber zugleich davor, die bei Trithemius gewonnenen Ergebnisse zu verallgemeinern, und will diese in erster Linie als Anregung bei weiteren Forschungen über den Humanismus in den Klöstern verstanden wissen9. Von Arnolds Anregungen ausgehend sei hier im folgenden versucht, nach einer einleitenden Übersicht über die Voraussetzungen Eigenart und Bedeutung des Humanismus in den Nürnberger Klöstern am Beispiel seiner Hauptvertre­ ter darzulegen10. In Nürnberg entstanden in mittelalterlicher Zeit sechs Männer- und zwei Frauenklöster. Die älteste Gründung war die des Benediktiner-Schotten­ klosters St. Egidien um das Jahr 1140. Im 13. Jahrhundert entstanden nachein­ ander die Klöster der Minderbrüder des hl. Franziskus (Barfüßer), der Klarissen, der Augustinereremiten, der Predigerbrüder des hl. Dominikus, der Karmeliten (Frauenbrüder) und der Dominikanerinnen. Die letzte Gründung des Mittel­ alters war die der Kartause Marienzelle im letzten Viertel des 14. Jahrhun­ derts11. Mit Ausnahme der Niederlassung des Kartäuserordens, der sich rühmen konnte, nie der Reform bedurft zu haben, schlossen sich alle anderen Nürnber­ ger Konvente, meist unter maßgeblicher Beteiligung des Rates der Stadt, seit Ende des 14. und im Verlauf des 15. Jahrhunderts den Reformrichtungen ihrer Orden an und gaben die Reform bald an andere Klöster weiter. Der Anschluß an die Reform öffnete die Konvente für wissenschaftliches Streben und bereitete den Boden zur Aufnahme neuer geistiger Einflüsse12. Der geistige Aufschwung in den Klöstern wird deutlich an der mit der Reform verstärkt einsetzenden Sorge um die Klosterbibliotheken. Für das Barfüßerklo­ ster und das Dominikanerinnenkloster St. Katharina geben um die Mitte des 15. Jahrhunderts angelegte Kataloge Einblick in Umfang, Zusammensetzung

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am Ausgang des Mittelalters, Ulm 1971, bes. S. 63 ff. — Als neuere Vergleichsuntersuchung für ein Landkloster sei angeführt: Virgil E. Fiala, Humanistische Frömmigkeit in der Abtei Neresheim, StMOSB 86 (1975), S. 108—129. Arnold, Johannes Trithemius, S. 227. Vf. hat bereits 1973 in seiner Besprechung des Buches von Arnold, Johannes Trithemius, in dieser Zeitschrift (60 [1973], S. 368—369) auf den Klosterhumanismus in Nürnberg hingewiesen. Zur Gründungszeit der Nürnberger Klöster im einzelnen: Erich Frhr. von Guttenberg — Alfred Wendehorst, Das Bistum Bamberg. Zweiter Teil: Die Pfarreiorganisation, Berlin 1966 (Germa­ nia Sacra Abt. II, Bd. 1/2), S. 291. Zusammenfassend zu den Klosterreformen: Johannes Kist, Klosterreform im spätmittelalter­ lichen Nürnberg, Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 32 (1963), S. 31—45; ergänzend hierzu lassen sich heranziehen: Paul L. Nyhus, The Franciscans in South Germany, 1400—1530: Reform and Revolution, Philadelphia 1975 (Transactions of the American Philosophical Society, N.S., Vol. 65, P. 8), bes. S. 9 und 26 f. (Barfüßer in Nürnberg); Eva Spielvogel, Georg Falder Pistoris, Reformator österreichischer und süddeutscher Dominikanerklöster des 15. Jahrhun­ derts, Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 83 (1975), S. 325—351 (Dominikaner- und Dominikanerinnenkloster in Nürnberg).

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und Aufstellung der Klosterbibliotheken. Danach erscheint die Bibliothek des Barfüßerklosters mit insgesamt 277 Handschriften als eine sorgfältig ausgewähl­ te Studienbibliothek mit vornehmlich exegetischer, scholastischer und homile­ tischer Literatur. Neben dieser waren aber auch kanonistische, medizinische und naturwissenschaftliche Werke in größerer Zahl vorhanden. Nur spärlich war demgegenüber die Legendenliteratur vertreten. Rein erbauliche Werke fehlten fast völlig. Für die Weite der geistigen Interessen im Kloster spricht das Vorhandensein einer Reihe von Handschriften mit Werken antiker Autoren wie Valerius Maximus, Seneca, Ovid, Boethius, Macrobius und Sallust sowie von Werken des Giovanni Boccaccio und Francesco Petrarca13. Aus dem Katharinenkloster liegen ein Verzeichnis der im Privatbesitz der Schwestern befindlichen Bücher und ein allgemeiner Bibliothekskatalog vor, die zusammen rund 400 Handschriften umfassen, darunter vor allem zahlreiche Werke mysti­ schen und aszetischen Inhalts14. Für die Kartause gibt das mit dem Jahr 1429 einsetzende und bis etwa 1510 führende Register der namhafsten wolthat und almusen der Carthaus zu Nürmherg Aufschluß über zahlreiche Bücherschenkun­ gen aus Bürgertum und Klerus15. Die Bibliothek des Dominikanerklosters wuchs bis 1488 auf 600 Bände an16. Für sieben der acht Nürnberger Klöster ist das Bestehen eigener Buchbinderwerkstätten nachgewiesen17. Eine beträchtliche Zahl von Konventualen wurde zu Studien an die Universi­ täten und Ordenskollegien entsandt18. In den vier Mendikantenkonventen sorgten Lektoren für die wissenschaftliche Ausbildung der Kleriker19. Albert Büchelbach, der Guardian der Barfüßer, der sich 1447 um die Errichtung eines 13 Druck des Katalogs: MABK Bd. III, Teil 3: Bistum Bamberg, bearb. v. Paul Ruf, München 1939 (Nachdr. 1961), S. 755—765. Dazu: Ulrich Schmidt, Das ehemalige Franziskanerkloster in Nürnberg, Nürnberg 1913, S. 44 f.; Ladislaus Buzas, Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, Wiesbaden 1975, S. 72; Nyhus, S. 17. 14 Druck: MABK III/3, S. 578—596 und 599—637. Die erhaltenen deutschen Handschriften sind beschrieben in: Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg, Bd. I: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften, bearb. v. Karin Schneider, Wiesbaden 1965, S. 1—429; einige lateinische in: Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg, Bd. II: Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften, Teil 1: Theologische Handschriften, bearb. v. Karin Schneider, Wiesbaden 1967, S. 390 (Reg.). Zur Bibliothek auch Buzas, S. 93. 15 Druck bei Johann Ferdinand Roth, Geschichte und Beschreibung der Nürnbergischen Karthau­ se, Nürnberg 1790, S. 75—96. 33 lateinische theologische Handschriften aus der Kartause, die heute in der Stadtbibliothek Nürnberg verwahrt werden, sind beschrieben in: Die Handschrif­ ten der Stadtbibliothek Nürnberg, Bd. II: Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften, Teil 1: Theologische Handschriften, bearb. v. Karin Schneider, Wiesbaden 1967, S. 390 (Reg.); dazu ebd. S. XII. 16 Friedrich Bock, Das Nürnberger Predigerkloster, MVGN 25 (1924), S. 145—207, hier S. 188. Die in der Stadtbibliothek Nürnberg erhaltenen theologischen Handschriften des Dominika­ nerklosters sind beschrieben in: Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg, Bd. II/l (Reg. S. 390). 17 Ernst Kyriss, Nürnberger Klostereinbände der Jahre 1433—1525, Phil. Diss. Erlangen 1940. 18 Einzelangaben bei Johannes Kist, Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg 1400— 1556, Würzburg 1965 (Register der Studienorte S. 530 ff.); vgl. auch Kist, Ordenskleriker an den Universitäten des Spätmittelalters, Fränkisches Land 1 (1953/54), S. 81—82. 19 Johannes Kist, Klerus und Wissenschaft im spätmittelalterlichen Bistum Bamberg. Rektoratsre­ de, gehalten anläßlich des 316. Stiftungsfestes der Philosophisch-theologischen Hochschule Bamberg, 23. November 1963, Bamberg 1963, S. 23.

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Generalstudiums für die oberdeutsche Observantenprovinz im Nürnberger Kloster bemühte, erlangte dafür zwar die päpstliche Genehmigung, doch scheint das Studium wegen der damals im Kloster ausgebrochenen Richtungs­ streitigkeiten nicht verwirklicht worden zu sein20. Als Mittelpunkte der Observanzbewegungen waren die Nürnberger Ordens­ häuser häufig Tagungsorte der Provinzialkapitel der einzelnen Orden. Provinz­ versammlungen sowie Aufenthalte von Provinzvikaren und Visitatoren in den Klöstern der Reichsstadt boten vielfältige Möglichkeiten des geistigen Austau­ sches. Die Benediktineräbte der Mainz-Bamberger Ordensprovinz fanden sich zwischen 1439 und 1490 sechsmal zu ordentlichen Kapiteln im Egidienkloster zusammen21. Von 53 Kapiteln der Provinzväter der Karmeliten im Zeitraum 1420—1500 fanden allein 25 in Nürnberg statt22. In den Jahren 1463 und 1489 tagten die Kapitulare der oberdeutschen Provinz der Franziskanerobservanten in Nürnberg. Anläßlich des Kapitels von 1489 wurde in Anwesenheit des Generalvikars der ultramontanen Observanten und berühmten Predigers Olivier Maillard unter Führung der Ordensgelehrten Stephan Brulefer aus Mainz und Paul Scriptoris aus Tübingen eine gelehrte Disputation abgehalten, an der neben anderen auch der Ingolstädter Professor und Bamberger Prediger Niko­ laus Tinctoris und der damals als Mitarbeiter der Kobergeroffizin nachweisbare Johann Beckenhaub teilnahmen23. Schon kurze Zeit nach den ersten, um 1445 im Kreis um den Ratskonsu­ lenten Gregor Heimburg zu beobachtenden Regungen humanistischen Interes­ ses in Nürnberg24, lassen sich — zunächst vereinzelt — Zeugnisse einer unmittelbaren Berührung der Konvente mit Vertretern der neuen Geistesrich­ tung feststellen. Als erste Kontaktperson im Egidienkloster ist der dem Konvent nahestehende Bamberger Offizial Michael Ludovici (f 1450) zu nennen, der 1437 die Universität Leipzig und 1441 zusammen mit Andreas Rummel die Universität Padua bezogen hatte und der 1449 dem Kloster 20 Nicolaus Glassberger, Chronica, Quaracchi 1887 (Analecta Franciscana II), S. 318 ff.; Schmidt, Das ehemalige Franziskanerkloster, S. 42 f.; Kist, Klerus und Wissenschaft, S. 23; Hochschul­ stadt Nürnberg 1448—1968, bearb. v. Karlheinz Goldmann, Nürnberg 1968 (AK 61), S. 5 ff. 21 Josef Zeller, Liste der Benediktiner-Ordenskapitel in der Provinz Mainz-Bamberg seit dem Konstanzer Konzil, StMOSB 42 (1924), S. 184—195, hier S. 186 ff. 22 Adalbert Deckert, Die oberdeutsche Provinz der Karmeliten nach den Akten ihrer Kapitel von 1421 bis 1529, Rom 1961 (Archivum historicum carmelitanum I), S. 233 ff., 355 ff.; Kist, Klerus und Wissenschaft, S. 38. 23 Glassberger, Chronica, S. 409 f. bzw. 504 ff.; Schmidt, Das ehemalige Franziskanerkloster, S. 39 bzw. 46; Parthenius Minges, Geschichte der Franziskaner in Bayern, München 1896, S. 54 ff. Zum Kapitel 1489 auch Reimann, S. 173; eine lateinische Begrüßungsansprache, gehalten von Dr. Peter Stahel d. A. im Auftrag des Rates anläßlich des üblichen Weinausschankes an die Provinzväter, belegt in: StAN, Rst. Nürnberg, Ratsbücher, Nr. 5, fol. 82’. 24 Max Herrmann, Die Reception des Humanismus in Nürnberg, Berlin 1898, S. 5; Heinrich Gebhard Butz, Niklaus von Wile. Zu den Anfängen des Humanismus in Deutschland und in der Schweiz, Jahrbuch für Geschichte der oberdeutschen Reichsstädte — Eßlinger Studien 16 (1970), S. 21—105, hier S. 31, 76 f.; Kraus, Gestalten, S. 583 f.; Morimichi Watanabe, Gregor Heimburg and Early Humanism in Germany, in: Philosophy and Humanism. Renaissance Essays in Honor of Paul Oskar Kristeller, ed. by Edward P. Mahoney, Leiden 1976.

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zusammen mit einem größeren Bücherlegat auch seine in Padua angelegten Kolleghefte aus den Jahren 1441—1444 schenkte25. Als sich im Lauf des Jahres 1460 der große Platoniker Johannes Kardinal Bessarion in politischer Mission als Werber für einen Kreuzzug gegen die Türken zweimal für kürzere Zeit in Nürnberg aufhielt, nützte er die Gelegen­ heit zugleich für Besuche in den Klöstern der Reichsstadt. Bekannt sind bisher Besuche Bessarions im Egidienkloster, in der Kartause und bei den Klarissen26. Nach den Besitzvermerken in vier heute in der Markusbibliothek zu Venedig verwahrten Pergamenthandschriften exegetischer Werke des einflußreichen Franziskanertheologen Nikolaus von Lyra hat der Kardinal diese von den Kartäusern in Nürnberg erworben27. Mit großer Wahrscheinlichkeit gilt dies auch für eine zweibändige Abschrift des Traktats über die Schöpfung des Pariser Bischofs und stark platonisch-augustinisch orientierten Scholastikers Wilhelm von Auvergne aus dem Besitz der Nürnberger Kartäuser, die sich heute gleichfalls in der Markusbibliothek befindet28. Daß von dem Besuch des Latinorum Graecissimus, Graecorum Latinissimus, wie Bessarion von seinem Freund Lorenzo Valla genannt wurde29, Impulse auf das Geistesleben in den Nürnberger Konventen ausgingen, ist zwar anzunehmen, läßt sich aber quellen­ mäßig nicht fassen. Als knapp ein Jahrzehnt später der Buchdruck mit Johann Sensenschmidt aus Eger von Bamberg her in Nürnberg Fuß faßte, gehörten die Kartäuser unter ihrem Prior Fiermann Reinpot zu den ersten, die sich für die neue Kunst der Buchherstellung in Nürnberg einsetzten. Der früheste mit Impressum auf 1470 datierte Druck Sensenschmidts, das Comestormm viciorum des Wiener Domi­ nikaners Franz von Retz wurde nach einem handschriftlichen Vermerk in dem aus der Nürnberger Kartause stammenden Exemplar den Kartäusern 1472 von Heinrich Rummel und seinen Druckern geschenkt, nachdem ihnen jene meh­ rere Bücher aus ihrer Bibliothek ausgeliehen hatten30. Das Wohltäterregister 23 StadtBN, Cent. II, 83. — Franz Xaver Pröll, Kulturelle Beziehungen zwischen Nürnberg und Italien, in: Nürnberg und Italien. Die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen, Nürnberg 1965 (AK 44), Nr. 38 u. Text (unpag.). Zu Michael Ludovici: Kist, Die Matrikel, Nr. 4075, S. 268. Er schenkte dem Egidienkloster nach Ausweis des Jahrtagsregisters 70 Bände sowie je 100 fl. für einen Jahrtag und für die Errichtung eines neuen Bibliotheksraumes: MABK III/3, S. 424; Kist, Klerus und Wissenschaft, S. 9. 26 Günther Schuhmann, Kardinal Bessarion in Nürnberg, JfL 34/35 (1974/75), S. 447—465, S. 453, 457 f, 464 f. 27 Joseph Valentinelli, Bibliotheca manuscripta ad S. Marci Venetiarum. Codices mss. latini I, Venedig 1868, S. 211, 228, 244, 253 (Cod. 24, 53, 81, 104 membr.); Ludwig Möhler, Kardinal Bessarion als Theologe, Humanist und Staatsmann. Funde und Forschungen, Bd. I: Darstellung, Paderborn 1923 (Nachdr. Aalen 1967), S. 410; Schuhmann, S. 458. — Zu Bessarions Bibliothek: Tullia Gasparrini Leporace — Elpidio Mioni, Cento codici bessarionei. Catalogo di mostra, Venedig 1968; Lotte Labowski, The Library of Cardinal Bessarion. An Edition of the Oldest Inventories (erscheint demnächst in der Reihe Sussidi eruditi in Leiden). 28 Valentinelli, Codices mss. lat. IV, Venedig 1871, S. 131 f. (Cod. 182—183 membr.-chart.). 29 Möhler I, S. 406. 30 Universitätsbibliothek Erlangen, Inc. 1069, fol. 286v: Hunc librum propinavit nobis Heinricus Rumei cum suis impressoribus, eo quodplures libros ex liberaria nostra eis accomodaverimus. Anno domini 1472. Zu diesem Druck (Hain 13884) und dem aus der Nürnberger Kartause stammen-

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der Kartause verzeichnet diese Schenkung mit folgendem Wortlaut: Henricus Rumei und magister Sensenschmidt puchtrucker gehen ein puch Comestorium viciorum, 6 fl. wert31. Es wird angenommen, daß der Nürnberger Patrizier und Jurist Dr. Heinrich Rummel der Geldgeber und Verleger Sensenschmidts war, der 1469 in Nürnberg zu drucken begonnen hatte32. Die enge Verbindung der Nürnberger Kartäuser mit dem frühen Buchdruck hat später Prior Georg Pirckheimer in breitem Umfang weitergepflegt; sie ist vergleichbar der Verbin­ dung der Basler Kartäuser mit dem frühen Buchdruck und ihrer Teilnahme am geistigen Leben des erwachenden Humanismus am Oberrhein33. Im Egidienkloster setzten die Abte Sebald Helmannsperger (1465—1473) und Johann Seßler (1473—1477) die von ihren Vorgängern begonnene Reform­ tätigkeit im Dienst ihres Ordens fort. Abt Sebald Helmannsperger dürfte ein Bruder des in Mainz tätigen Notars Ulrich Helmannsperger gewesen sein, der dort 1455 das für die Geschichte des frühen Buchdrucks wichtige Helmaspergersche Notariatsinstrument ausgefertigt hat34. Er war 1470 zu Erfurt auf dem 20. Kapitel der Mainz-Bamberger Provinz des Benediktinerordens (seit 1417) einer der vier Kapitelpräsidenten35 und stand mit dem in Italien gebildeten, längere Zeit als Arzt und Mitglied des Humanistenkreises in Augsburg wirken­ den und seit 1467 zeitweilig, seit 1473 ständig in Nürnberg ansässigen Hermann Schedel (t 1485) in Verbindung36. Schedel behandelte den Abt, der an der damals viel beredeten Podagra litt. Einige Einträge in Büchern aus der ehemali­ gen Klosterbibliothek geben Aufschluß über Helmannspergers geistige Interes­ sen. Noch in seiner Amtszeit als Prior des Egidienklosters verbesserte er eine von Konrad Kellermann 1457 angefertigte Abschrift des Tractatus contra

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den Exemplar: Georg Wolfgang Panzer, Aelteste Buchdruckergeschichte Nürnbergs, Nürnberg 1789, Nr. 1, S. 1 ff.; Roth, Geschichte und Beschreibung, S. 96 ff.; Albert Gümbel, Beiträge zur älteren Buchdruckergeschichte, MVGN 29 (1928), S. 299—334, hier S. 301 f.; Theodor Wohnhaas, Uber Buchdruck und Verlagswesen in Nürnberg, in: 500 Jahre Buchdruck in Nürnberg, Nürnberg 1970 (AK 71), S. 3—6, hier S. 3; Karlheinz Goldmann, Katalog, ebd., Nr. 5; Peter Zahn, 500 Jahre Buchdruck in Nürnberg. Eine Ausstellung, Aus dem Antiquariat 26 (1970), S. A 215—216, hier A 215 (hier ist als Signatur irrtümlich Inc. 239 angegeben; dieses Zweitstück der Erlanger Universitätsbibliothek stammt jedoch aus dem Franziskanerkloster Riedfeld). Roth, Geschichte und Beschreibung, S. 86. So bereits Gümbel, S. 304 ff. Heinrich Schreiber, Die Bibliothek der ehemaligen Mainzer Kartause. Die Handschriften und ihre Geschichte, Leipzig 1927 (Zentralblatt für Bibliothekswesen, Beiheft 60), S. 96. Ferdinand Geldner, Bamberger Kleriker und Notare in der Frühgeschichte des Buchdrucks. Andreas in der Clingen und Ulrich Helmasperger, Fränkische Blätter 6 (1954), S. 97—98, hier S. 98; ders., Das Helmaspergersche Notariatsinstrument in seiner Bedeutung für die Geschichte des alten Mainzer Buchdrucks, in: Der gegenwärtige Stand der Gutenberg-Forschung, hrsg. v. Hans Widmann, Stuttgart 1972, S. 148—184 (frdl. Hinweis v. Herrn Archivdirektor Dr. Fritz Schnelbögl). BStBM, Clm 4406, fol. 168r; Zeller, S. 188. Richard Stäuber, Die Schedelsche Bibliothek. Ein Beitrag zur Geschichte der Ausbreitung der italienischen Renaissance, des deutschen Humanismus und der medizinischen Literatur, nach dem Tode des Verf. hrsg. v. Otto Hartig, Freiburg i. Br. 1908, S. 28.

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gentiles des Orosius37. Als Abt kaufte er den heute in der Universitätsbibliothek Erlangen unter der Signatur Inc. 1032 verwahrten Sammelband an, der u. a. den Liber faceciarum des Poggio Bracciolini und einen Auszug aus Platons Disciplina enthält38. Die Sorge um die dem Kloster angegliederte Schule war offenbar ein besonderes Anliegen Helmannspergers. Nach einer in den Denkwürdigkeiten des Klosterkaplans Konrad Herdegen enthaltenen Nachricht zählte die Schule 1469 nicht weniger als 230 Schüler und hatte damit gegenüber den Trivialschu­ len bei St. Sebald, St. Lorenz und Heiliggeist zu jener Zeit die größte Schüler­ zahl in der Reichsstadt aufzuweisen39. Als Rektor der Schule nennt Herdegen Friedrich Lindner. Es liegt nahe, in ihm jenen bisher nicht identifizierten Magister und Doktor der Heiligen Schrift Friedrich von Nürnberg aus dem Benediktinerorden zu vermuten, der eine nach lateinischer Vorlage erarbeitete deutsche Rhetorik verfaßt hat. Das Werk, das als erste deutsche Rhetorik überhaupt gilt, war — der Überlieferung nach zu schließen — weiteren Kreisen nützlich und wurde offenbar auch von dem ehemaligen Nürnberger Ratsschrei­ ber Niklaus von Wyle in seinem Eßlinger Schulbetrieb benützt40. Unter Abt Johann Seßler fand 1473 auf dem Egidienberg das 21. Kapitel der MainzBamberger Provinz statt, auf dem Seßler selbst als einer der vier Präsidenten fungierte41 und Hans Pirckheimer, der Großvater Willibald Pirckheimers, namens des Rates der Reichsstadt beim offiziellen Weinausschank an die Kapitelsväter die übliche Begrüßungsrede hielt42. Durch den Ankauf von Drucken machte sich Seßler um die Klosterbibliothek verdient43. Einen Hin­ weis auf das ausgeprägte Ordensbewußtsein und das historische Interesse des Konvents gibt der Melker Prior Johann Schiitpacher in der Einleitung zu seinem 1475 verfaßten Werk De summis pontificibus, doctoribus, sanctis.. . ordinis sancti Benedicti. Danach besaß das Egidienkloster damals eine Galerie von Olportraits der bedeutendsten Männer und Frauen aus dem Benediktinerorden44. 37 Jetzt StadtBN, Cent. 111,93. Dazu Emil Reicke, Rez. v. Stäuber, MVGN 19(1911), S. 271—278, hier 276; MABK III/3, S. 426. 38 Reicke (wie vorige Anm.), S. 276. 39 Nürnberger Denkwürdigkeiten des Konrad Herdegen 1409—1479, hrsg. v. Theodor von Kern, Erlangen 1875, S. 43. — Zur Egidienschule: Hugo Steiger, Das Melanchthongymnasium in Nürnberg (1526—1926). Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus, München-Berlin 1926, S. 1,6 f., 185. Allgemein zum Schulwesen in Nürnberg: Gustav Bauch, Die Nürnberger Poeten­ schule 1496—1509, MVGN 14 (1901), S. 1—64 (zur Egidienschule bes. S. 37 f., 54); Klaus Leder, Kirche und Jugend in Nürnberg und seinem Landgebiet 1400 bis 1800, Neustadt a. d. Aisch 1973. — 1511 erließ der Rat eine neue Schulordnung für die Nürnberger Lateinschulen (Bauch, S. 46 ff.). Die von Leder im Anschluß an ältere Forschungen aufgegriffene Datierung in das Jahr 1485 (S. 22) dürfte nicht zutreffen. 40 Ruth Westermann, Friedrich von Nürnberg, in: Deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasser­ lexikon, hrsg. v. Wolfgang Stammler u. Karl Langosch, Bd. 1, Berlin-Leipzig 1931, Sp. 694—695; in der in Bearbeitung befindlichen Neuauflage des Lexikons wird der Art. von Franz Josef Worstbrock bearbeitet. — Zu Niklaus von Wile: Butz (wie Anm. 24), zur Verwendung der Rhetorik des Friedrich hier S. 32. 41 BStBM, Clm 4406, fol. 175a; Zeller, S. 189. 42 Reimann, S. 109. 43 MABK III/3, S. 426. 44 Stiftsbibliothek Melk, Cod. 62 (B. 25), fol. 211—220 (Orig.); BStBM, Clm 5910, fol. 401—420

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Klosterhumanismus in Nürnberg um 1500

Nach zögernden Anstößen setzte sich der Humanismus in Nürnberg im Lauf der achtziger und neunziger Jahre des 15. Jahrhunderts in wachsendem Umfang durch45. Seine Träger waren vornehmlich Angehörige patrizischer und ehrbarer Familien der Oberschicht, Juristen, Ärzte, Welt- und Ordensgeistliche, die untereinander in vielfachen Verbindungen standen. Zu dem Humanistenkreis zählten neben den an italienischen Universitäten vom Humanismus begeister­ ten Patriziersöhnen Johann Pirckheimer, Georg Pfinzing und Johann Löffel­ holz, die sich nach Bewährung in auswärtigen Diensten als Juristen in ihrer Vaterstadt niederließen, die Ärzte Hieronymus Münzer aus Feldkirch und Hermann Schedels jüngerer Vetter Hartmann, bekannt als Verfasser der berühmten Weltchronik aus dem Jahr 1493, weiter der als Förderer der Ratsbibliothek tätige Patrizier Hans Tücher d. Ä., der aus ehrbarer Familie stammende Sebald Schreyer, Kirchenmeister bei St. Sebald und Mäzen der Anhänger der neuen Geistesrichtung, sowie aus dem Weltklerus der Sebalder Pfarrer Johann Lochner und der seit 1478 als Prediger bei St. Sebald und in den achtziger Jahren als Pfarrer in Großgründlach und Feucht bei Nürnberg wirkende Chronist Sigismund Meisterlin aus Augsburg, der ehedem dem dortigen Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra angehört hatte. Aus dem Nürnberger Ordensklerus treten als Träger der neuen Geistesrichtung in dieser ersten Nürnberger Humanistengeneration vor allem der Benediktinerabt Jo­ hann Radenecker von St. Egidien, der Kartäuserprior Georg Pirckheimer sowie die Franziskanerobservanten Stephan Fridolin und Nikolaus Glaßberger her­ vor. Auch im Dominikanerkloster und Augustinereremitenkloster faßte der Humanismus bald Fuß. Die Zusammenarbeit unter den Gleichgesinnten verstärkte sich unter dem Einfluß des Konrad Celtis, der 1487 von Kaiser Friedrich III. auf der Burg als erster Deutscher die Dichterkrone aus Lorbeer empfangen hatte und der sich in den Jahren 1491 bis 1495 mehrfach in der Reichsstadt aufhielt. Der Freundeskreis zog nun weitere Gelehrte an, wie den jungen Nürnberger Juristen Peter Danhauser und den friesischen Arzt und Poeten Dietrich Ulsen.

(Kopie). — Dazu Paul Lehmann, Literaturgeschichte im Mittelalter, in: Ders., Erforschung des Mittelalters. Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze, Bd. 1, Stuttgart 19411 (19592), S. 82— 113, hier S. 103; Arnold, Johannes Trithemius, S. 130. — Schiitpacher war nach Carl Wolff (Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 9, Freiburg i. Br. 19642, Sp. 419 f.) neben Petrus von Rosenheim und Bernhard von Waging einer der drei Hauptvertreter der Melker Reformbewegung und des süddeutschen Klosterhumanismus. 4S Hierzu und zum folgenden zusammenfassend: Ernst Philipp Goldschmidt, Hieronymus Münzer und seine Bibliothek, London 1938 (Studies of the Warburg Institute IV), S. 30 ff.; Kraus, Gestalten, S. 585 f.; Rupprich, Vom späten Mittelalter (wie Anm. 3), S. 515 f.; Elisabeth Rückert, Die Schedelsche Weltchronik. Das größte Buchunternehmen der Dürer-Zeit, Mün­ chen 1973, S. 15 ff. — Zu Celtis und Nürnberg: Bernhard Hartmann, Konrad Celtis in Nürnberg, MVGN 8 (1889), S. 1—68; Albert Werminghoff, Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg, Freiburg i. Br. 1921. — Zu Celtis allgemein: Kraus, Gestalten, S. 562 f.; dazu noch Kurt Leopold Preiss, Konrad Celtis und der italienische Humanismus, Diss. phil. Masch. Wien 1951.

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Von den zuerst genannten Mitgliedern des Humanistenkreises verfügten Johann Pirckheimer, der Vater des Willibald und der Caritas Pirckheimer, und Hartmann Schedel über besonders enge Kontakte zu den Klöstern46. Wie eine Reihe weiterer Frühhumanisten, die sich vor den Anforderungen der Welt in die Ruhe eines Klosters zurückzogen, nicht so sehr um des religiösen Verzichts willen, sondern vor allem weil sie die dort winkende Muße und Möglichkeit zum Bücherstudium suchten, trat auch Johann Pirckheimer am Abend seines Lebens selbst in den Barfüßerkonvent ein. Nach seinem Tod wurde er in der Kirche der Augustinereremiten beigesetzt47. Hartmann Schedel hatte Zugang zu den Bibliotheken in den Klöstern, beriet die Konvente bei der Bücheranschaffung, bedachte sie selbst mit Büchern und verfaßte auf Grund der in den Bibliotheken gewonnenen Quellenkenntnisse mehrere Klostergeschichten48. Soweit bisher bekannt, waren Abt Johann Radenecker von St. Egidien und der Kartäuserprior Georg Pirckheimer literarisch selbst kaum tätig. Ihre Bedeutung im Rahmen des Klosterhumanismus in Nürnberg liegt vielmehr in ihrer Vermittler- und Anregerrolle. Beide übernahmen im Jahr 1477 die Leitung ihrer Konvente und starben nur kurz nacheinander: der Benediktinerabt 1504, der Kartäuserprior 1505. 46 Reimann, S. 156 f., bzw. Stäuber, S. 55 ff. — Eine Arbeit zu Johann Pirckheimer wird von Dr. Gian Zippel, Trient, Lehrbeauftragter an der Univ. Padua, vorbereitet. 47 WPBr I, S. 71 f., 132 f. Anm. 10. — Als Sigmund Gossembrot, der Begründer des Augsburger Frühhumanistenkreises, 1461 bei den Johannitern in Straßburg eintrat, schrieb ihm Niklaus von Wile, daß das wahre Leben im Kloster zu finden sei; von dort aus seien die im schmutzigen Alltag Verhafteten nur zu verachten: Butz, S. 68, 94. — Kießling, S. 309, konstatiert unter den Augsburger Frühhumanisten einen fast allen von ihnen eigenen weltflüchtigen, asketischen Zug. — Die hier im Text gebrauchte Formulierung lehnt sich an die von Fiermann Tüchle (Kirchengeschichte Schwabens, Bd. 2, Stuttgart 1954, S. 355) in ähnlichem Zusammenhang gebrauchte Feststellung an: Darum zogen sich die Humanisten auch gern wie die Kartäuser aus der Welt zurück, aber nicht um des religiösen Verzichtes auf die Welt willen, sondern weil sie als „Liebhaber ihrer Freiheit“ das störende Andere haßten und keinerlei Verpflichtungen eingehen wollten ... — Rudolf Agricola ließ sich 1485 in der Mönchskutte begraben: Bernd Moeller, Frömmigkeit in Deutschland um 1500, Archiv für Reformationsgeschichte 56 (1965), S. 5—31, hier S. 25. — Als Beispiel eines Eintritts in ein Kloster (Dominikanerkloster Nürnberg) aus Weltentsagung nach dem Tod von Frau und Tochter (1462) sei das des Nürnberger Patriziers Fians Tetzel im Jahr 1464 angeführt: Lore Sporhan-Krempel, Der Bücherbestand eines Nürnberger Patriziers im 15. Jahrhundert, Archiv für Geschichte des Buchwesens 3 (1960/61), Sp. 1651—1654, hier Sp. 1654. Unter den beim Klostereintritt seinen Kindern vermachten Büchern befanden sich neben einigen Fiistorica (von den czwaien entstörung Trye, und von dem großen Allexander und von geschieh der Römer und ein pebstlich und ein keyserliche kronick und sust von mancherley hystorien) und Kaufmannsbüchern (darunter ein püchlein von allerlei kauffmanschafft hie, zu Venedig und in andern landen) vor allem religiöse Schriften. — Zu Elans Tetzel, der 1473 Subprior im Dominikanerkloster wurde, Bock, S. 184. 48 Bücherschenkungen: MABK III/3, S. 800 f.; Roth, Geschichte und Beschreibung, S. 91 f. (Kartause); Stäuber, S. 58 u. ö. — Geschichtskenntnisse: Stäuber, S. 58 ff.; Otto Meyer, Flartmann Schedel, in: Unbekanntes Bayern, Bd. 7: Land der Franken, München 1962, S. 177— 192, hier S. 182 f. — Eigene Geschichtswerke Schedels: Chronicon Monasterii S. Aegidii (bis 1504) bei Andreas Felix Oefele (Flrsg.), Rerum Boicarum Scriptores, Vol. I, Augsburg 1763, S. 348—353; De ortu et progressu conventus Ordinis Praedicatorum Norimbergae, ebd. S. 374— 376.

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Klosterhumanismus in Nürnberg um 1500

Radenecker war 1457 an der Universität Leipzig immatrikuliert und dort zwei Jahre später zum baccalarius artium promoviert worden49. Er hatte 1464 im Kloster auf dem Egidienberg die Ordensprofeß abgelegt und vor seiner Wahl zum Abt unter Sebald Helmannsperger und Johann Seßler acht Jahre lang als Prior gewirkt50. In den 27 Jahren seiner eigenen Regierung hat Radenecker die Reformarbeit innerhalb der Mainz-Bamberger Provinz seines Ordens maßgeb­ lich beeinflußt und mitgetragen. Wohl hat er schon 1479 auf dem in St. Egidien tagenden Provinzialkapitel gemäß Beschluß des vorausgehenden Kapitels als Orator fungiert51. Zugleich wurde er für das Blaubeurer Kapitel 1482 als einer der vier Präsidenten und bis dahin zusammen mit dem Abt von Münchaurach als Visitator der Benediktinerklöster in den Diözesen Augsburg und Eichstätt aufgestellt52. Es spricht für seine organisatorischen Fähigkeiten, daß er für das drei Jahre später in Augsburg stattfindende Provinzialkapitel abermals zum Mitpräsidenten bestellt wurde53. Spätestens auf dieser Augsburger Versamm­ lung bahnte sich seine Verbindung mit Abt Johannes Trithemius von Sponheim an. Das Augsburger Kapitel betraute Radenecker zusammen mit Abt Georg Salzkeßner von St. Stephan in Würzburg mit der Sammlung der wichtigsten Beschlüsse der Kapitel seit 1417 und gab ihm zusammen mit anderen Äbten den Auftrag, sich um die Union der Provinz Salzburg mit der Provinz MainzBamberg zu bemühen54. Die seit längerem angestrebte Vereinigung kam jedoch nicht zustande. Das Egidienkloster selbst schloß sich weder der Melker noch der Bursfelder Reformbewegung an, sondern hielt mit dem Kloster St. Emmeram in Regensburg an der Kastler Observanz fest55. Laut Kapitelsbeschluß von 4S Zu ihm Stäuber, S. 84 f.; Goldschmidt, S. 32 f.; Arnold, Johannes Trithemius, S. 312 (Reg.); Machilek, Besprechung des Buches von Arnold, MVGN 60 (1973), S. 368—369. so Herdegen, Nürnberger Denkwürdigkeiten, S. 38; Historia Fr. Colmanni.. . De ortu Monasterii S. Aegidii Noribergensis bei Oefele, Rerum Boicarum Scriptores I, S. 341—345, hier S. 345. BStBM, Clm 4406, fol. 185v. 52 Ebd. 192r; Rezeß des Blaubeurer Kapitels 1482 ebd. 196r—203r; Druck (nach der Überlieferung des Stephansklosters) im Urkundenbuch der Benediktiner-Abtei St. Stephan in Würzburg, Bd. 2, bearb. v. Georg Schrötter, Erlangen 1932, S. 655—670. Zeller, S. 189. 53 Urkundenbuch St. Stephan in Würzburg 2, S. 667; BStBM, Clm 4406, fol. 202r. Rezeß des Augsburger Kapitels 1485: Clm 4406, fol. 204r—212v; Regest: Urkundenbuch St. Stephan in Würzburg, Ergänzungsheft, bearb. v. Joseph Widemann, Erlangen 1938, Nr. 119, S. 68. Zeller, S. 189. 54 BStBM, Clm 4406, fol. 207rv. Bernhard Bischoff, Studien zur Geschichte des Klosters St. Emmeram im Spätmittelalter (1324—1525), in: Ders., Mittelalterliche Studien. Ausgewählte Aufsätze zur Schriftkunde und Literaturgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1967, S. 115—155, hier S. 126. In einer Vergleichung der liturgischen Gebräuche der drei großen Observanzen, die sich in einer um 1500 geschriebenen Handschrift aus St. Emmeram findet (BStBM, Clm 14892, fol. 174v ff.), sind die drei Klöster den Bursfeldern und Melkern gegenübergestellt (ebd. S. 126). 1474 hatte Kardinal Markus, Patriarch von Aquileja und Legat des päpstlichen Stuhles, den Äbten der Klöster St. Egidien zu Nürnberg, Kastl, Heiligkreuz zu Donauwörth und Reichenbach gestattet, durchgehende Gleichförmigkeit in allen, das Klosterleben und den Gottesdienst betreffenden Angelegenheiten herzustellen und mit anderen Klöstern des Ordens ähnliche Vereinbarungen zu treffen: StAN, Rst. Nürnberg, Stadt und Landalmosenamt, Urk. Nr. 165. — Über die u. a. in Nürnberg geführten Verhandlun­ gen des Bernhard von Waging um die Union seit 1460: Virgil Redlich, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jahrhundert, München 1931, S. 110 ff. 1502 versuchte

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Augsburg dürfte Radenecker 1487 auf dem Mainzer Kapitel die Ansprache gehalten haben56. Seit Ende der achtziger Jahre verdichteten sich die gegenseitigen Beziehungen der Abte von St. Egidien und Sponheim. 1489 kam Trithemius zur Heiltumsweisung nach Nürnberg und nahm neben Radenecker unter dem Tabernakel an den Feierlichkeiten teil57. Auf dem im Jahr darauf in Nürnberg unter Vorsitz der Äbte von St. Stephan in Würzburg, St. Egidien, Blaubeuren und Hirsau stattfindenden Provinzialkapitel, auf dem Radenecker den am Kommen verhin­ derten Sponheimer Abt vertrat, wurde die seit der Augsburger Versammlung 1485 angestrebte Sammlung der wichtigsten Kapitelsbeschlüsse erneut beraten und deren Durchführung nun Radenecker und Trithemius übertragen58. Ein Jahr später konnte Trithemius die Sammlung zusammen mit einem auf Anre­ gung Radeneckers verfaßten Traktat über die Klostervisitation den Kapitels­ präsidenten vorlegen. Obwohl Trithemius in einem Brief an Radenecker vom Druck des Visitationstraktates und eines gleichfalls bereits von Trithemius abgeschlossenen Traktates über Form und Ablauf des Provinzialkapitels abge­ raten hatte, da diese nicht für die Allgemeinheit bestimmt seien — ein Beispiel für die mit der Einführung der Druckkunst neu auftauchenden Probleme —, gelangten die beiden Schriften zusammen mit den Kapitelsstatuten schließlich 1493 bei Georg Stuchs in Nürnberg in Druck59. Auch in den folgenden Jahren führte Radenecker die Aufgaben im Dienst der Ordensreform weiter60. Auf Grund seiner ökonomischen Kenntnisse ernannte ihn das Ordenskapitel mehr-

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Erzbischof Berthold von Mainz auf einem außerordentlichen Kapitel der Äbte der drei Observanzen von Bursfeld, Melk und Kastl in Nürnberg, diese zu einer Union zu bewegen, wozu jedoch nach Aussage des Trithemius die Melker und Kastler nicht bereit waren: Johannes Trithemius Spanheimensis Opera, ed. Marquard Freher, Vol. II, Frankfurt 1601 (Neudr. Frankfurt 1966), S. 415. BStBM, Clm 4406, fol. 21 Ov. Müllners Annalen der Reichsstadt Nürnberg, Bd. 3 (StAN, Rst. Nürnberg, Handschriften, Nr. 31), fol. 1393; Julia Schnelbögl, Die Reichskleinodien in Nürnberg 1424—1523, MVGN 51 (1962), S. 78—159, hier S. 146. Druck des Rezesses des Nürnberger Kapitels im Urkundenbuch St. Stephan in Würzburg 2, S. 728—741, hier S. 734 f. Arnold, Johannes Trithemius, S. 27, 43, 232 f. — Trithemius stellte den Nutzen des Buchdrucks gelegentlich ausdrücklich in Frage: Johannes Trithemius, De laude scriptorum — Zum Lobe der Schreiber, eingel., hrsg. u. übers, v. Klaus Arnold, Würzburg 1973 (Mainfränkische Hefte 60), S. 62 ff.; Klaus Arnold, Additamenta Trithemiana. Nachträge zu Leben und Werk des Johannes Trithemius, insbesondere zur Schrift De demonibus, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 37/38 (1975), S. 239—267, hier S. 259. So zählte er auf den Kapiteln 1496 und 1501 zu den Präsidenten. Auf dem Fuldaer Kapital 1501 wurde er mit dem Abt von St. Stephan in Würzburg als Visitator der Benediktinerklöster in der Diözese Augsburg eingesetzt: Franz Machilek, Zur Rechts- und Reformgeschichte der Benedik­ tiner-Abtei Blaubeuren, Historisches Jahrbuch 87 (1967), S. 373—391, hier S. 380; auf dem gleichen Kapitel erscheint er als Prokurator des Abtes von Irsee: Walter Pötzl, Geschichte des Klosters Irsee. Von der Gründung bis zum Beginn der Neuzeit 1182—1501, Ottobeuren 1969, S. 121. Eine aus dem Kloster Wessobrunn stammende Sammlung der handschriftlichen Rezesse der Kapitel von 1424—1479 der Mainz-Bamberger Provinz (mit Lücken) und der gedruckten Rezesse der Kapitel von 1482—1521 findet sich im BHStAM, Abt. I, unter der Signatur Klosterliteralien Wessobrunn Nr. 35. Zu dieser Sammlung Pötzl, S. 119, Anm. 25.

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Klosterhumanismus in Nürnberg um 1500

fach zum Thesaurar61. 1501 wurde unter seiner Regierung das jüngste Gültbuch des Egidienklosters zusammengestellt62. Als Johannes Trithemius Informationen über bedeutende Gelehrte des Benediktinerordens für einen Schriftstellerkatalog sammelte, half Radenecker tatkräftig mit. So bat Radenecker 1490 den Abt des Klosters San Paolo fuori le mura in Rom um Nachrichten über vergessene Benediktiner, insbesondere aus dem Kloster Monte Cassino63. Die Portraitgalerie im Egidienkloster mag Trithemius bei Abfassung seines Schriftstellerkatalogs Anregungen vermittelt haben, der 1494 als bedeutendstes Werk des Sponheimer Abtes im Druck erschien64. Von den Nürnberger Humanisten stand Hartmann Schedel Radenecker besonders nahe. Die nahezu gleichaltrigen Freunde — Schedel wurde 1440, Radenecker 1441 oder 1442 zu Nürnberg geboren — hatten schon gleichzeitig in Leipzig studiert65. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat Radenecker die Beziehungen Schedels zu Trithemius und zu dessen geistesverwandtem Freund Abt Andreas vom Michelsberg bei Bamberg (1482—1502) angebahnt. Schedel besaß eine Reihe von Werken des Trithemius, z. T. als persönliche Geschenke von diesem. Trithemius schätzte seinerseits Schedels Weltchronik. Wegen einer von Trithemius ausgeliehenen und nicht mehr zurückgestellten Handschrift kam es allerdings nach 1501 zu einer gewissen Entfremdung zwischen Schedel und Trithemius. Einem Schreiben des Trithemius an Radenecker läßt sich nunmehr entnehmen, daß der wegen Nichtzurückgabe des Codex bisher verschiedentlich gegen Trithemius erhobene Vorwurf der Unzuverlässigkeit zu Unrecht bestand; nach Aussage des Briefes war die Handschrift trotz Wider­ spruchs des Trithemius durch Kurfürst Philipp von der Pfalz weiter ausgeliehen und nicht mehr zurückgegeben worden66. Abt Andreas vom Michelsberg war Radenecker durch die gemeinsame Arbeit im Ordensverband verbunden. Zusammen mit dem gemeinsamen Freund und Arzt Hartmann Schedel be­ suchte Radenecker den erkrankten Michelsberger Abt noch wenige Wochen vor dessen Tod67. 61 BStBM, Clm 4406, fol. 192r, 202r, 210v; Urkundenbuch St. Stephan in Würzburg 2, S. 739. Berufung der Äbte von Michelsberg, St. Egidien und St. Stephan in Würzburg als Kollektoren in den Diözesen Würzburg, Bamberg und Eichstätt 1482: Clm 4406, fol. 199r. 62 Landeskirchliches Archiv Nürnberg, Protestantisches Gesamtkirchenvermögen, Nr. 201. Ger­ hard Pfeiffer, Die Anfänge der Egidienkirche zu Nürnberg. Ein Beitrag zur ältesten Stadtge­ schichte, MVGN 37 (1940), S. 253—308, hier S. 274. 63 Arnold, Johannes Trithemius, S. 130. 64 Ebd. S. 118. 63 Stäuber, S. 2, 84. 66 Ebd. S. 93; Arnold, Johannes Trithemius, S. 96f. 67 U. a. las Abt Andreas vom Michelsberg 1490 die Messe zur Eröffnung des Nürnberger Kapitels: Urkundenbuch St. Stephan in Würzburg 2, S. 729. — Zum Besuch Radeneckers in Bamberg 1502: Stäuber, S. 86. — Zur Person und zum Werk des Michelsberger Abtes: Klaus Arnold, Johannes Trithemius und Bamberg: „Oratio ad clerum Bambergensem“, 107. Bericht des Histor. Vereins Bamberg (1971), S. 161—189, hier S. 166 ff.; Arnold, Johannes Trithemius, S. 111 f.; Repertorium fontium historiae medii aevi II: Fontes A—B, Rom 1968, S. 231—232.

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In der ersten Hälfte der achtziger Jahre war Georg Hauer, ein Profeß des Klosters Niederaltaich, der in Ingolstadt Schüler der Humanisten Johann Tolhopf und Samuel Karoch gewesen war, Prior des Egidienklosters68; er trat nach seiner Rückkehr nach Niederaltaich als Geschichtsschreiber der baye­ rischen Herzoge hervor. Bei St. Egidien selbst führte in den letzten Lebensjah­ ren Abt Radeneckers der Mönch Coloman ältere Aufzeichnungen über die Klostergeschichte fort69. Coloman korrespondierte mit dem humanistisch interessierten Kustos Martin Perenzeller von St. Emmeram in Regensburg über Fragen der Geschichte ihres Ordens, im besonderen über die Anfänge der Observanzen von Melk und Kastl70. Systematisch betrieb Radenecker den Ausbau der Bibliothek des Egidienklo­ sters, für die er um 1490 einen neuen Raum erbauen ließ. Nach dem damals angelegten Katalog umfaßte die Bibliothek nahezu 200 Handschriften und über 600 Inkunabeln71. Die Abteilungen A bis K bieten nach dem Katalog das übliche Bild einer vorwiegend mit Werken der Scholastik bestellten Studienbibliothek. Die Bücher der Abteilung L, in der Mehrzahl Texte der philosophia moralis et naturalis sowie medizinische, astronomische und physikalische Schriften und Werke der ars humanitatis, dürften — von einzelnen Werken anderer Herkunft abgesehen — durch Vermittlung Hartmann Schedels von Radenecker aus dem Nachlaß des Hermann Schedel erworben worden sein72. Aus dieser Abteilung verdienen die zahlreichen Vokabulare sowie eine Sammlung von Briefen antiker Autoren, wie Seneca, Marcus Tullius, Symmachus, und moderner italienischer Rhetoriker und Oratoren, wie Coluccio Salutati, Leonardo Bruni Aretino, Enea Silvio Piccolomini, Antonius Panormitanus, Gasparinus Barzizius, hervorgeho­ ben zu werden. Ein erhaltener Bücherbestellzettel Hartmann Schedels aus dem Jahr 1496 gewährt Einblick in das besondere Sammelgebiet Radeneckers. In seinem Auftrag bestellte Schedel über einen Mittelsmann Ausgaben von 68 Heinrich Waltzer, Georg Hauer von Niederaltaich, ein bayerischer Chronist des 15. Jahrhun­ derts, Archivalische Zeitschrift N. F. 10 (1902), S. 184—310, hier S. 190 f., 303 f. Historia Fr. Colmanni (wie Anm. 50). Dazu Pfeiffer, Die Anfänge der Egidienkirche, S. 260. 70 Martin Perenzellers Schreiben von 1490 Okt. 28: Oefele, Rerum Boicarum Scriptores I, S. 346— 347. Bischoff, S. 137. 71 Druck: MABK III/3, S. 430—569. — Unter Abt Radenecker vermachte 1501 Wilhelm Groland dem Kloster testamentarisch alle in seinem Besitz befindlichen lateinischen Bücher: StAN, Rst. Nürnberg, Kirchen in Nürnberg, Urk. Nr. 218. Die Schenkung umfaßte nach dem Anniversa­ rienverzeichnis 18 Bücher: MABK III/3, S. 424. In der Stadtbibliothek Nürnberg findet sich heute eine größere Zahl von Büchern mit dem Wappen der Ratsfamilie Groland, darunter eine Handschrift der Werke Vergils und Drucke mit Werken von Valerius Maximus und Cicero: MABK III/3, S. 424, Anm. 8; sie könnten über das Legat Wilhelms oder aber überein Legat Hans Grolands d. A. in die Stadtbibliothek gelangt sein. Hans Groland vermachte dieser im Jahr 1500 alle seine Bücher: StadtBN, Amb. 173 2°, S. 82 (frdl. Hinweis v. Frau Christa Schaper). 72 Dazu die z. T. schroff wiedersprechenden Auffassungen bei Herrmann, S. 73 ff., Stäuber, S. 36; Reicke, Rez. von Stäuber (wie Anm. 37), S. 276; MABK III/3, S. 424, 798. — Über den Weg der im alten Katalog unter der Signatur L 13 verzeichneten astronomischen Sammelhandschrift (heute: StadtBN, Cent. V 36) in den Besitz des Bernhard Walther und von dort in jenen des Augustinereremitenklosters jetzt Kurt Pilz. 600 Jahre Astronomie in Nürnberg, Nürnberg 1977, S. 114. — Im Egidienkloster hatte 1468 der Mönch Laurentius Planeten tafeln aufgestellt: Pilz, S. 101.

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Abb. 1:

Abt Johannes Radenecker von St. Egidien in Nürnberg (f 1504); Federzeichnung des Hans von Kulmbach aus dem Jahr 1511. (Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin)

3(tttn Liter .Riteitani caufidi trfcirfob rei!tx iftifl o freooettf • font in Icticgact txlectacioniboa 1 a-fciwenfiaw toctrinaoicen' bunia mnndi. tcncnt tpmparmm I' diettacendi. jflndpit rt cntbaram ct gaodcnt ad fonitft licto et medio ac fini mei tracta cwgam. uucunt m bonwoicaftwa [tua alTit gratia fptritua fancti. n in puncto ad ifctnaocfccndöt. qnt wxcrunt xxo: re erde a nobia {fcuonias in oicendo multi errit« fcicnciam warum tuarü nolninua nee eil aliquia qui Lingua fuam ad I pleraw xomarc vatcatBtojfacohi j fax teftante aut trixit .Matura te Ctaoaaltinimooco. [ ftiajp et ferpentum ac oolucnu ct cetcroius animaltum tomatur.ct a natnra iximana tomita funt. Lin Tractatua pcrvtilta Aitaicfe i guam autem fua nemo tomarc p> fuia luddifTime annotatua xx pte teil ♦ Tdeo ego .fllteitant» btenc caria otiafiuc Virije linguc Vene toctrinam fup tncendo atqs tacen rabilfa magiftri Jobannia 0ctt» do vno ocrficulo opiebenfäm. ti/ iwenefi finit fclidter Wnntherge i bi fiüo meo ©tepbano fderepcu-’ imptefloafoterti induftria'i Ttgi rani .Sbcrficnluaautem hir dK lanti öpera pfratreacudtniaberc; 4taia Stadtarchiv Ulm, Urk. A 237.1423 Sept. 3. Herr Stadtarchivdirektor Dr. Specker-Ulm hat mich mit guten Unterlagen zur Person von Bartholomäus Neithart versehen, wofür ich mich vielmals bedanke. Leider gibt das Thema der Arbeit nicht den Raum, um der Bedeutung des Ratschrei­ bers gerecht zu werden. Ich weise darauf hin, daß Paul Sander „Die Reichsstädtische Haushal­ tung von 1431—1440“, Leipzig 1902, zahlreiche Hinweise auf seine Tätigkeit bringt. 127 StAN, Rep. 44d, Nr. 65, f. 5r. Darunter ein Hinweis, daß Else Peßler um Pfingsten 1439 gestorben ist.

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(t 1462) zeigt. Wann die Mutter dieser drei Schwestern, Christein Ammann geb. Stromer, starb, kann nur gefolgert werden. Der Tod wird vor 1422 eingetreten sein. Den Enkeln und Urenkeln von Ulman Stromer in den Familien Tracht und Neithart wurde dieser ländliche Wohnsitz umgeben von Wald und Weihern zu einem gemeinsamen Erlebnis. Die Verbundenheit wird noch 1486 fühlbar. Der vielbeschäftigte Ratsschreiber Neithart, der bei Verhandlungen mitwirkte und mit politischen Gesandtschaften betraut wurde, war seinen Verwandten ein interessanter Gesprächspartner128. Gingen die Geschäfte mit den Erzeugnissen der Hammerwerke nach 1420 schlechter? Es fiel schon auf, daß Hans Tracht 1423 nur zwei Salzscheiben nachwies. Inzwischen war Hermann, sein ältester Sohn, zum Fernkaufmann geworden. Wir werden bei seiner Darstellung erfahren, wo und was er an Erzeugnissen der väterlichen Werke weit in der Schweiz umher abgesetzt hatte. Noch einmal ist Hans Tracht in einer Urkunde faßbar. Am 29. Dezember 1427 ist er Zeuge von Käufen, die von Burkhart Peßler und seinen Brüdern Martin und Hans vollzogen wurden. Es handelte sich um viele Güter129. Ist es biologisch möglich, daß Else Peßler, geb. Ammann, geboren am 23. April 1393, verheiratet vor 1411, ihre Mutter war? Dann kann nur Burkhart im Alter von 18 Jahren gewesen sein. Jedenfalls gehörten sie zur Verwandtschaft der Tracht. Das Todesjahr des Hans Tracht kann aus einigen Daten gefolgert werden. Seine Söhne Hermann, Hans, Niklas und Peter erscheinen 1430 zu viert in der Losungsliste mit gemeinsamem Besitz. 1430 und 1431 erhalten die Söhne Eichstätter und Bamberger Lehen übertragen. Somit wird ihr Vater Hans I. Tracht 1429 verstorben sein. Hermann Tracht, Hammermeister zu Hohenburg/Oberpfalz

Zum ersten Mal wies Hektor Ammann auf ihn hin, der ihn als Eisenhändler „weit herum in der Schweiz“ tätig festgestellt hat. „In Freiburg im Uchtland ist in den Notariatsregistern eine Reihe von Belegen über Lieferungen des auch sonst bekannten Eisenhändlers Hermann Tracht von Nürnberg erhalten. 1424 brachte er Sensen und viel Eisen für Huf- und andere Schmiede, ebenso 1425 128 W. v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, S. 241. Dort wird die führende Rolle aufgezeigt, die Neithart bei den Bündnisverhandlungen der Städte unter dem Vorsitz des Königs Siegmund spielte. Die Aufzeichnungen Neitharts von diesem Vorgang 1421—23, 1429 ff. haben sich im Staatsarchiv Nürnberg erhalten. Professor von Stromer bringt noch weitere Beispiele seiner Aktivität. Neithart war nicht allein an vielen Gesandschaften beteiligt. Er hat als Mensch Vertrauen erworben im Kreis seiner Mitbürger. Bekannt ist er als Vormund von Enkeln des Bürgermeisters Heinrich Toppier von Rothenburg, Wilhelm und Heinrich Wernitzer. Ihr Vater Caspar Wernitzer starb in Nbg. vor 1423. Ihre Mutter Barbara geb. Toppier heiratete ca. 1425 Siegfried von Goßheim. Im Testament der Barbara v. Goßheim wird 1433 Bartholomäus Neithart als einer der 3 Vollstrecker benannt. Germ. Nat. Museum, Imhoff-Archiv, Fasz. 5. Nr. 16. 129 St AN, D-Urkunden. Nr. 575. In dieser Urkunde findet sich der viel später bestätigte Kauf der Peßler-Brüder vom Jahr 1427.

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Waren für 300 Gulden sowie 300 Sensen, lieferbar in Schaffhausen und zahlbar auf der Genfer Messe. 1426 verkaufte er Eisen an einen Schmied für 100 Gulden und 500 Sensen für 145 Gulden.“130 Noch einmal ist von Eisen- und Sensenver­ kauf in Bern die Rede, der Betrag ist auf der Genfer Messe zu zahlen. Freiburg, der oben genannte Stadtstaat, lag an der westwärts von Bern nach Genf führenden Straße, die Tracht oft gezogen sein wird. Hermann Tracht war also zu Lebzeiten seines Vaters unterwegs, um Eisen und Sensen in beträchtlichen Mengen aus ihren Werksanlagen abzusetzen und das über weite Strecken ins Ausland hinein. Dieser junge Fernhändler wird durch seine Tatkraft die Aufmerksamkeit des Ratsherren Hans Teufel erweckt haben, der ihn als Schwiegersohn akzeptierte. Um 1430 hat Hermann Tracht Barbara Teufel, die Tochter des Hans Teufel und dessen Frau Kunigunde, geb. Pirckheimer, zur Frau genommen131. Mit dieser Verbindung gewannen die Tracht abermals gute Familienbeziehungen hinzu. Von den Kindern aus dieser Ehe ist namentlich nur der Sohn Jacob bekannt, der später als Mönch im Benediktinerkloster Kastl lebte. Der Vorname Jacob weist auf die Familie Teufel hin. Mit dem Jahr 1430 erscheint Hermann in der Losungsliste vor dem Trio der drei jüngeren Stiefbrüder im väterlichen Besitz im Lorenzer Stadtviertel. 1433 steuert er sowohl noch einmal dort wie auch in St. Sebald. Zunächst hatten die Brüder das Haus am Roßmarkt noch gemeinsam inne. Nicht weit vom Wein­ markt und den Augustinern, wo im 14. Jahrhundert seine Großeltern Tracht lebten, wird er nun 1433 als Steuerzahler direkt vor Hans Teufel aufgeführt, der wiederum gefolgt wird von Hans Siegwein jun.132. Mit diesem jungen Siegwein war die Schwester Kunigunde Teufel der Hermann Trachtin verheiratet. Die Lehen hatte Vater Hans wohl im Testament unter die Söhne aufgeteilt. An Hermann war der Groß- und Klein-Zehnt zu Hartmannshof gefallen, der ihm am Donnerstag nach Jacobi (27. Juli) 1430 verliehen wurde133. Diesen Zehnten hatte schon Marquart, sein Großvater, innegehabt. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt hat Hermann den Zehnten, wie daneben vermerkt ist, an Thoma Wirt in Traunfeld verkauft. Die Verbindung der Tracht zur Familie Starck zeigt sich auch bei Hermann, der von seinem Vetter Ulrich Starck 44 fl. in irgendeiner Form erhalten hatte, die Hans Tracht, sein Bruder, ausglich134. Es kann sein, daß Hermann Tracht als Schwiegersohn von Hans Teufel sich vorübergehend anderen Handelsgütern zuwandte. 130 Hektor Ammann, Wirtschaftliche Stellung Nürnbergs, 1970. S. 61, außerdem auch S. 102,107 genannt. 131 Für das alte Geschlecht der Teufel gibt es keine authentische Untersuchung. Hans Teufel wird ein Nachkomme der Stifter am Marienaltar zu St. Sebald sein. Es werden 1359 Konrad und 1370 Berthold genannt. Diese Pfründe hat Hans Teufel 1440 erweitert. Eine Schwester seiner Frau, Katharina Pirckheimer, war kurz mit Hans Rummel verheiratet gewesen. 132 StAN, ASTB 282, f. 2, 1430. ASTB 283, f. 29v; 1433. ASTB 275, f. 6. 1433. 133 StAN, Eichstätt Lehenbuch 4, f. 35r. 1430. 124 Neukam, Ulrich Starck S. 183.

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Hermann Tracht war 1434 zum Genannten gewählt worden, was Vertrauen voraussetzte135. Die Mißstimmung zwischen seinem Schwiegervater und ihm, die später fühlbar wird, kann sich aus gegenseitiger Enttäuschung im Handel entwickelt haben. Hermann ist nach 1440 wieder im traditionellen Beruf seiner Familie erwiesen. Ungeklärt ist die Ursache eines Streites, der sich zwischen Ulrich Herrn zu Laber und dessen Hintersassen mit Hermann Tracht 1435 entwickelt hatte136. Tracht müßte in der Nähe dieses Herrn von Laber auch Grundbesitz gehabt haben. Hans Teufel errichtete am Montag vor St. Jorgen 1440 sein Testament, aus dem deutlich hervorgeht, daß Hermann Tracht sich nicht im gleichen Maße wie der andere Schwiegersohn Hans Siegwein Vertrauen erworben hatte. Seine Frau Kunigunde, geb. Pirckheimer, war vor Hans Teufel gestorben. Er verfügte, daß ein dritter Teil gebührt „mein Tochter, der Trechtin und ihren Kindern also, das Hermann Tracht, ihr Mann, nichts damit zu schicken noch zu schaffen haben soll“137. Hans Teufel, der ein ungewöhnlich tätiger Mann gewesen ist, starb am St. Veitsabend (14.Juni) 1441. Diesen Todestag vermittelt sein Totenschild138. Er wurde, wie er bestimmt hatte, in das Grab seines Vaters in der Sebalduskirche gebettet. Barbara Tracht, geb. Teufel, hatte neben der Schwester Kunigunde Siegwein noch den Bruder Hans gehabt, der vom Vater 1440 als außer dem Lande bezeichnet wurde139. Er war mit Sicherheit Fernkaufmann und ist im Handel mit Schlesien zu beweisen. Wo und wann mag er gestorben sein? Mit dem 25. Februar 1441 verlieh Bischof Friedrich II. von Regensburg Hermann Tracht von Nürnberg die Hammerstatt von Altenhohenburg, die früher eine Mühle gewesen ist. Tracht hat dem Text der Verleihung nach dort den Bau einer neuen Hammerhütte geplant und verabredet. Es kam sicher zur Durchführung des Vorhabens H0. Am 20. August 1442 verkaufte Tracht als Hammermeister zu Hohenburg Bischof Friedrich von Regensburg ein Tagwerk Wiese, genannt „die Prunwiß“ gelegen an der Lautrach, die freieigen war. So hatte Hermann dort neben dem Lehen auch eigenen Grund und Boden gehabt141. Im Zusammenhang gewiß mit der neuen Hammerhütte wurde Hermann Tracht 1441 wegen eines Eisenzeichens in Amberg zur Rechenschaft gezogen. Auch Hans Tracht war dazu geladen worden. Der Nürnberger Rat hatte Ulman 135 StAN, ASTB 28, Genannte, f. 40r, 1434 bis 1450. 136 StAN, BB 12, f. lllv. Es muß sich nach f. 195 um Ulrich zu Laber und Wolfseck handeln. 137 StAN, 7 färb. Alphabet, Nr. 2848,1460 Aug. 11. Das 1440 erlassene Testament war von Erhard Schürstab dem Rat vorgelegt worden. Es scheint, daß Hans Teufel d. Jg. verstorben war. Der Rat mußte die Stiftung der Teufel zu St. Sebald nun in die Hand nehmen. 138 StadtAN, Cod. man. 169, Amtsbuch St. Sebald f. 96r. 8 Totenschilde der Teufel sind aufgeführt, darunter: 1441 an St. Veyts abend starb Hans Teufel der alt. 139 StAN, BB 16, f. 247r—248r. 140 Hans Dachs, Das Marktrecht von Hohenburg auf dem Nordgau. In: Verhdl. d. Hist. Ver. d. Oberpfalz u. Regensburg, 83, Regensburg 1933. S. 75—77. Abdruck der Urkunde von 1441. Herrn Hans Nikol-Erbendorf wird vielmals für diesen Hinweis gedankt. 141 Germanisches Nationalmuseum, 1442 Aug. 8. Papierurkunde.

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Hegner um seine Unterstützung für Hans Tracht gebeten142. Es kann daraus gefolgert werden, daß die Tracht ein Eisenzeichen besessen haben. Vielleicht war ihr Wappen das Eisenzeichen. Das wäre dem Eisenzeichen der Familie Groß entsprechend. Lamprecht Groß, verheiratet mit Clara Starck, Base der Tracht, führte schon in zweiter Generation das Familienwappen „Laub im Schilde“ als Eisenzeichen143. Nur drei Jahre nach dem Vater starb Barbara Tracht, geb. Teufel, im Herbst 1444144 j)je Auseinandersetzung über die Herausgabe des Erbes an ihren Sohn, den Mönch Jacob Tracht, im Kloster Kastl, durch seinen Vater, zog sich über Jahre hin. Das spiegelt sich in den Briefprotokollen des Klosters Kastl wie auch den Nürnberger Briefbüchern wider bis 1453145. Der Rat von Nürnberg hatte vordem schon 1449 Hermann Tracht wegen unbezahlter Losung angeschrieben. Der Rat erwartete ihn zum Weißen Sonntag in Nürnberg, „alsdann wollen wir Deine Rede hören“145a. Wahrscheinlich hängt damit zusammen, daß er 1450 sein Amt als Genannter beendete. Im Jahr 1451 klagte Hermann Tracht zweimal gegen seinen Bruder Hans um Gut, das in der Herrschaft des Klosters Kastl lag146. Noch 1452 ging die Auseinandersetzung weiter. Andere Klagen des Hermann Tracht finden sich noch bis ins Jahr 1459147. Das ist das letzte Lebenszeichen des Hermann Tracht. Sein Dasein stand zu Anfang unter guten Auspizien. Er war erfolgreich im Fernhandel gewesen und hatte zur Frau die Tochter aus einem alten Nürnberger Geschlecht gewonnen. Der Ausklang mag trübe gewesen sein. Sein Sohn Jacob ist noch 1460 als Diakon des Klosters Kastl festzustellen148. Es hat 1460 in Cham einen Hans Tracht gegeben, der auch Eisenhändler gewesen ist. Es könnte sich um einen weiteren Nachkommen des Hermann Tracht handeln149. Sein Vorname und sein Beruf deuten auf diese Möglichkeit hin, zumal aus dem Testament des Hans Teufel auf mehrere Kinder seiner Tochter geschlossen werden kann.

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StAN, BB15, f. 115. Fritz Schnelbögl, Auerbach in der Oberpfalz, 1976. S. 102/103. Burger, Totengeläut I Sebald, Nr. 340. Staatsarchiv Amberg, Briefprotokolle Kastl. Nr. 217/1, Gerichtsbuch des Stifts, 1448—1472, f. 48r. Kastl, Klosterurkunden Nr. 506a, 1452 Aug. 23, Nr. 511b, 1453 Nov. 6. Verzicht von Hermann Tracht zugunsten s. Sohnes Jacob, Konventualen zu Castel auf den Erbfall seiner Ehewirtin Barbara, Tochter des t Hans Teufel, nach dem Geschäft seines Schwehers. Dem Staatsarchiv Amberg wird für frdl. Beratung und Hinweise aufrichtig Dank gesagt. StAN, BB 23, f. 120, Hans Sigwein (Geschäftsvormund des f Hans Teufel) will im Januar 1453 selbst nach Kastl kommen, f. 146. Hans Sigwein (der Schwiegersohn des Hans Teufel) ist Mitte Februar gestorben, f. 176. Sigwein muß plötzlich gestorben sein — ohne Testament noch Vormünder. ,45a StAN, BB 19, f. 298r. 146 Staatsarchiv Amberg, Briefprotokolle Kastl 217/1. f. 48v, f. 49r, f. 53r. u. v. 1451/52. 147 Ebenda f. 112v. 1459. 148 J. G. Suttner, Schematismus der Geistlichkeit des Bistums Eichstätt 1480. Eichstätt 1879. S. 83 Castell, Benediktinerkloster (1460) unter Diaconi: Jacobus Traht. 149 H. Ammann, Wirtschaftliche Stellung Nürnbergs. S. 41.

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Niklas Tracht (fl470)

Zwei jüngere Geschwister des Hans II. Tracht werden vorgezogen. Niklas und Barbara hinterließen keine Kinder. So können dann die beiden letzten Genera­ tionen der Tracht in einem Fluß bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1501 dargestellt werden. Niklas erscheint in den Losungslisten zuerst 1430 und dann 1433, daneben in Bamberger Lehenbüchern 1430 und 143315°. Hans geht als der Älteste den Brüdern Niklas und Peter voran. Peter war demnach der jüngste Sohn aus der Ehe Tracht/Ammann gewesen. Ulrich Starck, der wohlhabende Vetter, gab den Brüdern Niklas und Peter Tracht ein Darlehen151. Von Peter ist das die letzte Nachricht seines Daseins. Er muß jung gestorben sein. Am väterlichen Haus im Stadtteil St. Lorenz hatte Niklas ebenso Anteil wie an den Bamberger Lehen im Raum von Hersbruck bis Sulzbach. Dagegen taucht sein Name nicht in Verbindung mit den Hammerwerken auf. Er muß als Kaufmann in einem anderen Handelszweig gewirkt haben. Im Jahr 1436 heiratete er Barbara Reinsperger, geb. Haug. Die junge Witwe war die zweite Frau des Kaufmanns Hermann Reinsperger gewesen152, der von dem Arzt Hermann Reinsperger abstammte153. Barbara Trächt war die Tochter des Kaufmannes Jobst Haug, der im Badischen Silberbergwerke betrieb154. Daran waren auch seine Schwiegersöhne Hermann Reinsperger und Seitz Pidermann beteiligt gewesen. Barbaras Schwester Ursula ist 1436 als Witwe des Seitz Pidermann festzustellen155. Barbara Tracht, geb. Haug, besaß aus ihrer ersten Ehe den kleinen Sohn Hermann Reinsperger, der später der beruflichen Tradition seines Großvaters folgte und Arzt wurde. Im Jahr 1436 wurde Niklas Tracht zum Amt des Genannten des Größeren Rates erwählt, das er durch lange Jahre bis zu seinem Tode inne hatte. Niklas kommt im Gegensatz zu seinen Brüdern kaum in Archivalien vor. Er hatte nicht 1S0 St AN, ASTB 282, f. 2r, ASTB 283, f. 29v. Staatsarchiv Bamberg, Standbuch 3, f. 200, Standbuch 5, f. 207v. ,S1 Neukam, Ulrich Starck, S. 183. ,S2 St AN, Rep. 44d, Nr. 69, f. 20v. Die 30 Gulden Ewiggeld, die von Cristein, Meister Hermann Reinspergers Witwe stammen, gehen auf ihre Schwiegertochter Barbara, Witwe des Hermann Reinsperger und deren Söhnlein Hermann Reinsperger über. Sept. 1436; f. 39v, in einem weiteren Eintrag zu diesem Ewiggeld wird Barbara als des Niklas Trachten Frau bezeichnet, fer. 3 a. Lucie virginis 1436. 153 Der Kaufmann Hermann Reinsperger hinterließ noch aus einer 1. Ehe die Kinder Henßlein, Sebolt, Georgen und Christlein (Christina), 1636 April 16 in Lochners Norica VII, 5. 154 Jobst Haug (s. W. v. Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz, Register) warein unternehmender Kaufmann. Es ist bisher nicht bekannt, daß sein Vater Clas Haug war, der im Fernhandel tätig war. Er übergab 1389 ein Zollgeld zu „möhtland“ — kann das Uchtland sein? Ich möchte es glauben: s. Stadtrechnungen 177. f. 381r. StAN, ASTB 280, f. 15v, Jobst, filius der Clas Haugin, 1403. Clas hat 1397 noch gelebt. BB 9, f. 108r 1431. Hermann Reinsperger und Seitz Pidermann haben ihren Schweher Jobs Haugen an dem Silberberg zu Ebertal unter dem Schloß Hohberg... geholfen und haben merklich drauf gelegt. 155 StAN, Ewiggeldbuch 69,f. 59r. 1436 Ursüla Seitz Pidermann Witwe, f. 70v Seitz Pidermann, Sohn des Seitz. Unter den Vormündern Ursula Praun Ingramin 1442. RB lb, f. 155v. Die Ingramin bemüht sich 1445 um einen Hof des Jobst Haug für ihren Sohn Seitz Pidermann.

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den risikoreichen Betrieb von Hammerwerken zu leiten und wurde deshalb nicht in Prozesse verwickelt. Seine Wohnung hatte er im Stadtteil St. Sebald, wo ihn 1443 und 1447 der Vorrat von zwei Salzscheiben als gut situierten Bürger ausweist156. Im Zusammenhang mit seinem Grundbesitz in Nürnberg gelang eine interes­ sante Feststellung: Er ist ein bis heute noch unbekannt gewesener Vorbesitzer des nachmaligen Dürer-Hauses. Das kann aus einer nur noch zu Zweidrittel erhaltenen Pergamenturkunde bewiesen werden157. Danach hat Niklas Tracht im Jahr 1446 das Erbe an dem Haus bei dem Tiergärtnertor am Eck oben erworben. Die Eigenschaft daran hatte Peter Rieter mit acht Gulden halb zu Walburg, halb zu Michaelis zu zahlen in der Hand158. Aus dem gleichen Fragment geht hervor, daß Niklas und Barbara Tracht jährlich 60 Gulden Leibgeding der Stadt Schweinfurt besaßen. Am untersten Rand des Blattes kann man herauslesen, daß Niklas Tracht einen Eigenzins an einem Haus in der Ledergasse gehabt hat. Im Zusammenhang damit erscheint der Name Fritz Staudt. Seine Frau Barbara, geb. Haug, starb im Jahr 1459 am 30. November159. Niklas Tracht erlebte die Freude, daß sein Stiefsohn Hermann Reinsperger den Dr. med. erwarb. Niklas Tracht hatte ein Testament erlassen, in dem er einen Jahrtag für sich und die Seinen auf dem St.-Erhards-Altar in der Sebalduskirche stiftete. Diese Stiftung lastete als Abgabe auf dem Haus am Tiergärtnertor160. Niklas Tracht starb im Juni 1470. Am Montag vor dem heiligen Pfingsttag (4. Juni) wurde ihm geläutet161. Barbara Rummel geb. Tracht (fl487)

Sie trug den Vornamen der Schwester ihrer Mutter, der Barbara Neithart, geb. Ammann. Sie blieb den Neithart zeitlebens verbunden1613. Sogar in ihrem Testament 1486 taucht ihr Vetter Hans Neithart (in Ulm) auf, den sie als „Oheim“ bezeichnet. ,S6 StAN, ASTB 28, Genannte, f. 41r. 1438—1470. StAN, ASTB 110, f. 16, 23?, 1443. ASTB 111, f. 13, 1447. 157 HSTAMü, Abt. I, RU Nürnberg, Nachtrag Fasz. 3, Nr. X 15/1/5. 1- *

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DÜRERS MASSEINHEITEN UND WERKZAHLEN IN DER UNTERWEISUNG DER MESSUNG Von Elisabeth Pfeiffer

Vorbemerkung Die Untersuchungen, die den geometrisch-konstruktiven Aufbau oder dies­ bezügliche Teilfragen auf Dürers Bildern zum Gegenstand haben, sind nicht ganz befriedigend. Sie werden mit wenigen Ausnahmen durchgeführt, ohne nach der Maß­ einheit zu fragen, die den Konstruktionen zugrunde liegt. Wird aber mit einer Maßeinheit gearbeitet, dann weichen die gebrauchten Werte vonein­ ander ab. Die Untersuchungen sind ferner auch deswegen unbefriedigend, weil in ihnen nicht versucht wird, die vermuteten geometrischen Bildkonstruktionen mit Dürers Unterweisung der Messung in Beziehung zu bringen. Nur mit der „Unterweisung der Messung“ beschäftigen sich die an histo­ risch-geometrischen Problemen interessierten Mathematiker. Auch sie fragen nicht nach der von Dürer gebrauchten Maßeinheit. Aber gerade dieses Lehrbuch Dürers ist aus seiner Kenntnis geometrischer, vor allem auch metrologischer Zusammenhänge und ihrer mathematischen Erforschung, insbesondere auch aus seiner Erfahrung im ständigen Umgang mit den geometrischen Konstruktionen auf seinen Bildern entstanden. Die Beantwortung der Frage, mit welcher Einheit Dürer arbeitete, ist da­ her nicht nur für die Frage nach Dürers geometrisch-konstruktiver Methode auf seinen Bildern, sondern ganz besonders auch für das Verstehen der Konstruktionen der Figuren des Lehrbuchs wichtig. So ist es für das Ver­ ständnis von geometrischer Bildkonstruktion selbstverständlich, sich zu­ nächst mit seinem Lehrbuch der Geometrie, mit seiner „Unterweisung der Messung mit Zirkel und Richtscheit in Linien, Ebenen und ganzen Körpern“ zu beschäftigen, um sich für die bei den geometrischen Konstruktionen der Bilder auftretenden Fragen Rat zu holen. Außerdem führt erst die richtig verstandene Konstruktion der Bilder Dürers und seiner Figuren in der Unterweisung im Zusammenhang mit der Kenntnis der von Dürer dabei gebrauchten Maßeinheit zum Sinngehalt des Dargestellten. Denn Dürer sagt selbst (3. Buch der Proportionen): „... und durch die Geometrie magst du dein Werk viel beweisen.“ 111

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Das vermutete Werkmaß Dürers In der Literatur ist es eine Selbstverständlichkeit, daß Dürer für seine geo­ metrischen Konstruktionen des Bildaufbaus sich immer desselben Werk­ maßes bediente. Funk meint: „Als Maßeinheit verwendete Dürer den Nürnberger Werkzoll zu 2,32 cm“, d. i. V12 Fuß von 278,3 mm. Richter (S. 286) geht in seiner Untersuchung der Perspektive und Proportionen in Albrecht Dürers „Melancholie“ davon aus, „daß Dürer mit dem Nürnberger Zoll­ stab (1 Nürnberger Zoll — 25,3 mm) gearbeitet hat“, den er aus Amanns „Das baierische Kataster“ entnommen hat, in dem der Nürnberger Schuh mit dem Wert „0,3037 m = 12 Zoll“ gerechnet wird.

Die Nürnberger Fußwerte von 278,300 mm und von 303,600 mm sind die als „kleiner“ und „großer“ Werkschuh bezeichneten Einheiten. Ihr Ver­ hältnis ist, wie es 2 Skalen auf einem Pendelquadranten (Ende des 16. Jh.) zeigen und wie es auch Schwentner (S. 2) angibt, 11:12. Beide Einheiten wurden als Handwerksmaße gebraucht. Wenn man annimmt, daß Dürer mit einer dieser Einheiten gearbeitet hat, dann erwartet man, daß einer der beiden Werkzölle oder ihr einfaches Vielfache als Ausgangslänge für die vielen Konstruktionsfiguren der Unter­ weisung gebraucht worden ist. Aber die Ausmessungen der Fig. 1 und 2 auf der ersten Seite des Buches wie auch der vieler anderer Figuren enttäuschen den Suchenden. Die Werkmaße in der Unterweisung Zunächst ist festzustellen: a) Grundlage jeder geometrischen Konstruktion ist die gerade Linie als Aus­ gangseinheit. Ihre Länge kann grundsätzlich beliebig gewählt werden. Mit Linien, den geraden, der ZirkeL(Kreis-), den krummen (Schlangen-, Schnecken-, Muschel-)Linien, wie Dürer sie nennt, beschäftigt sich Dürer im 1. Buch seiner Unterweisung. b) Grundlage des geometrischen Aufbaus eines Kunstwerks, aus dem sein „Maß“, die „Symmetria“ (d. i. die Einheit im Ganzen wie in der Vielheit und Verschiedenheit der Teile) genommen worden ist, ist die Geometrie der gleichmäßig geteilten Kreisfläche. Ausgangseinheit ist der Radius. Seine Länge kann grundsätzlich auch beliebig gewählt werden. Mit dem gleich­ mäßig aufgeteilten Kreis beschäftigt sich Dürer im 2. Buch der Unter­ weisung. Das dem Kreis eingeschriebene Quadrat hat als Diagonale den Kreis­ durchmesser = 2 r. Die Quadratseite ist eine geometrische Länge. Sie ist mit 112

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Maßeinheiten Dürers

dem Radius in Zahlen nicht meßbar, d. h. sie ist „irrational“. Sie ist Quadratseite = V 2 X Radius. c) Für die Praxis der Baumeister und Handwerker ist es aber notwendig, für die geometrischen Längen, die arithmetisch nicht durch die Zahl ausdrückbar sind, dennoch Zahlen zu finden, die die Länge der Strecke an­ nähernd, aber so genau wie möglich ausdrücken. Diese sind die Näherungs­ oder Werkzahlen.

1. Die Ausgangsstrecken der ersten beiden Figuren der Unterweisung Die Ausmessung der ersten beiden Figuren ergibt: Fig. 1 waagerechte Linie

=

43,5 mm

Fig. 2 bestehend aus = 44,5 mm senkrechte Linie Kreis mit Durchmesser > 41,5 mm Schlangenlinie (S-Form). Verbindung der Endpunkte = 37 mm Man könnte geneigt sein, den geringen Unterschied der beiden geraden Linien auf ein Verziehen des Papiers durch das Druckverfahren oder auf einen mangelhaft angefertigten Holzschnitt zurückzuführen. Aber die Ausmessungen derselben Linien und der vieler weiterer Figuren in den von mir benutzten Drucken, die von Dürer selbst i. J. 1525 herausgegeben worden sind, weichen in nichts vonein­ ander ab. Ich kenne keinen Druck der Dürer-Zeit, der die Klarheit, Sauberkeit und Exaktheit der Abbildungen, der konstruierten Figuren, der Buchstaben, der Textzeilen und des Satzspiegels der Dürersdien Drucke auch nur im entferntesten erreicht. Wie es zunächst den Anschein hat, haben die Längen der Fig. 1 und 2 mit dem kleinen und großen Werkschuh nichts zu tun. Nur der Kreisdurch­ messer von >41,5 mm Ausmaß ist direkt mit der baierischen Elle (= span. Vara) und mit der Klafter an der Nürnberger Lorenzkirche in Verbindung zu bringen. Denn es ist der Durchmesser von 41,745 mm = V20 baier. Elle von 834,900 mm = V40 Klafter an der Lorenzkirche von 1,6698 m = V20 kleiner Werkschuh von 278,300 mm. Dieser Durchmesser ist nur geringfügig kleiner als die Länge = ]/ 2 X 29,685 mm (Nürnberger Haltaus-Stadtschuh = 296,853 mm). = 41,980 Die Längen der Waagerechten der Fig. 1 von 43,5 mm und der Senk­ rechten der Fig. 2 von 44,5 mm sind zusammengesetzte Längen, worauf erst später eingegangen werden kann. 9

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Elisabeth Pfeiffer 2. Die Maßeinheiten in den Initialen der drei Bücher der Unterweisung Wenn man die Einheit suchen will, mit der Dürer in der Unterweisung arbeitet, dann muß man wissen, daß Dürer sehr oft das, was er sagen will, geometrisch verschlüsselt hat. Das gilt auch für die von ihm gebrauchten Maße. Dürer arbeitet nämlich nicht mit einer Einheit, sondern mit mehre­ ren, die aber aufs engste miteinander verknüpft sind. Um Wiederholungen zu vermeiden, sind im folgenden die von Dürer benutzten genauen mathematischen, in mm umgerechneten Werte angegeben, weil man nur mit diesen bei der folgenden Untersuchung arbeiten kann. Diese mm-Werte weichen von den ausgemessenen Längen um höchstens ^ 0,5 mm ab. Aus Grün­ den der Vereinfachung ist nur noch die 3. Dezimalstelle angegeben und die Be­ nennung mm weggelassen. Die Initiale J (m) des ersten Buches Der Zugang zu den von Dürer gebrauchten Maß­ einheiten ist die große Initiale des einleitenden Tex­ tes des ersten Buches: J(m Anfang tut not, so man die Jungen messen will lehren, daß sie wissen ...). Da Dürer die Buchstaben „Maß“gerecht aus einem Rechteck konstruiert (3. B.), so gehört auch zu dieser Initiale J ein Rechteck, mit dem die Linien des darin konstruierten J in Verbindung stehen. In diesem Rechteck sind die speziellen Bartzacken des Schlüssels, der das Tor zum Verständnis Dürerscher Konstruktionen öffnet, zu finden. Die Seiten des Rehtecks sind Länge = = Breite = =

Höhe des 37,106 = Breite des 29,685 =

J 2 X 18,553 J 2 X 14,842

Die Teilung der rechten Seite durch die Spitze des ausladenden J-Bogens ist von oben nah unten gemessen. Länge von 37,106 = 9,276 + 27,830 d. i. = (V4 + V4) X 37,106 Zwei Dreiecke entstehen durh die Verbindung des Anfangspunktes der Ini­ tiale mit den linken Eckpunkten und des Endpunktes mit den rehten Eckpunkten des Rehtsecks. Die Längsseiten sind die Grundlinien. Der Winkel über der rehten Rehteckseite mit dem Sheitel im J-Endpunkt hat als Shenkel die

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MVGN 64 (1977)

Maßeinheiten Dürers

3-Eckseite = 33,396 = 2 X 16,698 und = 18,553 = 2 X 9,276 = 37-106/2 Der Winkel über der linken Rechteckseite mit dem Scheitel im J-Anfangspunkt hat als Schenkel die 33,396/g

{ 16,698 29,685/2

{14,842 Die Entfernung der Scheitelpunkte beider Winkel (= Entfernung des An­ fangs- und Endpunktes des J) 37,106/4

= 13,118

9,276

Der viereckige Querstrich, der die Initiale schmückt, hat besondere Funk­ tionen. Hier müssen die folgenden beachtet werden: Der Mittelpunkt der an beiden Seiten abgeschrägten Viereckfläche teilt die J-Höhe. Sie ist von oben gemessen Höhe von 37,106 = 19,678 + 17,428

r 27,83o/2 + 17,428 = 1/2 X\ 13,915 + 17,428 Seine Dicke ist die Strecke = 1,8553 = 2 X 0,927 = 2 X V40 X 37,106.

Die dem Rechteck um die J-Initiale in Verbindung mit dem Anfangs­ und Endpunkt der Initiale und dem Querstrich entnommenen Längen sind die Ei n h e i t e n , die immer wieder den Figuren der Unterweisung zu entnehmen sind. Sie sind: mm 37,106 = Vio \ 18,553 = V20 / Daumenelle des Sachsenspiegels

von 371,066

33,396 = Vio \ 16,698 = V20 / Nürnberger Pfinzing-Stadtschuh

von 333,960

29,685 = 14,842 =

V20

J Nürnberger Haltaus-Stadtschuh

von 296,853

27,830 = 13,915 =

Vio

\

V20

Vio

\

/ Nürnberger kleiner Werkschuh

mm

von 278,300

Das Verhältnis dieser Fuße ist 371,066 : 333,960 : 296,853 : 278,300 = 20 : 18 : 16 : 15

Die Dicke des Querstridis von 1,855 ist das Doppelte der von Dürer gebrauchten kleinsten 9»

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Elisabeth Pfeiffer

Einheit = 0,927 = V40 von 37,106 = Vae von 33,396 = V32 von 29,685 — Vao von 27,830.

Ebenso wichtig, wie diese Einheiten ist bei geometrischen Konstruktionen auch ihr j/2-faches. Denn die Seiten eines Quadrates, das einem Kreis mit dem Radius = 1 Einh. (= Halbdiagonale) einbeschrieben ist, ist, wie bereits gesagt, eine geometrische Länge von dem irrationalen Wert = V 2 X Radius. Dementsprechend finden sich im Rechteck um die Initiale J des ersten Buches auch die V 2 - fachen Längen der obigen Einheiten, bzw. ihre Hälfte oder ihr Viertel. Die Längen sind V~2 X f 37,106 = 52,476 18,553 = 26,238 /2 X { 33,396 = 47,228 16,698 = 23,614

1/Tx {

29,685 = 41,980 14,842 = 20,990

1/2X { 27,830 = 39,357 13,915 = 19,678

Die Initiale N(achdem) des zweiten Buches Auch der großen Initiale des zweiten Buches: N(achdem ich hie foren angetzeigt . ..), sind die obigen vier verschiedenen Einheiten zu ent­ nehmen: Das Rechteck, aus dem diese Initiale kon­ struiert ist, ist ein Quadrat. Es entspricht dem Stoff, den Dürer im zweiten Buch behandelt, nämlich der Lehre von Konstruktionen gleich­ seitiger Vielecke aus dem Kreis. Das Quadrat hat die Quadr.-Seite = 37,106 = V10 Daumenelle. Die wichtigsten Strecken, die durch das aus dem Quadrat konstruierte N entstehen, sind: Verbindung des Anfangs- und Endpunktes des N = 27,830 = V10 Nürnberger Werkschuh Verbindung des Anfangs- und Endpunktes des oberen N-Bogens = 29,685 = V10 Nürnberger Haltaus-Stadtschuh Verbindung des Anfangspunktes und des oberen Bogens mit dem Endpunkt des N = 33,396 = V10 Nürnberger Pfinzing-Stadtschuh.

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Maßeinheiten Dürers

Die obere Spitze des N teilt die obere Quadr.-Seite auf. Sie ist Quadr.-Seite von 37,106 = 27,830 + 9,276 = (s/4 + V4) x 37,106 Besonders hinzuweisen ist auf das winzige, auf die Spitze gestellte Quadrat am Anfang des H(ernach . ..) der Überschrift des zweiten Buches. Denn seine Diagonale liegt auf der rechten Seite des Quadrats um das N. Halbdiagonale und Diagonale sind die von Dürer gebrauchte kleinste ein­ fache bzw. Doppel-Einheit. Halbdiag. = 0,927 = Vio X 37,106 « 1 mm Diag. = 1,855 = V20 X 37,106 Fläche = 0,860 mm2 ~ 1 mm2. Die Initiale S(o) des dritten Buches Auch der großen Initiale des dritten Buches S(o nun hie foren . .. anzeigt ist . . .) sind die­ selben Einheiten zu entnehmen. Das Rechteck, aus dem die Initiale konstruiert ist, hat die Seiten: Im folgenden sind die Längen auch in Anzahl Dürer-Einh. von 0,927 angegeben, weil sie Werk­ zahlen für die Verhältnisse sind, die aus dem ver­ schieden, aber gleichmäßig geteilten Kreis stammen. Größere Seite = Breite des S = Höhe des J des ersten Buches = 37,106 = 40 Einheiten von 0,927 Kleinere Seite = = d. i. = =

Höhe des S 36,179 37,106 —0,927 (40 —1) = 39 Einheiten von 0,927

Die Höhe des S ist also die um die kleinste Dürer-Einheit verkleinerte Einheit von 37,106. Die Verkleinerung und Vergrößerung einer Strecke = Maßeinheit bei den Figuren der Unterweisung um Dürers kleinste Maßeinheit von 0,927, manchmal auch um die Doppel-Einheit läßt sich immer wieder feststellen. Die Teilung der rechten Seite durch den rechten Endpunkt des S-Bogens ist von oben nach unten gemessen Länge von 36,179 = 11,132 + 25,047 = 12 Einh. + 27 Einh. Zwei Dreiecke entstehen durch die Verbindung des Anfangspunktes der Ini­ tialen mit den oberen Ecken und des Endpunktes mit den unteren Ecken des Rechtecks.

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Abb. 19: Gleishammer, 1851 (Kat. Nr. 19a),

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Abb. 20: Nürnberg, Kgl. Bank (Staatsbank), 1852 (Kat. Nr. 20a).

Abb. 21: Hauptmarkt, 1853 (Kat. Nr. 21).

Abb. 22: Dr. Bocks Privatheilanstalt — Klarakirche — Genossenschaftshaus, 1857 (Kat. Nr. 23a).

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Abb. 23: Schießhaus am Maxfeld — Maxtor (von innen — von außen), 1857 (Kat. Nr. 23b).

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Abb. 24: Kaiserstraße — Hl. Geist — Brunnen auf dem Maxplatz (Wasserspeier), 1858 (Kat. Nr. 24a).

Das germanische Museum

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Abb. 25: Germanisches Museum — Frauentorturm — Spittlertorturm, 1858 (Kat. Nr. 24b).

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Abb. 26: Burg gegen Norden (von der Bücher Straße), 1859 (Kat. Nr. 25a).

Vestner-Thor

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