Missionarische Gemeinde in sozialistischer Umwelt: Die Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen im Kontext der SED-Kirchenpolitik (1968-1975) 9783666557323, 3525557329, 9783525557327

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Missionarische Gemeinde in sozialistischer Umwelt: Die Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen im Kontext der SED-Kirchenpolitik (1968-1975)
 9783666557323, 3525557329, 9783525557327

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ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN ZEITGESCHICHTE REIHE B: DARSTELLUNGEN BAND 32

V&R

ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN

ZEITGESCHICHTE

Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Joachim Mehlhausen und Leonore Siegele-Wenschkewitz

REIHE B: DARSTELLUNGEN Band 32

Peter Beier Missionarische Gemeinde in sozialistischer Umwelt

GÖTTINGEN

VANDENHOECK & RUPRECHT

1999

Missionarische Gemeinde in sozialistischer Umwelt Die Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen im Kontext der SED-Kirchenpolitik (1968-1975)

von

Peter Beier

GÖTTINGEN

VANDENHOECK & RUPRECHT

1999

Die Deutsche Bibliothek

-

(.„IP-Einheitsaufnahme

Beier, Peter: Missionarische G e m e i n d e in sozialistischer Umwelt: die K i r c h e n t a g s k o n g r e ß a r b e i t in Sachsen im Kontext der SED-Kirchcnpolitik ( 1 9 6 8 - 1 9 7 5 ) / von Peter Beier. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1999 (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte: Reihe B, Darstellungen; Bd. 32) ISBN 3-525-55732-9

© 1999 V a n d e n h o e c k & Ruprecht in Göttingen Printed in G e r m a n y . - D a s W e r k einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich g e s c h ü t z t J e d e Verwertung a u ß e r h a l b d e r engen G r e n z e n des Urheberrechtsgesetzes ist o h n e Zustimmung des Verlages unzulässig und s t r a f b a r . Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, U b e r s e t z u n g e n , Mikroverfilmungen und die Einspeichemng und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Satzspiegel, N ö r t e n - H a r d e n b e r g D r u c k und Bindung: H u b e r t & Co., Göttingen

INHALT

Einführung in das Forschungsprojekt 1. Vorbemerkungen 1.1. Thema 1.2. Aktenlage

IX 1 1 4

2. Voraussetzungen und Kontext 2.1. Die Kirchentagsarbeit in der DDR nach dem Mauerbau 2.1.1. Am Vorabend des „13. August" 2.1.2. Lähmung und Entfremdung 2.1.3. Neubeginn mit föderaler Grundstruktur 2.1.4. „Kirchentagstreffen" contra „Landeskirchentage"? 2.1.5. Begrenzte Möglichkeiten 2.2. Gemeindeaufbau, Kirchenverständnis und neue Formen der Gemeindearbeit 2.2.1. „Missionarische Gemeinde" 2.2.2. Der Kongreß „missio heute"

8 8 8 24 30 38 58 103 103 112

3. D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen 3.1. Ungünstige Umstände 3.2. Die ursprüngliche Planung 3.3. Eine staatliche „Empfehlung" 3.4. Konzeptionswechsel 3.5. Vorbereitung ohne staatliche „Unterstützung" 3.6. Die Durchführung 3.6.1. „Politisch-operative Absicherung" 3.6.2. Ablauf 3.7. Kirchliches Echo ' 3.8. Staatliche Einschätzung

124 124 132 142 164 172 186 186 192 207 211

4. Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit 4.1. Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weiterarbeit" im Jahre 1969 . 4.2. Der „ Kirchen tagskongreß" 1970

225 225 242

5. Beginnende Regionalisierung 5.1. Die Kongresse 1971 in Meerane und Dresden 5.2. Meerane und Görlitz 1972 5.3. Dresden und Leipzig 1973

262 262 281 307

6. D e r K o n g r e ß und Kirchentag 1975 in Dresden 6.1. Die vorbereitenden Regionalkongresse 1974 6.2. Veränderte Perspektiven

328 328 339

VI

Inhalt

6.3. 6.4. 6.5. 6.6. 6.7.

Zur staatlichen Unterstützung „Politisch-operative Absicherung" Ablauf und Ergebnis Kirchliches Echo Staatliche Einschätzung

362 382 385 398 401

7. Weiterführende Angebote

406

7.1. Die Kurse für Gesprächsführung 7.2. „Stud. christ." - ein Fernstudium in einzelnen Kursen

406 410

8. Ausblick

419

9. Übersichten

425

9.1. 9.2. 9.3. 9.4. 9.5.

Kirchentage in der D D R (1961-1975) Kirchentagskongresse in anderen Landeskirchen ( 1 9 7 1 - 1 9 7 4 ) Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen Die Mitglieder der Gremien Kurzgefaßte Kongreßstatistik

. .

Dokumente 1. Werner Krusche, „Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen" 2. Rat des Bezirkes Dresden, Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen 3. Rat des Bezirkes Dresden, Betr.: Kongreß der Bedrängten, Resignierten am 25. und 26. Oktober 1969 in Dresden 4. Johannes Hempel, Thesen zu „Notwendige Voraussetzungen zum Verständnis der Bibel" 5. Rat des Bezirkes Dresden, Aktennotiz. Betr.: Kirchentagskongreß am 26. und 27.9.1970 in Dresden 6. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Schlußwort zum Kirchentagskongreß 70 von Pfarrer Dietrich Mendt 7. Dietrich Mendt, Entwurf für ein Fernstudium in Fernkursen für Christen, die den Wunsch haben, für ihren Alltag im christlichen Glauben unterwiesen zu werden 8. Kirchentagskongreß 71 Meerane „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes": Theologische Erläuterungen zum Thema von Herrn Dr. Johannes Hempel 9. Dietrich Mendt, Thesen zur Thematik der Kongresse 1971/1972 „Missionarische Gruppen" 10. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens / Evangelischer Kirchentag Görlitz, Wort zur Thematik 1972 „Praxis und Alltag missionarischer Gruppen" 11. Kirchentagskongreß 1973, 16./17. Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Schlußwort, Pastor Hans Roch . . 12. Werner Krusche, „Unterwegs zur Gemeinde von morgen" . . . . 13. Johannes Hempel, „Unterwegs zur Gemeinde von morgen" . . .

425 427 429 446 448

451 451

452 461 462 463 466

469

471 473

474 476 477 480

Inhalt 14. Rat des Bezirkes Dresden, Einschätzung des Verlaufs und der Ergebnisse des Kirchentagskongresses und des Kirchentages der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 30.5.-1.6.1975

VII

486

Plakate

489

Abkürzungen

490

Quellen und Literatur

494

Personenregister

501

EINFÜHRUNG IN DAS FORSCHUNGSPROJEKT

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ließ sich bei seiner gemeinsamen Sitzung mit dem Präsidium der Synode der EKD am 21. und 22. Februar 1992 vom Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR, Joachim Gauck, über die Arbeitsweise des Ministeriums für Staatssicherheit sowie über das Verfahren und den Stand der Aktenaufarbeitung der „Gauck-Behörde" informieren. In einem Kommunique wurde anschließend „die Notwendigkeit dieser schwierigen Arbeit" ausdrücklich bejaht' Auf der gleichen Sitzung beschloß der Rat der EKD „die Herausgabe einer fachwissenschaftlichen Dokumentation auf der Grundlage kirchlichen Archivmaterials zur Frage , Kirche und Staat in der DDR'". Er beauftragte das Kirchenamt der EKD, an die Gliedkirchen heranzutreten, „auch ihre Archive für diese kirchengeschichdiche Forschung zur Verfügung zu stellen". Das Unternehmen sollte „zusammen mit der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte durchgeführt werden".2 Diesen Entscheidungen waren seit dem Frühjahr 1991 sehr heftige und kontrovers geführte öffendiche Auseinandersetzungen über die Rolle der evangelischen Kirchen in der DDR vorausgegangen. Die im November 1992 in Suhl tagende EKD-Synode stand aus aktuellen Gründen unter dem Thema: „Kirche im geteilten Deutschland - Bewahrung in der Bedrängnis". Die Synode beschloß eine „Kundgebung", in der erklärt wurde: „Die Synode ist sich einig, daß die Klärung von Verstrickungen mit dem SED1 Vgl. EKD-Pressemitteilung. Kommunique über die 4. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am 21./22. Februar 1992 in Hannover, S. 1. 2 Ebd. - Zur Zusammensetzung, zu den Arbeitszielen und zur Arbeitsweise der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte vgl. C. NICOLAISEN: Zwischen Theologie und Geschichte. Zur kirchlichen Zeitgeschichte heute. In: EvErz 42 (1990), S. 410-419; J. MEHLHAUSEN: Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte und die Erforschung der Kirchengeschichte der DDR. In: EVANGELISCHE ARBEITS-

GEMEINSCHAFT FÜR KIRCHLICHE ZEITGESCHICHTE: M i t t e i l u n g e n 13 ( 1 9 9 3 ) , S. 1 - 6 ; L . SIEGE-

LE-WENSCHKEWITZ: Probleme Kirchlicher Zeitgeschichtsforschung. In: DIES. (Hg.): Die evangelischen Kirchen und der SED-Staat - ein Thema kirchlicher Zeitgeschichte (Arnoldshainer Texte 77). Frankfurt/Main 1993, S. 142-151; J.-СН. KAISER: Wissenschaftspolitik in der Kirche. Zur Entstehung der , Kommission für die Geschichte des Kirchenkampfes in der nationalsozialistischen Zeit'. In: A. D0ERING-MANTEUFFEL/K NOWAK (Hg.): Kirchliche Zeitgeschichte. Urteilsbildung und Methoden (KoGe 8). Stuttgart u.a. 1996, S. 125-163.

χ

E i n f ü h r u n g in d a s F o r s c h u n g s p r o j e k t

Regime und im besonderen mit dem MfS, die jetzt bekannt geworden sind und noch bekannt werden können, ohne falsche Rücksichten und ohne Rücksichtslosigkeit vollzogen werden muß. D a s gilt sowohl für das Verhalten einzelner wie für Strukturen und Regeln kirchlichen Redens und Handelns. So brisant die Aufarbeitung speziell des Zusammenwirkens einiger kirchlicher Mitarbeiter mit der Staatssicherheit ist, wurde doch rasch deudich, daß der Problemhorizont, in dem diese Fragen zu erforschen, zu bearbeiten und zu diskutieren sind, sehr viel weiter konzipiert werden muß. Deshalb beschloß der Rat der E K D , ab 1993 für vier Jahre ein Forschungsprojekt bei der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte einzurichten und zwei historisch und kirchenhistorisch arbeitende Wissenschaftler zu beauftragen, das Verhältnis von „Kirche und Staat in der D D R " auf einer breiten Quellenbasis so differenziert wie möglich zu beleuchten. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts, das Prof. Dr. Joachim Mehlhausen, Tübingen, wissenschaftlich geleitet hat, legt nach zwei bisher erschienenen Monographien 4 nun Peter Beier seine Untersuchung über die Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen und die SED-Kirchenpolitik zwischen 1968 und 1975 vor mit dem Titel „Missionarische Gemeinde in sozialistischer Umwelt". Inwieweit veranschaulicht die Kirchentagskongreßarbeit der evangelischlutherischen Landeskirche Sachsens das Verhältnis von Kirche und Staat in der D D R ? Der 1949 nach dem Zweiten Weltkrieg von Reinold von ThaddenTrieglaff ins Leben gerufene Deutsche Evangelische Kirchentag war von seinem Gründer konzipiert als eine Sammlungsbewegung von Laiinnen und Laien. Als Aufgabe des Kirchentags bestimmte die Präambel der Kirchentagsordnung: „Er will die evangelischen Christen in Deutschland sammeln, sie im Glauben stärken, sie für die Verantwortung in ihrer Kirche rüsten, sie zum Zeugnis in der Welt ermutigen und mit ihnen in der Gemeinschaft der weltweiten Christenheit bleiben." 5 Offenkundig bestand der Bedarf nach einer solchen Sammlung und Zurüstung einer protestantischen LaiK L R C H L I M G E T E I L T E N D E L T S C H I A J N D - B E W A H R U N G I N D E R B E D R Ä N G N I S . Diskussionsbeiträge und ergänzende Materialien von der 3. Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland November 1992, Suhl. Hg. vom Kirchenamt der E K D . Hannover o.J. (1993), S. 152. A N K E S I I . O M O N : Synode und SED-Staat. Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der D D R in Görlitz vom 18. bis 22. September 1987 (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte B/24). Göttingen 1997; P E T E R B E I E R : Die „Sonderkonten Kirchenfragen". Sachleistungen und Geldzuwendungen an Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter als Mittel der DDR-Kirchenpolitik (1955-1989/90) (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte B/25). Göttingen 1997. ' P E T E R S T E I N A C K E R : Art. Kirchentage. In: T R E X I X . Berlin/New York 1 9 9 0 , S . 1 0 5 . 3

4

Einführung in das Forschungsprojekt

XI

enbewegung, denn am ersten Kirchentag in Hannover 1949 nahmen 9.000 Menschen an der Schlußversammlung teil, am Kirchentag in Essen 1950 waren es über 25.000 Dauerteilnehmende und 180.000 Teilnehmende bei der Schlußversammlung; der 1951 in Berlin unter dem Thema „Wir sind doch Brüder" tagende Kirchentag zog bereits über 91.000 Dauerteilnehmerinnen und -teilnehmer und 300.000 Menschen zu der Schlußveranstaltung an und eine nochmalige Steigerung erbrachte der Leipziger Kirchentag 1954 mit 650.000 Besuchern bei der Schlußveranstaltung. Zweifellos hatte der Kirchentag den Anspruch, als eine gesamtdeutsche Klammer zu wirken, und die Zahlen der 50er Jahre belegen, daß der Zuspruch aus West und Ost groß war. Peter Beier zeigt in seiner Untersuchung jedoch auf, daß „der Deutsche Evangelische Kirchentag als westdeutsche Unternehmung entstanden" war, „seine gesamtdeutsche Klammerfunktion erst im Zusammenhang des Kirchentags 1951 in Berlin . . . erhalten" hatte und nach den Behinderungen des Besuchs des Münchner Kirchentags 1959 durch die DDR-Behörden, dann vor allem nach dem Mauerbau 1961 „die Idee eines Ost und West verbindenden Deutschen Evangelischen Kirchentags . . . auf westdeutscher Seite . . . anscheinend ohne tiefgreifende Bedenken (wieder) zugunsten einer rein westdeutschen Veranstaltung und Institution aufgegeben wurde".4 Der Autor führt aus, daß das ostdeutsche vierköpfige Restpräsidium, das durch seine Staatsorgane gehindert war, mit dem in Fulda ansässigen und dort weiterarbeitenden Organisationszentrum zusammenzutreffen und zu kommunizieren, zunächst in eine Lähmung geriet, indem es „bis Mitte der 60er Jahre und darüber hinaus beharrlich an den grenzübergreifenden Gemeinsamkeiten und der freilich nur noch formalen Einheit mit dem DEKT" 7 festhielt Er scheut sich nicht, von einer zunehmenden Ausgrenzung der Ostdeutschen zu sprechen, die angesichts des Fortgangs der Kirchentagsarbeit in der Bundesrepublik, von der sie ja ausgeschlossen waren, in eine Zuschauerrolle gerieten. Das ist die Vorgeschichte für den sich seit Mitte der 60er Jahre in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vollziehenden Aufbruch, sich von der Westdeutschen' Kirchentagsidee ein Stück weit zu emanzipieren, den Verhältnissen und Bedürfnissen, als Kirchen unter den spezifischen Gegebenheiten der DDR zu leben, Rechnung zu tragen und ein eigenes Konzept, nämlich die regionalisierten Kirchentage und vor allem die Kirchentagskongreßarbeit, zu entwickeln. Dies beschreibt der Autor beispielhaft für die Jahre 1968-1975, obwohl die Arbeit während der gesamten Dauer der DDR fortgesetzt worden ist.

Im vorliegenden Band S. 25. ' Ebd.

6

XII

E i n f ü h r u n g in d a s

Forschungsprojekt

Welche Rahmenbedingungen, welche prinzipielle Einstellung von Seiten des Staats und der SED hatte das kirchliche Konzept zu berücksichtigen? Ein Hauptpunkt des Anstoßes für Staat und Partei waren Massen- oder Großveranstaltungen, die in kirchlicher Regie durchgeführt wurden, da in den Augen von Partei und Staat diese in ihre alleinige Zuständigkeit fielen. Umstritten war also die öffendiche Wirksamkeit der Kirche über ein Sakristeichristentum, über die Kirchenmauem hinaus. Bestritten wurde durch den SED-Staat und seine Repräsentanten auf allen Ebenen, daß die Kirche einen Öffentlichkeitsanspruch wahrzunehmen hätte, daß sie in die Gesellschaft hineinwirken dürfe und etwas zu den Problemen der Gesellschaft beizutragen habe; denn im Selbstverständnis von Partei und Staat existierten solche Probleme überhaupt nicht, und wenn doch, lag deren Lösung allein in ihrer Verantwortung. Ein weiterer Konfliktpunkt war, in wessen Zuständigkeit ideologische Schulung und Beeinflussung gehöre; es ging also um die Zuständigkeit für Bildung im weitesten Sinne. Die sächsische Landeskirche hat die Tragweite dieser Hauptkonfliktpunkte erkannt und ist dem Konflikt nicht ausgewichen. Sie hat öffentliche Verantwortung wahrzunehmen versucht und hat mit der Kirchentagskongreßarbeit ein Konzept entwickelt, als Kirche Bildungsaufgaben gegenüber ihren Mitgliedern wie gegenüber kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wahrzunehmen. Bildung ist ein zentraler Aspekt der Kirchentagskongreßarbeit gewesen: theologische Fortbildung von Biblischer Theologie über Seelsorge bis zu Sozialethik für engagierte Laienchristinnen und -christen. Und indem die Themen der Kirchentagskongresse die Öffnung von Kirche und Theologie für die brennenden Probleme der Gesellschaft dokumentieren sollten, geschah auf ihnen interdisziplinäre Fortbildung. Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der mit der Kirchentagskongreßarbeit verbunden ist, ist als Grundtenor die Frage des Selbstverständnisses der Kirche: die Kirche ist erst dann die Kirche Jesu Christi, wenn sie „Kirche für andere" ist. Was bedeutete dies für eine Kirche, die als Minderheitenkirche und nicht mehr als Volkskirche existierte, die sich in einem dezidiert und oft auch agressiv atheistischen gesellschaftlichen Umfeld orientieren mußte, die permanent von Staat und Partei an Grenzen und Einschränkungen ihres Handelns geführt wurde? Peter Beier legt hier eine Studie vor, die solche weit über das Kirchentagsthema hinausgehenden Fragen aufwirft. Diesem Buch sind viele aufgeschlossene Leserinnen und Leser zu wünschen. Arnoldshain, im Dezember 1998 PROF. D R . JOACHIM M E H L H A U S E N

PROF. D R . LEONORE SIFGEU - W I NSCHKI

wriv

1. VORBEMERKUNGEN 1.1. Thema In einem Gespräch mit dem Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden, Dr. Horst Dohle, am 25. Februar 1970 „bedankte" sich der Präsident der sächsischen Landessynode und Vorsitzende des Landesausschusses für Kongreßarbeit, Johannes Cieslak, ausdrücklich für die staatliche Behinderung des zwei Jahre zurückliegenden Landeskirchentages in Dresden und Meißen: „Er sei . . . dankbar dafür, daß der Staat 1968 so viele Schwierigkeiten beim Landeskirchentag gemacht habe, denn dadurch sei das kirchliche Selbstverständnis gefördert worden."1 Was Cieslak hier aussprach, war im Grunde ein vernichtendes Urteil über die Effektivität der staatlichen Repressionsmaßnahmen gegenüber der Kirche. Danach wären Partei- und Staatsführung der DDR zwar bestrebt gewesen, die Kirche mit einer Fülle von Behinderungen und Eingrenzungen ihres Handelns zu marginalisieren und als unerwünschten Störfaktor aus der sozialistischen Einheitsgesellschaft hinauszudrängen - weshalb auch der Landeskirchentag 1968 keine staadiche Zustimmung erfahren habe - , erreicht worden sei jedoch das Gegenteil. Die Ablehnung des Landeskirchentages habe gerade ein erneutes Fragen nach dem Auftrag der Kirche gefördert, das die veränderte Situation nicht nur als beschwerlich bedauerte, sondern als Herausforderung und neue Aufgabe für kirchliches Reden und Handeln annahm. Insbesondere erwuchs aus diesem Fragen die Einsicht, daß die Kirche genau dort engagiert und kompetent sein müsse, wo der Staat sie nicht haben wolle: bei den konkreten Menschen, im Alltag von Familie und sozialistischer Arbeitswelt. - Eine Antwort Döhles auf die Bemerkung Cieslaks ist nicht überliefert. Als der Plan der sächsischen Landeskirche, nach dem Ende der gesamtdeutschen Kirchentage erstmals 1968 wieder einen größeren Landeskirchentag durchzuführen, staatlicherseits abgelehnt wurde, spielten auf staatlicher Seite mehrere Gründe eine Rolle - angefangen bei der politischen Großwetterlage bis hin zu einer Art Bestrafung für ein als unloyal empfundenes Verhalten des sächsischen Landesbischofs Gottfried Noth. Für diejenigen in der sächsischen Landeskirche, die angesichts der veränderten ' Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Aktennotiz über ein Gespräch mit Präses Cieslak am 25.2.1970, 10.3.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2968, Bl. 123-125), S . 3 .

2

Vorbemerkungen

Situation nach neuen Wegen in der Gemeindearbeit suchten, war die staatliche Weigerung jedoch ein weiterer Grund, über den Auftrag der Kirche in dieser Zeit und in dieser Gesellschaft nachzudenken. Die staatliche Ablehnung hatte einmal mehr deudich gemacht, daß es in der Kirche nicht so weitergehen könne wie bisher. Angesichts der veränderten Bedingungen müsse, so meinte man, neu überlegt und diskutiert werden, wozu und für wen die Kirche eigendich da sei. Diese Diskussion gab es selbstverständlich nicht nur in Sachsen und auch nicht nur in der genannten Zeit. Das Besondere in Sachsen 1968 war jedoch, daß die vom Staats- und Parteiapparat mit technisch-organisatorischen Mitteln durchgesetzte Minimierung des Landeskirchentages die Bildung eines Forums auslöste, in dem es von Anfang an um diese Grundsatzfragen und die aktuellen Konsequenzen daraus ging. Angesichts dessen vermochte der Vorgang im Rückblick an 1 Mose 50,20 zu erinnern: „Sie gedachten es böse zu machen, aber Gott hat es gut gemacht" 2 Der scheinbar schnelle Rückzug der sächsischen Landeskirche angesichts der am 5. Dezember 1967 vom Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Dresden, Manfred Scheler, erklärten staatlichen Position war ein konstruktiver Rückzug, der staadiche Erfolg ein vordergründiger. An die Stelle einer öffentlichkeitswirksamen, aber einmaligen Aktion trat eine kontinuierliche und konzentrierte Arbeit, die vorerst zwar im kleinen Kreis stattfand, bei der es jedoch ganz konkret darum ging, in welchen Situationen des realsozialistischen Alltags chrisdiches Handeln und Reden herausgefordert sei. Nicht völlig zu Unrecht fühlten sich die Staatsfunktionäre vor Ort angesichts der Kongreßarbeit an die aus dem eigenen Bereich bekannte Schulung von Propagandisten und Agitatoren erinnert, womit ihnen auch deutlich gewesen sein dürfte, daß die Kongreßarbeit langfristig viel mehr dem Ziel einer entchristlichten Gesellschaft entgegenstand, als dies bei einer kirchlichen Großveranstaltung (die es ab 1975 dann auch in Sachsen durchaus wieder gegeben hat) der Fall gewesen wäre. Entsprechend hielt das Referat Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden in seiner „Kirchenpolitischen Jahreseinschätzung 1974" fest, daß „die Gruppierung des Kirchentagskongresses" zwar „als Gegengewicht gegen bestimmte reaktionäre Auffassungen" konservativer Gruppierungen innerkirchlich von Nutzen sei, nach außen jedoch mit ihrem Leitbild einer „sehr modernistisch aufgebauten und in ihren Arbeitsformen flexiblen Laienkirche . . . die Durchsetzung sozialistischer] Lebensnormen störe". 3 Da die Kongresse mit ihrer begrenzten Teilnehmerzahl, der ausschließlichen Nutzung kir2 So Johannes Hempel (Niederschrift des Gespräches mit Landesbischof i. R. Dr. J o h a n nes Hempel am 11.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 2). 3 [Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen], Betr.: Kirchenpolitische Jahreseinschätzung 1974, 18.12.1974 ( S H S t A , BPA Dresden, IV С 2 / 1 4 / 6 8 2 ) , S. 2.

Thema

3

cheneigener Räume und den unverkennbar kirchlichen Themen allerdings die formalen Vorgaben der staatlichen Seite für kircheninterne Veranstaltungen einhielten, konnte gegen sie offiziell kaum etwas unternommen werden. Es wurde auch kaum versucht. Die Kirchenfunktionäre im Staatsund Parteiapparat beruhigten sich vermudich damit, daß die von 1969 bis 1974 durchgeführten kleinen Kongresse im kirchlichen Abseits stattfanden und ohne besondere Aktionen, die ein sofortiges Eingreifen nötig gemacht hätten, abliefen.4 Erst als für das Jahr 1975 in Sachsen erneut ein großer Kongreß mit anschließendem Kirchentag vorbereitet wurde, gab es auf staadicher Seite emeut Überlegungen zur Begrenzung dieser Veranstaltung. Sie drangen jedoch angesichts einer beginnenden Entkrampfung des StaatKirche-Verhältnisses und wohl auch angesichts der kirchlicherseits an den Tag gelegten Entschlossenheit nicht durch. Das Echo, das der erste Kirchentagskongreß 1968 bei den Teilnehmern fand, war damals auch für die Veranstalter, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht an eine Fortführung dachten, überraschend. Der nachfolgende Ausbau dieses kirchlichen Arbeitsbereiches wurde dementsprechend nicht „von oben" verordnet, sondern „von unten" eingefordert Im Laufe der Zeit entstand ein immer größer werdender Kreis von „Freunden der KongreßArbeit", deren Engagement in diesem Bereich so intensiv war, daß von einer Kongreß Bewegung gesprochen werden kann. Die Auswirkungen der Kongreßarbeit, einschließlich des im Zusammenhang damit entstandenen Fernkurses „stud. christ" sind bis heute zu verzeichnen. Auch die Kongreßarbeit selbst, bereits 1979 wieder zur Kongreß- und Kirchentagsarbeit erweitert, besteht noch heute, muß sich freilich - einst ab Reaktion auf eine veränderte Situation geboren - nun selbst auf eine neue Situation einstellen. Aus den drei Jahrzehnten Kongreßarbeit in Sachsen greift diese Untersuchung lediglich die Anfänge heraus, genauer: den Zeitraum von 1968 bis 1975. Der Einsatz mit dem Jahre 1968 bedarf keiner umfangreicheren Begründung, denn in diesem Jahr fand in Dresden der erste Kirchentagskongreß statt Näherer Erläuterung bedarf hingegen das Jahr 1975. Für diese Jahreszahl spricht zuerst ein mehr formaler Grund: In diesem Jahr wurde, nachdem es in den vorangegangenen Jahren lediglich kleinere Kongresse gegeben hatte, erstmals nach 1968 wieder ein großer Kongreß durchgeführt - wie 1968 mit anschließendem Kirchentag. Wichtiger als dieser formale Grund ist jedoch ein inhaltlicher, denn mit dieser Kirchentagsveranstaltung war ein doppelter Konzeptionswechsel verbunden: Zum einen steht der Landes-Kirchentagskongreß 1975 für das Ende der zentral 4 Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 10: „Ich glaube, die ,Genossen' haben die Großveranstaltungen überschätzt und die Kleinveranstaltungen unterschätzt"

4

Vorbemerkungen

vorbereiteten und zentral durchgeführten Kongresse. Gegen Mitte der 70er Jahre hatte die Kongreßarbeit in den sächsischen Gemeinden soweit an Boden gewonnen, daß die Vorbereitung der kleineren Kongresse von den Regionen, in denen diese stattfinden sollten, selbst geleistet bzw. bei großen Kongressen die Vorbereitung auf die einzelnen Regionen aufgeteilt werden konnte. Dies wurde erstmals 1974/75 praktiziert. Zum anderen markiert der 1975 wiederum an den Kongreß anschließende Kirchentag die Einbeziehung der herkömmlichen Kirchentagsarbeit in die Kongreßbewegung, obwohl diese bis dahin durch die Kongreßarbeit eigentlich als überholt angesehen worden war. Die vorliegende Studie wäre ohne die Unterstützung der zuständigen Archive sowie einzelner nicht in dieser Form möglich gewesen. Dank zu sagen ist insbesondere der Geschäftsführerin der sächsischen Kongreßund Kirchentagsarbeit, Frau Angelika Busse (Dresden), die trotz anderweitiger Beanspruchung die Recherchen stets nach Kräften unterstützte. Zu danken ist weiterhin Herrn Oberkirchenrat i. R. Dr. Siegfried Bräuer (Berlin), der den Anstoß für diese Arbeit gab, sowie H e r m Prof. Dr. Joachim Mehlhausen (Tübingen), der ihre Durchführung ermöglichte.

1.2. Aktenlage Die Aktenlage zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen ist gut und schlecht zugleich. Der kirchliche Aktenbestand ist recht umfangreich, schmal hingegen jener, den Staats-, Partei- und Sicherheitsapparat der D D R zum Thema hinterlassen haben. Auf zentraler staatlicher Ebene sind lediglich in den Akten des Staatssekretärs fiir Kirchenfrager? einige Dokumente zu den wichtigsten Eckdaten der Kongreßarbeit (insbesondere zum geplanten „Landeskirchentag" 1968)6 erhalten. Dagegen findet sich kaum Material im Bestand der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED, der für die Zeit von 1963 bis 1971 ohnehin ungewöhnlich schmal bemessen ist (48 Akteneinheiten). 7 Die Akten des 5 Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde (BArch Berlin), Bestand: Staatssekretär f ü r Kirchenfragen ( D O 4). ' Da der Anlaß des Kirchentages das tausendjährige Bestehen des Bistums Meißen war, wurde der überwiegende Teil der Unterlagen zum l.andeskirchentag im Arbeitsgebiet Katholische Kirche abgelegt. ' Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der D D R im Bundesarchiv (SAPMO-BArch), Bestand: Zentralkomitee der S E D , Kirchenfragen (DY 3 0 / 1 V A 2 / 1 4 ) . - Wie aus Dokumenten der Arbeitsgruppe, die in anderen Beständen erhalten sind (ζ. B. des Politbüros oder des Staatssekretärs für Kirchenfragen), in den Akten d e r Arbeitsgruppe Kirchenfragen selbst jedoch fehlen, erkennbar ist, geht der geringe U m f a n g nicht auf eine verminderte Aktenproduktion zurück, sondern auf eine lückenhafte Überlieferung.

Aktenlage

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Büros Paul Vertier, der in der fraglichen Zeit im SED-Politbüro für Sicherheits- und damit auch für Kirchenfragen zuständig war, fehlen für die ersten Jahre des Darstellungszeitraumes sogar völlig. Der im ehemaligen Zentralen Parteiarchiv der SED zugängliche Bestand des Büros Paul Verner8 setzt erst mit dem Jahre 1971 ein. Zwar wäre dort für die Kongresse der Jahre 1969 und 1970, die staadicherseits allgemein wenig Beachtung fanden, 9 auch kaum Material zu erwarten gewesen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird dort jedoch Material zum Landeskirchentag 1968 vorgelegen haben, mit dem sich - als Teil der kirchlichen Aktivitäten anläßlich der Bistumsjubiläen dieses Jahres - auch das Politbüro befaßte. Besser stellt sich die Aktenlage auf Bezirksebene dar, genauer: im Bestand des Referates Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden.10 Allerdings zeigen auch hier Hinweise und Rückbezüge in den vorhandenen Dokumenten, daß keineswegs alles, was einmal - etwa im Zusammenhang der Kongreß- und Kirchentagsveranstaltung 1975 - niedergeschrieben worden ist, auch erhalten blieb. Gering ist der Befund in den Akten der SED-Bezirksleitung Dresdenobwohl sie federführend an der „politischoperativen Absicherung" des Landeskirchentages 1968 beteiligt war. Nicht herangezogen wurden Archive auf Kreisebene (Stadtarchiv Dresden, Kreisarchiv Meißen). Da die Kreise in den hier interessierenden Fragen wohl an keiner Stelle eigenständig entscheiden konnten, sind wichtige Vorgänge auf Kreisebene in den Beständen der übergeordneten Dienststellen hinreichend dokumentiert Ein unzureichend geklärtes Problem stellen Geschick und U m f a n g der Akten der in Dresden gebildeten und durch Politbtlrobeschluß bestätigten Arbeitsgruppe z u den Jubiläen der Bistümer M e i ß e n und M a g d e b u r g dar. Angesichts des Archivbefundes ist z u vermuten, d a ß es keine zentrale Verwaltung o d e r Ablage des dort produzierten Schrifttums, sondern lediglich persönliche A u f z e i c h n u n g e n der Teilnehmer g e g e b e n h a t 1 2 D i e s e jeweils vermudich recht unterschiedlich geführten

• SAPMO-BArch, Zentralkomitee der SED, Bestand: Büro Paul Vemer (DY 30/IV 2/2.036). * Vgl. ζ. B. unten S. 250. 10 Zugänglich im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden (SHStA). 11 SHStA, Bestand: SED-Bezirksleitung Dresden (BPA Dresden, IV В 2/14 und IV С 2/14). 12 Die über die verschiedenen Archivbestände verteilten Bruchstücke sind in der Regel von der aktenführenden Dienststelle selbst angefertigt worden und waren nicht zur Weitergabe an andere Dienststellen bestimmt. Deutlich erkennbar ist das an den als Dienstreiseberichte abgefaßten Protokollen des Leiters des Arbeitsgebietes Katholische Kirche der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen (Verteiler: Staatssekretär, Stellvertreter, HAL, AG Kathol. Kirche). Zwei Ausnahmen von dieser Regel gab es allerdings. Der Rat des Bezirkes Dresden sandte aus nicht genannten Gründen ein achtseitiges Protokoll über die Sitzung der Arbeitsgruppe am 8. Dezember 1967 an das Staatssekretariat (vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden. Innere Angelegenheiten, Protokoll über

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Vorbemerkungen

Aufzeichnungen wurden wohl nur teilweise oder gar nicht der Ablage der betreffenden Dienststelle zugeführt.

Unbefriedigend ist die Aktenlage hinsichtlich der Hinterlassenschaft des Ministeriums fiir Staatssicherheit Laut Aussage der „Gauck-Behörde" sind gegenwärtig" weder in der Außenstelle Dresden noch in der Außenstelle Leipzig Sachakten zur Kongreßarbeit verfügbar, was mit dem geringen Erschließungsgrad begründet wird. Lediglich in der Außenstelle Chemnitz sowie im Zentralarchiv fanden sich einige allgemeine Einschätzungen. Wurden darüber hinaus für die Darstellung Unterlagen des MfS herangezogen, handelte es sich im großen und ganzen um Zufallsfunde aus einzelnen IM-Akten. Die wichtigste Quelle für die Darstellung bildeten die Akten im Archiv Kongreß und Kirchentag in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens.M Dort fanden sich die Protokolle der Sitzungen des Landesausschusses sowie Protokolle der im Vorfeld einzelner Kongresse eingerichteten Vorbereitungsgruppen. Hinzu kamen Schriftwechsel sowie spezielle Unterlagen zu einzelnen Kongressen (Einladungen, Ablaufpläne, Referate, Berichte aus den Arbeitsgruppen, Statistiken). Ein Teil der Unterlagen besteht allerdings aus handschriftlichen Notizen (vor allem aus Sitzungen der Jahre 1967-1969), die lediglich als persönliche Gedächtnisstütze gedacht waren und damit für den Außenstehenden nur in Grenzen aussagekräftig sind. Leider nimmt die Vollständigkeit der Uberlieferung in den Jahren 1974/75 deutlich ab. Nur beschränkt standen Akten des sächsischen Landeskirchenarchivs zur Verfügung. Insbesondere Kirchenleitungs- und Kollegiumsprotokolle konnten nur in einigen außerhalb der eigentlichen Protokollakten vorhandenen Teilabschriften eingesehen werden. 15 Da diese allerdings unter sachlichem Gesichtspunkt (Stichwort „Kirchentagsarbeit") gesammelt worden waren, kann dennoch eine gewisse Vollständigkeit vermutet, freilich auch nicht nachgeprüft werden.

die Beratung der Arbeitsgruppe zur Vorbereitung d e r 1 OOO-Jahrfeier des Bistums Meißen am 8.12.1967 im Rat des Bezirkes, 2.1.1968 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727]). Zum a n d e r n leitete die ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen d e m Staatssekrelariat einen Vermerk über die Sitzung d e r Arbeitsgruppe am 8. Mai 1968 zu (Arbeitsgruppe Kirchenfragen [ D r . E b e r h a r d H ü t t n e r ] , Information, 9.5.1968 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 650]). Beide D o k u m e n t e weisen, da die Originale im Ursprungsbestand fehlen, gleichzeitig auf d a s Problem d e r mangelnden Überlieferung von D o k u m e n t e n dieser Arbeitsgruppe hin. 11 Die Archivrecherchen wurden im M ä r z 1998 abgeschlossen. 14 D a s Archiv befindet sich in der Geschäftsstelle des Landesausschusses in Dresden (Dreikönigskirche). 15 Bestand 2: Landeskirchenamt. D a r ü b e r hinaus konnten Teile des Bestandes 1: Synode, eingesehen werden.

Aktenlage

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Für das Thema vor allem ergänzende Bedeutung besaßen die Akten zentraler kirchlicher Dienststellen, insbesondere die der Kirchenkanzlei der EKD fiir die Gliedkirchen in der DDR, des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR sowie der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der DDR.16 In begrenztem Umfang bestand schließlich auch die Möglichkeit, Unterlagen, die sich im Privatbesitz befinden, heranzuziehen und auszuwerten.17 Sämdiche Quellen werden entsprechend dem Original zitiert.18 Berichtigt wurden lediglich eindeutige Fehler. Darüber hinausgehende Eingriffe, vor allem aus dem Zusammenhang erschlossene Ergänzungen und Korrekturen, sind in eckige Klammem gesetzt Sofern nicht anders vermerkt, gehen alle Hervorhebungen (hier kursiv) auf den Originaltext zurück (dort meist unterstrichen, selten gesperrt). Allerdings wurden innerhalb des Darstellungsteiles - im Gegensatz zum Dokumententeil - originale Hervorhebungen nur in den Fällen entsprechend gekennzeichnet, in denen sie für die Darstellung von Bedeutung waren.19 Ebenfalls auf den Dokumententeil beschränkt blieb die Markierung des originalen Seitenwechsels mittels in eckige Klammern gesetzter Seitenzahlen. Zusätzlich zur Quellenauswertung wurden mit einigen Zeitzeugen, die an der Kongreßarbeit damals aktiv beteiligt waren, zum Teil umfangreiche Gespräche geführt Sie waren insbesondere hinsichtlich der Motivation und Zielstellung der Kongreßarbeit sehr aufschluß- und hilfreich.

16 Evangelisches Zentralarchiv Berlin, Bestand 101: Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der D D R , sowie Bestand 104: Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der DDR. Die Akten der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der D D R befinden sich als Depositum des Deutschen Evangelischen Kirchentages ebenfalls im Evangelischen Zentralarchiv Berlin (Bestandssignatur: 95/93). ° Neben einzelnen Unterlagen aus dem Besitz von Frau Hanna Kahl und Superintendent i. R. Dietrich Mendt stellte insbesondere Präsident i. R. Johannes Cieslak Material zur Verfügung. " Die jeweiligen Nachweise enthalten: Dienststelle (Verfasser), Adressat, Titel, Datum (Quelle). Mehrere Angaben innerhalb dieser einzelnen Rubriken sind - sofern im Dokument selbst kein anderes Satzzeichen verwendet wurde - durch Punkt getrennt. Verfasser-, Adressaten- und Titelangaben entsprechen jeweils den originalen Formulierungen, so daß sich von Dokument zu Dokument unterschiedliche Schreibweisen ergeben können. " Insbesondere in den Protokollen der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages begegnen Hervorhebungen, deren Übernahme in den vorliegenden Zusammenhang Mißverständnisse begünstigt hätte.

2. VORAUSSETZUNGEN U N D K O N T E X T

2.1. Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau 2. /. 1. Am Vorabend des „ 13. August" Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 bedeutete für die Kirchentagsarbeit eine Zäsur mit einschneidenden und anhaltenden Konsequenzen. Mit dieser endgültigen Schließung der innerdeutschen Grenze endete die Ära des Deutschen Evangelischen Kirchentages alten Stils, der - wie der spätere Präsident des Evangelischen Kirchentages in der D D R , Otto Schröder, formulierte - „seine Effektivität nicht zuletzt dem gesamtdeutschen Impetus" verdankte. 1 Von 1961 an ging die Kirchentagsarbeit in Ost und West getrennte und unterschiedliche Wege. Angekündigt hatte sich das Ende der großen gesamtdeutschen Kirchentage einschließlich ihrer Klammerfunktion zwischen Ost und West schon Jahre zuvor. Bereits im Zusammenhang des 8. Deutschen Evangelischen Kirchentages 1957, der in Thüringen mit Erfurt als Zentrum stattfinden sollte, hatte die D D R als Reaktion auf den zwischen der Bundesregierung und der EKD geschlossenen Militärseelsorgevertrag weitreichende und für das Präsidium des D E K T unannehmbare Vorbedingungen gestellt, so daß der Kirchentag am 16. April 1957 vom Präsidium abgesagt werden mußte. 2 An seine Stelle - eine Einladung nach Westdeutschland wurde im Interesse des gesamtdeutschen Charakters des Deutschen Evangelischen Kirchentages bewußt nicht wahrgenommen' - traten „im Sommer und Herbst 1957 knapp 30 Landes-, Kreis- und Propsteikirchentage sowie Evangelische Wochen mit unterschiedlicher Struktur und Länge".4 Wenig später wurde deutlich, daß die DDR-Regierung auch gesamtdeutsche Veranstaltungen, die auf dem Boden der Bundesrepublik stattfanden, nicht mehr hinzunehmen gewillt war. Als der Deutsche Evangelische Kirchentag 1958 (16.1 [ O t t o S c h r ö d e r ] , Bericht ü b e r die K i r c h e n t a g s a r b e i t in d e r D D R , gegeben am 13.3.1971 vor d e r K o n f e r e n z d e r Evangelischen K i r c h e n l e i t u n g e n in d e r D D R ( A n l a g e 4 zu 1 1 3 1 - 1 0 6 3 / 7 1 ) , u n d a t i e r t ( E Z A , Sekretariat В Е К , 101, 549; a b g e d r u c k t in: O . SCHRÖDER/ H . - D . PETER: V e r t r a u e n wagen, S. 130-133). 2 Vgl. d a z u H . SCHROETER: K i r c h e n t a g als v o r - l ä u f i g e K i r c h e , S. 2 1 4 - 2 1 8 . 3 Vgl. D e u t s c h e r Evangelischer Kirchentag. D e r P r ä s i d e n t ( D . D r . R e i n o l d von T h a d d e n ) , An die H e r r e n Bischöfe, Präsides und K i r c h e n p r ä s i d e n t e n d e r G l i e d k i r c h e n d e r E K i D , 8.5.1957 ( E Z A , D E K T , 9 5 / 9 3 / 1 0 2 ) . 4 H . Sc H R o r n . R K i r c h e n t a g als vor-läufige K i r c h e , S. 217.

Die Kirchentagsarbeit in der DDR nach dem Mauerbau

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20. April) in Hamburg einen Kongreß durchführte, 5 wurde den meisten der 156 aus der D D R eingeladenen Teilnehmer die Ausreise verweigert 6 Angesichts dessen war ein „beratender Kreis", der sich am 12. April 1958 unter der Leitung des Vorsitzenden des Ostausschusses 7 , Lothar Kreyssig, zur Beratung über das weitere Vorgehen angesichts der Paßveiweigerungen zusammengefunden hatte, „einmütig der Meinung, dass die Zahl der Teilnehmer, die nunmehr aus der D D R reisen können, als eine irgendwie zureichende Beteiligung und Vertretung der hiesigen Teile der Kirchentagsgemeinde nicht angesehen werden könne".8 Das Problem der Verweigerung von Reisepässen durch die DDR-Behörden stellte sich beim nächsten Kirchentag, dem 9. Deutschen Evangelischen Kirchentag 1959 in München, erneut und verhinderte dort eine angemessene Vertretung der ostdeutschen Christen. Angesichts der sich im Frühsommer 1959 immer deutlicher abzeichnenden Verweigerungshaltung der Regierungsstellen der DDR 9 wurde auf der Sitzung der Kirchlichen Ostkonferenz am 24. Juni 1959 der staatlicherseits geschätzte und als Verhandlungspartner akzeptierte thüringische Landesbischof Moritz Mitzenheim in Übereinstimmung mit der Konferenz der Kirchentagslandesausschüsse10 gebeten, in der Angelegenheit der Teilnahme von DDR-Bürgern am Münchner Kirchentag beim Staatssekretär für Kirchenfragen vorzusprechen. Bei dem von Mitzenheim am 4. Juli mit Staatssekretär Werner Eggerath geführten Gespräch erreichte dieser von Eggerath die Zusage, daß eine Teilnahme von 40 bis 100 DDR-Bürgern je Bezirk - „im ganzen rund 1000"" - am Kirchentag möglich s

Vgl. dazu а. а. O., S. 226-244. Unterlagen dazu in: Ε ZA, DEKT, 95/93/76. Die Zahl der von den jeweiligen Räten der Bezirke erteilten Genehmigungen war regional unterschiedlich. Von den 19 Anträgen, die die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens gestellt hatte, wurden 2 genehmigt (für Präsident Reimer Mager und Oberlandeskirchenrat Gottfried Knospe). Die Anträge der anhaltinischen Landeskirche wurden sämtlich abgelehnt, die der Thüringer Landeskirche dagegen zu ca. 30% genehmigt. I Arbeitsgemeinschaft der ösdichen Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages (siehe dazu unten S. 31). 8 Dr. Kreyssig, Entwurf [Ergebnis der Besprechung vom Sonnabend], 12.4.1958 (EZA, DEKT, 95/93/76). ' Sie wurde - wie so oft - unter anderem damit begründet, daß man nicht rechtzeitig informiert worden sei, was freilich auch in diesem Fall nicht zutraf (vgl. dazu Reimer Mager, Protokoll der 33. Sitzung der LandesausschUsse aus der DDR des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 4. Mai 1959 im „Haus der Kirche", Berlin-Weißensee, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/3]). 10 Vgl. Reimer Mager, Protokoll der 34. Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - am 9.Juni 1959 im „Haus der Kirche", Berlin-Weißensee, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3). II Darin waren auch die Mitwirkenden (u. a. Chöre, Spielscharen) enthalten (vgl. Figur/Mädler, Protokoll der 35. Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - am 14.Juli 1959 im „Haus der Kirche", Berlin-Weißensee, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/3]). 6

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Voraussetzungen und Kontext

wäre. Ein nachfolgendes Schreiben Eggeraths, in dem dieser vor allem gegen den Kirchentag polemisierte, dem er vorwarf, „ganz offen im Zeichen der klerikalmilitaristischen Bestrebungen" der „Adenauergruppe" zu stehen, enthielt diese Richtwerte allerdings nicht, sondern sagte lediglich allgemein eine beschränkte Teilnahme von „Delegationen aus den Bezirken der D D R " zu.12 Als in den nachfolgenden Wochen die Anzahl der von den regionalen Behörden erteilten Reisegenehmigungen hinter den von Eggerath genannten Werten zurückblieb,11 während die Kampagne gegen den Münchner Kirchentag in der DDR-Presse an Schärfe zunahm, sahen sich Vertreter des DEKT aus der D D R und Vertreter der Kirchenkanzlei der EKD auf einer Sitzung am 28. Juli 1959 zu Gegenmaßnahmen genötigt Angesichts der Pressekampagne sollten die Gemeinden in einer offiziellen Verlautbarung über den ^емт/deutschen Charakter und die geistliche Zielstellung des Kirchentages unterrichtet werden. Hinsichtlich der zögerlichen Erteilung der Reisegenehmigungen wollte man hingegen Staatssekretär Eggerath bei seiner gegenüber Mitzenheim gemachten Zusage behaften: „Es wird ein Telegramm an den Staatssekretär für Kirchenfragen abgesandt, in dem unter Berufung auf die Zusage des Staatssekretärs, bei auf Bezirksebene nicht zu behebenden Schwierigkeiten sich zentral einzuschalten, um sein sofortiges Eingreifen . . . gebeten wird."14 Als Ergebnis konnten dann tatsächlich „etwas mehr als 1000" Delegierte aus der DDR am Kirchentag teilnehmen - ursprünglich beantragt waren 15000 Passierscheine.15 Zur Blockadepolitik der DDR-Behörden einerseits gesellte sich auf der anderen Seite eine mangelnde Einbeziehung von Vertretern der ösdichen Landeskirchen bei der Vorbereitung des Münchner Kirchentages durch den D E K T selbst Dieser Mangel wurde im Osten als so erheblich empfunden, daß er auch in der am 28. Juli 1959 beschlossenen Verlautbarung an die Gemeinden, mit der unter anderem dem Vorwurf, dieser Kirchentag sei ein rein westdeutsches Unternehmen, begegnet werden sollte, nicht unerwähnt blieb: „Daß nur wenige Brüder und Schwestern aus unseren Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik zum Kirchentag fahren können, daß nur wenige von ihnen als Referenten vorgesehen werden konnten, wird von der Leitung des Kirchentages selbst am meisten bedauert, doch war den Männern und Frauen aus unserem Gebiet die Mitarbeit bei der Vorbereitung des Münchner Kirchentages leider nicht in solchem Maße möglich wie in den früheren Jahren. Das gilt auch im Blick auf das Vorbereitungsheft." 16

12 Vgl. dazu Evangelische Kirche in Deutschland. Kirchenkanzlei für die Gliedkirchen in der Deutschen Demokratischen Republik (Pettelkau), Betrifft: Kirchentag 1959, 15.7.1959 ( E Z A , Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24). u Während die Höchstzahl von 100 Delegierten in keinem Bezirk erreicht wurde, lag die Zahl der Genehmigungen in den Bezirken Frankfurt (Oder) und Neubrandenburg deutlich unter dem Minimum von 40 Teilnehmern. 14 Evangelische Kirche in Deutschland. Kirchenkanzlei, Vermerk, 29.7.1959 ( E Z A , Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24), S. 2. 14 Zu diesen Zahlen vgl. Kirchliches Jahrbuch 86 (1959), S. 54. 16 Text in: Kirchliches Jahrbuch 86 (1959), S. 54 f.

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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Auch den Veranstaltern des Münchner Kirchentages mag bewußt gewesen sein, daß sie nicht entschieden genug nach Mitteln und Wegen für eine Einbeziehung der Ostdeutschen gesucht hatten. Zumindest sah sich der Generalsekretär des DEKT, Heinrich Giesen, nach dem Kirchentag zu einem erklärenden Schreiben an die östlichen Landesausschüsse genötigt, in dem er betonte, daß ihre mangelnde Einbeziehung keineswegs beabsichtigt gewesen sei, sondern sich durch die äußeren Umstände wie auch infolge der „Resignation" der Ostdeutschen ergeben habe. 17

In der Konsequenz war für den Münchner Kirchentag eine von den zuständigen DDR-Dienststellen erwünschte und von den Veranstaltern des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Westdeutschland nicht gehinderte „Konzentration auf die westdeutsche Wirklichkeit"18 kennzeichnend. Diese Verengung des Kirchentagshorizonts stärkte wiederum die auch auf der kirchlichen Ebene vorhandene Entfremdung zwischen Ost und West Den DDR-Staats- und Propagandastellen war sie schließlich ein willkommener Anlaß, den Deutschen Evangelischen Kirchentag endgültig als eine rein westdeutsche Veranstaltung und Einrichtung abzulehnen.19 Angesichts dieser Entwicklungen drangen die östlichen Landeskirchen darauf, den nächsten Kirchentag wieder als gesamtdeutschen Kirchentag durchzuführen, mit gleichberechtigter Beteiligung aus Ost und West Tagungsort sollte Gesamt-Berlin sein. Berlin mit seiner Teilung in Ost und West schien nicht nur geeignet, dem gesamtdeutschen Anliegen Ausdruck zu verleihen, sondern auch eine gleichberechtigte Teilnahme von Besuchern aus Westdeutschland einerseits und aus der DDR andererseits zu ermöglichen. Während sich in Westdeutschland erhebliche Bedenken gegen Berlin

17 „Man wirft uns vor, es sei ein West-Kirchentag gewesen, da ja kaum Referenten aus der DDR bei den Referaten mitgewirkt hätten. Ihr, liebe Brüder und Schwestern, wisst, woran es lag. Bereits vor dem 31. Oktober 1958, bevor also der Präsident die Losung des Münchener Kirchentages und die Einladung an Unbekannt ergehen lassen wollte, ist Verbindung zu den Regierungsstellen der DDR aufgenommen worden mit der herzlichen Bitte, den Präsidenten zu empfangen, um das Nähere des Kirchentages dabei zur Diskussion zu stellen. Aber es kam keine Antwort. Auch alle persönlichen Versuche, zu Wort zu kommen, wurden abschlägig beschieden. So haben die gebetenen Referenten im Bereich der DDR vor lauter Resignation abgesagt, und so sahen wir uns gezwungen, zu den Rednern aus der Bundesrepublik noch Redner aus der Schweiz und Österreich zu nehmen" (Deutscher Evangelischer Kirchentag [H. Giesen], Den Landesausschüssen des Deutschen Evangelischen Kirchentages im Bereich der Deutschen Demokratischen Republik, 22.12.1959 [EZA, DEKT, 95/93/49], S.3). 18 Vgl. dazu H. SCHROETER: Kirchentag als vor-läufige Kirche, S. 245 f.; ähnlich Irmgard Lent, freilich ohne den Münchner Kirchentag expressis verbis zu nennen (O. SCHRÖDER/H. D. PETER: Vertrauen wagen, S. 161). " Eine wichtige Rolle spielten Bilder eines Soldatentreffens im Rahmen des Münchner Kirchentages, mit deren Hilfe die DDR-Propaganda den Kirchentag als kirchlich getarnte Veranstaltung des westdeutschen Militarismus zu diskreditieren versuchte.

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Voraussetzungen und Kontext

meldeten, war das Votum der ostdeutschen Landesausschüsse einhellig befürwortend.20 Das Protokoll der Sitzung der Konferenz aller Landesausschüsse des DEKT vom 19. bis 21.Januar 1960 in Berlin hielt ausdrücklich fest: „Eine Befragung der LA DDR ergab eindeutig, dass eine Entscheidung zugunsten Berlins erwartet wird. Einmal, weil die beiden letzten Kirchentage in Westdeutschland stattfanden, zum anderen, weil der Kirchentag im Falle eines Ausweichens demonstriere, wie wenig er selbst noch an seine gesamtkirchliche Funktion glaube. Schwierigkeiten in taktischer und politischer Hinsicht, die eine Wahl Berlins gerade auch in der D D R auslösen können, werden hierbei keineswegs übersehen. Die Einbeziehung Ostberlins muss angestrebt werden. Es wurde gefordert, dass der Kirchentag, wenn er nicht in beiden Teilen Berlins stattfinden kann, abgesagt werden soll. Anschliessend betonten die Teilnehmer, dass sie hier nicht ihre persönliche Meinung zum Ausdruck bringen, sondern auch für die Gemeinden in der D D R sprechen."21

Darüber hinaus ergab eine „Prüfung der räumlichen Voraussetzungen", daß Berlin wegen der örtlichen Gegebenheiten der Vorzug gegenüber dem ebenfalls erwogenen und überprüften Dortmund zu geben sei.22 Ebenso setzten sich Präses Kurt Scharf im Namen der im Falle Berlins gastgebenden berlin-brandenburgischen Kirche sowie der Präsident der EKU-Kirchenkanzlei, Franz-Reinhold Hildebrandt, für Berlin ein.23 Die Entscheidung für Berlin fiel noch im Januar 1960. Allerdings gestaltete sich die Vorbereitung des Kirchentages von Anfang an äußerst schwierig - nicht nur weil die DDR-Regierung auf entsprechende Verhandlungsersuchen lange Zeit nicht reagierte, sondern auch weil Berlin als Veranstaltungsort weiterhin innerkirchlich umstritten blieb.24 20 Der Landesausschuß des D E K T der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen faßte am 5. November 1959 sogar einen förmlichen Beschluß, in dem es unter anderem hieß: „Der Landesausschuß bittet, den nächsten Kirchentag 1961 in Ost- und Westberlin durchzuführen. . . . Der Landesausschuß bittet, d ä m m besorgt zu sein, daß die Beteiligung von Mitarbeitern aus der D D R an der Vorbereitung und Durchführung des Kirchentages in stärkerem Maße gewährleistet wird. Er empfiehlt deshalb dringend, Besprechungen aus dem gesamtdeutschen Raum möglichst in Berlin durchzuführen" (Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen. Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Kirchenprovinz Sachsen [Schaffer/Manzke], An das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages, 17.11.1959 [EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 2 ] ) . 21 Brandl, Protokoll über die Konferenz der Landesausschüsse vom 19. bis 2I.Januar 1960 in Berlin, 1.2.1960 (EZA, DEKT, 95/93/49), S. 13. 22 Beeg, Betr.: Prüfung der räumlichen Voraussetzungen in Berlin und Dortmund für D E K T 1961 (Anlage 2 - Konferenz der LA vom 19.-21.1.1960 in Berlin), undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3). 23 Vgl. Scharf, Brief der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an die Gliedkirchen, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24), S. 2. 24 Vgl. dazu auch G. BESIER: Der SED-Staat und die Kirche. Der Weg in die Anpassung, S. 373-380.

Die Kirchentagsarbeit in der DDR nach dem Mauerbau

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Nach dem Beschluß des Kirchentagspräsidiums, die Einladung der berlin-brandenburgischen Kirche für den 10. Deutschen Evangelischen Kirchentag nach Berlin anzunehmen, wandte sich der Ostberliner Generalsuperintendent Fritz Führ am 8. Februar 1960 im Auftrag des Präsidiums telefonisch an das Staatssekretariat für Kirchenfragen und bat um eine baldige Unterredung. 25 Zweck dieser Unterredung sollte es sein, vor einer öffentlichen Bekanntgabe des Veranstaltungsortes „die staatlichen Stellen im Demokratischen Sektor und der Deutschen Demokratischen Republik von diesen Plänen in Kenntnis zu setzen". Der Persönliche Referent des Staatssekretärs (Hans-Joachim Seidowsky) lehnte jedoch ein baldiges Gespräch ab. Als Begründung machte er „starke zeitliche Inanspruchnahme" des Staatssekretärs geltend, darüber hinaus sei das Staatssekretariat „in dieser Sache für Verhandlungen nicht zuständig". 26 Daraufhin beauftragte das Kirchentagspräsidium Präses Scharf und Präsident Hildebrandt, die „mit der Verantwortung der örtlichen Organisation" betraut worden waren, 27 den Staatssekretär über das Kirchentagsvorhaben schrifdich zu unterrichten, was unter dem Datum des 20. Februar 1960 geschah.28 Angesichts der Auskunft Seidowskys, die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen sei in dieser Angelegenheit nicht zuständig,29 wandte sich wenige Tage später der Vizepräsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, der sächsische Synodalpräsident Reimer Mager, in Vertretung des erkrankten Präsidenten Reinold v. Thadden-Trieglaff mit einem zusätzlichen Informationsschreiben an den DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl. Darin hielt auch Mager fest, daß es dem Präsidium des Kirchentages erst einmal nur um eine Information gehe, nicht jedoch um einen Termin für konkrete Verhandlungen. Um dem Mißverständnis vorzubeugen, das Präsidium erbitte eine Genehmigung des Kirchentages durch die DDR-Regierung, erläuterte er kurz, worum es bei diesen Verhandlungen allein gehen könne, nämlich um „die Bereitschaft

25 Vgl. Persönlicher Referent (Seidowsky), Aktennotiz. Betrifft: Telefongespräch mit Generalsuperintendent Führ, 10.2.1960 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2550). Ä D. Hildebrandt/D. Scharf, An den Staatssekretär für Kirchenfragen. Herrn Eggerath, 20.2.1960 (EZA, Kirchenkanzlei der Ε KD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 24), S. 1; vgl. Persönlicher Referent (Seidowsky), Aktennotiz. Betrifft: Telefongespräch mit Generalsuperintendent Fuhr, 10.2.1960 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2550). v Beide übernahmen später auch die Leitung des Vorbereitenden Ausschusses, der sich bei diesem Kirchentag angesichts der politischen Gegebenheiten in zwei „Zuständigkeitsbereiche für Ost und West" gliederte. Im Mai 1960 standen Struktur und personelle Besetzung der Leitung endgültig fest und wurden öffentlich bekanntgegeben: „Präses D. Kurt Scharf übernahm „den Vorsitz, Präsident Dr. Franz Reinhold Hildebrandt den stellvertretenden Vorsitz, Dr. jur. Hermann Kandeler die Geschäftsführung West und Bruder Gerhard Burkhardt die Geschäftsführung Ost des Vorbereitenden Ausschusses" (Deutscher Evangelischer Kirchentag [Beeg], Rundschreiben Nr. 31, An die Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages, 19.5.1960 [EZA, DEKT, 95/93/49], S.4). 28 D. Hildebrandt/D. Scharf, An den Staatssekretär für Kirchenfragen. Herrn Eggerath, 20.2.1960 (EZA, Kirchenkanzlei der Ε KD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 24). я Diese Mitteilung hat sich allerdings lediglich im genannten Schreiben von Präses Scharf und Präsident Hildebrandt erhalten (а. а. O., S. 1), Seidowsky selbst führt sie in seiner Aktennotiz nicht auf (vgl. Persönlicher Referent [Seidowsky], Aktennotiz. Betrifft: Telefongespräch mit Generalsuperintendent Führ, 10.2.1960 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2550]).

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Voraussetzungen und Kontext

und die Möglichkeiten der staatlichen Dienststellen in Berlin . . . , uns in dieser Sache zu helfen".30 Diesem Schreiben Magers wurde ein Begleitbrief der Bischöfe Mitzenheim (Thüringen), Krummacher (Greifswald) und Noth (Sachsen) beigegeben, in dem diese noch einmal ausdrücklich darum baten, zu gegebener Zeit mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen „Besprechungen über die Verwirklichung dieser Absicht" [sc. den Kirchentag in Berlin auszutragen] führen zu können.31 Zu diesem Grundsatzgespräch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen kam es jedoch nicht, das Schreiben Magers blieb unbeantwortet.32 Obwohl in der Folgezeit staatlicherseits mehrmals ein klärendes Gespräch in Aussicht gestellt wurde, 33 blieb die Haltung der DDR-Regierung hinsichtlich des Kirchentages lange Zeit unklar. Da allerdings einzelne Anträge, die im Zusammenhang der Vorbereitung des Kirchentages gestellt worden waren, von DDRBehörden bzw. -Einrichtungen eine Genehmigung erfuhren (Kirchentagsplaketten, „kulturelle Absprachen mit Instituten im Demokratischen Berlin" u. a.), 34 setzte sich in Kirchentagskreisen die Einschätzung durch, „dass der Kirchentag in Berlin zwar nicht erwünscht ist, aber auch nicht verboten werde. Mit einer Unterstützung durch die Regierung könne man nicht rechnen."35 Noch bevor ein nach monatelangem Warten endlich vereinbartes Gespräch mit dem (neuen)36 Staatssekretär für Kirchenfragen stattfinden konnte, billigte das

10 Vgl. Reimer Mager, An den Vorsitzenden des Ministerrates. Herrn Ministerpräsident Grotewohl (Abschrift), 22.2.1960 (SHStA, B T / R d B Dresden, 25079-1, Bl. 163; Ε ZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24). 11 D. Mitzenheim/D. N o t h / D . Krummacher, An den Vorsitzenden des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik. Herrn Otto Grotewohl, 25.2.1960 (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24). 52 Vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Ref. Kirchenfragen, Bericht über das Gespräch mit Präses Dr. Mager, Vizepräsident des Deutschen Kirchentages und Vorsitzender des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Kirchentages, Uber den verbotenen Kirchentag in Berlin, 4.8.1961 (SHStA, B T / R d B Dresden, 25079-1, Bl. 63-66), S. 1. 35 Nach Scharf: „bei den Empfängen aus Anlaß der Anwesenheit auswärtiger Delegationen in Berlin nach dem Tode des Staatspräsidenten Wilhelm Pieck und aus Anlaß des 11.Jahrestages der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik" (Scharf, Brief der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an die Gliedkirchen, undatiert [EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24], S. 2). Der Leiter des Sekretariats des Ministerrates, Staatssekretär Jendretzky, berichtete nach dem Empfang vom 12. September 1960 (Pieck war am 7. September gestorben) dementsprechend, daß die anwesenden Bischöfe (Mitzenheim und Krummacher) „ihn gefragt hätten, ob es nicht möglich sei, Antwort auf die Briefe an die Regierung wegen des deutschen Kirchentages 1961 zu bekommen" (Staatssekretär [Eggerath], Niederschrift. Betr.: Empfang am 12. September 1960, 13.9.1960 [SAPMO-BArch, D Y 3 0 / I V 2 / 1 4 / 6 0 , Bl. 123-125], S. 1). Eine Antwort Jendretzkys ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht überliefert. 34 Scharf, Brief der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an die Gliedkirchen, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24), S. 2. 15 Vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Ref. Kirchenfragen, Bericht über das Gespräch mit Präses Dr. Mager, Vizepräsident des Deutschen Kirchentages und Vorsitzender des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Kirchentages, über den verbotenen Kirchentag in Berlin, 4.8.1961 (SHStA, B T / R d B Dresden, 25079-1, Bl. 63-66), S. 2. * Seit November 1960 Hans Seigewasser.

Die Kirchentagsarbeit in der DDR nach dem Mauerbau

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SED-Politbüro auf seiner Sitzung am 13. Dezember 1960 einen Beschlußentwurf der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen, der den „Antrag der Leitung des .Deutschen Evangelischen Kirchentages' auf Durchführung eines Kirchentages im Juli 1961 in Berlin" ohne Einschränkung zurückwies.37 Zur Begründung wurde vor allem auf negative Erfahrungen mit dem Kirchentag 1959 in München hingewiesen. Diese zeigten, daß „die Festlegung, Berlin als Tagungsort des Kirchentages beider deutscher Staaten zu nehmen", nur „als eine Maßnahme in der Kette der Provokationen gegen die DDR" angesehen werden könne. „Gerade aus der Sorge und der Verpflichtung aller verantwortungsbewußten Kräfte, zur Erhaltung des Friedens und Entspannung beizutragen sowie den kalten Krieg abzubauen, kann dem Antrag, den nächsten Kirchentag beider deutscher Staaten im demokratischen Berlin und in Westberlin durchzuführen, nicht entsprochen werden." Um allerdings zu zeigen, daß diese Entscheidung „nichts mit unserer Einstellung zur Kirche oder mit unserer Haltung gegenüber den Kirchentagsvertretern aus der DDR zu tun" habe, wurde die Prüfung eines eventuellen Antrags, „der die Durchführung eines Kirchentages der evangelischen Kirche in der DDR [!] in einer dafür geeigneten Stadt unserer Republik zum Inhalt hat", ausdrücklich zugesagt Ebenso würde der Wunsch geprüft werden, „E>elegationen aus dem anderen deutschen Staat zu einem solchen Kirchentag einzuladen".38 Der ablehnende Bescheid war von Staatssekretär Seigewasser den drei Bischöfen, die seinerzeit den Begleitbrief an den DDR-Ministerpräsidenten unterzeichnet hatten, in einer „Besprechung" mitzuteilen. Das betreffende Gespräch fand am 30. Dezember 1960 statt Seigewasser führte diese Unterredung entsprechend dem Politbürobeschluß, stimmte allerdings der kirchlicherseits im Interesse der Entscheidungsfindung gewünschten Vereinbarung zu, vor dem 15. Januar 1961 keine Informationen an die Presse zu geben. Darüber hinaus wiesen sowohl die drei Bischöfe bei diesem Gespräch als auch Vertreter des Kirchentagspräsidiums und des Vorbereitenden Ausschusses, die am 9. Januar 1961 mit dem Staatssekretär zusammentrafen, die erhobenen Vorwürfe zurück. Auf Nachfrage wurde das Angebot, den Kirchentag in einer anderen Stadt der DDR (genannt wurde Leipzig) durchzuführen, vom Staatssekretär entsprechend der Politbürovorlage dahingehend präzisiert, daß dies lediglich ein DDR-Kirchentag mit begrenzter Beteiligung " Punkt 2 unter dem Tagesordnungspunkt 7 „Kirchenfragen" auf der „56. Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees am Dienstag, dem 13. Dezember 1960" (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/737, Bl. 1-6). - Einen solchen Antrag hat es nie gegeben. Mager hatte in seinem Brief an Grotewohl den Rahmen der zu führenden Verhandlungen bewußt auf Fragen technischer Unterstützung eingegrenzt. Auf diesen Sachverhalt wiesen die Vorsitzenden des Vorbereitenden Ausschusses den Staatssekretär für Kirchenfragen in einem Protestschreiben vom 19. Januar 1961 auch ausdrücklich hin (Deutscher Evangelischer Kirchentag. Vorbereitender Ausschuß [Hildebrandt/Scharf], An den Staatssekretär für Kirchenfragen. Herrn Hans Seigewasser, 19.1.1961 [EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 24]). Am 21.Januar wiederholte Präses Scharf in einem Gespräch mit Staatssekretär Seigewasser diesen Hinweis noch einmal und bestritt damit - wie das staadiche Protokoll festhielt - „die Zuständigkeit der Regierung, Uber die Frage und Durchführung zu entscheiden" (Stellvertreter [Flint], Aktennotiz, 25.1.1961 [BArch Berlin, StfK, DO 4, 363], S. 1). w Politbüro des ZK der SED, Anlage Nr. 4 zum Protokoll Nr. 56 vom 13.12.60 (SAPMOBArch, DY 30/J IV 2/2/737), auch abgedruckt in: J. HEISE: SED und Kirche 1, Dok.60.

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Voraussetzungen und K o n t e x t

westdeutscher Delegationen sein könne. 3 9 Am 11. Januar wurde die Erklärung der Regierung z u m Berliner Kirchentag - vor Ablauf der vereinbarten Sperrfrist - in der D D R - P r e s s e veröffendicht, 4 0 w o m i t sich H o f f n u n g e n , sie k ö n n t e noch revidiert werden, zerschlugen. D e n n o c h stellte die berlin-brandenburgische Kirchenleitung in einem Beschluß v o m 12.Januar ausdrücklich fest, d a ß sie „keinen kirchlichen Anlaß" sehe, „ihre Einladung z u m 10. D e u t s c h e n Evangelischen Kirchentag zurückzuziehen". 4 1 Dabei war sie sich „bewußt, d a ß die Veranstaltungen im D e m o k r a t i s c h e n Berlin nach menschlicher Voraussicht auf Veranstaltungen in kircheneigenen Räumen beschränkt bleiben werden". 4 2

w Scharf, Brief der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an die Gliedkirchen, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24), S.4; vgl. Der Staatssekretär f ü r Kirchenfragen, Hans Seigewasser, führte am 30. Dezember 1960 mit den evangelischen Bischöfen D. Mitzenheim, D. Krummacher und D. Noth eine Unterredung hinsichdich des beabsichtigten Kirchentages 1961, undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2393). 40 ADN-Meldung vom 11.1.1961 (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24). - Für diese aus kirchlicher Sicht vorzeitige Veröffendichung könnten mehrere Gründe verantwortlich gewesen sein. Der naheliegendste wäre der, d a ß Seigewasser - erst kurze Zeit im Amt - mit dieser Zusage seine Kompetenzen Uberschritten hatte und deshalb nicht in der Lage war, sie einzuhalten. D a ß die Veröffendichung gerade zu diesem Zeitpunkt erfolgte, mag darauf zurückzuführen sein, d a ß nach dem Gespräch vom 9. Januar 1961 in der Westpresse Vermutungen über ein eventuelles Verbot des Kirchentages laut wurden, wodurch sich die Verantwortlichen in der D D R unter Zugzwang gestellt sahen. Zum anderen entsprach das mit der Veröffentlichung einsetzende Vorgehen der D D R - P r o paganda genau einem Rat, den Oberkirchenrat Gerhard Lötz, der als Inoffizieller Mitarbeiter (GM „Karl") für die Berliner MfS-Zentrale tätig war, zwei Tage zuvor seinem Führungsoffizier, Major Ludwig, unterbreitet hatte. „Karl", der auch sonst nicht nur Informationen an das MfS weitergab, sondern - wie in diesem Fall - logistische Hilfestellung leistete, wie der SED-Staat die Kirche in den Griff bekommen könne, hatte dargelegt, „daß jetzt die Hauptaufgabe darin bestehen muss, die reaktionären Kirchenführer festzunageln und für das evtl. NichtZustandekommen des geplanten Kirchentages verantwortlich zu machen". Dazu sei es notwendig, das Angebot für Leipzig in der Presse zu propagieren. Da dieses von den Veranstaltern des Kirchentages mit Sicherheit nicht angenommen werden würde, könne die Schuld für das Scheitern des Kirchentagsvorhabens diesen „reaktionären Kirchenführern" angelastet werden. „Karl" Schloß: „Es kommt also nicht so sehr auf das Stattfinden des Kirchentages an, wie vielmehr darauf, die Schuld für das NichtZustandekommen in der Öffendichkeit zu popularisieren" (Treffbericht, 10.1.1961 [BStU, ZA, AIM 3043/86, II/3, Bl. 69-72], S. 3 f.). Später - als die Entscheidung gegen Leipzig und für Berlin gefallen war - richtete „Karl" an das MfS (Oberleutnant Burkhardt protokolliert: „an uns") „die Bitte, daß die zuständigen Stellen bei der Regierung der D D R und die Regierung selbst in der Kirchentagsfrage gegenüber den zentralen kirchlichen Stellen, die einen Berliner Kirchentag befürworten, unnachgiebig bleiben sollen". Andernfalls wäre „die Autorität der Landeskirche Thüringen und die Position Mitzenheims", der sich für Leipzig ausgesprochen hatte, „ernsthaft gefährdet" (Hauptabteilung V / 4 , Treffbericht, 23.3.1961 [BStU, ZA, A I M 3043/86, II/3, Bl. 89-94], S. 5). 41 Beschluß der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg, 12.1.1961 (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24). 42 Scharf, Brief der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an die Gliedkirchen, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24), S.4.

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Allerdings wurde wegen der zu erwartenden Behinderungen - und nachdem eine neuerliche Vorsprache von Präses Scharf im Staatssekretariat für Kirchenfragen erfolglos verlaufen war4J - innerhalb des Vorbereitenden Ausschusses trotz der bereits begonnenen Vorbereitungen für Berlin zumindest erwogen, das Angebot der DDR-Regierung, den Kirchentag in Leipzig durchzuführen, anzunehmen. In einem diesbezüglichen Schreiben an den Staatssekretär für Kirchenfragen vom 7. Februar sagte der Vorbereitende Ausschuß zu, daß ein Kirchentag in Leipzig ausschließlich von den DDR-Kirchen vorbereitet werden würde, verlangte dafür jedoch eine großzügige technische Unterstützung sowie freien Zugang für Besucher aus Westdeutschland und Westberlin.44 Die Antwort des Staatssekretärs enthielt allerdings lediglich ein Gesprächsangebot für den 24. Februar, ohne sich in der Sache in irgendeiner Weise festzulegen. Daraufhin beschloß das Präsidium des DEKT auf seiner Sitzung am 11. Februar, „an der Einladung nach Berlin festzuhalten". Man sei jedoch „bereit, eine Verlegung des 10. Deutschen Evangelischen Kirchentages45 in eine Stadt der D D R in Betracht zu ziehen, wenn ihm seitens der Regierung der D D R am 24. Februar die erforderliche Freiheit zur Gestaltung des Kirchentages in eigener Verantwortung garantiert'* werde. Diese Entscheidung wurde am 15. Februar in einem Kommunique46 veröffentlicht und von Präses Scharf dem Staatssekretär für Kirchen fragen übermittelt Das Gespräch am 24. Februar verlief ambivalent und enthielt sowohl Signale zu erwartender staatlicher Einflußnahme47 auf einen Kirchentag innerhalb der D D R wie auch Anzeichen tatsächlichen Entgegenkommens für den Fall einer Verlegung des Kirchentages.48 Das Gespräch endete bei der Frage eventueller Behinderungen bei

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Gespräch zwischen Präses Scharf und Staatssekretär Seigewasser am 21. Januar 1961 (vgl. Stellvertreter [Flint], Aktennotiz, 25.1.1961 [BArch Berlin, StfK, DO 4, 363]). 44 10. Deutscher Evangelischer Kirchentag Berlin 1961. Vorbereitender Ausschuß (Scharf/ Hildebrandt/Kandeler), An den Staatssekretär für Kirchenfragen bei der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Betrifft: Deutscher Evangelischer Kirchentag 1961, 7.2.1961 (EZA, Kirchenkanzlei der Ε KD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 24). 45 Damit war dem Ansinnen der DDR, in Leipzig lediglich einen DDR-Kirchentag durchzuführen, eine indirekte Absage erteilt 46 Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Kommunique, 15.2.1961 (in unterschiedlichen Archivbeständen erhalten, z. В.: BArch Berlin, StfK, DO 4, 2926, Bl. 159; EZA, DEKT, 95/93/33). " Zu dem Gespräch fanden sich nicht nur die vom Präsidium des DEKT beauftragten Verhandlungsführer ein, sondern auf Einladung des Staatssekretärs für Kirchenfragen weitere Vertreter ostdeutscher Landesausschüsse des DEKT. Präses Scharf dazu: „Die Herren Braecklein und Oberpfarrer Lange sind uns von Herzen lieb, aber wir haben sie für die heutige Besprechung nicht ausgewählt Das haben Sie, Herr Staatssekretär, getan im Namen des Staates, und das ist uns ein wichtiges Symptom für den weiteren Gang der Dinge. ... Die Verhandlungen mit dem Staat über eine solche Veranstaltung in der DDR führen Bürger der DDR, die das Präsidium des Kirchentages ausgewählt und beauftragt hat, und niemand anders kann eine leitende Mitverantwortung für die Verhandlungen übernehmen" (Protokoll über die am 24.2.1961 stattgefundene Besprechung beim Staatssekretär für Kirchenfragen über den Evangelischen Kirchentag 1961, undatiert [BArch Berlin, StfK, DO 4, 2926, Bl. 167-212], S. 6). 48 In seiner Umschreibung des Verhandlungsgegenstandes sprach Seigewasser nicht mehr von einem Kirchentag der evangelischen Kirchen in der DDR, sondern formulierte: „Heute

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Voraussetzungen und Kontext

der Einreise mißliebiger Personen. Dazu wollte Seigewasser „selbstverständlich" ein Gespräch mit dem DDR-Innenminister vermitteln.49 Bei diesem Gespräch, das am 2. März mit dem amtierenden Innenminister stattfand, wurde die von kirchlicher Seite (Scharf, Hildebrandt) erwartete „bindende Zusage, . . . daß gegen eine Teilnahme von Vertretern aus allen Gruppierungen und Richtungen der EKD keine grundsätzlichen Einwendungen bestehen und daß für hauptamtliche Vertreter der Kirche aus Westdeutschland eine mehrfache ungehinderte Ein- und Ausreise zur Vorbereitung des Kirchentages gewährt wird" - insbesondere hinsichtlich der Bischöfe Otto Dibelius und Hanns Lilje sowie des Theologieprofessors Helmut Thielicke ausdrücklich nicht gegeben, allerdings eine noch zu treffende Entscheidung der Regierung der DDR in dieser Angelegenheit in Aussicht gestellt 50 Am nächsten Tag (3. März) bekräftigte das Präsidium in einem internen Beschluß noch einmal sowohl die Bereitschaft, den Kirchentag zu verlegen, als auch die dafür unabdingbare Forderung nach einer Einreisegarantie für „vier leitende kirchliche Persönlichkeiten" (Kunst, Dibelius, Lilje, Thielicke).51 Dieser Beschluß wurde unmittelbar an die Regierung der DDR weitergeleitet - „mit der dringlichen Bitte, die Möglichkeit eines Leipziger Kirchentages doch nicht an der Frage scheitern zu lassen, in der die Kirchentagsleitung um der Einheit der EKD willen nicht anders handeln könne". 52 Die endgültige Entscheidung des Kirchentagspräsidiums wurde für den 10. März - einen Tag nach einem bereits vereinbarten Gespräch im Staatssekretariat für Kirchenfragen - in Aussicht gestellt Dieses Gespräch im Staatssekretariat vom 9. März verlief enttäuschend. Staatssekretär Seigewasser gab zu erkennen, daß eine neuerliche Entscheidung der DDR-Regierung mit einer Zusage für die Einreise der „bekannten 4 Personen (Kunst, Dibelius, Lilje, Thielicke)" nicht zu erwarten sei, woran auch eindringliche Worte von Präses Scharf - oder die kirchlicherseits als äußerstes Entgegenkommen für

wollen wir uns unterhalten über die Möglichkeiten eines Kirchentages beider deutscher Staaten unter der Verantwortung eines Gremiums von Bürgern der D D R " ( a . a . O . , S. 5). Für den Fall eines Festhaltens an Berlin drohte Seigewasser allerdings bereits indirekt eine Begrenzung des Kirchentages auf Westberlin an: „Es hat uns irgendwie beeindruckt, im Schreiben vom 15. Februar, im Kommunique, daß hier noch einmal von dieser Aufrechterhaltung der Einladung nach Berlin gesprochen wird. Nach Lage der Dinge kann das nur eine Einladung nach Westberlin sein, kann es nur um einen kleineren Westberliner Kirchentag gehen, kann es in der Konsequenz nur dieses geben" (ebd.). 49 Seigewasser weiterhin: „Diese Einreisen erfolgen auf Grund der gesetzlichen Bestimmung. Ich sage Ihnen noch einmal, wenn wir uns verständigen über einen Kirchentag in der Deutschen Demokratischen Republik, wäre es eine Dummheit, wenn man [sc. die zuständigen Regierungsstellen in der D D R ] nicht großzügig eine Vereinbarung treffen könnte" ( a . a . O . , S.22f.). 50 Niederschrift. Präses Scharf und Herr Hildebrandt wurden auf ihren Wunsch hin am 2.3.1961 vom Minister des Innern empfangen (Abschrift), undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2926, Bl. 152-158). " Beschluss (nicht zur Veröffentlichung), Anlage 2 zum Rundschreiben an die Mitglieder der Präsidialversammlung des Deutschen Evangelischen Kirchentages vom 10. März 1961 (EZA, D E K T , 95/93/33). 52 Deutscher Evangelischer Kirchentag (Dr. Η. H. Walz), An die Mitglieder der Präsidialversammlung des Deutschen Evang. Kirchentages, 10.3.1961 (F.ZA, DEKT, 95/93/33), S.3.

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möglich gehaltene Reduzierung des Personenkreises auf die beiden Bischöfe Dibelius und Lilje - nichts änderten.53 Damit war die Entscheidung gefallen. Am 10. März 1961 wurde vom Präsidium des DEKT sowie von der gastgebenden berlin-brandenburgischen Kirche offiziell bekanntgegeben, daß der 10. Deutsche Evangelische Kirchentag in Berlin und nicht in einer „Stadt der DDR" stattfinden werde. Als Begründung wurde darauf hingewiesen, „dass die Regierung der D D R zwar jede mögliche technische Hilfe in Aussicht stellte, nicht aber die Gewähr gab, dass allen leitenden Männern der Kirche die Teilnahme ermöglicht werde". Mit dieser Einschränkung würde - so das Kommunique des Kirchentagspräsidiums - „die Einheit und Gemeinschaft der evangelischen Christenheit in Deutschland von uns selber aufgegeben".54 Die berlin-brandenburgische Kirchenleitung gab in ihrer „Mitteilung an die Gemeinden in Berlin" zu bedenken, daß der Kirchentag „seinem Wesen nach allen Gliedern der evangelischen Kirche offenstehen" müsse. „Deshalb muß es Berlin bleiben."55 Hatte es bereits von Anfang an vor allem in Westdeutschland auch innerkirchlich erhebliche Bedenken gegenüber einer Durchführung des Kirchentages in Berlin gegeben, trat mit der Ablehnung Leipzigs als Ersatz für Berlin die bis dahin innerkirchlich geführte Diskussion an die Öffentlichkeit. Dadurch wurde nicht nur die Vorbereitung des Kirchentages weiter belastet,56 sondern auch den zuständigen Stellen in der D D R willkommenes Argumentationsmaterial geliefert 57

Das Ringen um den Berliner Kirchentag endete am 8.Juli 1961 - trotz entsprechender Anzeichen letzdich doch unerwartet58 - mit einem Verbot и Protokoll über die am 9.3.1961 beim Staatssekretär für Kirchenfragen stattgefundene Besprechung über den Kirchentag 1961, 10.1.1961 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2926, Bl. 129-137). 54 Deutscher Evangelischer Kirchentag. Präsidialbüro Fulda, Kommunique, 10.3.1961 (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 3 ) . 55 D. Kurt Scharf, [Rundschreiben], 15.3.1961 (EZA, DEKT, 95/93/33). 56 „Als besonders beschwerlich wird von allen Teilnehmern der kirchlichen Ostkonferenz nicht die Tatsache des Vorhandenseins der verschiedenen Meinungen als solche, sondern das Ausfechten von Meinungsverschiedenheiten vor der Öffentlichkeit mit Hilfe von Presse, Funk, öffendicher Diskussion usw. empfunden" (Auszug aus der Niederschrift über die 74. Sitzung der Kirchl. Ostkonferenz am 24. Mai 1961 in Berlin, undatiert [EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24]). w Zum Beispiel bestand ein Offener Brief des staatlicherseits geförderten Bundes Evangelischer Pfarrer in der D D R , mit dem dieser seine Ablehnung des Berliner Kirchentages begründete, ausschließlich aus Meinungsäußerungen kirchlicher Repräsentanten aus Westdeutschland sowie der Ökumene (Bund Evangelischer Pfarrer in der DDR. Der Vorstand, Offener Brief an die evangelischen Christen in Westdeutschland, undatiert [die gedruckte Fassung u.a. in: SStA Chemnitz, BT/RdB Karl-Marx-Stadt, 3330]). и Im Rahmen der Verhandlungen mit den DDR-Regierungsstellen war von diesen zwar deudich gemacht worden, d a ß sie dem Kirchentag, falls er in Berlin stattfände, jede technisch-organisatorische Unterstützung versagen würden, Präsident Hildebrandt konnte jedoch in seinem Überblick über die Verhandlungen darauf hinweisen, daß „bei allen Verhandlungen das W o r t , Verbot' des Kirchentages in Berlin vermieden worden" sei (Mager, Protokoll der 40. Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weißensee, Parkstraße 21, am 29. März 1961

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der im Rahmen des Kirchentages für Ost-Berlin vorgesehenen Veranstaltungen durch eine Verordnung des Ostberliner Polizeipräsidenten, Generalmajor Fritz Eikemeier, der damit einem Beschluß des SED-Politbüros 59 vom Vortag (der auch detaillierte Maßnahmen zur Verhinderung einer Teilnahme von DDR-Bürgern am Kirchentag enthielt) entsprach. Als Begründung wurde auf die bekannte Argumentation zurückgegriffen, „daß die Vertreter der Militärkirche beabsichtigen, den diesjährigen Kirchentag so wie den letzten in München als Veranstaltung des kalten Krieges durchzuführen und dadurch die innerdeutsche Situation zu verschärfen".60 Noch am gleichen Tage wurde das Verbot dem Vorbereitenden Ausschuß des Kirchentages mitgeteilt 61 Die Verordnung erschien in der Presse des nächsten Tages im Wortlaut („Neues Deutschland" vom 9. Juli). Den ein[EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] , S. 1). Dagegen sprachen einige Funktionäre der mittleren Ebene (Bezirke) durchaus davon, d a ß d e r Kirchentag „verboten" sei (vgl. Auszug aus der Niederschrift über die 74. Sitzung der Kirchl. Ostkonferenz am 24. Mai 1961 in Berlin, undatiert [EZA, Kirchenkanzlei der E K D f ü r die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24]). Dennoch war man bis zuletzt der Meinung, d a ß Kirchentagsveranstaltungen innerhalb kirchlicher Räume auch in Ostberlin möglich sein würden. In dieser Meinung wurden sie durch das Verhalten der staatlichen Seite bewußt bestärkt Noch am 5. Juli 1961 erhielt der Berliner Generalsuperintendent Führ vom Berliner Magistrat in Umsetzung eines Politbürobeschlusses vom 20.Juni (vgl. Politbüro des ZK der SED, Protokoll Nr. 27/61 der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees am Dienstag, dem 20.Juni 1961 im Sitzungssaal des Politbüros [SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2 / 2 / 7 6 9 ] , Tagesordnungspunkt 18) die Auflage, d a f ü r zu sorgen, d a ß alle Arbeitsgruppentagungen zum Kirchentag entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen bei der Polizei angemeldet würden (vgl. Magistrat von Groß-Berlin. Der Magistrat Sekretär [Brähmer], An den 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung. Genösse Paul Verner, Betr.: Unterredung mit Herrn Generalsuperintendent Führ, 5.7.1961 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2926, Bl. 46-49]). Schien diese Maßnahme nach außen auf eine Duldung des Kirchentages durch die DDR-Behörden hinzuweisen, war sie intern als erster Schritt zu einem endgültigen Verbot des Kirchentages gedacht Der Politbürobeschluß lautete in seinem zweiten Teil: „Nachdem die Anmeldungen vorliegen, wird die Durchführung dieser Tagungen untersagt. Das Verbot wird mit dem Hinweis darauf begründet, daß diese Veranstaltungen weder Gottesdienste noch kirchliche Kulthandlungen darstellen, sondern charakteristischer Bestandteil des in der Hauptstadt der D D R , Berlin, verbotenen Kirchentages sind" (ebd.). w Politbüro des ZK der SED, Protokoll Nr. 32/61 der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees am Freitag, dem 7. Juli 1961 im Sitzungssaal des Politbüros (SAPMOBArch, DY 30/J IV 2 / 2 / 7 7 4 , Bl. 1-5), S. 3; Anlage Nr. 3 zum Protokoll Nr. 32 vom 7. Juli 1961, Betr.: Weitere Maßnahmen zum 10. Evangelischen Kirchentag in Westberlin vom 19.-23.7.1961 (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2 / 2 / 7 7 4 , Bl. 10-12), abgedruckt in: G. BESIER: Der SED-Staat und die Kirche. Der Weg in die Anpassung, S. 377-380. 40 Die Verordnung ist abgedruckt in: Kirchliches Jahrbuch 88 (1961), S. 46. " Die Mitteilung erfolgte durch den Leiter des Kirchenreferates beim Magistrat von Berlin, Erich Lahl. Entgegengenommen wurde sie - in Vertretung des Ostberliner Generalsuperintendenten - von Superintendent Eckhardt Brix. Der ganze Vorgang dauerte eine Viertelstunde (vgl. Brix, Aktenvermerk: Verhandelt am 8.Juli 1961 im Dienstzimmer von H e r m Lahl, Leiter des Amtes f ü r Kirchliche Angelegenheiten, 8.7.1961 [EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24]).

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zelnen Landeskirchen wurde das Verbot auf den unterschiedlichen Ebenen von den zuständigen staatlichen Dienststellen „ohne weitere Diskussionen"62 bekanntgegeben, verbunden mit der dringlichen Aufforderung, Versuche, an diesem Kirchentag dennoch teilzunehmen, in ihrem Zuständigkeitsbereich zu unterbinden. Die jeweiligen Vertreter der Landeskirchen nahmen das Verbot zur Kenntnis, verwahrten sich jedoch energisch gegen dessen Begründung. 63 Nach der Veröffendichung des Verbotes ließ der Greifswalder Bischof Friedrich-Wilhelm Krummacher als Vorsitzender durch die EKD-Kirchenkanzlei die Konferenz der leitenden Geisdichen der D D R für den 11. Juli 1961 einberufen. Im Mittelpunkt dieser Zusammenkunft (die durch Eingreifen der DDR-Behörden ohne Krummacher stattfinden mußte)64 stand die Frage, ob nach diesem Verbot überhaupt noch eine Teilnahme von Gemeindegliedern aus der D D R an den Kirchentagsveranstaltungen in Westberlin möglich wäre. Diese Frage wurde aufgrund der staadicherseits angedrohten Maßnahmen verneint und zog damit die weitergehende Überlegung nach sich, „ob unter diesen Umständen, dass eine grosse Anzahl von Gemeindegliedem aus der D D R den Kirchentag überhaupt nicht besuchen könne, nicht das eigendiche Ziel des Berliner Kirchentages - eine Zusammenführung von Menschen aus Ost und West unter dem Evangelium - unmöglich geworden sei, sodass darum der ganze Berliner Kirchentag verschoben werden müsse". Die Mehrheit sah dies für notwen-

62 Vgl. Rat des Bezirkes Schwerin. Der Vorsitzende (Hoffmann), An den Vorsitzenden des Rates Kreises . . . , Betr.: Maßnahmen gegen die Vorbereitung des Kirchentages in Westberlin vom 19. bis 23.7.1961, 11.7.1961 ( M L H A , BPA Schwerin, IV 2/14/1676, Bl. 115-117), S. 1. ω Vor allem wegen der gegebenen Begründung wandte sich Propst Heinrich Grüber in einem Offenen Brief an den Polizeipräsidenten, in dem er „diese Begründung des Verbotes als eine Beleidigung, um nicht zu sagen als eine Verleumdung" bezeichnete (der Brief Grübers ist abgedruckt in: Kirchliches Jahrbuch 88 [1961], S. 47 f.). 64 Der Wagen von Bischof Krummacher wurde beim Verlassen des Kreises Greifswald von der Polizei gestoppt Ihm, seinem Fahrer und seiner Frau wurden die Personalausweise abgenommen. Damit war eine Fahrt nach Berlin unmöglich. Der Protest Krummachers wurde lediglich zur Kenntnis genommen. Krummacher rief in Berlin an und teilte der Kirchenkanzlei das Vorgefallene mit, woraufhin die dort versammelte Konferenz unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden, Bischof Mitzenheim, ein Protesttelegramm an den Vorsitzenden des DDR-Ministerrates beschloß: „Wir sind bestürzt, daß Bischof D. Krummacher als Vorsitzender der Konferenz der Bischöfe in der Deutschen Demokratischen Republik auf seiner Dienstfahrt nach Berlin an der Ausübung seiner amtlichen Pflichten durch Abnahme seines Personalausweises behindert worden ist" (Evangelische Kirche in Deutschland. Kirchenkanzlei für die Gliedkirchen in der Deutschen Demokratischen Republik, Betrifft: Beratungen am 11.Juli 1961, 12.7.1961 [HZA, Kirchenkanzlei der Ε K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24] sowie [Kirchenkanzlei für die Gliedkirchen in der Deutschen Demokratischen Republik], Aktenvermerk. Betr.: Besprechung der Bischöfe am 11.7.1961, 13.7.1961 [EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 24]).

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Voraussetzungen und Kontext

dig an. Gegen Abend trugen die Bischöfe beide Punkte dem aus gleichem Anlaß tagenden Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages vor, das nach einer „bewegten Aussprache" zusagte, „die Erwägungen der Bischofskonferenz bei seiner letzten Entscheidung zu berücksichtigen".65 Die Erwägungen, den Kirchentag insgesamt zu verschieben, machte sich das Präsidium des DEKT allerdings nicht zu eigen. In seiner Erklärung vom 11. Juli 1961 wurde lediglich der Kirchentag für den Bereich Ostberlins abgesagt. „Die in West-Berlin geplanten Kirchentagsveranstaltungen werden soweit möglich durchgeführt"66 Darüber hinaus verwahrte sich das Präsidium ebenfalls gegen die von Eikemeier gegebene Begründung des Verbots. Die Bischofskonferenz ihrerseits beschloß, „dass jede Landeskirche einzeln gegen das Verbot des Kirchentages durch den Berliner Polizeipräsidenten Protest erheben" werde.67 Durch das Verbot und die nachfolgenden Maßnahmen wurde der Kirchentag, der eigendich „die Kluft in Deutschland . . . überbrücken" und noch einmal „Menschen aus Ost und West wie aus der ganzen Welt" zusammenführen wollte,68 vor allem zu einem Westberliner Ereignis. Allerdings gelang es weder, den Kirchentag völlig aus dem Ostteil Berlins zu verbannen (dort fanden am Kirchentagssonntag Gottesdienste mit großer Beteiligung statt)69 noch eine Anreise aus der D D R gänzlich zu unterbinden. M

[Kirchenkanzlei für die Gliedkirchen in der Deutschen Demokratischen Republik], Aktenvermerk. Betr.: Besprechung der Bischöfe am 11.7.1961, 13.7.1961 (EZA, Kirchenkanzlei der Ε KD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 24). ** Evangelische Kirche in Deutschland. Kirchenkanzlei für die Gliedkirchen in der Deutschen Demokratischen Republik, Betrifft: Beratungen am 11.Juli 1961, 12.7.1961 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 24), S. 2; auch in: Kirchliches Jahrbuch 88 (1961), S. 46 f. Diese „einseitige" Absage blieb nicht ohne Kritik (vgl. die oben zitierte Meinungsäußerung der östlichen Landesausschüsse zur Wahl des Kirchentagsortes [oben S. 12]; auch Irmgard Lent in: O. S c h r o d k r / H . - D . Pf.tkr: Vertrauen wagen, S. 1 6 0 ) . 67 [Kirchenkanzlei für die Gliedkirchen in der Deutschen Demokratischen Republik], Aktenvermerk. Betr.: Besprechung der Bischöfe am 11.7.1961, 13.7.1961 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 24), S. 3. Die betreffenden Schreiben sind zum Teil abgedruckt in: Kirchliches Jahrbuch 88 (1961), S. 47 f. Der Berliner Generalsuperintendent Führ sandte ein Telegramm an den DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl: „Erbitte dringend Ihr Eingreifen gegenüber der Anordnung des Herrn Berliner Polizeipräsidenten. Sein Verbot des Deutschen Evangelischen Kirchentages verletzt Verfassung und nach meiner Meinung Ihre im Kommunique vom 21.7.58 gegebene Zusage freier Religionsausübung" (Telegramm, aufgegeben am 1 O.Juli 1961 [15.45] [EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 24]). ** So Propst Grüber in seinem Offenen Brief an Polizeipräsident Eikemeier (Kirchliches Jahrbuch 88 [1961], S.48). ** Das Politbüro hatte am 20. Juni ausdrücklich beschlossen, daß „die Durchführung der Gottesdienste und Abendmahlsfeiem . . . nicht behindert" wird (Politbüro des ZK der SED, Protokoll Nr. 27/61 der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees am Dienstag, dem

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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Einen Tag nach Veröffentlichung des Verbotes im Neuen Deutschland wurden alle 1. Stellvertreter der Bezirksvorsitzenden vom Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim SED-Zentralkomitee, Willi Barth, 70 in Berlin Uber die staatlichen Maßnahmen zum Kirchentag informiert Punkt 1 dieses Maßnahmeplanes lautete: „Kontrolle aller Personen, die nach Berlin reisen in der Zeit vom 17.7., 0.00 Uhr 23.7., 24.00, am Ring Berlin in einer Tiefe von 30 km. Wer nicht nachweisen kann, daß er nicht zum Kirchentag fährt, wird zurückgeschickt" 71 Am nächsten Tag wiesen die Vorsitzenden der Räte der Bezirke die Vorsitzenden der Räte der Kreise an, „alles zu tun, damit kein chrisdicher Bürger [sc. aus der D D R ] 7 2 an diesen verbotenen Veranstaltungen teilnimmt". 73 Obwohl einige Landeskirchen vor Privatfahrten zum Kirchentag ausdrücklich gewarnt hatten, 74 versuchten dennoch eüiche ihr Glück. Abgefangen wurden allerdings nur jene, die sich keine glaubhafte Legende zurechtgelegt hatten oder offen zugaben, am Kirchentag teilnehmen zu wollen. Ihnen wurde der Personalausweis abgenommen und erst nach Vorlage einer Rückfahrkarte wieder ausgehändigt. Bis zum Besteigen des Zuges standen sie unter polizeilicher Aufsicht 7 5

20.Juni 1961 im Sitzungssaal des Politbüros [SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/769], Tagesordnungspunkt 18). ro An der Besprechung nahmen weiterhin Staatssekretär Hans Seigewasser, Innenminister Karl Maron und sein Stellvertreter Generalmajor Willi Seifert teil. 71 Vgl. u. a. die Wiedergabe der Besprechung in: Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt Ref. Kirchenfragen (Trinks), Aktennotiz, 13.7.1961 (SStA Chemnitz, BT/RdB Karl-Marx-Stadt, 3330). 72 Eine Behinderung des Reiseverkehrs zwischen Westdeutschland und Westberlin wurde durch den Politbtirobeschluß ausdrücklich ausgeschlossen. Auch „die Ausgabe von Aufenthaltsgenehmigungen an westdeutsche Burger für das demokratische Berlin" sei „in der üblichen Weise durchzuführen und korrekt zu handhaben" (Politbüro des ZK der SED, Anlage Nr. 3 zum Protokoll Nr. 32 vom 7. Juli 1961, Betr.: Weitere Maßnahmen zum 10. Evangelischen Kirchentag in Westberlin vom 19.-23.7.1961 [SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/774, Bl. 10-12], S. 3). Daß es keine derartigen Behinderungen geben werde, hatte Staatssekretär Seigewasser bereits zuvor in einem Presseinterview erklärt („Kirchentag ist kein Landsmannschaftstreffen". Seigewasser gab ein Interview: Keine Behinderung an der Zonengrenze, epd-Meldung vom 6.5.1961 [EZA, DEKT, 95/93/33]). " Rat des Bezirkes Dresden. Der Vorsitzende (Witteck), Fernschreiben: An die Vorsitzenden der Räte der Kreise und Oberbürgermeister der Städte Dresden und Görlitz, Betr.: den verbotenen Kirchentag vom 19.-23.7.1961 in der Hauptstadt der DDR, 11.7.1961 (SHStA, BT/RdB Dresden, 25079-1, Bl. 148-149). - Die Anweisungen im einzelnen differieren von Bezirk zu Bezirk. Die Zielstellung ist jedoch überall gleich. " Etwa die mecklenburgische Landeskirche in einer Kanzelabkündigung am 16.7.1961 (Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Mecklenburg [Pflugk], ohne Titel, 12.7.1961 [BStU, ASt Schwerin, AIM 1240/80, A / l , Bl. 84]). n Gerhard Besier erwähnt, daß nach Erkenntnissen des MfS 4.500 Dauerteilnehmer aus der DDR am Kirchentag in Westberlin teilnahmen, während über die Zahl der Tagesbesucher keine Angaben vorgelegen hätten (G. BESIER: Der SED-Staat und die Kirche. Der Weg in die Anpassung, S. 380). Demgegenüber erscheint die Erfolgsquote der Kontrollen am Berliner Ring gering. Aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt wurden zum Beispiel lediglich „4 Pfarrer festgestellt sowie 13 Delegierte, die zum Kirchentag fahren wollten". „Angetroffen wurden auf der Reise von Berlin nach Karl-Marx-Stadt 4 Delegierte, die am Kirchentag teilgenommen hatten" ([Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt]. Ref. Kirchenfragen [Trinks], Einschät-

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V o r a u s s e t z u n g e n und K o n t e x t

2.1.2. Lähmung und Entfremdung Die endgültige Schließung der innerdeutschen Grenze mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961, wenige Wochen nach dem Kirchentag in (West-)Berlin, stellte die Landeskirchen in der D D R unvermittelt vor die „Grundfrage, ob es unter den neuen Umständen überhaupt noch Kirchentagsarbeit in der D D R geben" könne. 76 Das östliche Restpräsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages unter Reimer Mager 77 beantwortete diese Frage eher negativ, 78 da die Arbeit des D E K T auf zentrale Großveranstaltungen ausgerichtet gewesen sei, diese in der D D R jedoch „weder möglich noch tunlich" erschienen. 79 Landessuperintendent Otto Schröder, der spätere Präsident des Evangelischen Kirchentages in der D D R , sprach im Rückblick von einer „anfänglichen Lähmung", die die dortige Kirchentagsarbeit nach 1961 ergriffen habe. 80 Eine Ursache f ü r diese - auf den Osten begrenzte - Lähmung war neben der offenkundigen Unmöglichkeit, den Deutschen Evangelischen Kirchentag wie bisher weiterzuführen, die von Anfang an vorhandene westdeutsche Dominanz des D E K T , die nach dem Mauerbau in einem deudichen organisatorischen Ungleichgewicht zutage trat. Während in Westdeutschland (Fulda) nach dem Mauerbau ein weiterhin funktionsfähiges Organisationszentrum sowie ein zwar etwas reduziertes, jedoch ohne Einschränkungen arbeitsfähiges Präsidium (einschließlich des Präsidenten) vorhanden

zung der Tätigkeit der Ev.-Luth. Kirche im Bezirk Karl-Marx-Stadt im Zusammenhang mit dem Kirchentag in Westberlin vom 19.7.-23.7.61, 5.8.1961 [SStA Chemnitz, B T / R d B KarlMarx-Stadt, 3330], S. 3). Insgesamt wurden wohl mehr als 2000 Personen zurückgewiesen (vgl. HV Deutsche Volkspolizei. Operativstab, Information Nr. 6 über den 10. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Westberlin am 19.-23.Juli 1961, undatiert [BArch Berlin, StfK. D O 4, 2928, Bl. 174-181], S.4). Diese Zahl wurde jedoch durch die Anzahl der tatsächlich aus der D D R anreisenden Kirchentagsbesucher um ein Vielfaches übertroffen - was auch den Sicherheitsorganen der D D R aufgrund des sprunghaften Anstiegs des Fahrkartenvei kaufs auf den S-Bahnhöfen im Berliner Randgebiet, über den eine akribische Statistik gefühlt wurde (vgl. BStU, ZA, AS 170/61, I I / 1 , Bl. 194-198), bewußt war. 76 [ O t t o Schröder], Bericht über die Kirchentagsarbeit in der D D R , gegeben am 13.3.1971 vor der Konferenz d e r Evangelischen Kirchenleitungen in der D D R , undatiert (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549), S. 1; auch O . SCHRODER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 22: die entscheidende Frage habe f ü r viele nicht gelautet „,Kirchentag wohin?', sondern: .Kirchentag überhaupt?'" 77 Zur organisatorischen Struktur der Kirchentagsarbeit in der D D R vgl. unten Kap. 2.1.3. 78 Vgl. u. а. A. SCHÖNHKRR: . . . aber die Zeit war nicht verloren, S. 222, 290; ähnlich Johannes Cieslak (vgl. Niederschrift des Gespräches mit Synodalpräsident i. R. Johannes Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 1). 79 [Otto Schröder], Bericht über die Kirchentagsarbeit in der D D R , gegeben am 13.3.1971 vor der Konferenz der Evangelischen Kirchcnleitungen in der D D R , undatiert (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549), S. 1. 80 Ebd.

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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war, verblieb in der DDR lediglich ein vierköpfiges Restpräsidium, das formal zwar weiterhin Teil eines Gesamtpräsidiums war und die Ordnung des DEKT für sich als gültig anerkannte, das an einer Mitarbeit in diesem Gremium jedoch gehindert war und sich unvermittelt in der Rolle eines Zuschauers wiederfand. Die Beteiligung des Präsidiums-Ost am DEKT nach 1961 beschränkte sich auf wenige, sich schnell verringernde Konsultationen seitens des Präsidialbüros in Fulda sowie auf Informationen darüber, was auf westdeutscher Bühne geplant sei, ohne daß die östlichen Präsidiumsmitglieder darauf noch in irgendeiner Weise hätten Einfluß nehmen können. Mit diesem Ungleichgewicht verband sich andererseits eine in Ost und West unterschiedliche, ja gegenläufige Interessenlage, wodurch nicht nur das beiderseitige Verhältnis spannungsreicher, sondern auch der Spielraum für eine eventuelle Neuorientierung im Osten erheblich eingegrenzt wurde. Während auf westdeutscher Seite die Idee eines Ost und West verbindenden Deutschen Evangelischen Kirchentages anscheinend ohne tiefgreifende Bedenken (wieder) zugunsten einer rein westdeutschen Veranstaltung und Institution aufgegeben wurde,81 hielt das Präsidium-Ost (wie auch die Konferenz der Landesausschüsse) bis Mitte der 60er Jahre und darüber hinaus beharrlich an den grenzübergreifenden Gemeinsamkeiten und der freilich nur noch formalen Einheit mit dem DEKT fest Angesichts der scheinbar bruchlosen Fortführung der großen Kirchentage im Westen wurde dort nach anfänglichen Irritationen - die Frage nach der Zukunft des DEKT kaum noch als Problem empfunden. Dagegen war man sich im Osten dieses Problems zwar unmittelbar bewußt, blockierte jedoch um der Einheit willen jede Initiative, die als Konkurrenz oder Ersatz für den Deutschen Evangelischen Kirchentag erscheinen konnte. Anregungen und Vorschläge für eine - freilich mehr zeichenhafte als praktikable - Gesamtlösung kamen bezeichnenderweise nicht von den für die Kirchentagsarbeit Verantwortlichen, sondern von Vertretern einzelner Landeskirchen. Die Frage nach der Zukunft des Deutschen Evangelischen Kirchentages als einer gesamtdeutschen Veranstaltung blieb damit konzeptionell ungelöst und erfuhr lediglich durch die zunehmende Ausgrenzung der Ostdeutschen eine indirekte, für diese zum Teil wohl auch schmerzliche Antwort, die nicht dazu angetan war, den Herausforderungen der neuen Situation aktiv zu begegnen.

81

Damit wurde freilich kein für den Deutschen Evangelischen Kirchentag konstitutives Klement aufgegeben. Der D E K T war als westdeutsche Unternehmung entstanden und hatte seine gesamtdeutsche Klammerfunktion erst im Zusammenhang des Kirchentages 1951 in Berlin, gegen den es erhebliche Widerstände innerhalb des D E K T (nicht zuletzt seines Präsidenten Reinold von Thadden-Trieglaff) gegeben hatte, erhalten (zu Einzelheiten vgl. H. SCHROETTER: Kirchentag als vor-läufige Kirche, S. 86 ff.).

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Voraussetzungen und Kontext

Direkt nach dem 13. August 1961 hatte sich das Präsidium-West - wie Dr. Hans Hermann Walz vom Fuldaer Präsidialbüro im Februar 1962 den Vertretern der ostdeutschen DEKT-Landesausschüsse mitteilte - die Frage gestellt, „ob man nach den bekannten Ereignissen die Kirchentagsarbeit fortsetzen könne". „Nach eingehenden Beratungen und nach Fühlungnahme mit den in der D D R ansässigen Mitgliedern des Präsidiums sei man einmütig zu dem Ergebnis gekommen, dass wir nicht das Recht hätten, die Arbeit, die uns Gott vor die Füsse gelegt habe, aufzugeben, auch wenn eine Schwierigkeit einträte, die uns viel Freude an dieser Arbeit raube." Walz f u h r - angesichts der weiteren Entwicklung überraschend fort: „Der Kirchentag lebe nicht nur von einer geistig geistlichen Idee, sondern von dem Sichtbarwerden der Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Brüderlichkeit untereinander." Mit diesem Rückblick verband er dann allerdings die Mitteilung, d a ß „man sich entschlossen" habe, „den nächsten Kirchentag vom 24.-28.7.1963 in Dortmund abzuhalten und damit der seit langen Jahren mehrfach ergangenen Einladung der Westfälischen Kirche zu entsprechen". 82 Dem wurde seitens der ostdeutschen Kirchentagsarbeit nichts entgegengesetzt. Präsident Mager (Präsidium-Ost) bedankte sich für die Informationen und beschrieb - unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß Vorschläge, parallel zu Dortmund in der D D R ebenfalls einen Kirchentag abzuhalten, nicht aufgegriffen würden - abschließend die künftige ostdeutsche Zuschauerrolle, mit der er sich anscheinend abzufinden gedachte: Er, Mager, danke dafür, „dass wir schon bei den Vorüberlegungen mitteilnehmen konnten, und schlage vor, dass auch künftig die Fuldaer Brüder uns Uber den Fortgang der thematischen Gestaltung regelmässig durch ihren Besuch unterrichten mögen, damit wir einerseits innerlich durch unser Mitbedenken beteiligt blieben und zum anderen .Dortmund' trotz der räumlichen Zertrennung ein gemeinsames Erlebnis würde". 83 Während innerhalb des Präsidiums-Ost und der Konferenz der Landesausschüsse in der D D R diese unterschiedliche Rollenverteilung frag- und klaglos akzeptiert wurde, kamen aus den Landeskirchen von unterschiedlicher Seite durchaus Vorschläge, die dieses Ungleichgewicht zu korrigieren und den gesamtdeutschen Anspruch des D E K T - freilich zu Lasten seiner Durchführbarkeit erneut in den Mittelpunkt zu stellen versuchten. Gedacht wurde daran, den D E K T abwechselnd im Westen und im Osten durchzuführen. Nach dem Kirchentag in Dortmund 1963 stellte etwa der westfälische Präses Ernst Wilm als Vertreter der gastgebenden Kirche die Frage, „ob es nicht geboten sei, den nächsten Kirchentag in der D D R durchzuführen, selbst auf die G e f a h r hin, daß bei diesem Kirchentag die Westdeutschen nicht teilnehmen können". 84 Mit diesem Vorschlag erfuhr er ю Reimer Mager, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - am 22. Februar 1962 im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, Parkstr. 21, undatiert (HZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 5. 8J A . a . O . , S.8. 84 Behm, Auszug aus der Niederschrift über die Begegnung der Herren Ratsmitglieder am 5. Oktober 1963, K D 2 4 0 0 / 6 3 aus d. Akte 020 (EZA, Kirchenkanzlei der Ε K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 25). Ähnlich auch der Leiter der berlin-brandenburgischen Kirchenverwaltung-Ost, Oberkonsistorialrat Erich Andler (vgl. Konferenz der ev. Kirchenleitungen in der Deutschen Demokratischen Republik, betrifft: Kirchentag 1963, 11.1.1963 [EZA, KKL D D R , 102, 338]).

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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allerdings einhelligen Widerspruch von ösdicher wie von wesdicher Seite. Präsident Mager (DEKT-Präsidium-Ost) hielt diesen Plan für undurchführbar angesichts der „Bedenken, die sich bei der Regierung der D D R gegen eine Firmierung ,Deutscher Ev. Kirchentag' ergeben". Der Präsident des Kirchlichen Außenamtes, Adolf Wischmann, (DEKT-Präsidium-West) berichtete seinerseits „über Bedenken, die sich bei der Leitung des Kirchentages gegen einen solchen Plan «RS

zeigen . 5 Einen ersten Riß erhielt die scheinbare Einhelligkeit zwischen Ost- und WestKirchentagsarbeit allerdings, als das DEKT-Präsidium-West wenig später öffentlich bekanntgab, „daß der Kirchentag 1965 in Köln und 1967 in Kiel stattfinden" solle, ohne daß dazu die Zustimmung der Präsidiumsmitglieder aus dem Osten eingeholt worden war. Dieses Vorgehen (nicht die Wahl der Veranstaltungsorte an sich) rief den Protest der ostdeutschen Landesausschüsse hervor, die sich in ihrer Mitverantwortung für den DEKT übergangen fühlten. Auch im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, der sich vom DEKT weiterhin eine West und Ost übergreifende Klammerfunktion erhoffte und seinerseits ebenfalls gern an der Entscheidungsfindung beteiligt worden wäre, wurde dieser Alleingang mit Bedauern zur Kenntnis genommen.86 Auswirkungen auf die Einladung des DEKT 1965 nach Köln hatten diese Proteste allerdings nicht mehr, sondern führten lediglich dazu, daß der Vertreter des Präsidialbüros in Fulda auf der Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse in der D D R am 15.Januar 1964 „ausführlich über die Verhandlungen mit den Kirchen-Leitungen und Behörden in Kiel, Hannover und Köln" berichtete, „die schliesslich dazu geführt haben, dass Köln als Tagimgsort für den nächsten Deutschen Evangelischen Kirchentag 1965 gewählt worden" sei.87 Dagegen stand nach Köln noch einmal die Frage im Raum, ob der nächste DEKT nicht vielleicht doch in der D D R stattfinden könnte. Möglicherweise deshalb 88 erfuhr die Ankündigimg für Kiel keine Wiederholung (auch nicht am Schluß des Kölner Kirchentages), vielmehr wurden die östlichen Landeskirchen gebeten, „sich Gedanken über den weiteren Weg des Kirchentages, insbesondere über die Wahl des nächsten Tagungsortes . . . zu machen". 89 Während innerhalb des Rates der EKD unter gesamtdeutschem Aspekt die Planung eines großen

ю Behm, Auszug aus der Niederschrift über die Begegnung der Herren Ratsmitglieder am 5. Oktober 1963, K D 2400/63 aus d. Akte 020 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 25). 86 Vgl. dazu Auszug aus der Niederschrift über die Begegnung der Herren Ratsmitglieder der EKD am 28. November 1963 aus den Akten 020 - K D 2897/63, 16.12.1963 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 25). " Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 1 S.Januar 1964, 10.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 3. 88 So der Zusammenhang im Protokoll der Ratsbegegnung vom 12. August 1965 (Lewek, Auszug aus der Niederschrift über die Ratsbegegnung am 12.8.1965 in Berlin - K D 2349/65 - aus den Akten 020, undatiert [EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 25]); möglich wäre freilich auch, daß die Bekanntgabe unterblieb, weil bereits bekannt war, daß Kiel seine Einladung zurückziehen werde. " A.a.O., S.2.

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Voraussetzungen und Kontext

gemeinsamen Kirchentages in der D D R befürwortet wurde, , c erfuhr dieser Vorschlag seitens der DDR-Kirchentagsarbeit, die Mitte der 60er Jahre über eine eigene längerfristige Konzeption nachzudenken begann, wenig Beachtung. Auf der Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse am 12. Januar 1966 hielt August Wilhelm Nacken ein Grundsatzreferat mit Beschlußvorlage „Zum Gespräch über den weiteren Weg der Kirchen tagsarbeit", worin dieser die Aufgaben der Konferenz im Horizont der DDR-Verhältnisse beschrieb." Auf der gleichen Sitzung teilte der Vertreter des Präsidialbüros in Fulda mit, „dass der nächste Deutsche Evangelische Kirchentag vom 28.6.-2.7.1967 in Hannover stattfinden soll, nachdem Kiel und Mannheim ihre Einladungen aus verschiedenen Gründen zurückgezogen hätten". 92 Deutlicher als die Irritationen bei der Wahl der Veranstaltungsorte für die Deutschen Evangelischen Kirchentage 1965 und 1967 zeigten die Vorgänge im Zusammenhang der Nachfolge für den scheidenden Präsidenten des DEKT, Reinold v. Thadden-Trieglaff, daß man im DEKT-West eine Mitverantwortung der ostdeutschen Kirchentagsarbeit nicht mehr für sinnvoll hielt. Ursprünglich war von westlicher Seite lediglich daran gedacht, die ostdeutsche Kirchentagsarbeit Uber den bevorstehenden Wechsel im Präsidentenamt zu informieren. Zu diesem Zweck nahm Präsident v. Thadden-Trieglaff an der Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse in der D D R am 27. Mai 1964 in Berlin-Ost teil und erläuterte seinen Entschluß, das Präsidentenamt aufgeben zu wollen. Der Nachfolger stünde intern mit dem Juristen Richard v. Weizsäcker bereits f e s t Wegen beruflicher Verpflichtungen könne dieser jedoch nur für eine nebenamtliche Präsidentschaft zur Verfügung stehen, was eine weitere Veränderung gegenüber der bisherigen Praxis bedeutete. 93 In der nachfolgenden Diskussion innerhalb der Konferenz wurden daraufhin Überlegungen angestellt, in welcher Form sich die Ostdeutschen an der Wahl v. Weizsäckers beteiligen könnten, wobei auch - freilich verhalten - Kritik daran geübt wurde, daß der Nachfolger ohne Beteiligung der ostdeutschen Landesausschüsse ausgewählt worden war. Vor dem Wahlvorgang müsse man den Kandidaten allerdings zumindest einmal zu Gesicht bekommen haben. D a ß diese Überlegungen keineswegs den westdeutschen Vorstellungen entsprachen, wurde deutlich, als - mit zwei Stunden Verspätung - der Organisationsleiter im Fuldaer Präsidialbüro eintraf. Dieser erklärte, daß „das Präsidium der Auffassung gewesen sei, dass keine vollgültige Präsidialversammlung einberufen werden könne". Da eine Wahl entsprechend der Ordnung nicht möglich sei, habe man ein „Zusatzprotokoll geschaffen, das die Handhabung der Ordnung so lange regeln soll, bis gesamtdeutsche Beschlüsse wieder gefasst werden können". 94 Das 90 Vgl. Auszug aus der Niederschrift über die Zusammenkunft vom 4.-7. Mai 1965 (1 I 444.111.), 25.5.1965 (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) . " Siehe dazu unten S. 48-50. 92 Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im Haus der Kirche, Berlin-Weissensee, am 12.1.1966, 10.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 6. 93 Vgl. Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weißensee, am 27. Mai 1964, 10.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) , S.2. 44 A . a . O . , S.5.

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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Echo auf diese Eröffnung war eindeutig. Der Präsident der EKU-Kanzlei Hildebrandt fragte, „ob in Fulda das Wort der DDR immer so gehört worden sei, wie es hätte sein müssen. ,Wenn wir uns in dieser Angelegenheit der Stimme enthalten, wird der Kirchentag wirklich zu einer rein westdeutschen Angelegenheit.' ,Wir können die Verantwortung nicht abgeben.'" Noch deudicher formulierte der anhaltinische Oberkirchenrat Klaus Meyer. Er sei „nicht bereit, seine Verantwortung vom Westen ausschließen zu lassen. Er würde das als Spaltung betrachten, und der Deutsche Evangelische Kirchentag sei dann in seinen Augen nicht mehr existent" 95 In Ablehnung des Fuldaer Alleingangs96 wurde von der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages in der D D R folgender Beschluß gefaßt: ,l.)Die Konferenz der Landesausschüsse lehnt es ab, aus der Mitverantwortung für die Neuwahl des Präsidenten ausgeschlossen zu werden. 2.) Es wird daher die dringende Bitte ausgesprochen, dass beide Teile der Präsidialversammlung die Wahl des Präsidenten an das gesamte Präsidium delegieren. Diese Delegierung soll mit jeweiliger Zweidrittelmehrheit beschlossen werden und gilt in der gegenwärtigen Situation als einmalige Ausnahmeregelung. 3.) Sollte das Präsidium aus gewichtigen Gründen nicht zustimmen, müsste darum gebeten werden, dass dann beide Teile der Präsidialvers am ml ung gemäß der Ordnung wählen. Die durch die westlichen Mitglieder der Präsidialversammlung getätigte Wahl würde erst dann ihre Rechtswirksamkeit erhalten, wenn die östlichen Mitglieder ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit dem Wahlvorschlag zugestimmt haben." 97 Abschließend brachte Oberkirchenrat Meyer zum Ausdruck, daß bei Ablehnung der in diesem Beschluß vorgetragenen Bitte der Konferenz „wir nur schmerzlich erklären könnten, dass der ganze Vorgang illegal sei".98 Angesichts dieser eindeutigen Meinungsäußerung der ostdeutschen Landesausschüsse wurde der Plan einer Separatwahl nicht weiter verfolgt Auf der Sitzung des Präsidiums-Ost am 16. Juni stellte sich Richard v. Weizsäcker den ostdeutschen Präsidiumsmitgliedern als Kandidat für das Präsidentenamt vor. Hinsichtlich des * А. а. O., S. 6. - Wie wichtig die Beteiligung an der Wahl von Weizsäckers für die Ostdeutschen war, spiegelt sich noch Jahrzehnte später in der rückblickenden Darstellung der DDR-Kirchentagsarbeit von Otto Schröder wider, der allerdings die dieser Beteiligung vorausgegangene Auseinandersetzung unerwähnt läßt (O. SCHRODER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 40; vgl. O. SCHRÖDER: Auf schmalem Grat, S. 258). Auch von Weizsäcker, der in seinen Erinnerungen den gesamtdeutschen Charakter seiner Wahl besonders hervorhebt, erwähnt die vorausgegangenen Kontroversen, die ihm kaum verborgen geblieben sein dürften, nicht (vgl. R. v. WEIZSÄCKER: Vier Zeiten, S. 165 f.). * Es ist nicht genau erkennbar, ob und in welcher Weise vorher mit dem Präsidium-Ost Rücksprache genommen worden war. Zwar erfuhr die Frage des Thüringer Vertreters in der Konferenz der Landesausschüsse, „ob das sog. Zusatzprotokoll mit Wissen der Ostmitglieder beschlossen sei oder nicht", weder seitens der Gäste aus Fulda noch seitens der anwesenden Mitglieder des Präsidiums-Ost eine Antwort (а. а. O., S. 6), der Einspruch des Präsidiumsmitglieds Hildebrandt macht eine vorherige Rucksprache jedoch eher unwahrscheinlich. " А. а. O., S. 8 f. " А. а. O., S. 9.

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Voraussetzungen und Kontext

Wahlvorgangs wurde in Übereinstimmung mit dem westdeutschen Präsidium der von der Konferenz favorisierte Wahlmodus einer Delegierung an das Präsidium allerdings nicht für sinnvoll gehalten, sondern eine zeitgleiche, aber örtlich getrennte Wahl durch beide Teile der Präsidialversammlung angestrebt.94 - Die Wahl Richard v. Weizsäckers zum Präsidenten des Deutschen Evangelischen Kirchentages durch die Präsidialversammlung-West erfolgte am 31. Mai 1964 in Westberlin (34 JA-Stimmen bei einer ungültigen und 3 Enthaltungen), seine Wahl durch die Präsidialversammlung-Ost einen Tag später, am l.Juni 1964, in Ostberlin (einstimmig).100

2.1.3. Neubeginn mit föderaler

Gmndstruktur

Nach dem Mauerbau existierten innerhalb der DDR-Kirchentagsarbeit im großen und ganzen drei Organisationsebenen. Die Basis101 der Kirchentagsarbeit wurde von den Landesausschüssen des (Deutschen) Evangelischen Kirchentages repräsentiert, die nach dem ersten D E K T von 1949 (Hannover) sukzessive in den einzelnen Landeskirchen - im Bereich der D D R waren dies acht - gebildet worden waren. Durch die Begrenzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages auf Westdeutschland wurden diese zuvor lediglich formal selbständigen Ausschüsse zu eigenständigen Gremien, die von zentralen wie landeskirchlichen Einrichtungen unabhängig die Verantwortung für die Kirchentagsarbeit in ihrem Bereich wahrnahmen. Dementsprechend wurde im nachhinein von einem Prozeß der „Dezentralisierung und Demokratisierung" innerhalb der DDR-Kirchentagsarbeit nach dem Mauerbau gesprochen, der dazu geführt habe, daß „die Landesausschüsse bestimmen, in welcher Weise die Arbeit des Evangelischen Kirchentages geschieht".102 Insbesondere wurde von diesen Landesausschüssen die in einigen Landeskirchen bereits traditionelle Form des Landeskirchentages aufgegriffen und - neben Kreis- und Propsteikirchentagen - zu einer bestimmenden Form des Kirchentages in der D D R entwickelt. " Vgl. Mädler, Protokoll zur Sitzung des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages in der Bischofsstraße am 16.Juni 1964, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) . 100 Vgl. Mädler, Protokoll. Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Präsidialversammlung in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weißensee am l.Juni 1964, 8.7.1964 (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) sowie Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weißensee, am 2.Juli 1964, 9.00 Uhr, 9.7.1964 ( E Z A D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) . 101 Die in einigen Landeskirchen vorhandene Ebene der Kreisbeauftragten für Kirchentagsarbeit bleibt hier unberücksichtigt. 1Ш Pastor Horst Krüger-Haye und Landessuperintendent Otto Schröder 1972 vor dem Gemeindeausschuß des Bundes der Evangelischen Kirchen in der D D R (Grengel, Gespräch des Gemeindeausschusses mit dem Evangelischen Kirchentag am 15. Dezember 1972 im Sekretariat des Bundes, 104 Berlin, Auguststraße 80 [Anlage 2 zu 2 1 1 - 2 9 / 7 3 ] , undatiert [EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549], S. 2).

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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Zusätzlich zu den Landesausschüssen hatte sich bereits vor dem Mauerbau - ähnlich der „Ostkonferenz" der ostdeutschen Kirchenleitungen ein „Ostausschuß des Deutschen Evangelischen Kirchentages" gebildet. Ihm gehörten einerseits Vertreter der einzelnen ostdeutschen Landesausschüsse des DEKT an, die von diesen jeweils in einer der Größe der Landeskirche entsprechenden Anzahl delegiert wurden, sowie andererseits die aus dem Osten stammenden Mitglieder des DEKT-Präsidiums. Darüber hinaus war die Berufung weiterer Mitglieder möglich. Dieser „Ostausschuß" verstand seine Tätigkeit als Arbeit im Rahmen des Deutschen Evangelischen Kirchentages, allerdings ohne selbst ein ordnungsgemäßes Gremium des DEKT zu sein. Es handelte sich vielmehr um eine aus eigener Initiative heraus gebildete Arbeitsgemeinschaft ohne Leitungsbefugnisse, die vor dem Mauerbau im Zusammenhang der jeweiligen Kirchentage begrenzte organisatorische Aufgaben wahrgenommen hatte (Aufschlüsselung der Delegiertenzahlen, Organisation von Sonderzügen in Absprache mit dem DDRVerkehrsministerium u. ä.).103 Eine Ordnung dieses Ostausschusses existierte, obwohl nach ihr verfahren wurde,104 lediglich im Entwurf.105 Den Vorsitz im Ostausschuß hatte seit 1959 der Vizepräsident des DEKT und sächsische Synodalpräsident Reimer Mager inne.106 Etwa zur gleichen Zeit begann sich für diesen Ausschuß die Bezeichnung „Konferenz der Landesausschüsse in der DDR" durchzusetzen. Nach dem Mauerbau kam dieser Konferenz ab einem DDR-spezifischen Kirchentagsgremium von vornherein besondere Bedeutung zu. Da ihr auch jene Mitglieder des Präsidiums des DEKT angehörten, die im Osten wohnten, war sie bereits von ihrer Zusammensetzung her dazu prädestiniert, zu einer wichtigen, landeskirchliche Aktivitäten übergreifenden Einrichtung der DDR-Kirchentagsarbeit zu werden. Hinzu kam, daß sich der Ostausschuß seinerzeit nicht allein zur DDR-bezogenen Vor- und Nacharbeit der großen Deutschen Evangelischen Kirchentage, sondern auch mit einer besonderen sachlichen Zielstellung zusammengefunden hatte. In der 103 Vgl. Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 18. November 1965, 9.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 4; auch O. SCHRÖDER/ H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S.40. 104 So der Geschäftsführer der Konferenz der Landesausschüsse, Gerhard Mädler, auf der Sitzung am 18. November 1965 (Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - im „Haus der Kirche", Berlin-Weißensee, am 18. November 1965, 9.00 Uhr, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/3], S.2). 10s Ordnung des Ostausschusses des Deutschen Evangelischen Kirchentages (Entwurf), undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3). 106 Vgl. Reimer Mager, Protokoll der 33. Sitzung der Landesausschüsse aus der DDR des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 4. Mai 1959 im „Haus der Kirche", BerlinWeissensee, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3).

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Voraussetzungen und Kontext

obengenannten Ordnung des Ostausschusses war als erste Aufgabe festgehalten worden, „das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages über die besonderen Erfordernisse und Möglichkeiten, unter denen die Kirchentagsarbeit in den ösüichen Gliedkirchen betrieben werden kann, laufend zu unterrichten".107 Die nach dem Mauerbau sich mit besonderer Dringlichkeit stellende Frage, wie Kirchentagsarbeit unter DDR-Bedingungen möglich sei, betraf damit genau das Arbeitsgebiet, das der Ostausschuß bereits vor dem Mauerbau zu seiner besonderen Aufgabe erklärt hatte, auch wenn er damit vor 1961 nicht in Erscheinung getreten war. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe verstand es die Konferenz in besonderer Weise als ihr Anliegen, einen mit den landeskirchlichen Aktivitäten nicht verrechenbaren, übergreifenden und gesamtkirchlichen Impuls in die DDR-Kirchentagsarbeit einzubringen, um damit zumindest eine Grundidee des Deutschen Evangelischen Kirchentages fortzuführen. Da ihr freilich gegenüber den Landesausschüssen keine administrativen Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen zur Verfügung standen, mußte sie sich bei der Umsetzung auf Anregungen und Angebote beschränken (übergreifender Erfahrungsaustausch, zentrale thematische Vorbereitung, konzeptionelle Begleitung und zentrale Koordination). Eine dritte und formal oberste Organisationsebene der Kirchentagsarbeit bildete das Präsidium-Ost

des Deutschen Evangelischen Kirchentages, das

nach dem Mauerbau durch Kooptierung zweier weiterer Vertreter aus dem Bereich der ostdeutschen Landeskirchen unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des DEKT, Reimer Mager, als Behelfsgremium gebildet worden war.'08 Da sich dieses Gremien allerdings lange Zeit vor allem als Sektion des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Fulda verstand, kamen von dort kaum nennenswerte Impulse für eine Gestaltung der Kirchentagsarbeit in der DDR. Infolgedessen wurde dem Präsidium seitens der Landesausschüsse kaum noch Bedeutung beigemessen, so daß 1966 innerhalb des Präsidiums festzustellen war, daß man „von einigen LA wisse ..., dass man dort ,das Präsidium nicht mehr sehe'".109 Erst eine Neubeschreibung seines Aufgabenbereichs im Rahmen einer eigenen Ordnung des Evangelischen Kirchentages in der DDR brachte in dieser Hinsicht eine Änderung.

107

Ordnung des Ostausschusses des Deutschen Evangelischen Kirchentages (Entwurf), undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), Artikel 1, Absatz 1. ^IЗ, Im einzelnen: Präsident D. Reimer Mager (Dresden) als Vorsitzender sowie Präses D. Fritz Figur (Berlin), Präsident D. Franz-Reinhold Hildebrandt (Berlin), Helga Krummacher (Greifswald), Ilse von Münchhausen (Naumburg) und Landessuperintendent HeinzFriedrich Pflugk (Rostock). 109 Mädler, Protokoll der Sitzung des Präsidiums (Ost) des D E K T am 1 I.Januar 1966, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 2.

Die Kirchentagsarbeit in der DDR nach dem Mauerbau

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Die unterschiedliche Verteilung der Initiativen zwischen Konferenz einerseits und Präsidium als selbständigem Gremium andererseits trat insbesondere zutage (und wurde den Beteiligten seinerzeit wohl auch erstmals selbst bewußt), als sich die Konferenz der Landesausschüsse Mitte der 60er Jahre eine eigene Ordnung zu geben gedachte und entsprechende Vorschläge erarbeitet und diskutiert wurden. In einem Entwurf von Pastor Horst Krüger-Haye vom 1. November 1965 (der in dieser Form allerdings keine Zustimmung fand) wurde der Aufgabenbereich des Präsidiums unter Bezugnahme auf Paragraph 21 der Ordnung des DEKT ausdrücklich auf „gesamtdeutsche Belange des Deutschen Evangelischen Kirchentages" beschränkt und damit angesichts der zunehmenden Bedeutungslosigkeit gesamtdeutscher Belange ebenfalls zur Bedeutungslosigkeit verurteilt.110 Dagegen fiel es in diesem Entwurf der Konferenz der Landesausschüsse zu, die „Impulse des Kirchentages" für den Bereich der DDR nutzbar zu machen. Angesichts dieses Sachverhalts, der wohl auch von „emotionalen Vorwürfen" seitens der Konferenz gegenüber dem Präsidium begleitet war, stellte der Präsident der EKU-Kanzlei Hildebrandt auf der Sitzung des Ost-Präsidiums am 15. Dezember 1965 „selbstkritisch fest, dass das Präsidium als solches zu lange gezögert und zu sehr resigniert habe. Jetzt kämen die aktiveren Vorschläge von der Konferenz. Ζ. T. läge die Schuld auch beim Präsidium in Fulda, das lange abgewartet habe, bis einmal Kontakt zu uns aufgenommen wurde. Nun ,hätten wir als Präsidium uns zu fragen, wie wir, die wir in der Leitung und als Präsidiumsmitglieder das Vorwärtsdrängen gedämpft und gehemmt und viel zu viele Bedenken gehabt hätten, diese auf uns zukommenden Aufgaben wahrnehmen wollten'."" 1 Entsprechend unterbreitete Hildebrandt auf der nächsten Sitzung des Präsidiums einige Vorschläge, wie die Arbeit des Präsidiums künftig aktiver gestaltet werden könnte.112 Diese als föderal zu bezeichnende Grundstruktur der Kirchentagsarbeit in der D D R ist bis zur Wende erhalten geblieben. Veränderungen gab es lediglich im personellen Bereich sowie im Zusammenhang der Wahrnehmung eigener Aufgaben und der damit korrespondierenden Loslösung vom westdeutschen DEKT. So wurden am 15. Januar 1964 von der Konferenz der Landesausschüsse in der D D R erstmals „Richdinien für die Arbeit des Kirchentages im Raum der DDR" 113 beschlossen, in denen die unterschiedlichen Möglichkeiten von Kirchentagsarbeit unter DDR-Bedingungen systematisch zusammengestellt und inhaltlich präzisiert wurden.114 Für die 110 Pastor Horst Krüger-Haye, Vorlage für die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 18. November 1965 in Berlin, 1.11.1965 (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 1. 111 Protokoll der Sitzung des Präsidiums (DDR) des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 15. Dezember 1965 im Hospiz Auguststr., undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) , S.2. 112 Vgl. Mädler, Protokoll der Sitzung des Präsidiums (Ost) des DEKT am 11.Januar 1966, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3). ш [Richdinien für die Arbeit des Kirchentages im Raum der DDR], 15.1.1964 (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) . 114 Vgl. Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der

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Voraussetzungen und Kontext

thematische Vorbereitung einzelner Kirchentagsvorhaben war darin die Bildung eines Arbeitskreises vorgesehen, der nach der für ihn beschlossenen Geschäftsordnung 1 ' 5 zum einen „Anliegen und Fragen aus Gemeinde und Umwelt" aufgreifen und zum anderen auf dieser Grundlage thematische Vorschläge für Kirchentagsveranstaltungen sowie begleitende Arbeitshilfen erstellen sollte. Die Berufung dieses „Arbeitskreises bei der Konferenz der Landesausschüsse" wurde auf drei Jahre begrenzt Ein Jahr später setzten - wie oben bereits erwähnt - Überlegungen ein, für die Konferenz eine eigene Ordnung zu erstellen und damit die lediglich als Entwurf vorhandene „Ordnung des Ostausschusses" zu ersetzen. Nach einer längeren Diskussionsphase, in der zum Teil versucht wurde, „von einer Modifizierung der Ordnung des D E K T her auf unsere besonderen Verhältnisse der Klarheit der Aufgabenstellung näher zu kommen"," 6 allerdings ohne zu einem mehrheitsfähigen Ergebnis zu gelangen, gab sich die Konferenz mit Beschluß vom 14. Juni 1966 „im Rahmen der Ordnung des DEKT"" 7 eine schlichte Geschäftsordnung. Neu war darin lediglich die Berufung eines „Beauftragten" bzw. „Organisationsleiters", der die Verbindung zu den einzelnen Landesausschüssen wie auch nach Fulda, dem Sitz des DEKT-Präsidiums-West, halten sowie die verschiedenen Kirchentagsvorhaben koordinieren sollte."8 Weitere - vor allem personelle - Veränderungen wurden mit dem Tod von Reimer Mager notwendig. Nachdem kurzzeitig Präses Fritz Figur den Vorsitz in der Konferenz der Landesausschüsse wahrgenommen hatte, trat Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 15. Januar 1964, 10.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) . ш Geschäftsordnung für den Arbeitskreis bei der Konferenz der Landesausschüsse, 15.1.1964 (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) . 116 A.W. Nacken, Zum Gespräch über den weiteren Weg der Kirchentagsarbeit, [12.1.1966] (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 2. Damit war vor allem der Entwurf von Pastor Krüger-Haye vom 1.11.1965 gemeint (Pastor Horst Krüger-Haye, Vorlage für die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 18. November 1965 in Berlin, 1.11.1965 [EZA, D E K T , 95/93/3]). H . K R O G E R - H A Y E / S . L A N G E / I . L E N T / H . M ü L L E R - U l B R I G : E v a n g e l i s c h e r K i r c h e n t a g in

der D D R , S. 9. - Insbesondere das Präsidium (Präsident Mager, Präsident Hildebrandt) setzte sich dafür ein, „an der .Ordnung des D E K T festzuhalten" (Protokoll der Sitzung des Präsidiums [ D D R ] des D E K T am 25.2.66 [Berlin, Auguststr.], undatiert [EZA, D E K T , 95/93/3]). 118 Nach anfänglichen Schwierigkeiten, eine geeignete Person für dieses Amt zu finden, wurde am 10. Oktober 1967 Pastor Horst Krüger-Haye (bis dahin als Vertreter des berlinbrandenburgischen Kirchentagsausschusses Mitglied der Konferenz der Landesausschüsse) in diese Funktion, die er bis 1977 innehatte, berufen (Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R um 10.00 U h r - und der ausserordentlichen Sitzung mit ehemaligen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe um 14.00 Uhr am 10. Oktober 1967 in der Auguststr. [EKU], undatiert [EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ] ) .

Die Kirchentagsarbeit in der DDR nach dem Mauerbau

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am 25. Mai 1967 eine um die Ost-Mitglieder der Präsidialversammlung des DEKT erweiterte Konferenz der Landesausschüsse zur Wahl eines Nachfolgers zusammen. Einstimmig gewählt wurde der mecklenburgische Landessuperintendent Otto Schröder."9 „Nach der damals geltenden Ordnung war er zugleich Vizepräsident des DEKT."120 Mit dem Ausscheiden von Präses Figur und Ilse von Münchhausen aus dem Präsidium121 wurden am 26. Oktober 1968 als Nachfolger einstimmig der Magdeburger Bischof Werner Krusche sowie Pastorin Annemarie Schönherr (Eberswalde) ins Präsidium gewählt122 Die Wahl erfolgte, da „das bisherige Wahlorgan in Form der Präsidialversammlung . . . in der derzeitigen Zusammensetzung nicht mehr der Kontinuität der Kirchentagsarbeit" entsprach, „durch die Vorsitzenden der 8 Landesausschüsse bzw. ihre Stellvertreter".123 Die endgültige Loslösung der Kirchentagsarbeit in der DDR vom (West-) Deutschen Evangelischen Kirchentag124 erfolgte parallel zur Bildung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (ВЕК). Allerdings zog sich der Prozeß einer Eingliederung in den ВЕК über mehrere Jahre hin.125 Nach anfänglichen Bestrebungen einer schnellen Anbindung des Kirchentages an den Bund, in deren Zusammenhang unter anderem die Bezeichnung „ Deutscher Evangelischer Kirchentag" aus dem Namen der Konferenz entfernt wurde,126 trat bald die Frage nach einer ausgeführten Konzeption Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - mit anschließender Präsidialversammlung im „Haus der Kirche" am 25. Mai 1967, 10.00 Uhr und 14.00 Uhr, 22.6.1967 (EZA, DEKT, 95/93/3). Ш

Η . K R Ü G E R - H A Y E / S . L A N G E / I . L E N T / R MÜLLER-UIBMG: E v a n g e l i s c h e r K i r c h e n t a g in

der DDR, S. 9. 121 Diese Veränderung im Präsidium war immer wieder hinausgeschoben worden. Insbesondere Ilse von Münchhausen schnitt mehrmals „die Frage der Überfälligkeit ihrer Mitgliedschaft" an. Auf der Sitzung des Präsidiums-Ost am 15. Dezember 1965 wurde diese Frage zurückgestellt, da sie zur Zeit nicht entschieden werden könne und außerdem „dann alle überfälligen Plätze zur Disposition gestellt werden" müßten. „Die Frage Präses Figur, ob das Präsidium in der DDR nach 1961 nicht eigene Vollmachten besässe, beantwortete Präsident D. Mager mit der Feststellung, dass dies das völlige Getrenntsein manifestieren würde" (Mädler, Protokoll der Sitzung des Präsidiums [DDR] des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 15. Dezember 1965 im Hospiz Auguststr., undatiert [EZA, DEKT, 95/93/3], S.3). 122 Lent, Protokoll über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages in der DDR am 26.10.1968 in Berlin-Weißensee, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 1. ш Ebd. 124 Da die Kirchentagsarbeit in der DDR nicht als selbständige juristische Größe existieren konnte, war sie allerdings bereits lange Zeit vorher als Fachverband fonnal der Inneren Mission angegliedert worden. 125 Vgl. dazu auch O. SCHRODER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 58 f. 126 Jetzt: „Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der DDR" (Lent, Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Kirchentages in Berlin am 25.10.69, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/3]). - Bis dahin war an der Bezeichnung

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Voraussetzungen und Kontext

der DDR-Kirchentagsarbeit in den Vordergrund. So erschien es der Konferenz zu einem „Zeitpunkt, wo eine eigene Konzeption des Kirchentages erst erarbeitet werden" müsse, „seinem Wesen gemäßer, keinen besonderen Antrag an den Bund zu stellen, sondern in freier Assoziation dem ,Establishment Kirche' gegenüberzustehen".127 Das erwies sich allerdings als nicht möglich, so daß noch 1970 direkte Verhandlungen mit dem Bund aufgenommen wurden, den Evangelischen Kirchentag diesem als Arbeitsgemeinschaft anzugliedern.128 Am 11. März 1972 gab sich die Kirchentagsarbeit in der D D R eine eigene Ordnung, mit der sie sich endgültig vom DEKT trennte und ihr Selbstverständnis als „Evangelischer Kirchentag in der Deutschen Demokratischen Republik" festschrieb. Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen mit dem ВЕК gab sich der Kirchentag diese Ordnung im „Rahmen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik".129 Die neue Ordnung wurde allerdings vom Bund, der einen eigenen stimmberechtigten Vertreter in die Konferenz zu entsenden wünschte, nicht uneingeschränkt akzeptiert, was weitere Ergänzungen notwendig machte. Sie wurden von der Konferenz der Landesausschüsse am 16. November 1974 beschlossen.130 Bereits zuvor hatte der Bund in seinem

„Deutscher Evangelischer Kirchentag" - entgegen anderslautenden staatlichen Forderungen - bewußt festgehalten worden, obwohl der DEKT-West bereits frühzeitig Verständnis signalisiert hatte, falls die ostdeutsche Kirchentagsarbeit auf diese Firmierung verzichten würde (so Hans-Joachim Beeg vom Fuldaer Präsidialbüro im Zusammenhang der ursprünglich ohne Beteiligung der Ostdeutschen geplanten Wahl eines Nachfolgers für den scheidenden Präsidenten v. Thadden-Trieglaff, vgl. Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 27. Mai 1964, 10.00 Uhr, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/3J, S.5). ш Lent, Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Kirchentages in der D D R am 21.3.1970, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 2. ш Vgl. Krüger-Haye, Protokoll. Gemeinsame Sitzung des Vorstandes des Bundes Kv. Kirchen in der D D R und des Präsidiums des Evangelischen Kirchentages in der D D R am Mittw., den 9. Sept. 1970 in Berlin, Auguststr. 80, undatiert (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549). Ordnung des Evangelischen Kirchentages in der Deutschen Demokratischen Republik, 11.3.1972 (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549). 130 Lent, Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Evang. Kirchentages in der D D R am 16.11.74 in Berlin, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Konferenz der Landesausschüsse des Ev. Kirchentages in der DDR); vgl. Ordnung des Evangelischen Kirchentages in der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. März 1972/16. November 1974, in: Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland 30 [1976], S. 384-385. Die Ergänzungen betrafen die Absätze II.3 („Die Konferenz setzt sich zusammen aus . . . d) einem Vertreter des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR"), II.6 („Der Vertreter des Bundes hat Stimmrecht in der Konferenz") und II.7 („Vor wichtigen Beschlüssen ist den Landesausschüssen und dem Vertreter des Bundes Gelegenheit zu geben, die zur Entscheidung stehenden Fragen zu beraten und zu ihnen Stellung zu nehmen").

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Schreiben vom 25. Oktober 1974 den Evangelischen Kirchentag als Arbeitsgemeinschaft des Bundes anerkannt, womit dessen Mitgliedschaft als Fachverband in der Inneren Mission erlosch.131 Am 8. Mai 1976 faßte die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen auf ihrer 42. Tagung in Darlingerode den ausdrücklichen Beschluß: „Der Evangelische Kirchentag in der DDR ist eine von der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der DDR anerkannte Arbeitsgemeinschaft im Rahmen des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR."132 Seitens des Kirchentages wurde diese Eingliederung in den Bund allerdings lediglich als ein äußerliches Zugeständnis an die Gegebenheiten in der DDR angesehen. Landessuperintendent Schröder sprach dies in seinem Bericht vor der Konferenz der Kirchenleitungen am 13. Januar 1979 auch deutlich aus: „Allerdings betrachten wir die Adaption durch den Bund als eine formal-juristische Pflichtübung. Der Sache nach - dies kann auch nicht anders sein - ist der Kirchentag in seinem rechten Verständnis die Kirche selbst in spezifischer Dimension oder Manifestation." 133

Nach der „Ordnung des Evangelischen Kirchentages in der Deutschen Demokratischen Republik" von 1972/74 besaß dieser drei Arbeitsgremien: das Präsidium, die Konferenz der Landesausschüsse sowie den Leitungskreis der Konferenz. Letzterer trat in der Regel monatlich zusammen, Präsidium und Konferenz mindestens zweimal im Jahr. Eine wesentliche Aufgabe des Präsidiums, dessen Mitglieder in der Regel nicht aus den Reihen der Konferenz gewählt wurden,134 sollte nach dieser Ordnung die Wahrnehmung der Vertretung der Kirchentagsarbeit nach außen sein.135 Da diese Außenvertretung zum Teil jedoch - etwa dem Staat gegenüber136 ul Vgl. Lent, Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Evang. Kirchentages in der DDR am 16.11.74 in Berlin, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Konferenz der Landesausschüsse des Ev. Kirchentages in der DDR), S. 1. 132 42. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (Schönherr), Vorlage zum TOP 2.5. Ordnung des Kirchentages in der DDR (Anlage 2), 8.5.1976 (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 101); vgl. Protokoll der 42.Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR vom 8./9. Mai 1976 in Darlingerode, undatiert (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 101). ω Otto Schröder, 2. Bericht vor der Konferenz der Kirchenleitungen am 13.1.79 über die Kirchentage 1978, abgedruckt in: O. SCHRÖDER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 133-139. 134 Lediglich der Vorsitzende der Konferenz war automatisch auch Vorsitzender im Präsidium. Die anderen Präsidiumsmitglieder konnten, aber mußten nicht der Konferenz angehören (Ordnung des EKT, Abschnitt 1.1). 135 „Es hält die Verbindung zum Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR und zu den Gliedkirchen und vertritt den EKT nach außen" (Ordnung des EKT, Abschnitt I.3a). Die erste offizielle Begegnung zwischen dem Präsidium des Evangelischen Kirchentages in der DDR und dem Staatssekretär für Kirchenfragen (Klaus Gysi) fand erst am 26. November 1982 in Vorbereitung der Kirchentage im Lutherjahr statt (vgl. O. SCHRÖDER/H.-D. Pl-.TER: Vertrauen wagen, S. 23, 43, 62, 87; die von Präsident Otto Schröder gehaltene

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Voraussetzungen und Kontext

- gar nicht möglich war, hob wenige Jahre später (1979) der Kirchentag selbst die in der Ordnung ebenfalls vermerkte inspirierende und integrative Funktion des Präsidiums als wichtigste Funktion besonders hervor.' 37 Neben dem Präsidium stand wie bisher die Konferenz der Landesausschüsse, die auch nach der neuen Ordnung kein zentrales Leitungsgremium, sondern mehr eine Arbeitsgemeinschaft der Kirchentagslandesausschüsse darstellte. Zwar konnten in der Konferenz Beschlüsse gefaßt werden, diese waren jedoch für die einzelnen Landesausschüsse nicht bindend, sondern hatten lediglich den Rang einer Empfehlung. Entsprechend formuliert die Ordnung: „Die Konferenz der Landesausschüsse hat die Aufgabe, über Erfordernisse und Möglichkeiten der Kirchentagsarbeit in der DDR zu beraten, Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch untereinander zu geben und Kirchentagsvorhaben, die über den Rahmen landeskirchlicher Arbeit hinausgehen, durchzuführen."138 Noch 1979 verstand der Vorsitzende der Konferenz und Präsident des Ε KT, Otto Schröder, die Ordnung des Kirchentages als eine Beschreibung, „inwieweit die in ihrer Landeskirche völlig selbständigen Kirchentagsausschüsse gewillt sind, über ihren Bereich hinaus Gemeinsamkeit zu praktizieren in sehr begrenzter Föderalität". 139 2.1.4. „Kirchentagstreffen"

contra „ Landeskirchentage"

?

Die Frage nach einer - wie auch immer gearteten - Weiterführung des Deutschen Evangelischen Kirchentages für das Gebiet der D D R stellte sich erstmals im Hinblick auf den für 1963 geplanten 11. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund. Ostdeutsche Überlegungen, zeitgleich in der D D R ebenfalls einen oder mehrere Kirchentage durchzuführen, wurden insbesondere von Präsident Mager zurückgewiesen, 140 wobei wohl Ansprache findet sich in: BArch Berlin, StfK, D O 4, 1206, abgedruckt in: O. SCHRÖDER/H.D . PETER: Vertrauen wagen, S. 1 4 5 - 1 4 8 ) . - D e m g e g e n ü b e r gewann die Wahrnehmung ökumenischer Kontakte eine ungleich größere Bedeutung. Vgl. H . KRUGER-HAYE/S. LANGE/I. LENT/ Η . MÜU.ER-UIBRIG: Evangelischer Kirchentag in der D D R , S. 11 f.: „ N e b e n seiner Aufgabe, die Verbindung z u m Bund der Evangelischen Kirchen in der D D R und zu den Gliedkirchen zu halten sowie den Kirchentag nach außen zu vertreten, sollte das Präsidium in erster Linie Impulse für die Kirchentagsarbeit geben und darauf achten, daß die Arbeit der Landesausschüsse in den Rahmen der Gesamtarbeit eingebunden bleibt." - Vgl. auch O. S C H R Ö D E R / H . - D . PETT.R: Vertrauen wagen, S. 43. 1M

Ordnung des E K T , Abschnitt II.2. O t t o Schröder, 2. Bericht vor der Konferenz der Kirchenleitungen am 1 3.1.79 über die Kirchentage 1978, abgedruckt in: O. SCHRÖDER/H.-D. PL/N.R: Vertrauen w a g e n , S. 1 3 3 - 1 3 9 . 1W

140 Vgl. Reimer Mager, Protokoll der Sitzung d e s D e u t s c h e n Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - am 22. Februar 1962 im „ H a u s der Kirche", Berlin-Weissensee, Parkstr. 21, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 8.

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nicht nur zu erwartende Schwierigkeiten seitens der DDR-Regierung eine Rolle spielten, sondern auch eigene Vorbehalte gegen eine Regionalisierung des Deutschen Evangelischen Kirchentages.141 Als die Frage, „ob wir in Verbindung mit .Dortmund' . . . etwas in unserem Raum durchführen sollten", am 9. November 1962 in der Konferenz der Landesausschüsse ausführlich diskutiert wurde, erfuhr Magers Position allerdings deuüichen Widerspruch, vor allem von Pfarrer Martin Helmer (Landesausschuß Berlin-Brandenburg). Den im wesendichen taktisch bestimmten Erwägungen Magers hielt Helmer entgegen, daß „das Kriterium eines Kirchentages nicht die Taktik oder der Zustand, in dem wir lebten", sei, „sondern vielmehr die Frage, ob er die Sache des Reiches Gottes treibe oder nicht Entscheidend wäre, ob der Kirchentag etwas für uns bedeute. Sei dies der Fall, dann wäre die Frage nur noch, wie, wann und wo solle er stattfinden." Eine Teilnahme aus der Ferne bringe nichts, vielmehr müsse die Kirchentagsarbeit in der DDR auf eigenen Füßen stehen. Helmer abschließend: „Wenn die Kirchentagsarbeit für die Kirchen eine Hilfe bedeute, wäre Verzögern Schuld und nicht nur Versäumnis!" Dem hielt Präsident Mager wiederum entgegen, „dass auch in .Dortmund' der Kirchentag für uns, die wir vielleicht nicht dabei sein können, im Geistigen eminente Bedeutung habe".142 Eine Einigung in der Sache konnte nicht erzielt werden. „Nach ausführlicher Diskussion und Erörterung verschiedener Gesichtspunkte" wurde vielmehr ein kleinerer Arbeitskreis eingesetzt (zu dem auch Pfarrer Helmer gehörte), der „Fragen der zu planenden Kirchentagsveranstaltungen 1963 im Raum der DDR beraten" sollte.143

141

Der Landesausschuß Greifswald lehnte auf seiner Sitzung am 10. Dezember 1962 im Interesse des gesamtdeutschen Charakters des Deutschen Evangelischen Kirchentages Ersatzveranstaltungen für Dortmund gleichfalls entschieden ab. Allerdings sprach er ebenso deutlich aus, daß ein Festhalten am gesamtdeutschen Charakter auch Konsequenzen in Westdeutschland bei der Vorbereitung des Kirchentages zeitigen müsse (Seeliger, Auszug aus den Protokollen der Sitzungen des Landesausschusses Greifswald am 10.XII.1962 und 14.1.1963 [EZA, DEKT, 95/93/51]). - Dagegen zeigte die Diskussion um einen eventuellen DDR-Kirchentag innerhalb des berlin-brandenburgischen Landesausschusses, daß eine Parallelveranstaltung zu Dortmund auch ganz entgegengesetzt verstanden werden konnte. Während Superintendent Brix einen DDR-Kirchentag für 1963 ablehnte, um den Kirchentag nicht zu teilen, hielt ihm Pfarrer Hudewenz entgegen, daß mit zeitgleichen Kirchentagen hüben und drüben gerade „die Gemeinsamkeit des Kirchentages betont" werde (vgl. Sitzung des Landesausschusses am 30.4.62 im Büro Sophienstr., undatiert [EZA, DEKT, 95/93/8], S.3). 142 Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - am 9. November 1962 im chrisdichen Hospiz, Auguststraße 82, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 1. 143 A.a.O., S.8.

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Voraussetzungen und Kontext

Der Vorschlag, den dieses sechsköpfige Gremium auf seiner Zusammenkunft am 28. November 1962 verabschiedete, war ein erster vorsichtiger Versuch, das Erbe des Deutschen Evangelischen Kirchentages auch für das Gebiet der D D R nutzbar zu machen, allerdings ohne die Verbundenheit mit Fulda in Frage zu stellen oder gar den Eindruck eines Konkurrenzunternehmens zum (westdeutschen) D E K T erwecken zu wollen. So bestand Übereinstimmung darin, „dass das Jahr 1963 eine nicht ohne Schuld zu versäumende letzte Gelegenheit" biete, „durch einheitliche Gesamtplanung den Rückzug auf eine von Kirchenleitungsgesichtspunkten überfremdete, landeskirchlich begrenzte Tätigkeit unter dem Stichwort Kirchentag zu vermeiden".144 Konkret sah der Vorschlag, wie er auf der Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse am 18. Dezember zur Diskussion gestellt wurde, vor, das Dortmunder Kirchentagsmotto „Mit Konflikten leben" in der abgewandelten Formulierung „Das Wagnis des Glaubens" aufzugreifen und in drei „Schwerpunkt-Kirchentagen" einen jeweils für den Bereich der D D R wichtigen Aspekt dieses Themas zu entfalten: „1.) Das Wagnis des Glaubens für den Christen im Betrieb. 2.) Das Wagnis des Glaubens für den Christen in der LPG. 3.) Das Wagnis des Glaubens und das Denken." 145 In ihrem Kern sollten diese „Schwerpunkt-Kirchentage" jeweils aus einem DDR-weiten Arbeitstreffen bestehen. Um eine paritätische Beteiligung an diesen Treffen zu gewährleisten, wurde allerdings nicht die Form der freien Anmeldung, sondern die der geschlossenen Delegiertentagung vorgeschlagen. Das bedeutete, daß jeder der acht Kirchentagslandesausschüsse aus seinem Bereich etwa 20 Teilnehmer je Tagung entsenden würde, so daß jede Tagung etwa 160 Christen aus allen Landeskirchen der D D R zusammenführen könnte. Diese geschlossenen Delegierten treffen sollten wiederum durch zusätzliche Vorträge und Bibelarbeiten, die für die Glieder der umliegenden Gemeinden bestimmt und für alle Interessenten offen waren, flankiert werden. Weiterhin wurde zu den genannten Themen die Durchführung von Veranstaltungen auf Gemeindeebene angeregt, die als „Kirchentagsbegegnungen" bezeichnet wurden und zeitlich nicht mit den „Schwerpunkt-Kirchentagen" verknüpft waren. Dieser Vorschlag der Arbeitsgruppe fand die uneingeschränkte Billigung der Konferenz, die als Tagungsorte einstimmig die Städte Zwickau, Brandenburg und Erfurt nominierte sowie weitere organisatorische Modalitäten

ш

Mädler, Vermerk, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S.2; vgl. auch Protokoll der Sitzung vom 28. November 1962, 10.00 Uhr, im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, Parkstr. 21, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3). 145 Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, Parkstr. 21, am 18. Dezember 1962, 10.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S.2.

D i e Kirchentagsarbeit in der D D R nach d e m M a u e r b a u

41

festlegte. Hinsichtlich d e s Zeitpunktes einigte m a n sich vorerst146 auf d e n Pfingstsonntag.147 D i e konkrete Vorbereitung der „Schwerpunkt-Kirchentage" lag bei d e n jeweiligen Landesausschüssen (Berlin-Brandenburg, Sachsen

und

Sachsen-Anhalt,

l e t z t e r e r in Z u s a m m e n a r b e i t

Lediglich die Erarbeitung des Materials für die

mit

Thüringen).

„Gemeindebegegnungen"

e r f o l g t e in d e r V e r a n t w o r t u n g d e r K o n f e r e n z . 1 4 8 D i e Landesausschüsse bildeten vor O r t jeweils einen Organisationsausschuß s o w i e einen T h e m e n a u s s c h u ß , der sich um die Referenten (Sachreferate, Bibelarbeiten) bemühte und diesen bei der Vorbereitung beratend zur Seite stand. 1 4 9 Im Zusamm e n h a n g dieser thematischen Vorarbeiten wurde unter anderem das T h e m a der Delegiertentagung für Erfurt - ursprünglich „ D a s W a g n i s d e s Glaubens und das D e n k e n " - in „ D e r Christ im Spannungsfeld der Generationen" u m g e w a n d e l t D i e anderen beiden T h e m e n lauteten in der Endfassung: „ D e r Christ im sozialistischen Betrieb" (Zwickau) und „ D e r Christ im sozialistischen D o r f " (Brandenburg).' 5 0 Im Mittelpunkt der parallel z u den Delegiertentagungen durchgeführten g e m e i n d e o f f e n e n Kirchentagsveranstaltungen stand jeweils eine Bibelarbeit z u Lk 4 , 1 - 1 3 (Versuchungsgeschichte) s o w i e ein Referat z u m Leitthema „ D a s W a g n i s d e s Glaubens". O b w o h l d i e Einzelveranstaltungen jeweils f ü r sich g e n o m m e n d u r c h a u s als E r f o l g angesehen wurden, blieb d e m eigentlichen Anliegen d e r K o n f e r e n z , v o m D e u t s c h e n Evangelischen Kirchentag her Impulse z u geben, die sich nicht mit einer landeskirchlich begrenzten o d e r gar dominierten Kirchentagsarbeit verrechnen ließen, der Erfolg v e r s a g t D i e angestrebte thematis c h e V e r b i n d u n g z u m D o r t m u n d e r Kirchentag w a r letztendlich nicht erk e n n b a r und w u r d e seitens d e r K o n f e r e n z angesichts diesbezüglicher P r o teste des Staatssekretariats für Kirchenfragen151 auch nicht m e h r besonders

144

Die Erfurter Veranstaltung wurde später auf den Trinitatissonntag verlegt. "> A . a . O . , S . 3 f . 148 Im einzelnen: eine Meditation für eine Bibelarbeit über Lk 4,1-13, eine Lesepredigt über Psalm 24 und ein Kurzvortrag zum Thema „Wagnis des Glaubens". Zum Stand der Vorbereitungen Ende April vgl. Vorläufiger zusammenfassender Bericht über die 3 Kirchentagstreffen 1963 in Zwickau, Erfurt und Brandenburg/Havel, 26.4.1963 (EZA, D E K T , 95/93/51). 150 Vgl. die Programmübersicht in EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 5 1 . 151 Auslöser war ein Schreiben Reimer Magers als Vorsitzender des sächsischen Landesausschusses an die sächsischen Kreisbeauftragten für Kirchentagsarbeit, in dem er über die f ü r 1963 vorgesehenen Veranstaltungen informierte. Dabei nahm er einleitend ausdrücklich Bezug auf den Dortmunder Kirchentag und sprach von der „großen Gemeinschaft unserer Kirchentagsbewegung" (Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Sachsen [Dr. Reimer Mager], An die Kreisbeauftragten des Deutschen Evangelischen Kirchentages, 19.2.1963 [EZA, DEKT, 95/93/51]). Nachdem Staatssekretär Seigewasser bereits in einem Gespräch mit Oberkirchenrat Ingo Braecklein (Thüringen) in Jena Einwände geltend gemacht hatte (vgl. Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, 26. April

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Voraussetzungen und Kontext

betont. Noch weniger gelang es, die Veranstaltungen äußerlich von vergleichbaren Unternehmungen abzuheben und sie als besondere Form von Kirchentagsarbeit im Gefolge der Deutschen Evangelischen Kirchentage kenntlich zu machen. Insbesondere die Delegiertentagungen, deren Durchführung und Thematik bei den Teilnehmern ansonsten auf ein sehr positives Echo stießen, wurden kaum als Kirchentagsveranstaltungen in diesem Sinne empfunden. Die gemeindeoffenen Parallelveranstaltungen wiederum unterschieden sich in nichts von den üblichen Propstei- oder Bezirkskirchentagen, was zum Teil auf den Einfluß der kirchlichen Stellen vor Ort zurückging. Zwar hatte die Konferenz, nachdem die anfängliche Bezeichnung „Schwerpunkt-Kirchentag" sich als wenig brauchbar erwiesen hatte, für diese Veranstaltungen als äußeres Unterscheidungsmerkmal die Bezeichnung „ Kirchentags -Treffen" (im Gegensatz zu „Kirchentag"152) festgelegt, setzte sich damit jedoch nicht durch. Die Erfurter Veranstaltung fand sogar, obwohl der in der Vorbereitung federführende Erfurter Propst mehrmals auf „die beschlossene Firmierung ,Kirchentagstreffen' Erfurt hingewiesen worden" war, „unter der Uberschrift ,5. Propstei-Kirchentag Erfurt' statt",153 die diese Veranstaltung ausdrücklich in eine Reihe mit den bisherigen Propsteikirchentagen rückte. Im übrigen war das ganze Konzept von Anfang an innerhalb der Landeskirchen und einzelner Kirchentagslandesausschüsse nicht unumstritten gewesen. Der Lan-

1963, 10.00 Uhr, undatiert [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] ) , каш es darüber Anfang Mai zu einem Gespräch zwischen Hauptabteilungsleiter Weise und Hans Wilke einerseits sowie Reimer Mager und Fritz Figur andererseits. Die Kritik der beiden Vertreter des Staatssekretariats richtete sich insbesondere gegen die in Magers Brief hergestellte Verbindung zum Kirchentag in Dortmund sowie gegen die Durchführung der geschlossenen Delegiertenveranstaltungen. Solche Delegiertentreffen seien erstmalig und müßten „in ihrer Geschlossenheit den Verdacht der Geheimbündelei hervorrufen". Nach erklärenden Erläuterungen der kirchlichen Gesprächspartner wurde staatlicherseits von Mager verlangt, an die ca. 60 Empfänger seines Rundschreibens eine richtigstellende Ergänzung zu senden. Es wurde d a f ü r auch sogleich ein Textentwurf erarbeitet, in dem die Delegiertentreffen als Mitarbeitertagungen der Kirchentagsarbeit dargestellt und bezüglich des Kirchentages in Dortmund formuliert wurde: „Es versteht sich von selbst, dass die 3 Kirchentags-Treffen in völliger Unabhängigkeit von Dortmund durchgeführt werden". Dagegen weigerte sich Mager, die Bezeichnung „Deutscher" (Evangelischer Kirchentag) aus dem Briefkopf zu entfernen (Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im Büro, Berlin С 2, Friedrichsgracht 53, am 10. Mai 1963, 15.00 Uhr, undatiert [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] ) . Zu einer Versendung eines solchen „richtigstellenden" Schreibens kam es dann allerdings wohl nicht. 152 „Kirchentag" als Bezeichnung für den Deutschen Evangelischen Kirchentag, mit dem man gerade nicht in Konkurrenz treten wollte, aber auch als Bezeichnung für die auf Landeskirchen- oder Bezirksebene durchgeführten Kirchentagsveranstaltungen. Vgl. Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 23. September 1963, 10.00 Uhr, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 1.

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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desausschuß Greifswald, der ursprünglich Ersatzveranstaltungen als Relativierung des gesamtdeutschen Charakters des D E K T abgelehnt hatte, sah auf seiner Sitzung am H.Januar 1963 mit der Art und Weise der in Westdeutschland für Dortmund geleisteten Vorbereitung „den gesamtdeutschen Charakter des Kirchentages" von dort aus aufgegeben und damit wiederum keine Veranlassung, durch besondere Veranstaltungen in der D D R auf diesen Kirchentag Bezug zu nehmen. Außerdem wurde - nicht nur in Greifswald 154 - zu bedenken gegeben, daß bei Delegiertentagungen „typische Elemente des Kirchentages fehlen", so daß zumindest bei der Form der Delegiertentagung die Gefahr bestünde, „dass dadurch die Kirchentagsarbeit nicht gefördert, sondern zerschlagen" werde. 155 Hinzu kam, daß zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit im Gespräch war, der D E K T könnte sich zu einer gesamtdeutschen Lösung im Sinne einer abwechselnden Durchführung der Kirchentage in Ost und West entschließen, was einigen als der bessere Weg erschien. 156

Im Rückblick räumte der spätere Vorsitzende der Konferenz der Landesausschüsse, Otto Schröder, dann auch ein, daß diese drei Kirchentagstreffen nicht als „Ausgangspunkt für tragfähige Entwicklungen" anzusehen waren.157 Das in konzeptioneller Hinsicht unbefriedigende Ergebnis des dreifach gefächerten Kirchentagsmodells von 1963 (begrenzte Kirchentagstreffen, übergreifende Delegiertentagungen, Gemeindebegegnungen auf Ortsebene) verlangte nach weiteren - korrigierenden und vertiefenden Überlegungen. Um „über die technische und organisatorische Weiterführung der Kirchentagsarbeit" zu beraten, traf sich deshalb am 29. November 1963 ein „kleiner .Arbeitskreis"*, der der Konferenz der Landesausschüsse auf ihrer Sitzung am 15. Januar 1964 als Ergebnis seiner Beratungen „Richtlinien für die Arbeit des Kirchentages im Raum der DDR" vorlegte, die diese im Wesendichen158 akzeptierte.159

154

Unter anderem auch vom Verwalter des berlin-brandenburgischen Bischofsamtes, Generalsuperintendent Günter Jacob (vgl. Aktenvermerk zur Kirchenleitungssitzung am 10.1.63 in Sachen Kirchentag, 10.1.1963 [EZA, DEKT, 95/93/53]; Konferenz der ev. Kirchenleitungen in der Deutschen Demokratischen Republik - Geschäftsstelle, Betrifft: Kirchentag 1963, 11.1.1963 [EZA, KKL DDR, 102, 338]). Seeliger, Auszug aus den Protokollen der Sitzungen des Landesausschusses Greifswald am 10.XII.1962 und 14.1.1963, 28.1.1963 (EZA, DEKT, 95/93/51). ,s * Das Kirchentagstreffen in Brandenburg erreichte aufgrund deutlichen Widerstandes der örtlichen Pfarrerschaft lediglich eine Besucherzahl von 1000 Teilnehmern; das Treffen in Zwickau hatte mit erheblichen Behinderungen seitens der staadichen Stellen zu kämpfen (siehe dazu unten S. 68-70). 157 Vgl. [Otto Schröder], Bericht über die Kirchentagsarbeit in der DDR, gegeben am 13.3.1971 vor der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549), S. 1. lse In der Endfassung wurden lediglich Straffungen und Textumstellungen vorgenommen. 154 Vgl. Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 15.Januar 1964, 10.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3).

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Voraussetzungen und Kontext

Der besondere Impuls, den die Konferenz der Landesausschüsse aus dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in die DDR-Kirchentagsarbeit einzubringen gedachte, wurde im Vorspann dieser Richtlinien160 in doppelter Weise umschrieben, wobei ein äußerer und ein innerer Aspekt geltend gemacht wurden. Nach außen sei es das Proprium des „Kirchentages", daß er als „übergemeindliche, überlandeskirchliche Sammlungsbewegung für evangelische Christen" landeskirchliche Grenzen überschreite und damit gesamtkirchlichen Charakter trage. Andererseits gehe es ihm inhaldich um „die Auffindung der Lebensfragen der evangelischen Christen und ihre Beantwortung vom Glauben her", wobei wohl durchaus die Meinung im Hintergrund stand, daß dies von Bezirks- oder Landeskirchentagen in dieser Grundsätzlichkeit nicht geleistet werden könne. Umgesetzt werden sollten diese beiden Anliegen - „solange ein gesamtdeutscher Evangelischer Kirchentag im Raum der D D R nicht möglich oder tunlich" erschien - insbesondere in „regionalen161, überlandeskirchlichen Kirchentagstreffen". Daneben wurden weiterhin „Arbeitsgruppen-Tagungen", „Gemeindebegegnungen" und „regionale Ortstreffen von Kirchentagsteilnehmem" für sinnvoll gehalten, allerdings nicht mehr in der 1963 durchgeführten Kombination. Die wesendichste Korrektur im Vergleich zum Modell von 1963 bestand damit darin, daß der von der Konferenz favorisierte gesamtkirchliche Aspekt nicht mehr mit geschlossenen Delegiertentagungen, sondern mit offenen Kirchentagsveranstaltungen („Kirchentagstreffen") verbunden wurde. Darüber hinaus fanden in den Richtlinien als eine weitere Form der Kirchentagsarbeit auch Landeskirchentage Erwähnung, die jedoch ausschließlich von den Landeskirchen verantwortet würden und damit eigentlich nicht in den Arbeitsbereich der Konferenz fielen. Vielmehr sei es

160 [Richtlinien f ü r die Arbeit des Kirchentages im Raum d e r D D R ] , 15.1.1964 (EZA. D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 1. 161 „Region" und „regional" wurden innerhalb der D D R - K i r c h e n t a g s a r b e i t unterschiedlich gebraucht. Die Bedeutung hing jeweils davon ab, was vom Standpunkt des Betrachters aus als Normalfall eines Kirchentages angesehen w u r d e und damit den Rahmen der mit dem Z u s a t z „regional" angedeuteten Verkleinerung bildete. W a r dieser Normalfall der Deutsche Evangelische Kirchentag, d a n n umfaßte ein Regionalkirchentag noch immer das Gebiet mehrerer Landeskirchen. In diesem Sinne wurden „Region" und „regional" innerhalb der Konferenz der Landesausschüsse und ihrer Geschäftsstelle gebraucht. W u r d e jedoch der H o r i z o n t einer einzelnen Landeskirche z u g r u n d e gelegt, w a r ein Regionalkirchentag lediglich ein auf eine Landschaft o d e r eine überschaubare Zahl von Kirchenkreisen begrenzter Kirchentag. Dieser Sprachgebrauch findet sich in den Unterlagen d e r einzelnen Landesausschüsse. Um der Sprachverwirrung nicht weiter Vorschub zu leisten, wird der Begriff „Regionalkirchentag" als Bezeichnung für Landeskirchengrenzen überschreitende Kirchentage beibehalten, während f ü r Kirchentage eines begrenzten Gebietes innerhalb einer Landeskirche d e r - freilich ebenfalls mißverständliche, da an die Gliederung der D D R in Bezirke erinnernde - Begriff „Bezirkskirchentag" Verwendung findet.

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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wichtig, die besonderen „Kirchentagstreffen" von eventuellen Landes-, Propstei- oder Bezirkskirchentagen deutlich abzuheben. Terminlich sollten Landeskirchentage und Kirchentagstreffen möglichst nicht im gleichen Jahr stattfinden, womit Landeskirchentage infolge der zu diesem Zeitpunkt noch angestrebten Kopplung der Kirchentagstreffen an den Zwei-JahresRhythmus des DEKT auf die DEKT-freien Jahre beschränkt blieben.162 Zur äußeren Differenzierung beider Kirchentagsveranstaltungen diente die Formulierung „Kirchentagstreffen", die als Bezeichnung für die von der Konferenz unter gesamtkirchlichem Aspekt angeregten Kirchentagsveranstaltungen beibehalten und später noch einmal ausdrücklich bestätigt wurde.163 Für die thematische Vorbereitung dieser „Kirchentagstreffen" sowie eventueller „Arbeitsgruppen-Tagungen" und „Gemeindebegegnungen" wurde von der Konferenz - wie bereits erwähnt - ein Arbeitskreis berufen.164 Der nächste Termin für die Durchführung derartiger Kirchentagstreffen, stellte sich - durch den Zwei-Jahres-Rhythmus vorgegeben - 1965 mit dem Jahr des 12. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Köln. Auf Vorschlag des neu eingerichteten Arbeitskreises erfolgten dazu auf der Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse am 2. Juli 1964 erste Festlegungen. Angestrebt wurden drei „Kirchentagstreffen", die angesichts entsprechender Vorarbeiten des Arbeitskreises unter das Thema „Christen müssen Anstoß geben" gestellt werden sollten.165 Als Orte, mit denen ein geographisch 162 Da die Konferenz keinerlei Möglichkeiten besaß, diese Verfahrensweise durchzusetzen, wurde sie wenig später durch die Empfehlung ergänzt, Landeskirchentage, die zusammen mit Kirchentagstreffen im gleichen J a h r stattfänden, ebenfalls unter das Thema der Kirchentagstreffen zu stellen (vgl. Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der LandesausschUsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 2. Juli 1964, 9.00 Uhr, 9.7.1964 [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] , S.3). Damit konnte sich die Konferenz einerseits nicht durchsetzen, zum anderen beschritt sie damit selbst den Weg einer Relativierung des von ihr betonten Unterschiedes zwischen Kirchentagstreffen und Landeskirchentag. Auf der Sitzung der Konferenz am 2. Juli 1964 wurde noch einmal auf Anregung von Präsident Mager bekräftigt, daß „die regionalen Kirchentags-Treffen künftig nur Kirchentags-Treffen" genannt werden sollen (Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 2.Juli 1964, 9.00 Uhr, 9.7.1964 [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] , S. 4). Diese Unterscheidung wurde erst nach 1970 zugunsten der Bezeichnung „Kirchentag"

aufgegeben

(vgl. H .

KROGER-HAYE/S.

LANGE/I. L E N T / H .

MÜLLER-UIBRIG:

Evangelischer

Kirchentag in der D D R , S. 6). 164 Siehe oben S. 34. Seine Aufgaben wurden in der für ihn formulierten Geschäftsordnung folgendermaßen beschrieben: „a) Erfassung und Prüfung der Anliegen und Fragen aus Gemeinde und Umwelt, die in den Vorhaben des Kirchentages aufgegriffen werden sollten, b) Erarbeitung thematischer Vorschläge für regionale Kirchentags-Treffen, Arbeitsgruppen-Tagungen und Gemeinde-Begegnungen, c) Erarbeitung von Arbeitshilfen dazu. Diese können auf Einzelmitglieder oder andere Sachkenner übertragen werden" (Geschäftsordnung für den Arbeitskreis bei der Konferenz der Landesausschüsse, 15.1.1964 [EZA, DEKT, 95/93/3]). 164 Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz

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Voraussetzungen und Kontext

möglichst umfassendes Gebiet abgedeckt werden könnte, wurden Frankfurt (Oder), Halle oder Wittenberg sowie Rostock vorgeschlagen. Die weitere Tätigkeit des Arbeitskreises führte dann allerdings nicht - wie geplant zu einem gemeinsam erarbeiteten Vorschlag zur Entfaltung des bestätigten Themas. Als die Vorsitzende des Arbeitskreises am 25. November 1964 vor der Konferenz ihren Abschlußbericht zur thematischen Vorbereitung der Kirchentagstreffen 1965 gab, lag dazu lediglich ein Einzelvorschlag von A. W. Nacken166 vor. Berlin-Brandenburg sowie die Kirchenprovinz Sachsen nahmen, auch wenn die konkrete Vorbereitung jeweils in recht unterschiedlichen Bahnen verlief, die Anregung einer Kirchentagsveranstaltung in Frankfurt (Oder) bzw. Wittenberg gerne an. Lediglich der Veranstaltungsort für den nördlichen Bereich der D D R mußte von Rostock nach Stendal (ebenfalls Kirchenprovinz Sachsen) verlegt werden. Insgesamt zeigte sich allerdings, daß die Konferenz mit ihrer Konzeption besonderer, von landeskirchlichen Veranstaltungen unterschiedener „Kirchentagstreffen" bei den Verantwortlichen vor Ort nicht durchzudringen vermochte, in Wittenberg sogar auf betonte Ablehnung stieß.167 Den Vorbereitenden Ausschüssen war nicht deutlich, warum diese Kirchentagsveranstaltungen lediglich deshalb, weil sie von der Konferenz mit Blick auf eine nicht mehr öffentlich erwähnte Parallele zum DEKT168 angeregt worden waren, etwas anderes als bisherige Kirchentagsveranstaltungen sein sollten, zumal sich die Konferenz - was von einigen als Nachteil empfunden wurde169 - aus der konkreten Vorbe-

der Landesausschüsse in der DDR - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 2.Juli 1964, 9.00 Uhr, 9.7.1964 (EZA, DEKT, 95/93/3). A. W. Nacken, Thematischer Aufriß zum Thema „Christen müssen Anstoß geben", undatiert (EZA, DEKT, 95/93/56) - diskutiert vor allem auf der Sitzung des Arbeitskreises am 14.10.1964 (vgl. Niederschrift über die Sitzung des Arbeitskreises des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 14.10.1964 in Berlin, Friedrichsgracht, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/56]). ш Bericht des Vertreters des Kirchentagslandesausschusses der Kirchenprovinz Sachsen: „Im übrigen hätten hier gleich die Schwierigkeiten begonnen: Es wäre ja, wie schon bekannt, die Beurteilung des D E K T sehr unterschiedlich. So wäre man in Wittenberg dagegen, diesen Kirchentag als , Kirchentagstreffen' zu bezeichnen, sondern wolle ihn ,Tag der Kirche' nennen. Er hätte aber versucht, im Sinne der Konferenz den Ausdruck ,Kirchentagstreffen' durchzusetzen" (Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 26.Januar 1965, 9.30 Uhr, undatiert [EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ] , S.2). 148 Insbesondere im Vorfeld des Frankfurter Kirchentages wurde für die kirchlicherseits erbetene staatliche „Unterstützung" des Kirchentages seitens der DDR-Behörden zur Bedingung gemacht, alle gesamtdeutschen Bezüge zu vermeiden (siehe unten S. 77). m Vgl. Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 29. September 1965, 9.30 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S.6.

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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reitung w e i t g e h e n d heraushielt und das v o n ihr zur Verfügung gestellte Material über eine thematische Hilfestellung nicht hinausging. D i e konkrete Vorbereitung hatte weitere Korrekturen an den ursprünglich in der Konferenz vorhandenen Vorstellungen ergeben. Zum einen wurde das von der Konferenz vorgeschlagene Thema „Christen müssen Anstoß geben" als Thema der jeweiligen Hauptversammlung zwar aufgegriffen, im Blick auf eine angestrebte öffentliche Plakatierung 170 jedoch als Gesamtmotto nicht für sinnvoll gehalten. D i e Kirchentagstreffen wurden daraufhin unter die weniger mißverständliche Jahreslosung „Ihr werdet meine Zeugen sein" gestellt. Zum anderen mußte aufgrund unvorhergesehener Umstände das Kirchentagstreffen für den nördlichen Bereich (Stendal) völlig abgesagt werden. 171

Während einerseits insbesondere das Kirchentagstreffen in Frankfurt (Oder) als Durchbruch für die DDR-Kirchentagsarbeit gewertet wurde, war es andererseits wohl gerade diese Einschätzung, die im Zusammenhang perspektivischer Überlegungen die Frage nach dem Sinn einer Unterscheidung zwischen „Kirchentagstreffen" und „Kirchentag" erneut und dringlich herausforderte. Nachdem es dazu bereits auf der Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse am 29. September 1965 einen anscheinend noch nicht kontroversen Gesprächsgang gegeben hatte,172 kam es darüber auf der nächsten Sitzung am 18. November zu erregten Debatten. Eingangs hatte A. W. Nacken von dem Wunsch etlicher Landesausschüsse berichtet, vom zweijährigen DEKT-Rhythmus abzugehen, da sich herausgestellt habe, „dass die Bindung an die sog. .Kirchentags-Jahre' eine Fessel sei". Vielmehr sollten Kirchentagstreffen durchgeführt werden, „wann und wo überhaupt möglich, ganz gleich in welchem Jahr, immer dort, wo ein Landesausschuss und ein Ort dazu bereit sei".173 Zwar wurde damit der bei der Unterscheidung zwischen Kirchentag und Kirchentagstreffen ursprünglich nicht unwesendiche DEKT-Bezug relativiert, die Kontroverse entzündete sich jedoch anhand des von Pastor Krüger-Haye vorgelegten Entwurfs für eine eigene Ordnung der Konferenz.174 Darin hatte dieser bei der Beschreibung der „Arbeitsaufgabe der Konferenz" - nicht eingedenk dessen, daß die genannte Unterscheidung seinerzeit aus ganz unterschiedlichen Erwägungen heraus getroffen worden war - anhand der Gestaltung der bisherigen 170

Vgl. O. S C H R O D E R / H . - D . PETER: Vertrauen wagen, S. 166. Nach dem Tod von Propst i. R. Helmut Schapper, der als „Motor" der Vorbereitung fungiert hatte, war die Vorbereitung völlig ins Stocken geraten. m Vgl. Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 29. September 1965, 9.30 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S.9. υ> Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 18. November 1965, 9.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 2. 174 Siehe oben S. 33. 171

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Voraussetzungen und Kontext

Kirchentagstreffen einige Kriterien für solche Kirchentagstreffen aufgestellt.175 Daraufhin äußerte die Vertreterin der Greifswalder Landeskirche, Helga Krummacher, die angesichts dessen durchaus einsichtige „Frage, warum hier unentwegt ein Unterschied zwischen , Kirchen tagstreffen' und ,Landeskirchentagen' gemacht werde. Seit 1961 hätten sie in ihrem Kirchengebiet drei176 Landeskirchentage hinter sich; sie könne nur betonen, dass deren Programm sich völlig decke mit den in der Vorlage von Pastor Krüger-Haye unter 111,2 erwähnten Punkten. Sie bäte deshalb um eine Klärung des Vokabulars und des Inhalts."177 Daraufhin erklärten Präsident Mager und Oberkirchenrat Meyer, daß sie ebenfalls keinen sachlichen Unterschied zwischen Kirchentagstreffen und Landeskirchentagen sähen, während der Berliner Generalsuperintendent Gerhard Schmitt und der Präsident der EKU-Kanzlei Hildebrandt hinsichtlich der Kirchentagstreffen den zwei Jahre zuvor in den „Richtlinien" festgehaltenen gesamtkirchlichen Aspekt geltend zu machen versuchten. Schließlich fand man sich unter der Einsicht zusammen, daß es mehr oder weniger müßig sei, über ein besonderes Gepräge von Kirchentagstreffen zu diskutieren, da die Konferenz gar nicht die Möglichkeit habe, dieses durchzusetzen. „Die Konferenz könne nichts veranstalten, weil sie nicht an der Basis sässe, sie könne nur Anregungen geben. Realisierung sei nur über den jeweiligen Landesausschuss möglich."178 Auf dringliche Bitten einiger Konferenzmitglieder wurde allerdings für Kirchentage, die sich einer entsprechenden Anregung der Konferenz verdankten, die Bezeichnung „Kirchentagstreffen" beibehalten. Das Engagement, mit dem die Diskussion über die Frage der Bezeichnung der von der Konferenz angeregten Kirchentagsveranstaltungen geführt wurde, hatte deutlich gemacht, daß damit keineswegs eine lediglich formale, sondern letztlich die grundlegende Frage nach dem Selbstverständnis der Konferenz und nach ihrer Konzeption für die weitere Arbeit gestellt war. Diese griff A. W. Nacken Anfang 1966 in seinem Grundsatz-

175

Absatz III.2: „Zum Kirchentagstreffen gehört: a) die aktive Mitarbeit der Laien, b) eine Dauer von mindestens 2 Tagen (gerechnet von Freitag Abend bis Sonntag Nachmittag), c) Bibelarbeit einschließlich Aussprache, d) Thematische Arbeit in Arbeitsgruppen, e) Gottesdienste, f) Hauptversammlung, g) kulturelle Veranstaltungen" (Pastor Horst Krüger-Haye, Vorlage für die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 18. November 1965 in Berlin, 1.11.1965 [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] , S.2). Eigendich zwei - der erste Landeskirchentag hatte bereits 1959 und damit vor 1961 s t a t t g e h i n d e n (vgl. H . KRCIGFR-IIAYF/S. L A N G E / 1 . L H N T / H . M C I . ] LR-UIBRIG: E v a n g e l i s c h e r

Kirchentag in der DDR, S. 5). Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 18. November 1965, 9.00 Uhr, undatiert (EZA, D E K T , 95/93/3), S. 3. "» А. а. O., S. 6.

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referat „Zum Gespräch über den weiteren Weg der Kirchentagsarbeit"' 79 , das er sowohl auf der Sitzung des Kirchentagspräsidiums (Ost) am 11. Januar 1966 als auch auf der nachfolgenden Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse am 12. Januar vortrug, ausdrücklich auf. Nackens Referat war ein eindringliches Plädoyer, die Entwicklung, die durch die „Aktionen 1963 und 1965" gekennzeichnet sei, fortzuführen. Mit Blick auf die zurückliegende Diskussion zum Verhältnis von „Kirchentagstreffen" und „Kirchentag" unterschied er zwei Wege, von denen jeder seine eigene Bedeutung habe und die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften. Den ersten Weg identifizierte Nacken mit der Entwicklung der Landeskirchentage. Denn es sei „gewiss eine grossartige Sache, dass nach dem Schnitt von 1961 in einigen Landeskirchen entweder Landeskirchentage auf neue Weise gehalten wurden oder schon früher durchgeführte eine Bedeutung gewannen, die eine echte Fortsetzung der Kirchentagsbewegung" darstelle.180 Daneben habe es jedoch „langjährige Bemühungen gegeben ..., gerade im Kreise der Konferenz, die Aufgabe der Kirchentagsbewegung, Christen um ihre vom Glauben bestimmten Lebens- und Sachfragen zu sammeln, unabhängig von landeskirchlichen Grenzen oder über diese hinaus weiterzuführen". „Um der Klarheit willen" nannte Nacken diese Entwicklung „einfach und schlicht ,den zweiten Weg'",181 für den er unter Bezugnahme auf den Diskussionsbeitrag von Generalsuperintendent Schmitt auf der Sitzung am 18. November und bei gleichzeitiger Warnung vor einer „allzu genauen Katalogisierung" drei Charakteristika hervorhob: „1. die Erfassung der Gesamtheit, 2. die Partnerschaft zur verfassten Kirche, 3. die Offenheit gegenüber der Welt."182 Zwischen beiden Wegen, zwischen „ Landeskirchen tagen" und „Kirchentagstreffen", dürfe „auf keinen Fall" ein Gegensatz konstruiert werden. Vielmehr sei dafür zu „sorgen, dass beides geschieht und der zweite Weg da wirksam werden kann, wo sich aus irgendwelchen Gründen der Weg des Landeskirchentages nicht anbietet".183 Während die Durchführung von Landeskirchentagen Domäne der jeweiligen Landesausschüsse sei, gehöre der „zweite Weg", die „überschreitende regionale Sammlung", zum „Verantwortungsbereich der Konferenz der LA, die ja nun, ob ihr das leicht wird oder nicht, die Gesamtarbeit des D t Ev. Kirchentages weiterzutragen hat, wenn sie sich nicht im Grunde selbst aufgibt". 184 A. W. Nacken, Zum Gespräch über den weiteren Weg der Kirchentagsarbeit, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) . 180 A . a . O . , S.4. 181 Ebd. 182 Ebd. 185 А. а. O., S. 4 f. 184 А. а. O., S. 5.

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Voraussetzungen und Kontext

Im Rückblick konstatierte Nacken, daß die Konferenz in dieser Hinsicht seit 1961 bereits einen bemerkenswerten Wandel durchgemacht habe. Um die Kirchentagsarbeit voranzutreiben, habe sie „Beschlüsse gefasst, Entscheidungen getroffen, die zu Aktionen und Erwartungen führten", obwohl das ihrem ursprünglichen Charakter als Ostausschuß gar nicht entsprach. Sie habe sich damit „ihrem Wesen nach gewandelt".185

Im Interesse ihrer besonderen Aufgabe und in Fortführung des bereits begonnenen Weges müsse die Konferenz zu einem „Aktionsorgan" werden, das nicht nur - wie bis dahin - Kirchentagsveranstaltungen lediglich anrege, sondern dafür auch zusammen mit den jeweiligen Landesausschüssen selbst Verantwortung übernehme.186 Ein knapper Beschlußentwurf schrieb die von ihm skizzierte Aufgabe der Konferenz fest und sah die Berufung dafür notwendiger „ehrenamtlich arbeitender Ausführungsorgane" vor (etwa die eines „Beauftragten", der „die Verbindung zu den Landesausschüssen und die Koordinierung der Arbeitskreise sichert"). Nacken Schloß: „Die bisherigen Aussprachen im Kreise der Konferenz haben erkennen lassen, dass wir noch am Anfang grosser Möglichkeiten der Wirksamkeit stehen und dass es bei allem an unserer Entschlossenheit und Tatkraft liegt, wieweit wir diese über unsere landeskirchlich gebundene Tätigkeit hinausgehenden Aufgaben bewältigen werden."187

Die Reaktion auf Nackens Referat war in beiden Gremien zustimmend, wobei die Diskussion jedoch einen jeweils anderen Verlauf nahm. Dem Präsidium, das im Referat von Nacken nur am Rande erwähnt wurde, war es Anlaß, über sein Verhältnis zur Konferenz nachzudenken und einen Teil der von Nacken der Konferenz zugeschriebenen Aufgaben für sich zu reklamieren.188 Die Konferenz nahm dagegen deutlicher das gesamte Referat in den Blick, um „nach eingehender Aussprache" einstimmig und mit lediglich geringfügigen Korrekturen die von Nacken entworfene Beschlußvorlage zu verabschieden,189 die kurz und knapp den Rahmen der zukünftigen Arbeit der Konferenz absteckte. „Die Konferenz der Landesausschüsse versteht sich zur Zeit als verantwortlich für eigene 190 Kirchentagsvorhaben, die über den Rahmen landeskirchlicher Ar185

А. а. O., S. 2. Vgl. a . a . O . , S . 3 , 5. m А. а. O., S. 7. IM Vgl. M ä d l e r , Protokoll der Sitzung des Präsidiums (Ost) des D E K T am 11.Januar 1966, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) . 184 Vgl. M ä d l e r , Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im H a u s der Kirche, Berlin-Weissensee, am 12.Januar 1966, 10.00 U h r , undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 5. 1W D e r Zusatz „eigene" war eine der wenigen Klarstellungen, die die Konferenz an Nackens Vorlage vornahm. D e r Sache nach verbirgt sich dahinter die Konzeption des „zweiten Weges" bzw. die einer D u r c h f ü h r u n g besonderer „Kirchentagstreffen". M

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beit hinausgehen und die Zusammenarbeit mehrerer Landesausschüsse erfordern."191 In Umsetzung des dritten Beschlußpunktes, der die Berufung „ehrenamtlich arbeitender Ausführungsorgane" vorsah, wurde schließlich der zur thematischen Vorbereitung der Kirchentagstreffen 1965 eingesetzte Arbeitskreis in einen ständigen Themenausschuß umgewandelt. Diesem nunmehr ständigen Ausschuß oblag die thematische Vorbereitung der nächsten Kirchentagstreffen, allerdings ohne daß zuvor geklärt worden war, wann diese - 1967 oder 1968 - stattfinden sollten. Da diese terminlichen Vorgaben fehlten, erarbeitete der Ausschuß einen mehr zeitunabhängigen Vorschlag (insbesondere ohne Bezug auf die Jahreslosung), dessen Umsetzung in jedem der beiden genannten Jahre denkbar war. Erste Umrisse dieses Vorschlags mit dem Gesamtthema „Die Wahrheit wird euch freimachen" wurden auf der Sitzung der Konferenz am 14. Juni 1966 zur Diskussion gestellt" 2 und von dieser akzeptiert. Die längere Zeit ungeklärte Frage, wofür die Vorbereitung eigentlich bestimmt sei, sowie zwischenzeitliche Umorientierungen gingen freilich - wie sich später herausstellte - zu Lasten der Situationsgemäßheit und Brauchbarkeit des erarbeiteten Themenvorschlags. Der Plan für die beiden nächsten Jahre, wie er Ende 1966 Gestalt gewonnen hatte, sah vor, 1968 insgesamt drei Kirchen tagstreffen - in Stendal, Görlitz und Bernburg (dann Dessau) - durchzuführen, 193 während 1967 wegen des Reformationsjubiläums lediglich ein kleineres Treffen in Berlin-Oberspree stattfinden sollte. Letzteres wurde „in seinem kleineren Rahmen als Experimentierfeld für größere Veranstaltungen 1968" angesehen, bedurfte allerdings, da ein solches Treffen „auch thematisch vom Reformationsjubiläum bestimmt sein" müsse, einer eigenen thematischen Vorbereitung.194 Sie erfolgte seitens des ständigen Themenausschusses unter dem Arbeitsthema „Neues Leben aus dem Hören des Wortes". Als Motto war vorgesehen „Höret den Herrn, so werdet ihr leben". Vor Ort fand der Themenentwurf jedoch „keinen Anklang". Da für die Erarbeitung eines neuerlichen Vorschlags die Zeit zu kurz schien, wurde - wofür auch weitere Überlegungen vor allem organisatorischer Art sprachen - das Treffen um ein Jahr verschoben und als weiteres Kirchentagstreffen des Jahres 1968 unter dem gleichen Thema wie die anderen eingeplant.195 Demgegenüber mußte das für 1968 in Görlitz

Ebd. Nacken, Bericht über den Themenausschuß (Arbeitskreis) vor der Konferenz der Landesausschüsse am 14.6.66, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 5 6 ) . 1.3 Figur/Burkhardt, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages Konferenz der LandesausschUsse in der D D R - im „Haus der Kirche" am 19. Oktober 1966, 10.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) , S.5. 1.4 Lewek, Bericht über den gegenwärtigen Stand der Arbeit des Themenausschusses auf der Konferenz der Landesausschüsse am 8.3.1967, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) . m Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konfem

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vorgesehene Kirchentagstreffen als „Kirchentagstreffen" wieder gestrichen werden. Verständigungsversuche hatten ergeben, „dass das für Görlitz s. ZL geplante KT-Treffen nicht durchgeführt werden könne, sondern dieses nur als Landeskirchentag veranstaltet werden solle, also für eine Koordinierung nicht in Frage käme".196 Nachdem das Treffen in Berlin staatlicherseits nicht akzeptiert worden war197 und Görlitz eigene Wege ging, blieben lediglich Stendal und Dessau als „Kirchentagstreffen" 1968 übrig.

Uber die Reduzierung der für 1968 in Aussicht genommenen Kirchentagstreffen hinaus nahm auch die Vorbereitung der verbliebenen Veranstaltungen in Dessau und Stendal nicht den von der Konferenz intendierten Verlauf. In beiden Fällen wurde die Firmierung als „Kirchentagstreffen" von den Verantwortlichen vor Ort nicht in der erwarteten Weise übernommen.198 Gravierender war freilich, daß sich beide Kirchentage zwar unter dem gemeinsamen Motto „Dienet einander" an den Grundgedanken des vom ständigen Ausschuß erarbeiteten Vorschlags orientierten, das von der Konferenz zur Verfügung gestellte (und ohne konkrete Termin- und Ortsangaben erarbeitete) Material im einzelnen jedoch als nur bedingt brauchbar einschätzten. In Dessau stieß die Gesamtthematik - wohl auch weil der Vorschlag dazu nicht aus den eigenen Reihen gekommen war - auf erheblichen Widerstand der Pfarrerschaft, die „daher keine Werbung für den Kirchentag" betrieb, was wiederum eine „geringe Beteiligung der Gemeinden" zur Folge hatte.199 Andererseits löste eine Verkettung von Pannen in der Zusammenarbeit zwischen der Berliner Geschäftsstelle der Konferenz und dem Organisator des Kirchentages in Stendal, dem Stendaler Propst Friedrich Carl Eichenberg, dort erhebliche Verärgerungen aus. Entsprechend fällte Eichenberg nach dem Kirchentag nicht nur ein deutliches Urteil über die von der Konferenz angebotenen Vorarbeiten, sondern stellte auch - in der vorliegenden Zusammensetzung - deren Existenzberechtigung in Frage. „Wir waren dankbar für die Vorschläge des Themenausschusses, halten jedoch eine Gesamtplanung auf diesem Gebiet weiterhin nicht für nötig. Die Lage ist so r e n z d e r L a n d e s a u s s c h ü s s e in d e r D D R - mit a n s c h l i e ß e n d e r P r ä s i d i a l v e r s a m m l u n g im „ H a u s d e r K i r c h e " am 25. M a i 1967, 10.00 U h r u n d 14.00 U h r , 22.6.1967 ( E Z A , D L K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S.2. ' » А. а. O . , S. 3. m Vgl. d a z u u n t e n S. 91 f. "* D e s s a u w u r d e z w a r a u c h als „ K i r c h e n t a g s t r e f f e n 1968", vor allem a b e r als „Anhaltinis c h e r L a n d e s k i r c h e n t a g " b e z e i c h n e t . D i e V e r a n s t a l t u n g in Stendal erhielt selbst seitens d e r K o n f e r e n z im n a c h h i n e i n nicht m e h r d a s P r ä d i k a t „ K i r c h e n t a g s t r e f f e n " (vgl. H . KRCGI RH A Y K / S . L ' \ N G K / I . L E N T / H . M ü l . l . r R - U l B R l G : E v a n g e l i s c h e r K i r c h e n t a g in d e r D D R , S. 2 4 ) . m Lent, P r o t o k o l l ü b e r die S i t z u n g d e r K o n f e r e n z d e r L a n d e s a u s s c h ü s s e des D e u t s c h e n Evangelischen K i r c h e n t a g e s in d e r D D R am 26.10.1968 in B e r l i n - W e i ß e n s e e , u n d a t i e r t ( E Z A , D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 3.

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verschieden. Bei uns in der Altmark ist etwas ganz anderes ,dran' wie in Berlin oder Dessau. Nur an der Oberfläche sind die Probleme gleich. Jeder Kirchentag muß selbst feststellen, was er will oder plant. Schon die ausgearbeiteten Hinweise auf die Themen, erst recht aber die ins Auge gefaßten Referenten haben uns wenig genutzt Es soll schon hier der Grundsatz genannt werden, der fast für alle Gebiete gilt: Gesamtplanung hemmt in jeder Weise; Beratung aber ist eine wirkliche Hilfe. Von daher wäre die Konferenz der Landesausschüsse zu reduzieren auf einen kleinen Beraterkreis, zu dem junge talentierte Leute gehören sollten." 200

Diese Einschätzung zeigte, auch wenn sie ihre Deutlichkeit konkreten Vorfällen verdankte, wie wenig selbst in der Kirchentagsarbeit engagierte Kirchenvertreter in der Lage waren, eine eigene Rolle der Konferenz neben den einzelnen Landesausschüssen zu erkennen. Insbesondere die jeweiligen Landeskirchen zeigten wenig Interesse daran, Veranstaltungen durchzuführen, die sich zumindest vom Ansatz her nicht als landeskirchliche Vorhaben, sondern als Veranstaltungen im Gegenüber zur jeweiligen Landeskirche verstanden.201 Zunehmend entschieden sie sich (wie auch die immer unabhängiger von der Konferenz agierenden Landesausschüsse)202 für Landes- oder Bezirkskirchentage, so daß für weitere Kirchentagsveranstaltungen - etwa „Kirchentagstreffen" - wenig Raum blieb. Begünstigt wurde diese Entwicklung dadurch, daß Landeskirchentage eine deutlich ältere Tradition repräsentierten, als dies bei den erst 1963 initiierten „Kirchentagstreffen" der Fall war. Für die Kirchentagsteilnehmer dürfte ein Unterschied zwischen beiden Kirchentagsvarianten ohnehin zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen sein. Vor allem in Mecklenburg gab es bereits vor 1961 Landeskirchentage - den ersten sogar bereits 1932. 203 Nach 1945 fand der erste Landeskirchentag kurz nach der

200

Eichenberg, Bericht über den Stendaler Kirchentag (20.-22.9.1968), 8.10.1968 (EZA, DEKT, 95/93/86), S. 1 f. 201 Mitunter kam es vor, daß einzelne Landesausschüsse, die bereit waren, ein solches Kirchentagstreffen durchzuführen, bei der Konferenz um Schützenhilfe gegenüber ihren Landeskirchen nachsuchten und daram baten, „dass der Vorsitzende der Konferenz sich mit dem Angebot der erarbeiteten Thematik und mit der Bitte um deren Übernahme an ihre Landeskirchen-Leitungen wenden möge. Beide wären für diesen Anstoss, der ihnen bei ihren Verhandlungen sehr helfen würde, dankbar" (Figur/Burkhardt, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR im „Haus der Kirche" am 19. Oktober 1966, 10.00 Uhr, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/3], S.5). m Obwohl später die föderale Grundstruktur der Kirchentagsarbeit in der DDR als Chance verstanden werden konnte, war man 1966 im Präsidium keineswegs damit einverstanden, daß „die Landesausschüsse allmählich grössere Verantwortung als die Konferenz und das Präsidium gewonnen" hatten (vgl. Mädler, Protokoll der Sitzung des Präsidiums [DDR] des DEKT am 25.2.66 [Berlin, Auguststr.], undatiert [EZA, DEKT, 95/93/3], S. 2). Μί Vgl. dazu M. K L E I M I N G E R : Zur Geschichte der Kirchentagsbewegung in Mecklenburg, S. 17-23.

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Beilegung des Konflikts um die Junge Gemeinde am 5. Juli 1953 und ein weiterer - beide in Güstrow - am 19. Juni 1960 statt 2 0 4 Über den Kirchentag 1953 schrieb der mecklenburgische Bischof Niklot Beste: „Nicht eine machtvolle Demonstration, deren Zahlen imponieren, wollte dieser Tag sein. Die Bedeutung eines jeden Kirchentages liegt immer in der geistlichen Kraft, die von ihm ausströmt." 205 Das Besondere am Kirchentag 1960 war die vorherige Durchführung dezentraler Rüstabende an 12 Orten der Landeskirche. Im Bericht der Mecklenburgischen Kirchenzeitung über diesen Kirchentag hieß es unter anderem: „Hier wurde deudich: Ihr seid nicht allein. Mit euch, neben euch stehen Brüder und Schwestern. An diesem Tag waren sie alle zusammen. Gottesdienst schafft Gemeinschaft. Das war das große Erlebnis." 206 Von den anderen Landeskirchen sind Pommern, Anhalt und Berlin-Brandenburg besonders zu erwähnen. In Greifswald (Pommern) fand 1959 ein erster Landeskirchentag statt. In Berlin-Brandenburg waren - ebenfalls bereits vor 1961 - die Uckermärkischen Kirchentage (Prenzlau) und die Kurmärkischen Kirchentage (Potsdam) 207 ins Leben gerufen worden; 208 auch in Frankfurt (Oder) fanden Bezirkskirchentage statt Zur zeitlichen Priorität der Landeskirchentage kam die Eindeutigkeit des Bezugshorizontes. Gegenüber einem bei landeskirchlichen Kirchentagsveranstaltungen vorhandenen klaren geographischen Rahmen (Kreis, Sprengel, Propstei, Landeskirche) blieb der von der Konferenz zur Geltung gebrachte „übergreifende" Aspekt bzw. der G e d a n k e der „Gesamtheit" verschwommen und unkonkret und deshalb wenig attraktiv. Die sich mit dem Jahre 1968 abzeichnende Chancenlosigkeit für besondere, zusätzlich zu den Landeskirchentagen durchgeführte „Kirchentagstreffen" leitete innerhalb der Konferenz der Landesausschüsse den Beginn eines Konzeptionswechsels ein. 204 D a s Konzept, den vom Deutschen Evangelischen Kirchentag übernommenen übergreifenden Aspekt durch besondere Veranstaltungen („Kirchentagstreffen") zur Geltung zu bringen, trat Vgl. dazu а. а. O. А. а. O., S. 24 f. * » A . a . O . , S. 28. 207 Diese waren freilich eine Kombination aus Generalkonvent (meist Mittwoch/Donnerstag) und Kirchentagswochenende. 208 Die Uckermärkischen Kirchentage fanden seit 1958 im 7.wei-Jahres-Rhythmus statt. 209 Ausschlaggebend dürften die Erfahrungen mit den Kirchentagstreffen im Juni 1968 gewesen sein, während die zitierte Einschätzung Propst Eichenbergs, die vom Oktober datiert, in die Zeit nach Umwandlung des standigen Themenausschusses in einen Ad-hocAusschuß (s.u.) fällt Allerdings wird Eichenbergs Einschätzung, von der er einleitend bemerkte, daß sie nicht auf seiner „privaten Meinung" beruhe, „sondern auf eingehenden Gesprächen mit Superintendenten, Pfarrern, Konventen und anderen Teilnehmern des Kirchentages", die Richtung mit beeinflußt haben. Sie wurde auf der konstituierenden Sitzung des neuen Ausschusses am 12./13. Oktober ausgewertet (vgl. Lent, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Themenausschusses des Kirchentages am 12./13.10.68 in Berlin, undatiert [E7.A, DF.KT, 9 5 / 9 3 / 8 9 ] ) . 204

205

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in den Hintergrund und wurde nach 1970 (einschließlich des dazugehörigen Vokabulars) ganz aufgegeben. An seine Stelle trat das Bestreben, den Landeskirchengrenzen übergreifenden Aspekt von Kirchentagsarbeit durch Koordinierung der landeskirchlichen Initiativen zur Geltung zu bringen,

worin die Konferenz auch durch den 1969 gegründeten Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR unterstützt wurde. Angesichts der strukturell nicht vorgesehenen Leitungsfunktion der Konferenz war diese Koordinierung allerdings nicht administrativ, sondern vor allem durch überzeugende thematische Vorarbeit zu erreichen. Dem trug die Konferenz dadurch Rechnung, daß sie für bestimmte Jahrgänge - erstmals für die 1970 vorgesehenen Kirchentagsveranstaltungen (Greifswald, Havelberg, Cottbus und Erfurt) - thematische Vorarbeiten anbot, bei deren Übernahme die einzelnen Kirchentage aufgrund des gleichen Mottos und eines zusammenhängenden Themas als jeweils zusammengehörende und damit grenzübergreifende Veranstaltungen erkennbar wurden. Eine wichtige organisatorische Maßnahme in diese Richtung war die Umwandlung des ständigen Themenausschusses in einen jeweils neu zu berufenden Ad-hoc-Ausschuß, der durch seine immer neu zu bestimmende Zusammensetzung sowie eine veränderte Arbeitsweise im Vergleich zum ständigen Themenausschuß basisbezogener und konsensfähiger tätig werden konnte.210 Der erste Ausschuß dieser Art wurde zur Vorbereitung der Kirchentagsveranstaltungen des Jahres 1970 berufen und konstituierte sich am 12./13. Oktober 1968 in Berlin. Auf der konstituierenden Sitzung umriß der Vorsitzende der Konferenz der Landesausschüsse, Landessuperintendent Schröder, die veränderte Arbeitsweise sowie die Aufgaben dieses Themenausschusses. Seine Berufung sei auf zwei Jahre sowie auf die Vorbereitung der 1970 geplanten Kirchentagsvorhaben begrenzt An die Stelle der zahlreichen kurzen - insbesondere für Teilnehmer aus berlinfemen Regionen ungünstigen - Sitzungen sollte eine „konzentrierte Erarbeitung der Thematik an zwei Wochenenden" treten, ergänzt durch einen unter Beteiligung von Experten und eventuellen Referenten durchzuführenden Themenkonvent Mindestens ein Jahr vor den Kirchentagen sei die thematische Vorarbeit an die

J1

° Im Rahmen einer „kritischen Einschätzung der Arbeit des bisherigen Themenausschusses" wurde von der Ausschuß Vorsitzenden festgehalten: „Allzugroßes Übergewicht der hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter, die zwar in theologischen Denksystemen zu Hause sind, aber zu wenig von der Gemeinde her denken; bei häufigen, kurzen Sitzungen Übergewicht der Berliner aus verkehrtechnischen Gründen; keine klare Abgrenzung des Auftrages (Rahmenprogramm oder Erarbeitung bis ins Detail); durch Art der Zusammenkunft bedingt: Notwendigkeit sich stets von neuem in die Materie hineinzudenken, aber auch Möglichkeit des schnelleren Umdenkens gegeben; aus Zusammensetzung des Kreises resultierende sachliche und menschliche Spannungen, die bewältigt wurden und das Ergebnis befruchteten" (Lent, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Themenausschusses des Kirchentages am 12./13.10.68 in Berlin, undatiert [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 8 9 ] , S. 1).

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regionalen Ausschüsse zu übergeben, in denen von vornherein die örtlichen Vertreter für die einzelnen Vorhaben vorhanden wären, so daß die Basis- und Ortsbezogenheit gewährleistet sei. 2 "

Erste Überlegungen zur Thematik der für 1970 vorgesehenen Kirchentage wurden bereits auf der konstituierenden Sitzung des Themenausschusses festgehalten und von der Konferenz der Landesausschüsse auf deren Sitzung am 26. Oktober 1968 akzeptiert 212 Der vom 7. bis 9. März 1969 in Hirschluch tagende Themenkonvent erarbeitete dazu unter dem Motto „Wie Gott mir, so ich dir" 213 eine thematische „Grundkonzeption". 214 Weiterhin legte der Konvent fest, nach den Kirchentagen noch einmal zu einer zentralen Auswertung zusammenzukommen. Diese Auswertung, die vom 28. bis 30. Oktober 1970 ebenfalls in Hirschluch stattfand, ergab, daß sich der Zweischritt von zentraler Grundkonzeption und regionaler Umsetzung im großen und ganzen bewährt hatte und für die weitere Arbeit beibehalten werden konnte. Allerdings schien es sinnvoll, die Vorbereitung noch längerfristiger zu planen. Aus diesem Grund wurden die nächsten mit Hilfe zentraler Vorbereitung 215 durchgeführten Kirchentage erst für 1974 in Aussicht genommen. Sie fanden unter dem Motto „ . . . und ihr sollt auch leben" in Magdeburg, Stralsund und Frankfurt (Oder) statt. Eine zweite Möglichkeit, den Charakter von Kirchentagsarbeit als einer gesamtkirchlichen Sammlungsbewegung deutlich werden zu lassen, wurde - neben der thematischen Koordinierung - in der grenzüberschreitenden Fesdegung des Einzugsgebietes für den jeweiligen Kirchentag gesehen. Nachdem es bereits vorher zur Zusammenarbeit einzelner Landeskirchen auf dem Gebiet der Kirchentagsarbeit gekommen war, regte die Konferenz der Landesausschüsse für die Kirchentage 1970 die Bildung von größeren, Landeskirchengrenzen überschreitenden Kirchentagsregionen an. Die Umsetzung dieser Anregung - mehr als anregen konnte die Konferenz auch in diesem Falle nicht - verlief freilich nur sehr zögerlich und stieß sowohl staadicherseits wie auch innerkirchlich auf erhebliche Widerstände. HinVgl. ebd.; auch O. SCHRÖDF.R/H.-D. PLTER: Vertrauen wagen, S. 36. Vgl. Lent, Protokoll über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages in der DDR am 26.10.1968 in Berlin-Weißensee, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 4. 21) Zur Anekdote über das Zustandekommen dieser Formulierung vgl. O. SCHRODIR/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 37. 214 Grundkonzeption für die Thematik der Kirchentagstreffen 1970 (erarbeitet vom Themenausschuß im Auftrag der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der DDR), Hirschluch 7. bis 9. März 1969, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/89). 215 Tagungen des Themenausschusses am 7. Oktober 1972 in Berlin und vom 12. bis H.Januar 1973 in Hirschluch (vgl. Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der Deutschen Demokratischen Republik, Themenvorschlag für die Kirchentage 1974, 15.1.1973 [EZA, DF.KT, 95/93/60]). 2,1

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sichtlich der Kirchentagsveranstaltungen des Jahres 1970 gelang das Vorhaben lediglich für den Erfurter und - in einer weniger auffälligen Größenordnung - für den Havelberger Bereich, während die Kooperation zwischen dem berlin-brandenburgischen Sprengel Cottbus und der Görlitzer Kirche nicht zustande kam und sich der Landesausschuß Greifswald nur zu einer losen Zusammenarbeit mit Mecklenburg bereit zu finden vermochte.216 Auch 1974 war die Sachlage nur eine unwesentlich andere, so daß sich die auch weiterhin angestrebte Bildung von Kirchentagsregionen nur sehr langsam durchzusetzen begann.217 Angesichts dessen hatte die weitergehende und zum Teil durchaus vorhandene Tendenz zu einem DDR-Gesamtkirchentag nicht nur staatlicherseits, sondern auch innerkirchlich kaum Aussicht auf Verwirklichung. Dieser insbesondere im Vorfeld des Lutherjubiläums 1983 erwogene und vor allem von der „jungen Generation" unterstützte Vorschlag fand 1979 weder die Zustimmung aller Landesausschüsse noch die der Konferenz.218 Allerdings brachte das Jubiläum dennoch zumindest einen Schritt in diese Richtung. Es fanden im Zeitraum eines Jahres nicht nur unter dem gemeinsamen Motto „Vertrauen wagen" sieben große Kirchentage statt, deren Einzugsgebiet zusammengenommen das gesamte Gebiet der Republik umfaßte.219 Es wurde auch ein (fast) neues220 Kirchentagsmodel] geboren. Während sechs Kirchentage (Dresden, Eisleben, Erfurt, Frankfurt, Magdeburg, Rostock) nur jeweils für Teilnehmer der gastgebenden Landeskirche und angrenzender Gebiete gedacht waren, wurde für die Arbeitsgruppentagung des Kirchentages in Wittenberg eine Teilnahme von Besuchern aus allen Landeskirchen der DDR eingeplant Diese Arbeitsgruppentagung war DDR-offen (und wurde vom provinzsächsischen Landesausschuß und dem Präsidium des Evangelischen Kirchentages in der DDR gemeinsam verantwortet), während die Teilnahme am anschließenden Kirchentagssonntag auf ein bestimmtes Einzugsgebiet begrenzt war. Dieses „Wittenberger Modell"221, ein Kompromiß zwischen einem aus verschiedenen Gründen nicht möglichen DDR-Kirchentag und den auf eine Kirchentagsregion beschränkten Veranstaltungen, wurde später noch einmal zum Kirchentag 1987 in Berlin aufgegriffen.

216 2)7 2,8 219

Im einzelnen siehe dazu unten S. 99. Zur Zielstellung insgesamt vgl. O. SCHRÖDER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 25-28. Vgl. dazu a.a.O., S.75-77, 181 f. Zum Lutherjubiläum vgl. H. ZEDDIES/R.-D. GÜNTHER: Gott über alle Dinge; H.

D Ä H N / J . HEISE: L u t h e r u n d d i e D D R , bes. S. 5 3 - 9 8 ; z u d e n K i r c h e n t a g e n vgl. O . S c H R ö D E R / H . - D . PETER: V e r t r a u e n w a g e n , S. 7 5 - 1 0 9 , 1 8 1 - 1 8 7 ; O . SCHRÖDER: A u f s c h m a l e m

Grat, S. 178-195; Informationen auch in G. BESIER: Der SED-Staat und die Kirche 19831 9 9 1 , S. 4 6 - 5 0 . 230 Es war im Prinzip - allerdings ohne daß dies bewußt war - eine Neuauflage des Modells von 1963 mit seinen Delegiertentagungen aus dem gesamten DDR-Bereich und damit zusammenhängenden Kirchentagsveranstaltungen lediglich für die Gemeinden der Umgebung (vgl. dazu oben S. 40). m Vgl. dazu auch O. SCHRÖDER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 123 f.

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Voraussetzungen und Kontext

2.1.5. Begrenzte Möglichkeiten Kirchentage waren - wie alle Großveranstaltungen, mit denen Kirche in das Bewußtsein der Öffendichkeit trat und so das Bild einer sozialistischen Einheitsgesellschaft störte - in der DDR staadicherseits unerwünscht und wurden dementsprechend vor allem in den 60er und der ersten Hälfte der 70er Jahre erheblich behindert, ihre Durchführung zum Teil sogar unmöglich gemacht Auf ein ausdrückliches Verbot, wie es 1961 im Zusammenhang des 10. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Berlin ausgesprochen worden war, griff die Staats- und Parteiführung der D D R allerdings nicht wieder zurück. Ein polizeiliches Verbot schien weder kirchenpolitisch sinnvoll noch notwendig, da - begünstigt durch die Reduzierung der Ost-West-Verbindungen nach dem Mauerbau - andere wirksame und weniger spektakuläre Mittel zur Verfügung standen, um kirchliche Großveranstaltungen zu minimieren oder ganz zu unterbinden. Der eine Weg zur Begrenzung kirchlicher Öffentlichkeitswirkung führte über Verordnungen, die für bestimmte Vorhaben eine behördliche Genehmigung zur Pflicht machten, die dann nach Belieben versagt oder an Auflagen gebunden werden konnte. Von Anfang an in diesem Sinne genutzt wurde die „Anordnung über das Genehmigungsverfahren fiir die Herstellung von Druck- und Vervielfältigungserzeugnissen" vom 20. Juli 1959.222 Danach erforderte die „Herstellung von Druck- und Vervielfältigungserzeugnissen . . . unabhängig von der Zahl der gefertigten Exemplare sowie von der Art der zur Herstellung benutzten Maschinen, Apparate, Geräte oder Gegenstände eine staatliche Genehmigung (Druckgenehmigung)".223 Im Hinblick auf Kirchentagsveranstaltungen betraf dies insbesondere Plakate, Programme, Abzeichen, Einladungen, Quartierkarten sowie Briefbögen, aber auch eventuelle Vorankündigungen in Gemeindeblättchen und Kirchenzeitungen. Während Programme sowie jene Druckerzeugnisse, die ohne wesentliche inhaldiche Aussage lediglich der organisatorischen Durchführung dienten (Anmeldungen, Quartierkarten), zum Teil eine Druckgenehmigung erhielten - meist allerdings nur für eine reduzierte Auflage blieb Druckerzeugnissen, die werbenden Charakter trugen (vor allem Plakate), in den 60er Jahren nahezu durchgängig die erforderliche Genehmigung verwehrt.224

m Anordnung Uber das Genehmigungsverfahren für die Herstellung von Druck- und Vervielfältigungserzeugnissen. Vom 20.Juli 1959 (Gbl. D D R I, 4 6 / 1 9 5 9 , S. 640-642). 223 A . a . O . , § 1 (1). ш N o c h 1971 wurde der Geschäftsstelle des Evangelischen Kirchentages in der D D R der Druck von Kopfbögen durch den Berliner Magistrat versagt, weil es eine Institution „Evangelischer Kirchentag" in der D D R nicht gebe (vgl. Niebuhr, N o t i z über tel. Anruf v. 5.2.1971 v. Magistrat von Groß-Berlin, Abt. Inn. Angel, betr. Druckgenehmigung von Briefköpfen, undatiert [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 7 ] ) .

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Erst Mitte der 70er Jahre225 begann sich hier ein Wandel abzuzeichnen, der dann mit dem Lutherjubiläum zum Durchbruch gelangte,226 ohne danach wieder gänzlich rückgängig gemacht zu werden. Weitere Möglichkeiten zu repressiven Maßnahmen bot die Veranstaltungsverordnung in ihren verschiedenen, jeweils auf die aktuelle Situation abgestimmten Fassungen. Diese richtete sich allerdings weniger gegen kirchliche Großveranstaltungen (Kirchentage u. ä.) als vielmehr gegen jene Unternehmungen, die nach staadicher Auffassung nicht zum Aufgabengebiet der Kirchen gehörten und somit einen „Mißbrauch" der kirchlichen Möglichkeiten darstellten (Freizeiten mit Kindern und Jugendlichen, Dichterlesungen, Filmvorführungen, Liederabende u. ä.). Während die knappe Verordnung von 195 1 227 kirchliche Veranstaltungen pauschal von einer Anmeldepflicht befreit hatte, grenzte die weitaus umfangreichere „Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen" vom 26. November 1970228 die Befreiung von der Anmeldepflicht nicht nur auf „religiöse Handlungen" und „dienstliche Zusammenkünfte" ein, sondern legte auch normativ fest, welche Veranstaltungen „als religiöse Handlungen im Sinne dieser Verordnung" gelten sollten.229 Gegen dieses staatliche Interpretationsmonopol kirchlicher Veranstaltungen wehrte sich die Kirche entschieden.230 Zwar richtete sich diese neue Ord-

225 Eine Lockerung der bis dahin restriktiv gehandhabten Druckgenehmigungspraxis kündigte sich mit dem Greifswalder Kirchentag 1974 an, für den nicht nur Einladungen und Programme, sondern auch 2000 Plakate genehmigt wurden (Unterlagen in: BArch Berlin, StfK, D O 4, 663; vgl. Lent, Niederschrift Uber die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der DDR am 30.3.1974, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Konferenz der Landesausschüsse des Ev. Kirchentages in der DDR], S. 2). 226 In der besonderen Situation des Lutherjubiläums erhielt sogar - wenn auch nach vorheriger Auseinandersetzung - das Plakat für den Dresdner Kirchentag die Genehmigung zum Druck, obwohl es von seinem Motiv her durchaus als gesellschaftskritisch verstanden werden konnte. Es verdeutlichte das übergreifende Motto der Kirchentage im Lutherjahr „Vertrauen wagen" (in Sachsen durch den Zusatz ergänzt: „damit wir leben können") durch einen zwitschernden Vogel, der auf einer roten Hochspannungsleitung saß (vgl. dazu Niederschrift des Gespräches mit Landesbischof i. R. Dr. Johannes Hempel am 11.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 4). το Verordnung über die Anmeldepflicht von Veranstaltungen. Vom 29.3.1951 (Gbl. DDR 40/1951, S. 231). 228 Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen vom 26. November 1970 (Gbl. DDR II, 10/1971, S.69-71). 229 § 3 (3e). 230 Neben grundsätzlichen Erwägungen spielte dabei auch die Erfahrung eine Rolle, daß die Behörden die geforderte Anmeldung nicht lediglich als ein formales Zur-Kenntnis-Geben verstanden, sondern als Möglichkeit zur Einflußnahme oder gar indirekten Unterbindung nutzten. Mitunter wurde die Ausgabe der Anmeldeformulare oder eine Entgegennahme der Anmeldungen verweigert, so daß die anmeldungspflichtige Veranstaltung nicht angemeldet werden konnte, ihr Stattfinden damit illegal war. Zum anderen wurden bei der Entgegennahme der Anmeldungen Auflagen erteilt - In der nächsten und letzten Fassung der Veranstaltungsverordnung (Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen [Ver-

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nung in erster Linie gegen die von der Kirche durchgeführten Bibelrüstzeiten mit Kindern und Jugendlichen,231 da jedoch auch die Veranstaltung „Kirchentag" nicht in der staatlichen Aufzählung „religiöser Handlungen" genannt war und es sich zudem fast immer um ein „überörtliches Treffen" handelte, das nach staatlicher Auffassung ebenfalls unter die Anmeldepflicht fiel,232 stand auch bei jedem Kirchentag die Frage einer formellen Anmeldung der Veranstaltung bei der zustandigen Polizeibehörde im Raum. Da im Vorfeld von Kirchentagen ohnehin Gespräche mit den örtlichen Behörden (organisatorisch-technische Unterstützung) geführt wurden, diese also über das Stattfinden des jeweiligen Kirchentages informiert waren, wurde kirchlicherseits von einer formellen Anmeldung allerdings in der Regel abgesehen.233 Uber eine Anmeldepflicht hinaus sah die neue Ordnung für bestimmte Veranstaltungsformen auch eine Genehmigungspflicht vor. Darunter fielen vor allem Veranstaltungen im Freien (auch wenn sie auf einem kircheneigenen Gelände stattfanden) sowie Tanzveranstaltungen (auch wenn sie in geschlossenen Räumen durchgeführt wurden).234 Während letzteres Konsequenzen insbesondere für die Jugendarbeit hatte, konnte ersteres auch für die Durchführung von Kirchentagen (etwa hinsichtlich der Abschlußveranstaltung) wichtig werden. In der Praxis wurde freilich im Zusammenhang mit Kirchentagsplänen meist nichtkirchliches Gelände erbeten, für das ohnehin eine Genehmigung einschließlich Nutzungsvertrag notwendig war. Die Ablehnung eines solchen Antrags, wie sie bis Mitte der 70er Jahre 235 die Regel236 war, ließ auf der anderen Seite immer noch die Möglichkeit offen, in große Kirchen auszuweichen. anstaltungsverordnung - V A V O ] vom 30.Juni 1980 [Gbl. D D R I, 24/1980, S. 2 3 5 - 2 3 7 ] ) wurde diese Aufzählung der von der allgemeinen Anmeldepflicht befreiten kirchlichen Veranstaltungen wieder gestrichen, da staatlicherseits unerwünschte Veranstaltungen von der Kirche meist unter einer der dort genannten Bezeichnungen durchgeführt wurden (häufig als Gottesdienst). Ausschlaggebend sollte jetzt nicht mehr die Firmierung sein, sondern der „ausschließlich religiöse Charakter" (§ 3 [6]). 231 Angesichts dessen hielt die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen am 26. Juni 1972 in einem einstimmig gefaßten Beschluß ausdrücklich fest, daß Bibelrüstzeiten „religiöse Handlungen im Sinne der verfassungsmäßig garantierten Religionsausübung" und „der Sache nach das gleiche" seien, „was in § 3 Abs. 3e der Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen vom 26. November 1970 (Gbl. II, S. 69 ff.) als ,Exerzitien'" von der Anmeldepflicht befreit werde (der Beschluß ist abgedruckt in: Kirchliches Jahrbuch 98 [1971], S. 239 f.). 232 Vgl. Staatssekretär für Kirchenfragen (Dr. Fitzner), Information Nr. 1/72: Protokoll der Information an leitende kirchliche Amtsträger der Evangelischen Landeskirchen zur Durchsetzung der Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen vom 26.11.1970 - Gbl. 1971 Teil II S. 69 - am 5. Januar 1972 in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, 21.1.1972 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 937), S. 5. m So O. SCHRÖDER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 60. 234 Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen vom 26. November 1970, § 4. 235 O. Schröder dauert die „Wende" auf das J a h r 1976 (O. SCHRÖDER/H.-D. P l H R: Vertrauen wagen, S. 65). In diesem J a h r fanden unter dem gemeinsamen Motto „Gottes Wege führen weiter" ein Kirchentagskongreß in Berlin, ein Landeskirchentag in Rostock und ein Kirchentag in Halle statt. Der Rostocker Landeskirchentag durfte für die Abschlußveranstaltung ein kirchliches Freigelände nutzen, für den Hallenser Kirchentag wurde sogar

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Verstöße gegen diese Verordnungen konnten mit Ordnungsstrafen und Bußgeldern geahndet werden, deren tatsächliche Verhängung allerdings von der konkreten Situation abhing. Strafbescheide wegen Verstoßes gegen die Veranstaltungsverordnung erhielten insbesondere Pfarrer, die ohne die geforderte Anmeldung Bibelrüsten oder Dichterlesungen und Liederabende (beides in der Regel mit DDR-kritischen Texten) durchführten. Dagegen kam es wegen Verstoßes gegen die Druckgenehmigungsverordnung auch im Zusammenhang mit Kirchentagsveranstaltungen zu einzelnen Ordnungsstrafen bzw. zu deren Androhung. Für die „Kirchentagstreffen" 1968 in Dessau und Stendal waren einheitliche Abzeichen (ein bedrucktes Seidenband mit dem Kirchentagssymbol, einem sich aus zwei Linien bildenden Pfeil) vorgesehen. Aufgrund fehlender Koordination die Herstellung der Abzeichen sollte für beide Kirchentage in Berlin erfolgen wurde das Abzeichen zusammen mit dem Kirchentagsplakat vom Stendaler Vorbereitungskreis bei den dortigen Behörden zur Genehmigung eingereicht Nach interner staatlicher Abstimmung wurde das Kirchentagssymbol abgelehnt, weil es „Ost- und Westkirche, in der EKD-Spitze vereinigt, darstelle". Das Plakat erhielt keine Genehmigung, die Seidenbändchen durften nur hergestellt werden, wenn sie nicht als Abzeichen in der Öffentlichkeit getragen würden, sondern lediglich „als Buchzeichen und Eintrittskarte" dienten.237 Nachdem die staatlichen Stellen auf diese Weise auf das Problem des Kirchentagsabzeichens einschließlich des nach ihrer Meinung mißdeutbaren Kirchentagssymbols aufmerksam geworden waren, wurde die Herstellung des Abzeichens in Berlin - wofür weder eine Genehmigung vorlag noch erbeten worden war - umgehend gestoppt und der die Hallenser Pferderennbahn zur Verfügung gestellt (Unterlagen dazu in BArch Berlin, StfK, D O 4, 664). Die Grundlage für diese „Wende" war allerdings bereits mit dem Beschluß des Sekretariats des SED-Zentralkomitees vom 25. Februar 1970 gelegt worden (siehe unten S. 98), allerdings ohne im Beschlußjahr selbst zur Anwendung zu gelangen. Die Zusage des Elias-Parkes für den Kirchentag 1970 in Cottbus wurde wegen des Plakettenstreites (siehe unten) wieder zurückgenommen, der Kirchentag in Erfurt erhielt, da die staatlicherseits geduldete Kooperation zwischen Thüringen und der Kirchenprovinz Sachsen als unüberbietbares Maximum staatlichen Entgegenkommens betrachtet wurde, von vornherein keine Genehmigung zur Nutzung des Domplatzes für die Abschlußveranstaltung. Auch wenn im Jahre 1974 dem Kirchentag in Magdeburg (Kirchenprovinz Sachsen - Bischof Werner Krusche) ebenfalls die Nutzung des Domplatzes verwehrt wurde, konnte in diesem Jahr die Abschlußveranstaltung des Stralsunder Kirchentages (Greifswalder Kirche - Bischof Horst Gienke) in der Freilichtbühne stattfinden, während dem Kirchentag in Frankfurt (Berlin-Brandenburg - Bischof Albrecht Schönherr) als Ersatz für anderweitig verplante oder durch Baumaßnahmen nicht nutzbare Veranstaltungsstätten die zum Stadtgebiet gehörende Oderinsel „Ziegenwerder" zur Verfügung gestellt wurde. Wenn also von einer „Wende" geredet werden soll, hätte diese sich 1974 bereits sehr deutlich angekündigt (freilich je nach Landeskirche mit spezifischen Unterschieden). 236 Auch von dieser Regel gab es Ausnahmen. Die bekannteste war die Bereitstellung der Freilichtbühne zum Kirchentag 1965 in Frankfurt (Oder) (siehe unten S. 76-83). 257 Der Evangelische Propst der Altmark (F. C. Eichenberg), Herrn Pfarrer Krüger-Haye, 2.8.1968 (EZA, DEKT, 95/93/86).

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Voraussetzungen und Kontext

Geschäftsführer des berlin-brandenburgischen Landesausschusses als Auftraggeber mit einer Ordnungsstrafe von 300,— Μ belegt 238 Umfassendere Maßnahmen wurden staatlicherseits erwogen, als im Jahre 1970 mit Unterstützung des inzwischen gegründeten Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR vier aufeinander abgestimmte Kirchentage unter dem gemeinsamen Thema „Wie Gott mir, so ich dir" vorbereitet wurden.239 Während hinsichtlich des vorgesehenen Plakates seitens der Geschäftsstelle der Konferenz der Landesausschüsse eine zentrale Genehmigung für alle Kirchentage zumindest beantragt wurde (abgelehnt), gab es einen ähnlichen Antrag hinsichtlich der in Eisenach in Auftrag gegebenen 27000240 Kirchentagsplaketten nicht 241 Da es sich um Metallplaketten (Aluminium) handelte, die in einer „Kunsthandwerklichen Werkstatt" hergestellt werden sollten, sah man wohl auch die Möglichkeit, den Geltungsbereich der Vervielfältigungsverordnung (gegen ihren Wortlaut) durch das Schaffen von Fakten einzugrenzen. Weiterer Konfliktstoff entstand dadurch, daß die Plaketten angesichts der für damalige Verhältnisse nicht unerheblichen Herstellungskosten (ca. 0,70-0,80 Μ pro Stück) nicht umsonst abgegeben werden konnten, sondern einen Erlös einbringen mußten. Der Verkauf sollte nicht nur die Herstellungskosten decken, sondern auch Gewinn abwerfen, an dem die Konferenz, die die Herstellung vorfinanziert hatte, sich zu beteiligen gedachte (Verkaufspreis: 1 , - M).242

Die staatliche Seite reagierte, da über den Vorgang nicht informiert, erst verspätet, als die Plaketten bereits hergestellt, ausgeliefert und im Vorfeld des Greifswalder Kirchentages verkauft worden waren. Sowohl der Eisenacher Werkstatt wie auch dem Beauftragten der Konferenz der Landesausschüsse, Pastor Krüger-Haye, wurde eine Ordnungsstrafe angedroht, allerdings ohne daß diese auch rechtskräftig ausgesprochen wurde.243 Wichtiger schien es den Behörden, den weiteren Vertrieb der Plaketten zu unterbinden, wobei sich das Hauptaugenmerk - nach den Erfahrungen mit den Kirchentagen in Greifswald (29.-31. Mai) und Erfurt (5.-7.Juni) - auf den noch ausstehenden Kirchentag in Cottbus (25.-27. September) richtete. Noch im Mai 1970 wurde dem Sekretär des Vorbereitenden Ausschusses für den Cottbuser Kirchentag, Pfarrer Eckehard Runge, vom Rat der Stadt Cottbus mitgeteilt, „daß die Herstellung der Kirchentagsplaketten ohne staatliche Genehmigung erfolgt [sei] und eine Verbreitung aus diesem Grunde nicht möglich"

238 Vgl. Groß-Berlin. Rat des Stadtbezirks Friedrichshain. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres (Pagel), Herrn Möller, Betreff: Ordnungsstrafverfahren, 3.9.1968 (EZA, DEKT, 95/93/88). 239 Siehe oben S. 55 sowie unten S. 94. 240 Ursprünglich dachte man sogar an eine Stückzahl von 45000 (vgl. Krüger-Haye, Arbeitsbesprechung der Verantwortlichen der Kirchentage 1970 am 15.12.1969 in Berlin, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/58]). 241 Vgl. Lent, Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüssc des Kirchentages in der D D R am 21.3.1970, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 1. 242 Eine zeitweise erwogene Erhöhung auf 2,— Μ wurde nicht umgesetzt. 243 Vgl. Albin Hennig. Kunsthandwerkliche Werkstätte, Herrn H. Krüger-Haye, 24.7.1970 (EZA, DEKT, 95/93/58).

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wäre. 244 Im Juni 1970 stellte sich der Rat des Bezirkes in seinem Maßnahmeplan für den bevorstehenden Kirchentag dementsprechend die Aufgabe, „in enger Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen - BdVP-E - und VPKA" zu verhindern, „daß illegal hergestellte Plaketten im Bezirk verkauft werden". 245 Trotz der an Pfarrer Runge ergangenen staatlichen Mitteilung wurden jedoch die Plaketten kirchlicherseits an die Pfarrämter verteilt, freilich mit der Empfehlung, diese nicht - wie ursprünglich vorgesehen - zu verkaufen, sondern gegen eine „Spende" abzugeben. Die offizielle Intervention gegen dieses Vorgehen erfolgte seitens des Rates des Bezirkes am 21. Juli gegenüber dem Vorsitzenden des Vorbereitenden Ausschusses, Generalsuperintendent Günter Jacob, der die staatliche Position in dieser Angelegenheit allerdings im wesentlichen nur zur Kenntnis nahm. 246 Zur Klärung und Entscheidungsfindung trat eine Woche später der Vorbereitungskreis für den Cottbuser Kirchentag zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen und wies in einem Beschluß die staatliche Auffassung zurück. Lediglich auf eine Ausgabe der Plaketten während des Kirchentages selbst könne, sofern der Rat des Bezirkes dieses wünsche, verzichtet werden. 247 Am 29. Juli wurde dieser Beschluß von Pfarrer Runge dem Referenten für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes mitgeteilt, woraufhin der Rat des Bezirkes nicht nur sämtliche im Zusammenhang des Kirchentages getroffenen Absprachen widerrief, 248 sondern auch

244 Rat des Bezirkes Cottbus. Stellv. d. Vorsitzenden für Inneres (Scholz), Niederschrift über ein Gespräch mit Vertretern der Ev. Kirche in Vorbereitung des Kirchentages im September 1970 in Cottbus, 22.7.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 sowie SAPMOBArch, DY 30/IV A 2/14/17, Bl. 52-57), S. 3. M Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Maßnahmen anläßlich des Evangelischen Kirchentages vom 25.-27.9.1970 in Cottbus, undatiert [Juni 1970] (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S. 3. Später seitens des Staatssekretariats für Kirchenfragen auch den staadichen Dienststellen im Bereich der Görlitzer Kirche, die sich ursprünglich am Cottbuser Kirchentag beteiligen wollte, zur Aufgabe gemacht (vgl. Abteilung II [Charlotte Arlt], Kurzbericht über eine Dienstreise der Kollegin Arlt nach Görlitz am 5.8.70, 14.8.1970 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 412]). ш Rat des Bezirkes Cottbus. Stellv. d. Vorsitzenden für Inneres (Scholz), Niederschrift über ein Gespräch mit Vertretern der Ev. Kirche in Vorbereitung des Kirchentages im September 1970 in Cottbus, 22.7.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S.3. - Es ist lediglich vermerkt, daß „die kirchlichen Vertreter mit der Auffassung, daß es sich ja nur um eine Ordnungswidrigkeit handelt, zu bagatellisieren" versuchten. 10 Runge, Außerordentliche Sitzung des Vorbereitungskreises für den Kirchentag Cottbus 1970 am 28. Juli 1970 in Cottbus, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/58): „Der Vorbereitungskreis für den Evangelischen Kirchentag Cottbus 1970 hat von dem Gespräch zwischen Generalsuperintendent D. Jacob und Pfarrer Runge einerseits und dem Ersten Stellvertreter des Rates des Bezirkes, Herrn Scholz und dem Referenten für Kirchenfragen, Herrn Kappelt, andererseits am 21.Juli 1970 Kenntnis genommen. Der Vorbereitungskreis kann sich der Argumentation des Rates des Bezirkes in der Plakettenfrage hinsichdich einer Gesetz- bzw. Ordnungswidrigkeit nicht anschließen. Der Vorbereitungskreis wäre bereit, auf ausdrücklichen Wunsch des Rates des Bezirkes auf die Ausgabe der Plaketten während des Kirchentages selbst zu verzichten." 248 А. а. O., Anlage: „Der Rat des Bezirkes nimmt den Beschluß des Vorbereitungskreises für den Ev. Kirchentag Cottbus 1970 entgegen. Dieser Beschluß entspricht nicht der Auffassung des Rates des Bezirkes. Der Rat des Bezirkes Cottbus sieht deshalb keine Notwen-

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Generalsuperintendent Jacob ultimativ aufforderte, „den Vertrieb der Plaketten ab sofort einzustellen", die bereits ausgelieferten Plaketten wieder einzuziehen und bis zum 20. August Bericht zu erstatten. 249 Der Leiter des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Manfred Stolpe, an den sich Jacob nach Erhalt dieses Ultimatums gewandt hatte, stellte angesichts dieses Schreibens fest, es müsse „wohl davon ausgegangen werden, daß es sich um den ersten Schritt eines geplanten Ordnungsstrafverfahrens handelt". 250 Er riet ihm, zum einen darauf hinzuweisen, daß er die Plaketten nicht in Auftrag gegeben habe, und zum anderen eine Kopplung der Spenden an den Vertrieb der Plaketten zu bestreiten, wonach Jacob unter dem Datum des 3. September auch verfuhr. Er Schloß seinen Antwortbrief mit der Folgerung: „Aus diesen Überlegungen ist m. E. ein Einzug der nach meinen Informationen bereits restlos verteilten Plaketten rechtlich nicht möglich. Abgesehen davon würde eine Einziehung der Plaketten jetzt eine erhebliche Beunruhigung in der christlichen Bevölkerung auslösen, die doch wohl niemand von uns wünschen kann." 251 Eine Aussprache zwischen Jacob und dem Stellvertreter für Inneres beim Rat des Bezirkes, Theil, am 15. September ließ dann unerwartet „eine erstaunliche Wendung zum Guten" erkennen, die allerdings weniger auf Jacobs juristische A r g u m e n t a t i o n a ls vielmehr auf zentrale Anweisung zurückging. In diesem Gespräch wurde nicht nur die Plakettenfrage ad acta gelegt (Jacob sei „schlecht beraten worden"), Jacob erhielt auch - für ihn völlig überraschend - „eine Druckgenehmigung für das Gesamtprogramm sowie für einen Einladungstext" zu einem im Rahmen des Kirchentages vorgesehenen Empfang. 252 Als weit effektiver als der Einsatz von Verordnungen und Genehmigungen erwies sich bei der Beschränkung kirchlicher Großveranstaltungen allerdings die konsequente Indienstnahme der in der D D R alle Bereiche um-

digkcit zu weiteren Gesprächen betr. Kirchentag. Die bisher gegebenen staatlichen Zusagen sind auf Grund der Entscheidung des Vorbereitungskreises nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Vorbereitung und Durchführung des Kirchentages hat mit eigenen innerkirchlichen Möglichkeiten zu geschehen." " " Rat des Bezirkes Cottbus. Stellv. d. Vorsitzenden für Inneres (Theil), Herrn D. Günter Jacob über Herrn Paul Schüler. Superintendent (Abschrift), 10.8.1970 (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 25). J a c o b wurde darin nicht nur ein Verstoß gegen die Druckgenehmigungsverordnung, sondern unter Hinweis auf die Verbindung von Plakettenvertrieb und Spendensammlung auch ein Verstoß gegen die „Verordnung über das öffentliche Sammlungs- und Lotteriewesen" vom 18. Februar 1965 (Gbl. D D R II, 3 2 / 1 9 6 5 , S. 2 3 8 - 2 4 1 ) vorgeworfen, wonach die Spendenaktion eine genehmigungspflichtige „öffentliche Sammlung" sei (nach § 1 [2]). 250 Stolpe, Herm Generalsuperintendent D . J a c o b , Betr.: Kirchentagsplakette, 1.9.1970 (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 25). 0 1 Der Generalsuperintendent des Sprengeis Cottbus (D. Jacob), An den Herrn Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres. Herrn Theil, 3.9.1970 (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 25). 252 Der Gencralsuperintendent des Sprengeis Cottbus (D. Günter Jacob), Herrn Oberkonsistorialrat Stolpe, 17.9.1970 (EZA, K K L D D R , 102, 338). - Ansonsten blieb jedoch die Rücknahme der staatlichen Zusagen bestehen.

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fassenden zentralistischen Struktur. In diesem System, in dem für jeden Teilbereich eine übergeordnete Instanz existierte, an deren Weisungen dieser - direkt oder im eigenen Interesse - gebunden war, konnte der Kirche per Anweisung jede Inanspruchnahme nichtkirchlicher Betriebe, Unternehmen oder Institutionen versagt werden. Jede Veranstaltung, die aufgrund ihrer geplanten Größe im technisch-organisatorischen Bereich auf andere Unternehmen angewiesen war, benötigte deshalb die ausdrückliche „Unterstützung" der staatlichen Stellen, die eigentlich nur die Mitteilung an die beanspruchten Unternehmen umfaßte, daß gegen eine Diensdeistung ihrerseits im Zusammenhang des Kirchentages nichts einzuwenden sei. Diese „Unterstützung" wurde in vielen Fällen verweigert oder an Bedingungen geknüpft. Wurde sie gänzlich versagt, blieben - von einigen Privatfirmen abgesehen, die vor allem in den 60er Jahren noch in der Lage waren, sich der staadichen Weisung zu entziehen - für die Durchführung des betreffenden Kirchentages lediglich die kircheneigenen Möglichkeiten übrig. Das bedeutete: keine nichtkirchlichen Räume, keine Reservierung von Ubernachtungsmöglichkeiten in Hotels, Pensionen oder sonstigen Herbergen, keine Vorbestellung von Verpflegung in Gaststätten, keine Sonderzüge, keine Anmietung von Bussen zum Transport der Teilnehmer, keine Hinweisschilder in der Öffendichkeit, keine Kioske und keine Toilettenwagen. Was der kirchlichen Seite im einzelnen alles versagt werden konnte und dann auch zu versagen sei, stand im Prinzip bereits vor dem Mauerbau fest Als der Deutsche Evangelische Kirchentag 1957 unter dem Motto „Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott" ediche Regionalkirchentage plante, von denen einige auch auf dem Gebiet der DDR stattfinden sollten,253 erging seitens des Staatssekretariats für Kirchenfragen an die Räte der Bezirke eine Vertrauliche Dienstsache (VD), in der es unter anderem hieß: „Wir empfehlen, dass diesen Veranstaltungen staatlicherseits keinerlei Unterstützung gegeben wird. Darunter fallen: Erteilung von Druckgenehmigungen für Plakate und Programme, Aufenthaltsgenehmigungen, Bereitstellung von Quartieren, Zur-Verfügungstellung von Räumen, öffendichen Gebäuden und Plätzen, Bereitstellung von Fahrzeugen, Genehmigung von Veranstaltungen, die der Vorbereitung dieser Treffen dienen usw. . . . Wir bitten um umgehende Berichterstattung darüber, ob in Ihrem Bezirk derartige Erscheinungen festgestellt und welche Massnahmen Ihrerseits darauf eingeleitet wurden."254

253

Siehe oben S. 8. Regierung der Deutschen Demokratischen Republik. Staatssekretär für Kirchenfragen (Weise), An den Rat des Bezirkes Schwerin, Betr.: Durchführung von regionalen Kirchentagen auf dem Gebiet der D D R (VD 14/57), 13.9.1957 (MLHA, BT/RdB Schwerin, 4149). 254

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Voraussetzungen und Kontext

Obwohl zentral angeordnet (in einigen Fällen sogar durch Beschluß des SED-Politbüros), fanden die konkreten Verhandlungen über eine teilweise, vollständige oder bedingte „Unterstützung" der jeweiligen Veranstaltung durch die Behörden in der Regel auf der unteren Ebene statt: beim zuständigen Rat des Kreises (erst später auch beim übergeordneten Rat des Bezirkes). Diese Trennung von Verhandlungs- und Entscheidungsinstanz war nicht zufällig, sondern hatte den staatlicherseits erwünschten Effekt, daß Verhandlungen im Wortsinne gar nicht möglich waren, da die kirchlichen Beauftragten jeweils nur auf Ubermittler ohne eigenen Verhandlungsspielraum trafen. Darüber hinaus boten dezentrale Verhandlungen der staatlichen Seite die Möglichkeit, verschiedene Landeskirchen je nach „Loyalität" der betreffenden Kirchenleitung - unterschiedlich zu behandeln. Kirchlicherseits wurde immer wieder versucht, dieses dezentrale Verhandlungsmodell zu durchbrechen und wenigstens eine grundsätzliche Zustimmung der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen (die freilich nicht dort, sondern im Zentralkomitee zu fällen gewesen wäre) in die Verhandlungen vor Ort mitzunehmen (etwa im Vorfeld der Kirchentagstreffen 1965255 sowie nach Bildung des ВЕК hinsichtlich der für 1970 vorgesehenen Kirchentage256). Eine solche Zustimmung wurde generell bis Ende der 70er Jahre - verweigert, wobei es auch eine Rolle spielte, daß die vorhandenen zentralen kirchlichen Gremien (die Konferenz der Landesausschüsse eines Ost und West umfassenden Deutschen Evangelischen Kirchentages ebenso wie ein Evangelischer Kirchentag in der DDR) staatlicherseits nicht anerkannt wurden. Andererseits hätte eine an zentraler Stelle gefällte positive Entscheidung in einem zentralistischen System ein Privileg bedeutet, das bei den nachgeordneten Behörden Türen geöffnet und Wege geebnet hätte - und deshalb der Kirche versagt blieb. Erst im Zusammenhang des Lutherjubiläums 1983 wurde dieses Vorgehen geändert Zur besonderen Verhandlungstaktik der staatlichen Stellen gehörte es weiterhin, daß sich diese über lange Zeit hinweg weigerten, mit den eigendichen Veranstaltern für den betreffenden Kirchentag direkt zu verhandeln. Ein Kirchentagslandesausschuß oder auch ein Vorbereitender Ausschuß wurde weder als verantwortlicher Veranstalter noch als verhand-

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Siehe unten S. 71 f. Die „zentrale Anmeldung" erfolgte auf ausdrückliche Empfehlung der Konferenz der Kirchenleitungen und umfaßte lediglich eine Mitteilung der bloßen Fakten (vgl. Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der D D R . Vorsitzender [Schröder], An den Staatssekretär f ü r Kirchenfragen. H e r r n Seigewasser, 17.12.1969 [EZA, Kirchenkanzlei der E K D f ü r die Gliedkirchen in der D D R , 104, 25]). Dieses Schreiben blieb unbeantwortet (vgl. O. SCHRÖDF.R/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 57). 256

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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lungsfähiger Gesprächspartner akzeptiert. Verhandelt wurde ausschließlich mit leitenden Vertretern der jeweiligen Landeskirche, die für das gesamte kirchliche Leben in ihrem Bereich die Verantwortung übernehmen sollten. Zwar wurde angesichts dessen ohnehin ein leitender Vertreter der Landeskirche mit der Funktion des Vorsitzenden des Vorbereitungsausschusses betraut, dennoch kam es mitunter vor, daß auch auf kirchlicher Seite nicht immer die unmittelbar zuständigen Leute am Verhandlungstisch saßen oder dort das Wort zu führen gezwungen waren.257 Das konkrete Geschick der Kirchentagsveranstaltungen in der D D R nach dem Mauerbau war damit ein durchaus wechselhaftes, wobei eine bewußte Ungleichbehandlung einzelner Landeskirchen wie auch übergreifende zeitbedingte Zielstellungen staatlicher Kirchenpolitik eine wesentliche Rolle spielten. Bereits bei den ersten Kirchentagen, die nach dem Mauerbau in der D D R stattfanden, sind diese verschiedenen Faktoren erkennbar. Während 1963 die drei von der Konferenz der Landesausschüsse angeregten „Kirchentagstreffen" in Zwickau, Brandenburg und Erfurt als Parallelveranstaltungen zum 11. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund staatlicherseits abgelehnt und entsprechend (freilich unterschiedlich intensiv) behindert wurden, konnte der Kirchentag in Görlitz, der sich bereits durch sein Motto von den anderen drei Veranstaltungen abhob, ohne vergleichbare Behinderungen durchgeführt werden. Die drei „Kirchen tagstreffen" standen unter dem gemeinsamen Thema „Das Wagnis des Glaubens", der Görlitzer Kirchentag (7.-9.Juni 1963) hingegen wurde unter das Motto „Ich bin's, fürchtet euch nicht" gestellt und als von den anderen drei Treffen unabhängiger Landeskirchentag vorbereitet Lediglich der Vormittag des 8.Juni stand ebenfalls unter dem Thema „Das Wagnis des Glaubens". 258 Darüber hinaus wurde bei der Vorbereitung dieses Kirchentages auf das staatlicherseits kritisierte Wort „Deutscher" in „Deutscher Evangelischer Kirchentag" verzichtet 25 ' Dementsprechend konnte der Görlitzer Bischof Ernst Hornig in der Sitzung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen am 13. Juni 1963 im Rückblick davon reden, daß der Kirchentag „von staadicher Seite . . . gut unterstützt worden" sei. 260 Auf der Herbstsitzung der Konferenz der Landesausschüsse ergänzte Präsident Mager (der selbst einem diesbezüglichen Ansinnen widerstan-

Vgl. dazu auch O . SCHRODER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 6 0 . Vgl. dazu sowie zur staatlichen Einschätzung dieses Kirchentages: [ R a t der Stadt Görlitz], Betr.: Einschätzung des stattgefundenen Kirchentages des Konsistoriums Görlitz in der Zeit vom 7.6. bis 9.6.63, 9 . 6 . 1 9 6 3 ( S H S t A , B T / R d B Dresden, 4 7 5 2 0 ) . Vgl. Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 23. September 1963, 10.00 Uhr, undatiert ( E Z A , D E K T , 95/93/3), S. 1. 257

258

260 Auszug aus dem Aktenvermerk der Konferenz der Ev. Kirchenleitungen in der Deutschen Demokratischen Republik über die Sitzung am 13. Juni 1963, 12.7.1963 ( E Z A Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 25).

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Voraussetzungen und Kontext

den hatte) 261 , daß „er den Eindruck gewonnen" habe, „dass der reibungslose Ablauf und die grosszügige Haltung staatlicher Behörden gegenüber dem Görlitzer Kirchentag auf die dort gebrauchte Formulierung ,Evangelischer Kirchentag in Görlitz' zurückzuführen sei". 262

Am deutlichsten bekam die Kirchentagsveranstaltung in Zwickau (Ev.Luth. Landeskirche Sachsens) die staatliche Ablehnung zu spüren.263 Verhandelt wurde beim Rat der Stadt Zwickau, also auf der untersten Ebene, die die diesbezüglichen Weisungen einschließlich der jeweils einzusetzenden Argumente freilich vom übergeordneten Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt erhielt Dieser wurde wiederum - zusammen mit den Kirchenreferenten der beiden anderen Bezirke, in denen Kirchentagstreffen geplant waren (Potsdam und Erfurt) - im Staatssekretariat für Kirchenfragen über das grundsätzliche Vorgehen in dieser Frage instruiert Am 9. April 1963 trafen sich beim Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt der Kirchenreferent des Rates des Bezirkes (Trinks), der 1. Stellvertreter des Zwickauer Oberbürgermeisters (Werner), der Kirchenreferent beim Rat der Stadt (Seyfert) und der Kirchenreferent des Rates des Kreises Zwickau (Weber). Dabei wurde entsprechend der Weisung des Hauptabteilungsleiters im Staatssekretariat für Kirchenfragen (Weise) festgelegt, daß alle Anträge der kirchlichen Seite „auf Druckgenehmigung, Plakate, allseitige Benutzung öffentlicher Räume", vor allem die Anträge auf Nutzung des Kulturzentrums „LindenhoP und des Lichtspieltheaters „Astoria", abzulehnen seien. Als Begründung sollte der kirchlichen Seite vorgehalten werden, sie habe wissentlich falsche Angaben gemacht, als erklärt wurde, es handele sich um einen reinen DDR-Kirchentag. In Wahrheit sei es eine Parallelveranstaltung zum westdeutschen Kirchentag in Dortmund. Als Beweisstück erhielt Werner vom Kirchenreferenten beim Rat des Bezirkes ein Schreiben des sächsischen Landesausschusses mit dem Briefkopf „Deutscher Evangelischer Kirchentag, Landesausschuß Sachsen"264 sowie als Argumentationshilfe einen Artikel des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland", in dem gegen das Thema des Dortmunder Kirchentages polemisiert wurde. Einschränkend wurde jedoch „mit Gen. Werner . . . vereinbart, daß, soweit es Veranstal-

Vgl. oben S. 42, Anm. 151. Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 23. September 1963, 10.00 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 1. 263 Brandenburg wurde wegen des Widerstandes der dortigen Pfarrerschaft ohnehin nur in sehr begrenztem Rahmen vorbereitet; in Erfurt spielten Rücksichten auf die Thüringer Landeskirche, die sich dort beteiligte, eine gewisse Rolle. 264 Es handelte sich um das bereits erwähnte (vgl. oben S. 41, Anm. 151) Schreiben Reimer Magers an die Kreisbeauftragten des Deutschen Evangelischen Kirchentages vom 19.2.1963. ш

D i e Kirchentagsarbeit in der D D R nach d e m Mauerbau

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tungen sind, die im innerkirchlichen Raum stattfinden, von staatlicher Seite nicht eingeschritten wird".265 Entsprechend wurde verfahren: Der Zwickauer Kirchentag durfte nur in den Kirchen der Stadt (Dom, Lutherkirche, Moritzkirche und Pauluskirche) stattfinden. Die Frage nach eventueller Nutzung des Platzes der Völkerfreundschaft konnte mit dem Hinweis beantwortet werden, daß dort zu dieser Zeit der Zirkus Aeros gastiere.266 Die Druckgenehmigung für den lokalen „Kirchenboten" wurde erst nach Streichung der darin enthaltenen Ankündigung des Kirchentages erteilt Als sich der Superintendent von Zwickau, Hans Rißmann, darüber beim Rat der Stadt beschwerte, erhielt der 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters Gelegenheit, die eine Woche zuvor vom Rat des Bezirkes erhaltenen Instruktionen in die Tat umzusetzen.267 Darüber hinaus wandte sich der 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes KaH-Marx-Stadt, Werner Straube, unter dem Datum des 29. April 1963 an seine Amtskollegen in den angrenzenden Bezirken Leipzig und Dresden, Walter Zmyslony und Rolf Opitz, und bat darum, „dafür zu sorgen, daß Gremien der Ev.-Luth. Kirche, die an den Tagen Sonnabend, den 1.6., Sonntag, den 2.6. und Montag, den 3.6.63, Omnibusse nach Zwickau bestellt haben oder noch bestellen, durch das Reisebüro bzw. die KVG keine Zusage erhalten".268 Damit war das Einzugsgebiet des Kirchentages im wesendichen auf Zwickau und Umgebung beschränkt 269 Die staatliche Behinderung des Kirchentages ging so weit, daß es der Kirche unmöglich gemacht wurde, für die selbstgefertigte Erbsensuppe270 Bockwürste zu erwerben, so daß die Suppe ohne „Einlage" 216

Trinks, Vermerk. Betr.: Maßnahmen zum bevorstehenden sogenannten Kirchentag in Zwickau Pfingsten 1963, 16.4.1963 (SStA Chemnitz, BT/RdB Karl-Marx-Stadt, 48695). ш Kirchlicherseits wurde der Verdacht laut, daß dieses Gastspiel kein Zufall, sondern ebenfalls als Teil der staadichen Blockadepolitik zu verstehen sei. Ob dieser Verdacht berechtigt war, geht aus den Akten nicht hervor. ж Vgl. Rat der Stadt Zwickau. 1. Stellv. d. Obbm. (Werner), An den Rat des Bezirkes. Referat Kirchenfragen, 26.4.1963 (SStA Chemnitz, BT/RdB Karl-Marx-Stadt, 48695). ** [Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt], 1. Stellvertreter des Vorsitzenden (Straube), An den 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Leipzig. Gen. Zmyslony, Betr.: Kirchentag in Zwickau Pfingsten 1963, 29.4.1963 (SStA Chemnitz, BT/RdB Karl-MarxStadt, 48695); [Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt]. 1. Stellvertreter des Vorsitzenden (Straube), An den 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Dresden. Gen. Opitz, Betr.: Kirchentag in Zwickau Pfingsten 1963, 29.4.1963 (SStA Chemnitz, BT/RdB KarlMarx-Stadt, 48695). w Lediglich aus dem Kreis Aue (oder Auerbach) wurden ca. 40 Teilnehmer und aus dem Kreis Werdau ca. 30 Teilnehmer registriert (vgl. Rat der Stadt Zwickau [Werner], Bericht Uber den in der Zeit vom 1.6.-3.6.1963 in der Stadt Zwickau durchgeführten Kirchentag der Ev.-Luth. Kirche, 6.6.1963 [SStA Chemnitz, BT/RdB Karl-Marx-Stadt, 48695], S. 3). 270 Gaststätten waren angewiesen worden, eventuelle Bestellungen von kirchlicher Seite zurückzuweisen, so daß zur Selbsthilfe gegriffen werden mußte.

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Voraussetzungen und Kontext

angeboten werden mußte und dementsprechend nur geringen Zuspruch fand. 271 Die staatlichen Einschätzungen des Kirchentages - die Veranstaltungen wurden selbstverständlich überwacht - betonten vor allem das geringe Interesse, auf das der Kirchentag insgesamt gestoßen sei. 272 Weiterhin wurde darauf hingewiesen, daß weder Landesbischof Noth noch der Vorsitzende des Kirchentagslandesausschusses und Präsident des D D R - K i r chentagspräsidiums Mager anwesend gewesen wären (ersterer aus dienstlichen, letzterer aus gesundheitlichen Gründen). Lediglich der Bericht des M f S verwies auf die Qualität des Hauptreferats von Pfarrer Gottfried Forck, 273 auch wenn dem Inhalt ein „vorwiegend negativer Charakter" bescheinigt wurde. 274 Die staadiche Fixierung auf eine Unterbindung gesamtdeutscher Tendenzen, die für die Behinderung des „Kirchentagstreffens" in Zwickau ausschlaggebend war, kam ein Jahr später den beiden kleinen Kirchentagen 271 Vgl. Rat der Stadt Zwickau. 1. Stellv. d. Vors. (Werner), Bericht über den in der Zeit vom 1.6.-3.6.1963 in der Stadt Zwickau durchgeführten Kirchentag der Ev.-Luth. Kirche, 6.6.1963 (SStA Chemnitz, B T / R d B Karl-Marx-Stadt, 48695), S. 1. m Auch in den Folgejahren bleibt dies, da in einer sozialistischen Gesellschaft die Säkularisierung gesetzmäßig voranschreite, eine ideologisch notwendige Feststellung. Im vorliegenden Fall - und wohl nicht nur bei ihm - wurde daher die Praxis der Theorie angepaßt. Während der Bericht des M f S die Zahl der Teilnehmer an der Hauptveranstaltung mit Pfarrer Gottfried Forck im Zwickauer D o m auf „ca. 1800 Personen" schätzte (Ministerium für Staatssicherheit. Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt, Einzel-Information über den vom 1.-2.6.1963 in Zwickau durchgeführten Kirchentag der Ev.-I.uth. Kirche, 7.6.1963 [BStU, ASt Chemnitz, C - A K G 31b, PI 135/63], S. 3), sprach der Bericht des Rates der Stadt Zwickau lediglich von „600 Personen" (Rat der Stadt Zwickau. (.Stellv. d. Vors. [Werner], Bericht über den in der Zeit vom 1.6.-3.6.1963 in der Stadt Zwickau durchgeführten Kirchentag der Ev.-Luth. Kirche, 6.6.1963 [SStA Chemnitz, B T / R d B Karl-Marx-Stadt, 48695], S. 6). M a g diese Differenz noch auf ein unterschiedliches Schätzungsvermögen der Beobachter zurückzuführen sein, ist die Korrektur der Besucherzahlen im Bericht des Rates des Bezirkes, der auf dem Bericht des Rates der Stadt fußt, unverkennbar. Der Bericht des Rates der Stadt hatte neben seiner Schätzung auf 600 Personen angegeben, daß der Dom zu 9 0 % besetzt gewesen sei (ebd.), der Bericht des Bezirkes betonte dagegen, daß „der D o m nur zur reichlichen Hälfte gefüllt" gewesen wäre ( [ R a t des Bezirkes Karl-Marx-Stadt]. Referat Kirchenfragen [Trinks], Information über den Kirchentag in Zwickau zu Pfingsten 1963, 7.6.1963 [SStA Chemnitz, B T / R d B Karl-Marx-Stadt, 48695], S. 1). D a ß beim vormittäglichen Festgottesdienst der D o m „voll besetzt" war, wird ganz verschwiegen. Das Referat ist erhalten in: Ε ZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 8 1 , abgedruckt in: M . K U E M / K . ROEBER/M. WLEDEMEYER: Glauben ist Ermutigung zum Handeln, S. 131-137. v ' „ D e r Referent hatte eine sehr starke Ausstrahlung auf die Anwesenden, sprach frei und ausdrucksvoll mit leicht verständlichen Beispielen und ohne den [!] üblichen pastoralen Pathos. Er ging aus von dem Sprichwort ,Wer wagt, gewinnt!" An Beispielen machte er klar, daß es den Menschen an Mut zur Wahrheit fehle. Seine Ausführungen hatten vorwiegend negativen Charakter" (Ministerium für Staatssicherheit. Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt, Einzel-Information über den vom 1.-2.6.1963 in Zwickau durchgeführten Kirchentag der Ev.-I.uth. Kirche, 7.6.1963 [ B S t U , ASt Chemnitz, C - A K G 31b, PI 1 3 5 / 6 3 ] , S.3).

Die Kirchentagsarbeit in der DDR nach dem Mauerbau

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zugute, die im DEKT-freien Jahr 1964 in Bernburg und Greifswald durchgeführt wurden. Der Greifswalder Kirchentag (3. Landeskirchentag) fand „sehr positive" Erwähnung in Berichten der örtlichen Zeitungen, „die den , modernen Charakter' dieser Veranstaltung unterstrichen hätten", der 5. Anhaltinische Kirchentag in Bernburg konnte für den Abschlußgottesdienst sogar den Markt vor der Schloßkirche nutzen.275 Für die zwei 1965 in Frankfurt (Oder) und Wittenberg durchgeführten „Kirchentagstreffen" spielte die Verbindung zum 12. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Köln dann nur noch eine untergeordnete Rolle. Entscheidend für den unterschiedlichen Verlauf der Verhandlungen mit den staatlichen Stellen waren hier andere kirchenpolitische Erfordernisse, die schließlich eine jeweils unterschiedliche Behandlung der beiden gastgebenden Landeskirchen (Berlin-Brandenburg und Kirchenprovinz Sachsen) angeraten erscheinen ließen. Bereits bei dem von der Konferenz der Landesausschüsse unternommenen Versuch, vor Beginn der Verhandlungen mit den örtlichen Behörden eine zentrale Befürwortung dieser Kirchentagsveranstaltungen durch das Staatssekretariat für Kirchenfragen zu erhalten, deutete sich ein besonderes Vorgehen der staatlichen Seite an: Nachdem der berlin-brandenburgische Präses Fritz Figur am Rande einer Begegnung zwischen dem Staatssekretär für Kirchenfragen und den leitenden Geistlichen der ostdeutschen Kirchen am 15. Januar 1965274 sowohl den Staatssekretär als auch seinen Hauptabteilungsleiter über die Kirchentagsplanung kurz informiert hatte, war dazu für den 5. Februar ein Gesprächstermin in der Dienststelle des Staatssekretärs vereinbart worden. Dieser Termin wurde seitens des Staatssekretariats kurzfristig um einen Tag verschoben, was wiederum von den kirchlichen Vertretern nicht akzeptiert werden konnte. Angesichts dessen wandte sich Figur - in Vertretung des erkrankten Präsidenten Mager - am 5. Februar schriftlich an HAL Weise und erbat einen neuerlichen Gesprächstermin, um zusammen mit den Vorsitzenden der Vorbereitenden Ausschüsse für Frankfurt und Wittenberg, Propst Wilhelm Berndt und Generalsuperintendent Albrecht Schönherr - die Kirchentagspläne vorstellen und erläutern zu können. Gleichzeitig gab er zu verstehen, daß man sich von dieser Begegnung - „bevor Gespräche auf Bezirksebene wegen der technischen Durchführung beginnen (Druckgenehmigun-

275

Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 2.Juli 1964, 9.00 Uhr, 9.7.1964 (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S.5. m Vgl. Staatssekretär, Vermerk über eine Zusammenkunft mit den evangelischen Kirchenleitungen am Freitag, dem 15. Januar 1965, von 18.00 bis 22.15 Uhr, im Berliner Ratskeller, 19.1.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 422) sowie Deutscher Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der Deutschen Demokratischen Republik (Figur), Herrn Hauptabteilungsleiter Weise, Betr.: 3 Kirchentagstreffen in der Deutschen Demokratischen Republik, 5.2.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 136). - In dem staatlichen Vermerk wurde die von Figur in seinem Schreiben vom 5. Februar erwähnte Information zu den drei geplanten Kirchentagen nicht festgehalten.

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Voraussetzungen und Kontext

gen, Verpflegung in HO-Gaststätten usw.)" - erhoffe, das Staatssekretariat würde seinerseits „freundlicherweise die zuständigen Bezirke über unser Vorhaben vororientieren und nach Möglichkeit uns auf Bezirksebene die Türen ein wenig öffnen".277 Noch am gleichen Tag - das Schreiben wurde offensichdich per Boten überbracht - erhielt Figurs Sekretärin aus dem Staatssekretariat die Nachricht, daß nach dortiger Meinung ein Gespräch nicht notwendig sei. Die Gründe für diese grundsätzliche Absage lagen in Figurs Schreiben mit dem Briefkopf „Deutscher Evangelischer Kirchentag"278 sowie in der darin formulierten Zielstellung des Gesprächs. Diese brüskierende Absage wurde allerdings nach interner Klärung zwischen Staatssekretär Seigewasser und HAL Weise zurückgenommen, wobei vermutlich bereits die Weichen für eine unterschiedliche Behandlung beider Kirchentage gestellt wurden. Das Gespräch konnte - unmittelbar nach Figurs Rückkehr aus dem Urlaub - am 26. Juni nicht nur stattfinden,279 sondern verlief auch unerwartet positiv. Zwar wurden keine ausdrücklichen Zusagen gegeben, jedoch auch „keinerlei Bedenken" geltend gemacht Selbst das für staadiche Ohren ärgerliche „Deutscher Evangelischer Kirchentag" kam nicht zur Sprache.280 D i e konkrete Vorbereitung der beiden Kirchentage ging dann jeweils eigene Wege, wobei nicht nur die unterschiedliche Unterstützung seitens der Behörden, sondern auch die jeweils unterschiedliche innerkirchliche Planung eine Rolle spielten. Angesichts befürchteter und von den örtlichen Behörden wohl auch angedeuteter Schwierigkeiten wurde der Kirchentag in Wittenberg (Kirchenprovinz Sachsen) von Anfang an lediglich auf der Grundlage der eigenen Möglichkeiten vorbereitet, die in Wittenberg allerdings wegen der dort ausreichend vorhandenen kirchlichen Räume auch besonders günstig waren. D i e Veranstaltungen konnten in den Wittenberger Kirchen und damit ausschließlich in kircheneigenen Räumen stattfinden. Auch für Verpflegung wurde selbst gesorgt. 281 Übernachtungen erfolgten

m Deutscher Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der Deutschen Demokratischen Republik (Figur), Herrn Hauptabteilungsleiter Weise, Betr.: 3 Kirchentagstreffen in der Deutschen Demokratischen Republik, 5.2.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 136). 271 Im Original - vermutlich von Weise - mit einem Pfeil versehen. m Beteiligt waren von kirchlicher Seite Präses Figur (Berlin-Brandenburg, als Vertreter der Konferenz der Landesausschüsse), Generalsuperintendent Schönherr (Berlin-Brandenburg, für den Vorbereitenden Ausschuß des Frankfurter Kirchentages) und Kirchenoberbaurat Koch (Kirchenprovinz Sachsen, für den Vorbereitenden Ausschuß des Wittenberger Kirchentages), von staatlicher Seite lediglich HAL Weise und der Ökumenereferent der Dienststelle (vgl. Aus einem Schreiben von Herrn Präses Figur vom 1.3.65 an Herrn Präsident D. Mager, undatiert [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] ) . 280 Präses Figur im nachhinein: „,Formfehler', die uns beide vor 2 Jahren lebhaft beschäftigen mussten, kamen nicht zur Erörterung" (ebd.). aj Vgl. Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder). Referat Kirchenfragen (Karge), Aktenvermerk über eine Beratung des Referenten f ü r Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes zum evangl. Kirchentagstreffen in Frankfurt (O) vom 24. bis 26. September 1965 mit Hauptabteilungs-

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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ausschließlich in Privatquartieren, von denen letztlich doppelt soviel zur Verfügung standen, als benötigt wurden.282 Auch wenn die konkrete Organisation im nachhinein Anlaß zu deutlicher Kritik bot,283 waren damit die Möglichkeiten der Behörden, den Kirchentag durch Verweigerung erbetener Unterstützung zu begrenzen, von vornherein gering und im wesentlichen auf die Bereiche Druckgenehmigungen und Verkehr beschränkt, die dann auch entsprechend genutzt wurden. Eine Druckgenehmigung für Kirchentagsplakate wurde nicht erteilt,284 woraufhin man sich durch „Selbstanfertigung"285 behalf.

leiter Gen. Weise und Gen. Wilke bei der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, 3.6.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 117-129), S. 1. ш Vgl. Nacken, Bericht vom Ablauf des Kirchentagstreffens in Wittenberg-Lutherstadt am 19. und 20.Juni 1965, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/54), S. 3. » Ebd. 284 Vgl. Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder). Referat Kirchenfragen (Karge), Aktenvermerk über eine Beratung des Referenten für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes zum evangl. Kirchentagstreffen in Frankfurt (O) vom 24. bis 26. September 1965 mit Hauptabteilungsleiter Gen. Weise und Gen. Wilke bei der Dienststelle des Staatssekretärs ftlr Kirchenfragen, 3.6.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 117-129), S.3. - Die Begleitumstände sind nicht bis in alle Einzelheiten rekonstruierbar. Ursprünglich war anscheinend nicht daran gedacht gewesen, für Wittenberg ein eigenes Plakat zu drucken bzw. zur Genehmigung einzureichen. Angesichts dessen beschloß der berlin-brandenburgische Landesausschuß, den für Frankfurt (Oder) angekauften Motiventwurf den Wittenbergem zur Verfügung zu stellen. Dabei spielte die Erwägung, daß es taktisch klug wäre, die staatliche Unterstützung bei beiden Kirchentagen in gleicher Weise einzufordern, eine nicht unerhebliche Rolle. Dementsprechend empfahlen die Brandenburger den Wittenbergem nicht nur, das genannte Plakat bei den örtlichen Behörden zur Genehmigung einzureichen, sondern auch „öffentliche Plätze für Veranstaltungen zu erbitten" und die „Stadtverwaltung wegen Heranziehung der Verkehrsbetriebe anzusprechen", wobei auf das Entgegenkommen der Behörden in Frankfurt verwiesen werden konnte (vgl. Lent, Niederschrift über die Sitzung des Landesausschusses Berlin-Brandenburg am 24.4.65, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/55]). Diese Rechnung ging allerdings nicht auf. Als Propst Berndt bezüglich der beantragten Druckgenehmigungen auf die großzügige Praxis in Frankfurt verwies, bewährte sich die von Anfang an zwischen Frankfurt und Wittenberg betriebene Abstimmung und wechselseitige Informationspolitik. Propst Berndt wurde nicht nur dahingehend korrigiert, daß auch in Frankfurt noch keine endgültigen Druckgenehmigungen erteilt worden seien. Angesichts der kirchlichen Berufung auf Frankfurt als Präzedenzfall wurde auch das dortige Entgegenkommen in der Druckgenehmigungsfrage umgehend gestoppt. Auf einer internen Beratung zwischen Vertretern des Staatssekretariats und dem Kirchenreferenten des Bezirkes Frankfurt (Oder) am I.Juni war man sich einig: „Der Druck von Plakaten ist grundsätzlich abzulehnen" (Rat des Bezirkes Frankfurt [Oder]. Referat Kirchenfragen [Karge], Aktenvermerk über eine Beratung des Referenten für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes zum evang. Kirchentagstreffen in Frankfurt [O] vom 24. bis 26. September 1965 mit Hauptabteilungsleiter Gen. Weise und Gen. Wilke bei der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, 3.6.1965 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 117-120], S. 3). Diese Position wurde solange durchgehalten, bis der Wittenberger Kirchentag vorbei war und nicht mehr von der Frankfurter Praxis profitieren konnte. Danach wurde die ablehnende Haltung revidiert In der Konferenz der Landesausschüsse wurde im nachhinein aus diesem Vorgang die „Lehre" gezogen, „dass man

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Voraussetzungen und Kontext

Abgelehnt wurde weiterhin der Druck von Einladungen für eine Evangelisationsveranstaltung im Rahmen des Kirchentages. Bewilligt wurde lediglich der Druck von Formularen (Anmeldungen u.a.) sowie des Programms.286 Eine Bereitstellung von Sonderbussen war von vornherein abgelehnt worden, konnte freilich wegen der geographischen Lage Wittenbergs287, die eine Koordination der staatlichen Maßnahmen erschwerte, nicht völlig durchgesetzt werden. Aufgrund mangelnder Koordination und dementsprechend fehlender Instruierung der unterschiedlichen Kraftverkehrsbetriebe gelang es Kirchentagsteilnehmern aus angrenzenden Bezirken, die ausdrücklich zum Kirchentag nach Wittenberg eingeladen worden waren,288 für ihre Anreise ca. 25 Busse anzumieten.289 Da der Rückgriff auf die eigenen Möglichkeiten die staadichen Einflußnahme beschränkte, konnte auch eine Ungeschicktheit der Kirchgemeinde St. Nikolai in Eilenburg den Kirchentag nicht ernstlich gefährden. Diese Gemeinde, die nach der kirchlichen Raumordnung zur gleichen Propstei wie Wittenberg gehörte, hatte in ihrem Gemeindeblättchen für den Monat Juni, das wie alle Druckerzeugnisse die einzelnen Bezirke nicht gegeneinander ausspielen dürfe" (Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 29. September 1965, 9.30 Uhr, undatiert [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] , S.4). 284 Vgl. Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 29. September 1965, 9.30 Uhr, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 3. - Vermudich handelte es sich bei dieser „Selbstanfertigung" um handgeschriebene Plakate, die zwar keiner Genehmigung bedurften, jedoch nicht in der Offendichkeit aufgehängt werden durften. ш Allerdings erst nach „harter" Auseinandersetzung: Die staadiche Seite forderte, die „Stunde der Begegnung" aus dem Programm zu streichen, weil man dahinter - nicht völlig zu Unrecht - eine Begegnungsveranstaltung mit westdeutschen Gästen und damit eine gesamtdeutsche Veranstaltung vermutete. Schließlich einigte man sich auf die Formulierung „Begegnung mit Wittenberg" und gestaltete diese Begegnung als Informationsveranstaltung über Wittenberg und seine Sehenswürdigkeiten (Rat des Kreises Wittenberg. 1. Stellvertreter des Vorsitzenden [Hoppe], Aktenvermerk über die Aussprache mit Herrn Propst Berndt und Superintendent Böhm am 15.5.1965, 15.5.1965 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 152]). 287 Der Kreis Wittenberg gehörte selbst zum Bezirk Halle, grenzte jedoch direkt an die Bezirke Potsdam, Cottbus und Leipzig. Kirchlich gehörte Wittenberg zur Kirchenprovinz Sachsen, deren Bereich hauptsächlich Gebiete aus den Bezirken Magdeburg und Halle umfaßte. Um die Anmietung von Bussen zu verhindern, hätten sich in diesem Fall die angrenzenden Kreise von 5 Bezirken abstimmen müssen. 288 Aus der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, der Evangelischen Landeskirche Anhalts, und der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (vgl. u. a. Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Magdeburg, An das Evangelisch-Lutherische Kirchenamt Sachsens. Herrn Bischof Lie. Noth, Betr.: „Wittenberger Kirchentag" am 19. und 20.6.1965 [Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 206119]). Vgl. Rat des Kreises Wittenberg. Referat Kirchenfragen (Sakowski), Kirchentagstreffen der Ev. Kirche in Wittenberg am 19. u. 20.6.1965, 24.6.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 94-99), S. I.

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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vorher zur Genehmigung einzureichen war, auf den Wittenberger Kirchentag hingewiesen und vermerkt: „Am 1. Sonntag nach Trinitatis, dem 20. Juni findet in Lutherstadt Wittenberg in Parallele zum Evangelischen Deutschen Kirchentag in Köln der Tag der Kirche statt." 290 - Der Rat des Kreises Eilenburg meldete diesen Sachverhalt umgehend an den zuständigen Rat des Bezirkes (Leipzig), woraufhin der dortige Kirchenreferent (Pientka) das Staatssekretariat für Kirchenfragen unterrichtete mit der Bitte „um recht baldige Mitteilung, ob von der für 20. Juni in Wittenberg geplanten Veranstaltung etwas bekannt ist".291 Der Hauptabteilungsieiter im Staatssekretariat teilte daraufhin dem Leipziger Kirchenreferenten mit, daß diese Notiz im Eilenburger Gemeindeblatt nicht erscheinen dürfe. Die für Kirchenfragen zuständigen Funktionäre im Bezirk Halle, zu dem Wittenberg gehörte, wurden darüber informiert, „daß der in Lutherstadt-Wittenberg am 20.6.65 geplante Kirchentag als Parallele zum Ev. Deutschen Kirchentag in Köln durchgeführt werden soll". D e m für die Propstei Kurkreis sowie für die Kirchentagsvorbereitung zuständigen Propst Berndt werde klargemacht, „daß ein derartiges Vorhaben nicht geduldet werden kann". 292 - Die kirchliche Seite vermochte dieses „Mißverständnis" auszuräumen.

Obwohl auf dem Kirchentag selbst keine direkten Verbindungen zum Deutschen Evangelischen Kirchentag in Köln hergestellt wurden, erfuhr der Kirchentag staatlicherseits eine durchweg negative Einschätzung. A. W. Nacken, der auf dem Kirchentag referiert hatte, stellte im Rückblick nicht nur fest, daß es „vom Thema h e r . . . unumgänglich" war, „dass heisse Eisen, wie das Verhalten der Christen in bestimmten Situationen, angepackt werden mussten", sondern daß dieses auch „sehr eindeutig" geschehen sei.293 Entsprechend schloß der Referent für Kirchenfragen beim Rat 2.0 St. Nikolai Eilenburg, Juni 1965, Nr. 6 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 151). Deutlich vorsichtiger formulierte etwa die Kirchenleitung in einem innerkirchlichen Rundschreiben, das die Kirchentage in Wittenberg und Frankfurt (Oder) ankündigte: „Es ist uns versagt, uns in der Gemeinschaft evangelischer Christen aus allen deutschen Landeskirchen zu versammeln. Nicht versagt ist uns jedoch das gemeinsame Beten und geisdiche Bedenken. Wir rufen daher unsere Gemeinden dazu auf, in der 6. Woche nach Trinitatis den Propheten Jona gemeinsam zu lesen. Am 7. Sonntag nach Trinitatis möchte über Gal. 5,13 und 14 gepredigt, das Lied EKG 227 gesungen und in der Fürbitte des Kirchentages gedacht werden" (Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen [VI - 398/65, Jänikke], Rundverfügung Nr. 13/65. Betr.: Kirchentagsarbeit [Abschrift], 12.4.1965 [BArch Berlin, StfK, DO 4, 2931, Bl. 147-148]). Daß es sich bei dem zuletzt genannten Kirchentag um den Kirchentag in Köln und nicht um den in Wittenberg handelt, wird expressis verbis nicht gesagt und dürfte den mit der kirchlichen Zeitrechnung nicht vertrauten Staatsfunktionären vermutlich auch nicht aufgefallen sein (in dem Abschriftsexemplar aus der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen ist zwar der Hinweis auf die beiden Kirchentage in Wittenberg und Frankfurt angestrichen, nicht jedoch die oben zitierte Passage). 2.1 Vgl. St. Nikolai Eilenburg, Juni 1965, Nr. 6 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 151) - Abschrift mit den handschriftlichen Bemerkungen des Referenten für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Leipzig, Walther Pientka. m Aktenvermerk, 22.5.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 149). *" Nacken, Bericht vom Ablauf des Kirchentagstreffens in Wittenberg-Lutherstadt am 19.

76

V o r a u s s e t z u n g e n und

Kontext

des Kreises Wittenberg seinen ausführlichen Bericht mit der Folgerung: „Das Kirchentagstreffen, vor allem die Hauptversammlung, hat offensichtlich allen reaktionären Kräften innerhalb der Kirche Auftrieb gegeben."294 - Insgesamt hatte der Kirchentag in Wittenberg einerseits gezeigt, was im Bereich der Kirchentagsarbeit bei günstigen Voraussetzungen ohne staatliche Unterstützung möglich war, andererseits aber auch das Maximum dessen markiert, was bei Beschränkung auf innerkirchliche Möglichkeiten machbar war. Ganz anders lagen die Dinge in Frankfurt (Oder). Dort schien angesichts des Mangels an geeigneten Räumen eine Beschränkung auf die innerkirchlichen Möglichkeiten wenig sinnvoll. Zum anderen war das Kirchentagsvorhaben von der berlin-brandenburgischen Kirchenleitung der Ostregion in besonderer Weise aufgegriffen worden, die einerseits zugesagt hatte, „alles zu unternehmen, um den Erfolg sicherzustellen", von der andererseits aber auch deutlich ihre Erwartungen benannt worden waren. Dazu gehörte nicht nur eine ständige Konsultation bei der „Auswahl der Referenten, Bibelarbeiter etc." oder die Ernennung des Eberswalder Generalsuperintendenten Schönherr zum alleinigen Verhandlungsführer für die anstehenden Gespräche mit staatlichen Behörden, sondern auch die Bitte, die Vorbereitung des Kirchentages und damit den Kirchentag selbst - über den unmittelbaren Bereich von Frankfurt hinaus - auf eine breitere Grundlage zu stellen.295 Man war also aus mehreren Gründen auf staatliche „Unterstützung" angewiesen, die in diesem besonderen Fall auch gewährt wurde. E i n e erste B e w ä h r u n g s p r o b e m u ß t e n die V e r h a n d l u n g e n allerdings bestehen,

ehe

sie r i c h t i g b e g o n n e n h a t t e n . I m F e b r u a r w u r d e d e u t l i c h , d a ß d a s f ü r d e n K i r c h e n t a g v o r g e s e h e n e W o c h e n e n d e ( 2 8 . - 3 0 . M a i ) mit d e n V o r b e r e i t u n g e n für die 7. A r b e i t e r f e s t s p i e l e 2 9 6 , d i e v o m 1 8 . bis 2 0 . J u n i in F r a n k f u r t ( O d e r ) s t a t t f i n d e n s o l l t e n ,

und 20. J u n i 1 9 6 5 , undatiert ( E Z A , D E K T , 9 5 / 9 3 / 5 4 ) , S. 4. - E i n e V e r s c h ä r f u n g der Aussage (gegen den W e h r d i e n s t ) ergab sich ungewollt durch eine angesichts der fortgeschrittenen Zeit ad h o c vorgenommen

K ü r z u n g des Referates von

Pastor Krüger-Haye,

wodurch

Aussagen nebeneinander zu stehen k a m e n , die ursprünglich nicht direkt miteinander verbunden waren. D i e s e r „nicht beabsichtigte A k z e n t " wurde auch im nachhinein nicht bedauert, o b w o h l e r „den anwesenden Staatsvertretern unliebsam aufgefallen" war. D e n n : „Angesichts d e r einheitlichen Linie d e r Aussagen dürfte . . . d e r G e m e i n d e eine echte Wegweisung gegeben worden sein" (ebd. - dazu: R e f e r a t P a s t o r K r ü g e r - H a y e , gehalten auf dem Kirchentagstreffen 1965 in Wittenberg - Lutherstadt am 20. J u n i 1 9 6 5 [ E Z A , D E K T , 9 5 / 9 3 / 5 4 ] , S. 2 f.). 2.4

R a t des Kreises W i t t e n b e r g . R e f e r a t K i r c h e n f r a g e n ( S a k o w s k i ) , Kirchentagstreffen der

Ev. K i r c h e in W i t t e n b e r g am 19. u. 2 0 . 6 . 1 9 6 5 , 2 4 . 6 . 1 9 6 5 ( B A r c h Berlin, S t f K , D O 4 , 2 9 3 1 , Bl. 9 4 - 9 9 ) , S. 6. 2.5

Burkhardt, Herrn Pastor Krüger-Haye, 18.12.1964 ( E Z A , D E K T ,

m

Seit 1 9 5 9 j ä h r l i c h , ab 1972 alle zwei J a h r e jeweils in einem anderen B e z i r k d e r D D R

95/93/83).

stattfindende Veranstaltung zur Förderung des „künsderischen V o l k s s c h a f f e n s " (vgl. dazu u . a . A. HHRBST/W. R \ N K E / J . WINKLER: SO funktionierte die D D R , B a n d 1, S. 7 0 - 7 2 ) .

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

77

kollidieren würde, mit einer „Unterstützung" durch staatliche Stellen für diesen Zeitraum somit nicht zu rechnen sei. Bei der Suche nach Lösungen wurde vom berlin-brandenburgischen Landesausschuß ein Umzug des Kirchentages in eine andere Stadt ebenso abgelehnt wie eine „Reduzierung auf eine Veranstaltung im Stil der sonstigen Kreiskirchentage . . . , weil gerade Frankfurt/O. als Modell für Kirchentagstreffen gedacht war, wie sie die Konferenz der Landesausschüsse empfiehlt, solange ein DDR-Kirchentag nicht durchführbar ist".297 Möglich erschien lediglich eine Verschiebung des Termins auf September. Nachdem der 1. Stellvertreter des Ratsvorsitzenden beim Bezirk, Gerhard Müller, in einem ersten Gespräch mit Generalsuperintendent Schönherr am 12. März - wie erwartet - mit Rücksicht auf die Arbeiterfestspiele um eine Terminverlegung gebeten hatte, entschied sich der Vorbereitende Ausschuß in einer „kurzfristig anberaumten Besprechung am 13.3. in der Stephanus-Stiftung" für eine Verlegung auf den 24.-26. September 1965. 298 Dieser Termin wurde staadicherseits akzeptiert. 299

Abgesehen von der notwendigen Verlegung des Kirchentages wurde staatlicherseits von Anfang an die Bereitschaft zur „Unterstützung" dieses Kirchentages signalisiert. Allerdings seien dabei - wie Pastor Krüger-Haye rückblickend vor der Konferenz der Landesausschüsse berichtete - „zwei Punkte" von vornherein „zur Bedingung gemacht worden ...: 1.) Es dürfe bei diesem KT-Treffen nicht deutlich werden, dass dabei ein Zusammenhang mit der EKiD und Fulda bestünde. Nur dann wäre man zu einer Unterstützung bereit. . . . 2.) Die Mission dürfe nicht in Erscheinung treten."300 Demgegenüber konnte „mit gutem Gewissen" erklärt werden, „dass man in eigener Verantwortung dieses Kirchentagstreffen veranstalten wolle".101 Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Berlin-Brandenburg (Lent), Niederschrift über die 2. Sitzung des vorbereitenden Ausschusses für das Kirchentagstreffen Frankfurt/Oder am 4.2.65 im Büro des Landesausschusses Berlin-Brandenburg, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/83). ** Vgl. Lent, Niederschrift über die 3. Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für das Kirchentagstreffen Frankfurt/Oder am 11.3.65 im Büro des Landesausschusses Berlin-Brandenburg, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/83). Müller, der nach kirchlichen Angaben „Ende August/Anfang September" vorgeschlagen hatte, stellte den Werdegang der Terminfindung in einem Schreiben an den Staatssekretär für Kirchenfragen allerdings genau umgekehrt dar: „Unter Berücksichtigung der Durchführung der 7. Arbeiterfestspiele im Bezirk Frankfurt (Oder) habe ich Herrn Generalsuperintendenten Schönherr hinsichüich des geplanten Kirchentages in Frankfurt (Oder) den Termin vom 24. bis 26. September 1965 vorgeschlagen, der auch vom Generalsuperintendenten akzeptiert wurde" (Rat des Bezirkes Frankfurt. 1. Stellvertreter des Vorsitzenden [Müller], Regierung der DDR. Staatssekretär für Kirchenfragen, Evangelischer Kirchentag in Frankfurt [Oder] - Aussprache mit den Superintendenten des Bezirkes, 12.4.1965 [BArch Berlin, StfK, DO 4, 2931, Bl. 75]). 300 Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der DDR - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 29. September 1965, 9.30 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 4. 301 Ebd.

78

Voraussetzungen und Kontext

Angesichts dieser Versicherung wurde der kirchliche Wunsch, für den Frankfurter Kirchentag auch nichtkirchliche Räume nutzen zu können, da in Frankfurt nicht so viele kircheneigene Räume zur Verfügung stünden wie etwa in Wittenberg, vom 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, Müller, nicht sofort abgelehnt, sondern erst einmal zur Kenntnis genommen. Im Bericht an das Staatssekretariat für Kirchenfragen vermerkte Müller zwar, daß sein Standpunkt sei, „die Kirchentagsveranstaltungen auf kircheneigene Räume zu beschränken", er fügte allerdings hinzu: „Sollte jedoch bei solchen Kirchentagen in der Republik bisher eine andere staadiche Position praktiziert worden sein, so wäre ich Ihnen für die Übermittlung diesbezüglicher Hinweise dankbar."302 Eine Übermittlung anderslautender Hinweise aus der Dienststelle des Staatssekretärs erfolgte nicht Jedoch wurde dort auf Müllers Schreiben die Formulierung „kircheneigene Räume" durch „kircheneigenes Gelände" (womit eine Veranstaltung unter freiem Himmel für möglich gehalten wurde) ergänzt 303 Neu und auch für die Dienststelle des Staatssekretärs (wie für die kirchliche Seite) befremdlich war der Wunsch Müllers, auf der Abschlußveranstaltung des Kirchentages selbst mit einer „politischen Orientierung" in Erscheinung zu treten.304 Am 4. Mai 1965 fand dann in Frankfurt (Oder) ein Gespräch über den geplanten Kirchentag statt,305 bei dem bereits die Zusammensetzung bemerkenswert war. Den vier kirchlichen Vertretern saßen nicht Vertreter des Bereichs Inneres des Rates der Stadt gegenüber, sondern: 302 Rat des Bezirkes Frankfurt. I.Stellvertreter des Vorsitzenden (Müller), Regierung der DDR. Staatssekretär für Kirchenfragen, Evangelischer Kirchentag in Frankfurt (Oder) Aussprache mit den Superintendenten des Bezirkes, 12.4.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bi. 75). 303 А. а. O. ^ Vgl. [Rat des Bezirkes Frankfurt]. Referat Kirchenfragen (Karge), Aktenvermerk über eine Beratung mit dem Generalsuperintendenten Schönherr und weiteren Vertretern der Kirche in der Angelegenheit des ev. Kirchentages in Frankfurt (O), 22.5.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 78-80), S.2; Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder). Referat Kirchenfragen (Karge), Aktenvermerk über eine Beratung des Referenten für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes zum evangel. Kirchentagstreffen in Frankfurt (O) vom 24. bis 26. September 1965 mit Hauptabteilungsleiter Gen. Weise und Gen. Wilke bei der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, 3.6.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 117-120), S. 2 f. - Nur mit Mühe konnte Müller unter Hinweis auf den am Freitagabend geplanten Empfang, auf dem er das Wort ergreifen könne, von diesem Gedanken abgebracht werden. Kirchlicher Veranstalter und Staatssekretariat für Kirchenfragen zogen in diesem Punkt am gleichen Strang, waren beide jedoch auf Überzeugung angewiesen. Die Kirche durfte Müller nicht verärgern, das Staatssekretariat hatte keine direkten Weisungsbefugnisse. 305 Vgl. [Rat des Bezirkes Frankfurt]. Referat Kirchenfragen (Karge), Aktenvermerk über eine Beratung mit dem Generalsuperintendenten Schönherr und weiteren Vertretern der Kirche in der Angelegenheit des ev. Kirchentages in Frankfurt (O), 22.5.1965 (BArch Berlin. StfK, D O 4, 2931, Bl. 78-80).

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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- der 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes (Müller), - der Hauptabteilungsleiter in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen (Weise), - der Persönliche Mitarbeiter des 1. Sekretärs der SED-Bezirksleitung (Sauermann) und - der Referent für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes (Karge). Vor allem die Teilnahme eines Vertreters des Staatssekretariats und der SED-Bezirksleitung war ungewöhnlich. Bei diesem Gespräch wurde kirchlicherseits der Wunsch auf Bereitstellung nichtkirchlicher Räume wiederholt und erläutert Im einzelnen ginge es um die Frankfurter Freilichtbühne für die Abschlußveranstaltung sowie um zwei Kinos, in denen Filme gezeigt werden sollten. Seitens des Vertreters der SED-Bezirksleitung wurde daraufhin gegen die Filme im einzelnen Einspruch erhoben, nicht jedoch gegen den Wunsch, aus Anlaß des Kirchentages besondere Filmvorführungen stattfinden zu lassen. Auch HAL Weise erhob keinen grundsätzlichen Einspruch, sondern „übermittelte einige Erfahrungswerte über die Durchführung anderer Kirchentage in der Republik und daß diese Probleme hinsichtlich der Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen gründlich beraten werden müssen". Müller wiederum sagte eine staatliche Entscheidung innerhalb von drei Wochen zu. Bei Anträgen auf Druckgenehmigung für Einladungen, Quartierscheine, Anmeldungen wurde Unterstützung durch den Bezirk „im Rahmen des möglichen" in Aussicht gestellt Daß diese Haltung staatlicherseits emstgemeint war, zeigt die anschließende interne Besprechung, in der man sich darauf einigte, bei den Filmvorführungen jeweils 20 Karten selbst zu beanspruchen, um Informanten und zuverlässige Redner für eine eventuelle Diskussion über den gezeigten Film einschleusen zu können. Die Frist von drei Wochen konnte nicht eingehalten werden. Ende Mai war die Frage der Nutzung öffentlicher Einrichtungen noch immer offen. Auf einer internen Besprechung am l.Juni zwischen Vertretern des Rates des Bezirkes und Mitarbeitern des Staatssekretariats306 machte man sich allerdings das kirchliche Argument, beim bevorstehenden Kirchentag in Wittenberg, der seitens des Rates des Bezirkes Halle wenig Unterstützung erfahren hatte, sei die Situation eine völlig andere, zu eigen. Die Frage der Bereitstellung der Freilichtbühne wurde dem Bezirk zur Entscheidung überlassen, wobei bereits festgehalten wurde, daß „unter den in Frankfurt (Oder) bei der letzten Beratung aufgezeigten örtlichen Bedingungen . . . 306 Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder). Referat Kirchenfragen (Karge), Aktenvermerk über eine Beratung des Referenten für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes zum evangel. Kirchentagstreffen in Frankfurt (O) vom 24. bis 26. September 1965 mit Hauptabteilungsleiter Gen. Weise und Gen. Wilke bei der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, 3.6.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 117-120).

80

Voraussetzungen und Kontext

die Genossen die Zur-Verfügung-Stellung der Freilichtbühne" empfehlen. Hinsichdich des kirchlichen Wunsches, zwei Lichtspieltheater nutzen zu dürfen, wurde zwar grundsätzlich darauf hingewiesen, „daß es nicht im Aufgabenbereich der Kirche liegt, eigene Filmveranstaltungen in Lichtspieltheatern durchzuführen", dennoch wurde eine solche Aufführung nicht grundsätzlich abgelehnt. Lediglich die vorgeschlagenen Filme fanden keine Zustimmung. Die Begründung ist bezeichnend: „Wir wünschen keine weltanschaulichen Diskussionen auf diesem Kirchentagstreffen, welche die Gemeinsamkeit bei der Lösung unserer Lebensfragen gefährden." Entsprechend dieser Argumentation wurden für die von der Kirche gewünschten Filme Ersatzvorschläge notiert, und zwar Filme, „die echte Probleme unserer Zeit behandeln". 307 Die in Aussicht gestellten Druckgenehmigungen - abgesehen von dem inzwischen auch in Wittenberg eingereichten Plakat 308 - sollten erteilt werden, allerdings unter der Auflage, bei den Einladungen einige Korrekturen 309 vorzunehmen. Zu den staatlicherseits vorgeschlagenen Filmen konnte sich die kirchliche Seite freilich nicht entschließen, so daß es zu keiner der geplanten Filmvorführungen kam. Die Freilichtbühne stand jedoch für die Abschlußversammlung zur Verfügung. Darüber hinaus wurde staadicherseits die Verpflegung der Dauerteilnehmer ermöglicht, Unterstützung durch „Polizei und andere Dienststellen" gewährt sowie für die Bereitstellung von Omnibussen gesorgt 310 Diese nach den bisherigen Erfahrungen völlig ungewöhnliche Unterstützung durch die Behörden, die den Kirchentag stellenweise zu ihrer eigenen Sache gemacht zu haben schienen, 3 " führte dazu, daß das Kirchentagstreffen in Frankfurt (Oder) als Wendepunkt in der staatlichen Haltung gegenüber Kirchentagsveranstaltungen gedeutet werden konnte. Bereits auf einem Empfang für Vertreter aus Staat und Kirche anläßlich des Kirchentages bezeichnete Generalsuperintendent Schönherr „das Frankfurter Treffen als ein Beispiel dafür, nun im Raum der D D R das aufgetragene Zeugnis [dem sich die Kirchentagsbewegung verpflichtet wisse] in der Weise zu geben, wie es geboten sei", und „sprach die Hoffnung aus, daß es

107 „Die Brücke", „Die Abenteuer des Werner Holt", „Das Urteil von Nürnberg", „Rosen für den Staatsanwalt", „Weil du arm bist, muß du eher sterben" (a.a.O., S.2). Siehe oben S. 73, Anm.284. " " Zu einem „Kabarett der Jugend" dürfe nicht eingeladen werden, „da kabarettistische Aufführungen nicht Sache der Kirche sein können". Weiterhin dürfe auf den Einladungen nicht die Bezeichnung „Deutscher Evangelischer Kirchentag" erscheinen (a.a.O., S. 3). M0 Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 29. September 1965, 9.30 Uhr, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 5. 111 Der Rat der Stadt Frankfurt (Oder) soll dem Vorbereitenden Ausschuß gegenüber erklärt haben, „dass er dieses Unternehmen ,als auch in seiner Verantwortung' betrachte und dass er wolle, dass ,dieser Kirchentag zu einem Erfolg für sie werde'" (ebd.).

Die Kirchentagsarbeit in der DDR nach dem Mauerbau

81

einmal auch zu einem Gesamtkirchentag für die DDR kommen werde".312 Hinsichtlich der Kooperation mit der staadichen Seite gab Pastor Krüger-Haye bei der Auswertung des Kirchentages in der Konferenz der Landesausschüsse zu bedenken, „dass, wenn wir vom Kirchentag gewillt seien, etwas Grosses zu planen, wir auf solche Weise mit den staadichen Stellen zusammenarbeiten müssten, und dass es gerade hier zu einem Durchbruch zwischen Staat und Kirche gekommen sei. Die Basis zur Zusammenarbeit sei vorhanden."313 Ganz konkret umriß der Cottbuser Generalsuperintendent und Verwalter des Bischofsamtes, Günter Jacob, einen Tag später auf der Sitzung der Konferenz der Kirchenleitungen am 30. September 1965 den Horizont, der sich mit dem Frankfurter Kirchentag eröffnet habe, indem er anregte, „einen Kirchentag der evangelischen Kirche in der DDR für etwa 1968 vorzusehen".314 Auch im Rückblick aus mehrjährigem Abstand war noch eine entsprechende Bewertung des Frankfurter Kirchentages möglich: „Frankfurt/Oder gilt heute als entscheidende Wegmarke für die Kirchentagsarbeit in der DDR. Damals gelang es zum ersten Mal, staadiches Mißtrauen abzubauen, ohne Eigenes aufgeben zu müssen."315 Bei dieser Deutung wurde allerdings übersehen, daß die staatliche Seite nach Frankfurt - vom Kirchentag 1966 in Potsdam abgesehen - wieder zu ihrer vormaligen harten Haltung zurückkehrte. Angesichts dessen sprach Otto Schröder zutreffender von einer „Ausnahme" in dieser Zeit 516 Eine Wende war Frankfurt für Schröder insofern, als die große Beteiligung am Frankfurter Kirchentag317 der Kirchentagsarbeit innerkirchlich zum Durchbruch verhalf: „Nach den Kirchentagen des Jahres 1965 wuchs die Bereitschaft zu ähnlichen Unternehmungen."318 Der Sonntag. Gemeindeblatt der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens 20 (1965), Nr. 48 vom 24.10.1965, S.4. ш Segebarth, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche", Berlin-Weissensee, am 29. September 1965, 9.30 Uhr, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S.5. 3,4 Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der evangelischen Kirchenleitungen in der D D R am 30.9.1965 in Berlin-Weißensee - K D 2885/65 I aus der Akte Beih. 1 zu 024, 26.10.1965 (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 25). 315 S. HELTAU: Kirchentagsarbeit in der D D R , S. 26. Übernommen in: Kirchliches Jahrbuch 101 (1974), S.448, aufgegriffen von A. SCHÖNHERR: . . . aber die Zeit war nicht verloren, S. 223 f. 316

O . S C H R 0 D E R / H . - D . PETER: V e r t r a u e n w a g e n , S. 6 9 .

317

Die Angaben schwanken. Schröder selbst spricht 1971 von 7000 Gemeindegliedern, die zur Hauptversammlung in die Freilichtbühne gekommen seien ([Otto Schröder], Bericht über die Kirchentagsarbeit in der D D R , gegeben am 13.3.1971 vor der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der D D R [EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549], S. 1; ebenso Irmgard Lent Ende der 80er Jahre, in: O. SCHRÖDER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 166), während die 1979 im Auftrag der Konferenz der Landesausschüsse zusammengestellte Dokumentation nur 5000 Teilnehmer vermerkt (H. KRÜGER-HAYE/S. LANGE/I. L E N T / H . MüLLER-UlBRJG: E v a n g e l i s c h e r K i r c h e n t a g in d e r D D R , S. 2 3 ) . 318 [Otto Schröder], Bericht über die Kirchentagsarbeit in der DDR, gegeben am 13.3.1971 vor der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der D D R (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549), S. 1 f.

82

Voraussetzungen und Kontext

Die besondere Unterstützung des Kirchentages in Frankfurt (Oder) durch die staadichen Stellen war nicht in einer grundsätzlichen Korrektur der staats- bzw. parteiinternen Einschätzung kirchlicher Großveranstaltungen begründet,519 sondern darin, daß dieser Kirchentag nicht nur von der berlin-brandenburgischen Kirche ausgerichtet werden, sondern im direkten Zuständigkeitsbereich von Generalsuperintendent Jacob stattfinden sollte, der staatlicherseits als zukünftiger Bischof einer von Westberlin endgültig getrennten berlin-brandenburgischen Kirche in der D D R angesehen320 und gefördert wurde.321 Der aufgrund staatlicher Mithilfe gelungene Kirchentag sollte sowohl die positive Haltung von Generalsuperintendent Jacob zur sozialistischen Gesellschaft festigen als auch dem von ihm betriebenen Kurs der Verständigung durch vorzeigbare Erfolge Akzeptanz in der Kirche verleihen. Beides wurde nach staatlicher Einschätzung erreicht, so daß abschließend mit den üblichen stereotypen Wendungen ein „fortschreitender Prozess der sozialistischen Bewußtseinsbildung der chrisdichen Bürger" sowie ein „sich weiter entwickelnder positiver Differenzierungsprozess unter den kirchlichen Amtsträgern und Theologen" des Bezirks konstatiert322

>n Deutlich wird das nicht zuletzt daran, d a ß gerade jene Stellen, die den Kirchentag unterstützt hatten, als eigentliches Ziel der Kirche festhielten, mit dieser Veranstaltung „ihre Basis unter allen Schichten der Bevölkerung und mit Mitteln, die der Kirche nicht zustehen, zu erweitern" (Rat des Bezirkes Frankfurt [Oder]. Referat Kirchenfragen [Karge], Einschätzung des Kirchentages der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg vom 24.-26. September 1965 in Frankfurt [Oder], 13.11.1965 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 433, Bl. 276-285], S.2). 520 Günter Jacob war 1963 von der Kirchenleitung die Wahrnehmung der bischöflichen Aufgaben für die Ostregion übertragen worden („Verwalter des Bischofsamtes"), da weder der Bischof der Ost- und Westregion umfassenden berlin-brandenburgischen Kirche (Otto Dibelius) noch der als „Verweser des Bischofsamtes" eingesetzte Kurt Scharf ihre Funktionen im Osten ausüben konnten (vgl. dazu R. MAU: Probleme der Regionalisierung). H1 Die staatliche Haltung zu Jacob tritt ausführlich in einer Konzeption für ein Gespräch mit ihm angesichts der für 1966 geplanten Bischofswahl zutage. Darin heißt es unter anderem: „II. Welche Probleme sollten an Bischof Jacob herangetragen werden? 1. Seine Position im Bereich der Kirche Berlin-Brandenburg so zu festigen, d a ß er als Bischof auch nach der Februar-Synode 1966 weiter fungiert. . . . 2. Bischof Jacob in jeder möglichen Weise das Vertrauen und die Unterstützung der staatlichen und gesellschaftlichen Organe zusagen und geeignete Formen seines Auftretens zu den Lebensfragen zu beraten, ohne daß er in eine weitere Isolierung gerät, die von den negativen Kräften gegenüber ihm versucht wird, zu organisieren" (Arbeitsgebiet Evang. Kirche [Weise], Material für das Gespräch mit Bischofsverwalter Jacob, 3.11.1965 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 433, Bl. 291-296], S. 3 f.; vgl. auch R. MAU: Probleme der Regionalisierung, S. 148 f.). 122 Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder). Referat Kirchenfragen (Karge), Einschätzung des Kirchentages der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg vom 24.-26. September 1965 in Frankfurt (Oder), 13.11.1965 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 433, Bl. 276-285), S. 7. - Vor allem die Wirkung auf Generalsuperintendent Schönherr wurde hervorgehoben: „Auch beim Generalsup. Schönherr, Eberswalde, zeigen sich weitere positive Tendenzen, insbesondere in seinen Bemühungen um ein gutes Verhältnis zwischen Staat und Kirche im Bezirk Frankfurt (Oder), die sich auch darin widerspiegelten, daß Generalsup. Schönherr seine

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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und eine Fortführung der staatlichen Bemühungen um die Generalsuperintendenten Jacob und Schönherr empfohlen werden konnte. „Unsere Schlußfolgerung muß darin bestehen, die fortschritdiche Position des Verwalters des Bischofsamtes, Generalsup. D. Jacob, zu stärken und die guten Ansätze beim Generalsup. Schönherr, sich der Position des Bischofsverwalters zu nähern, durch die Genossen in den staatlichen Organen zielstrebig zu fördern."323

In den Kontext der besonderen Situation in Berlin-Brandenburg gehörte auch der ein J a h r später, am 24./25. September 1966, in Potsdam (Amtsbereich von Generalsuperintendent H o r s t Lahr) durchgeführte Kirchentag mit dem Thema „Mit der Wahrheit und der Liebe leben". 324 Allerdings hatte sich nach der Wahl von Kurt Scharf, seit 1961 Vorsitzender des Rates der E K D , zum Bischof im Februar 1966 die Situation erheblich verändert. Entsprechend stellte der Kirchenreferent beim Rat des Bezirkes Potsdam, Ehlert, in seinem Maßnahmeplan f ü r den Kirchentag fest: „1965 [sc. beim Kirchentag in Frankfurt] war es auf Grund der Situation zwischen Staat und Kirche Berlin-Brandenburg möglich, eine großzügige staatliche Unterstützung in der Vorbereitung des KTr. zu geben. Die kirchenpolitische Situation insgesamt hat sich jedoch dahingehend verschärft, daß die westdeutsche EKDFührung bemüht ist, mit Hilfe jener Kreise der Kirchenleitungen der DDR, die die Politik der westdeutschen Kirchenführung unterstützen, Spannungen in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche in der D D R hervorzurufen und zu vertiefen."325

Mit der Bischofswahl 1966 war die besondere Situation in Berlin-Brandenburg allerdings keineswegs beendet. Nach der Wahl Scharfs und der Erklärung der D D R , daß sie ihn als Bischof der Ostregion nicht anerkennen werde, war die Situation offener als zuvor. Unklar war vor allem, wer in der Ostregion mit der Wahrnehmung der bischöflichen Aufgaben betraut werden würde. Nach der Weigerung Jacobs kam unter anderem auch Generalsuperintendent Lahr in Betracht, in dessen Bereich der Kirchentag stattfand. Entsprechend wurde nach Absprache zwischen Rat des Bezirkes Potsdam, SED-Bezirksleitung Potsdam, Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder) und Staatssekretariat f ü r Kirchenfragen staatlicherseits bei diesem Kirchentag ein Mittelweg eingeschlagen. Es wurde zwar verhindert, daß der Kir-

persönliche Haltung zu unserem Arbeiter- und Bauernstaat korrigierte und erstmalig an der Wahl am 10. Oktober 1965 teilnahm" ( a . a . O . , S.6). 123 Ebd. 324 Mit diesem Kirchentag sollte die Tradition der Kurmärkischen Kirchentage (vgl. oben S. 54 mit Anm. 207) in Verbindung mit dem Landesmissionsfest fortgesetzt werden. 325 Rat des Bezirkes Potsdam. Referat Kirchenfragen (Ehlert), Informationen und vorgeschlagene Maßnahmen zum Kirchentagstreffen am 24. und 25. September 1966 in Potsdam, 18.8.1966 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 46-51), S. 1.

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Voraussetzungen und Kontext

chentag „den Charakter ,eines gesamtdeutschen Kirchentages annimmt'" (Einreisesperre für Besucher aus Westdeutschland), und eine Begrenzung der Teilnehmerzahlen angestrebt (kein Sonderzug für Teilnehmer aus den Nordkreisen) 3 2 6 , ansonsten war man jedoch bemüht, den Kirchentag unauffällig und ohne nennenswerte Behinderungen ablaufen zu lassen. Die handlungsleitende Einsicht, die der Rat des Bezirkes Potsdam hinsichdich des Kirchentages festhielt, war dementsprechend vor allem taktischer Natur: „Ohne Zweifel sollen alle kirchlichen Großveranstaltungen (sowie die kleineren natürlich auch) dem Zweck dienen, dem Schrumpfungsprozeß der Kirche entgegenzuwirken sowie besonders psychologisch einzuwirken, mit dem Aussageergebnis: ,Die Kirche lebt, ruft zur Sammlung und wird weiterbestehen'. Es ist ein Ziel der Kirche, verlorengegangene Positionen, wie Ansehen und Stärke, zurückzugewinnen bis zur Vorstellung, das ,Wächteramt im Staate' wieder ausüben zu können. Diese Bestrebungen und Bewegungen der Kirche können nicht nur auf dem Wege der Exekutive eingeengt und beendet werden, sondern setzen eine lange, geduldige und kluge politische Massenarbeit aller verantwortlichen staadichen und gesellschaftlichen Organe im geschlossenen Einsatz voraus."327 Die wesentlichen Punkte staatlichen „Entgegenkommens" bei diesem Kirchentag waren die Bereitstellung eines Freigeländes für die Abschlußveranstaltung 328 sowie das dortige „Aufstellen eines Verpflegungszeltes der H O , eines D R K - Z e l t e s sowie einer fahrbaren Bedürfnisanstalt". Als Ausgleich dafür wurden entsprechend der oben genannten Einsicht erhebliche Aktivitäten auf der Gesprächsebene entfaltet, um auf diesem indirekten Wege Einfluß auf den Ablauf des Kirchentages zu nehmen. Darüber hinaus wurde unter der Leitung des stellvertretenden Ratsvorsitzenden für Inneres eine Arbeitsgruppe gebildet, die im Vorfeld und während des Kirchentages die staatlichen Maßnahmen koordinieren sollte. Im nachhinein wurde festgestellt, daß sich vor allem die Gesprächsarbeit bewährt habe und diese deshalb weiter intensiviert werden müsse. Kritisch war dagegen festzuhalten, daß man bei den vielfältigen Versuchen, auf die kirchliche Seite Einfluß zu nehmen, eine umfassende Instruktion der eigenen Reihen versäumt hatte. So mußte bei den Verkehrsbetrieben der Kreise Kyritz und Rathenow 126 Nach „persönlicher Rücksprache" des Kirchenreferenten bei der Reichsbahndirektion Schwerin einigte man sich auf die Version, daß „wichtige Streckenarbeiten das zusätzliche Befahren von Zügen nicht erlauben" (а. а. O., S. 5). 327 А. а. O., S. 1 f. - Entsprechend der abschließenden Feststellung enthält der Maßnahmeplan erstmals auch Überlegungen zur indirekten Einflußnahme über einen „vertraulichen Kreis kirchlicher Amtsträger" sowie über die Arbeitsgemeinschaft „Christliche Kreise" beim Bezirksvorstand der Nationalen Front. m „Der Kirche (Dr. Lahr) wurde auf Grund einer schriftlichen und mündlichen Anfrage das Gelände am Ruinenberg für die Abschlußveranstaltung zur Verfügung gestellt Hierdurch wird vermieden, daß ein demonstrativer Charakter durch die Teilnehmer an der Abschlußveranstaltung aus dem Kern der Innenstadt entfällt" (sie! - А. а. O., S. 5).

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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einschließlich der Räte dieser Kreise eine Vernachlässigung der „politischen Wachsamkeit" konstatiert werden, da sie für Fahrten zum Kirchentag Busse bereitgestellt hatten. Die staatliche Handelsorganisation ( H O ) Potsdam-Stadt, die bei der Abschlußveranstaltung die Verpflegungsstände stellte, verstieg sich sogar zu Transparenten, auf denen „politisch falsche Losungen" angebracht waren und die die Teilnehmer des Kirchentages begrüßten. Schließlich sei es auch der Abteilung Kultur des Rates des Bezirkes „nicht gelungen, massenwirksame Kulturveranstaltungen am 25.9.1966 zu organisieren". 329 Die lediglich regionale Bedeutung des berlin-brandenburgischen Intermezzos deutete sich bereits vor dem Potsdamer Kirchentag im Zusammenhang des Landeskirchentages der mecklenburgischen Landeskirche an, der unter dem Motto „Wachsen auf Christus hin" vom 3. bis 5.Juni 1966 in Rostock stattfand. Im „Maßnahmeplan zur Gewährleistung der ordnungsgemässen Vorbereitung und Durchführung des Landeskirchentages", der vom Rat der Stadt ausgearbeitet worden war und von der SED-Stadtleitung am 29. April 1966 gebilligt wurde, war als einziges Entgegenkommen enthalten, daß die Versorgung der Kirchentagsteilnehmer gewährleistet sein müsse (um nicht der Verleumdung Vorschub zu leisten, in der D D R würden die Menschen Hunger leiden). Ansonsten wurden alle Anträge auf Bereitstellung öffentlicher Plätze für die Abschlußveranstaltung abgelehnt, allerdings ohne die Nutzung einer kircheneigenen Freifläche zu unterbinden.330 „Für die Abschlußveranstaltung am 5.6. bat Pastor Goldenbaum im Auftrage der Kirchenleitung um Bereitstellung des Platzes der Jugend. Nach Ablehnung dieses Platzes wurde um 2 weitere Objekte - Alter Markt oder Platz am Schweitzerhaus - gebeten. Beides wurde abgelehnt und dabei darauf hingewiesen, daß die Abschlußveranstaltung wie alle anderen Veranstaltungen in kircheneigenen Räumen durchzuführen sei."331

Darüber hinaus war auch hier eine interne Arbeitsgruppe ins Leben gerufen geworden, die allerdings nicht erst - wie beim Kirchentag in Potsdam 332 324

Vgl. Rat des Bezirkes Potsdam. Stellvertreter für Inneres, Einschätzung der Vorbereitung und Durchführung des Kirchentagstreffens im Sprengel des Generalsuperintendenten Dr. Lahr am 24. u. 25.9.1966 in Potsdam, 27.9.1966 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 26-39), S. 12. 330 Die Schlußveranstaltung fand mit „etwa 7000 Teilnehmern auf dem Sportplatz des Michaelishofes in Rostock-Gehlsdorf statt" (M. KLEIMINGER: Zur Geschichte der Kirchentagsbewegung in Mecklenburg, S. 35). 331 Rat der Stadt Rostock. Stellv. des Oberbürgermeisters (Pohlmann), Maßnahmeplan zur Gewährleistung der ordnungsgemässen Vorbereitung und Durchführung des Landeskirchentages vom 3.6.-5.6.1966 in der Stadt Rostock, 25.4.1966 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 60-64), S. 1. 332 Die erste Beratung der Potsdamer Arbeitsgruppe fand am 6. September statt, knapp

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Voraussetzungen und Kontext

wenige Wochen vor dem Kirchentag ihre Arbeit aufnahm, sondern bereits einen Monat vor Beginn des Kirchentages Ergebnisse vorzulegen hatte. „Dieser vorbereitenden Arbeitsgruppe gehören an: Gen. Pohlmann, Stellv. des OB für Inneres (Vorsitzender) Gen. Pommerenke, Stadtrat für Kultur Gen. Neitzel, Mitarbeiter der SED-Stadtleitung Gen. Macht, Referent für Kirchenfragen, Rat des Bezirkes Gen. Porath, VPKA, Abt. Ε Genn. Lange, Referent für Kirchenfragen, Rat der Stadt. . . . Die Arbeitsgruppe ist während des Landeskirchentages (3. bis 5.6.1966) durch folgende Genossen und Freunde zu erweitern: Gen. Witte - Bezirksstelle des MfS '' Stüber - Referent für Kirchenfragen Greifswald '' Freese - Referent für Kirchenfragen Wismar-Land Freund Bläsing - Kreissekretär der CDU."333 Diese Arbeitsgruppe ist die erste ihrer Art, die in den Akten belegt ist. Später waren sie - in der bereits hier erkennbaren Zweiteilung334 - bei Kirchentagen (oder anderen kirchlichen Großveranstaltungen) selbstverständlich.335 Die ausführliche Arbeitsanweisung für diese „vorbereitende Arbeitsgruppe" bot auch bereits das gesamte Instrumentarium indirekter Einflußnahme. Es reichte von der Bereitstellung einer Agitationsreserve und eines Systems von Informanten über die Organisation von „qualitativ wertvollen und massenwirksamen" Konkurrenzveranstaltungen (Sport, Kultur, FDJ, GST 336 ) bis hin zur ideologischen Beeinflussung privater Quartiergeber sowie der Kirchentagsteilnehmer selbst. drei Wochen vor dem Kirchentag (vgl. Rat des Bezirkes Potsdam. Referat Kirchenfragen [Ehlert], Informationen und vorgeschlagene Maßnahmen zum Kirchentagstreffen am 24. und 25. September 1966 in Potsdam, 18.8.1966 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 46-51], S.4). " 3 Rat der Stadt Rostock. Stellv. des Oberbürgermeisters (Pohlmann), Maßnahmeplan zur Gewährleistung der ordnungsgemässen Vorbereitung und Durchführung des Landeskirchentages vom 3.6.-5.6.1966 in der Stadt Rostock, 25.4.1966 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 60-64), S. 2, 4. Erstens eine Arbeitsgruppe zur Koordinierung der staatlichen Maßnahmen im Vorfeld des Kirchentages, zweitens ein Operativstab zum Einsatz während des Kirchentages. Letzterer konnte aus der vorbereitenden Arbeitsgruppe - etwa durch Beteiligung weiterer Personen - oder auch völlig neu - etwa auf der Ebene der Staatsorgane vor Ort (Stadt, Kreis) - gebildet werden. us Die zentrale Anweisung zur Bildung solcher Arbeitsgruppen während der Kirchentage des Jahres 1970 spiegelt eine bereits seit mehreren Jahren bestehende Praxis wider: „Für die Dauer des Kirchentages wird eine Arbeitsgruppe gebildet. Ihr gehören an: Vertreter der SED (Bezirks- und Kreisleitung), Stellvertreter f ü r Inneres, Referent für Kirchenfragen, Leiter des Erlaubniswesens VPKA, ein Vertreter der Dienststelle des MfS" (Arb. Geb. Ev. Kirche, Argumentation. Durchführung von Kirchentagen im Jahre 1970, 2.4.1970 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 595], S. 7). )3 * Hinsichtlich der GST, der „Gesellschaft für Sport und Technik", einer Organisation

D i e Kirchentagsarbeit in der D D R nach d e m Mauerbau

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Eine umfassende R ü c k k e h r zur staatlichen Verweigerungshaltung markierte s c h l i e ß l i c h d e r 4. L a n d e s k i r c h e n t a g d e r G r e i f s w a l d e r L a n d e s k i r c h e , v o m 2. b i s 4. J u n i 1 9 6 7 in Stralsund

der

d u r c h g e f ü h r t w u r d e . N a c h d e m bereits

i m V o r f e l d alle A n t r ä g e z u r ü c k g e w i e s e n w o r d e n w a r e n , d i e d e m K i r c h e n t a g eine gewisse O f f e n d i c h k e i t s w i r k s a m k e i t verschafft hätten,337 w u r d e kurz v o r d e m Kirchentag jegliche organisatorisch-technische Unterstützung abgesagt. D e r A n l a ß für die staatliche B l o c k a d e des Kirchentages w a r die T a g u n g der D D R - M i t g l i e d e r d e r E K D - S y n o d e in F ü r s t e n w a l d e u n d d a s d o r t i g e A u f t r e ten des Greifswalder Bischofs Krummacher. Bischof Krummacher hatte dort angesichts der staatlichen Erwartung, die ostdeutschen Landeskirchen m ö g e n ihre Mitgliedschaft in der E K D aufkündigen, erklärt: „Wir glauben, d a ß unser Festhalten an der G e m e i n s c h a f t der Evangelischen Kirche in Deutschland v o m Evangelium her und aus ökumenischer Verantwortung geboten ist: v o m Evangelium her, weil der H e r r Jesus Christus selber und seine Apostel mit der missionarischen Ausbreitung des Evangeliums der Kirche zugleich einen grenzüberschreitenden Impuls mitgegeben haben, und v o n der Ö k u m e n e her, weil wir meinen, d a ß wir beispielhaft für die Weltchristenheit, auch für solche Kirchen, die in ähnlicher Lage wie wir aus politischen, rassischen, s o z i o l o g i s c h e n und gesellschaftlichen G r ü n d e n in ihrem organisatorischen G e f ü g e bedroht w e r d e n , einen Erweis dafür z u geben haben, d a ß die Kraft des Glaubens stärker ist als von außen k o m m e n d e Trennungen." - U n d die Synodalen hatten sich das „Wort" von Krummacher z u eigen gemacht. 3 3 8 Als eine339 R e a k t i o n auf die Fürstenwalder Synode340 w u r d e n auf zentrale

zur (vor)militärischen Ausbildung, wurde festgelegt: „Durch den Kreisvorstand der G S T sind in der Südstadt und Gehlsdorf interessante Werbeveranstaltung zu organisieren" (Rat der Stadt Rostock. Stellv. des Oberbürgermeisters [Pohlmann], Maßnahmeplan zur Gewährleistung der ordnungsgemässen Vorbereitung und Durchführung des Landeskirchentages vom 3.6.-5.6.1966 in der Stadt Rostock, 25.4.1966 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 60-64], S.3). 337 Vor allem: Genehmigungen für Plakate und die Herstellung des in dieser Zeit als Kirchentagsabzeichen verwandten „Seidenbändchens" mit Kirchentagskreuz und Aufschrift. Der Antrag auf Bereitstellung der Freilichtbühne für die Hauptversammlung (wie in Frankfurt zwei Jahre zuvor) war mit der Begründung abgelehnt worden, die Freilichtbühne sei bereits für Veranstaltungen aus Anlaß des Internationalen Kindertages (l.Juni) vergeben (vgl. Abschrift von einem Bericht über die Arbeit des Kirchentagsausschusses vom 4. Landeskirchentag des Landesausschusses Greifswald in Stralsund vom 2.-4.Juni 1967, undatiert [EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ] ) . 338 Kirchliches Jahrbuch 94 (1967), S. 264-267. 339 Hinzu kamen heftige Angriffe, die sich direkt gegen die Person Krummachers richteten (u.a. im „Neuen Deutschland" vom 8. April 1967 sowie in einer Rede des 1. Sekretärs der SED-Bezirksleitung, Harry Tisch, auf der konstituierenden Sitzung des Rostocker Bezirkstages am 28. Juli 1967). Krummacher wurde vorgeworfen, er habe seine Rede in Fürstenwalde vorher mit Bundesminister Herbert Wehner abgestimmt, verweigere dagegen Gespräche mit Dienststellen der D D R (konkret: mit dem erwähnten 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Rostock). Angesichts der Schärfe der gegen ihn gerichteten Vorwürfe sah sich Krummacher

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Voraussetzungen und Kontext

Anweisung hin die meisten der in Vorbereitung des Kirchentages geschlossenen Verträge über Verpflegung in HO- oder KONSUM-Gaststätten, über die Bereitstellung von Bussen sowie über die Nutzung von Hotels für Übernachtungen kurzfristig annulliert.341 Das führte zwangsläufig zu einer Reduzierung des Kirchentages,542 nicht jedoch - wie staatlicherseits beabsichtigt - zu seiner völligen Marginalisierung. Zwar wurde staadicherseits vermerkt, daß die Teilnehmerzahlen (angeblich) weit hinter den ursprünglich geplanten zurückgeblieben wären, am Kirchentagssonntag beteiligten auf der Sitzung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vom 29.Juni 1967 genötigt, zu den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen ausdrücklich Stellung zu nehmen (vgl. Stolpe, Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der Deutschen Demokratischen Republik am 29.Juni 1967 in Berlin-Weißensee [Anlage zu G 02052 - 1679/67], undatiert [EZA, KKL D D R , 102, 12], S. 1 f.). Als Oberkirchenrat Walter Pabst Ende Juli in einem Gespräch mit Hauptabteilungsleiter Weise von der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen vorsichtig versuchte, die Vorwürfe Uschs zu entkräften, reagierte Weise mit einer deudichen Drohung: „Er [sc. Weise] nehme nicht an, d a ß die örtlich zuständigen Stellen im Greifswalder Kirchengebiet die Absicht hätten, Einwohnerversammlungen einzuberufen, um in ihnen den Lebensgang von Bischof D. Dr. Krummacher darzulegen. Wenn sie es aber täten, so würden sicher manche Teilnehmer dieser Versammlungen es als kompliziert empfinden, einen solchen Bischof zu haben" (Pabst, Aktenvermerk über eine Unterredung mit Hauptabteilungsleiter Weise am 31.7.1967, undatiert [EZA, KKL D D R , 102, 374]). - Gemeint war vermutlich ein (weiterer) Rückgriff auf Material zu Krummacher aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft (zur Rufmordkampagne gegen Krummacher insgesamt vgl. S. BRÄUER: Friedrich-Wilhelm Krummacher). 140 Dieser Grund wurde der kirchlichen Seite auch ausdrücklich mitgeteilt, wie der als Inoffizieller Mitarbeiter tätige Oberkonsistorialrat Hans-Joachim Weber ( G M „Bastler") dem MfS berichtete (vgl. Abteilung X X / 2 [Weiß], Bericht, 31.5.1967 [BStU, ZA, AIM 1377/62, A/15, Bl. 138-140], S. 2). M Die Jugendherberge Devin, in der 300 Dauerteilnehmer untergebracht werden sollten, kündigte am 23. Mai, 9 Tage vor Beginn des Kirchentages, den mit ihr geschlossenen Vertrag. Am gleichen Tag erfolgte eine Rücknahme der Reservierung f ü r die Hälfte der gebuchten Hotelbetten. Vor und während des Kirchentages wurden Zusagen auf insgesamt 1450 Essensportionen zurückgezogen. Dabei ist freilich zu vermuten, daß die späten Stornierungen während des Kirchentages nicht auf einer besonderen Infamie der staatliche Seite beruhten, sondern darauf zurückzuführen sind, daß diese erst spät - etwa durch IM-Berichte wie den des G M „Bastler" ( X X / 2 [Weiß], Treffbericht, 31.5.1967 [BStU, ZA, A I M 1377/62, A/15, Bl. 141-143], S. 2) - erfuhr, daß einige Gaststätten sich doch bereit erklärt hatten, kleine Gruppen von ca. 20 Personen zu versorgen. Der überwiegende Teil der Verträge über bestellte Busse wurde ohne Angabe von Gründen gekündigt Drei Busse von den wenigen, die fuhren, blieben wegen einer „Panne" liegen und erreichten deshalb ihr Ziel nicht - Damit sind nur die gravierendsten Behinderungen genannt (zu Umfang und Vielfalt der staadichen Maßnahmen vgl. aus kirchlicher Perspektive: Abschrift von einem Bericht über die Arbeit des Kirchentagsausschusses vom 4. Landeskirchentag des Landesausschusses Greifswald in Stralsund vom 2.-4.Juni 1967, undatiert [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] , und aus staatlicher Perspektive: Einschätzung des Landeskirchentages Stralsund vom 02.-04. Juni 1967, undatiert [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 9-17]). 142 Nach kirchlicher Schätzung reduzierte sich die Besucherzahl am Kirchentagssonntag um ca. 1500 Personen.

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sich jedoch immerhin mindestens 3800 Erwachsene und 1200 Kinder (staatliche Schätzung)343, möglicherweise sogar 6000 Erwachsene und 2000 Kinder (kirchliche Schätzung)344. Offensichtlich hatte die staadiche Seite die kirchlichen Möglichkeiten, vor allem aber den aktivierenden Impuls der eigenen Maßnahmen unterschätzt. Die kirchliche Einschätzung vermerkte, daß die staatliche Blockadepolitik in den Gemeinden gerade keine Resignation hervorgerufen habe, sondern unverhofftes Engagement. Sie resümierte: „So ist mit dem 4. Landeskirchentag eine Bresche in die Müdigkeit und Resignation geschlagen worden, die in den Kirchengemeinden in den letzten Jahren um sich gegriffen hat."345 Und: „So haben die aufgetretenen Schwierigkeiten und die Art und Weise, wie sie überwunden werden konnten, nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass der 4. Landeskirchentag als ein besonderes Ereignis der Sammlung und Sendung gesehen werden darf."346

Im einzelnen mußte die staatliche Seite zur Kenntnis nehmen, daß einige private Unternehmen den Anweisungen der Behörden nicht nachgekommen waren. Ein - wenn auch geringer - Teil der eingeplanten Busse stand trotz staatlicher Weisung zur Verfügung (und erreichte das Ziel ohne „Panne"). Ebenso hielten sich auch einige Hotels an die bereits mit der Kirche getroffenen Absprachen und stellten Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung. Darüber hinaus wurde von den Greifswalder Gemeinden Verpflegung organisiert sowie Privatquartiere für 427347 Dauerteilnehmer bereitgestellt. Daß hierbei auch die katholische Gemeinde Hilfestellung leistete, veranlaßte - möglicherweise den Staatssekretär für Kirchenfragen selbst zu einem Ausrufezeichen am Rande seines Berichtsexemplars über den Stralsunder Kirchentag. Dieser Aktivierungs- und Solidarisierungseffekt mag nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, daß der Kurs strikter technisch-organisatorischer Begrenzung von Kirchentagsveranstaltungen angesichts der politischen und kirchenpolitischen Situation zwar beibehalten, zum anderen aber - was sich beim Kirchentag 1966 in Rostock bereits angekündigt hatte - durch Maßnahmen versteckter, innerer Beeinflussung ergänzt wurde. Wie beide Maß343 Einschätzung des Landeskirchentages Stralsund vom 02.-04.Juni 1967, undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 9-17), S. 1. 344 Abschrift von einem Bericht über die Arbeit des Kirchentagsausschusses vom 4. Landeskirchentag des Landesausschusses Greifswald in Stralsund vom 2.-4. Juni 1967, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 2. 345 Ebd. 344 А. а. O., S. 3. 347 А. а. O., S. 2. Die staatliche Einschätzung spricht von „600 Schlafstellen" (Einschätzung des Landeskirchentages Stralsund vom 02.-04.Juni 1967, undatiert [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2931, Bl. 9-17], S. 1), was der Zahl der Dauerteilnehmer entspräche. Allerdings benötigten nicht alle Dauerteilnehmer, sofern sie aus Stralsund stammten oder bei Bekannten wohnten, eine solche „Schlafstelle".

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Voraussetzungen und Kontext

nahmeebenen innerhalb der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen Mitte 1968 gesehen wurden, spiegelt eine Vorlage für eine Dienstbesprechung vom 8. Juni zum Thema „Kirchentage in der DDR" widen „3. Den Kirchentagen in der DDR wird keinerlei staatliche Unterstützung gewährt. Plakate, Flugzettel usw. können nicht gedruckt werden, Quartiere, Fahrmöglichkeiten und Sonderverpflegung werden nicht gewährt. Einreisen von westdeutschen und ausländischen Bürgern zu diesem Zeitpunkt in die genannten Orte wird nicht stattgegeben.348 4. Durch politisch progressive Kräfte muß in Zusammenarbeit mit der Nationalen Front und der Сhrisdich-Demokratischen Union organisiert werden, daß konfessionell gebundene Bürger und auch Geisdiche auf den Veranstaltungen des Kirchentages auftreten und positiv die Politik unseres Staates vertreten. .. ."349 Die Durchführung von Kirchentagen in diesem Jahr war lediglich in engen Grenzen möglich, die vor allem dann spürbar wurden, wenn auf staatlicher Seite übergeordnete Dienststellen des Bezirks oder gar zentrale Entscheidungsinstanzen beteiligt waren. Zwei der drei für 1968 unter dem Motto „Dienet einander" geplanten „Kirchentagstreffen" - Dessau und Stendal konnten aufgrund ihres geringen Einzugsgebietes unbehelligt und mit teilweiser Unterstützung der örtlichen Behörden durchgeführt werden. Bezüglich der Kirchentagsveranstaltung in Dessau (22./23.Juni 1968) soll sich Kirchenpräsident Martin Müller im nachhinein beim Rat der Stadt „sehr lobend über die gute Zusammenarbeit mit den Vertretern des Rates des Bezirkes [Halle] und des Rates der Stadt Dessau" ausgesprochen haben.350 Dem Stendaler Kirchentag wurden lediglich auf zentrale Anweisung hin einige Druckgenehmigungen verwehrt. Dagegen zeigte sich der Rat des Kreises Stendal ausgesprochen entgegenkommend351 - nach Einschätzung des Stendaler Propstes wäre der Kreis sogar noch zu weiterem Entgegenkommen bereit gewesen, wenn ihm nicht durch Anweisungen übergeordneter Dienststellen die Hände gebunden gewesen wären.352 ш Zu diesem letzten Satz schrieb Hauptabteilungsleiter Weise an den Rand: „Global ist das nicht durchführbar." Arbeitsgebiet Evang. Kirche (Wilke), Vorlage an die Dienstbesprechung. Betr.: Kirchentage in der D D R , 8.6.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S. 2. 340 Vgl. Rat der Stadt Dessau. Stellv. d. Vors. f. Inneres. Referat Kirchenfragen (Keune), Einschätzung des Kirchentreffens 1968 - Anhaltinischer Landeskirchentag in Dessau vom 22. u. 23. Juni 1968, 24.6.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595). 551 Propst Eichenberg im Rückblick: „Die Verhandlungen zur Bereitstellung des Sonderzuges nach Tangermünde, der Busse, des Lehrlingsheimes der Deutschen Post als Empfangsbüro und Übernachtungsgelegenheit, der Hotels liefen völlig reibungslos und zuvorkommend. Großes Entgegenkommen zeigten die H O - O r g a n e , nachdem die Verpflegung der Kirchentagsteilnehmer grundsätzlich mit dem Rat des Kreises (Handel und Versorgung) besprochen war und [wir?] von dieser Stelle jede erdenkliche Förderung erfuhren. Die Verkehrspolizei war orientiert und stellte sich auf alle Erfordernisse ein" (Eichenberg, Bericht über den Stendaler Kirchentag, 8.10.1968 [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] , S.3). 352 Ebd.

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Ganz anders verliefen die Verhandlungen für das dritte ebenfalls unter dem M o t t o „Dienet einander" geplante Kirchentagstreffen in Berlin (27.29. September 1968). Diese an zentralem Ort und in etwas größerem Rahmen vorbereitete Veranstaltung (dezentrale Angebote in Berliner Kirchen mit einer zentralen Abschlußveranstaltungen auf einem kircheneigenen Freigelände „vor den Toren" Berlins) wurde vom Magistrat mehr oder weniger untersagt, wenn auch nicht förmlich verboten. Dieses „Kirchentagstreffen" hatte bereits eine längere Vorgeschichte. Ursprünglich war es unter dem Motto „Höret den Herrn, so werdet ihr leben" als Treffen in kleinem Rahmen für die Zeit vom 22. bis 24. September 1967 geplant gewesen, dann aber angesichts mangelnder Koordination zwischen den beteiligten Gremien und der damit zusammenhängenden nur schleppend voranschreitenden Vorbereitung 353 um ein Jahr verschoben worden. Es sollte als weiteres „Kirchentagstreffen" im Jahre 1968 vom 27. bis 29. September durchgeführt werden. Freilich stieß dieses Vorhaben von Anfang nicht nur auf Vorbehalte seitens der Berliner Pfarrerschaft, 354 sondern auch in den Gemeinden auf wenig Resonanz. Nachdem der Berliner Generalsuperintendent Gerhard Schmitt am 6. März 1968 den Ostberliner Oberbürgermeister Herbert Fechner über den nunmehr feststehenden Kirchentagstermin im September 1968 informiert hatte, waren sich die staatlichen Stellen zwar einig, daß dieser Kirchentag nicht stattfinden dürfe, jedoch im unklaren darüber, wie die Ablehnung zu begründen sei und wer sie letztendlich zu verantworten hätte. Zur Klärung des ersten Problems wurde beim Magistrat eine zeitweilige Arbeitsgruppe gebildet, die „überörtliche Veranstaltungen der Evangelischen Kirche" auswerten sollte, um Beispiele für einen politischen Mißbrauch derartiger Veranstaltungen als Argumentationsmaterial zusammenzustellen. Die Verantwortung wurde schließlich dem für Kirchenfragen zuständigen Politbüromitglied Paul Verner zugeschoben. Zweieinhalb Monate vor dem geplanten Kirchentag schrieb der Staatssekretär für Kirchenfragen, Hans Seigewasser, an Verner: „Da die Kirchenleitung bereits mit großer Initiative das Kirchentagstreffen im September vorbereitet, ζ. T. vertragliche Bindungen mit Dienstleistungsund Versorgungsbetrieben eingehen will, andererseits mit der Popularisierung in der kirchlichen Presse zu rechnen ist, bitte ich um einen möglichst kurzfristigen Entscheid darüber, daß diese Veranstaltung nicht in der Hauptstadt der D D R durchgeführt werden darf." 355 Vierzehn Tage später konnte Stadtrat Kurt Heibig der berlin-brandenburgischen Kirche (Superintendent Hermann Himmel in Vertretung des Generalsuperintendenten) mitteilen, daß „der Magistrat... der Durchführung des geplanten Kirchentagstreffens in der Hauptstadt der D D R nicht 353 Vgl. u. a. Kädtler, Protokoll eines Gespräches über die Durchführung eines Berliner Kirchentages in der Generalsuperintendentur Berlin am 6. Juni 1967, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/86). 354 Vgl. Kädtler, Protokoll der Besprechung über ein Kirchentagstreffen 1968 in Berlin in der Generalsuperintendentur Berlin am 6. September 1967, 17-19 Uhr, undatiert (EZA, DEKT, 9 5 / 9 3 / 8 6 ) , S. 1 f. 355 Hans Seigewasser, An das Mitglied des Politbüros des ZK der SED. Genossen Paul Verner, 5.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S. 2.

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Voraussetzungen und Kontext

zustimmen" kann. „Die Durchführung dieses Treffens würde von westdeutschen Kreisen, vor allem des Wehner-Ministeriums und der NATO-Kirchenleitung, im Sinne der sog. Ostpolitik und der Alleinvertretungsanmaßung der Bonner Regierung ausgenutzt. Damit wäre auch die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet" Ergänzt wurde diese Mitteilung durch einige Beispiele, die vermutlich auf die Tätigkeit der genannten Arbeitsgruppe zurückgingen. 356 Am 5. September 1968 beschloß der Vorbereitende Ausschuß, den Kirchentag - „nachdem seine Durchführung sich nicht mehr als möglich erwies" - endgültig abzusagen, was in der Konferenz der Landesausschüsse zur kritischen Rückfrage von Präsident Hildebrandt führte, „ob man einem derart bedrohlichen Eingriff in die Freiheit der Verkündigung nachgeben" dürfe.357 In einer Mitteilung des Ostberliner Generalsuperintendenten vom 9. September 1968 wurde diese Entscheidung den „Superintendenten, Pfarrern und Pastoren im Sprengel II" offiziell bekanntgegeben.358 Das Echo aus den Gemeinden war jedoch - wie schon auf die Vorbereitung des Kirchentages - gering, was seitens des Vorbereitenden Ausschusses als „bedenklich" angesehen wurde.359 Auch die beiden für 1968 vorgesehenen Landeskirchentage (Görlitz und D r e s d e n / M e i ß e n ) bekamen die Ablehnung der Staatsorgane deutlich zu spüren. D e r aus Anlaß des 1000jährigen Bestehens des Bistums Meißen geplante Landeskirchentag der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Dresden und Meißen sollte - woraus dann die Kongreßarbeit erwuchs - als Kirchentag sogar völlig abgesetzt bzw. in kleine Veranstaltungen auf Gemeindeebene aufgelöst werden. 3 4 0 H i n g e g e n wurde die Durchführung eines Kirchentages in Görlitz (28.-30.Juni 1968) unter d e m M o t t o „Du stellst meine Füße auf weiten Raum" angesichts der Vorgeschichte 3 6 1 staatlicherseits zwar akzeptiert, jedoch mußte auch dieser Kirchentag gänzlich

356 Vgl. Magistrat von Gross-Berlin. Stadtrat Heibig, Aktennotiz (Abschrift), 19.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595). 157 I,ent, Protokoll über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages in der D D R am 26.10.1968 in Berlin-Weißensee, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 3. 358 Der Generalsuperintendent von Berlin. Sprengel II (Schmitt), Rundschreiben Nr. 4 / 6 8 , An die Superintendenten, Pfarrer und Pastoren im Sprengel II, 9.9.1968 (EZA, KKL D D R , 102, 335). 3W Lent, Protokoll über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages in der D D R am 26.10.1968 in Berlin-Weißensee, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 3. 360 Weiteres unten Kap. 3.3. 361 D e r Kirchentag war eigendich bereits für 1967 geplant gewesen und - auf staadichen Wunsch hin - wegen der Arbeiterfestspiele, die in diesem Jahr im Bezirk Dresden stattfanden, um ein Jahr verschoben worden (vgl. Tätigkeitsbericht der Kirchenleitung für die Synode der Evangelischen Kirche von Schlesien, Februar/März 1967 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2637], S. 13 [12. Kirchentag]). Auf diesen Werdegang konnte verwiesen werden, als die staadiche Seite auch den Görlitzer Kirchentag als eine Veranstaltung aus Anlaß des Meißen-Jubiläums interpretierte und seine Absetzung forderte.

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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ohne „Unterstützung" der Behörden auskommen und sich mit den beschränkten kircheneigenen Möglichkeiten begnügen. Daran änderte auch eine vom Görlitzer Bischof Hans-Joachim Fränkel unterzeichnete Entschließung des Generalkonvents der Pfarrer der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes362 nichts. Vielmehr wurde dem Bischof bei einem Gespräch im Rat der Stadt Görlitz ausdrücklich „unterbreitet, daß sich der Kirchentag nur auf innerkirchliche Räume zu beschränken habe, daß alle Veranstaltungen nur den Charakter reiner Kulthandlungen, ohne Akzente der Diskriminierung des Staates und der Regierung zu tragen haben, das heißt, nicht für politische Zwecke mißbraucht werden dürfen". Und: „Der Bischof wurde auf die Einhaltung der Gesetzlichkeit (Verfassung) hingewiesen. Weiterhin wurde ihm zur Kenntnis gegeben, daß sie für die Durchführung des Kirchentages keinerlei staatliche Unterstützung erhalten (Druckgenehmigungen für Plakate, öffentliche Gebäude, Gaststätten, Transportkapazitäten usw.)."363

Diese ablehnende Haltung war nicht zuletzt eine Konsequenz aus der in Dresden anstelle des geplanten großen Landeskirchentages durchgeführten Kirchentagsveranstaltung mit Kongreß und gemeindeoffenem Sonntag. Zwar habe sich die sächsische Kirchenleitung „im Prinzip . . . an die ihr gegebene Orientierung gehalten", jedoch seien durch die dort praktizierten „modernen Formen" „neue Probleme auf kirchenpolitischem Gebiet" entstanden.364 Eine gewisse Korrektur in der staadichen Haltung gegenüber Kirchentagsvorhaben erfolgte zwei Jahre später, allerdings ohne daß dieser Kurswechsel staatlicherseits wirklich als solcher beabsichtigt war. Er ging weniger auf eine bewußte Liberalisierung zurück, sondern war eher das Resultat eines für die Kirchentagsarbeit günstigen Zusammentreffens von Ereignissen. Ein Jahr zuvor, am 1 O.Juni 1969, war der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR gegründet worden, der seitens der Parteiund Staatsführung mit erheblichem Mißtrauen betrachtet und dementsprechend erst einmal nicht anerkannt wurde. Die Loslösung der östlichen Landeskirchen von der EKD war seitens der DDR-Führung zwar erwünscht, nicht jedoch ihr Zusammenschluß zu einem Bund, der eine zentrale Koordination kirchlichen Handelns in der DDR erwarten ließ.365 Eine der Befürchtungen, die die Gründung des Bundes heraufbeschwor, war die eines „Bundeskirchentages" für das gesamte Gebiet der DDR. 362 Generalkonvent der Pfarrer der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes (Fränkel), Entschließung, 13.5.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 47520, Bl. 71). 363 Rat der Stadt Görlitz, Betr.: Einschätzung des Kirchentages in Görlitz vom 28.-30.6., 15.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S. 3. 364 Vgl. Konzeption für Kirchentag in Görlitz vom 28.-30.6.1968, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 47520, Bl. 59-62), S. 2. - Siehe auch unten S. 222 f. 365 Vgl. dazu R. MAU: Eingebunden in den Realsozialismus?, S. 62-64.

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Voraussetzungen und Kontext

Einen solchen DDR-weiten Kirchentag sowie eventuelle Vorstufen dazu zu verhindern wurde angesichts dessen zur Hauptaufgabe der für Kirchenfragen zuständigen staatlichen Stellen auf dem Gebiet der Kirchentagsarbeit. Diese veränderte Frontstellung brachte es freilich auch mit sich, daß jenen Kirchentagen, die im Rahmen einer einzelnen Landeskirche blieben und nicht im Verdacht standen, Testfall für einen DDR-Kirchentag zu sein, mehr Freiraum gewährt wurde, als das vor Gründung des Bundes üblich gewesen war (vor allem hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Räume bzw. Plätze für den Abschlußgottesdienst). Weiteres kam hinzu: So fehlte anfangs eine zentrale Anweisung, wie hinsichtlich der für 1970 von der Kirche geplanten und vorbereiteten Kirchentage staadicherseits zu verfahren sei, so daß die Dienststellen vor Ort - anstatt die Vorbereitungen möglichst zu begrenzen - im wesendichen tatenlos zusahen, teilweise sogar Zusagen gaben, die sich später als zu weitgehend herausstellten. Als dann ein Beschluß des Sekretariats des SED-Zentralkomitees vorlag, erwies sich dieser hinsichtlich des größten für 1970 geplanten Kirchentages in Erfurt in einem wesendichen Punkt (Verhinderung gemeinsamer Kirchentage mehrerer Landeskirchen) angesichts der in Thüringen anstehenden Bischofswahl als undurchführbar. Dieser Kirchentag, an dessen Hauptversammlung 15000 Besucher366 aus Thüringen und den Südpropsteien der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen teilnahmen, wurde damit zu einem Präzedenzfall, auf den sich die Landeskirchen bei weiteren gemeinsamen Kirchentagsvorhaben berufen konnten. Nachdem im Jahre 1969 keine nennenswerten Kirchentage stattgefunden hatten, waren für dieses Jahr vier Kirchentage (Greifswald, Havelberg, Cottbus und Erfurt) unter dem gemeinsamen Thema „Wie Gott mir, so ich dir" vorgesehen worden. Ende 1969 informierten die betreffenden Landeskirchen die zuständigen staatlichen Dienststellen ihres Bezirkes über das jeweilige Kirchentagsvorhaben. Diese leiteten die gegebenen Informationen an die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen weiter und erkundigten sich nach eventuellen zentralen Festlegungen in dieser Angelegenheit. Diese Anfragen blieben allerdings weitgehend unbeantwortet. Ahnlich scheint es den SED-Bezirksleitungen ergangen zu sein, die bei der Arbeitsgruppe Kirchenfragen des SED-Zentralkomitees um „Verhaltenshinweise" 3 6 7 nachsuchten. Infolgedessen verfuhren die Bezirke nach eigenem Ermessen. Der Vorsitzende des Rates des Bezirkes Rostock sagte Bischof Krum* » S o H . KRÜGER-HAYF./S. LANGE/I. L E N T / H . MÜI.I.ER-UIBRIG: E v a n g e l i s c h e r

Kirchentag

in der D D R , S. 23 - staadicherseits wurden nur 10000 Besucher wahrgenommen (vgl. Arbeitsgebiet Ev. Kirche, Einschätzung über durchgeführte Massenveranstaltungen der Evangelischen Kirche in der D D R 1970, 22.1.1971 [BArch Berlin, S t f K , D O 4, 595], S . 2 ) . 367 Vgl. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands. Bezirksleitung Cottbus (Klemke), An d a s Zentralkomitee der S E D . Arbeitsgruppe Kirchenfragen, 11.12.1969 ( S A P M O - B A r c h , D Y 3 0 / I V A 2 / 1 4 / 1 7 , Bl. 26-27), S . 2 .

Die Kirchentagsarbeit in der DDR nach dem Mauerbau

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macher voreilig den Druck eines Kirchentagsplakates zu.568 Die SED-Bezirksleitung Cottbus kam zu der Meinung, daß die Nutzung des öffendichen Elias-Parkes für die „Abschlußkundgebung" des dortigen Kirchentages möglich sei, „weil dieses Gelände abseits von Wohngebieten" liege.369 Am 17. Dezember 1969 informierte der Vorsitzende der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages, Schröder, den Staatssekretär für Kirchenfragen schriftlich darüber, daß „wie bereits in früheren Jahren für das Jahr 1970 regionale Kirchentage im Raum der DDR geplant" seien. Ansonsten beschränkte sich Schröders Mitteilung auf die in Aussicht genommenen Orte, den jeweiligen Zeitraum und das allen gemeinsame Thema. 370 Ergänzt wurden seine knappen Mitteilungen durch die bereits vorliegenden Nachrichten aus den betroffenen Bezirken. Diese besagten, daß der Erfurter Kirchentag als gemeinsamer Kirchentag der Thüringer Landeskirche und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Kirchentag in Cottbus in Kooperation zwischen der berlin-brandenburgischen Kirche und der Görlitzer Kirche durchgeführt werden würde.371 Angesichts dieser Informationen erarbeitete Hauptabteilungsleiter Weise unter dem Datum des 13. Januar 1970 einen „Plan bezüglich der von den Evangelischen Kirchen 1970 geplanten Kirchentage".372 Darin sah er diese Kirchentagsvorhaben mit ihrem gemeinsamen Thema im Zusammenhang des nach Bildung des Bundes „auf allen Gebieten" erkennbaren „Versuchs von Zentralisierungen und Vereinheitlichungen kirchlicher und kirchenpolitischer Konzeptionen" sowie im Zusammenhang der Bestrebungen zur Verbreitung „einheitlicher politischer Konzeptionen" über „konfessionelle Grenzen hinweg".373 Die in Erfurt und Cottbus geplanten Kirchentage wurden dabei nicht nur allgemein als „Versuch gewertet . . . , die kirchliche Tätigkeit auszuweiten", sondern hinter ihnen auch die Absicht vermutet, „in Erfurt die negativ organisatorische Konzeption von Bischof Krusche im Bereich der Thüringer Landeskirche zu propagieren und im Raum der Kirche 368

Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Bericht über den Stand der Erfüllung des Beschlusses des Sekretariats vom 25.2.1970, betreffend die Durchführung von Kirchentagen im Jahre 1970, 23.4.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S. 1 f. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands. Bezirksleitung Cottbus (Klemke), An das Zentralkomitee der SED. Arbeitsgruppe Kirchenfragen, 11.12.1969 (SAPMO-BArch, DY 30/IV А 2 / 1 4 / 1 7 , Bl. 26-27), S. 1. 370 Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der DDR. Vorsitzender (Schröder), An den Staatssekretär für Kirchenfragen. Herrn Seigewasser, 17.12.1969 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 25). 371 Auch beim Kirchentag in Havelberg (Berlin-Brandenburg) war von vornherein eine Beteiligung von Gemeinden aus den angrenzenden Gebieten der Kirchenprovinz Sachsen (Propstei Stendal) und der mecklenburgischen Landeskirche (Landessuperintendentur Parchim) vorgesehen. Auch die Vorbereitung erfolgte gemeinsam. Staadicherseits wurde dem jedoch - vielleicht weil Havelberg der kleinste der vier Kirchentagsorte war - keine besondere Bedeutung beigemessen (vgl. dazu Pfarrer Chrzanowski, Bericht über das Kirchentagstreffen Havelberg vom 18. bis 20.9.1970, undatiert [EZA, DEKT, 95/93/58]). 572 Arbeitsgebiet Ev. Kirche (Weise), Plan bezüglich der von den Evangelischen Kirchen 1970 geplanten Kirchentage, 13.1.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595). 373 A.a.O., S. 1.

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Voraussetzungen und Kontext

Berlin-Brandenburg die Görlitzer Kirche mit ihrem reaktionären Bischof Frankel aufzuwerten". 374 Die von Weise im Anschluß an diese grundsätzliche Einschätzung zusammengestellten Maßnahmen blieben im Rahmen der bis dahin staatlicherseits geübten Praxis (nur kircheneigene Räume, Zurückhaltung bei Druckgenehmigungen, keine zusätzlichen Verkehrsmittel). Hinsichdich der Kirchentage in Erfurt und Cottbus hieß es darüber hinaus: „Die staadichen Organe sprechen keine Genehmigung für die genannten beiden Kirchentage aus." Der berlin-brandenburgischen und der thüringischen Kirche sei deutlich zu machen, daß das Zusammengehen mit Fränkel bzw. Krusche ihr Verhältnis zu den Staatsorganen belaste. 375 Verhandelt wurde Weises Vorlage innerhalb des Staatssekretariats auf der Dienstbesprechung am 14. Januar 1970. Auf ihr kritisierte der Staatssekretär deutlich die bereits erwähnte mangelnde Anleitung der Bezirke in dieser Angelegenheit durch seine Dienststelle. 376 Ansonsten fand Weises Maßnahmeplan mit einigen Korrekturen und Ergänzungen Eingang in eine Beschlußvorlage des Staatssekretärs. Beibehalten und zum Teil noch deutlicher herausgearbeitet wurde darin die grundsätzliche Einschätzung der von den Kirchen mit diesen Kirchentagen verfolgten Ziele: „Die beiden ,gemeinsamen Kirchentage' müssen als Testversuch der Kirchen gewertet werden. Gelänge es ihnen, diese Veranstaltungen gemeinsam ungehindert durchzuführen, so würde dem in Zukunft der Versuch folgen, einen gemeinsamen Kirchentag aller Kirchen in der D D R 3 7 7 zu veranstalten. Solche spekulativen Erwägungen kirchlicherseits müssen von vornherein als undurchführbar dargestellt werden." 378 „Über den bisher üblichen Rahmen hinausgehende Veranstaltungen, ζ. B. gemeinsame Kirchentage zweier oder mehrerer Landeskirchen", sollten deshalb keine staatliche Genehmigung erhalten. Im Interesse dieser Dezentralisierung dürften zentrale staatliche Stellen „über Fragen der Kirchentage keine Verhandlungen mit den Veranstaltern" führen. 379 Eine Begrenzung der beanstandeten Kirchentage in Erfurt und Cottbus sollte auf dem Wege von Gesprächen des jeweiligen Bezirkes mit der zuständigen Kirchenleitung „durchgesetzt" werden. Ansonsten gelte der Grundsatz: „Traditionelle Kirchentage der Landeskirchen der D D R können wie bisher in kircheneigenen Räumen in den Bereichen der Landeskirchen durchgeführt werden." Für die Abschlußgottesdien-

А. а. O., S. 2. Vgl. а. а. O., S. 2 f. Dieses Versäumnis wurde, wie der Persönliche Referent des Staatssekretärs im Protokoll der Dienstbesprechung festhielt, auf einer Beratung der Stellvertreter für Inneres beim Ministerium des Innern am nächsten Tag (15. Januar) nachgeholt (vgl. Persönlicher Referent [Rogowski], Protokoll der Dienstbesprechung beim Staatssekretär am Mittwoch, dem 14.Januar 1970, 9.00 Uhr [1.1970], 22.1.1970 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 401]). 177 Angesichts der hohen Teilnehmerzahlen am Kirchentag in Erfurt wurde als ein „Hauptzweck dieses gemeinsamen Kirchentages" festgehalten: „Zentralgelenkte Kirchentage von einer Landeskirche über mehrere Kirchen zu einem DDR-Kirchentag (spätestens in zwei bis drei Jahren)" (Information über die durchgeführten Kirchentage und kirchliche Jugendveranstaltungen, 17.8.1970 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 595], S. 3). 178 Staatssekretär für Kirchenfragen, Vorlage, 3.2.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S.5. A . a . O . , S. 1. 175

Die Kirchentagsarbeit in der D D R nach dem Mauerbau

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ste wurden hinsichtlich der geforderten Beschränkung auf kircheneigene Räume bereits Ausnahmen für möglich gehalten 380 - sofern es sich um „traditionelle Kirchentage" handelte. Diese Vorlage sandte Seigewasser am 4. Februar an den Persönlichen Referenten des Vorsitzenden des Ministerrates mit dem Hinweis: „Genösse Stoph müßte entscheiden, ob die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen auf der staatlichen Linie festgelegt werden oder ob dazu ein Beschluß des Sekretariats des Zentralkomitees erforderlich ist."381 Ohne daß das Abstimmungsverfahren im einzelnen erkennbar wäre, wurde diese Frage zugunsten des Zentralkomitees entschieden. Unter dem Datum des 20. Februar erarbeitete Dr. Eberhard Hüttner von der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen auf der Basis der Vorlage des Staatssekretärs eine „Vorlage an das Sekretariat des Zentralkomitees der SED". 382 Sie verstärkte die Tendenz zur Ablehnung der „neuen" 383 übergreifenden Kirchentage bei gleichzeitiger Tolerierung „traditioneller Kirchentage" weiter. Der im Zusammenhang mit der zunehmenden Zentralisierung der kirchlichen Arbeit stehenden „Absicht von Landeskirchen, gemeinsame Kirchentage zweier oder mehrerer Landeskirchen durchzuführen", sei nicht stattzugeben. Deshalb hätten nicht nur Kirchentagsverhandlungen seitens zentraler staatlicher Dienststellen zu unterbleiben, sondern auch entsprechende Verhandlungen mit zentralen kirchlichen Stellen (konkret: mit Vertretern des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR). Auf der anderen Seite erfuhr die in der Vorlage des Staatssekretärs enthaltene Ausnahmeregelung zur grundsätzlichen Beschränkung der Kirchentagsveranstaltungen auf kircheneigene Räume eine Präzisierung, die an die kirchliche (!) Argumentation im Zusammenhang des Kirchentages 1965 in Frankfurt (Oder) erinnert: „Ausnahmen von dieser Regel sind nur möglich, wo für die Durchführung der abschließenden Gottesdienste ausreichende Räume nicht vorhanden sind." Deudich wurde die angestrebte Doppelstrategie in Hüttners Begründung der Beschlußvorlage, in der er empfahl, bei „der Argumentation gegenüber den kirchlichen Veranstaltern . . . davon auszugehen, daß bei Kirchentagen im traditionellen landeskirchlichen Rahmen am besten gewährleistet werden kann, daß keine Beeinträchtigung der Verkehrslage, der Erholungs- und Freizeitbedürfnisse anderer Bürger" erfolge. Werde dieser „staadiche Standpunkt" durch die kirchlichen Veranstalter respektiert, verzichteten diese also auf solche übergreifende Veranstaltungen, könne für solche 380

Ebd. Hans Seigewasser, Genossen Böthling. Persönlicher Referent des Vorsitzenden des Ministerrates, 4.2.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595). 382 Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Vorlage an das Sekretariat des Zentralkomitees der SED. Betr.: Durchführung von Kirchentagen im Jahre 1970, 20.2.1970 (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/3A/1847). 383 In konsequenter Weiterführung des behaupteten Zusammenhanges zwischen der Gründung des Bundes einerseits und der Vorbereitung übergreifender Kirchentage andererseits sprach Hüttner davon, daß „die jetzt vorgesehene Durchführung von gemeinsamen Kirchentagen mehrerer Landeskirchen . . . ein Novum sei" (а. а. O., S. 3). Von kirchlicher Seite wurde demgegenüber mehrmals darauf hingewiesen, daß die Durchführung gemeinsamer Kirchentage keineswegs „der bisherigen Praxis" widerspreche (ζ. B. Oberkirchenrat Ingo Braecklein, vgl. [Rat des Bezirkes Erfurt]. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres [Herrmann], Information, 15.4.1970 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 595], S.4). 381

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Voraussetzungen und Kontext

traditionellen Kirchentage auf Landeskirchenebene durchaus Unterstützung bei Durchführung, Verpflegung, Parkmöglichkeiten usw. gewährt werden.384 Die Vorlage Hüttners, unterzeichnet vom Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Willi Barth, und Staatssekretär Seigewasser,385 wurde in der Sitzung des Sekretariats am 25. Februar 1970 „bestätigt" (ohne den Begründungsteil). Damit war zwar einerseits entschieden, daß es übergreifende Kirchentage nicht geben dürfe, andererseits aber auch von höchster Stelle festgelegt, daß für die auf Kirchentagen üblichen großen Abschlußgottesdienste auch „nichtkirchliche Räume und Ortlichkeiten" zur Verfügung gestellt werden können, sofern die Kirche selbst nicht über ausreichende Räumlichkeiten verfüge.386 Die Entscheidung über Gewährung oder Verweigerung wurde den zuständigen Räten der Bezirke übertragen. Diese seien von der Dienststelle des Staatssekretärs sowie der Arbeitsgruppe Kirchenfragen entsprechend einzuweisen, wozu eine „Argumentation" auszuarbeiten sei.387 Die geforderte Argumentation lag am 2. April 1970 vor388 und faßte auf insgesamt acht Seiten die Argumente, Einschätzungen und Maßnahmen aus den vorangegangenen Papieren noch einmal zusammen. Bisher hätten die Landeskirchen Kirchentage allein in ihrem jeweiligen Bereich durchgeführt „Erst die Leitung des Bundes ev. Landeskirchen in der DDR gab erneut den Anstoß, Landeskirchentage (auch mit anderen Landeskirchen zusammen) zu organisieren und diesen einen neuen theologischen, geistigen sowie gesellschaftspolitischen Inhalt zu geben."389 Während übergreifende Kirchentage abzulehnen seien, könnten Kirchentage innerhalb einer einzelnen Landeskirche stattfinden. Zwar sollten auch diese möglichst begrenzt werden (Absprachen mit der Deutschen Reichsbahn, den Betrieben des Volkseigenen Kraftverkehrs und den Dienststellen des Reisebüros), jedoch sei - auch das war als zentrale Anweisung neu - „bei Genehmigung 390 von Kirchentagsveranstaltungen . . . die Frage der Verpflegung der Teilnehmer sicherzustellen".391

"" Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Vorlage an das Sekretariat des Zentralkomitees der SF.L), 20.2.1970 (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/3A/1847), S. 4. m Beide wurden auch zur Sitzung hingezogen, obwohl ursprünglich lediglich eine Teilnahme von Willi Barth vorgesehen war. ш Das war ein wichtiger Unterschied zum Beschluß des Politbüros vom 27. Februar 1968 hinsichdich der „kirchlichen Feiern" aus Anlaß der Bistumsjubiläen (vgl. unten S. 162). ж Sekretariat des ZK der SED, Protokoll Nr. 19/70 der Sitzung des Sekretariats des ZK vom 25.2.1970 (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2 / 3 / 1 6 0 9 ) , S. 4, 62 f. 388 Arb. Geb. Ev. Kirche, Argumentation. Durchführung von Kirchentagen im Jahre 1970, 2.4.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595). ж А. а. О., S. 3. ,

404 [Paul Verner], Rede des Genossen Paul Verner auf d e r Beratung zu aktuellen Fragen d e r Kirchenpolitik in Verbindung mit den M a r t i n - L u t h e r - E h r u n g e n und den bevorstehenden Kirchentagen in Berlin am 15. April 1983 in Berlin ( S A P M O - B A r c h , N a c h l a ß Paul Verner, N Y 4281, 117, Bl. 129-165), S. 12 f., abgedruckt in: H . DOHI.E: S E D und Kirche 2, D o k . 9 3 (zur Einschätzung vgl. ebd., S. 405 f.). ** Abt. II, Schriftliche Information zur Entwicklung d e r Kirchentagsarbeit der evangelischen Kirchen in der D D R 1986 und 1987, 24.4.1986 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 952). Die zitierte Passage ist - vermutlich von Staatssekretär Gysi selbst - d u r c h ein mehrmals am Rand handschriftlich vermerktes „richtig!" hervorgehoben.

Gemeindeaufbau und Kirchenverständnis

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2.2. Gemeindeaufbau, Kirchenverständnis und neue Formen der Gemeindearbeit 2.2.1. „Missionarische

Gemeinde"

Die staatliche Begrenzung kirchlicher Möglichkeiten bildete den äußeren Anlaß für die Entstehung der Kongreßarbeit in Sachsen, intentional erwuchs sie jedoch aus der Frage, wie der Auftrag der Kirche in der säkularistischen Gesellschaft der DDR auszusehen habe und wie dieser angesichts zunehmender Entkirchlichung wahrgenommen werden könne. Daß an dieser Stelle Handlungsbedarf bestand, verdeudichten ganz unmittelbar die sinkenden Mitgliederzahlen in den Kirchengemeinden, die geringe Reichweite der Verkündigung sowie der in allen Bereichen der Gesellschaft um sich greifende, staatlich geförderte praktische Atheismus. Insbesondere warf die zunehmende Entkirchlichung der DDR-Bevölkerung die Frage nach der Berechtigung der weiterhin existierenden und im kirchlichen Bereich allgemein als selbstverständlich angesehenen volkskirchlichen Strukturen auf - einschließlich des kirchlichen Veranstaltungsangebotes mit dem Sonntagsgottesdienst als Mittelpunkt. Deutlich trat das Problem 1965 mit dem Aufsatz von Günter Jacob „Die Zukunft der Kirche in der Welt des Jahres 1985" in das Bewußtsein der kirchlichen Öffentlichkeit. In dieser seiner Prognose kam Jacob zu dem Ergebnis, daß sich die vertraute und traditionelle Parochialstruktur angesichts der fortschreitenden Säkularisierung in absehbarer Zeit nicht mehr aufrechterhalten lassen und schließlich völlig verschwinden werde. An die Stelle der Parochie würden und müßten eigenverantwortlich arbeitende Dienstgruppen aus engagierten Laien treten, worauf sich - so die eigentliche Intention seines Aufsatzes - die Kirche bereits heute einzustellen hätte.406 Die Reaktion auf diese Zukunftsprognose war unterschiedlich: „Die einen sagten, endlich habe jemand die Sache beim Namen genannt, die auf uns zukommt, die anderen hielten den Aufsatz dagegen für puren Unglauben, schließlich könne Gott auch ganz anders. Letztere waren meist der Meinung, die Volkskirche wäre unsterblich."407 Diese bei der zunehmenden Entkirchlichung ansetzende Strukturdiskussion verband sich mit parallelen Überlegungen, die aus der Ökumene kamen und vom Sendungsauftrag der Kirche (missio) ausgingen.408 Im 406 G. JACOB: Die Zukunft der Kirche in der Welt des Jahres 1985, veröffentlicht in: ZdZ 21 (1967), S. 441-451. 407 Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 2 f. 408 Vgl. dazu vor allem: W. KRUSCHE: Die Kirche für andere, sowie H. J. MARGULL: Mission als Strukturprinzip; weiterhin H.-R. WEBER: Die missionarische Gemeinde von morgen; DERS.: Mündige Gemeinde; C.W. WILLIAMS: Gemeinden für andere. Eine Darstellung der Diskussion bietet W. RATZMANN: Missionarische Gemeinde.

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Voraussetzungen und Kontext

Gegensatz zum überkommenen Verständnis von Mission wurde dort der Sendungsauftrag der Kirche nicht nur als eine Aufgabe der Kirche (neben anderen) beschrieben, sondern als ihr Wesensmerkmal Kirche sei nicht um ihrer selbst willen da, sondern dazu, um an der vor- und übergeordneten Bewegung Gottes zur Welt hin (missio dei), wie sie in der Sendung Christi exemplarisch zum Ausdruck komme, teilzuhaben. Kirche sei deshalb immer „Kirche-in-Mission". Die missio dei, an der diese „Kirche-in-Mission" teilhabe, ziele nicht auf eine „weltumspannende Kirche", sondern auf den „weltumspannenden Schalom, das heile und erfüllte menschliche Miteinander in einer versöhnten Gemeinschaft, die endgültige Zusammenführung aller Dinge in Christus". 409 Kirche sei deshalb immer auch „Kirche für andere". 410 Dieses Missio-Verständnis führte einerseits - unter Rückgriff auf die neutestamendiche Überlieferung - zu einer grundlegend anderen Sicht des Dienstes von „Amtsträgern" und „Laien" in der Gemeinde, als das bis dahin üblich war. Im Rahmen eines grundlegenden und umfassenden Missio-Auftrages wurden alle Gemeindeglieder zu Missionaren, während die besonderen Dienste lediglich dazu d a wären, die Christen als „mündige Laien" f ü r diesen ihren Dienst in der „Diaspora" einer säkularisierten Welt zuzurüsten. Andererseits mußte die Priorität des Missionsauftrages das Problem der kirchlichen Strukturen aufwerfen. Zeitig 4 " stellte sich deshalb die Frage, welche kirchlichen Strukturen dieser Teilhabe an der missio dei am besten angemessen wären („missionarische Strukturen") und welche demgegenüber „der Mission und Aktion Gottes unvollständig Raum" gäben („häretische Strukturen").·" 2 Antwortversuche verwiesen auf die Vielfalt der Versammlungsformen in neutestamentlicher Zeit (Hausgemeinde, Ortsgemeinde, Regionalgemeinde) und versuchten diese Einsicht in der Suche nach alternativen, dem missionarischen Auftrag angemesseneren Sammlungsformen umzusetzen. Diese Überlegungen, Problemanzeigen und Antwortversuche waren in den DDR-Kirchen in der ersten Hälfte der 60er Jahre präsent und virulent. 413 Unter dem Stichwort „Gemeindeaufbau" wurden dort neue Wege

«" W. KRUSCHL: Die Kirche f ü r andere, S. 151. 4.0 Z u r Rezeption dieser auf Dietrich B o n h o e f f e r z u r ü c k g e h e n d e n Formulierung vgl. U . S C H R Ö T E R / H . ZEDDIES: N a c h d e n k e n , 4.1

S. 5 4 f.

Die auf d e r 3. Vollversammlung des Ö k u m e n i s c h e n Rates der Kirchen ( O R K ) 1961 in N e u - D e l h i dem „Ausschuß für d a s Referat f ü r Fragen d e r V e r k ü n d i g u n g " übertragene U n t e r s u c h u n g zu den P r o b l e m e n , „denen sich die G e m e i n d e in ihrer missionarischen A u f g a b e gegenübergestellt sieht", trug bereits den Titel „Die missionarische Struktur der G e m e i n d e " (vgl. W . A . VlSSERT HOOFT: N e u Delhi 1961, S. 212 f.). 4U Z u m Begriff d e r „häretischen S t r u k t u r e n " vgl. C. W . WIU.IAMS: G e m e i n d e n für andere, S. 9 8 - 1 9 5 . • ш Vgl. d a z u D . MENDT: D e r A u f t r a g bestimmt die Gestalt der G e m e i n d e .

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beschritten und innovative Konzepte ausprobiert. In Sachsen bildeten sich - meist als Initiativen „von unten" - Hauskreise und Dienstgruppen; ungewohnte Gemeindeveranstaltungen erweiterten das traditionelle Angebot; neben den agendarischen Gottesdiensten fanden Gottesdienste auch „einmal anders" statt; die „Arbeit auf dem Lande" wurde als eigenständige Aufgabe gesehen und wahrgenommen.'tM Diese Modernismen hatten sich jedoch nicht nur gegen eine innerkirchliche Kritik aus traditionell orientierten Kreisen durchzusetzen, sondern führten zum Teil auch zu Konflikten mit den staatlichen Behörden. Den Funktionären, die im Partei- und Staatsapparat für Kirchenfragen zuständig waren, war durchaus bewußt, daß diese Bemühungen - wie alles, was zum Thema „Gemeindeaufbau" gedacht, geplant oder probiert wurde - ihren Bestrebungen einer weiteren Minimierung und Marginalisierung der Kirchen direkt zuwiderliefen. Die Charakterisierung solcher kirchlichen Aktivitäten als ein - angesichts der überholten Rolle der Kirchen natürlich vergeblicher - Versuch, „verlorene Positionen" zurückzugewinnen, wird in diesem Zusammenhang zur Standardeinschätzung. In Sachsen entzündeten sich sowohl der kirchliche wie auch der staatliche Widerstand an den seit 1963 in Karl-Marx-Stadt, unter dem Motto „Gottesdienst einmal anders" durchgeführten Jugendgottesdiensten mit Jazzmusik und Texten, die die Situation der jugendlichen Teilnehmer thematisierten. Sowohl die staatliche Seite wie auch kirchliche Kritiker dieser Veranstaltungen verlangten von der sächsischen Kirchenleitung ein Verbot dieser „Gottesdienste". Daß sich die Kirchenleitung (insbesondere Bischof Noth) gegen den innerkirchlichen Widerstand einerseits415 und trotz angedrohter Polizeimaßnahmen andererseits hinter diese Veranstaltungen stellte, bedeutete nicht nur eine Anerkennung dieser konkreten Gottesdienste als einer modernen Form der Verkündigung, sondern auch generell eine Vorentscheidung zugunsten neuer Wege in der Gemeindearbeit Bereits im Vorfeld eines für den 26. Juni 1966 vorgesehenen „Gottesdienstes einmal anders" war in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen ein Vorschlag zur langfristigen „Klärung der Situation bezüglich des sogenannten Gottesdienstes ,Gottesdienst einmal anders' in Karl-Marx-Stadt" erarbeitet worden. 416

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Vgl. auch H. KAHL: Kongreß und Kirchentag, S. 120. Dietrich Mendt berichtet, daß Bischof Noth angesichts kirchlicher und staatlicher Einwände zusammen mit weiteren Vertretern des Landeskirchenamtes nach Karl-Marx-Stadt gekommen sei, um sich selbst einen solchen Gottesdienst anzusehen. Danach habe er gesagt: „Ach, das machen wir erst zehn Jahre, dann reden wir wieder darüber" (Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 5). 4,6 Arbeitsgebiet Evang. Kirche (Wilke), Vorschlag zur Klärung der Situation bezüglich 415

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Die Notwendigkeit dieses längerfristigen Programms wurde damit begründet, daß es nicht geduldet werden könne, „daß der Gottesdienstraum zu Experimenten benutzt wird, die dazu dienen, attraktive Methoden zur Werbung von Jugendlichen für die Kirche und zur Ausweitung der Tätigkeit der Jungen Gemeinde und Studentengemeinde durchzuführen". 4 ' 7 Im Wissen darum, daß diese Veranstaltungen mit tatsächlichen Gottesdiensten nichts zu tun hätten, da „legitime Mittel der Kirchenmusik" lediglich „Orgel, Posaune und Kirchenchöre" wären, unterbreitete der Leiter des Arbeitsgebietes Evangelische Kirche, Wilke, darin eine Reihe von Maßnahmen gegen diese als provokativ empfundenen Veranstaltungen. Während sich ein Teil der unterbreiteten Vorschläge lediglich auf der administrativen Ebene bewegte (keine Auftrittserlaubnis für die Band, Weisung an den örtlichen Kraftverkehr, keine Busse zur Verfügung zu stellen), schlug Wilke andererseits auch eine Mobilisierung der „Öffentlichkeit" vor (Stellungnahmen der bei der Nationalen Front angesiedelten Arbeitsgemeinschaften „Christliche Kreise", Vortragsforum über Jazz, bei dem bestellte Teilnehmer ihre Empörung über den Mißbrauch von Gottesdiensten zum Ausdruck bringen). Eine von Wilke unter Punkt 7 vorgeschlagene Maßnahme wurde allerdings bereits von Hauptabteilungsleiter Weise mit einem Fragezeichen versehen und (später?) gestrichen. Wilke hatte angeregt: „Die Bezirksleitung der FDJ organisiert gemeinsam mit der Bezirksleitung der Partei, daß eine Gruppe guter Genossen und eine größere Gruppe von uns organisierter Jugendlicher den Gottesdienst besuchen und bei Beginn der Jazzmusik einen Krawall beginnen und randalieren. Im Ergebnis dieser Ausschreitung folgt ein Verbot dieser Veranstaltung." 418 Auch die Entscheidungsträger vor Ort sahen offensichtlich keinen Anlaß für derartige Winkelzüge. Nachdem der zuständige Superintendent, Gothardt Fehlberg, die von den örtlichen Staatsorganen in einem Gespräch beim Oberbürgermeister am 23. Juni vertretene Meinung, daß dieser Gottesdienst nicht stattfinden dürfe, ebenso deutlich zurückgewiesen hatte, verfügte der 1. Sekretär der SEDBezirksleitung ein Verbot der Veranstaltung. 419 Ausgesprochen wurde es zum einen vom Leiter des Volkspolizei-Kreisamtes gegenüber dem zuständigen Gemeindepfarrer, zum anderen vom Oberbürgermeister gegenüber Superintendent Fehlberg. des sogenannten Gottesdienstes „Gottesdienst einmal anders" in Karl-Marx-Stadt, 24.6.1966 (BArch Berlin, StfK, DO 4, 429). 417 A . a . O . , S. 1. - Weitergehender sind die späteren Einschätzungen des M f S , das diese Gottesdienste als „religiös verbrämte politische Veranstaltungen" einstufte, mit denen die Kirchen versuchen, die J u g e n d im Sinne des Gegners" zu beeinflussen (vgl. Auszug aus einer Rede Mielkes aus Anlaß einer Dienstkonferenz am 30.11.1966 [G. Bl SIl R/S. Woi.r, „Pfarrer, Christen und Katholiken", Dok. 48]; Auszug aus einem Lagebericht der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt vom 11.2.1969, Betreff: Lageeinschätzung der Feindtätigkeit im Bezirk Karl-Marx-Stadt, Bezug auf Weisung vom 23.1.1969 [G. BtSIKR/S. Woi.F, „Pfarrer, Christen und Katholiken", Dok. 50]). 418 Arbeitsgebiet Evang. Kirche (Wilke), Vorschlag zur Klärung der Situation bezüglich des sogenannten Gottesdienstes „Gottesdienst einmal anders" in Karl-Marx-Stadt, 24.6.1966 (BArch Berlin, StfK, DO 4, 429), S. 2 f. 4W Hauptabteilungsleiter (Weise), Kurzbericht über die staatlichen Maßnahmen gegen die geplante Veranstaltung „Gottesdienst einmal anders" in Karl-Marx-Stadt und deren Ergebnis, 29.6.1966 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 429), S. 2.

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Der Oberbürgermeister versuchte dabei zusätzlich, finanziellen Druck auszuüben. 420 Dennoch lehnte es Fehlberg ab, die verbotene Veranstaltung abzusagen. Nach Rücksprache mit dem Landeskirchenamt, das seine Haltung unterstützte, gab er der staatlichen Seite (in einem Telefonat mit HAL Weise) zu verstehen, daß der Gottesdienst stattfinden werde und nur durch Anwendung von Gewalt verhindert werden könne. 421 Mit dieser Möglichkeit wurde kirchlicherseits dann auch real gerechnet. Entsprechend konnte der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung nach dem Gottesdienst feststellen, „daß die Kirche mit Auflösung der Veranstaltung gerechnet habe und auch mit eventuellen Verhaftungen". Freilich war beides auf seine Anweisung hin unterblieben. Angesichts dessen, daß die Veranstaltung trotz staatlichen Verbotes durchgeführt worden war, begann bereits am Abend nach dem Gottesdienst in einer Auswertung bei der SED-Bezirksleitung (unter Beteiligung des Leiters der MfSBezirksverwaltung sowie von Vertretern der AG Kirchenfragen beim ZK und der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen) die innerstaatliche Schuldzuweisung, die in diesem Fall die regionalen Dienststellen des Staatsapparates traf: „Der Rat des Bezirkes muß wachsamer sein, von der Abteilung Inneres kommen zu wenig Mitteilungen über Beschwerden von Bürgern, die sich gegen diese Veranstaltungen wandten. Die Hinweise, daß es solche Beschwerden gibt, hat die Partei nicht vom Rat des Bezirkes erhalten. Die verantwortlichen Genossen im Rat des Bezirkes müssen daraus die entsprechenden Schlußfolgerungen ziehen. Die staatlichen Organe passen zu wenig auf. Auch die Kirche hat raffinierte Methoden in ihrer Einflußnahme über die NATO-Kirche und deshalb haben wir größere Wachsamkeit zu üben." 422 Nach der Veranstaltung wandte sich der sächsische Landesbischof Gottfried Noth an den Staatssekretär für Kirchenfragen Hans Seigewasser - unter Hinweis darauf, daß auch ein Mitarbeiter seiner Dienststelle (HAL Weise) an der Angelegenheit beteiligt gewesen sei - , um gegen die im Zuge der staatlichen Maßnahmen stattgefundene Erpressung von Schülern und Lehrlingen 423 zu protestieren: „Lediglich um die jungen Menschen nicht in weitere Konflikte zu bringen, ist es hingenommen worden, daß diese Schüler bei dem Gottesdienst am 26. Juni 1966 nicht mitwirkten. Im Grundsatz kann sich die Kirchenleitung aber mit den ge420 „Erst nachdem alle ernsten Mahnungen und Hinweise auf kein Verständnis stießen und seitens der kirchlichen Vertreter kein Entgegenkommen gezeigt wurde, sprach der Oberbürgermeister das Verbot der Veranstaltung aus unter Androhung des Entzugs der staadichen Zuschüsse für den Bereich der Ephorie Karl-Marx-Stadt" (ebd.). 421 „Fehlberg stellte provokatorisch die Forderung, nach dem ausgesprochenen Verbot doch dem Pfarrer Dr. Lehmann einen Prozeß zu machen und ihn in Haft zu nehmen" (а. а. O., S.4). 122 А. а. O., S. 7 f. 423 Es handelte sich dabei vor allem um die Mitglieder der Band. Ihnen wurde angedroht, von der Schule verwiesen zu werden, falls sie aufträten. Angesichts dessen verzichteten die kirchlichen Veranstalter auf einen Auftritt der Band, benannten allerdings vor versammelter Teilnehmerschar auch deudich die Gründe: „In der Begrüßung brachte der Pfarrer [sc. Dietrich Mendt] zum Ausdruck, daß die Instrumentalgruppe nicht auftreten könne, bedauerte, daß ihre Mitglieder daran gehindert würden, da ihnen angedroht wurde, sie werden von den Schulen verwiesen. Dies sei eine Art von Erpressung" (а. а. O., S. 5).

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schilderten Maßnahmen in gar keiner Weise abfinden oder sie gar als für die Zukunft geltend hinnehmen." 424 Darüber hinaus wandte sich Noth dagegen, daß der Staat entscheide, was ein Gottesdienst sei und was nicht: „Wir glauben uns mit Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, in voller Ubereinstimmung, wenn wir von der Tatsache ausgehen, daß die Ordnung des Gottesdienstes ausschließlich in die Verantwortung der Kirche fällt. Deshalb bestand auch keinerlei Anlaß, den genannten Gottesdienst am Sonntag, 26. Juni 1966, nicht zu halten." 425 Entsprechende Schreiben gingen an den Oberbürgermeister von Karl-Marx-Stadt und an den Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt 4 2 6 Eine abschließende „Aussprache" in dieser Angelegenheit wurde am 15. September 1966 beim Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt geführt, an der neben hochrangigen Vertretern der Dienststelle des Staatssekretärs auch die Kirchenreferenten der beiden anderen Bezirke, zu denen Gebiete der sächsischen Landeskirche gehörten (Dresden und Leipzig), beteiligt waren. Die sächsische Landeskirche war durch Landesbischof Noth, Präsident Johannes und Superintendent Fehlberg vertreten. 427 Bei dieser Begegnung hielt der amtierende Vorsitzende des Rates des Bezirkes Karl-Marx-Stadt Bischof N o t h vor, daß die betreffenden Veranstaltungen verfassungswidrig seien, und forderte dementsprechend mehrmals unumwunden, „dafür Sorge zu tragen, daß künftig landesübliche und verfassungsgemäße Gottesdienste durchgeführt werden". Noth erwiderte jedoch, „daß die Entscheidung über den Inhalt von Gottesdiensten Sache der Kirche und nicht des Staates sei und der Kirche auch überlassen bleiben müsse, wie sie die Gottesdienste gestalte". 428 Diese Haltung, die im Protokoll als „anmaßend", „frech", „provozierend" und „aggressiv" bezeichnet wurde, bekräftigte Noth in einem nachfolgenden Schreiben der sächsischen Kirchenleitung an den Staatssekretär für Kirchenfragen noch einmal und protestierte darin erneut gegen die Behinderung dieser Gottesdienste sowie gegen die schulischen Einschüchterungsversuche der jugendlichen Teilnehmer. 429 Daraufhin war das Thema „Gottesdienst einmal anders" auch Gegenstand eines Gespräches mit Vertretern der sächsischen Kirchenleitung am 29. Dezember 1966 „über Grundsatzfragen", an dem auch Staatssekretär Seigewasser teilnahm. In diesem Gespräch vermieden es die Staatsvertreter sichtlich, der kirchlichen Seite Anlaß zu dem Vorwurf zu geben, sie würden in kirchliche Belange eingreifen (Entscheidung darüber, was ein Gottesdienst sei und was nicht). Sie beschränkten sich vielmehr auf den juristischen Standpunkt, daß laut Gesetz jede Musikgruppe, die in der Öffentlichkeit auftrete, eine Auftritts424 Die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (Noth), An das Staatssekretariat für Kirchenfragen, 11.7.1966 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 429), S. 2. 424 А. а. O., S. 1. 4 » Vgl. ebd. 427 Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt. Stellvertreter des Vorsitzenden für Innere Angelegenheiten (K. Böhme), Bericht über die Aussprache mit Vertretern der Ev.-Luth. Landeskirchenleitung am 15.9.1966 zum Problem „Gottesdienst - einmal anders", 20.9.1966 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45079, Bl. 195-199). 438 А. а. O., S. 2. 429 Die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen (D. N o t h / D r . Johannes/Arnold), An das Staatssekretariat für Kirchenfragen, 17.10.1966 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2963, Bl. 55-56).

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genehmigung benötige, die kirchlichen Musikgruppen diese jedoch nicht vorweisen könnten, folglich auch nicht auftreten dürften. Die kirchliche Seite war damit in der Situation, begründen zu müssen, warum sie für sich ein „Sonderrecht" beanspruche. Sie argumentierte damit, daß es sich bei den „Gottesdiensten einmal anders" um einen Sonderfall handele, da hier die Musik nicht Selbstzweck wäre, es also keine „Aufführung" im eigentlichen Sinne sei, sondern die Musik im Dienst der Verkündigung stünde. Entsprechend versuchte man für diese Bands sprachliche Neuschöpfungen zu finden, die diesen besonderen Charakter deutlich machen sollten: „kirchliche Musiziergruppen" (Noth), „Kultorchester" (v. Brück), „gottesdiensdiche Musiziergruppen" (Noth). 430 In der Auseinandersetzung kennzeichnete dieses Gespräch den Übergang zu moderateren Tönen, in der Sache bedeutete es keine Änderung, so daß das Problem der „Gottesdienste einmal anders" für die staatliche Seite weiterhin ungeklärt blieb. Mit Blick auf entsprechende Veranstaltungen im Bezirk Leipzig431 forderte eine „Konzeption für die weitere Arbeit gegenüber der Landeskirche Sachsen", die im März 1967 vom Arbeitsgebiet Evangelische Kirche der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen erarbeitet wurde: „Unsere Mittel und Methoden müssen so angewandt werden, daß alle Angriffe von kirchlichen Kräften gegen unsere sozialistische Entwicklung (einheitl. Bildungssystem, Gesetz zur Wehrerziehung usw.) unterbleiben bzw. wirkungslos bleiben. Ausweitungen der kirchlichen Jugendarbeit, besonders in der Form des ,Gottesdienstes einmal anders', müssen wirksam mit politisch-ideologischen Maßnahmen unterbunden werden."432 Eine Lösung des Problems zeichnete sich für die staatliche Seite allerdings auch weiterhin nicht ab.433 430 Breitmann, Gespräch des Rates des Bezirkes Dresden mit Vertretern des Landeskirchenamtes der Ev.-Luth. Landeskirche über Grundsatzfragen am 29. Dezember 1966, undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2964, Bl. 1-9), S. 3 ff. 431 In Leipzig selbst fanden solche „Gottesdienste einmal anders" bereits seit 1965 statt. Auf einer Beratung von Staatsfunktionären der drei sächsischen Bezirke am 31. Januar 1967 war deutlich geworden, daß sich die „Gottesdienste einmal anders" nunmehr im gesamten Bezirk auszubreiten begannen (vgl. Arbeitsgebiet Evang. Kirche [Wilke], Aktenvermerk über im Bezirk Leipzig aufgetretene Probleme und Einzelfragen, die sich bei der Beratung der drei Bezirke in Dresden ergeben haben, 31.1.1967 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2969]). Dagegen hatte sich die Befürchtung, Pfarrer Dietrich Mendt könnte auf einer Schweriner Pastorenkonferenz ausführlich über die sächsischen „Gottesdienste einmal anders" referieren und damit eine Durchführung derartiger Veranstaltungen auch in der mecklenburgischen Landeskirche in Gang setzen, nicht bewahrheitet (aus staadicher Sicht aufgrund gezielter Einflußnahme auf den Schweriner Oberkirchenrat - vgl. Persönlicher Referent [Rogowski], Niederschrift über den ersten Tag der Diskussion von der Arbeitstagung mit den Bezirksreferenten am 27. und 28.10.66 in Berlin, 2.11.1966 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2687], S.6). 432 Arbeitsgebiet Evang. Kirche (Wilke), Konzeption für die weitere Arbeit gegenüber der Landeskirche Sachsen, 15.3.1967 (SHStA, B T / R d B Dresden, 29702-1, Bl. 13-20), S. 1. 433 Eine „Information über neue Formen und Methoden der politisch-religiösen Einflußnahme der Kirchen auf die Jugend" vom Dezember 1968 vermerkte dazu selbstkritisch, daß die Kirchen „mit diesen Veranstaltungen besonders in solchen Städten und Dörfern Anklang" fänden, „in denen das gesellschaftliche geistig-kulturelle Leben schlechthin, besonders aber für die Jugend", brachläge (Information über neue Formen und Methoden der politisch-religiösen Einflußnahme der Kirchen auf die Jugend, 3.12.1968 [BArch Berlin, StfK, D O 4,

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Bereits vor dieser Auseinandersetzung war - im Zusammenhang der Bildung einer „Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Strukturfragen der Gemeinde" auf DDR-Ebene 434 - in Sachsen ein eigener Arbeitskreis ins Leben gerufen worden,435 der die aus der Ökumene kommende Diskussion über neue Strukturen einer missionarischen Kirche aufzugreifen und für den eigenen Bereich, „einer nachchrisdichen, durch Säkularisation nachchristlichen Umwelt",436 umzusetzen versuchte. Dieser „Arbeitskreis für neue Formen des Gemeindeaufbaus", der sich am 8. Juni 1964 konstituierte,437 führte - neben den sächsischen Mitgliedern der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft - weitere Personen zusammen, die in ihrem Bereich bereits neue Wege in der Gemeindearbeit betreten hatten oder nach solchen suchten.438 Dieser (erste) Arbeitskreis war bis 1967 tätig und legte nach 2673], S. 5). Folgerichtig wurde deshalb gefordert, d a ß „durch die Entwicklung eines regen geistig-kulturellen Lebens auf allen Ebenen unseres gesellschaftlichen Lebens unter besonderer Berücksichtigung der Interessen unserer Jugend . . . entsprechenden kirchlichen Versuchen der Boden weitestgehend entzogen" werden müsse ( a . a . O . , S. 14). Eine weitere Ausarbeitung über „Die Zurückdrängung der politisch-religiösen Einflußnahme der Kirchen auf die Jugend in der D D R unter besonderer Berücksichtigung der Rüstzeiten und der neuen Formen und Methoden kirchlicher Jugendarbeit" aus dem J a h r e 1969 scheint dann in dieser Frage fast eine resignierende Haltung einzunehmen. M e h r nebenbei heißt es in diesem 33 Seiten umfassenden Dokument: „Zu den .Gottesdiensten einmal anders' wurde bereits mehrfach in anderen Materialien Stellung genommen, so d a ß hier nur festzustellen ist, daß sich unsere Auffassung dazu nicht verändert h a t Diese Form eines Gottesdienstes hat mit Religionsausübung im Sinne der Verfassung nichts zu tun" (Die Zurückdrängung der politisch-religiösen Einflußnahme der Kirchen auf die Jugend in der D D R unter besonderer Berücksichtigung der Rüstzeiten und der neuen Formen und Methoden kirchlicher Jugendarbeit, undatiert [SHStA, B T / R d B Dresden, 28441, Bl. 53-85], S.25 - vermutlich handelt es sich um einen Vortrag, der von Dr. Wilke [Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen] auf einem Lehrgang des Referats Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden 10.-13.6.1969 in Schöna gehalten wurde). 434 Sie war neben der nordamerikanischen und der westeuropäischen die dritte Arbeitsgruppe innerhalb des in Neu-Delhi beschlossenen Studienprogramms zur missionarischen Struktur der Gemeinde (siehe oben S. 104, Anm. 411; zu dieser Arbeitsgruppe vgl. W. RvrzMAN.N: Missionarische Gemeinde, S. 191-204). 435 Auf Anregung des sächsischen Oberlandeskirchenrates Friedrich Lehmann (vgl. Niederschrift des Gespräches mit Synodalpräsident i. R. Johannes Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 5; Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 3). 434 Niederschrift des Gespräches mit Landesbischof i. R. Dr. Johannes Hempel am 11.1 1.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 3. 437 H . Kahi.: Unsere Kirche unterwegs, S. 6. 438 U.a. Johannes Cieslak, Kurt Domsch, G e r h a r d Goebel, Johannes Hempel, H a n n a Kahl, Wolfgang Krellner, Günter Krusche, Werner Krusche, Dietrich Mendt, Erhard Wonneberger (vgl. u. a. Niederschrift des Gespräches mit Landesbischof i. R. Dr. Johannes Hempel am 11.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 3; Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 3).

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Abschluß und als Ergebnis seiner Arbeit in einer Thesenreihe („Arbeitshypothesen zum Gestaltwandel der Gemeinde in einer säkularisierten Umwelt") nieder, „was nach seiner Meinung in der Zukunft für Gemeinde wichtig sei". „Neben einer guten theologischen Arbeit war das vor allem das Gespräch. Gemeinde braucht gesprächsfähige Gruppen, in denen man aufeinander hört, einander mitteilt, was einen bewegt, und in denen man miteinander über die Bibel reden und miteinander herausfinden kann, was der Text für die jeweilige Situation, in der man sich befindet, bedeutet. Hinzu kam aus der Ökumene die Erkenntnis, daß Kirche im Grunde nur dann Kirche sei, wenn sie für andere da wäre und andere im Blick habe - also der missionarische Ansatz." 439

Nachdem zum Thema Gemeindeaufbau bereits von der 18. Landessynode gearbeitet worden war, diskutierte vor allem die 19. Landessynode, die sich 1966 konstituiert hatte, den Auftrag der Kirche und die sich daraus ergebenden Strukturänderungen. Im Mittelpunkt ihrer ersten Thementagung im Frühjahr 1967 stand der Sendungsauftrag der Kirche, wozu Studiendirektor Dr. Gottfried Voigt einerseits und Dozent Dr. Werner Krusche andererseits in zwei Referaten440 ihre jeweils gegensätzlichen Positionen vortrugen.441 „Dr. Werner Krusche vertrat die These, Kirche habe - überspitzt formuliert nur dann Daseinsberechtigung, wenn sie Kirche für andere sei, wenn sie also den missionarischen Auftrag nicht nur sehe, sondern als das wesentliche, sie treibende Element wahrnehme. Demgegenüber vertrat Dr. Gottfried Voigt, ein ehrenwerter und von allen hochgeschätzter Lutheraner, ein Kirchenverständnis, bei dem Kirche mehr einem Würfel mit verschiedenen Seiten glich. Eine wichtige Seite dieses Würfels, aber eben nur eine, sei Mission. Er betonte dabei weniger die Notwendigkeit, zu den Leuten hinzugehen, die ,Geh-Struktur', als vielmehr die Notwendigkeit, sie in die Kirche hereinzuholen, also die ,Komm-Struktur'." 442

Trotz des deutlichen Gegensatzes beider Positionen wurde in der anschließenden Bündelung durch Pfarrer Günter Krusche versucht, aus beiden Positionen jene Ansätze aufzunehmen, die für die zukünftigen Aufgaben der Kirche wichtig wären. Die Tendenz ging freilich in Richtung des von Werner Krusche vertretenen Modells, so daß Fragen der Umsetzung des missionaNiederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 3; vgl. H. KAHL: Unsere Kirche unterwegs, S. 9. 440 Werner Krusche, „Die Gemeinde Jesu Christi in der Welt" (Die Thesen sind abgedruckt in: W. KRUSCHE: Schritte und Markierungen, S. 125-132); Gottfried Voigt, „Der Aufbau der Gemeinde Jesu". 441 Vgl. dazu auch W. KRUSCHE: Das Missionarische als Strukturprinzip. 442 Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 4; vgl. H. KAHL: Unsere Kirche unterwegs, S. 14 f.

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rischen Wesens der Kirche in missionarische Strukturen und Arbeitsformen ein kontinuierliches Thema445 der sächsischen Landessynode blieb.444 2.2.2. Der Kongreß „missio heute" Neben der innersächsischen Diskussion wurde für die spätere Kirchentagskongreßarbeit insbesondere eine zentrale Arbeitstagung für Mission wichtig, die unter dem Thema „missio heute" vom 4. bis 7. Dezember 1967 in Berlin-Weißensee stattfand. Von Bedeutung war diese Tagung sowohl vom Thema her445 als auch noch in ganz anderer, zum Teil nicht vorhersehbarer Hinsicht. Zum einen wurde diese Tagung durch den äußeren Gang der Ereignisse ganz unmittelbar mit der Entstehung der sächsischen Kongreßarbeit verknüpft 444 Zum anderen hatte diese Tagung ähnlich den späteren Kirchentagskongressen die Form eines Delegiertenkongresses, dessen Arbeit sich zu einem Teil in Gesprächsgruppen447 vollzog. Der entscheidende Unterschied war allerdings, daß es sich bei dieser Veranstaltung nicht um einen Laienkongreß, sondern um eine Tagung von Fachleuten handelte. Eingeladen hatten zu diesem Missionskongreß die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Weltmission, die Arbeitsgemeinschaft evangelischer Missionen und die Arbeitsgemeinschaft für Volksmission. 448 „Zielpunkt" dieser 443 Auf der nächsten Thementagung der Landessynode im Frühjahr 1968 wurden vier Referate gehalten und diskutiert: 1. „Organisation und Gruppenbildung in Kirche und Gesellschaft", 2. „Die Kirche und der Strukturwandel in der modernen Gesellschaft", 3. „Neue Erkenntnisse über gesellschaftliche Leitungstätigkeit und ihre Bedeutung für die Kirche", 4. „Die Bedeutung der Raumstruktur für die Kirche" (vgl. 19. Landessynode, 16.19.3.1968, 15.-18. Sitzung, Mappe 1 [Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand I, 119]). 444 Begünstigt wurde das dadurch, daß nach dem überraschenden Tod Reimer Magers im Herbst 1966 ein Wechsel im Amt des Synodalpräsidenten notwendig wurde. Frühjahr 1967 wurde der Ofensetzmeister Johannes Cieslak gewählt, der bereits 1951 den bruderschaftlich orientierten Lückendorfer Arbeitskreis ins Leben gerufen hatte und selbst Mitglied sowohl der „Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Strukturfragen" wie auch des sächsischen „Arbeitskreises für neue Formen des Gemeindeaufbaus" war. Darüber hinaus wurde Cieslak auch Magers Nachfolger in der Funktion des Vorsitzenden des sächsischen Landesausschusses des Deutschen Evangelischen Kirchentages. 445 Drei der fünf Referenten kamen aus Sachsen, darunter die beiden Hauptreferenten. 444 Siehe unten S. 164-166. 447 5 Arbeitsgruppen mit ca. jeweils 40 Teilnehmern und einem vierköpfigen Leitungsteam (vgl. Pabst, Arbeitsbesprechung der Referenten, der Arbeitsgruppenleiter und des Vorbereitungskreises für den Kongreß „missio heute" am 24. Oktober 1967 in Berlin, 7.1 1.1967 [EZA, Kirchenkanzlei der Ε KD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 160], S. 4). ш Εν. Arbeitsgemeinschaft für Weltmission in der DDR/Arbeitsgemeinschaft ev. Missionen in der DDR/Arbeitsgemeinschaft für Volksmission in der DDR, Einladung zum Kongreß „missio heute", Oktober 1966 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 156); vgl. Pabst, Aktenvermerk über eine Besprechung zur Vorbereitung des im Dezember 1967 geplanten Missionskongresses am 27.5.1966 in Berlin, 31.5.1966 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 155), S. 2 f.

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Tagung sollte es sein, erstmals „alle missionarischen Potenzen in unserem Lebens- und Dienstbereich zusammenzuführen, damit alle sich um die eine Sache bemühen, die in aller Verschiedenartigkeit uns aufgegeben ist. Es sollen sich aber auch alle kennenlernen, die missionarisch tätig sind."449 Dabei wurde bewußt nicht unterschieden zwischen jenen, die vom Ansatz her der Weltmission, und denen, die der Volksmission verpflichtet waren. Denn: „Immer stärker wird die Erkenntnis, daß es bei der Verkündigung des Evangeliums an die Nahen und an die Fernen letztlich um die gleiche Aufgabe geht."450 Um zu zeigen, daß es nicht eingegrenzt um „Mission", sondern allgemeiner um den Sendungsauftrag der Kirche gehen soll, wurde als Themenformulierung „missio" gewählt. Den aktuellen Bezug deutete der Zusatz „heute" an. Damit unter dieser Zielstellung möglichst alle in Frage kommenden Gruppierungen bei der auf 236 Plätze 451 begrenzten Teilnehmerzahl beteiligt werden könnten, wurde nach einem Delegiertenschlüssel eingeladen. Neben den drei Gremien, die als Träger der Veranstaltung fungierten, wurden Plätze für die leitenden Geistlichen der acht evangelischen Landeskirchen in der D D R vorgesehen, für die Präsidenten der einzelnen Landessynoden, für die Leiter der Predigerseminare, die Missionsreferenten der Landeskirchen, für Vertreter der Männer- und der Frauenarbeit, der Jugendkammer, der Inneren Mission, der Haushalterschaftsarbeit, der Evangelischen Akademien, der Evangelischen Studentengemeinden, der kirchlichen Presse, der Konferenz der Landesausschüsse des DEKT, 452 der

449 Oberkirchenrat von Brück, Herrn Bischofsverwalter D. Schönherr, Betr.: Kongreß „missio heute", 24.4.1967 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 157). 450 Ev. Arbeitsgemeinschaft für Weltmission in der DDR/Arbeitsgemeinschaft ev. Missionen in der DDR/Arbeitsgemeinschaft für Volksmission in der DDR, Einladung zum Kongreß „missio heute", Oktober 1966 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 156). 451 Vgl. Pabst, Arbeitsbesprechung des Vorbereitungskreises für den Kongreß „missio heute" am 24. Oktober in Berlin, 6.11.1967 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 160), S. 1. 452 Innerhalb der Konferenz der Landesausschüsse stieß der Kongreß auf solches Interesses, daß zusätzlich zu den vier Plätzen, die für den DEKT vorgesehen waren, vierzehn weitere beantragt wurden (Deutscher Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der Deutschen Demokratischen Republik [Mädler], Arbeitsgemeinschaft für Weltmission. z.Hd. Herrn Oberkirchenrat W. Pabst, 28.2.1967 [EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 157]). Als Delegierte des Kirchentages haben nachher am Kongreß 16 Personen teilgenommen. Tatsächlich waren jedoch mehr Teilnehmer aus der Kirchentagsarbeit am Kongreß beteiligt. Der Vorsitzende des sächsischen Landesausschusses des DEKT, Synodalpräsident Johannes Cieslak, war zum Beispiel nicht als Delegierter des Kirchentages (auch nicht als Synodalpräsident), sondern als Vertreter der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Strukturfragen der Gemeinde auf dem Kongreß anwesend.

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Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Strukturfragen der Gemeinde, der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Stadtmissionen, der Aktion Sühnezeichen und des Gnadauer Gemeinschaftswerkes. 453 Als Referenten konnten Dozent Werner Krusche454 und Pfarrer Dietrich Mendt, der in Karl-MarxStadt mit neuen Strukturen missionarischer Gemeinde experimentierte,455 sowie der neue Direktor der Abteilung für Weltmission und Evangelisation des Ökumenischen Rates der Kirchen (ORK), Generalsekretär Philipp Potter, gewonnen werden. Das Abschlußreferat mit einer Zusammenfassung des Kongreßergebnisses übernahm der Verwalter des berlin-brandenburgischen Bischofsamtes, Generalsuperintendent Albrecht Schönherr. Auch bei dieser Veranstaltung stellte sich die Frage, ob und wann die staatliche Seite über dieses Vorhaben informiert werden sollte. Auf der Sitzung des Vorbereitungskreises am 29. März 1967 wurde zu diesem Tagesordnungspunkt beschlossen, „von einer Anmeldung des Kongresses bei einer staatlichen Stelle" abzusehen. Bei Beantragung der Einreisegenehmigung für ORK-Generalsekretär Philipp Potter aus Genf werde ohnehin in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen über den Kongreß gesprochen werden müssen. Dann werde man sehen, wie sich „das Gespräch hierüber... entwickelt".456 Zum 28. August meldete sich dann der Ökumenebeauftragte der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, Oberkirchenrat Walter Pabst, bei Hauptabteilungsleiter Weise an, „um ihm Kenntnis von unserem Kongreß zu geben", traf aber lediglich einen Mitarbeiter Weises an. Diesen informierte er über den Kongreß sowie über die damit verbundene Einladung an Reverend Potter. Daraufhin wurde seitens dieses auch sonst für Reiseangelegenheiten zuständigen Mitarbeiters anheim gestellt, „die Einreisegenehmigung zu beantragen", was am 4. September geschah. Nachdem zwei Monate staadicherseits keine Reaktion erfolgt war, wurde am 3. November 1968 der Einreiseantrag für Potter kommentarlos abgelehnt Eine Rückfrage von Oberkirchenrat Pabst in der Dienststelle des Staatssekretärs ergab, daß Potter zwar an der Tagung teilnehmen könne, jedoch „während der Tagung in Westberlin übernachten" müsse.457

455 Vgl. die Listen in EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 155 und 160. 444 Krusche war einer der beiden Vorsitzenden der „Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Strukturfragen der Gemeinde". Angesichts des anstehenden Vortrages auf der sächsischen Landessynode im Frühjahr 1967 sagte er freilich nur zögerlich zu, „da man innerhalb eines Jahres nicht zweimal zur selben Sache reden kann, wenn man im Grunde beim zweiten Male nicht dasselbe sagen will wie beim ersten" (Dr. Werner Krusche, An die Arbeitsgemeinschaft für Weltmission. z . H d . v. Herrn Oberkirchenrat Pabst, Betr.: Kongreß „Missio heute", 15.11.1966 [EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 156]). 455 Mendt war seit dem Frühjahr 1965 neben Krusche der zweite Vorsitzende der „Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Strukturfragen der Gemeinde" und unter anderem in den oben erwähnten „Gottesdiensten einmal anders" sowie in der Hauskreisarbeit engagiert. 456 Pabst, Niederschrift über eine Dienstbesprechung zur Vorbereitung des Kongresses „missio heute" am 29.3.1967 in Berlin, 12.4.1967 (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 157), S. 1. 457 Vgl. Arbeitsgemeinschaft für Weltmission (Pabst), Herrn Bischof D . Dr. Krummacher,

Gemeindeaufbau und Kirchenverständnis

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Ein weiterer Schritt erfolgte - unmittelbar vor dem Kongreß (am 1. Dezember 1967) - auf Weisung der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED. Deren „Vorschläge" 458 , die unmittelbar umgesetzt wurden, sahen zum einen vor, westdeutschen und ausländischen Teilnehmern generell die Einreise zum Kongreß zu verweigern und sie an der Grenze zurückzuweisen (was in den Zuständigkeitsbereich des MfS fiel) 459 . Zum anderen sollten seitens der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen Aussprachen mit Oberkirchenrat Pabst als dem „Organisator des Kongresses" und „dem Verantwortlichen für das Stephanus-Stift", wo der Kongreß tagen sollte, durchgeführt werden. Ersterem sei mitzuteilen, daß „die zuständigen Organe des Innern der D D R " verfügt hätten, „daß dieser Kongreß ,missio heute' auf dem Gebiet der D D R und ihrer Hauptstadt nicht stattfinden" könne. Denn er diene „keinem anderen Ziel als dem der westdeutschen Militärkirche, im Auftrage der Kiesinger-Strauß-Regierung die revanchistische Politik der Alleinvertretungsanmaßung und ihre Konzeption des Eindringens in die D D R zu vertreten" - wie die zahlreichen Teilnehmer am Kongreß aus Westdeutschland zeigten. Außerdem stelle das „Anliegen des Kongresses eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der D D R und anderer Länder, einschließlich der sogenannten Entwicklungsländer, dar". Der Vertreter des Stephanus-Stifts sollte darüber hinaus ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß er aus den genannten Gründen „für diesen Kongreß Räumlichkeiten nicht zur Verfügung stellen" dürfe. 460 Demgemäß wurde Oberkirchenrat Pabst noch am gleichen Tage wegen „einer sehr ernsten Angelegenheit" zu einem dringenden Gespräch mit Hauptabteilungsleiter Weise in die Dienststelle des Staatssekretärs gebeten. Die Unterredung war kurz und knapp (25 Minuten). Weise verlas „von einem Blatt" im großen und ganzen lediglich die vom ZK verfügten Festlegungen einschließlich ihrer Begründung. Eine von Pabst versuchte Richtigstellung der in der Begründung erkennbaren Mißverständnisse 461 lehnte Weise mehrmals ab, ergänzte seine Mitteilung, daß der Kongreß nicht stattfinden könne, jedoch dahingehend, daß dieser dennoch nicht verboten sei, man also keine Maßnahmen „gegen die Veranstalter und gegen Betr.: Kongreß „missio heute", 14.12.1967 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 160). 458 Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Vorschläge zur geplanten Durchführung des Kirchlichen Kongresses „missio heute" in der Zeit vom 4. bis 7.12.1967 in der Hauptstadt Berlin, 1.12.1967 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2789, Bl. 12). 459 Vgl. Hauptabteilungsleiter (Weise), Ministerium des Innern. Genossen Generalleutnant Grünstein, 1.12.1967 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2789, Bl. 8). 440 Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Vorschläge zur geplanten Durchführung des Kirchlichen Kongresses „missio heute" in der Zeit vom 4. bis 7.12.1967 in der Hauptstadt Berlin, 1.12.1967 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2789, Bl. 12). 461 Diese Mißverständnisse kehren auch in einer ausführlichen Begründung der staatlichen Entscheidung wieder, die der wissenschaftliche Mitarbeiter in der Dienststelle des Staatssekretärs, Horst Dohle, am 4. Dezember verfaßte. Ohne auf den Kongreß selbst konkret einzugehen, beschrieb Dohle auf fünf Seiten den neokolonialistischen Charakter der insbesondere von Westdeutschland aus aggressiv betriebenen „äußeren Mission", womit er die staatliche Ablehnung des Missionskongresses hinreichend begründet fand (vgl. Wissenschaftlicher Mitarbeiter [Dr. Dohle], ohne Titel, 4.12.1967 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2673]).

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das Veranstaltungsbüro" einleiten werde.·162 Nach Oberkirchenrat Pabst wurde Kirchenrat Willy Federlein als Hausherr der Stephanus-Stiftung in das Staatssekretariat gerufen, wo er die gleiche Mitteilung wie OKR Pabst erhielt463 und auf eine entsprechende Aufforderung wohl auch zusagte, für diesen Kongreß keine Räume zur Verfügung zu stellen.464 Nach seiner Rückkehr rief Pabst Vertreter der drei für den Kongreß verantwortlichen Arbeitsgemeinschaften zu einer Krisensitzung zusammen. Angesichts dessen, daß die staatliche Seite offensichtlich von falschen Voraussetzungen ausgegangen war (eine große Zahl westdeutscher Teilnehmer, Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten), einigte man sich darauf, den Kongreß entgegen der staatlichen Weisung dennoch durchzuführen, sofern nicht die Vorsitzenden der Konferenz der Kirchenleitungen465 oder die zuständigen Vertreter der berlin-brandenburgischen Kirche444, in deren Bereich der Kongreß stattfinden sollte, Einwände erheben würden. Das war nicht der Fall.467 Auch Kirchenrat Federlein machte, nachdem deudich geworden war, daß die ihm im Staatssekretariat mitgeteilten Informationen (große Beteiligung westdeutscher Gäste) nicht zuträfen, keine Einwände geltend. Die Entscheidung fiel auf einer Besprechung von Vertretern der beteiligten Gremien am 4. Dezember 1967. Auf ihr wurde endgültig beschlossen, daß „versucht werden" soll, „den Kongreß durchzuführen". Allerdings sei darauf zu achten, daß lediglich die angemeldeten Delegierten teilnähmen. Diese würden „über die von staadicher Seite gegen den Kongreß erhobenen Einwendungen" informiert. Eine „Nachricht an staadiche Stellen, daß der Kongreß durchgeführt wird", wäre dagegen nicht angemessen, „da HAL Weise ausdrücklich gegenüber OKR Pabst erklärte, man wünsche keine Diskussion über die Angelegenheit des Kongresses". Für den Fall, daß staadicherseits der Kongreß mit Gewalt verhindert würde, wurden jedoch Alternativlösungen festgelegt.468 Diese erwiesen sich als unnötig.

442 Vgl. Pabst, Aktenvermerk über eine Unterredung mit HAL Weise und Oberreferent Schulze im Staatssekretariat für Kirchenfragen am 1.12.1967, 1.12.1967 (EZA, Kirchenkanzlei der Ε KD für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 160). *" Aktenvermerk Uber die Vorbereitung des Kongresses „missio heute" am 1. und 2.12.1967, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 160), S. 3. 464 So die handschriftliche Vollzugsmeldung zu diesem Gespräch: „KR Federlein am 1.12. 15.15 eröffnet. Er wird keine Räumlichkeiten f. diese Tagung zur Vfg. stellen" (Arbeitsgruppe Kirchenfragen, Vorschläge zur geplanten Durchführung des Kirchlichen Kongresses „missio heute" in der Zeit vom 4. bis 7.12.1967 in der Hauptstadt Berlin, 1.12.1967 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2789, Bl. 12]). 445 Bischof Krummacher als Vorsitzender und Bischof Noth als sein Stellvertreter. 466 Generalsuperintendent Schönherr als Verwalter des Bischofsamtes, der Berliner Generalsuperintendent Schmitt sowie Kirchenrat Federlein als Hausherr der Stephanus-Stiftung. ш Lediglich der thüringische Bischof Mitzenheim, dessen Meinung offiziell allerdings nicht erbeten wurde, äußerte Bedenken (vgl. Aktenvermerk über die Vorbereitung des Kongresses „missio heute" am 1. und 2.12.1967, undatiert [EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 160], S.4). 448 Vgl. Pabst, Aktenvermerk über eine Besprechung betr. Kongreß „missio heute" am

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Der Kongreß konnte nahezu ohne Behinderungen stattfinden. 469 Lediglich Philipp Potter wurde - entsprechend den von der Arbeitsgruppe Kirchenfragen angeordneten Maßnahmen - am S.Dezember 1967 „an der Staatsgrenze in Berlin zurückgewiesen". 470 Sein Referat wurde auf dem Kongreß lediglich verlesen.471

Der Kongreß begann472 mit dem Referat von Werner Krusche „missio presence oder Bekehrung?"473 Diese Themenformulierung war Krusche vorgegeben worden und sollte in der Gegenüberstellung zweier ganz unterschiedlicher Konzeptionen die Arbeit ohne Umschweife in die Mitte der Diskussion um den Sendungsauftrag der Kirche führen. Dementsprechend arbeitete Krusche als erstes die Unterschiede zwischen beiden Konzeptionen - „Bekehrung" einerseits und „presence" andererseits474 - pointiert heraus. Die Antwort des Bekehrungsmodells „auf die Frage nach dem Daseinssinn (dem Wozu) der von Jesus Christus berufenen und gesendeten Gemeinde" laute: „Die Gemeinde Jesu Christi ist dazu da, in Seinem Namen als Seine Botenschar das Evangelium von der Rettung des Sünders

4.12.1967 in Berlin, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 160). "" Im nachhinein wurde von Konsistorialrat Stolpe auf der Sitzung der leitenden Juristen am 17. Januar 1968 noch einmal ausdrücklich festgehalten, daß er bei einer Überprüfung der „Einhaltung der staadichen Bestimmungen über die Anmeldepflicht" sowie der „polizeirechtlichen Bestimmungen" zu dem Ergebnis gekommen sei, daß „die Vorschriften über die Anmeldepflicht... nicht verletzt worden" seien. „Das gleiche träfe hinsichdich der auch für den Bereich von Land Sachsen und Thüringen geltenden Vorschriften des Preuß. PolizeiVerwaltungsgesetzes zu. Ein schriftliches Gutachten hierüber soll nicht angefertigt werden" (Küntscher, Auszugsweise Abschrift aus der Niederschrift Uber die Sitzung der leitenden Juristen der Gliedkirchen der EKD in der DDR am 17. Januar 1968 in Berlin, undatiert [EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 162]). Arbeitsgemeinschaft für Weltmission (Pabst), Herrn Bischof D. Dr. Krummacher, Betr.: Kongreß „missio heute", 14.12.1967 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 160), S.2. 471 Zusätzlich wurde der Direktor der Leipziger Mission, August Kimme, um ein Zusatzreferat zu Potters Thema („Missio - ökumenische Wirklichkeit?") gebeten, dem dieser die Überschrift „missio - ökumenische Wirklichkeit und Aufgabe" gab (vgl. die Unterlagen dazu in: EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 164). m Von den 207 angemeldeten Personen waren 186 gekommen, darunter alle leitenden GeisUichen, von den leitenden Juristen war dagegen lediglich Präsident Kurt Johannes (Dresden) anwesend. 473 Unter dem Titel „Missio - Präsenz oder Bekehrung?" mehrfach veröffentlicht, u. a. in: W. KRUSCHE: Schritte und Markierungen, S. 176-200. Der folgenden Darstellung liegt nicht die leicht gekürzte Druckfassung, sondern der seinerzeit vervielfältigte Text zugrunde, der den Kongreßteilnehmern im nachhinein zugesandt wurde (ein Exemplar findet sich in: EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 162). 474 „Bekehrung" meinte dabei das traditionelle Verständnis des Sendungsauftrags der Kirche, das durch Momente des Pietismus und der Erweckungsbewegung bestimmt wurde, während „presence" einen Begriff aufnahm, der 1965 auf einer Tagung des Christlichen Studentenweltbundes geprägt worden war.

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zu den Menschen zu bringen, um sie zu einer persönlichen Lebensentscheidung für Jesus Christus und damit zum Bruch mit der Welt in einem geheiligten Leben zu rufen und sie in die Gemeinschaft der an Ihn Glaubenden zu bringen, die sich der Herr als Sein Eigentumsvolk sammelt." Dagegen laute die Antwort des presence-Konzeptes: „Die Gemeinde Jesu Christi ist dazu da, um in Seinem Namen als Seine Dienstschar in geistlicher Verantwortlichkeit für die Welt, in der sie lebt und deren Nöte die Ihren sind, zu erkunden und in Angriff zu nehmen, was der Herr von ihr als Einsatz ihrer Liebe und als Signale ihrer Hoffnung auf das Reichsheil für die Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse getan haben will, ohne daß dabei auf die Gewinnung von Menschen für die Gemeinde abgezielt wäre." 475 Krusche selbst entschied sich nach der Darstellung der beiden gegensätzlichen Konzeptionen weder für das eine noch für das andere von ihm dargestellte Modell, sondern für den Versuch einer Synthese, bei der die Ziele des presence-Konzeptes in das Bekehrungsmodell integriert wurden. 476 Zum einem schließe Bekehrtsein die mit presence gemeinte Solidarität mit den Mitmenschen ein, da das „neu gewonnene Verhältnis zu Jesus Christus" ein „neues Verhältnis zum Nächsten" impliziere. Dieses neue Verhältnis sei von Nächstenliebe bestimmt, die ihrerseits ganz konkrete Lebens- und Arbeitsformen brauche, um wirksam zu werden. Zum anderen sei erfahrene Bekehrung aber nicht nur Motiv zu sozialem Engagement, sondern eben auch „das Motiv für weitere Bekehrung". Wer sich an Christus orientiert, bekommt „ein Interesse daran . . . , auch die anderen mitzunehmen, auch sie in die Gemeinde mitzunehmen". 477 Zwar wäre das Endziel dieser Bekehrung nicht primär die Kirche, sondern das Reich Gottes, es dürfe jedoch nicht übersehen werden, daß die Kirche „nicht nur Werkzeug der basileia, sondern in aller ihrer Kümmerlichkeil deren antizipierte geschichtliche Präsenz" sei.478

475 W e r n e r Krusche, missio - presence o d e r Bekehrung? ( E Z A , Kirchenkanzlei der t K D f ü r die Gliedkirchen in d e r D D R , 104, 162), S. 2 (These 1). 476 Krusche selbst griff in seinem Schlußwort hinsichdich d e r beiden K o n z e p t i o n e n d a s Bild von den zwei Stühlen auf, zwischen die man sich setzen k ö n n e . Bei der Beschäftigung mit dem T h e m a h a b e er festgestellt, d a ß d a s Bekehrungsmodell gar kein „Stuhl" wäre, „sondern eher eine Bank, und z w a r eine ziemlich lange". Kr f ä h r t fort: „ N u n h a b e ich mich also, wie Sie in d e r dritten T h e s e gemerkt haben w e r d e n , auf diese Bank gesetzt und so d a s K o n z e p t , B e k e h r u n g ' a u f g e n o m m e n , weil ich nämlich merkte, d a ß auf dieser Bank links a u c h das p r e s e n c e - K o n z e p t n o c h Platz h a t " (Schlußworte von D o z e n t D r . Krusche zu seinem Referat missio - presence o d e r Bekehrung? [ E Z A , Kirchenkanzlei d e r E K D f ü r die Gliedkirchen in d e r D D R , 104, 163]). 177 Schlußworte von D o z e n t D r . K r u s c h e zu seinem Referat missio - presence o d e r Bekehrung? ( E Z A , Kirchenkanzlei der E K D f ü r die Gliedkirchen in d e r D D R , 104, 163). 478 W e r n e r Krusche, missio - presence o d e r Bekehrung? ( E Z A , Kirchenkanzlei d e r E K D f ü r die Gliedkirchen in d e r D D R , 104, 162), S. 20 ff.

G e m e i n d e a u f b a u und K i r c h e n v e r s t ä n d n i s

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Am zweiten Kongreßtag referierte Pfarrer Dietrich Mendt über „Missio - Auftrag und Gestalt der Gemeinde", wobei bereits die Themenformulierung auf die Priorität des Auftrags gegenüber der als funktional verstandenen Gestalt der Gemeinde hinweisen sollte. Wenn „Kirche" als eine Antwort zu verstehen sei, „die Gott der Welt auf deren Fragen geben will", sei die Wahrnehmung des Sendungsauftrages der Kirche ein dialogisches Geschehen, bei dem auch dem Frager eine entscheidende Funktion zukomme. Zwar sei der Inhalt der Antwort mit dem Evangelium „vorgegeben", nicht jedoch die „Gestalt", in der diese Antwort gegeben werde.479 Welche Gestalt das Evangelium als Antwort jeweils konkret annehmen müsse, werde wesentlich durch die Situation bestimmt, aus der heraus sich die Fragen und damit der konkrete Auftrag ergeben. Heute sei diese Situation vor allem die einer nichtchrisdichen Umwelt, für die der chrisdiche Vorstellungshorizont fremd und mißverständlich sei. Angesichts dessen müsse „der einzelne Christ die Botschaft selbständig und schöpferisch in den Sachbereich übersetzen . . . , den ihm Gott zugewiesen hat in seiner Arbeitsstelle, seiner Wohnung, seiner Familie, seiner Freundschaft und Verwandtschaft".480 Darüber hinaus resultierten nach Mendt aus „unserer Situation" mehrere „Gesamtaufträge der Kirche", von denen er vier ausdrücklich hervorhob: „eine geordnete Diakonie der Alten", „verantwortlicher Umgang mit der Zeit", „Bewältigung des Mangels in pflegerischen Berufen" sowie „Erfinden und Praktizieren von neuen Möglichkeiten des Friedenstiftens". In einem zweiten Teil zog Mendt aufgrund eigener, in seiner Gemeindearbeit gewonnener Erfahrungen Konsequenzen für die Struktur einer missionarischen Gemeinde, die diese Antworten geben und diese Aufgaben wahrnehmen wolle. Er beschränkte sich dabei auf die zwei Bereiche, für die bereits Erfahrungen vorlägen: einerseits auf Folgerungen für die Struktur einer Gemeinde, „die dem Christen ,vor Ort' hilft, das Evangelium sachgemäß zu übersetzen in Tat und Wort", und andererseits hinsichdich der Gemeinde, die „sachlich oder thematisch begrenzte Dienste" wahrnimmt. An die spätere Kongreßarbeit erinnert dabei die bereits vom sächsischen „Arbeitskreis für neue Formen des Gemeindeaufbaus" (dem Mendt angehörte) betonte Bedeutung, die in diesem Zusammenhang dem Gruppengespräch eingeräumt wird, deren Notwendigkeit wiederum die Zurüstung von Gesprächsgruppenleitem erforderlich mache. Da Mendt bei der Beschreibung der Form, in der heute der Sendungsauftrag wahrzunehmen sei, das soziale Engagement betonte, erschien er auf dem Kongreß im Gegensatz zu Krusche mehr als Vertreter des

S. 1. 480

Dietrich Mendt, Missio - Auftrag und Gestalt der Gemeinde (Privatarchiv Mendt), А. а. O., S. 5.

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Voraussetzungen und Kontext

presence-Konzeptes. Die Diskussion481 in den Arbeitsgruppen zeigte freilich, daß kaum jemand eines der beiden Konzepte in der von Krusche pointiert vorgetragenen Ausschließlichkeit befürwortete. In allen Berichten aus den Arbeitsgruppen wurden presence und Bekehrung als zwei Seiten des einen Auftrags - freilich in unterschiedlicher Betonung - aufeinander bezogen (wie es bereits auch Krusche getan hatte).482 Eine in diesem Sinne vermittelnde Position nahm auch das abschließende und zusammenfassende Referat von Albrecht Schönherr ein.483 Er verglich die unterschiedlichen Gewichtungen mit den drei Dimensionen eines Würfels, von denen jede für sich für den Bestand des Würfels als Würfel konstitutiv sei. Ebenso müßten auch im missionarischen Handeln drei Dimensionen zur Geltung kommen: der „Ruf zu Christus", der „Hinweis auf den Dienst" und die „Befreiung zum Lob".484 Darüber hinaus hielt Schönherr als zwei weitere Ergebnisse des Kongresses ausdrücklich die Bedeutung des Gesprächs und die daraus resultierende Notwendigkeit einer Schulung von Gesprächsleitern sowie die Zunistung der Gemeindeglieder als verantwortliche Mitarbeiter fest.485 Letzteres kam auch deutlich in einem Vortrag von Eberhard Winkler auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Missionen zum „volksmissionarischen Ertrag des Kongresses ,missio heute'" zum Ausdruck: „Volksmission kann heute nicht mehr als das Bemühen verstanden werden, die Massen der volkskirchlich Getauften zum lebendigen Glauben zu führen. In der verfallenden Volkskirche wird Volksmission mehr und mehr zum Gemeindeaufbau mit dem Ziel, die Glieder des Volkes Gottes zur Erfüllung ihres Sendungsauftrages zuzurüsten. . . . Die Erkenntnis, daß der Laie der Missionar des 20. Jahrhunderts ist, bleibt eine Phrase, wenn Entklerikalisierung des kirchlichen Denkens und Handelns bei Gemeindegliedern und Amtsträgern nicht mit allen geeigneten Mitteln vorangetrieben wird. Die Laien sind nicht Mitarbeiter der Pfarrer oder Volksmissionare, sondern sie alle sind als Mitarbeiter Christi auf gegenseitige Information und geistliche Hilfe angewiesen." 486

4,1 Sie w u r d e von dem T h e m a „presence o d e r Bekehrung" dominiert. Die Vorträge z u r ökumenischen Wirklichkeit von Philipp P o t t e r und August K i m m e wurden kaum diskutiert. D a sich zwischen ihrer T h e m a t i k und d e r späteren K i r c h e n t a g s k o n g r e ß a r b e i t kaum Parallelen ergeben, bleiben sie hier unberücksichtigt. 482 Vgl. K o n g r e ß „missio heute" vom 4.-7. D e z e m b e r 1967 in Berlin, Berichte aus den Arbeitsgruppen ( E Z A , Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in d e r D D R , 104,

162). 483 G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t Albrecht S c h ö n h e r r , Z u s a m m e n f a s s e n d e s Referat „missio h e u t e " (HZA, Kirchenkanzlei d e r E K D f ü r die Gliedkirchen in d e r D D R , 104, 162). 4,4 A . a . O . , S. 13. 485 A . a . O . , S. 13 f. Prof. D r . E b e r h a r d Winkler - Halle, J a h r e s t a g u n g A G E M Berlin 28.9.1969. T h e s e n z u m V o r t r a g „ D e r volksmissionarische E r t r a g des Kongresses ,missio heute'", u n d a t i e r t ( E Z A , Kirchenkanzlei d e r E K D f ü r die Gliedkirchen in d e r D D R , 104, 166), S. 2.

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Die Reaktionen der Teilnehmer auf diesen Kongreß waren überwiegend positiv.487 Auf der Nachbesprechung des Vorbereitungskreises am 13. Dezember 1967 wurde dazu festgehalten: „Es kam zu guten Gesprächen zwischen Vertretern der presence-Theologie und der Bekehrungstheologie. Weithin war ein gegenseitiges Ernstnehmen, oft ein gegenseitiges Verstehen festzustellen." Allerdings habe die allen bekannte staatliche Ablehnung dieses Kongresses zu einer „irenischen Kongreßatmosphäre" beigetragen. Kritisch wurde vermerkt, daß „die Fragen der Weltmission . . . zugunsten der Probleme der Mission im Nahen weithin" zurücktraten,488 was auch bereits Missionsdirektor Kimme in seinem Referat bemängelt hatte.489 Kritischer war die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Missionen, die den Kongreß auf ihrer Sitzung am 9. Januar 1968 auswertete. Positiv wurde zwar vermerkt, daß der Kongreß überhaupt stattgefunden habe. Ansonsten war man der Meinung, daß das Bekehrungskonzept nicht zu seinem Recht gekommen sei, und stellte die Frage: „War der Kongreß auf ,presence' zu geplant?" Ungünstig habe es sich in diesem Zusammenhang ausgewirkt, „daß Alternativfragen in den Mittelpunkt gestellt" worden seien.490 Innerhalb der Arbeitsgemeinschaft für Weltmission, von der die Anregung zu diesem Kongreß seinerzeit ausgegangen war, wurde bei der

487 Vom sächsischen Landesbischof Noth ist die Meinungsäußerung überliefert, daß sich „der Arbeitsstil des Kongresses" bewährt habe und „in Zukunft auch ähnlichen kirchlichen Zusammenkünften als Muster dienen" könne (Pabst, Niederschrift über die Sitzung des Fortsetzungsausschusses für den Kongreß „missio heute" am 1.7.1968 in Berlin, undatiert [EZA, Kirchenkanzlei der Ε K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 164], S.2). Dietrich Mendt setzte zurückblickend der zum Teil schwierigen Vorbereitung die „überzeugende" Durchführung entgegen: „Es wurden Leute ins Gespräch gebracht, die noch nie miteinander ernstlich über dieses Thema geredet hatten" (Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 2). Die Atmosphäre war so, daß der neue sächsische Synodalpräsident und Ofensetzmeister Johannes Cieslak aus der Entfernung von 30 Jahren diese Tagung nicht als ein Treffen von „Fachleuten" charakterisierte (zu der lediglich Mendt einige Laien mitbringen durfte), sondern als „Zusammenkunft von missionarischen Gruppen" (vgl. Niederschrift des Gespräches mit Synodalpräsident i. R. Johannes Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 1). Auch Dietrich Mendt charakterisierte diesen Kongreß insbesondere hinsichtlich der dort praktizierten Arbeitsform als direkte Vorstufe zur sächsischen Kirchentagskongreßarbeit (Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 1). 188 Vgl. Pabst, Aktenvermerk über die Nachbesprechung zum Kongreß „missio heute" am 13.12.1967 in Berlin, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 161). 489 Missionsdirektor Dr. habil. Kimme, missio - ökumenische Wirklichkeit und Aufgabe, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 164), S. 2. 490 Ygi p a bst, Niederschrift der Sitzung der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Weltmission in der D D R am 11.1.1968 in Berlin, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 162), S. 5.

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Auswertung des Kongresses 4 " am 11. Januar 1968 dennoch beschlossen, einen Fortsetzungsausschuß zu bilden, 492 der am 1 -Juli 1968 zu seiner ersten Sitzung zusammenkam. Konkrete Ergebnisse erbrachten die Bemühungen dieses Fortsetzungsausschusses, der sich noch zu weiteren Sitzungen traf, allerdings nicht Obwohl mehrfach eine Nachfolgeveranstaltung erwogen wunde, fand der Kongreß keine direkte Fortsetzung. Im einzelnen wurde am 1 .Juli 1968 beschlossen, den Kongreßteilnehmern die Kongreßdokumente mit einem Begleitschreiben zuzusenden, in dem die „anzuschreibenden Gremien angeregt werden, über ihren eigenen Rahmen hinaus (eventuell im landeskirchlichen Bereich) die Kongreßthematik weiter zu erörtern und bis 31.3.1969 Stellungnahmen zu den Kongreßergebnissen an OKR Pabst zu übersenden".493 Obwohl „die Kongreßthematik . . . inzwischen in einer Reihe von landes- und freikirchlichen Synoden in der D D R besprochen" worden war, 494 blieben die Rückmeldungen im wesentlichen aus.495 Im Januar 1969 brachte der anhaltinische Kirchenpräsident Müller die Frage der Weiterarbeit auf der Bischofsrüste in Bad Saarow zur Sprache. Nach seinem Bericht bestand dort „der einhellige Wunsch, diese Konferenzarbeit unter dem Namen ,missio heute' fortzusetzen", jedoch nicht als selbständiger Delegiertenkongreß, sondern in Kombination „mit einer anderen ökumenischen Tagung in der DDR". 496 Darüber hinaus wurden im Laufe der Nacharbeitsbemühungen weitere Wünsche für eine veränderte Thematik laut. Einerseits sollte der „weltmissionarische Aspekt" stärker betont, andererseits aber auch das „Anliegen des Kongresses für die DDREbene" konkretisiert werden.497 Erwogene Termine für eine weitere Veranstal-

4,1

T r o t z d e r fehlenden staatlichen G e n e h m i g u n g f ü r diesen K o n g r e ß w u r d e in der ersten J a n u a r a u s g a b e der P o t s d a m e r Kirche ein Bericht über diesen K o n g r e ß veröffentlicht ( H a n s Joachim Weber, missio heute - Ein Kongreß, in: P o t s d a m e r Kirche. Sonntagsblatt f ü r evangelische Gemeinden in d e r M a r k Brandenburg, 1./7. J a n u a r 1968, S. 4 f.). ° n Vgl. Pabst, Niederschrift d e r Sitzung d e r Ev. Arbeitsgemeinschaft f ü r Weltmission in d e r D D R am 11.1.1968 in Berlin, undatiert ( E 2 A , Kirchenkanzlei d e r E K D f ü r die Gliedkirchen in der D D R , 104, 162), S.6. 4,) Pabst, Niederschrift über die Sitzung des Fortsetzungsausschusses f ü r den K o n g r e ß „missio heute" am 1.7.1968 in Berlin, undatiert ( E Z A , Kirchenkanzlei der E K D für die Gliedkirchen in der D D R , 104, 164), S. 3. 4,4 A . a . O . , S.2. m Vgl. Niederschrift der regionalen Sitzung der Ev. Arbeitsgemeinschaft f ü r Weltmission am 10. April 1969 in Berlin, 14.4.1969 (EZA, Kirchenkanzlei d e r E K D f ü r die Gliedkirchen in der D D R , 104, 165), S. 2; Niederschrift über die Sitzung des Fortsetzungsausschusses f ü r den K o n g r e ß „missio heute" am 5.Juni 1969 in Berlin, undatiert ( E Z A , Kirchenkanzlei d e r E K D für die Gliedkirchen in d e r D D R , 104, 165). 4% Evangelische Landeskirche Anhalt. D e r L a n d e s k i r c h e n r a t ( D r . Müller), Arbeitsgemeinschaft für Weltmission. H e r r n O b e r k i r c h e n r a t Pabst, Betr.: Fortsetzungsausschuß f ü r den K o n g r e ß „missio heute", 7.2.1969 (EZA, Kirchenkanzlei d e r E K D f ü r die Gliedkirchen in d e r D D R , 104, 165). 4,7 Vgl. Niederschrift d e r regionalen Sitzung der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Weltmission am 10. April 1969 in Berlin, 14.4.1969 (EZA, Kirchenkanzlei d e r E K D f ü r die Gliedkirchen in d e r D D R , 104, 165).

Gemeindeaufbau und Kirchenverständnis

123

tung (erst 1970 498 dann 197 1 499 und schließlich 1972 500 ) verdichteten sich nicht zu einem konkreten Plan. Mit der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der D D R und der damit verbundenen Umstrukturierung verliert sich der Gedanke einer Weiterarbeit zum Kongreß „missio heute" im Dunkeln. 501

m Niederschrift über die Sitzung der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Weltmission in der DDR am 26.9.1968 in Berlin, 14.10.1968 (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 165). m Niederschrift über die Sitzung des Fortsetzungsausschusses für den Kongreß „missio heute" am 5. Juni 1969 in Berlin, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 165). 500 Niederschrift über die Sitzung des Fortsetzungsausschusses für den Kongreß „missio heute" am 10.12.1969 in Berlin, undatiert (EZA, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR, 104, 166), S.3. 501 Auf der Sitzung des Fortsetzungsausschusses am 10. Dezember 1969 wurde unter „Strukturprobleme der Weiterarbeit" festgehalten: „Die Zusammenarbeit der Gremien, die für den Kongreß ,missio heute' verantwortlich waren, wird auch dann möglich sein, wenn sie in Zukunft in verschiedenen Bundesgremien beheimatet sein werden. Eine solche Zusammenarbeit scheint nötig; vor Klärung der Einzelheiten ist allerdings abzuwarten, wie die Strukturen des Bundes gestaltet sein werden" (a.a.O., S.2).

3. D E R S Ä C H S I S C H E „ L A N D E S K I R C H E N T A G 1968" IN D R E S D E N U N D M E I S S E N

3.1. Ungünstige Umstände Nachdem schon das sächsische „Kirchentagstreffen" 1963 in Zwickau im wesendichen ohne staatliche „Unterstützung" hatte stattfinden müssen, wurde dem für 1968 geplanten großen Landeskirchentag in Dresden und Meißen nicht nur die staadiche „Unterstützung" verweigert, sondern darüber hinaus staadicherseits auch die dringliche Empfehlung gegeben, von der Veranstaltung insgesamt „Abstand zu nehmen". Die Gründe für diese gänzliche Ablehnung waren durchaus vielschichtiger Natur und lagen nicht nur in dem Bestreben der Behörden, öffendichkeitswirksame Veranstaltungen der Kirchen zu begrenzen. Bereits der für den Landeskirchentag gewählte Anlaß, das tausendjährige Bestehen des Bistums Meißen, war - obwohl man gerade annahm, „daß ein solches Jubiläum mit allgemeiner historischer Bedeutung es dem Staat leichter machen würde zuzustimmen"1 - unglücklich gewählt. Lange bevor der Plan für einen Landeskirchentag gefaßt worden war, war dieses Jubiläum als Anlaß für kirchliche Aktivitäten bei den für Kirchenfragen zuständigen Dienststellen im Staats- und Parteiapparat der D D R bereits deutlich diskreditiert und wurde als willkommener Vorwand der Kirche eingestuft, ein internationales Kirchentreffen zu organisieren, das allein schon durch seine Zusammensetzung den politischen Realitäten in Mitteleuropa, dem Gegenüber zweier „antagonistischer" Gesellschafts- und Bündnissysteme, widerspreche. Die Ursache für diese Befürchtung lag fast zwei Jahre zurück. Noch während des II. Vatikanums hatten Vertreter des polnischen Episkopats insgesamt 56 ausländischen Bischofskonferenzen Einladungsschreiben zur 1 Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich M e n d t am 5 . 1 1 . 1 9 9 6 in Dresden zur K i r c h e n t a g s k o n g r e ß a r b e i t in Sachsen, S. 1; ebenso Siegfried Bräuer: „Dieses Jubiläum gab die M ö g l i c h k e i t , dem Staat gegenüber zu begründen, warum jetzt ein K i r chentag stattfinden solle. Unter D D R - V e r h ä l t n i s s e n war immer ein einsichtiger Ansatzpunkt notwendig, mit dem man der staatlichen Seite gegenüber einigermaßen logisch begründen konnte, warum dieses o d e r jenes V o r h a b e n jetzt sein müsse. In diesem Zusammenhang erschien das Meißen-Jubiläum wie ein G e s c h e n k " (Niederschrift des Gespräches mit O b e r kirchenrat i. R. D r . Siegfried B r ä u e r am 2 1 . 5 . 1 9 9 7 in Berlin zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 1).

Ungünstige Umstände

125

Teilnahme an den Feierlichkeiten anläßlich des 1000jährigen Jubiläums der Christianisierung Polens zukommen lassen. Das entsprechende Schreiben der polnischen Bischöfe an den deutschen Episkopat wurde am 18. November 1965 überreicht Es enthielt nicht nur die Einladung, sondern ging auch ausführlich auf das Verhältnis der beiden Völker in der Vergangenheit ein, erklärte die Bereitschaft zur Vergebung deutscher Unrechtstaten und bat um Vergebung für die eigenen. Unerwähnt blieb in diesem Zusammenhang, daß es als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs zwei deutsche Staaten gab, die in ihrem Verhältnis zur Volksrepublik Polen völlig unterschiedlich zu bewerten waren. Obwohl die Oder-Neiße-Grenze nicht zwischen Polen und einem wie auch immer gearteten Gesamtdeutschland, sondern zwischen Polen und der DDR verlief, wurde die Existenz letzterer einfach übergangen. Hinzu kam, daß in einem recht umfangreichen historischen Rückblick sowohl die ostelbische Christianisierung als auch die polnischen Westgebiete anders eingeordnet wurden, als dies in der sozialistischen Geschichtsschreibung üblich war. Im Zusammenhang des Meißen-Jubiläums wurde der Brief des polnischen Episkopats deshalb „als eine grobe Einmischung in die Außenpolitik der polnischen Regierung, als Ignorierung der Bündnisbeziehungen, als Entstellung der Geschichte und als im Widerspruch zu den nationalen Interessen des polnischen Volkes stehend" bezeichnet2 Einen zusätzlichen Affront für die DDR-Führung bedeutete der Antwortbrief der Deutschen Bischofskonferenz vom 5. Dezember 1967.3 Dieser war auch von den Bischöfen der auf dem Gebiet der DDR liegenden Diözesen unterzeichnet worden, und zwar ohne daß diese auf eine Richtigstellung der vermeindichen Geschichtsfälschung bzw. auf einen deudichen Hinweis auf die „politische Realität" gedrungen hätten. Darüber hinaus enthielt der Brief als Gegeneinladung an die polnischen Bischöfe den Wunsch, diese möchten an den Jubiläumsfeierlichkeiten in Meißen teilnehmen.4 Aus der Perspektive der staadichen Stellen in der DDR be2 Bezirksleitung der SED Dresden, Information Uber einige Aspekte der politisch-ideologischen Arbeit der katholischen Kirche in Zusammenhang mit den Vorbereitungen der 1000-Jahrfeier der Gründung des Bistums Meißen, 29.1.1968 (SHStA, BPA Dresden, IV В 5/01/274), S. 3. - Zu dieser Information vgl. unten S. 159, Anm. 135. J Abgedruckt in: M. HÖLLEN: Loyale Distanz?, S. 456 f.; zu den unmittelbaren Reaktionen vgl. 'ΓΗ. MECHTENBERG: Briefwechsel polnischer und deutscher Bischöfe (Dokumente dazu

in M . HÖLLEN: а. а. O . , S. 4 5 8 - 4 6 0 ) . 4 „Im Jahre 1968 wird der deutsche Katholikentag in Essen stattfinden. Im gleichen Jahr begeht das Bistum Meißen die Tausendjahrfeier seiner Gründung. Es wäre für uns und unsere Gläubigen eine große Freude, bei diesen Gelegenheiten polnische Bischöfe begrüßen zu dürfen. Bei unseren Einladungen haben wir mit Ihnen den Wunsch, daß die Begegnung der Bischöfe und der begonnene Dialog sich fortsetzen mögen in allen Lebensbereichen unserer beiden Völker. Alle Schritte, die diesem Ziel dienen können, werden wir von Herzen begrüßen" (M. HÖLLEN: Loyale Distanz?, S. 457).

126

D e r sächsische „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" in D r e s d e n und M e i ß e n

deutete diese auch von westdeutschen Bischöfen ausgesprochene Einladung in die DDR eine klerikale Variation des „Bonner Alleinvertretungsanspruchs".5 Daß im Zusammenhang der Einladung von einer „Begegnung der Bischöfe" gesprochen wurde, nährte den Verdacht, daß anläßlich des Meißen-Jubiläums ein internationales Klerikertreffen unter besonderer Beteiligung westdeutscher Bischöfe stattfinden sollte. Angesichts dieser Vorgeschichte vermerkte eine im Vorfeld des MeißenJubiläums erstellte Ausarbeitung der SED-Bezirksleitung Dresden ausdrücklich: „Die kirchlichen Veranstaltungen zum 1000-jährigen Bestehen des Bistums Meißen sind nicht nur vom historischen Tatbestand her problematisch, sie sind auch entscheidend politisch vorbelastet durch den Briefwechsel zwischen dem polnischen Episkopat und den deutschen Bischöfen aus dem Jahre 1965."' Dementsprechend wurden die Veranstaltungen der katholischen Kirche als Ausdruck der Strategie des Vatikans gewertet, „mit neuen, dem heutigen Kräfteverhältnis besser entsprechenden Methoden und Mitteln die Position der katholischen Kirche in der Welt und vor allem in den sozialistischen Ländern auszubauen". „Trotz Verzichtes auf offene Apologetik des Imperialismus und militant antikommunistische Polemik" bleibe „der Hauptgegner für die katholische Kirche sowohl in ideologisch-weltanschaulicher als auch in politisch-sozialer Hinsicht der Kommunismus".7 Bei dem für Dresden und Meißen geplanten Landeskirchentag handelte es sich allerdings um kein Unternehmen der katholischen Kirche, sondern der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Dieser Umstand relativierte das staatliche Mißtrauen gegenüber Veranstaltungen zum Mei5

In einer 37 Seiten starken „Vertraulichen Information" des Deutschen Wirtschaftsinstitutes zum Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen hieß es in den Vorbemerkungen entsprechend: „Bei dem Briefwechsel handelt es sich eindeutig nicht um geistliche oder seelsorgerliche Anliegen, sondern um eine politische Aktion, die sich gegen die Lebensinteressen des polnischen Staates und der Deutschen Demokratischen Republik und gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung schlechthin richtet. Das beweist die Ignorierung der Tatsache durch die polnischen und die deutschen Bischöfe, daß zwei deutsche Staaten existieren, daß es zwischen der D D R und der VR Polen keinerlei offene Grenzfragen gibt und daß beide Länder freundschaftlich mit der Sowjetunion verbunden sind. Das gemeinsame Auftreten der polnischen Bischöfe und von Bischöfen beider deutscher Staaten kann nur als eine aktive Schützenhilfe für die gegenwärtig praktizierte flexible Variante der Bonner antikommunistischen Ostpolitik gewertet werden" (Deutsches Wirtschaftsinstitut. Forschungsgruppe Ostpolitik, Vertrauliche Information 1966/2. Der Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen [Ein Zwischenbericht], 16.3.1966 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 1940], S. 2). 6 Bezirksleitung der SED Dresden, Information über einige Aspekte der politisch-ideologischen Arbeit der katholischen Kirche in Zusammenhang mit den Vorbereitungen der 1000-Jahrfeier der Gründung des Bistums Meißen, 29.1.1968 (SHStA, BPA Dresden, IV В 5/01/274), S.2. 7 A.a.O., S. 5.

Ungünstige Umstände

127

ßen-Jubiläum jedoch keineswegs - ganz im Gegenteil. Er führte zu der Schlußfolgerung, daß evangelische und katholische Kirche offensichtlich bestrebt seien, eine antisozialistische Einheitsfront zu bilden (Interkonfessionalismus).8 „Aus den uns vorliegenden kirchlichen Plänen ist ersichdich, daß im Rahmen der 1000-Jahr-Feiern die Linie der Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Protestanten verstärkt werden soll. Diese interkonfessionelle Zusammenarbeit, die sich in den letzten Jahren auch in der DDR verstärkt, dient dem Ziel, die Wirksamkeit der Kirche zu erhöhen, und stellt eine gegen die sozialistische Entwicklung und die Ausbreitung der marxistischen Weltanschauung gerichtete Bewegimg dar. Im Zusammenhang mit dem 1000-jährigen Bestehen des Bistums Meißen findet diese Zusammenarbeit unter anderem ihren Ausdruck darin, daß die evangelische Landeskirche Sachsen für Ende Mai einen Landeskirchentag mit mindestens 6000 Teilnehmern in Dresden und Meißen vorbereitet, der ganz im Zeichen dieses Ereignisses stehen soll."9 In einem Informationsschreiben des Rates des Bezirkes Dresden an die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, das bezeichnenderweise mit dem Satz Schloß: „Briefwechsel mit polnischen Bischöfen unter maßgeblicher Beteiligung

Bischof Spülbecks beachten!", wurde sogar eine „Taktik der katholischen Kirche" vermutet, bei der Vorbereitung des Meißen-Jubiläums „die evangelische Kirche in den Vordergrund zu schieben".10

8

Diese Argumentation betraf nicht nur die Veranstaltungen der evangelischen Kirche zum Meißen-Jubiläum, sondern auch die aus diesem Anlaß geplante Festschrift. In seinem Vermerk zum Themenplan der Evangelischen Verlagsanstalt, in der dieser Band erscheinen sollte, notierte der wissenschaftliche Mitarbeiter in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Dohle, zu diesem Vorhaben: „Unter Nr. 20 ist von Prof. Lau eine Festschrift zum 1000-jährigen Bestehen des Bistums Meißen angekündigt Es ist merkwürdig, daß ein prominenter lutherischer Autor eine Festschrift anläßlich des Jubiläums ,1000 Jahre Bistum Meißen' herausgibt, und es liegt die Vermutung nahe, daß diese Publikation der Propagierung und Durchsetzung interkonfessioneller Bestrebungen dienen soll, an denen die Staatsorgane der DDR kein Interesse haben. Diese Vermutung liegt auch deshalb nahe, weil die sächsische Landeskirche anläßlich der 1000-Jahrfeier einen ev. Kirchentag in Meißen plant und weil es in der Produktion des Benno-Verlages ähnliche Tendenzen gibt" (Wiss. Mitarbeiter [Dr. Dohle], Vermerk für die Abteilungsleiterin, 24.5.1967 [BArch Berlin, StfK D O 4, 836], S. 2; Wissenschafdicher Mitarbeiter [Dr. Dohle], Vermerk für den Staatssekretär, 1.6.1967 [BArch Berlin, StfK D O 4, 836]; entsprechende Schlußfolgerungen in: Ministerium für Kultur. HV Verlage und Buchhandel. Abt. Wissenschaftliche Fachliteratur, Zur Einschätzung der Themenpläne 1968 der Parteiverlage der Chrisdich-Demokratischen Union sowie der lizensierten Kirchenverlage, 26.6.1967 [BArch Berlin, StfK D O 4, 836]; zum gesamten Vorgang vgl. S. BRÄUER: Das Zensurverfahren bei der Festschrift zur Tausendjahrfeier des Bistums Meißen 1968). ' Bezirksleitung der SED Dresden, Information über einige Aspekte der politisch-ideologischen Arbeit der katholischen Kirche in Zusammenhang mit den Vorbereitungen der 1000-Jahrfeier der Gründung des Bistums Meißen, 29.1.1968 (SHStA, BPA Dresden, IV В 5/01/274), S.2. 10 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Breitmann), An das Staatssekretariat

128

D e r s ä c h s i s c h e „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" in D r e s d e n und M e i ß e n

Ungünstig auf alle kirchlichen Aktivitäten, die nicht im eng umgrenzten Kirchenraum blieben, wirkte es sich vermutlich auch aus, daß etwa ein Jahr, bevor die staatlichen Stellen über die Planung eines Landeskirchentages informiert wurden, sich das Sekretariat der Dresdner SED-Bezirksleitung auf seiner Sitzung am 27. Mai 1966 ausführlich mit dem Bereich „ Ki rchenf ragen " beschäftigt hatte." Die dafür erarbeitete „Einschätzung der politisch-ideologischen Arbeit unter der christlichen Bevölkerung sowie der staatlichen Leitungstätigkeit mit den Amtsträgern der Religionsgemeinschaften" konstatierte einen angesichts der „sozialen Veränderungen in unserem Arbeiter- und Bauernstaat" folgerichtigen Rückgang des „kirchlichen Einflusses unter den Werktätigen, Arbeitern und Bauern". 12 Freilich versuche vor allem die evangelische Kirche, diesen Rückgang „durch eine differenzierte Kleinarbeit" aufzuhalten. Die in der „Einschätzung" vorgenommene Skizzierung dieser „Kleinarbeit" läßt erkennen, daß vor allem zwei Tendenzen den Verfassern bemerkenswert erschienen. Zum einen war dies das Bestreben, auf die Interessen der tatsächlichen oder potentiellen Gemeindeglieder in besonderer Weise einzugehen und damit die aus staatlicher Sicht eng gezogene Grenze des religiösen Bereiches thematisch zu überschreiten. Zum anderen wurde festgestellt, daß die Kirche diesen Bereich auch ganz real verlasse, indem von ihr derartige Veranstaltungen in nichtkirchlichen, d. h. privaten Räumen durchgeführt werden. Sehr genau wurde bemerkt, daß unter dem Stichwort „Gemeindeaufbau" Wege beschritten und diskutiert wurden, das Handeln der Kirche den veränderten Bedingungen einer säkularen Gesellschaft anzupassen. „ S o b e s c h ä f t i g t e n sich die S y n o d e n d e r b e i d e n evangel. K i r c h e n " intensiv mit d e m P r o b l e m d e r N e u o r d n u n g d e s , G e m e i n d e a u f b a u s ' . D i e s e beinhalten v o r allem s o l c h e Fragen, wie H a u s b e s u c h e , F a m i l i e n g e s p r ä c h e , Kreise mit b e s t i m m t e n B e rufs- und I n t e r e s s e n g r u p p e n s o w i e H a u s g o t t e s d i e n s t e und Bibelstunden. Im Kreis Freital w u r d e n 1965 1.436 s o l c h e r V e r a n s t a l t u n g e n in nichtkirchlichen R ä u m e n d u r c h g e f ü h r t , mit einer T e i l n e h m e r z a h l z w i s c h e n 5 und 3 0 Personen." 1 4

f ü r Kirchenfragen, Betr.: Tausendjahrfeier des Bistums Meißen, 14.8.1967 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727), S. 2 f. 11 Vgl. Bezirksleitung Dresden d e r SED. Sekretariat, An die I.Sekretäre der Kreisleitungen der S E D / d e n 1. Sekretär der Stadtleitung Dresden der S E D / d i e I . S e k r e t ä r e der Stadtbezirksleitungen der S E D , Betr.: Einschätzung d e r politisch-ideologischen Arbeit unter d e r chrisdichen Bevölkerung sowie der staatlichen Leitungstätigkeit mit den Amtsträgern der Religionsgemeinschaften (Beschluß des Sekretariats der Bezirksleitung vom 27.5.1966), 3.6.1966 (SHStA, BPA Dresden, IV A 2 / 3 . 0 9 1 / 6 ) . 12 A . a . O . , S. 5. - Danach wären von 1955 bis 1965 im Bezirk Dresden insgesamt 191 210 Bürger aus der Kirche ausgetreten. 13 Die Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. 14 A . a . O . , S. 5.

Ungünstige Umstände

129

Die Einschätzung zog aus diesen Bestrebungen - abgesehen von der Verpflichtung zur weiteren Systematisierung der ideologischen Arbeit auf kirchenpolitischem Gebiet - für die „staatliche Leitungstätigkeit" keine besonderen Konsequenzen.'5 Dafür wurde dieser Sachverhalt im nachfolgenden Beschluß des Sekretariats ausdrücklich aufgegriffen. „Ausgehend von der im Bericht dargelegten Lage auf kirchenpolitischem Gebiet" beschloß dieses unter anderem: „Durch die staatlichen Organe ist zu sichern, daß die Kirche und die Religionsgemeinschaften ihre Tätigkeit auf Glaubensunterweisung und Diakonie sowie Seelsorge beschränken. Alle Versuche, ihre Arbeit außerhalb der kirchlichen Einrichtungen [auszuüben,] sowie Veranstaltungen innerhalb der Kirche, die mit religiösen Kulthandlungen und der Seelsorge nichts zu tun haben, sind zu unterbinden."16 Und: „Der Chef der Bezirksbehörde der VP, Genösse Oberst Uhlig, wird beauftragt, den Beschluß des Sekretariats der Bezirksleitung und die Einschätzung über die politisch-ideologische Arbeit unter der chrisdichen Bevölkerung sowie der staadichen Leitungstätigkeit mit den Amtsträgern der Religionsgemeinschaften mit den verantwortlichen Kadern der Dienststellen der V P auszuwerten. Insbesondere ist zu sichern, daß in den Kreisen die Genehmigungen für Veranstaltungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften außerhalb der kirchlichen Einrichtungen entschieden eingeschränkt und die Gesetzlichkeit eingehalten wird."' 7

Dieser Beschluß ging an alle 1. Sekretäre der SED-Kreis-, Stadt- bzw. Stadtbezirksleitungen und bildete dort für die nächsten Jahre die Grundlage für den Umgang mit den Kirchen.18 Ausdrücklich wurden „die Genossen 1. Sekretäre" beauftragt, „diese Einschätzung gründlich auszuwerten und die Durchführung der Festlegungen zu garantieren".19 Dabei suchten sich diese zum Teil die am einfachsten zu handhabenden Anweisungen des Beschlusses heraus und verlegten sich weniger auf die ideologische Überzeugungsarbeit als vielmehr auf das Administrieren. Angesichts dessen mußte sich das Sekretariat der SED-Bezirksleitung bereits nach einem halben Jahr erneut mit Kirchenfragen beschäftigen, konkret: mit „sektiererischen" Entscheidungen im Kreis Niesky, die unter Berufung auf den Sekretariatsbeschluß vom 27. Mai gefällt worden waren. „In der Sekretariatssitzung am 14.12.1966, an der neben der Arbeitsgruppe der Bezirksleitung auch zwei Genossen der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK A . a . O . , S. 14ff. А. а. O., S. 22 f. 17 A . a . O . , S. 25. 18 Die Sachkartei der Sekretariatsbeschlüsse im Dresdner Bezirksparteiarchiv für den Zeitraum 1968 bis 1973 (Zeitschnitt „B") weist keinerlei Sekretariatsbeschlüsse zum Bereich „Kirchenfragen" aus. 19 A . a . O . , S. 1. 15

16

130

D e r sächsische „I.andeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

teilnahmen, wurde eingehend zu der Arbeit auf kirchenpolitischem Gebiet Stellung genommen. Es wurde offensichdich, d a ß der Beschluß des Sekretariats der Bezirksleitung vom 27.5.1966 von einigen Genossen falsch ausgelegt wurde. Sie sahen das Schwergewicht in der ,Unterbindung' von kirchlichen Veranstaltungen in nicht kircheneigenen Räumen auf administrative Art und vernachlässigten dabei die politisch ideologische Massenarbeit, vor allem unter den Mitgliedern der Kirchenvorstände, den chrisdichen Bürgern der Kerngemeinden und die Differenzierungsarbeit unter den Geisdichen. D i e in den letzten Monaten geführten Aussprachen von Seiten des Rates des Kreises mit Pfarrern fanden nur dann statt, wenn irgendwelche Vorkommnisse oder Beschwerden vorlagen. Mit den Mitgliedern der Kirchenvorstände wurde im wesendichen überhaupt nicht gearbeitet" 2 0

Diese Kritik am Vorgehen im Kreis Niesky bedeutete freilich keine Korrektur des Sekretariatsbeschlusses, schon gar nicht eine Korrektur der darin enthaltenen Zielstellung einer räumlichen und thematischen Eingrenzung der kirchlichen Aktivitäten auf den rein religiösen Bereich (kirchliche Räume einerseits, Glaubensunterweisung, Diakonie und Seelsorge andererseits). Kritisiert wurde lediglich ein einseitiges und undifferenziertes Administrieren, das weder die konkreten Umstände berücksichtigte noch durch eine überlegte Gesprächsarbeit flankiert wurde. Auch die Haltung der sächsischen Landeskirche in Einzelfragen 21 dürfte bei der staatlichen Einstellung hinsichtlich ihres Wunsches, einen für DDR-Verhältnisse größeren Kirchentag durchzuführen, eine Rolle gespielt haben. Die bereits erwähnte „Konzeption für die weitere Arbeit gegenüber der Landeskirche Sachsen", die im März 1967 vom Arbeitsgebiet Evangelische Kirche der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen erarbeitet worden war, schätzte die Haltung der sächsischen Landeskirche zur D D R jedenfalls durchweg negativ ein.22 Nach dieser Einschätzung sei es offensichtlich, daß die negative Politik in starkem Maße von Bischof Noth und einer straff organisierten kleinen Gruppe in der Kirchenleitung ausgehe. Diese versuche sogar, „die Geistlichen unter ein politisches Kuratell" zu stellen („Maulkorbgesetz") 23 und sie 20 SED-Bezirksleitung Dresden. Mitarbeiter beim 1. Sekretär, Einschätzung der Arbeit auf kirchenpolitischem Gebiet im Kreis Niesky, 29.12.1966 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45074), S. 10. 21 Vgl. etwa die staatliche Einschätzung der Haltung Bischof Noths zu den „Gottesdiensten einmal anders" (siehe oben S. 108). 22 Dieses Schicksal teilte sie freilich mit anderen Landeskirchen (etwa der Görlitzer Kirche unter Bischof Fränkel oder der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen - insbesondere unter Bischof Krusche). 23 Die sächsische Landessynode hatte „im Blick auf Presseäußerungen der letzten Zeit" Frühjahr 1963 ein „Wort" an alle Pfarrer und Kirchenvorstände verabschiedet, das diesen unter dem Datum des 27. März 1963 vom Landeskirchenamt zugesandt wurde (EvangelischLutherisches Landeskirchenamt Sachsens [Reg. Nr. 1072/328], An 1. alle Pfarrer/2, alle stellvertretenden Vorsitzenden der Kirchenvorstände [Abschrift], 27.3.1963 [BArch Berlin,

Ungünstige Umstände

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daran zu hindern, „sich bei der gesellschaftlichen Entwicklung zu enga«

->4

gieren Der Kirchentag stand damit aus staatlicher Perspektive in der Gefahr, zu einem Forum für „negative Kräfte" in der sächsischen Landeskirche zu werden. Eine solche Möglichkeit bestand zwar bei allen kirchlichen Großveranstaltungen und wurde staadicherseits auch jeweils benannt Ende 1967/Anfang 1968, als die endgültige Entscheidung hinsichdich des sächsischen Landeskirchentages fiel, war man jedoch angesichts der Entwicklung in der CSSR, wo der Weg zu einem Sozialismus mit „menschlichem" bzw. - je nach Standort des Betrachters - „konterrevolutionärem" Gesicht eingeschlagen wunde, vermutlich besonders vorsichtig. Dabei mag die geographische Nähe Sachsens zur CSSR die Befürchtung noch gefördert haben, daß im Rahmen des Dresdner Kirchentages Forderungen nach einer ähnlichen Liberalisierung auch in der D D R erhoben werden oder gar Gäste aus der CSSR das Wort ergreifen könnten.25 Keinen Einfluß auf die Entscheidung gegen den sächsischen Landeskirchentag hatte dagegen die „Volksaussprache" über die neue DDR-Verfassung, die am 6. April 1968 mit einem Volksentscheid bestätigt werden sollte. Einerseits lag dieser Termin Wochen vor dem geplanten Kirchentag, so daß im Rahmen des Kirchentages denkbare Stellungnahmen einzelner gegen den Verfassungstext26 keine AusStfK, D O 4, 429]). Darin wurde den Adressaten Zurückhaltung bei politischen Meinungsäußerungen empfohlen: „ . . . Aber Kirche muß es, will sie ihrem Auftrag treu bleiben, unterlassen, zu bestimmten Vorschlägen, Programmen und Vorgängen im politischen Bereich Stellung zu nehmen. Dazu ist sie von Gott nicht bevollmächtigt Gottes Befehl bestimmt und begrenzt ihren Auftrag. Was sie nicht im Namen Gottes tun und sagen kann, in der Gewißheit also, daß Gott es ihr zu tun und zu sagen befiehlt, das kann sie gar nicht tun und sagen. Die Kirche muß den Versuchungen von außen und innen widerstehen, sich in Dinge verwickeln zu lassen, für die sie von Gott keinen Auftrag h a t Deshalb stellen wir uns wohl dem Gespräch mit staatlichen Stellen als der uns von Gott gesetzten Obrigkeit Wir sind aber nicht in der Lage, uns als Kirche von Parteien und anderen gesellschaftlichen Organisationen in Anspruch nehmen zu lassen." - Dieser Synodalbeschluß wurde staadicherseits sicher zu Recht - als gezielte Aktion gegen ihre Differenzierungspolitik verstanden. Bereits zwei Tage vor Bekanntgabe durch das Landeskirchenamt erstellte die Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED einen Maßnahmeplan (Arbeitsgruppe Kirchenfragen [Willi Barth], Betrifft: Maßnahmen gegen den „Schweige-Beschluß" der Landessynode Dresden vom März 1963, 25.03.1963 [SAPMO-BArch, DY 3 0 / I V A 2 / 1 4 / 2 , Bl. 5-6]). - Zur Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit, die staadicherseits gegen diesen Beschluß in Szene gesetzt wurde, vgl. Kirchliches Jahrbuch 90 (1963), S. 157-164. 24 Arbeitsgebiet Evang. Kirche (Wilke), Konzeption für die weitere Arbeit gegenüber der Landeskirche Sachsen, 15.3.1967 (SHStA, BT/RdB Dresden, 29702-1, Bl. 13-20), S.2. 25 Es war tatsächlich vorgesehen, zum Kirchentag auch Gäste aus der CSSR einzuladen. 26 Daß der Verfassungsentwurf die kirchlichen Interessen unberücksichtigt lassen würde, stand - wie einer Äußerung von Gerald Gotting zu entnehmen ist (zitiert bei: G. BESIER: Der SED-Staat und die Kirche. Der Weg in die Anpassung, S. 645) - bereits im Juni 1967 fest Tatsächlich kam der überwiegende Teil der Eingaben zum Verfassungsentwurf aus dem kirchlichen Bereich (vgl. dazu das im 9. Bericht der Sachverständigengruppe vorgelegte

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D e r s ä c h s i s c h e „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" in D r e s d e n u n d M e i ß e n

Wirkungen m e h r auf d a s A b s t i m m u n g s v e r h a l t e n hätten h a b e n k ö n n e n . A n d e r e r s e i t s stand z u m Z e i t p u n k t d e r A b l e h n u n g d e s K i r c h e n t a g e s A n f a n g D e z e m b e r vermutlich n o c h g a r nicht fest, d a ß ein s o l c h e r V o l k s e n t s c h e i d ü b e r h a u p t stattfinden w ü r d e . 2 ' W o h l erst die Ereignisse in d e r C S S R ließen e i n e Legitimierung durch die B e v ö l k e r u n g 2 8 - z u g l e i c h eine „ D e m o n s t r a t i o n i n n e n p o l i t i s c h e r Stärke in d e r D D R " 2 9 - angeraten erscheinen.

3.2. Die ursprüngliche Planung Der Gedanke, nach vierzehn Jahren in Sachsen wieder einen großen Kirchentag30 durchzuführen, und zwar einen Landeskirchentag aus Anlaß des tausendjährigen Bestehens des Bistums Meißen, wurde wohl Anfang 1967 geboren3' und war als solcher erst möglich, nachdem der sächsische Landesausschuß des Deutschen Evangelischen Kirchentages nicht mehr unter der Leitung von Reimer Mager stand. Dieser hatte noch am 14. Juni 1966 in der Konferenz der Landesausschüsse erklärt, daß er 1968 „ein Kirchentagstreffen im sächsischen Raum nicht für möglich" halte.32 DemZahlenmaterial, in: H . DOHM : S E D und Kirche 2, S. 42-47). Ursache war die Streichung jener Artikel, die die Stellung der Kirchen sicherten und ihre Rechte beschrieben (in der Verfassung von 1949 die Artikel 40 bis 48), und deren Ersatz durch einen mehr allgemein gehaltenen Artikel (Artikel 38, in der Endfassung Artikel 39). 27 Nach Georg Brunner sollte die Verfassung ursprünglich „lediglich von der Volkskammer gebilligt werden" (G. BRUNNKR: Art.: Verfassung, in: Lexikon des DDR-Sozialismus, S. 649-653, 649). Als die Volkskammer am 1. Dezember 1967 die Ausarbeitung einer neuen Verfassung beschloß, lag diese im Entwurf bereits vor. a Dieser Volksentscheid war seit G r ü n d u n g der D D R das erste und auch das letzte Wahlgeschehen, bei dem die DDR-Bürger wirklich entscheiden konnten. Auf dem Stimmzettel war auch die Möglichkeit vorgesehen, mit N E I N zu stimmen. и Kirchliches Jahrbuch 95 (1968), S. 190; vgl. G. BusiKR: D e r SED-Staat und die Kirche. Der Weg in die Anpassung, S. 660. 94,54 % stimmten mit JA (Angabe nach: Kirchliches Jahrbuch 95 [1968], S. 192). w Im J a h r e 1954 hatte der 6. Deutsche Evangelische Kirchentag in Sachsen (Leipzig) stattgefunden. Danach wurden dort - im Unterschied zu anderen Landeskirchen - lediglich kleine Kirchentage für eine eng begrenzte Region d u r c h g e f ü h r t . Auch das Kirchentagstreffen 1963 in Zwickau war vom Einzugsgebiet her begrenzt. Gleiches galt für die „Bezirkskirchentage" 1967 aus Anlaß des 450. Reformationsjubiläums (am 24. September 1967 in M a rienberg und am 8. O k t o b e r 1967 in Dresden). 31 Der Plan, das Domjubiläum mit einer größeren Veranstaltung zu begehen (bei d e r es sich allerdings nicht um einen Kirchentag handelte), war freilich älter und wurde von Reimer Mager bereits Anfang 1966 erwähnt (vgl. Mädler, Protokoll der Sitzung des Präsidiums [Ost] des D E K T am 1 I.Januar 1966, undatiert [EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ] , S. 1). " Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche" am 14.Juni 1966, 10.00 U h r , undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S.4.

D i e ursprüngliche Planung

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gegenüber betonte sein Nachfolger, Johannes Cieslak,33 anderthalb Jahre später nahezu an gleicher Stelle die Bedeutung des inzwischen für 1968 fest eingeplanten Vorhabens: „Es soll ein Kirchentag ganz im Sinne der alten, grossen Kirchentage werden."34 Cieslaks Äußerung läßt vermuten, daß dieses Kirchentagsvorhaben zumindest ansatzweise - auch der Versuch war, an den prägenden 6. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Leipzig 1954 anzuknüpfen und auf diese Weise die Tradition der großen Kirchentage nicht dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Fulda allein zu überlassen. Damit brach Sachsen bewußt mit der bis dahin vor allem vom Präsidium-Ost des DEKT vertretenen Position, alles zu unterlassen, was als Konkurrenz zum westdeutschen DEKT verstanden werden könnte. Weitere Überlegungen, die sich jedoch aus den bruchstückhaften Notizen nur noch teilweise erheben lassen, kamen hinzu. Als Oberlandeskirchenrat Friedrich Lehmann auf der Sitzung des Gesamtausschusses für den Landeskirchentag am 2. Dezember 1967 - angesichts der sich abzeichnenden Schwierigkeiten mit den staatlichen Stellen - einen kurzen Rückblick auf die Genesis dieser Kirchentagsidee gab, ließ er nicht nur deudich erkennen, daß das Meißen-Jubiläum lediglich den Stellenwert eines äußeren Anlasses für den geplanten Landeskirchentag einnehme, sondern umriß auch kurz die aus seiner Perspektive entscheidenden Beweggründe. Ausschlaggebend wären danach zwei von diesem historischen Datum unabhängige Überlegungen gewesen. Zum einen wies Lehmann darauf hin, daß in anderen Landeskirchen nach dem Ende der gesamtdeutschen Kirchentage Landeskirchentage durchgeführt werden würden, während demgegenüber „Sachsen bis jetzt passiv" gewesen sei. Zum anderen wäre es nötig, „Hilfe f. d. Gemeinden heute" zu geben, wobei sich hinter dem „heute" die Situation einer schwindenden Zahl von Mitgliedern in einem sozialistischen Staat mit aktiver atheistischer Propaganda verbarg.35 Der erste Anstoß, das Meißen-Jubiläum als Anlaß für einen solchen Kirchentag zu nutzen, kam aus dem sächsischen Landeskirchenamt36 und

B In der Sitzung des sächsischen Landesausschusses am M.Januar 1967 einstimmig zum neuen Vorsitzenden gewählt (Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Sachsen, Niederschrift über die Sitzung des Landesausschusses Sachsen am Sonnabend, den 14.1.1967 vorm. 10.00 U h r in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I, 14.1.1967 [KKT-Archiv Dresden, KT-Protokoile], S. 1). u Segebarth, Protokoll. Sitzung der Vorsitzenden der Landesausschüsse der Konferenz der Landesausschüsse in der D D R des Evangelischen Kirchentages am 12. September 1967, 10.00 Uhr, im Büro, Friedrichsgracht 53, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 3 f. 35 L.A. - Kirchentag, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968). 36 Vgl. Niederschrift des Gespräches mit Synodalpräsident i. R. Johannes Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 1.

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

wurde insbesondere vom neuen Vorsitzenden des sächsischen Kirchentagslandesausschuß „vehement aufgegriffen".37 Dieser setzte das Thema „Eintausend-Jahr-Feiern 1968" erstmals auf die Tagesordnung der Ausschußsitzung vom 2. März 1967.38 Die Sitzung endete mit dem Beschluß, „1968 in der Zeit von Himmelfahrt bis Exaudi einen Sächsischen Kirchentag in Meißen und Dresden durchzuführen". Als Arbeitsthema wurde erwogen, wie Cieslak 14 Tage später auf der Konferenz der Landesausschüsse berichtete39: „Ins neue Jahrtausend". Das genaue Thema sollte auf der nächsten Sitzung des sächsischen Landesausschusses am 29. April festgelegt und ca. einen Monat später auf einem Themenkonvent unter breiter Beteiligung der Pfarrerschaft entfaltet werden.40 Am 29. April legte der Landesausschuß - wie vorgesehen - sowohl den äußeren Rahmen als auch eine Grobthematik dieses „Kirchentages Sachsen" fest Sein Motto sollte jetzt entweder lauten „Tausend Jahne Meißner Dom" oder „An der Schwelle eines Jahrtausends", 41 wobei die Mehrheit wohl zur Formulierung „Tausend Jahre Meißner Dom" tendierte.42 Der Termin Himmelfahrt bis Exaudi (23.-26. Mai) wurde noch einmal bestätigt. Den Auftakt zum Kirchentag sollte am Tag zuvor (22. Mai) ein festlicher Empfang für geladene Gäste bilden, während der eigentliche Kirchentag am Himmelfahrtstag in Meißen mit einem Eröffnungsgottesdienst im Dom beginnen und mit einem Nachmittagsprogramm (u. a. Aufführung der „Hohen Messe") fortgesetzt werden sollte. Für den Abend war eine evangelisch-katholische Begegnungsveranstaltung mit dem evangelischen Bischof Gottfried Noth (Sachsen) und dem katholischen Bischof Otto Spülbeck (Meißen) in Dresden angesetzt, wo auch die weiteren Kirchentagsveranstaltungen der folgenden Tage stattfinden sollten. Dabei versuchten die

" Vgl. Niederschrift des Gespräches mit Oberkirchenrat i. R. Siegfried Bräuer am 21.5.1997 in Berlin zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 1 f. M Landesausschuss der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens des Deutschen Evangelischen Kirchentags (Cieslak), An die Mitglieder des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages, 22.2.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968). 34 Mädler, Protokoll der Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchentages - Konferenz der Landesausschüsse in der D D R - im „Haus der Kirche" am 8. März 1967, 10.00 Uhr, 16.3.1967 (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S.2. 40 Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuss Sachsen (Cieslak), An die Mitglieder des Landesausschusses, 13.3.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968). 41 Niederschrift über die Sitzung des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I am 29.4.1967 um 10.00 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KT-Protokolle), S. 2. a In den erhaltenen handschriftlichen Notizen (wohl von Herbert Gehre) ist lediglich diese Themenformulierung erwähnt (L.A., 29.4.67 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968], S. 3).

Die ursprüngliche Planung

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verschiedenen Angebote, der jeweils unterschiedlichen Interessenlage der zu erwartenden Kirchentagsteilnehmer gerecht zu werden. Die für den Vormittag am Freitag und Sonnabend vorgesehene Arbeit in Themengruppen wurde deshalb am Nachmittag durch ein breitgefächertes Angebot an „Gemeindevorträgen" einerseits und akademisch gehaltenen „Vorlesungen" andererseits ergänzt und fortgeführt. Am Sonntag sollten um 9.00 Uhr in Dresden und Meißen (also dezentral) Gottesdienste stattfinden, an die sich „Sonderveranstaltungen" (Theater, Kino, Matinee) anschlossen. Der Kirchentag endete nach diesem Entwurf am Nachmittag mit einer großen gemeinsamen Abschlußveranstaltung. Als Dauerteilnehmer wurden in dieser Phase der Vorbereitung noch bis zu 10000 Personen veranschlagt43 Hinsichtlich der Themen für die am Freitag und Sonnabend vorgesehenen Arbeitsgruppen einigte man sich anscheinend ohne nennenswerte Schwierigkeiten auf die Themen „Kirche", „Bibel", „Mensch" und „Welt" (bzw. „Gesellschaft"). Als verbindendes Element zwischen diesen Themenkreisen fungierte - im Blick auf die Grundintention, den Gemeinden Hilfen zu geben, sich in der neuen, heutigen Situation zurechtzufinden - der Standort der Kirchentagsteilnehmer als Glieder der Kirche. Deshalb wurde erläuternd formuliert: „Kirche entdeckt die Kirche Kirche entdeckt die Bibel Kirche entdeckt den Menschen Kirche entdeckt die Welt".44 Darüber hinaus wurden auf dieser Sitzung personelle Vorschläge für die Zusammensetzung des am 30. Mai vorgesehenen Tbemen-Konvents gesammelt.45 Eine überraschend geringe Rolle spielte in der Diskussion die Frage nach der zu erwartenden oder zu befürchtenden Reaktion der Behörden auf die immer deutlicher Gestalt annehmenden Kirchentagspläne. Zwar wurde eine baldige Information des Rates des Bezirkes Dresden für wünschenswert gehalten, die Präsident Cieslak übernehmen wollte. Dieser gedachte allerdings weniger, den dortigen Referenten für Kirchenfragen, 43 Vgl. dazu Niederschrift über die Sitzung des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I am 29.4.1967 um 10.00 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KT-Protokolle), S. 2-4; L.A., 29.4.67 [handschriftliche Notizen] (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968); Vorläufiges Programm des Kirchentages Sachsen vom 23. Mai 1968 - 26. Mai 1968, Mai 1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968). 44 L.A., 29.4.67 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, LandeskirchenUg 1968), S.5. 45 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I am 29.4.1967 um 10.00 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KT-Protokolle), S. 4.

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Walter Breitmann, um Unterstützung zu bitten, als vielmehr - so das Protokoll - „Herrn B. klar [zu] machen, daß wir den Kirchentag durchführen, auch wenn er es nicht wünscht".46 Der Themenkonvent vom 30. Mai, an dem im wesentlichen Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter teilnahmen,47 griff die vom Landesausschuß vorgeschlagene Untergliederung der thematischen Arbeit in die vier genannten Themenbereiche auf und führte sie weiter.48 Uber Ergebnisse zu den einzelnen Themen ist allerdings wenig überliefert. Erkennbar ist jedoch, daß es eine kontroverse Diskussion darüber gab, ob die Themengruppe „Gesellschaft" angesichts der dort vermudich zur Sprache kommenden brisanten Themen nicht vielleicht besser zu streichen sei. Die in diesem Zusammenhang von Oberlandeskirchenrat Gerhard Heimbold überbrachte Nachricht, daß der Kirchentag von staatlicher Seite ohnehin kaum Unterstützung zu erwarten habe49 (die man sich mit diesem Arbeitsgruppenthema eventuell verscherzt hätte), bestärkte allerdings die bereits vorhandene Tendenz, dieses Arbeitsgruppenthema beizubehalten. Am Ende der Diskussion wurde einstimmig der Beschluß gefaßt, auf das Thema „Gesellschaft" nicht zu verzichten.50 Im Mittelpunkt der zweiten Sitzung des Themenkonvents am 17. Juni standen Überlegungen zu konkreten Themen für die jeweils am Nachmittag vorgesehenen Gemeindevorträge und Vorlesungen sowie Vorschläge für die in Betracht zu ziehenden Referenten.51 Insgesamt war mit dieser zweiten Sitzung ein Vorbereitungsstand erreicht, der genauere Informationen an einen breiteren Kreis kirchlicher Entscheidungsträger möglich machte. Dementsprechend wandte sich der stellvertretende Vorsitzende des Landesausschusses, Herbert Gehre, unter dem Datum des 21. Juni 1967 an die direkt betroffenen bzw. benachbarten Superintendenturen (Dresden-Stadt, Dresden-Land, Meißen, Pirna und Freiberg), an die Leitungen der Kirchlichen Werke und Verbände, der Landeskirchlichen Gemeinschaft, der Ausbildungsstätten, der Prediger-Seminare und des Pastoralkollegs, der

* Ebd. 47 Insgesamt 41 Teilnehmer (vgl. Landeskirchentag 1968, Anwesenheit zum Themenkonvent in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I, am Dienstag, den 30. Mai 1967 um 10 Uhr, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968]). 48 Die überlieferte Anwesenheitsliste macht es sogar wahrscheinlich, daß auch auf diesem Themenkonvent zeitweise in vier Gruppen entsprechend den vier Themen gearbeitet wurde (vgl. ebd.). " Vgl. unten S. 144. 50 Niederschrift Uber die Sitzung des Themenkonventes des Deutschen Evangelischen Kirchentages in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I am Dienstag, den 30. Mai 1967 vorm. 10.00 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KT-Protokolle), S. 1. 51 Vgl. 17.6.67 [handschrifdiche Notizen] (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968).

Die ursprüngliche Planung

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Evangelischen Akademie und der Studentengemeinden, um sie für den 6.Juli 1967 zu einer Informationsveranstaltung zum „Landeskirchentag ,1000 Jahre Dom zu Meißen' in Meißen und Dresden" nach Dresden einzuladen. In dieser Einladung hieß es ausdrücklich: „Wir möchten Sie nun gem über den Stand der Planungen orientieren, damit alle Zweige des kirchlichen Lebens unserer Landeskirche vorbereitend an der Sache beteiligt sein können . . Einen Tag vor dieser Informationsveranstaltung tagte der Kirchentagslandesausschuß in vermutlich außerordentlicher Sitzung. Zwar diskutierte er auf dieser Zusammenkunft angesichts der staadichen Ablehnung eines Landesausschusses des Deutschen Evangelischen Kirchentages vor allem eine strukturelle Veränderung der vorbereitenden Gremien,53 kam jedoch mit Blick auf einen für das Kirchentagsplakat festzulegenden Text auch kurz auf das Motto des Kirchentages zu sprechen. Dabei wurde der Vorschlag unterbreitet, die Formulierung „1000 Jahre Dom zu Meißen" in „1000 Jahre Kirche in Sachsen" mit der Ergänzung „968 Meißen 1968" zu ändern.54 Allerdings hat sich dieser Vorschlag - wie die weitere Entwicklung zeigt - erst einmal nicht durchgesetzt Das Echo auf der Informationsveranstaltung zum Landeskirchentag am 6. Juli war - von wenigen kritischen Stimmen abgesehen - durchweg positiv, so daß „dieses Vorhaben nun fest geplant werden" konnte.55 Das positive Echo hatte allerdings zur Folge, daß man kirchlicherseits befürchtete, mit der inzwischen angesichts staatlicher Vorbehalte reduzierten Zahl von 5000 Teilnehmern56 nicht auszukommen. Mit Blick auf die staadichen Stellen, die einer kirchlichen Veranstaltung größeren Umfangs möglicherweise die im technisch-organisatorischen Bereich notwendige Unterstützung verweigern könnten, wurde dieses positive Echo durchaus auch mit Sorge wahrgenommen. " Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuss Sachsen (Herbert Gehre), An die Superintendenturen Dresden-Stadt, Dresden-Land, Meißen, Pirna, Freiberg . . . , 21.6.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968). 5 J Wenige Tage zuvor war vom Stellvertreter für Inneres beim Rat des Bezirkes Dresden erklärt worden, daß ein Landesausschuß des Deutschen Evangelischen Kirchentages staatlicherseits nicht anerkannt werde (vgl. unte/ι S. 145). 44 Vgl. L.A., 5.7.67 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968); Niederschrift über die Sitzung des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I, am Donnerstag, den 6.Juli 1967 um 9.00 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KT-Protokolle). и Gehre, Herrn Pfarrer Otto Mosig, Betr.: Landeskirchentag 1968, 26.7.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968). * Vgl. Superintendents Leipzig-Stadt Amt für Gemeindedienst (Dost), Landesausschuß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens des Deutschen Evangelischen Kirchentags. z.Hd. Herrn Herbert Gehre, 26.6.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968).

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

„Wir sind in dieser W o c h e in unserem Landesausschuß erneut zusammen, um unser großes Vorhaben für 1968 weiter zu planen. Wahrscheinlich werden wir noch mit größeren Schwierigkeiten zu rechnen haben, da wir mit einer weit höheren Zahl von Teilnehmern rechnen müssen. Aber wir wollen die Aufgabe in des Herrn Namen vorbereiten und anpacken." 57

Am 27. Juli 1967 tagte der Themenkonvent zum letzten Mal und in kleiner Besetzung (lediglich 8 Teilnehmer),58 ohne daß etwas von den Ergebnissen überliefert ist Bereits zuvor war - im Zuge der erwähnten Umstrukturierung der vorbereitenden Gremien, mit der staatlicherseits erhobene Einwände ausgeräumt werden sollten - der Vorsitzende des Landesausschusses und Präsident der Landessynode, Johannes Cieslak, vom Landeskirchenamt gebeten worden, „für die Planung und Durchführung des .Sächsischen Kirchentages 1968' die nötigen Vorarbeiten zu übernehmen und einen Ausschuß dafür einzuberufen". Dieser „Ausschuß für Planung und Durchführung des ,Sächsischen Kirchentages 1968'" (Haupt-Ausschuß) tagte erstmals am 29. Juli. Insgesamt nahmen 14 Personen teil.59 Zum Teil auf dieser Sitzung, zum Teil auf den folgenden Zusammenkünften wurden dann noch einige Korrekturen und Konkretisierungen am Kirchentagsprogramm vorgenommen. Die Korrekturen betrafen neben einer Verlegung der evangelisch-katholischen Begegnungsveranstaltung vom Donnerstag auf den Freitag vor allem die kirchenmusikalischen Vorhaben.60 Bei den Konkretisierungen ging es im wesentlichen um die Themen der Vorträge und Vorlesungen. Dabei wurde - unter Rückgriff auf Vorüberlegungen des Themenkonvents vom 17. Juni - festgelegt, die Vormittagsvorträge, die als Grundlage für die Arbeit der Themengruppen dienen sollten, nicht nur einem Referenten zu übertragen, sondern das Thema im Gegenüber von Referat und Korreferat zu erschließen. Die Vorträge bzw. Vorlesungen am Nachmittag sollten das Thema jeweils ergänzen. Ende

S7

Herbert Gehre, Lvang. Kirchentag. Landesausschuß Greifswald, 27.7.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968). 48 Vgl. Teilnehmer an der Sitzung des Themen-Konventes in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8 am Donnerstag, den 27.7.1967, um 9.00 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968). 5 ' Vgl. Teilnehmer der Sitzung des Ausschusses für Planung und Durchführung des „Sächsischen Kirchentages 1968" in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I am Sonnabend, den 29.7.1967 um 9.00, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968). 60 Das führte zu Verstimmungen zwischen dem Meißner Domkantor, der zu diesem Punkt nicht gehört worden war, und dem Vorbereitenden Ausschuß (vgl. u. a. Dr. Erich Schmidt. Domkantor, Herrn Herbert Gehre, Stellv. Vorsitzenden des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages, 12.8.1967 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968]; Gehre, Herrn Oberlandeskirchenrat Friedrich Lehmann, 6.10.1967 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DF.KT, Landeskirchentag 1968]).

Die ursprüngliche Planung

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September wurde damit begonnen, entsprechende Anfragen an die Referenten zu richten. In diesen Anfragen hieß es u. a.: „Unser Anliegen ist es, daß durch die Verkündigung des Wortes, den lebendigen Austausch und durch oekumenische Weite der Landeskirchentag für unsere Gemeinden zu einer Bewegung nach innen und außen wird."61

Diesem Anliegen - der Bewegung nach außen bzw. dem Zusammenführen von religiösem Bereich und Alltagswelt - entsprach es, daß auf der einen Seite renommierte Kirchenleute als Referenten angesprochen wurden, andererseits aber auch Laien, die im Normalberuf - von Bauingenieur Kurt Domsch, dem späteren Präsidenten des Landeskirchenamtes einmal abgesehen - Schlosser*2, Dreher63 oder Buchhalter64 waren. Weiterhin wurde eine Anregung von Heinz Mendt65 aufgegriffen und Oberlandeskirchenrat Lehmann gebeten, die Ephoren Uber den geplanten Kirchentag auf ihrer alljährlich stattfindenden Rüstzeit in Hüttengrund bei HohensteinErnstthal besonders zu informieren. Ein formelles Informationsschreiben des Vorbereitenden Ausschusses sollte dann erfolgen, wenn die Reaktionen der angefragten Referenten vorlägen und somit bereits Namen mitgeteilt werden könnten.66 Die Information der Ephoren erfolgte auf der genannten Ephorenrüste (16.-22. Oktober 1967) »ausführlich".67 Die „Stimmung der Geistlichen" soll dort allerdings »gegen derartig große Veranstaltungen gewesen" sein.68 Dennoch gaben die Superintendenten die ihnen vermittel-

ω Ζ. В. Luth. Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 (Herbert Gehre), Herrn Generalsuperintendent D. Schönherr, 29.9.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Referenten [alt]). 62 Alfred Schmahl aus Wittgendorf. " Walter Dehnel aus Zschortau. 64 Albert Will aus Molau. 64 Landeskirchliches Amt für Innere Mission (Mendt), Herrn Herbert Gehre, Betr.: Kirchentag 1968, 30.8.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968). " Vgl. Gehre, Herrn Oberlandeskirchenrat Friedrich Lehmann, 6.10.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968). 47 So Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsen (Lehmann), Herrn Landesjugendwart Herbert Gehre, 7.11.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968). Im Protokoll der Generalaussprache des Landeskirchenamtes, die am 19. Oktober stattfand, ist allerdings lediglich vermerkt, daß Tagesordnungspunkt 20 („Bericht über den für 1968 geplanten sächsischen Kirchentag [Lehmann]") an diesem Tage nicht behandelt wurde (Protokoll der Generalaussprache des Landeskirchenamtes mit den Superintendenten und Kirchenamtsräten am 19. Oktober 1967 in Hüttengrund, undatiert [Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 610193, Bd. 5/6], S. 6). Wann diese Information gegeben wurde und inwieweit eine Reaktion der Ephoren erfolgte, ist den vorhandenen Protokollen nicht zu entnehmen. 68 So der Bericht des Dresdner Kirchenreferenten an das Staatssekretariat Als Quelle wird ein sächsischer Superintendent genannt, der diese Information nach Lage der Dinge

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D e r s ä c h s i s c h e „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" in D r e s d e n u n d M e i ß e n

ten Informationen zum Kirchentag - was auch, da er auf breiter Basis stattfinden sollte, beabsichtigt war - an die P f a r r e r ihrer Ephorie weiter. Vermutlich daraufhin kam es zu einer ersten umfangreicheren kritischen Stellungnahme. Unter dem Datum des 26. Oktober richtete der Pfarrer von Pirna-Copitz an die Synode den Antrag, noch einmal zu prüfen, „ob ein Kirchentag 1968 durchgeführt werden kann und soll". Diesen Antrag unterschrieben sieben weitere Pfarrer. Diese gaben „dringend zu bedenken: 1. Ob mit den im Augenblick gegebenen Möglichkeiten ein Landeskirchentag, der es verdient, so genannt zu werden, durchführbar ist 2. Ob es die Aufgabe der Kirche ist, an dieser Stelle alle Kräfte einzusetzen, damit Kirche Jesu Christi gebaut werde. 3. Daß die Gemeindeglieder unserer Erfahrung nach augenblicklich eine spürbare Müdigkeit gegenüber Großveranstaltungen zeigen."69 Etwaige Hintergründe dieser Initiative sind nicht bekannt, ebensowenig ob und wie sich die Synode damit befaßt hat. Ende O k t o b e r wurde - trotz der Unsicherheit, o b die erforderliche Druckgenehmigung erteilt werden würde - ein „begrenzter" Plakatwettbewerb ausgeschrieben, an dem 25 namentlich festgelegte Künstler aus dem Bereich d e r sächsischen Landeskirche teilnehmen konnten. Drei Gewinner sollten mit einer Geldprämie (1000,—M, 750,—Μ und 500,—M) ausgezeichnet werden. Die Prämierung bedeutete gleichzeitig einen Ankauf der Arbeiten durch die Landeskirche „mit dem Ziele, sie f ü r die Veranstaltungen des Kirchentags zu verwenden". Zur Plakatgestaltung hieß es in der Ausschreibung entsprechend der Intention des Kirchentages: „Es wird nicht erwartet, d a ß die historischen B e z ü g e ( M e i ß n e r D o m u. a.) vorherrschen. V i e l m e h r soll versucht w e r d e n d a r z u s t e l l e n , w e l c h e n Sinn eine feste T r a d i t i o n für eine G e m e i n d e hat, die heute in d e r G e g e n w a r t sich zu b e w ä h r e n hat und in die Z u k u n f t hinein lebt." 7 0

Ende November 1967 lagen die Reaktionen der zwei M o n a t e zuvor angeschriebenen Referenten für die Vorträge und Vorlesungen im wesentlichen vor, so d a ß das Programm für den Landeskirchentag im großen und ganzen feststand. Den Rahmen bildeten die Eröffnung des Kirchentages am D o n nerstag in Meißen sowie sein Abschluß am Sonntag in Dresden, während noch während der Ephorenrüste an den Rat des Bezirkes gegeben haben muß (vgl. AG Kathol. Kirche [H. Hartwig], Vermerk, fernmündliche Mitteilung durch den Gen. Breitmann aus dem Bezirk Dresden vom 18.10.67, 18.10.1967 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727]). " Ev.-Luth. Pfarramt Pirna-Copitz, An die Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Betr.: Landeskirchentag 1968 in Dresden, 26.10.1967 (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2). 70 Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 (Cieslak/Gehre), Plakatwettbewerb, 27.10.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Plakatwettbewerb).

Die ursprüngliche Planung

141

am Freitag und Sonnabend neben einem Rahmenprogramm das Geschehen in den Arbeitsgruppen im Mittelpunkt stand. Die Arbeit in den einzelnen Gruppen sollte am Vormittag jeweils mit einer Bibelarbeit beginnen (9.00 Uhr). Daran schlossen sich um 10.30 Uhr Referat und Korreferat zum Thema an. Ab 14.00 Uhr sollte über die Vorträge jeweils eine Aussprache stattfinden. Ab 17.00 Uhr konnten ergänzende „Gemeindevorträge" bzw. die mehr im akademischen Stil geplanten „Vorlesungen" besucht werden.

Im einzelnen sah die Programm dieser beiden Tage, das nach dem späteren Konzeptionswechsel auch die Grundlage für die Gestaltung des Kongresses bildete, folgendermaßen aus:

Freitag, 24. Mai 1968 Arbeitsform

TbemcDgrappe I „Kirche"

Themengruppe II „Bibel"

Thcmengnippc III „Mensch"

Themengruppe IV „Gesellschaft"

Vorträge in den Arbeitsgruppen

„Braucht die Welt die Kirche?" 1. A. Schmahl 2. Dr. W. Krusche

„Wir entdecken die Bibel" 1. W. Dehnet 2. G. Zweynert

„Ein Mensch - wie stolz das klingt" 1. K. Frühauf 2. Dr. I. Becker

„Die Kirche in der Gesellschaft" Dr. A. SchönJierr „Die Verantwortung der Kirche für die Welt von morgen" Prof. Dr. £ Hoffmann

Gemeindevorträge

„Valentin-Emst Löscher - ein Streiter für die Freiheit und das Bekenntnis der Kirche" K. Petzold

„Wissenschaftliche Theologie als Hilfe zum Glauben" Dr. G. Haufe

„Autorität - nicht gefragt" Ch. Tögel

„Friedrich Naumann „Der leistungsstarke und der leistungsschwache Mensch" Dr. E - W. Abeßer

„Weltweite Diakonie" U. v. Brück

„Die ersten 9 Monate des Lebens" Dr. W. Thiem „Und vor der Ehe . . . " Dr. U. u. J. Trogisch Vorlesungen

„Sendung der Christenheit - Stand der oekumenischen Diskussion" (angefragt) „Meißen 968-1968" Prof. D. F. Lau

„Inwiefern ist die Theologie eine Wissenschaft" Dr. U. Kühn

„Gelebte Versöhnung" K. Domsch

„Der Mensch in der modernen Literatur" G. Wiesemann

Dr. H. Klemm

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D e r sächsische „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" in Dresden und Meißen

Sonnabend, 25. Mai 1968 Arbeitsform

Tberocngnippe I „Kirche"

Themengruppe II „Bibel"

Tbemengrappe ΠΙ „Mensch"

Tbemengnippc IV „Gesellschaft"

Vortrage in den Altersgruppen

„Die Kirche braucht die Welt" 1. Dr. Ε.Ά. Soa 2. D. Mendt

„Die Bibel entdeckt uns" 1. Dr. J. Hornel 2. A. WM

„Der Mensch in Gruppe und Gesellschaft" 1. CA. Drummer 2. Dr. W. Tannen

„Der unverwechselbare Friedensdienst der Kirche" D. G. Noth .Die Hoffnung der Kirche und die Hoffungen der Welt4 G. Kutsche

Gemeindevorträge

„Können wir in der Gemeinde leben?" W. Fournes

„Bibel lesen trotz Theologie" Lie. H.Appel

„Der Einzelne und das Kollektiv" (angefragt)

„Chrisdiche Kunst in den jungen Kirchen" Prof. D. A. Lehmann

„Wie redet die Bibel von Gott?" Prof. Dr. E.-H. Arnberg

„Sexualerziehung" Dr. H. Brückner

„t 000 Jahre Kirche in Sachsen" Dr. 1. Ludolphy

„Was können wir für den Frieden tun?" DJ. Jänicke

„Die Kinder dürfen nicht zu kurz kommen" G. Txetz „Diakonische Berufe Lebensaufgabe auch heute" F.. Lundbeck

Vorlesungen

„Lebendige Gemeinde im Dienst - Alt Herrnhut als Beispiel geordneten Dienens" Dr. fi. J. Wollstadt

„Wie redet das Neue Testament von Jesus?" Dr. Ch. Dtmke

„Die moderne Kunst - ein Spiegel des Menschen von heute" Dr. Ch. Rietsehe!

„Heinrich Schütz - das Wort in der Kirchenmusik" Dr. Ch. Albrecht

„Beitrag der modernen Biologie zur Selbsterkenntnis des Menschen" Dr. G. Butschak

„Irrtümer in der Geschichte der Kirche" M. Mühlner „Kirche und Gesellschaft in geschichtlicher Sicht" Dr. J. Rogge

3.3. Eine staatliche „Empfehlung" Den zuständigen Stellen im Partei- und Staatsapparat der D D R war mindestens seit 196571 bewußt, daß mit dem 1000jährigen Jubiläum der Gründung des Bistums Meißen besondere kirchliche Aktivitäten zu erwarten wären. Allerdings dachte man dabei ausschließlich an Aktivitäten der 71

Siehe oben S. 124 f.

Eine staatliche „Empfehlung"

143

katholischen Kirche. Bereits in dem oben erwähnten Beschluß des Sekretariats der SED-Bezirksleitung72 wurde der Rat des Bezirkes angewiesen, „im Zusammenhang mit der Durchführung der 1 OOO-Jahrfeier des Bistums Meißen . . . in Zusammenarbeit mit dem Bezirksausschuß der Nationalen Front eine Konzeption zur Verstärkung der politisch-ideologischen Massenarbeit unter den kath. Christen zu erarbeiten".73 Noch im Arbeitsplan des Referates Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden für das 2. Halbjahr 1967 erschien die 1000-Jahr-Feier lediglich im Zusammenhang der „Arbeit mit der Kath. Kirche - Bistum Meißen und Erzdiözese Görlitz". Es seien - so hieß es dort - „bei der Arbeit mit der Kath. Kirche des Bistums Meißen . . . besonders die Bistumssynode und [die] 1 OOO-Jahrfeier des Bistums Meißen 1968 zu beachten".74 Daß auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens aus Anlaß dieses Jubiläums Veranstaltungen durchzuführen gedachte, erfuhr der Rat des Bezirkes Dresden im Mai 1967. Wie auf der Sitzung des sächsischen Landesausschusses vom 29. April angekündigt, wandte sich dessen Vorsitzender, Cieslak, unter dem Datum des 10. Mai mit einem kurzen Schreiben an den Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden, Walter Breitmann, in dem er mitteilte: „Der Landesausschuß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens des Deutschen Evangelischen Kirchentages hat beschlossen, im Zusammenhang mit der Jahrtausendfeier des Bistums Meißen einen Landeskirchentag vom 23.-26. Mai 1968 in Meißen und Dresden durchzuführen. Der Landesausschuß hat mich gebeten, Sie möglichst bald davon zu unterrichten. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir einen Termin nennen könnten, an dem ich Gelegenheit habe, Ihnen genauere Einzelheiten mitzuteilen."75

Unmittelbar nach Eingang dieses Schreibens machte Breitmann der SEDBezirksleitung Mitteilung und übersandte ihr sowie der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen76 eine Abschrift des Cieslak-Briefes.

" Siehe oben S. 128-130. " Bezirksleitung der SED. Sekretariat, An die 1. Sekretäre der Kreisleitungen der SED/den 1.Sekretär der Staddeitung Dresden der SED/die I.Sekretäre der Stadtbezirksleitungen der SED, Betr.: Einschätzung der politisch-ideologischen Arbeit unter der christlichen Bevölkerung sowie der staatlichen Leitungstätigkeit mit den Amtsträgern der Religionsgemeinschaften (Beschluß des Sekretariats der Bezirksleitung vom 27.5.1966), 3.6.1966 (SHStA, BPA Dresden, I V A 2/3.091/6), S.25. 74 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Thesen für den Arbeitsplan II. Halbjahr 1967/Arbeitsplan II. Halbjahr 1967 (Entwurf), undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 28439, Bl. 124-129), S. 7. 75 Landesausschuß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens des Deutschen Evangelischen Kirchentags (Cieslak), Herrn Hauptreferent Breitmann. Referat Kirchenfragen, 10.5.1967 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41689, Bl. 311). 76 Dort wurde der Brief dem für das Meißen-Jubiläum zuständigen Leiter des Arbeitsbe-

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Worauf der Dresdner Kirchenreferent in seinem Begleitschreiben an die SED-Bezirksleitung besonders hinwies, war allerdings nicht die Tatsache, daß die evangelische Kirche aus Anlaß des Meißen-Jubiläums einen Kirchentag durchzuführen gedachte, sondern daß Cieslak diesen Brief nicht als (neuer) Präsident der sächsischen Landessynode, sondern als „Vorsitzender des Landesausschusses des Deutschen Evangelischen Kirchentages" geschrieben hatte. Breitmanns Kommentar: „Das Schreiben wird von uns nicht beantwortet Ein Landesausschuß des Deutschen Evangelischen Kirchentages existiert für uns nicht."77 Die SED-Bezirksleitung ihrerseits teilte dieses Meinung offensichdich. Cieslaks Schreiben einschließlich des darin genannten Planes, einen Landeskirchentag durchzuführen, wurde staadicherseits ignoriert; das Schreiben blieb unbeantwortet Daß es sich hierbei nicht um ein achdoses, sondern um ein bedeutungsvolles Schweigen der staadichen Seite handelte, machte Oberkirchenrat Dr. Heimbold auf der Sitzung des Themenkonvents am 30. Mai deudich. Dort berichtete er, ohne daß seine Quellen erkennbar wären: „Der Kirchentag soll keinerlei Hilfe bekommen vom Staat, auch in der Jugendherberge keine Betten oder im Hotel. Grund: Synode schlechtes Wetter gemacht. Kirchentag als solcher nicht erwünscht Werden auf kirchliche Räume angewiesen sein. Grußwort darf nicht gedruckt werden."78

Diese Mitteilung bremste die Kirchentagsplanung jedoch keineswegs74 wohl auch deshalb, weil angenommen wurde, daß sich die staatliche Blockade der Übernachtungsmöglichkeiten auf die Stadt Dresden beschränken würde, Übernachtungsmöglichkeiten in der Umgebung (Dresden-Land) also zur Verfügung stünden. Als Präsident Cieslak nach einem Monat noch immer keine Reaktion auf seinen Brief erhalten hatte, nahm er eine an ihn ergangene staatliche Einladung zu einer offiziellen Begegnungsveranstaltung, die am 9. Juni 1967 stattfinden sollte, zum Anlaß, um die Behörden deutlich an ihr Versäumnis zu erinnern. Eine Teilnahme an dieser Begegnungsveranstaltung lehnte Cieslak abs0 - was dem Rat des Bezirkes insofern ungelegen gekommen

reiches „Katholische Kirche", H o r s t H a r t w i g , „zum Verbleib" übergeben (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727). " Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Kurzinformationen über Kirchenf r a g e n , 26.5.1967 (SHStA, BPA Dresden, IV A 2 / 1 4 / 5 8 6 ) . " Niederschrift über die Sitzung des T h e m e n k o n v e n t e s des Deutschen Evangelischen Kirchentages in 806 D r e s d e n , D r . Conertstr. 8, I am Dienstag, den 30. Mai 1967 vorm. 10.00 U h r , undatiert (KKT-Archiv D r e s d e n , K T - P r o t o k o l l e ) , S. 1. " G a n z im Gegenteil (siehe oben S. 136). 80 Auch sonst n a h m von der Kirchenleitung d e r sächsischcn Landeskirche niemand an d e r Veranstaltung teil, was d e r Stellvertreter f ü r Inneres anläßlich eines Gespräches mit Präsident J o h a n n e s , Synodalpräsident Cieslak und O b e r l a n d e s k i r c h e n r a t v. Brück am 28. Juni 1967

Eine staatliche „Empfehlung"

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sein mag, weil das Hauptreferat der Begegnung von Staatssekretär Seigewasser persönlich gehalten werden sollte8' und der Bezirk unter der Verpflichtung stand, dem Staatssekretär eine möglichst hochrangige Schar von Kirchenvertretem als Veranstaltungsteilnehmer zu präsentieren. In seinem Schreiben an den Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, Manfred Scheler, bedauerte Cieslak, daß es ihm nicht möglich sei, teilzunehmen. Verschiedene Gründe hinderten ihn. Einen benannte er ausdrücklich: „Ich habe am 10. Mai 1967 Herrn Hauptreferent Breitmann in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Landesausschusses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages um ein Gespräch gebeten. In diesem Gespräch wollte ich ihm die Pläne des Landesausschusses, im nächsten Jahre einen Landeskirchentag durchzuführen, genauer erläutern, um von vornherein eine Zusammenarbeit zu gewährleisten. Ich bin bis heute ohne Antwort geblieben, ja ich habe nicht einmal eine Empfangsbestätigung meines Schreibens erhalten."82

Als es anderthalb Monate später - am 28. Juni - auf Wunsch des Rates des Bezirkes zu einem Gespräch mit Vertretern der sächsischen Landeskirche kam, an dem neben Präsident Johannes und Oberlandeskirchenrat v. Brück auch Synodalpräsident Cieslak teilnahm, sah sich der Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Heinz Peter, doch zu einer kurzen Reaktion genötigt Mehr nebenher erwähnte er, daß ein Schreiben von Herrn Cieslak eingegangen sei, das „den Kopf trage ,Landesausschuß des Deutschen Evangelischen Kirchentages'. Ein solches Organ gäbe es für den Staat nicht und es gäbe also keinen Leiter eines solchen Organs. Wenn Herr Cieslak anwesend sei, sei er dies lediglich als Synodalpräsident" Später fügte Peter noch erläuternd hinzu, „daß man nicht gegen einen Kirchentag sei, daß aber ein Deutscher Evangelischer Kirchentag oder ein Landesausschuß desselben bei der Existenz zweier deutscher Staaten nicht anerkannt werden könne".83 Eine direkte Antwort der anwesenden Kirchenvertreter darauf ist nicht überliefert. Innerkirchlich hatte dieser Hinweis allerdings tiefgreifende Folgen. Auf der Sitzung des Landesausschusses am 5. Juli 196784 berichtete ausdrücklich bedauerte (von Brück, Niederschrift, undatiert [Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 1018, B d . 3 ] ) . 81 Das Thema lautete „Die entwickelte sozialistische Gesellschaft braucht den Rat und die Tat aller ihrer Bürger". " Johannes Cieslak, An den Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Dresden, Herrn Scheler, 7.6.1967 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 310). 83 v. Brück, Niederschrift, undatiert (Landeskirchenarchiv, Bestand 2, Nr. 1018, B d . 3 ) , S. 2 f. 84 D a s Datum ist unsicher. Während die handschrifdichen Vermerke von Herbert Gehre das Datum des 5.Juli tragen (LA., 5.7.67 [ K.KT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968]), gibt das maschineschriftliche Protokoll als Termin Donnerstag, den 6. Juli an (Niederschrift über die Sitzung des Landesausschusses Sachsen des Deutschen

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D e r s ä c h s i s c h e „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1 9 6 8 " in D r e s d e n und M e i ß e n

Präsident Cieslak über das Gespräch beim Rat des Bezirkes, um abschließend festzustellen: „Müssen darüber klar sein, Durchführung eines Sächsischen Kirchentages unter der jetzigen Firma [sc. Deutscher Evangelischer Kirchentag] ist nicht möglich." 85 Nach kontroverser Diskussion einigte man sich darauf, den Landesausschuß Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages für den Zeitraum des Kirchentages und seiner Vorbereitung als Gremium ruhen zu lassen. Die Verantwortung für den Kirchentag wurde an das Landeskirchenamt abgegeben, zu deren Übernahme sich der anwesende Oberlandeskirchenrat Friedrich Lehmann im Namen des Landeskirchenamtes bereit erklärte. Das Landeskirchenamt sollte wiederum Synodalpräsident Cieslak (und damit den Vorsitzenden des Landesausschusses) beauftragen, die Vorbereitung des Landeskirchentages zu übernehmen und dafür einen Ausschuß zu bilden.86 Als Mitglieder dieses „Haupt-Ausschusses" für den Landeskirchentag wurden alle Mitglieder des Landesausschusses vorgesehen87 sowie neun weitere Vertreter der sächsischen Landeskirche, deren Beteiligung für den Kirchentag wichtig schien (u. a. Vertreter des Meißner Domkapitels sowie die Superintendenten von Dresden-Stadt und Dresden-Land). 88 Dieser Haupt-Ausschuß sollte wiederum einen Vorbereitenden Ausschuß berufen, in dessen Händen die konkrete Vorbereitung und Durchführung des Kirchentages liegen sollte. Damit war nicht nur die staatlicherseits kritisierte Bezeichnung des sächsischen Landesausschusses beseitigt, sondern das beanstandete Gremium selbst - nach außen - von der Bildfläche verschwunden.89 Der Vorschlag Evangelischen Kirchentages in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I am Donnerstag, den 6. Juli 1967 um 9.00 Uhr, undatiert [KKT-Archiv Dresden, KT-Protokolle]). Das ist jedoch der Termin, an dem eine Informationsveranstaltung zum Landeskirchentag geplant war und auch stattgefunden hat. Überschneidungen des jeweiligen Teilnehmerkreises schließen eine parallele Durchführung aus. Möglicherweise hat der Protokollant der Landesausschußsitzung, die Termine beider Veranstaltungen verwechselt. 84 Niederschrift über die Sitzung des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I am Donnerstag, den 6.Juli 1967 um 9.00 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KT-Protokolle), S. 1. 86 Diese Beauftragung erfolgte am 12.Juli (Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens [Lehmann], Herrn Synodalpräsident Jhs. Cieslak, 12.7.1967 [Privatarchiv Cieslak]), eine knappe Woche später erklärte sich Cieslak offiziell bereit, „die Leitung der Vorarbeiten für einen sächsischen Kirchentag zu übernehmen und die nötigen Ausschüsse einzuberufen" ([Cieslak], An das Kollegium des Landeskirchenamtes der Ev. Luth. Landeskirche Sachsen, 18.7.1967 [Privatarchiv Cieslak]). 87 Außer Kurt Bauer (Annaberg), der damit aus dem Landesausschuß ausschied. 88 Neben dem Landesausschuß sowie Oberlandeskirchenrat Friedrich Lehmann als Vertreter des Landeskirchenamtes: Landessynodaler Kurt Domsch, Pfarrer Richard Garbe, Superintendent Dr. Hermann Klemm, Prof. Dr. Franz Lau, Dr. Paul Liebe, Superintendent Johannes Rudolph, Landeskatechetin Gertraudis Tietz, Superintendent Dr. Gerhart Wendelin. m Ein neuer Stempel und neue Briefbögen machten dies nach außen deutlich. Beide trugen

Eine staatliche „Empfehlung"

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von Cieslak, dem Landesausschuß einfach einen neuen Namen zu geben, der das anstößige „Deutscher Evangelischer Kirchentag" nicht mehr enthalte, stieß vor allem auf Bedenken Herbert Gehres, der darauf hinwies, daß eine Umbenennung nicht nur einen längerfristigen Eingriff bedeute (es sei denn, man wollte sich nach dem Kirchentag emeut umbenennen und den alten Namen wieder annehmen), sondern auch in der vorgeschlagenen Form die Gemeinschaft mit den anderen Landesausschüssen des D E K T zumindest formal - aufgebe. 90 Dagegen könnte nach dem dann beschlossenen Modus der Landesausschuß Sachsen des D E K T nach dem Kirchentag seine Arbeit wie gewohnt fortsetzen, während sich die zeitweiligen Gremien „Vorbereitungs-Aus schuß" und „Haupt-Ausschuß" nach erfülltem Auftrag wieder auflösen würden. Auf der Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse am 12. September informierte Cieslak kurz über die Schwierigkeiten hinsichtlich des in Sachsen geplanten Landeskirchentages. Allerdings erklärte er - im Sinne seines eigenen Vorschlags vom 5. Juli - , daß man angesichts der staatlichen Haltung „kurz entschlossen" „den Kirchentag nach aussen nur unter die , Firma' , Landesausschuß Sachsen' gestellt" habe. Er gab weiterhin zu erkennen, daß er mit dieser Maßnahme die Schwierigkeiten, „an denen beinah das ganze Unternehmen gescheitert wäre", als ausgeräumt ansah.91 Freilich war zu diesem Zeitpunkt bereits ein weiterer Vorstoß der kirchlichen Seite ins Leere gelaufen. Zwei Wochen nach der Auskunft des Stellvertreters für Inneres, daß man staatlicherseits grundsätzlich nichts gegen den Kirchentag an sich einzuwenden habe, hatte sich, unter dem Datum des 12. Juli 1967, der Dechant des Hochstiftes Meißen, Prof. Dr. Franz Lau, an den Meißner Bürgermeister gewandt, ihn von der Tatsache der Jubiläumsfeierlichkeiten und des Kirchentages in Kenntnis gesetzt und ihn gebeten, für den am Mittwoch geplanten Empfang die Festsäle der Meißner Albrechtsburg zur Verfügung zu stellen. Der Syndikus, Dr. Paul Liebe, werde ihm nach vorheriger fernmündlicher Anmeldung einen Besuch abstatten, „um Sie über alles zu unterrichten, was im Zusammenhang mit unserer Jahrtausendfeier geplant ist".92 In dem Gespräch, das am 25. Juli

übereinstimmend den Text: „Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968". 90 Vgl. Niederschrift über die Sitzung des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages in 806 Dresden, Dr. Conertstr. 8, I am Donnerstag, den 6.Juli 1967 um 9.00 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KT-Protokolle), S. 1. " Segebarth, Protokoll. Sitzung der Vorsitzenden der Landesausschüsse der Konferenz der Landesausschüsse in der DDR des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 12. September 1967, 10.00 Uhr, im Büro, Friedrichsgracht 53, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 3; vgl. auch O. SCHRODER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 63. 92 Hochstift Meißen (Dr. Franz Lau), Herrn Bürgermeister Heinz Hoffmann, Meißen (Abschrift), 12.7.1967 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 308).

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in D r e s d e n und Meißen

1967 stattfand, erläuterte Liebe dann entsprechend der Ankündigung die vom Hochstift Meißen anläßlich des Jubiläums geplanten Vorhaben und wiederholte die Bitte um Überlassung der Festsäle der Albrechtsburg für den vorgesehenen „Empfang geladener Gäste". Der Meißner Bürgermeister nahm dieses Anliegen allerdings lediglich „zur Kenntnis und erklärte, daß diese Veranstaltungen, da sie über die Zuständigkeit der Stadt und des Rates des Kreises Meißen hinausgingen, den dafür zuständigen staatlichen Organen gemeldet werden müssen".93 Erst nach deren Zustimmung könne über konkrete Fragen, wie die Nutzung der Albrechtsburg, verhandelt werden. Diese Auskunft war mit dem Rat des Bezirkes abgestimmt, der seinerseits den Vorgang zum Anlaß nahm, die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen über die vielfältigen und den erwarteten Rahmen deutlich überschreitenden Vorbereitungen der evangelischen Kirchen zum Meißen-Jubiläum zu informieren.94 Das Hochstift Meißen erhielt dagegen - abgesehen von der lediglich vertröstenden Reaktion des Meißner Bürgermeisters - keine Antwort.95 Erste Bemühungen der staatlichen Dienststellen um ein abgestimmtes Vorgehen angesichts des Meißen-Jubiläums hatte es bereits Mai/Juni 1967 gegeben. Als Mitte Juni - wohl auf Weisung der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED96 - in Dresden eine Beratung zwischen dem Leiter des Arbeitsgebietes „Katholische Kirche" beim Staatssekretariat für Kirchenfragen, Horst Hartwig, und „den Bezirksreferenten für Kirchenfragen und einem Vertreter der Bezirksleitung der SED zu Fragen der 1 OOO-Jahrfeier" stattfand, wurde dort zum Zwecke der Koordinierung staatlicher Maßnahmen die Bildung einer ressort- und bezirksübergreifenden Arbeitsgruppe angeregt.97 Diese Arbeitsgruppe konstituierte sich am 8. September 1967 in Dresden unter der Leitung des dortigen Stellvertreters des Ratsvorsitzenden für Inneres. Anwesend waren die Kirchenreferenten ,J Rat des Bezirkes Dresden. Referat K i r c h e n f r a g e n (Breitmann), An d a s Staatssekretariat f ü r Kirchenfragen, Betr.: T a u s e n d j a h r f e i e r des Bistums M e i ß e n , 14.8.1967 (BArch Berlin, S t f K , D O 4, 2727). 44 Ebd. 95 U m den Antrag begründet zurückweisen zu k ö n n e n , w u r d e vom Rat des Bezirkes D r e s d e n vorgeschlagen, das von d e r SED-Bezirksleitung als Gegenveranstaltung zu den Jubiläumsfeierlichkeiten angeregte „ H i s t o r i k e r s y m p o s i u m " (siehe unten S. 160, Anm. 138) auf die Albrechtsburg zu verlegen (AG Kathol. Kirche [ H . H a r t w i g ] , V e r m e r k , fernmündliche Mitteilung durch den G e n . Breitmann aus d e m Bezirk D r e s d e n vom 18.10.67, 18.10.1967 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727]). D e r Plan gezielter G e g e n v e r a n s t a l t u n g e n w u r d e d a n n allerdings nicht weiter verfolgt (siehe unten S. 162), w o d u r c h sich dieses A r g u m e n t erledigte. * Vgl. Vorlage an das Sekretariat d e r Bezirksleitung [ d e r S E D D r e s d e n ] . K o n z e p t i o n zur 1 OOO-Jahrfeier der G r ü n d u n g des Bistums M e i ß e n , 11.10.1967 ( S H S t A , B T / R d B D r e s den, 26603, Bl. 274-285), S. 10. 97 A G Kath. Kirche ( H . Hartwig), Bericht zur Dienstreise in den Bezirk Dresden am 12. und 13.6.1967, 20.6.1967 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727).

Eine staatliche „Empfehlung"

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der Bezirke Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Magdeburg und Cottbus, je ein Mitarbeiter der SED-Bezirksleitungen Dresden und Karl-Marx-Stadt sowie Vertreter des Staatssekretariats, der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen, des Ministeriums für Kultur, des FDJ-Zentralrates, der DOMOWINA (Bund der Lausitzer Sorben) und der Historikergesellschaft.98 Neben den zu erwartenden Aktivitäten der katholischen Kirche kamen auch die für 1968 geplanten Vorhaben der evangelischen Kirchen zur Sprache. Insbesondere die anwesende Mitarbeiterin der HV Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur, Dr. Mara Marquardt, erläuterte „anhand der Publikationen der kirchlichen Verlage" ..., daß beide Kirchen Kurs auf ein Zusammenwirken zur lOOOJahrfeier" nähmen.100 Eine grundsätzliche Direktive, wie auf dieses Zusammenwirken zu reagieren sei, gab der Vertreter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED, Dr. Eberhard Hüttnen „Zwischen Veranstaltungen der katholischen Kirche und denen der Protestanten zur lOOOJahrfeier sollte differenziert werden. Während die katholischen Feiern grundsätzlich als legitim betrachtet werden, sind die protestantischen grundsätzlich als illegitim zu behandeln. Das gilt besonders für den im Mai geplanten Landeskirchentag des Landesausschusses Sachsen des ,Deutschen Evangelischen Kirchentages' zur lOOOJahrfeier, der von Landesbischof Noth initiiert ist" 101

Das offizielle Ignorieren der sächsischen Kirchentagspläne ließ sich jedoch nicht unbegrenzt fortführen. Vor allem die Aufmerksamkeit, die das Bistumsjubiläum innerhalb des SED-Zentralkomitees erfuhr, machte deutlich, daß die Angelegenheit von den Behörden nicht einfach übergangen werden konnte, sondern einer Klärung bedürfe. Entsprechend übermittelte Horst Hartwig am 7. November dem Rat des Bezirkes Dresden im Auftrag des Staatssekretärs für Kirchenfragen telefonisch dessen Bitte, „Ende November/ Anfang Dezember" in Gesprächen mit den Bischöfen Noth und Spülbeck die Frage der Bistumsjubiläen zu klären. Als Position, die im Gespräch mit dem sächsischen Bischof Noth zu vertreten sei, wurde formuliert: „Alles, was im Zusammenhang mit der Christianisierung steht, wird von uns energisch zurückgewiesen. Kirchliche Veranstaltungen können nur im kleinen Rahmen durchgeführt werden."102 Zur Durchsetzung dieser Posi-

* A G Kath. Kirche, Dienstreisebericht vom 8.9.67 in den Bezirk Dresden, konstituierende Sitzung der Arbeitsgruppe lOOOJahrfeier des Bistums Meißen, 15.9.1967 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727). " V o r allem unter Hinweis auf die von der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin geplante Festschrift zum Meißen-Jubiläum (vgl. oben S. 127, Anm. 8). 100 А. а. O., S. 2. 101 A . a . O . , S.3. 102 Auf Anruf Gen. Hartwig, Staatssekretariat am 7.11.67, 7.11.1967 (SHStA, B T / R d B Dresden, 26603, Bl. 259).

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D e r s ä c h s i s c h e „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" in D r e s d e n u n d M e i ß e n

tion sei - so Hartwig weiter - der Stellvertreter des Staatssekretärs, Fritz Flint, auch bereit, falls das vom Bezirk gewünscht werde, an den betreffenden Gesprächen teilzunehmen. Auf dieses Angebot griff der Bezirk allerdings nicht zurück. Drei Tage später wandte sich der Stellvertreter für Inneres beim Rat des Bezirkes, Peter, mit konkreten Terminvorschlägen für die beiden Gespräche (5. Dezember Gespräch mit Bischof Noth, 6. Dezember Gespräch mit Bischof Spülbeck 103 ) an den Ratsvorsitzenden. Etwa zeitgleich teilte die ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen der Dienststelle des Staatssekretärs mit, daß es in der Frage der Jubiläumsfeierlichkeiten einen Politbürobeschluß geben werde, der durch eine entsprechende Vorlage vorzubereiten sei. Daraufhin wurde das Meißen-Jubiläum innerhalb des Staatssekretariats auf der nächsten Dienstbesprechung am 13. November ausführlich angesprochen. Den Bericht zur bisherigen Vorbereitung erstattete dabei der Stellvertreter des Staatssekretärs Flint. Dieser schlug abschließend vor, „dahingehend wirksam zu werden, daß die Evangelische Kirche in Sachsen ihren Generalplan zum 1000.Jahrestag der Christianisierung fallenläßt". In dem mit Landesbischof Noth zu führenden Gespräch sei insbesondere darauf hinzuweisen, „daß die Christianisierung vor 1000 Jahren Ausrottungspolitik gegenüber der slavischen Bevölkerung in diesen Gebieten gewesen" sei, die Jubiläumsfeiern also die „Gefahr einer Provokation der Nachbarvölker der D D R , Polen und Tschechoslowaken", beinhalteten. 104 Angesichts der Vorgabe, daß diese Angelegenheit dem Politbüro vorzulegen sei, wurde allerdings entschieden, daß „die Gespräche mit den beiden Bischöfen Noth und Spülbeck" zu verschieben und „zweckmässigerweise erst nach Bestätigung der Vorlage zu führen" seien.105 In der Zwischenzeit war freilich auch die sächsische Landeskirche nicht untätig geblieben. Als die Zeitspanne bis zum geplanten Kirchentag auf ein halbes Jahr zusammengeschmolzen war, ohne daß verbindliche Absprachen mit der staatlichen Seite getroffen werden konnten, entschloß sich die Kirchenleitung zu einem neuerlichen Vorstoß. Unter dem Datum des H . N o v e m b e r 1967 wandte sich das Landeskirchenamt in dieser Angelegenheit mit Einschreib-Briefen an den Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, den Oberbürgermeister der Stadt Dresden, den Vorsitzenden des Rates des Kreises Meißen sowie an den Meißner Bürgermeister. Unterschrieben waren die Briefe für das Landeskirchenamt vom Landesbischof persönlich sowie vom Präsidenten des Landeskirchenamtes, für das Hochstift Meißen von dessen Dechanten, Prof. Lau. Der Text war in allen drei Schreiben gleich. Die Adressaten wurden davon „in Kenntnis" gesetzt, „daß aus Anlaß 10)

Dann auf den 11.Januar 1968 verschoben (ebd.). Persönlicher Referent (Rogowski), Protokoll der Dienstbesprechung beim Staatssekretär am 13.11.1967, 8.30 Uhr, 28.11.1967 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2673), S. 7. А. а. О., S. 8.

Eine staatliche „Empfehlung"

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der Jahrtausendfeier des Hochstiftes Meißen in unserer Landeskirche und zwar im Bereich Meißen und Dresden - vom 23. bis 26. Mai 1968 ein Landeskirchentag" stattfinde, und wurden darum gebeten, „dieses Vorhaben zu unterstützen". Ein Landesausschuß des Deutschen Evangelischen Kirchentages blieb entsprechend der am 5.Juli festgelegten Neuordnung der Verantwortlichkeiten unerwähnt Der Kirchentag werde vielmehr „verantwortlich von uns in Verbindung mit dem Hochstift Meißen veranstaltet". „Vorbereitung und Durchführung" seien „Herrn Synodalpräsidenten Cieslak übertragen" worden.106 Als Anlaß für den Kirchentag erschien in diesen Briefen nicht mehr das lOOOjährige Bestehen des (katholischen) Bistums, sondern die Jahrtausendfeier des inzwischen evangelischen Hochstiftes Meißen. Dieser Anlaß hielt auch einer staatlichen Rückfrage bei kundiger Stelle stand: Auf die Jubiläumsfeierlichkeiten der sächsischen Kirche mehrmals angesprochen, erklärte der katholische Bischof Otto Spülbeck während des Ratsgespräches am 11.Januar 1968, daß „die Ev. Kirchen . . . nicht die Gründung des Bistums feiern" können, sondern „da vornehmlich der Christianisierung" gedenken. Hinsichtlich des Domstifts fügte Domkapitular Dr. Hötzel hinzu: „Daß das Meißner Hochstift die 1000-Jahrfeier festlich im weiteren Rahmen durchführen will, ist berechtigt Das Hochstift hat eine ununterbrochene 1000-jährige Geschichte, auch wenn es 1582 ein reformiertes Hochstift wurde. Die Grundsätze des Hochstiftes sind dieselben geblieben wie zu seiner Gründung." 107

Diese Schreiben trafen genau zu dem Zeitpunkt ein, als innerhalb des Rates des Bezirkes ohnehin nach einem Gesprächstermin gesucht wurde. Eine Entscheidung darüber verzögerte sich allerdings - vermutlich infolge der inzwischen aus Berlin eingegangenen Empfehlung, mit den Gesprächen noch bis zur Bestätigung der Politbürovorlage zu warten. Erst am 21. November akzeptierte der Ratsvorsitzende (Scheler) die von seinem Stellvertreter für Inneres (Peter) vorgeschlagenen Gesprächstermine. Nach Eingang der Bestätigung wies der Stellvertreter für Inneres den Kirchenreferenten an, die Einladungen „sofort" (zweimal unterstrichen) auf den Weg zu bringen,108 was jedoch wiederum nicht sofort geschah. Noch auf der Sitzung des „Gesamtausschusses" des Landeskirchentages am 2. Dezember 1967 vermochte Präsident Cieslak lediglich mitzuteilen, daß die betreffen106 Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens (D. Noth/Dr. Johannes )/Hochstift Meißen (D. Franz Lau), An den Herrn Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, 14.11.1967 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 306). 107 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Niederschrift über die Aussprache des Rates des Bezirkes Dresden mit der Leitung des Ordinariats des Bistums Meißen am I I.Januar 1968, 23.1.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727), S. 4. ioe Vgl. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Dresden. Innere Angelegenheiten (Peter), Vorsitzenden des Rd.B. Genossen Scheler, 10.11.1967 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45079, Bl. 175) - einschließlich der handschrifdichen Randbemerkungen.

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in D r e s d e n und Meißen

den Staatsfunktionäre „angeschrieben" worden seien. Dieses neuerliche Ausbleiben einer Reaktion erschien den Beteiligten als ein deudiches Signal, daß die Verhandlungen mit der staadichen Seite trotz der Neuregelung der Verantwortlichkeiten schwierig werden würden. Angesichts dessen wurde bereits auf dieser Sitzung beraten, welche Konsequenzen für den Kirchentag daraus zu ziehen wären. Wenn in diesem Zusammenhang als Äußerung von Superintendent Johannes Rudolph (Dresden-Land) in den handschrifdichen Notizen festgehalten wurde: „Es soll gewagt werden", und von Herbert Dost: „Ki Tag findet statt!", ist es wahrscheinlich, daß - allerdings ohne ernsthaft erwogen zu werden - auch die Möglichkeit einer Verschiebung oder Absetzung der Veranstaltung im Raum gestanden hatte. Wohl in einem der ersten Diskussionsbeiträge hatte der Dresdner Superintendent Wendelin hinsichtlich der zu bewältigenden Teilnehmerzahlen zu einer „gründlichen Nüchternheit" geraten und der weiteren Diskussion die Überlegung empfohlen: „Was ist in Dresden [sc ohne staatliche Unterstützung] möglich!" Vor allem zwei Fragen waren in diesem Zusammenhang zu bedenken: die Frage nach geeigneten Räumen für die Veranstaltungen einerseits und das Problem der Bereitstellung von Quartieren für die Teilnehmer andererseits. J. Rudolph schlug dazu - nach den handschrifdichen Notizen - vor. „a) Delegierung vorsehen. 50 % Jugend 25 % Mittlere Jahre 25 % Ältere b) Motorisierte [...] c) 1000 Quartiere für Dresden-Land d) Nebeneinander Meißen - 1000 Jahre —» Landeskirchentag Dresden e) am Sonntag - auch in Meißen akzentuiert —» evtl. Ki Kirchentag" 1 0 4

Dieser Vorschlag, die Teilnehmerzahlen durch das Delegierungsprinzip von vornherein zu beschränken und damit ein zumindest teilweises Ausweichen auf Quartiere außerhalb Dresdens zu erleichtern (Transportproblem), wurde im weiteren aufgegriffen und ergänzt. Auch unter erschwerten Bedingungen sei ein Kirchentag mit 4000 bis 5000 Teilnehmern möglich. Präsident Cieslak ergänzte, daß die „Kirchentags-Generation" ohnehin „nicht mehr da" sei, so daß mit mehr Teilnehmern sowieso nicht zu rechnen wäre. Die Teilnahme an den Arbeitsgruppen sollte - wie vorgeschlagen Delegierten vorbehalten bleiben. Darüber hinaus wurde erwogen, eine

109 L.A. - Kirchentag, 2.12.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landcskirchentag 1968).

Eine staatliche „Empfehlung"

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Arbeitsgruppe von Dresden nach Meißen zu verlegen sowie das Programm insgesamt zu kürzen. Am Ende verständigte man sich auf eine Zahl von 3000 Delegierten (ohne die Dresdner Ephorien), was etwa einer Zahl vom 100 Delegierten je Ephorie entsprach. Der Prozentsatz für die Teilnehmer der Kategorie .Jugend" wurde entsprechend dem Vorschlag akzeptiert und sollte bei 50% liegen (worunter freilich eine Altersspanne von 17 bis 45 Jahren verstanden wurde).110 Spätestens am darauffolgenden Montag müssen dann die Einladungen für das Gespräch beim Rat des Bezirkes, das am nächsten Tag, dem 5. Dezember, stattfinden sollte, im Landeskirchenamt vorgelegen haben. An diesem Gespräch nahmen seitens der sächsischen Landeskirche der Landesbischof (Noth) und der Präsident des Landeskirchenamtes (Johannes), seitens des Rates des Bezirkes der Vorsitzende (Scheler), sein Stellvertreter für Inneres (Peter) und der Referatsleiter Kirchenfragen (Breitmann) teil. Die staatliche Seite ging bei diesem Gespräch, das insgesamt 3'/2 Stunden dauerte, vorerst überhaupt nicht auf den geplanten Kirchentag ein. Vielmehr wurde die Rede Walter Ulbrichts vor der Volkskammer am 1. Dezember 1967 über die Entwicklung der „sozialistischen Menschengemeinschaft"" 1 referiert, um von da aus zu einer Anklage gegen die sächsische Landeskirche Uberzugehen. Denn diese behindere die Entwicklung der „sozialistischen Menschengemeinschaft", bringe Christen absichtlich „in Widerspruch zu ihrer sozialistischen Gesellschaft" und manipuliere die politischen Ansichten der Amtsträger, so daß zumindest einige von ihnen die DDR als Unrechtsstaat diffamieren würden. Insgesamt hätte die sächsische Landeskirchenleitung mehrfach bewiesen, daß sie die NATO-Politik unterstütze und versuche, den „Alleinvertretungsanspruch" der AdenauerRegierung „auch bei uns durchzusetzen" (Hinweis auf die Regionaltagung der EKD-Synode in Fürstenwalde). Erst am Ende dieser Vorhaltungen und als eine angesichts der erhobenen Beschuldigungen unausweichliche Schlußfolgerung kam der Ratsvorsitzende - damit der vorher festgelegten Konzeption folgend" 2 - auf den Kirchentag zu sprechen:

110

A.a.O., S.4. Darin unterbreitete Ulbricht den Vorschlag zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung (vgl. oben S. 132, Anm.27). 112 Vgl. Für Aussprache am 5.12.67 mit Landesbischof Noth, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 45079, Bl. 165-169). - Für jedes als wichtig eingestufte Staat-Kirche-Gespräch wurde staatlicherseits eine Disposition erstellt, in der Gesprächsgegenstand, Argumentation und Zielstellung des Gespräches vorher genau festgelegt wurden. Staatsfunktionäre ohne eigenen Entscheidungsspielraum waren an diese in der Regel vom Dienstvorgesetzten zu bestätigende Konzeption gebunden. Für den Vorsitzenden des Rates des Bezirkes hatte eine derartige Konzeption hingegen lediglich den Stellenwert einer Zuarbeit, von der er jeder Zeit in eigener Verantwortung abweichen konnte. 111

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

„Unter Berücksichtigung der angeführten Fakten, dem könnten noch eine Reihe anderer hinzugefügt werden, können die Staatsorgane den von Ihnen in Ihrem Schreiben vom 14.11.1967 angekündigten Landeskirchentag nicht unterstützen. Wir erwarten, daß von der Durchführung des geplanten Landeskirchentages abgesehen wird und empfehlen Ihnen, dieses Vorhaben auf Gemeindeebene zu beschränken."" 3

Während sich dies im staadichen Protokoll wie eine Anweisung liest, zeigt das in diesem Punkt ausführlichere kirchliche Protokoll nicht nur, daß die tatsächlich gebrauchten Formulierungen nicht ganz so kategorisch gewesen waren, sondern auch, was die Verweigerung staadicher Unterstützung im einzelnen bedeutete: „,Wir raten', so sagte Herr Sche[e]ler weiterhin wörtlich, ,vom Landeskirchentag Abstand zu nehmen. Wir beraten mit Bischof Spülbeck, wie man die 1000-Jahrfeier des Bistums Meißen würdig ausgestalten kann. Wir können jedoch einen sächsischen Landeskirchentag nicht unterstützen und meinen, daß der 1000-Jahrfeier des Bistums Meißen in den Gemeinden gedacht werden könne, was durchaus in würdiger Weise geschehen kann. Eine gesamtkirchliche Veranstaltung können wir nicht hinnehmen. Wir können einer solchen Veranstaltung keine staatliche Unterstützung gewähren, können keine öffendichen Plätze zur Verfügung stellen; Hotelkapazitäten und Verpflegung sind in einer Zeit, in der die Reisesaison schon auf Hochtouren läuft, leider auch nicht zur Verfügung'. Herr Sche[e]ler meint weiter, es bestünde auch bei dem derzeitigen Verhältnis zwischen Staat und sächsischer Landeskirche nicht die Aussicht, daß dieses durch einen solchen Landeskirchentag gebessert würde, im Gegenteil sei zu befürchten, daß solche Anlässe dazu benutzt würden, die Beziehungen zu verschlechtern."" 4 Die einleitend vom Ratsvorsitzenden erhobenen Anklagen verfehlten ihre

113 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Breitmann), Niederschrift über die Aussprache des Rates des Bezirkes Dresden mit der Leitung der Ev. Luth. Landeskirche Sachsen am 5. Dezember 1967, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 45079, Bl. 160-164), S. 2. - Als eine weitere Konsequenz aus der Haltung der Landeskirchenleitung blieben Bischof Noth und anderen leitenden Amtsträgern der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens Reisen ins wesdiche Ausland versagt: „Bevor sie keine klare Stellung zu den Realitäten - das Bestehen zweier deutscher Staaten und damit die Existenz zweier Kirchen, nämlich der ev. Kirchen in der D D R und der Kirche in Westdeutschland - beziehen, sind wir nicht bereit eine für sie günstige Entscheidung in der Ausreise zu treffen" (а. а. O., S. 3). Diese Beschränkung wurde auch in den folgenden Jahren mit wechselnder Begründung aufrechterhalten (verweigert wurde Noth - wie auch dem Greifswalder Bischof Krummacher - unter anderem die Teilnahme an der 4. Vollversammlung des O R K , 4.-20. Juli 1968 in Uppsala - vgl. dazu u. a. Bischof D . Dr. Kxummacher/Landesbischof D. Noth D D . , Herrn Staatssekretär für Kirchenfragen. Herrn Hans Seigewasser, 26.6.1968 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2936, Bl. 1112])· 114 Dr. Johannes, Niederschrift Uber die Besprechung beim Rat des Bezirkes Dresden am 5. Dezember 1967 (Teilabschrift von 1018/207), undatiert (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2).

Eine staatliche „Empfehlung"

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Wirkung offenkundig nicht Die Vertreter der sächsischen Landeskirche hatten sich auf ein Sachgespräch über den Kirchentag eingestellt und nicht mit derartigen Anwürfen gerechnet Entsprechend den Vorgaben der staatlichen Seite konzentrierten sie sich in ihren Antworten darauf, nicht als Handlanger einer „Adenauer-Politik" zu erscheinen, sondern vielmehr den staadichen Vertretern deutlich zu machen, daß die Einheit der Kirche eine geisdiche Einheit sei und nicht Ubereinstimmung in politischen Positionen und Anschauungen bedeuten müsse. Auf den staadicherseits nur am Rande erwähnten Kirchentag kamen sie nicht wieder zurück, so daß das staadiche Protokoll als Ergebnis des Gespräches festhalten konnte: „Zur Frage der Nichtdurchführung des Landeskirchentages wurde keine gegenteilige Meinung geäußert - also akzeptiert" 115 Damit schien das Problem einer Beteiligung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am Meißen-Jubiläum im Sinne der Direktive des Staatssekretärs für Kirchenfragen geklärt Weitere Informationen, die der staadichen Seite zur Kenntnis gelangten, schienen zu bestätigen, daß der Plan eines sächsischen Landeskirchentages infolge des Gespräches am 5. Dezember aufgegeben worden sei.116 Eine wichtige Rolle spielte dabei wohl ein Schreiben des Syndikus' des Domstiftes Meißen, Dr. Liebe, an den Kirchenreferenten des Rates des Bezirkes, in dem er um die Genehmigung zur Herstellung zweier Porzellanplaketten zum Meißen-Jubiläum nachsuchte.117 In diesem Brief, von dem umgehend eine Abschrift an die Dienststelle des Staatssekretärs ging,118 hieß es eingangs (vermudich um die Chancen des später vorgetragenen Anliegens zu verbessern): „Wie Ihnen aus dem Gespräch, das Sie Anfang Dezember in Gegenwart des Herrn Ratsvorsitzenden mit dem Herrn Landesbischof gefuhrt haben, bekannt ist, soll anläßlich der Feierlichkeiten 1000 Jahre Dom zu Meißen nunmehr der Landeskirchentag abgesagt und nur in Einzelveranstaltungen des Jubiläums gedacht werden."119

115 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Breitmann), Niederschrift über die Aussprache des Rates des Bezirkes Dresden mit der Leitung der Ev. Luth. Landeskirche Sachsen am 5. Dezember 1967, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 45079, Bl. 160-164), S.5. 116 Vgl. unten S. 172. 117 Dieser Antrag wurde abgelehnt Auf der „Tagung der AG , 1000-Jahrfeier des Bistums Meißen' am 17.1.1968" erklärte Dr. Hüttner von der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED: „Die Ev. Kirche erhält keine Genehmigung zur Herstellung von Plaketten für die 1000-Jahrfeier, sie haben zur 450.Jahrfeier der Reformation Plaketten herstellen dürfen" (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Niederschrift über die Tagung der AG „1000-Jahrfeier des Bistums Meißen" am 17.1.1968, 20.1.1968 [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698], S. 3). Die Abschrift des Briefes, der selbst das Datum des 27.12.1967 trug, datiert auf den 3.1.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727). Hochstift Meissen (Dr. Liebe), Rat des Bezirkes Dresden. Abt Innere Angelegenheiten. Kirchenfragen, Betr.: 1000 Jahre Dom zu Meißen, 27.12.1967 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 296).

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

In die gleiche Richtung gingen Erkenntnisse, die der Rat des Bezirkes im Gespräch „mit der Leitung des Ordinariats Meißen" am 11. Januar 1968 - dem katholischen Pendant zum Gespräch mit Vertretern der sächsischen Kirchenleitung am 5. D e z e m b e r - gewann. Im Verlaufe dieses Gesprächs hatte Domkapitular Dr. H ö t z e l erwähnt, daß ihm von Vertretern des sächsischen Landeskirchenamtes mitgeteilt worden sei, „von einem Landeskirchentag abzusehen und nur Gemeindefeiern im Elbraum durchzuführen". 1 2 0

Trotz der staatlicherseits erwarteten Beschränkung des Kirchentages „auf Gemeindeebene" wurde freilich nicht versäumt, weitere vorbeugende und flankierende Maßnahmen zu ergreifen. Zum einen wies der Stellvertreter des Ratsvorsitzenden auf einer Zusammenkunft in Bärenfels121 die Kirchenreferenten der Räte der Kreise an, vor der Erteilung von Druckgenehmigungen für Schriften, in denen ein sächsischer Landeskirchentag in irgendeiner Form erwähnt werde, den „Rat des Bezirkes zu konsultieren" - was, wie die entsprechenden Schreiben der Räte der Kreise an den Rat des Bezirkes zeigen, dann auch geschah.122 Zum anderen wurde eine Beschränkung der Aufenthaltsgenehmigungen für westdeutsche Bürger verhängt Nachdem der Referatsleiter Kirchenfragen, Breitmaim, beim Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Peter, eine derartige Beschränkung für die Zeit des Kirchentages angeregt hatte,123 wies dieser die Stellvertreter für Inneres in den Städten und Kreisen entsprechend an: „Im Zusammenhang mit dem geplanten Landeskirchentag vom 2 3 . - 2 6 . Mai 1968 erachte ich es als notwendig, die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigungen für evangelische Amtsträger während dieses Zeitraumes einzuschränken. Gleichermaßen ist auch zu verfahren, wenn die Antragsteller evangelische Amtsträger sind." 124

Schließlich wurde ein wesentlicher Kritikpunkt, der am 5. Dezember gar nicht zur Sprache gekommen war - die befürchtete Zusammenarbeit von evangelischer und katholischer Kirche 125 - , auf die Tagesordnung des 120 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Niederschrift über die Aussprache des Rates des Bezirkes Dresden mit der Leitung des Ordinariats des Bistums Meißen am 11. Januar 1968, 23.1.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727), S. 5. 121 Im Kurort Bärenfels befand sich das Schulungsheim des Rates des Bezirkes Dresden. ш Vgl. u. a. Rat des Kreises Meißen. Ref. Kirchenfragen (Hillig), Rat des Bezirkes Dresden. Ref. Kirchenfragen, Betr.: Information über Veröffentlichungen der evangelischen Kirche zur 1000-Jahrfeier Bistum Meißen, 18.1.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 287-288). ш Vgl. die entsprechende Mitteilung vom 22.2.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 237). 124 Rat des Bezirkes Dresden. Stellv. des Vorsitzenden für Innere Angelegenheiten (Peter), Stellv. Vorsitzende für Innere Angelegenheiten der Räte der Kreise und Städte Dresden/Görlitz, Betr.: Aufenthaltsgenehmigungen für westdeutsche Bürger, 27.2.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 236).

Eine staatliche „Empfehlung"

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erwähnten Gespräches mit dem katholischen Bischof Spülbeck am 11. J a nuar 1968 gesetzt. Unter Punkt 2 der „Zielsetzung" dieses Gespräches hieß es ausdrücklich: „Verhinderung der besonders durch die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen hervorgehobenen Gemeinsamkeit bzw. Einmischung der Ev.-Luth. Kirche in die Feierlichkeiten und Klärung des politischen Standpunktes der Leitung des Ordinariats des Bistums Meißen zu dieser Frage". Bereits in der Konzeption zu diesem Gespräch war vorgesehen, Spülbeck - angesichts des befürchteten „politischen Interkonvesionalismus" [sie] 126 - ebenfalls mit einer Beschneidung seiner Reisemöglichkeiten zu drohen. 127 Nachdem der 1. Stellvertreter des Ratsvorsitzenden, Opitz, im Gespräch mit Spülbeck eingangs erneut darauf aufmerksam gemacht hatte, „daß die Bistumsfeierlichkeiten vorbelastet sind durch den Briefwechsel der Bischöfe Polens mit den deutschen Bischöfen", gab er zu bedenken, daß die „Landeskirchenleitung Sachsen und Bischof Noth . . . aufgrund der politischen Linie dieser Kirche . . . , die mit unserer Friedenspolitik nicht übereinstimmt", kein gutes Verhältnis zum Staat habe, „eine solche politische Zusammenarbeit", wie zum Meißen-Jubiläum geplant, deshalb „gründlicher überlegt werden" müsse. Der Stellvertreter für Inneres, Peter, präzisierte: „Diese Haltung der Ev.-Luth. Landeskirche hat für die ökumenische Bewegungsfreiheit des Bischofs und der Landeskirchenleitung erheblichen Nachteil gebracht Diese Nachteile werden nicht eher beseitigt werden, bevor nicht die Haltung der Landeskirche sich gegenüber unserem Staat ändert. Wenn Sie gemeinsam auftreten wollen mit Bischof Noth, wenn gemeinsame Veranstaltungen zu den Bistumsfeierlichkeiten organisiert werden sollen, begeben Sie sich in die Gefahr, sich mit dieser politischen Linie zu identifizieren, d. h. mit der politischen Haltung des Bischofs gegenüber dem Staat Wir geben zu bedenken, ob es für Ihre verantwortliche Tätigkeit der Leitung des Bistums gut ist, eine solche Bindung einzugeben."128 Bischof Spülbeck nahm jedoch in seiner Antwort weder Bezug auf den erwähnten Briefwechsel noch auf die Frage einer Zusammenarbeit mit der evangelischen Landeskirche, so daß Opitz und Peter beide Punkte erneut ansprachen, woraufhin Spülbeck grundsätzlich auf die „von beiden Seiten gewünschte Einheit der Christen" hinwies und ansonsten Zwänge mehr praktischer Art anführte, die eine Abstimmung mit der evangelischen Kirche notwendig machten. Diese Reaktion entsprach nicht der staadichen Zum Stellenwert vgl. oben S. 126 f. i » Vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Konzeption für das Gespräch mit Bischof Spülbeck am 11.1.1968, 9.1.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727), S. 3. ™ A . a . O . , S.4. 126 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Niederschrift über die Aussprache des Rates des Bezirkes Dresden mit der Leitung des Ordinariats des Bistums Meißen am 1 I.Januar 1968, 23.1.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727), S.2. 125

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Erwartung, so daß Peter die Drohung noch einmal und noch ein wenig deudicher wiederholte: „Wir nehmen diese Haltung der Kath. Kirche zur Kenntnis, müssen aber betonen, daß das Verhältnis zur ev. Kirche die Gefahr mitsichbringt, mit deren politischer Linie identifiziert zu werden und das wäre für die verantwortliche Tätigkeit als Leiter des Bistums und im Interesse seiner über das Bistum hinausgehenden Tätigkeit nicht gut. Wir sagen das s o deudich im Interesse der internationalen Aufgaben und Bindungen des B i s c h o f s . a ' 2 '

Wie das Stattfinden der evangelisch-katholischen Begegnungsveranstaltung im Rahmen des Kirchentags zeigt, blieb die Drohung ohne Erfolg. Daß sie überhaupt ausgesprochen wurde, mag daran gelegen haben, daß die kirchlichen Aktivitäten aus Anlaß der für 1968 anstehenden Bistumsjubiläen (Meißen und Magdeburg) die kritische Aufmerksamkeit höchster Parteistellen auf sich gezogen hatten. Während ursprünglich vorgesehen war, die staadiche Position zum Meißen-Jubiläum lediglich mit einem Beschluß des Sekretariats der SED-Bezirksleitung Dresden festschreiben zu lassen,130 begann sich - wie bereits erwähnt - Anfang November 1967 abzuzeichnen, daß sich das oberste Führungsgremium der SED, das Politbüro, dem Problem des Meißen-Jubiläums131 zuwenden werde.132 Die Vorarbeiten für diesen Politbürobeschluß, die in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen begonnen133 und in der Arbeitsgruppe Kirchenfragen des SED-Zentralkomitees fortgeführt wurden, berücksichtigten ausdrücklich auch die als völlig unangemessen eingestuften Veranstaltungspläne der evangelischen Kirche.134 Ansonsten gaben sie im wesent-

A . a . O . , S.6. Ein erster Entwurf, der auch ausdrücklich festhielt, daß das Sekretariat „zur Abwendung eines klerikalen Mißbrauchs dieser Feierlichkeiten . . . die Bildung einer zeitweiligen Arbeitsgruppe" in der bereits bekannten Besetzung „bestätigt", stammt vom 2. Oktober 1967 (vgl. Vorlage an das Sekretariat der Bezirksleitung, Konzeption zur 1000-Jahrfeier der Gründung des Bistums Meißen, 2.10.1967 [SHStA, B T / R d B Dresden, 26603, Bl. 51-60], S. 9). Der endgültige Entwurf, der freilich angesichts des zu erwartenden Politbürobeschlusses nicht mehr zur Beschlußfassung gelangte, konstatierte die Existenz der Arbeitsgruppe, die sich „auf Empfehlung der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED und des Staatssekretariats für Kirchenfragen" gebildet habe, nur noch (Vorlage an das Sekretariat der Bezirksleitung, Konzeption zur 1000-Jahrfeier der Gründung des Bistums Meißen, 11.10.1967 [SHStA, BT/RdB Dresden, 26603, Bl. 274-285], S. 10). 131 Erst im Laufe der Vorbereitung des Politbürobeschlusses wurde auch das Jubiläum aus Anlaß des 1000jährigen Bestehens des Erzbistums Magdeburg einbezogen. 1,2 Siehe oben S. 149 f. Vgl. AG Kath. Kirche (H. Hartwig), Entwurf. Begründung für den Beschlußentwurf für das Politbüro zur 1 OOOJahrfeier des Bistums Meißen, 16.11.1967 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727). 134 In dem ersten Entwurf des Staatssekretariats für Kirchenfragen vom 16. November 1967 wurde im Blick auf die Aktivitäten der evangelischen Kirchen (die zum Teil freilich gar 110

Eine staatliche „Empfehlung"

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liehen jenen Diskussionsstand wieder, wie er sowohl für die am 8. September in Dresden gebildete bezirks- und ressortübergreifenden Arbeitsgruppe als auch für die Direktiven der Staats- und Parteiorgane vor Ort kennzeichnend war (etwa in der von der SED Bezirksleitung Dresden erarbeiteten und verbreiteten „Information über einige Aspekte der politisch-ideologischen Arbeit der katholischen Kirche im Zusammenhang mit den Vorbereitungen der 1000-Jahr-Feier der Gründung des Bistums Meißen" vom 18. bzw. 29. Januar135). Diese staatliche opinio communis hinsichtlich der Bistumsjubiläen gewann in der Politbürovorlage der Arbeitsgruppe Kirchenfragen (Hüttner) und des Staatssekretariats für Kirchenfragen (Seigewasser) vom 15. Februar 1968 ihre endgültige Gestalt.136 Danach waren die kirchlichen Veranstaltungen (beider Konfessionen) nicht nur auf „den örtlichen Rahmen" zu beschränken, sondern auch mit Hilfe „massenwirksamer Veranstaltungen" (u. a. der DOMOWINA und der FDJ-Bezirksorganisationen) aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu verdrängen.137 Zu der nichts mit dem Jubiläum zu tun hatten, wie etwa der 1968 in Görlitz geplante Kirchentag) festgestellt: „Das sind insgesamt größere Massenveranstaltungen von protestantischer Seite als sie in der Planung der katholischen Kirche vorgesehen sind" (а. а. O., S. 1). M Mitarbeiter des 1. Sekretärs (H. Engel), Information über einige Aspekte der politischideologischen Arbeit der katholischen Kirche in Zusammenhang mit den Vorbereitungen der 1000-Jahr-Feier der Gründung des Bistums Meißen, 18.1.1968 (SHStA, BPA Dresden, IV В 2/14/638). Diese Information wurde „mit den Berliner Genossen erarbeitet" und nach Zustimmung des 1. Sekretärs der SED-Bezirksleitung, Werner Krolikowski (vgl. Mitarbeiter des 1. Sekretärs [H. Engel], Genossen Werner Krolikowski, 18.1.1968 [SHStA, BPA Dresden, IV В 2/14/638]), am 29. Januar 1968 „an die Mitglieder des Sekretariats der Bezirksleitung und die 1. Sekretäre der Kreis- und Stadtbezirksleitungen sowie der Staddeitung Dresden der SED" versandt. Der Sendung an die 1. Sekretäre lag jeweils ein zweites Exemplar bei, das diese an den Ratsvorsitzenden ihres Kreises weitergeben sollten (vgl. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands. Bezirksleitung Dresden. 2. Sekretär [Stammnitz], An die Mitglieder des Sekretariats der Bezirksleitung und die 1. Sekretäre der Kreis- und Stadtbezirksleitungen sowie der Staddeitung Dresden der SED, 29.1.1968 [SHStA, BPA Dresden, IV В 2/14/638]). Damit wurde diese Information wohl zu dem Dokument zum Meißen-Jubiläum mit dem größten Verbreitungsgrad (was sich auch noch heute in den betreffenden Archivbeständen widerspiegelt). M Arbeitsgruppe Kirchenfragen (Dr. Eberhard Hüttner)/Staatssekretär für Kirchenfragen (Hans Seigewasser), Vorlage an das Politbüro des Zentralkomitees. Betrifft: Maßnahmen hinsichdich der Tausend-Jahr-Feiern aus Anlaß der Gründung des Bistums Meißen bzw. des Erzbistums Magdeburg, 15.2.1968 (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A/1281). Die FDJ-Bezirksleitung Dresden verpflichtete sich dazu, „in den Monaten Juli, August, September 1968" - also im Vorfeld der katholischen Bistumsfeierlichkeiten - „verstärkt Heimabende, wissenschaftliche Kolloquien und andere Veranstaltungen durchzuführen, in deren Verlauf es zum offenen Bekenntnis zu unserem Staat, der DDR, der Friedens- und Verständigungspolitik unserer Partei, zur Anerkennung der Oder-Neiße-Friedensgrenze, der Verurteilung der revanchistischen Notstandspolitik Westdeutschlands kommt" (Freie Deutsche Jugend. Bezirksleitg. Dresden. 2. Sekretär [Gerd Bernstein], Zentralrat der FDJ. Genossen Werner Jentsch. Sekretär des ZR, Betr.: Vorschläge für Veranstaltungen der FDJ vor und während der Tausendjahrfeierlichkeiten des Bistums Meißen 1968, 27.10.1967 [SHStA,

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D e r sächsische „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" in D r e s d e n und M e i ß e n

in den kirchlichen Veranstaltungen gedachten Christianisierung sollte im Rahmen von Vorträgen, die das Präsidium der Deutschen Historikergesellschaft zu organisieren hatte,138 „vom marxistischen Standpunkt... Stellung genommen" werden. Die in der Vorlage vorgesehene ressort- und bezirksübergreifende Arbeitsgruppe zur Koordinierung und „Regelung aller Fragen, die sich im Zusammenhang mit den kirchlichen Jubiläums-Veranstaltungen ergeben", entsprach dem bereits in Dresden gebildeten Gremium. Insgesamt sah die Vorlage damit im wesendichen eine Bestätigung dessen vor, was bereits in Angriff genommen worden war. Zur Begründung für die vorgeschlagenen Maßnahmen - insgesamt waren es sieben - wurden im großen und ganzen vier Aspekte geltend gemacht: - die Tatsache, daß die Kirchen diese Jubiläen zum Anlaß nehmen, um mit großen Festveranstaltungen innerhalb der Gesellschaft in Erscheinung zu treten; - dabei zu befürchtende oder bereits zu beobachtende Bestrebungen, eine Einheit der Kirchen über die Staatsgrenzen der D D R hinaus zu demonstrieren (betraf lediglich die katholische Kirche);139 - das sich abzeichnende Bestreben, „daß in der Vorbereitung und Durchführung der kirchlichen Veranstaltungen die Linie der Zusammenarbeit zwischen katholischer und evangelischer Kirche verstärkt werden soll". Als Beispiel für diesen „Interkonfessionalismus" wurde darauf hingewiesen, daß auch die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens aus Anlaß dieses

BT/RdB Dresden, 26603, Bl. 1 28-129], S. 2). Es sollte dabei jedoch auf jeden Fall vermieden werden, in irgendeiner Weise auf das Jubiläum oder die kirchlichen Veranstaltungen dazu direkt hinzuweisen: „Thema und Gegenstand dieser Veranstaltungen sind stets Grundfragen unserer Politik, so wie sie in der Führungskonzeption der FDJ-Bezirksleitung festgelegt wurden. Kirchliche Themen sind bewußt nicht hineinzutragen." 138 Die SED-Bezirksleitung Dresden hatte ursprünglich ein Historiker-Symposium geplant: „Durch die Deutsche Akademie der Wissenschaften und die Historikergesellschaft der D D R ist vorgesehen, im I.Halbjahr 1968 in Dresden ein wissenschaftliches Symposium durchzuführen. Dieses Symposium soll dazu beitragen, entsprechend unserer sozialistischen Geschichtsauffassung die Entwicklung der letzen tausend Jahre (,νοη Otto I. - Kiesinger') darzulegen" (Vorlage an das Sekretariat der Bezirksleitung. Konzeption zur 1000-Jahrfeier der Gründung des Bistums Meißen, 11.10.1967 [SHStA, BT/RdB Dresden, 26603, Bl. 274-285], S. 12). 139 Auch die Politbürovorlage wies eingangs darauf hin, „daß während des II. Vatikanischen Konzils ein Briefwechsel zwischen dem polnischen Episkopat und den katholischen Bischöfen aus beiden deutschen Staaten stattfand und daß in diesem Zusammenhang sich westdeutsche Bischöfe anmaßten, zu den Tausend-Jahrfeiern des Bistums Meißen polnische Bischöfe in die D D R einzuladen, was eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der D D R bedeutete" (Arbeitsgruppe Kirchenfragen [Dr. Eberhard Hüttner]/Staatssekretär für Kirchenfragen [Hans Seigewasser], Vorlage an das Politbüro des Zentralkomitees. Betrifft: Maßnahmen hinsichtlich der Tausend-Jahr-Feiern aus Anlaß der Gründung des Bistums Meißen bzw. des Erzbistums Magdeburg, 15.2.1968 [SAMPO-BArch, DY 30/J IV 2 / 2 А / 1281], S. 1).

Eine staatliche „Empfehlung"

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- eigentlich katholischen - Jubiläums einen „Landeskirchentag mit etwa 6000 Teilnehmern in Dresden und Meißen" vorbereite. - Außerdem stellten die Bistumsgründungen gar keinen Anlaß zum Feiern dar. Denn: „Die mit der Gründung der beiden Bistümer verstärkt einsetzende Christianisierung war Teil der auf Gewalt, Unterwerfung und Ausbeutung beruhenden Ostexpansion der katholischen Kirche und der weltlichen Feudalkräfte."140 Noch auf der Sitzung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe am 8. Dezember 1967 in Dresden war erwartet worden, daß die Parteiführung den Beschluß in der ersten Januarhälfte verabschieden werde, bei der nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe, die für den 17. Januar vorgesehen war, somit bereits auf der Grundlage dieses Beschlusses gearbeitet und weitere Schlußfolgerungen gezogen werden könnten.141 Aus nicht näher genannten Gründen142 verzögerte sich jedoch die Entscheidung des Politbüros, so daß auf der Sitzung der Arbeitsgruppe am 17. Januar 1968 konkrete Maßnahmen noch nicht festgelegt werden konnten. Dafür wurde auf der Grundlage des zu erwartenden Beschlusses der Parteiführung noch einmal die durchzusetzende Grundposition skizziert: „Zur Aufgabe der Arbeitsgruppe - Bonner Ostkonzeption darf nicht wirksam werden - ist der Kirchenleitung klar zu machen - 6.-8. September 1968 Deutscher Katholikentag in Essen. Gesamtdeutsche Konzeption muß zerschlagen werden. - 1000-Jahrfeier darf nur im innerkirchlichen Rahmen stattfinden. - Die Feiern werden durch die zuständigen staadichen Organe politisch abgesichert (ζ. B. Reiseverkehr u. a. Maßnahmen). - Soweit es möglich ist, ist eine interkonfessionelle Zusammenarbeit weitgehendst zu verhindern. - Es ist einzuwirken, daß die Dimensionen der Veranstaltungen so klein wie möglich gehalten werden. - Das Faltblatt des Bistums Meißen zeigt ihre Geschichtskonzeption, es ist analog des Inhalts des Briefwechsels mit dem polnischen Episkopat zu sehen.

140

А. а. O., S. 3. AG Kathol. Kirche (H. Hartwig), Bericht zur Dienstreise vom 8. Dez. 67 im Bezirk Dresden. Sitzung der Arbeitsgruppe zur 1000 Jahrfeier, 21.12.1967 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727). 142 Im Protokoll der Arbeitsgruppe „1000-Jahrfeier des Bistums Meißen" am 17.Januar 1968 ist lediglich festgehalten, daß Dr. Hüttner von der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen dargelegt habe, daß „der Beschluß über Maßnahmen der massenpolitischen Arbeit im Zusammenhang mit den Maßnahmen der 1000-Jahrfeier des Bistums Meißen . . . vom Politbüro noch nicht verabschiedet" worden sei (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Reintzsch], Niederschrift über die Tagung der AG „1000-Jahrfeier des Bistums Meißen" am 17.1.1968, 20.1.1968 [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 283-286]). 141

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D e r s ä c h s i s c h e „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1 9 6 8 " in D r e s d e n und M e i ß e n

- D e r k a t h o l i s c h e B e s i t z b e r u h t auf d e m B e s i t z d e r f e u d a l e n Zeit ( O s t e x p a n s i o n ) . - Sie sind unkritisch z u ihrem V e r h a l t e n in d e r G e s c h i c h t e ( a u c h F a s c h i s m u s ) . " I 4 >

Das Schwergewicht der Beratung lag ansonsten bei den zu erwartenden Aktivitäten der katholischen Kirche.144 Veranstaltungen der evangelischen Kirche wurden nur am Rande erwähnt,145 der für Mai geplante und nach staadicher Ansicht inzwischen abgesagte sächsische Landeskirchentag kam expressis verbis überhaupt nicht zur Sprache. Möglicherweise wurde bereits auf dieser Sitzung von Hüttner angedeutet, daß der Politbürobeschluß nicht in allen Punkten den erwarteten Inhalt haben werde.144 In Vorbereitung des Beschlusses wurde die dazugehörige Vorlage dann auch noch einmal erheblich verändert Insbesondere wurden alle Punkte, die die Durchführung massenwirksamer Gegenveranstaltungen betrafen, ersatzlos gestrichen, so daß als Maßnahmen lediglich die Minimierung der kirchlichen Veranstaltungen sowie die Bildung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe übrigblieben. Eine Begründung für diese Reduzierung ist nicht aktenkundig.147 Am 27. Februar 1968 lag der Beschlußentwurf zur Frage der BistumsJubiläen dem Politbüro endlich zur Beschlußfassung vor, erfuhr jedoch im Zusammenhang damit eine nochmalige Veränderung. Punkt 1 der Vorlage, der die Minimierung der Veranstaltungen zum Inhalt hatte, wurde - aus aktuellem Anlaß - durch weitere Festlegungen zur Einreise ausländischer Gäste ergänzt: „ D i e kirchlichen Feiern sind im örtlichen R a h m e n d u r c h z u f ü h r e n und k ö n n e n in d e r R e g e l nur in k i r c h e n e i g e n e n R ä u m e n d u r c h g e f ü h r t w e r d e n . D i e Kirchenleitungen tragen die V e r a n t w o r t u n g d a f ü r , d a ß d e r kirchliche C h a r a k t e r d e r Vera n s t a l t u n g e n g e w a h r t wird. In U b e r e i n s t i m m u n g mit den W ü n s c h e n d e r staatlichen O r g a n e d e r V R P o l e n , d e r C S S R und d e r U n g a r i s c h e n V o l k s r e p u b l i k wird d e r T e i l n a h m e von G ä s t e n Ebd. Mit dem Schwerpunkt auf Meißen (Bischof Spülbeck); der Sekretär der SED-Bezirksleitung Magdeburg Salzmann erklärte laut Protokoll, daß ihm von katholischer Seite mitgeteilt worden sei: „Mit uns werden sie nicht solche Schwierigkeiten bekommen wie mit Bischof Spülbeck. Die Feiern sind nur im innerkirchlichen Raum geplant" ( a . a . O . , S. 3). 145 Kritikpunkt war ein ebenfalls für 1968 geplanter Sorbischer Kirchentag, wobei sich die Kritik vor allem an der Person des federführenden Superintendenten entzündete. 144 Auf den nachher aufgrund des Politbürobeschlusses tatsächlich eingetretenen Kompetenzverlust der Arbeitsgruppe könnte die Bemerkung Hüttners hinweisen, daß die Arbeitsgruppe lediglich die „Taktik" abstimmen solle, ohne die „Eigenständigkeit der Räte der Bezirke" aufzuheben ( a . a . O . , S. 1). 147 Möglicherweise war das Zentralkomitee der Ansicht, daß besondere Veranstaltungen sowie eine Orientierung ohnehin stattfindender Veranstaltungen an den Bistumsjubiläen die Aufmerksamkeit überhaupt erst auf die kirchlichen Veranstaltungen und ihren Anlaß lenken würden. 141 144

Eine staatliche „Empfehlung"

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aus diesen Ländern nicht stattgegeben. Die Teilnahme von westdeutschen Kirchenvertretern hat zu unterbleiben. Uber die Einreise anderer ausländischer Gäste ist von Fall zu Fall zu entscheiden."148 Als Folge der festgelegten Begrenzung der kirchlichen Veranstaltungen auf den „örtlichen Rahmen" sowie des Verzichts auf besondere Gegenveranstaltungen erfuhr auch die Arbeitsgruppe, die „zur Koordinierung der staatlichen Maßnahmen und zur Regelung aller Fragen, die sich mit den kirchlichen Jubiläumsveranstaltungen ergeben", gebildet werden sollte, eine deutliche Reduzierung - sowohl hinsichtlich der dort vertretenen Regionen wie auch der beteiligten Ressorts. Von den ursprünglich vertretenen Bezirken (jeweils Rat des Bezirkes und SEDBezirksleitung) Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Cottbus und Magdeburg blieben lediglich die jeweiligen Kernbezirke der beiden Jubiläen Dresden und Magdeburg übrig. Von den vorgesehenen Ressorts entfielen das Ministerium für Kultur149 sowie der Zentralrat der FDJ. Damit hatte die Arbeitsgruppe neben dem Vorsitzenden des Stellvertreters für Inneres beim Rat des Bezirkes Dresden, der die Arbeitsgruppe auch in ihrer neuen Zusammensetzung leiten sollte, folgende Mitglieder: der Leiter des Arbeitsgebietes Katholische Kirche in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, ein Vertreter des Ministeriums des Innern, des Hauptvorstandes der CDU 150 und der DOMOWINA sowie jeweils ein Vertreter des Rates des Bezirkes und der SED-Bezirksleitung aus den Bezirken Dresden und Magdeburg. Die Beteiligung eines Mitglieds der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED war, obwohl Dr. Hüttner auch weiterhin „beratend" teilnahm, weder in der Vorlage noch im Beschluß vorgesehen. Angesichts der damit notwendigen Neukonstituierung der Arbeitsgruppe fand die ursprünglich für den 6. März 1968 vorgesehene Sitzung nicht statt, sondern wurde auf den 21. März verschoben. Auf ihr erläuterte Dr. Hüttner den Politbürobeschluß, insbesondere den sich daraus ergebenden verminderten Zuständigkeitsbereich: „Gen. Dr. Hüttner erläuterte den Pb-Beschluß, in dem festgehalten ist, daß zentrale Veranstaltungen seitens der FDJ, der DOMOWINA und andere nicht mehr in der Verantwortung der Kommission zur lOOOJahrfeier liegen. Das ge-

"· Politbüro des Zentralkomitees der SED, Protokoll Nr. 8/68 der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees am 27. Februar 1968, Anlage Nr. 3 zum Protokoll Nr. 8/68 vom 27.2.1968 (SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2 / 2 / 1 1 5 7 , Bl. 17-18). 149 Der ursprünglich für die Beratung der Politbürovorlage ebenfalls hinzuzuziehende Vertreter des Kulturministeriums wurde zur Politbürositzung gar nicht erst eingeladen, sondern lediglich Staatssekretär Seigewasser und Rudolf Bellmann von der Arbeitsgruppe Kirchenfragen des ZK (vgl. a.a.O., S. 1). lso Es ist unklar, ob der Hauptvorstand tatsächlich einen Vertreter in die Arbeitsgruppe entsandte. In den erhaltenen Protokollen (insbesondere in dem der konstituierenden Sitzung) ist kein Vertreter der C D U unter den Anwesenden genannt.

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

plante internationale Historiker-Symposium wird nicht durchgeführt. In der Regel sollen die kirchlichen Veranstaltungen zur 10OOJahrfeier in kirchlichen Räumen durchgeführt werden. Einreisen von Gästen aus sozialistischen Staaten und aus Westdeutschland sind generell nicht möglich. Entsprechend dem reduzierten Aufgabenbereich war die Arbeitsgruppe zumindest für den sächsischen Landeskirchentag - kaum von Bedeutung. Entscheidungsbefugnisse fehlten ihr ohnehin. Im Zeitraum bis zur Durchführung des Landeskirchentages sind zwei Sitzungen belegt (24. April und 8. Mai). Auf der Sitzung vom 8. Mai wurde unter anderem deudich, daß diese Arbeitsgruppe keineswegs - wie es eigendich gedacht war für ein abgestimmtes Vorgehen der einzelnen Ressorts zu sorgen in der Lage war, sondern daß ediches von den zuständigen Fachgremien ohne Information oder Rückfrage bei dieser Arbeitsgruppe entschieden wurde. Ein weiterer Rückschlag für das innerstaadiche Prestige dieser Arbeitsgruppe mag es gewesen sein, daß der Stellvertreter für Inneres, der mit ihrer Leitung beauftragt worden war, aufgrund gewisser Vorfälle kurzfristig von seiner Funktion beurlaubt werden mußte. 152 Auch der Politbürobeschluß selbst blieb für den Landeskirchentag ohne wesentliche Konsequenzen. D a seine inzwischen veränderte Konzeption bewußt eine Durchführung „ohne staatliche Unterstützung" vorsah, waren die Möglichkeiten der Behörden, die im Politbürobeschluß geforderte Begrenzung auf den örtlichen Rahmen mit dem herkömmlichen Instrumentarium (Verweigerung organisatorisch-technischer Unterstützung) durchzusetzen, äußerst gering.

3.4. Konzeptionswechsel Bischof Noth und Präsident Johannes hatten für das Gespräch am 5. D e zember 1967 beim Rat des Bezirkes Dresden ihre Beteiligung am Kongreß „missio heute" in Berlin-Weißensee unterbrechen müssen. 153 Nach der U n 1S1 AG Kathol. Kirchc ( H . Hartwig), Bericht zur Dienstreise vom 21.3.68 - Beratung lOOOJahrfeier des Bistums Meißen, 22.3.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727). 142 Arbeitsgruppe Kirchenfragen (Dr. Eberhard H ü t t n e r ) , Information, 9.5.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 650). 143 Wahrscheinlich erhielten Bischof N o t h und Präsident J o h a n n e s die Einladungen zu diesem Gespräch frühestens am 2. D e z e m b e r (Sonnabend), möglicherweise jedoch auch erst am 4. D e z e m b e r (Montag), also lediglich einen T a g vorher (vgl. oben S. 151 f.). D a um dieses Gespräch ausdrücklich gebeten worden war, kam eine Absage, die in dieser Zeit ohnehin kaum geraten schien, nicht in Frage. „Denn in den 60er J a h r e n konnten derartige G e s p r ä c h s termine nicht einfach verlegt werden - in den 70er und 80er J a h r e n w a r das viel einfacher. Aber damals mußten wir zugreifen, wenn uns ein solcher Gesprächstermin angeboten wurde. Etwas anderes hätte sofort als A f f r o n t gegolten, und wir hätten fürchten müssen, d a ß d a n n

Konzeptionswechsel

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terredung in Dresden informierten sie den Vorsitzenden des sächsischen Kirchentagslandesausschusses, Johannes Cieslak, der mit anderen Vertretern der sächsischen Kirchentagsarbeit154 ebenfalls am Kongreß in Berlin teilnahm, telefonisch über das Ergebnis des stattgefundenen Gesprächs.155 Konkret bedeutete diese Nachricht, daß der Kirchentag nicht in der geplanten Größenordnung durchgeführt werden konnte. Auf der Suche nach Alternativen wurde bereits während des Kongresses156 der Gedanke geboren, anstelle des großen Landeskirchentages ebenfalls einen Delegiertenkongreß - ähnlich dem Kongreß „missio heute", jedoch als Laienkongreß157 - durchzuführen.

aus der Sache überhaupt nichts wird" (Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S.2). Welche Konsequenzen die Absage eines solchen Termins nach sich ziehen konnte, zeigte die im gleichen Jahr gegen den Greifswalder Bischof Krummacher geführte Kampagne, der einen ohne Alternativmöglichkeiten angebotenen Termin für ein Gespräch mit dem 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Rostock lediglich aufgrund anderweitiger Verpflichtungen nicht wahrgenommen hatte (vgl. oben S. 87 f., Anm. 339). 154 Neben Synodalpräsident Johannes Cieslak waren vom Landesausschuß Pfarrer Siegfried Bräuer und Diakon Herbert Dost, vom Vorbereitungskreis für den Landeskirchentag Pfarrer Dietrich Mendt und Frau Dorothea Krause anwesend. 155 So die Erinnerung von Siegfried Bräuer: „Ich sehe uns noch in Weißensee im Stephanus-Stift stehen. Es war draußen an der Tür zum Essenraum, ein paar rauchten. Wir Sachsen - v. Brück, Mendt, Cieslak und ich - standen zusammen, als Cieslak ans Telefon gerufen wurde. Es muß ein Anruf aus Dresden gewesen sein, in dem ihm bereits, bevor Johannes am Abend zurückkam, mitgeteilt wurde, was in Dresden passiert war. Jedenfalls kam Cieslak zurück und sagte mit leichter Erbitterung: In Dresden sei ein Gespräch mit dem Staat gewesen, bei dem dieser alle Mithilfe, alles Verständnis und alle Zustimmung zum Kirchentag abgelehnt hätte" (Niederschrift des Gespräches mit O K R i. R. Dr. Siegfried Bräuer am 21.5.1997 in Berlin zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S.2). 156 So insbesondere die Erinnerung von S. Bräuer (ebd.) und Hanna Kahl (Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 4). Eine Verbindung zwischen sächsischer Kongreßarbeit und dem Berliner Kongreß wird auch in der rückblickenden Darstellung von Otto Schröder hergestellt (vgl. O. SCHRÖDER/H.-D. PETER: Vertrauen wagen, S. 29). 157 Der Gedanke eines Laienkongresses war neu. Zwar hatte der D E K T bereits zehn Jahre zuvor (16.-20. April 1958) in Hamburg ebenfalls einen Kirchentagskongreß durchgeführt (siehe oben S. 8 f.). Dieser war jedoch im wesentlichen für die Träger der Kirchentagsarbeit selbst bestimmt gewesen und trug rein akademisches Gepräge, so daß im nachhinein das Fehlen der „Erlebnisqualität der Kirchentagsgemeinschaft" bemängelt werden konnte (H. SCHROETER: Kirchentag als vor-läufige Kirche, S. 238). Allerdings bot dieser Kongreß die Möglichkeit darauf hinzuweisen, daß die Kongreßarbeit durchaus in der Tradition des Deutschen Evangelischen Kirchentages stünde (so insbesondere Johannes Cieslak - vgl. z.B. Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz [Roch], Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 26.2.72, von 10-15 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, Johannes-Wüsten-Str. 21, 27.2.1972 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz], S. 3; auch Niederschrift des Gespräches mit Synodalpräsident i. R. Johannes Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S.1).

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Welche Überlegungen, Gespräche und Verständigungen es auf dem Berliner Kongreß selbst sowie in den Tagen danach gegeben haben mag, läßt sich im einzelnen nicht mehr rekonstruieren. Es scheint jedoch, als sei die staatliche Ablehnung von einigen nicht nur als Behinderung kirchlicher Arbeit, sondern auch als Chance begriffen worden. 158 Vor allem jene, die in Auseinandersetzung mit der Minderheitensituation der Kirche neue Wege in der Gemeindearbeit suchten, sahen hier eine weitere Gelegenheit, etwas von dem in Angriff zu nehmen, was sie für die Kirche der Zukunft als wichtig erkannt hatten. 159 Ein Laienkongreß bot nicht nur die Möglichkeit die von ihnen als wesentlich erkannte Einsicht in den umfassenden missio-Auftrag der Kirche auf einer breiteren Basis (als dies etwa auf der Friihjahrssynode 160 möglich gewesen war), 161 sondern auch mit jenen zu diskutieren, die als Christen in einer atheistischen Umwelt die besten Kenner der Situation „vor Ort" und die eigentlichen Missionare waren, die diesen Auftrag umzusetzen hatten. Auf einem solchen Kongreß erarbeitete Antworten hätten damit nicht nur den Charakter einer theoretischen Sachklärung gewonnen, sondern auch die Funktion einer - ebenfalls als notwendig erkannten und von den „Laien" eingeforderten - Zurüstung für ihren Zeugendienst in der realsozialistischen Gesellschaft Eine Reflexion der Herausforderungen wie auch die Suche nach Anworten und neuen Wegen konnte freilich nur im Dialog der Beteiligten geschehen, 162 wofür ein Kongreß mit der dort möglichen intensiven Arbeit in Gesprächsgruppen ebenfalls besonders geeignet schien. Bei derartigen Überlegungen, wie sie damals eine Rolle gespielt haben mögen, war freilich lediglich der konkrete Fall „Landeskirchentag 1968" im Blick, nicht jedoch eine über Jahrzehnte fortdauernde und auch heute noch existierende Kongreß arbeit. Diese Kongreßarbeit wurde - auch in den Folgejahren - nicht als neuer Arbeitszweig mit perspektivisch entwik-

148

S. Bräuer: . J e m a n d sagte: , M o m e n t , wieso sollen wir alles aufgeben? W o befinden wir uns d e n n hier? W i r befinden uns auf einem K o n g r e ß ! M a c h e n wir d o c h auch einen K o n g r e ß - mit Delegierungen, also mit fester und überschaubarer Teilnehmerzahl, und mit Arbeit in G r u p p e n . Ist es nicht sogar ein Geschenk, dieses V e r b o t u m z u m ü n z e n und das g a n z e auf eine A r b e i t s f o r m umzustellen, die es bisher n u r f ü r Experten gab?"* (ebd.). 15 ' In diesem Sinne vor allem Dietrich M e n d t (vgl. Niederschrift d e s G e s p r ä c h e s mit Superintendent i. R. Dietrich M e n d t am 5.11.1996 in Dresden zur K i r c h e n t a g s k o n g r e ß a r b e i t in Sachsen, S. 1 f.). Vgl. oben S. 111 f. 141 Ein K o n g r e ß in V e r b i n d u n g mit dem Meißen-Jubiläum „gab uns die Möglichkeit, nicht n u r progressive Leute zu versammeln, sondern auch herkömmliches Kirchentagspublikum a n z u s p r e c h e n " (Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich M e n d t am 5.11.1996 in D r e s d e n zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 1). ιω Vgl. auch das Ergebnis des „Arbeitskreises f ü r neue Formen d e s G e m e i n d e a u f b a u s " (siehe oben S. 110 f.).

Konzeptionswechsel

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kelter Konzeption bewußt geplant, sondern aus den aktuellen Herausforderungen entwickelt. Sie war ein „prozessuales Geschehen". „Die Kongreßarbeit ist nicht am ,grünen Tisch' entstanden. Wir haben uns nicht hingesetzt und gesagt: Jetzt machen wir Kongreßarbeit. So sieht unser Ziel aus, das ist unser Fernziel, und so und so machen wir das.' Sondern: Zuerst haben wir Aufgaben gesehen, die unserer Meinung nach dringend angepackt werden müßten, und haben dementsprechend angefangen, etwas zu tun. Auf diese Weise hat sich dann die Kongreßarbeit nach und nach entwickelt - von einem Schritt zum anderen und von einer Erkenntnis zur anderen. Was wir wollten, wußten wir natürlich, eine ausführliche Konzeption haben wir jedoch erst nach dem großen Kongreß 1978 zu Papier gebracht Die Entstehung der Kongreßarbeit war also ein Prozeß."163

Die Möglichkeit, die staatliche Ablehnung auch als Chance zu verstehen, hat vermutlich wesentlich dazu beigetragen, daß die Weigerung der Behörden, dem Kirchentag in irgendeiner Weise technisch-organisatorische Hilfestellung zu gewähren, kirchlicherseits widerspruchslos und ohne Versuche, eventuell noch eine Korrektur zu erreichen, akzeptiert wurde. Eine Chance durfte freilich auch nicht vertan werden, so daß eine völlige Absetzung des Kirchentagsvorhabens oder eine Begrenzung „auf Gemeindeebene" - wie das vom Rat des Bezirkes gefordert worden war - innerkirchlich zu keinem Zeitpunkt erwogen wurde. Auch auf der ersten „Krisensitzung" nach dem Ratsgespräch - einer Beratung zwischen Bischof Noth, Präsident Johannes, Synodalpräsident Cieslak und Oberlandeskirchenrat Lehmann am 12. Dezember 1967 - stand die Kirchentagsveranstaltung als solche nicht zur Disposition. Zwar wurde festgestellt, daß durch die Erklärung des Ratsvorsitzenden eine „neue Lage" entstanden sei, gleichzeitig waren sich jedoch die Beteiligten „darüber einig, dass der Landeskirchentag nicht einfach abgesagt werden" könne.164 Die staatliche Aussage, daß man einen Landeskirchentag nicht „hinnehmen" werde, spielte in der Beratung keine Rolle. Die Überlegungen konzentrierten sich vielmehr auf jene Aspekte des ursprünglichen Kirchentagsvorhabens, die ohne staatliche Unterstützung nicht mehr realisierbar waren. Im einzelnen waren das:

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Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 1; ebenso S. Bräuer: „Es ist . . . keineswegs von Anfang an daran gedacht worden, mit dem Kongreß einen neuen Arbeitszweig einzurichten. Das geschah vielmehr Schritt für Schritt" (Niederschrift des Gespräches mit Oberkirchenrat i. R. Dr. Siegfried Bräuer am 21.5.1997 in Berlin zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen,

S.4). 161 Lehmann, Niederschrift. Betr.: Landeskirchentag Mai 1968, 21.12.1967 (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2).

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

- die Nutzung nichtkirchlicher Räume oder öffentlicher Plätze, - die Verpflegung der Teilnehmer in Gaststätten sowie - die Bereitstellung von Übernachtungsmöglichkeiten. Der Vorschlag, auf den sich die Beteiligten schließlich einigten, verband jene Überlegungen, die bereits auf der Sitzung des Landesausschusses am 2. Dezember 1967 erwogen worden waren (Beschränkung des Teilnehmerkreises bei gleichzeitiger Nutzung der eigenen technisch-organisatorischen Möglichkeiten), mit dem in Berlin geborenen Gedanken eines Delegiertenkongresses. Dabei entstand im Ergebnis aus dem einen Landeskirchentag eine Abfolge von drei Veranstaltungen, die zwar zum Teil räumlich und zeitlich ineinander übergingen, jedoch jeweils ihren eigenen Charakter trugen.165 Der eigentliche Kirchentag wurde wegen der fehlenden Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten auf den Sonntag begrenzt Hinsichtlich der dafür benötigten Räumlichkeiten wurde konstatiert, daß in Dresden „viele grosse Kirchen vorhanden" seien, man in dieser Hinsicht also nicht auf die verweigerte staatliche Unterstützung angewiesen wäre. Gesichert waren damit freilich lediglich die Gottesdienste am Vormittag sowie Einzelveranstaltungen am Nachmittag. Ungeklärt blieb dagegen, ob es eine gemeinsame Abschlußveranstaltung geben könne. Am Freitag und Sonnabend - diese Tage waren bereits im ursprünglichen Entwurf für die thematische Arbeit vorgesehen (Arbeitsgruppen, Vorlesungen, Gemeindevorträge) - sollte ein Kongreß mit ca. 1000 Delegierten stattfinden. Diese begrenzte Zahl von Teilnehmern sei einerseits auch ohne staatliche Unterstützung zu bewältigen, andererseits sollten gezielte Einladungen eine möglichst intensive und fruchtbringende Arbeit dieser Delegierten gewährleisten. An die Stelle der staatlicherseits verwehrten Quantität trat damit das Bestreben nach Qualität und Intensität. „Für Freitag, den 24.5., und Sonnabend, den 25.5.1968, empfiehlt sich ein Kongreß, für den 1000 Leute vorgesehen werden. Für sie ist Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeit bei Gemeindegliedern vorzusehen. Für die Arbeitsweise empfiehlt sich als Modell der Kongreß ,missio heute', der Anfang D e z e m b e r 1967 in Berlin stattgefunden hat, und die Tagung mit Pfarrern und Laien, die von dem Arbeitskreis , N e u e Formen im missionarischen Gemeindeaufbau' im Advent 1965 in Dresden gehalten wurde. . . . Für diesen Kongreß sollen gezielte, also nicht öffentliche Einladungen ergehen, besonders an jüngere interessierte Leute, von deren Teilnahme man sich gute Auswirkungen auf das Leben in ihren Gemeinden versprechen kann. Es können ein paar Pfarrer dabei sein, die grosse Mehrzahl aber sollen echte Laien bilden." lw> 165 Vgl. dazu Herbert Gehre, Protokoll über die Sitzung des Arbeitskreises „Landeskirchentag 1968" am 28. Dez. 1968 in Dresden-N. 6, Dr.-Conert-Str. 8, 28.12.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968). 166 А. а. O. - Das war ein deutlicher Unterschied zu dem, was im Landesausschuß am

Konzeptionswechsel

169

Im wesentlichen unverändert sollten dagegen die Tausendjahrfeier am Himmelfahrtstag in Meißen sowie einige Einzelveranstaltungen durchgeführt werden, die nicht an den äußeren Rahmen eines großen Landeskirchentages gebunden waren. 167 Nach diesem Gespräch im Landeskirchenamt rief Präsident Cieslak noch am gleichen Tage - die Mitglieder des Vorbereitenden Ausschusses, „nachdem sich Schwierigkeiten ergeben" hätten, „die die Durchführung des Landeskirchentages in der vorgesehenen Form unmöglich" machten, zu einem „äußerst wichtigen Gespräch für Donnerstag, den 28. Dezember 1967" zusammen. 168 Auf dieser Sitzung berichtete Cieslak noch einmal über das Gespräch vom 5. Dezember beim Rat des Bezirkes und stellte das mit dem Landeskirchenamt abgestimmte Konzept vor, an dem zumindest einige Mitglieder des Ausschusses bereits vorbereitend mitgewirkt hatten. Nach „langer Diskussion" 169 - wie es im Protokoll hieß - stimmte der Ausschuß dem neuen Konzept einmütig zu und traf entsprechende Festlegungen. Die Zahl der Delegierten für den Kongreß wurde auf 1000 festgesetzt 170 (je Arbeitsgruppe 250). Die einzelnen Tagungszentren sollten in Dresden bleiben und Platz für 5 Gesprächsgruppen zu jeweils 50 Teilnehmern bieten und - was angesichts der staatlichen Weigerung wichtig war - auch die Verpflegung dieser 250 Personen übernehmen können. Gestrichen wurden die Gemeindevorträge und Vorlesungen des Nachmittags. Lediglich die Referate und Korreferate in den Arbeitsgruppen blieben unter Beschränkung auf den Sonnabend bestehen. Für den Freitag wurde am Vormittag ein gemeinsamer Anfang vorgesehen. Die Arbeit in den einzelnen Tagungs-

2. Dezember angedacht worden war. Dort war ausdrücklich festgehalten worden, daß die Kontingentierung der Teilnehmer pro Ephorie nicht auf die kirchlichen Mitarbeiter zutreffe (L.A. - Kirchentag, 2.12.1967 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968], S.4). 167 Die Aufführung der H-Moll-Messe (Kreuzchor) und des Meißner Tedeums sowie die evangelisch-katholische Begegnungsveranstaltung mit Bischof Noth und Bischof Spülbeck (Lehmann, Niederschrift. Betr.: Landeskirchentag Mai 1968, 21.12.1967 [Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2]). 168 Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 (Joh. Cieslak), Liebe Schwestern, liebe Brüder!, 12.12.1967 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968). 169 Bei dieser Diskussion wurde ebenfalls deutlich gemacht, daß der staatliche Wunsch auf Absetzung nicht akzeptiert werden könne. In den handschriftlichen Notizen zum Diskussionsverlauf ist ein Diskussionsbeitrag von Alfred Stühmeier mit den Worten wiedergegeben: „Dem Staat zeigen: Wir tun's!" ([handschriftliches Protokoll], 28.12.1967 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968], S. 1). 170 Von einigen (Hanna Kahl, Dorothea Krause) wurde diese Zahl allerdings - wohl wegen der sich daraus ergebenden Größe der Gesprächsgruppen von 50 Personen - als zu hoch angesehen (vgl. die handschriftlichen Notizen zum Gesprächsverlauf [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968]).

170

D e r sächsische „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" in D r e s d e n u n d M e i ß e n

Zentren begann dementsprechend erst am Nachmittag, um dann am Sonnabend ganztägig fortgeführt zu werden. Der Gefahr, daß nach solcher rigorosen Kürzung lediglich ein kümmerlicher Kirchentagstorso übrigbleiben könnte, wurde dadurch begegnet, daß Kongreß und Kirchentagssonntag unter ein einziges übergreifendes Thema gestellt wurden, das in den Arbeitsgruppen des Kongresses unter ihrem jeweils besonderen Aspekt (Kirche, Bibel, Mensch, Gesellschaft) entfaltet werden wie auch in den Kirchentagsveranstaltungen zur Sprache kommen sollte. Als Gesamtthema vorgeschlagen wurde: „Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen". Das Grundsatzreferat dazu - als Veranstaltung für alle Arbeitsgruppen - sollte Dr. Werner Krusche, Referent auf der Frühjahrssynode zum Missionsauftrag der Kirche und Referent auf dem Kongreß „missio heute", übernehmen. 171 Johannes Cieslak im Rückblick: „Nachdem die Entscheidung zugunsten eines Kongresses feststand, ging es im Landesausschuß als erstes ums Thema. Dabei kam schnell die Zukunft der Kirche in den Blick, und wir waren der Meinung, daß sich von daher ein rein binnenkirchliches Thema verbiete. Vielmehr sei es unsere Aufgabe, das Evangelium an andere weiterzugeben. Wir entschieden uns deshalb für das Thema .Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen'. . . . Hinter dem Thema stand im Grunde der Wunsch nach einer neuen, einer erneuerten Kirche. Wir wollten nicht eine Kirche, die bloß binnenkirchlich arbeitet und dabei lediglich wiederholt, was schon seit Jahrzehnten und Jahrhunderten gesagt worden war, sondern eine Kirche, die die lutherischen Ansätze in die Gegenwart übersetzt"172 Am 5. Januar 1968 traf sich der Vorbereitende Ausschuß erneut, um das modifizierte Programm im einzelnen festzulegen und eine entsprechende Vorlage für die Sitzung des Haupt-Ausschusses des Kirchentages am 17. Januar zu erarbeiten. Die Vorlage enthielt den neuen zeitlichen Ablauf, die modifizierten Themen der Vorträge in den Arbeitsgruppen sowie die Festlegung der jeweiligen Arbeitsgruppenleiter. Während am Freitag das Grundsatzreferat von Werner Krusche „Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen" im Mittelpunkt stand (auch der Gruppenarbeit am Nachmittag), blieb für den Sonnabend die ursprünglich geplante Struktur im großen und ganzen erhalten (wobei in der Numerierung AG 1 und AG 2 vertauscht wurden). 173

171 Im ursprünglichen Konzept für den Landeskirchen tag war Krusche lediglich ein Referent neben vielen anderen gewesen. 172 Niederschrift des Gespräches mit Synodalpräsident i. R. Johannes Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 1 f. 171 Vgl. Programm für den Landeskirchentag 1968 „1000 Jahre Meißner Dom". 23.-26. Mai 1968 in Meißen und Dresden,Januar 1968 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968).

Konzeptionswechsel

171

Freitag, 24. Mai 1968 Arbeitsform

Arbeitsgruppe I „Bibel"

Hauptreferat

„Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen", Dr. W. Knuche

Gruppenarbeit Gruppenarbeit in Ge- zum Hauptreferat sprächsgnippen

Arbeitsgruppe II „Kirche"

Arbeitsgruppe III „Mensch"

Arbeitsgruppe IV „Gesellschaft"

Gruppenarbeit zum Hauptreferat

Gruppenarbeit zum Hauptreferat

Gruppenarbeit zum Hauptreferat

„Die Gemeinde Jesu Christi ab Antwort" 1. D. Mendt 2. Dr. E-A. Soa

„Der neue Mensch Gottes und das Bild des heutigen Menschen" 1. CA. Drummer 2. Dr. W. Tennen

„Unsere Welt morgen - Chance und Gefährdung" 1. Prof. Dr. E. Hoffmann 2. Dr. A. Sdtönherr

Gruppenarbeit zum Gruppen thema

Gruppenaibeit Gruppenarbeit zum Gruppenthema zum Gruppenthema

Sonnabend, 25. Mai 1968 Vortrüge in den Arbeitsgruppen

„Die Botschaft Gottes in der Sprache der Menschen" 1 .DT.]. Hamel 2. Dr. B. Grell

GruppenGruppen arbeit arbeit in Ge- zum Gruppen thema sprüchsgruppei1

Für die Teilnahme am Kongreß wurde die bereits erwähnte Kontingentierung vorgesehen und durch eine genaue Aufschlüsselung auf die einzelnen Ephorien präzisiert Der Sonntag sollte dagegen für alle offen sein, allerdings war auch hier im Interesse einer möglichst genauen Planung und Vorbereitung eine Anmeldung über die Superintendenturen notwendig. Nach dem Treffen des Vorbereitenden Ausschusses, allerdings noch vor der Sitzung des Haupt-Ausschusses beschäftigte sich die Kirchenleitung der sächsischen Landeskirche auf ihrer 19. Sitzung am 10. Januar 1968 mit der Angelegenheit des für 1968 vorgesehenen Kirchentages. Nach dem Vortrag von Präsident Cieslak wurde im Protokoll festgehalten: „Die Kirchenleitung nimmt zustimmend davon Kenntnis, daß kein Kirchentag im herkömmlichen Sinne stattfindet, sondern ein Kongreß mit 1000 Delegierten, die in vier Arbeitsgruppen zu je 250 Teilnehmern Einzelthemen behandeln sollen, deren endgültige Formulierung noch offen ist, sowie davon, daß es wünschenswert ist, wenn alle Landessynodalen mit delegiert werden."174

Das vorläufige Programm erhielt auf der Sitzung am 17. Januar 1968 die Zustimmung des Haupt-Ausschusses und wurde daraufhin - noch unter der Gesamtüberschrift „1000 Jahre Meißner Dom" - als innerkirchliche Information vervielfältigt. 17,1

Noth/Johannes/Loschke, Teilabschrift von KL 66.11, 19. Sitzung der Kirchenleitung am Mittwoch, d. 10. Januar 1968, 10 Uhr im Landeskirchenamt, 6. Landeskirchentag 1968, undatiert (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2).

172

Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen 3.5. Vorbereitung ohne staatliche „Unterstützung"

Innerhalb des Dresdner Staats- und Parteiapparates war anfangs angenommen worden, daß mit dem Gespräch zwischen Vertretern des Rates des Bezirkes und der sächsischen Kirchenleitung vom 5. Dezember 1967 die Kirchentagsangelegenheit im Sinne der staatlichen Seite geklärt worden sei. Auch „erste Informationen" der SED-Bezirksleitung „lagen in der Richtung, daß die Kirchenleitung auf die Durchführung des Kirchentages verzichtet".175 Um so überraschter reagierten die regionalen Behörden, als ihnen das auf der Sitzung des Haupt-Ausschusses vom 17. Januar 1968 gebilligte und daraufhin vervielfältigte Programm des Landeskirchentages 1968 „1000 Jahre Meißner Dom" zur Kenntnis gelangte. Ende Februar 1968 war ein Exemplar dieses Programms in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen vorhanden176 und wurde dort in der Dienstbesprechung am l.März behandelt, allerdings ohne daß dazu besondere Entscheidungen getroffen worden wären. Das Material sollte lediglich „an den Beauftragten der Dienststelle für die Arbeit im Raum der sächsischen Kirche, Koll. Wilke, und zur Auswertung im Arbeitsgebiet Evangelische Kirche" weitergegeben werden.177 Entsprechend trägt das Programm unter dem Datum des l.März den handschriftlichen Vermerk von Hauptabteilungsleiter Weise „erl.[edigt]". Drei Tage später wies dieser freilich an, das Programm als Wiedervorlage für eine Arbeitsberatung mit Horst Hartwig, dem Leiter des Arbeitsgebietes „Katholische Kirche", vorzusehen. Diese Beratung fand vermudich am 18. März statt, da ein weiterer Vermerk „erl." dieses Datum trägt. Am 19. März gab Weise das Programm - wie vorgesehen - an die Abteilung „Evgl. Kifrche]" weiter.178 Konsequenzen wurden aus der Tatsache, daß nun doch eine Kirchentagsveranstaltung vorbereitet würde, auf dieser Ebene - im Gegensatz zu den regionalen Behörden - anscheinend nicht gezogen. Anfang März war auch die SED-Bezirksleitung Dresden im Besitz des genannten Programms, das sie von dem Dresdner Pfarrer Walter " 5 Mitarbeiter des 1. Sekretärs, I n f o r m a t i o n , 6.3.1968 ( S H S t A , B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 231). - Bezirksleitung d e r S E D D r e s d e n , I n f o r m a t i o n ü b e r einige Aspekte der politischideologischen Arbeit d e r katholischen Kirche in Z u s a m m e n h a n g mit den Vorbereitungen der 1000-Jahr-Feier der G r ü n d u n g des Bistums M e i ß e n , 29.1.1968 (SHStA, BPA Dresden, IV В 5 / 0 1 / 2 7 4 ) , S. 13: „In diesen grundsätzlichen G e s p r ä c h c n w u r d e erreicht, d a ß die evangelische Landeskirche Sachsen, wie d u r c h einige I n f o r m a t i o n e n in E r f a h r u n g gebracht wurde, von einem Landeskirchentag absieht . . Die Quelle wird nicht erwähnt, so d a ß sich d a r ü b e r lediglich Vermutungen anstellen lassen (siehe unten Anm. 179). Persönlicher Referent (Rogowski), P r o t o k o l l Uber die Dienstbesprechung beim Staatssekretär am Freitag, den l . M ä r z 1968, 9.00 U h r , 21.3.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 400), S. 8 ( T O P 6). l7S Vgl. P r o g r a m m f ü r den Landeskirchentag 1968 „1000 J a h r e M e i ß n e r D o m " . 23.-25. Mai 1968 in Meißen und D r e s d e n , J a n u a r 1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595).

Vorbereitung ohne staatliche „Unterstützung"

173

Feurich179 erhalten hatte. Auf der Grundlage dieses Programms erarbeitete der Mitarbeiter des 1. Sekretärs der Bezirksleitung, Harry Engel, eine Information,180 in der er unter anderem konstatierte, daß es durchaus Veränderungen im Programm gegeben habe: Der Kirchentag finde nicht mehr unter der Leitung des Landesausschusses des Deutschen Evangelischen Kirchentages, sondern unter der eines Ausschusses des Landeskirchentages 1968 statt. Das Motto laute nicht mehr „1000 Jahre Bistum Meißen", sondern „1000 Jahre Meißner Dom", womit die Assoziation „1000 Jahre Christianisierung" beseitigt sei. Auf öffentliche Räume werde - auch in Meißen (Albrechtsburg) - verzichtet, die Zahl der Dauerteilnehmer sei auf 1000 reduziert. Dementsprechend gestand die Information zu, daß dieses veränderte Programm mit seiner Beschränkung auf kircheneigene Räume „dem Beschluß des Politbüros" in einem wesentlichen Punkt entspreche. Freilich wurde unmittelbar hinzugefügt: „Das trifft nicht zu auf die Festlegungen im örtlichen Rahmen."181 Die Hinweise im Programm - sowohl zum geplanten Kongreß wie auch für die Kirchentagsveranstaltung am Sonntag - ließen erkennen, daß keineswegs nur Teilnehmer aus Dresden, sondern aus der gesamten Landeskirche erwartet würden, der „örtliche Rahmen" also deutlich überschritten werde.182 Ein ausgefeilter Maßnahmekatalog, wie die kirchlichen Veranstaltungen des Jahres 1968 (im wesentlichen der sächsische Landeskirchentag, die Feierlichkeiten der katholischen Kirche zum Bistumsjubiläum sowie der Kirchentag in Görlitz) auf technisch-organisatorischem Wege eingegrenzt werden könnten, war bereits einen Tag zuvor, am 5. März, von der Abteilung Innere Angelegenheiten beim Rat des Bezirkes unterbreitet worden.183 Darin wurde ein konzertiertes Vorgehen der von den genannten Veranstaltungen betroffenen Bezirke Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt und Cottbus vorgeschlagen. Dieses gemeinsame Vorgehen sollte verhindern, daß - Bürger aus Westdeutschland eine Einreisegenehmigung für die Veranstaltungsorte erhalten,

ш Feurich hielt auch mit anderen staatlichen Dienststellen (vom MfS wurde er als IMF „Klemm" registriert [ R e g . - N r . X I I / 3 0 6 2 / 6 1 ] ) engen Kontakt, so daß nicht auszuschließen ist, daß das Exemplar des Programms in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen ebenfalls von ihm stammt. 180 Mitarbeiter des 1. Sekretärs, Information, 6.3.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 231). ш А. а. О. ш Möglicherweise enthielt diese Information, von der lediglich die erste Seite vorhanden ist, auch konkrete Vorschläge für ein staatliches Reagieren auf diese neue Situation. 183 Abt. Innere Angelegenheiten. Abteilungsleiter (Kirchhof), Vorschläge für Maßnahmen anläßlich kirchlicher Veranstaltungen im Jahr 1968, 5.3.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 26603, Bl. 119-121).

174

D e r sächsische „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1 9 6 8 " in Dresden und Meißen

- kirchliche Veranstaltungen in nichtkirchlichen Räumen (etwa Gaststätten) durchgeführt werden können, - der Kirche Autobusse für die Anreise von Gruppen zur Verfügung gestellt werden, - die Teilnehmer an den kirchlichen Veranstaltungen Übernachtungsmöglichkeiten in H O - oder KONSUM-Hotels erhalten, - Vorbestellungen von kirchlicher Seite für Mittag- oder Abendessen in H O - oder KONSUM-Gaststätten entgegengenommen werden und daß - Druckerzeugnisse, die für die betreffenden kirchlichen Veranstaltungen bestimmt sind oder in denen diese erwähnt werden, eine Druckgenehmigung erhalten. Zwar kam es wohl nicht zu einem abgestimmten Vorgehen der vier genannten Bezirke, im Bezirk Dresden wurden diese Maßnahmen jedoch ohne Verzögerung umgesetzt Nachdem vom Bezirk bereits Mitte März eine entsprechende Weisung an die Bereiche Inneres der Räte der Kreise gegangen war, 184 wies das Referat Kirchenfragen die Kirchenreferenten in den Kreisen unter dem Datum des 16. April ebenfalls noch einmal ausdrücklich auf die „einzuleitenden Maßnahmen im Zusammenhang der 1000-Jahrfeier der Gründung des Bistums Meißen und der Kirchentage" hin. Dabei wurden schrifdiche Berichte „über eingeleitete Maßnahmen" zur Pflicht gemacht, die „bis zum 23.4.1968" einzureichen waren.185 In der Anweisung, die nicht nur auf die Dringlichkeit, sondern auch auf die Vertraulichkeit186 der Angelegenheit hinwies, hieß es im einzelnen - entsprechend den von der Abteilung Inneres zusammengestellten Festlegungen: „ 1. M i t den Kraftverkehrsbetrieben und den Zweigstellen des Deutschen Reisebüros ist abzusichern, d a ß an diesen T a g e n der Kirche keine S o n d e r b u s s e zur Verf ü g u n g gestellt werden. Privatbusse müssen gegebenenfalls auch auf Kosten des sozialistischen Sektors an diesen T a g e n ausgelastet werden. 2. Abteilbestellungen bei der Deutschen Reichsbahn sind von der Kirche nicht entgegenzunehmen. 3. In allen Orten und der näheren U m g e b u n g , w o von seiten der Kirche Veranstaltungen geplant sind, muß über die H a n d e l s o r g a n e und Gaststättenleitungen geklärt werden, d a ß keine Verpflegung von Massenteilnehmern der Kirchentage erfolgt (auch V e r k a u f von Verpflegungsbeuteln). 4. Hotelzimmer-Bestellungen sind zurückzuweisen. 184

Mit besonderem Hinweis auf die notwendige Kontrolle kirchlicher Druckerzeugnisse.

Betr.: Einzuleitende Maßnahmen im Zusammenhang der 1000-Jahrfeier der Gründung des Bistums Meißen und der Kirchentage, 16.4.1968 ( S H S t A , B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 229-230). 186 „Alle diese Fragen sind als vertrauliche Dienstsache zu behandeln und können nicht auf dem schriftlichen Weg erledigt werden" ( a . a . O . , S. 2). Das heißt: Zwar war dem Rat des Bezirkes schriftlich zu berichten, die Verhandlungen mit den Kraftverkehrsbetrieben, der H O , dem K O N S U M usw. waren jedoch direkt zu führen. 185

Vorbereitung ohne staatliche „Unterstützung"

175

Sollten bereits von Seiten der Kirche Verträge abgeschlossen sein, so sind diese kurz vor dem Vertragsbeginn aufzukündigen."187

Angesichts dieser umfangreichen Aktivitäten wurden von der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe, die sich am 21. März in Dresden auf der Grundlage des Politbürobeschlusses vom 27. Februar neu konstituierte, lediglich zwei Zusatzmaßnahmen für notwendig gehalten. Zum einen sei „Uber das Ministerium für Kultur" Einfluß zu nehmen, um eine Mitwirkung staatlicher Klangkörper bei den kirchlichen Veranstaltungen zu verhindern. Zum anderen sollte mit Landesbischof Noth erneut ein Gespräch geführt werden, um ihm die begrenzten Möglichkeiten der Kirche bei der Durchführung einer Großveranstaltung ohne staatliche „Unterstützung" vor Augen zu führen und so „die Teilnahme möglichst auf Dresden zu begrenzen".188 Daß an dieser Stelle Handlungsbedarf bestand, wurde kurze Zeit später auch noch einmal aufgrund einer kurzen Notiz über den bevorstehenden Landeskirchentag in der kirchlichen Wochenzeitung „Potsdamer Kirche" deudich, die die Mitteilung enthielt, daß an dem Kongreß „namhafte Vertreter aus allen Landeskirchen in der DDR mitwirken" werden.189

Laut Konzeption für das Gespräch mit Bischof Noth sollte noch einmal die dringende Empfehlung gegeben werden, das „Vorhaben auf Gemeindeebene zu beschränken". Als Begründung sei auf die - staatlicherseits freilich erst angeordnete - schwierige Situation im technisch-organisatorischen Bereich zu verweisen. Ein Kirchentag würde „die staatlichen Organe der Stadt Dresden in Fragen der Versorgung in Gaststätten in eine schwierige Lage" bringen, da „an allen Wochenenden verstärkter Touristenverkehr aus der DDR und dem Ausland" zu verzeichnen sei. Außerdem würde der infolge des Kirchentages zu erwartende „zusätzliche Autoverkehr" eine „Gefährdung der Verkehrssicherheit" bedeuten. Auch auf die nicht unproblematische „Parksituation" in Dresden sollte hingewiesen werden.190 Das Gespräch, das der Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Peter, in Gegenwart des zeitweiligen Referatsleiters Kirchenfragen, Herbert Hammer, führte, fand am 18. April statt. Von kirchlicher Seite nahmen jedoch nicht - wie anfangs geplant - der Landesbischof, sondern der Präsident des Landeskirchenamtes, Dr. Johannes, und Oberkirchenrat

187 188

Ebd.

AG Kathol. Kirche (H. Hartwig), Bericht zur Dienstreise vom 21.3.68 - Beratung 1 OOOJahrfeier des Bistums Meißen, 22.3.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727), S.2. Potsdamer Kirche vom 7.4.1968. In der Akten der Dienststelle des Staatssekretärs befindet sich eine Abschrift dieser Meldung, die dort also zur Kenntnis genommen wurde (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727). 1,0 Landeskirchentag 23.-26. Mai 1968, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 235).

176

D e r s ä c h s i s c h e „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1 9 6 8 " in D r e s d e n u n d

Meißen

Gerhard Knauf teil. Peter wies im Laufe des Gesprächs entsprechend der Konzeption auf die angespannte Verkehrs- und Versorgungslage hin, um mehrmals zu betonen, daß - sollte die Kirche daran festhalten, „den Landeskirchentag im großen Maßstab durchzuführen" - „von staatlicher Seite der Durchführung keine Unterstützung gegeben werden" könne. Dieser Hinweis verfehlte freilich sein Ziel, da die kirchlichen Veranstalter seit dem Gespräch am 5. Dezember eine derartige Unterstützung ohnehin nicht mehr erwartet, sondern sich auf ihre eigenen Möglichkeiten konzentriert hatten. Präsident Johannes erklärte dementsprechend, daß es lediglich ein begrenzter Kirchentag sei - eben begrenzt durch die kirchlichen Möglichkeiten. „Die Thematik behandele rein kirchliche Fragen. Daß staatliche Unterstützung erwartet würde, sei nicht erwogen worden."191 Der stellvertretende Vorsitzende fragte daraufhin - in der Absicht, der kirchlichen Seite doch noch zu der Einsicht zu verhelfen, daß ihr Kirchentagsvorhaben ohne staatliche Unterstützung gar nicht durchführbar sei - noch einmal ausdrücklich nach: „... wie erfolgt die Versorgung der 1000 Delegierten in den 4 Beratungspunkten. Ist ihre Anfahrt auch verkehrsmäßig abgesichert"? Daraufhin Präsident Johannes: „ . . . die Verpflegung erfolgt in den Gemeindehäusern und alle anderen organisatorischen Fragen sind von uns geklärt."192 Die Rückmeldungen aus den Kreisen,193 die vom Referat Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes bis zum 23. April angefordert worden waren (meist jedoch erst Anfang Mai eintrafen), bestätigten diese Auskunft der kirchlichen Seite. Sie zeigten zum einen, daß die Kirche hinsichtlich des Kirchentages tatsächlich auf ihre eigenen Möglichkeiten zurückgriff (Quartierwerbung in den Gemeinden, Organisation eines Transportdienstes mit privaten PKWs u. ä.), zum anderen, daß die einzelnen Ressorts auch bereits von den ihnen direkt übergeordneten Dienststellen Weisung erhalten hatten, Aufträge kirchlicher Institutionen zurückzuweisen. S o m e l d e t e n alle K r e i s b e t r i e b e d e s K r a f t v e r k e h r s , d a ß k i r c h l i c h e r s e i t s k e i n e A n träge vorlägen und auch nicht a n g e n o m m e n würden. Lediglich eine Busbestellung w u r d e r e g i s t r i e r t u n d k o n n t e , d a e s s i c h u m e i n e private A u t o v e r m i e t u n g h a n d e l t e , nicht mehr rückgängig gemacht werden.194

1,1 Knauf, Niederschrift von der Besprechung beim Rat des Bezirkes Dresden, 18. April 1968, 8 Uhr, 22.4.1968 (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, Nr. 1018, Bd. 4). m Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Bericht über die Aussprache mit den Vertretern des Ev.-Luth. Landeskirchenamtes Sachsen am 18.4.1968, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 45079, Bl. 146-154), S. 4. 1,5 Rückmeldungen liegen vor aus den Kreisen Bautzen, Dresden-Stadt, Dresden-Land, Freital, Görlitz, Löbau, Meißen, Riesa, Zittau (sämdich in SHStA, B T / R d B Dresden, 41698). 1,4 Rat des Kreises Meißen. Abt. Innere Angelegenheiten (Staat), Aktennotiz, 20.5.1969 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698).

V o r b e r e i t u n g o h n e staatliche „ U n t e r s t ü t z u n g "

177

Wichtig war, da es sich um den Veranstaltungsort handelte, in diesem Z u s a m m e n h a n g der Bericht d e s Rates der Stadt D r e s d e n . J e d o c h waren auch hier keine Bestellungen irgendwelcher Art bekannt: „ . . . U b e r den Rat der Stadt, Abt. H a n d e l und Versorgung, G e n . Schmidt, konnte ermittelt w e r d e n , d a ß auch in den Versorgungsfragen keine Vorbereitungen auf den Landeskirchentag angelaufen sind. Gen. Staron, G H G Lebensmittel, und G e n . H e i n e , H O - L e b e n s m i t t e l , w e r d e n keine Verpflegungsbeutel bereitstellen. G e n . N ä t h e r , D i r e k t o r d e s Interhotels, und Gen. Schindler, Gaststätten und H o t e l b e t r i e b e , sorgen dafür, d a ß keine Bettenbestellungen erfolgen." 1 9 5

Dagegen zeigte die „Überprüfung der Kirchlichen Nachrichtenblätter", daß etliche Kirchgemeinden durchaus versucht hatten, in ihren Gemeindeinformationen auf den Kirchentag hinzuweisen oder sogar das Programm abzudrucken. In der Regel196 erhielten derartige Passagen keine D ruckgenehmigung. Nachdem die organisatorisch-technische Behinderung des Landeskirchentages damit im wesendichen als abgeschlossen gelten konnte, wurde auf der Sitzimg der staatlichen Koordinierungsgruppe am 24. April als nächste Aufgabe die Notwendigkeit festgehalten, »daß die Veranstaltungen zum Landeskirchentag inhaltlich noch besser aufgeklärt werden müssen, und daß gesichert werden muß, daß eine Kontrolle aller Veranstaltungen möglich wird, um am Ende eine exakte Bilanz ziehen zu können als Grundlage für eine weitere Aussprache bzw. die weitere Arbeit mit der Landeskirchenleitung Sachsen".197 Als ersten Schritt dazu erbat der Kirchenreferent beim Rat des Bezirkes am 3. Mai - unter Bezugnahme auf das Gespräch vom 18. April - vom Präsidenten des Landeskirchenamtes kurzfristig „nähere Angaben über den ,Landeskirchentag' (wieviel Teilnehmer, über die einzelnen Veranstaltungen der Arbeitsgruppen)". Als Grund gab er an, daß er diese Informationen für die Sitzung des Rates des Bezirkes am 7. Mai benötige.198 Präsident Johannes kam dieser Bitte mit Rat der Stadt Dresden (Lachmann), Betreff: Landeskirchentag der Evang. Kirche, 6.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698). „Lediglich im Nachrichtenblatt Arnsdorf/Dresden-Land für Monat Mai ist der Druckgenehmigung die Bemerkung ,26.5. Landeskirchentag in Dresden', in Freital-Hainsberg ,23.-26.5. Kirchenkongreß in Dresden' und ,26.5., 14.00 Uhr Gemeindetreffen in der Kreuzkirche Dresden', Wilsdruff/Freital ,26.5., 9.00 Uhr Predigtgottesdienst гиг 1000-Jahrfeier des Bistums Meißen (durch einen auswärtigen Pfarrer)', Possendorf/Freital (Nachrichtenblatt März) Ankündigung einer Busfahrt Anfang Juli nach Meißen ,968 Gründung des Bistums Meißen', Dresden/Priesnitz ,26.5. Abendandacht fällt aus wegen Landeskirchentag', durch mangelnde Sorgfalt entgangen" (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Betr.: Überprüfung der Kirchlichen Nachrichtenblätter im Zusammenhang mit dem Landeskirchentag in der Stadt Dresden, Dresden-Land und Freital, 25.4.1968 [SHStA, BT/RdB Dresden, 26604, Bl. 4-5]). 1,7 AG Kathol. Kirche (H. Hartwig), Dienstreise in den Bezirk Dresden am 24.4.68, 25.4.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727). m Aktennotiz, 3.5.68 (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2).

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

einem Schreiben an den Ratsvorsitzenden, das auf den 6. Mai datiert ist, nach. Darin skizzierte er die geplante Struktur der Kirchentagsveranstaltung, gab jedoch auch zu verstehen, daß diese Veranstaltung nunmehr nicht zuletzt durch das Versagen der staatlichen Unterstützung - eine rein innerkirchliche Angelegenheit sei. „Bei dem Gespräch am 5. Dezember 1967 hatte der Vorsitzende des Rates des Bezirkes dem Herrn Landesbischof D. Noth und mir hinsichdich des geplanten Landeskirchentages zum Ausdruck gebracht, daß die staadichen Stellen rieten, vom Landeskirchentag Abstand zu nehmen. Er brachte des weiteren zum Ausdruck, daß einem solchen Landeskirchentag keine staadiche Unterstützung gewährt werden könnte. Daraufhin hat das Kollegium im Landeskirchenamt in Verbindung mit den Verantwortlichen für den Kirchentag im Bereich der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen beschlossen, einen Landeskirchentag 1968 nicht in der vorgesehenen großen Form durchzuführen, sondern ihn so zu gestalten, daß er einen anderen Rahmen erhält Es ist nunmehr geplant, einen Kongreß durchzuführen, der vom 24. bis 26. Mai 1968 stattfinden soll, wobei der Sonntag Exaudi, also der 26. Mai 1968, dadurch einen erweiterten Rahmen erhalten soll, daß außer den Delegierten, die zum Kongreß aus den Gemeinden abgeordnet werden, weitere Gemeindeglieder aus dem Bereich der sächsischen Landeskirche teilnehmen können. Die Zahl der Teilnehmer ist dadurch begrenzt, daß die Veranstaltungen in kirchlichen Räumen bzw. in Kirchen stattfinden. . . . Abschließend sei gesagt, daß, wie Vorstehendes erkennen läßt, der Landeskirchentag 1968 in begrenzter Form durchgeführt wird, zumal ja auch durch die Versagung jeglicher staatlicher Unterstützung eine Bekanntgabe in der Öffentlichkeit unmöglich war."199 Völlig problemlos ließ sich die veränderte Konzeption für den Kirchentag allerdings nicht in die T a t umsetzen. Bereits getroffene Verabredungen mußten korrigiert, zum Teil sogar gelöst werden. Insbesondere die Referenten (für die Vorträge in den Arbeitsgruppen, die Gemeindevorträge und die geplanten Vorlesungen) hatten bis zum entscheidenden Gespräch am 5. Dezember 1967 bereits nahezu alle zugesagt. Infolge des Konzeptionswechsels mußten sie jetzt für ein verändertes Thema gewonnen bzw. schonend ausgeladen werden. In den diesbezüglichen Schreiben vom Februar 1968 wurde jeweils gleichlautend um Verständnis für die kurzfristig notwendig gewordene Änderung der Konzeption gebeten und erklärend hinzugefügt: „Die Gespräche mit den Behörden, die erst gegen Ende vorigen Jahres geführt werden konnten, ergaben leider keine Basis für das geplante große Vorhaben der Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsen (Dr. Johannes), An den 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Dresden, Herrn Peter, 6.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45079, Bl. 173-174).

Vorbereitung o h n e staatliche „Unterstützung"

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Landeskirche mit etwa 5000 Teilnehmern. So sah sich der Kreis der verantwortlichen Brüder und Schwestern genötigt, von diesem Plan abzusehen. In den letzten W o c h e n hat nun der Vorbereitungskreis einen neuen Plan erarbeitet, der eine gewisse Dreiteilung vorsieht: 1.) Feiern in M e i ß e n 2 3 . - 2 6 . Mai 2.) Arbeitstagung (,Kongreß') mit 1000 Delegierten aus der Landeskirche, Dresden 24. -26 . Mai

in

3.) Landeskirchentag in D r e s d e n und M e i ß e n mit freier Teilnahme." 2 0 0 A u c h d i e T e i l n e h m e r an d e m b e r e i t s M o n a t e z u v o r a u s g e s c h r i e b e n e n P l a katwettbewerb konnten nicht länger o h n e Nachricht gelassen werden. Ihnen w u r d e ein Zwischenbescheid zugesandt,

in d e m a l s G r u n d f ü r d i e

V e r z ö g e r u n g ebenfalls angegeben wurde, „ d a ß sich für das große Untern e h m e n d e s Landeskirchentages mit etwa 5 0 0 0 Teilnehmern leider keine t r a g b a r e B a s i s e r r e i c h e n ließ". V i e l d e u t l i c h e r als d i e V e r z ö g e r u n g bei d e r B e w e r t u n g d e r e i n g e s a n d t e n P l a k a t e d u r c h d i e Jury 2 0 1 m a c h t e s i c h f ü r d i e Teilnehmer des Plakatwettbewerbs

das Fehlen dieser „tragbaren

Basis"

a l l e r d i n g s d a r i n b e m e r k b a r , d a ß sie i h r e P l a k a t e m e h r o d e r w e n i g e r f ü r die S c h u b l a d e erstellt hatten. Z w a r w u r d e n drei P l a k a t e prämiert202 u n d g i n g e n d a m i t e b e n s o w i e drei weitere Entwürfe, die entsprechend

der

vorherigen A n k ü n d i g u n g angekauft w o r d e n waren, in den Besitz der sächs i s c h e n L a n d e s k i r c h e ü b e r , i h r e N u t z u n g als P l a k a t e f ü r d e n „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" w a r j e d o c h nicht möglich. D i e staatlichen Stellen versagten d e n m e i s t e n D r u c k e r z e u g n i s s e n , in d e n e n z u m K i r c h e n t a g e i n g e l a d e n o d e r in d e n e n e r a u c h n u r e r w ä h n t w u r d e , d i e n o t w e n d i g e D r u c k g e n e h m i g u n g . 2 0 3

200 Vgl. die einzelnen Schreiben in KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Referenten (neu). 201 Sie fand schließlich am 29. März 1968 statt. m D e r erste Preis ging an Matthias Klemm (Leipzig), der zweite an Gottfried Herrmann (Dresden), der dritte an Wilfried Lumpe (Radeberg) (Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 [Herbert Gehre], An die teilnehmenden Künstler des Plakat-Wettbewerbs für den Landeskirchentag 1968, 11.4.1968 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Plakatwettbewerb]). 205 Vgl. oben S. 174, 177. - Als Präsident Johannes auf dieses Problem beim Gespräch am 18. April im Rat des Bezirkes hinwies, vermerkte das staadiche Protokoll als Antwort des „Genossen Peter": „Wir haben in dieser Richtung an unsere Kreise nur Weisung gegeben, daß entsprechend der erhöhten Anforderung von Druckerzeugnissen allgemein eine Einschränkung erfolgt Inwieweit in den vorgebrachten Fällen eine Einschränkung notwendig ist, kann ich jetzt nicht entscheiden, da mir die Anträge nicht vorliegen. D a ß es in der Stadt Dresden zu Streichungen gekommen ist, liegt daran, daß einige Ihrer Herren, auch in anderen Kreisen des Bezirkes, die Aufforderung zur Teilnahme an dem Landeskirchentag sehr breit ausgebaut haben. Die Genehmigung von Druckerzeugnissen] ist darüber hinaus von der Tatsache aus zu sehen, daß wir nicht in der Lage sind, den K T staatlicherseits zu unterstützen. Diese Tatsache wurde Ihnen wiederholt mitgeteilt" (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Bericht über die Aussprache mit den Vertretern des Ev.-Luth. Landeskirchenamtes Sachsen am 18.4.1968 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45079, Bl. 146-154],

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D e r sächsische „ L a n d e s k i r c h e n t a g 1968" in D r e s d e n und M e i ß e n

Insbesondere Plakate hatten als Werbemittel keine Chance auf Genehmigung.204 Es war lediglich möglich, auf nicht genehmigungspflichtigem Wege einige Abzüge der Plakate (vermutlich Fotografien in Postkartengröße) für die Schaukastenarbeit zur Verfügung zu stellen.205 Linoldrucke fielen dagegen unter die Genehmigungspflicht und wurden - wie ein Beispiel aus Meißen zeigt - staatlicherseits eingezogen.206 Auch die rein technisch-organisatorische Bewältigung eines Kongresses mit 1000 Teilnehmern erwies sich ohne staatliche „Unterstützung" als schwierig, da weder Versorgungseinrichtungen (Gaststätten) in Anspruch genommen noch Waren, die offenkundig für den Kirchentag bestimmt waren, in größerem Umfang bestellt oder eingekauft werden konnten. Ähnliche Probleme ergaben sich bei der Quartierfrage. Da sämdiche gewerblich betriebenen Übernachtungseinrichtungen dem Kirchentag verschlossen blieben, mußten die Kongreßteilnehmer ausschließlich bei Gemeindegliedern untergebracht werden. Einen deutlichen Einblick in die

S. 4). Das wurde so deudich freilich nicht gesagt (der letzte Satz ist im Protokoll auch handschriftlich hinzugefügt), wie das kirchliche Protokoll zeigt: „Das Gespräch über den Kirchentag wird beendet mit dem Hinweis, daß das Landeskirchenamt mit keinerlei staatlicher Unterstützung zu rechnen hätte, wobei offen blieb, ob damit auch die Frage Druckgenehmigung eingeschlossen war" (Knauf, Auszug aus der Niederschrift von der Besprechung beim Rat des Bezirkes Dresden, 18. April 1968, 8.00 Uhr, undatiert [Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2]). 204 Ausnahmen bildeten Plakate für kirchenmusikalische Veranstaltungen (etwa des Dresdner Kreuzchores), für deren Genehmigung nicht die Kirchenreferate, sondern die Kulturabteilungen zuständig waren. 205 Vgl. u.a. Gehre, Herrn Gottfried Herrmann, 15.5.1968 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentags 1968: Plakatwettbewerb). m Für die Veranstaltung mit Manfred Schnelle am 26. Mai in der Meißner Frauenkirche waren mit Hilfe eines Linolschnitts Plakate angefertigt worden, von denen drei nicht nur in kirchlichen Räumen, sondern auch in Meißner Privatgeschäften aushingen. Diese wurden von der Abteilung Inneres beim Rat des Kreises unter Hinweis auf die fehlende Druckgenehmigung umgehend eingezogen (17. Mai). Noch am gleichen Tag wurde dem Pfarrer der Frauenkirche ultimativ die Forderung übermittelt, den Linolschnitt bis zum 20. Mai beim Rat des Kreises abzuliefern. Als dieser mitteilte, daß er zwar „sämtliche Linolabzüge eingezogen habe", den Linolschnitt jedoch nicht abliefern könne, da er nicht wisse, wo dieser sei, wurde das Ultimatum, das ursprünglich um 12.00 Uhr auslief, bis 15.00 Uhr verlängert. Sollte bis dahin der Linolschnitt nicht vorliegen, „so würden entsprechende Maßnahmen auf der Grundlage des § 6 der AO über das Genehmigungsverfahren für die Herstellung von Druck- und Vervielfältigungserzeugnissen vom 20.7.1959 eingeleitet" - was auf Androhung einer Geldstrafe hinauslief (vgl. Rat des Kreises Meißen. Abt. Innere Angelegenheiten [Staat], Aktennotiz, 20.5.1968 [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698] sowie SED-Kreisleitung Meißen. Parteiinformation, An die SED-Bezirksleitung Dresden. Abteilung Parteiorgane. Sektor Parteiinformation, Betrifft: Information über die Vorbereitung der kirchlichen Feiertage zum 1000-jährigen Bestehen des Bistums Meißen, 21.5.1968 [SHStA, BPA Dresden, IV В 4 / 1 0 / 108]).

Vorbereitung ohne staatliche „Unterstützung"

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Schwierigkeiten ermöglicht ein Brief Herbert Gehres an den Präsidenten des Landeskirchenamtes vom 10. April 1968: „Die Vorbereitungen für den Landeskirchentag sind nun soweit gediehen, daß auch ein Überblick über die technischen Möglichkeiten der Unterbringung und Versorgung der etwa 1000 Delegierten für den Kongreß des Landeskirchentages gegeben ist Dabei zeigt es sich, daß sowohl die Quartierfrage als auch die Versorgung mit Mittagessen nicht so einfach gelöst werden kann, wie wir am Anfang annahmen. Grundsatz war von vornherein, daß wir eine Selbstversorgung planen, um möglichen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen. Meine Erkundigungen in den Kirchgemeinden ergaben, daß nur in einem Falle, in der Auferstehungskirche, eine volle Verpflegung an Ort und Stelle möglich ist Dagegen müssen in den anderen drei Zentren, Martin-Luther-Kirche, Versöhnungskirche und Christuskirche mehrere Stellen (Kirchgemeinden) in Aktion treten, damit die Mittagsverpflegung gesichert wird. Dies bedeutet zweifellos ein Erschwernis, weil z. Z t nur geringe Transportgefäße zur Verfügung stehen. Diese Frage der Thermoskübel hoffen wir aber zu lösen, dagegen fehlen uns aber noch Küchen, die wenigstens Teilmengen der Mittagsverpflegung kochen und bereitstellen. Ich sehe mich genötigt, auch das Landeskirchenamt mit der vorhandenen Küche in diesen Versorgungsplan einzubeziehen. In den Gemeinden habe ich großes Entgegenkommen gefunden. Teilweise sind sie bereit zweimal zu kochen, um nur hier zu helfen, und darf deshalb auch vom Landeskirchenamt erwarten, daß diese Bereitschaft gegeben ist. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich diese .Forderung' stelle, aber ich sehe mich einfach dazu genötigt, da die Christuskirche, wie die anderen drei Gemeindezentren, mindestens 250 Portionen stellen muß und davon 100 selbst schaffen will. Dies bedeutet für die kleine vorhandene Teeküche schon einen riesigen Einsatz. Wenn das Landeskirchenamt ebenso 100 Portionen bereiten kann, hoffe ich, die weiteren 50 Portionen noch anderweitig unterbringen zu können."207 Vor allem die Bereitschaft der Dresdner Gemeinden, an dieser Stelle mitzuhelfen, trug dazu bei, daß die Probleme und Schwierigkeiten in der Vorbereitung vor allem des Kongresses mit seinen Dauerteünehmern bewältigt werden konnten. Nachdem bereits am 24. März in der in Sachsen erscheinenden kirchlichen Wochenzeitung „Der Sonntag" eine Information zur bevorstehenden Kirchentagsveranstaltung veröffentlicht worden war, 208 erging am 15. April seitens des Vorbereitungsausschusses noch einmal zusammen mit einem Programm für den Landeskirchentag am Sonntag (der Kongreß war ja eine geschlossene Veranstaltung) - eine ausdrückliche Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen (Herbert Gehre), An das Ev.-Luth. Landeskirchenamt, 10.4.1968 (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2) Am 15. Mai erhielt Gehre die Zusage des Landeskirchenamtes. 208 Dies war möglich, weil das Genehmigungsverfahren f ü r eine lizensierte Wochenzeitung, wie ζ. B. dem „Sonntag", anders ablief, als dies bei Kirchentagsmaterialien oder Gemeindeblättchen der Fall war. Sie benötigte keine vorherige Druckgenehmigung, sondern „lediglich" einen nachträgliche Freigabe durch das Presseamt

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und M e i ß e n

E i n l a d u n g an d i e E p h o r i e n d e r i m w e i t e r e n S i n n e a n g r e n z e n d e n

Gebiete

d e r s ä c h s i s c h e n L a n d e s k i r c h e . 2 0 9 A m 10. M a i s a n d t e d e r V o r b e r e i t u n g s k r e i s a n d i e L a n d e s a u s s c h ü s s e d e s D e u t s c h e n E v a n g e l i s c h e n K i r c h e n t a g e s in d e n anderen Landeskirchen eine Mitteilung über den bevorstehenden Kirchentag s o w i e eine Einladung dazu: „Es w ä r e uns eine g r o ß e Freude, w e n n Sie einen oder mehrere Vertreter Ihrer landeskirchlichen Arbeit nach D r e s d e n entsenden könnten, und wir uns dadurch der nachbarlichen V e r b u n d e n h e i t freuen dürften." 2 1 0 Zu erheblichen Auseinandersetzungen k a m es innerhalb des Staatsapparates einerseits, innerhalb d e r sächsischen Landeskirche andererseits s o w i e z w i schen beiden n o c h einmal im direkten Vorfeld der Kirchentagsveranstaltung. D a b e i g i n g es n i c h t m e h r u m d i e s e V e r a n s t a l t u n g als s o l c h e , s o n d e r n u m d i e d o r t g e p l a n t e A u f f ü h r u n g d e s „ M e i ß n e r Tedeums".

D e r Text dieses

kirchenmusikalischen W e r k e s stammte von Günter Grass, die Vertonung w a r v o n d e m westdeutschen K o m p o n i s t e n W o l f g a n g H u f s c h m i d t - eigens für das Meißen-Jubiläum - v o r g e n o m m e n worden. Dieses T e d e u m

sollte

a m 25. M a i in M e i ß e n u n t e r A n w e s e n h e i t des K o m p o n i s t e n uraufgeführt u n d e i n e n T a g s p ä t e r , a m K i r c h e n t a g s s o n n t a g , a u c h in D r e s d e n z u G e h ö r gebracht werden. D i e innerkirchliche w i e auch die innerstaadiche Kontroverse über die A u f f ü h r u n g dieses T e d e u m s b e g a n n e n etwa zeitgleich A n f a n g Mai 1968. D a kirchlicherseits mit einer ablehnenden H a l t u n g der regionalen Behörden in dieser Sache bereits gerechnet w o r d e n war, 2 1 1 waren die G e n e h m i g u n g e n s o w o h l für die Aufführung m Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968, „Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen", An die Kirchgemeinden der Ephorien Annaberg, Bautzen, Dippoldiswalde, Dresden-Stadt, Dresden-Land, Flöha, Freiberg, Kamenz, Karl-Marx-Stadt I, Karl-Marx-Stadt II, Löbau, Marienberg, Pirna und Zittau, 15.4.1968 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968). Nicht eingeladen wurden also die Ephorien des Bezirkes Leipzig sowie die entfernteren des Bezirkes Karl-Marx-Stadt Diese Einschränkung, die aus dem Landeskirchentag einen Bezirkskirchentag machte, war einerseits durch Beschränkung auf kircheneigene Räume, andererseits durch fehlende Transportmittel unabdingbar. 210 Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 (Herbert Gehre), An die Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages, 10.5.1968 (KKTArchiv Dresden, Kirchentag 1968: D E K T , Landeskirchentag 1968). Eine Reaktion darauf ist nur aus Görlitz belegt (Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz. Der Vorsitzende [Roch], An die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens, Betr.: Ihre Einladung zum Landeskirchentag, 17.5.1968 [KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71]). Vom dortigen Landesausschuß nahm dann Pfarrer Hans-Joachim Kohli am Kirchentag teil (vgl. Hans-Joachim Kohli, Herrn Landesjugendwart Herbert Gehre, 30.5.1968 [KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71]). 211 Als sich der Meißner Domkantor am 8. Februar 1968 beim Rat des Kreises Meißen unverbindlich nach der „Möglichkeit einer Einreise für den Komponisten des Meissner

Vorbereitung ohne staatliche „Unterstützung"

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des Tedeums wie auch für die Einreise des Komponisten beim Kulturministerium beantragt und von diesem auch genehmigt bzw. befürwortet worden. In diesem Zusammenhang erfolgte wohl auch die Erteilung einer Druckgenehmigung für 400 Plakate, auf denen die Uraufführung des Meißner Tedeums angekündigt wurde. Die in Dresden gebildete ressortübergreifende Arbeitsgruppe für die Bistums-Jubiläen hingegen, an die eigendich alle im Zusammenhang des Kirchentages gestellten Anträge weitergeleitet werden sollten, wurde an diesen Entscheidungen weder beteiligt noch über den Vorgang informiert. Sie erfuhr erst von der Aufführung des Tedeums, als Ende April vom Meißner Domkantor ein Antrag auf Druckgenehmigung für den kommentierten Text des Tedeums beim Rat des Kreises Meißen eingereicht wurde. Entsprechend den bestehenden Anweisungen leitete dieser den Antrag an die zentrale Arbeitsgruppe für die Bistums-Jubiläen weiter,212 die sich mit diesem Sachverhalt auf ihrer Sitzung am 8. Mai befaßte. Dabei mußte sie allerdings feststellen, daß die grundsätzlichen Genehmigungen ohne vorherige Rücksprache bereits erteilt worden waren. Im einzelnen wurde deudich, daß das Kulturministerium die Uraufführung des Tedeums, „ohne daß der Inhalt bekannt war", genehmigt und die Einreise des Komponisten befürwortet hatte.213 Auf diese Befürwortung hin hatte wiederum das Ministerium des Innern die Einreisegenehmigung für Hufschmidt erteilt Angesichts dessen verlangte die Arbeitsgruppe, „daß sofort eine Prüfung des Inhalts dieser Komposition vorgenommen wird, um im Falle eines provokatorischen Inhalts das Mdl zu veranlassen, die erteilte Einreisegenehmigung zurückzuziehen bzw. die Aufführung des Tedeum zu verhindern".214 Der Ärger der Arbeitsgruppe bestand wohl auch darin, daß durch mangelnde Abstimmung innerhalb des Staatsapparates eine weitere Möglichkeit, die Kirche unter Druck zu setzen, verschenkt worden war. Zufällig genau einen Tag zuvor (7. Mai) hatte sich das Kollegium des sächsischen Landeskirchenamtes unter anderem auch mit der Aufführung des Meißner Tedeums befaßt Grund waren erhebliche Bedenken gegen den Text, der einem traditionellen Hymnus einen „Kontra-Text" entgegensetzte, der den traditionellen Hymnus zumindest in Frage stellte.215 Auf dieser Kollegiumssitzung wurde deutTedeum" erkundigt hatte und dabei auch auf die Druckgenehmigungsfrage zu sprechen gekommen war, hatte dieser vom Kirchenreferenten des Kreises die Auskunft erhalten, „daß alle Belange, die die Jahrtausendfeier betr.[effen], ganz besonders aber Dinge der Druckgenehmigung auf Bezirksebene geregelt würden", wo ein „zentraler Ausschuß" gebildet worden sei. Diese Mitteilung veranlaßte den Domkantor unmittelbar zu besorgten Rückfragen bei den Präsidenten Johannes und Cieslak (Hochstift Meissen [Dr. Erich Schmidt], Betr.: „Tausendjahrfeier Meißner Dom", 8.2.1969 [Privatarchiv Cieslak]). 2,2 Vgl. Rat des Kreises Meißen. Stellv. d. Vors. f. Inneres (Just), Betr.: 1000-Jahrfeier Bistum Meißen (Vertrauliche Dienstsache, IA 8/68), 13.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 280-282), S.2. 213 Ebd. 214 Arbeitsgruppe Kirchenfragen (Dr. Eberhard Hüttner), Information, 9.5.1968 (BArch Berlin, StfK, DO 4, 650). 215 Dem Abschluß des traditionellen Textes: „Auf Dich hoffen wir, lieber Herr; in Schanden laß uns nimmermehr. AMEN", wurde gegenübergestellt: „Dich, Zweifel, will ich kettenrauchend rühmen. Dich, eingekellert und verlacht, Dich, ohne Paß, des Thomas standhaft Finger und Dich Vernunft, in deiner Ecke, die Eckensteherin Vernunft will ich laut rühmen.

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

lieh, daß die Bedenken gegen den Text allgemein geteilt wurden. Dementsprechend hielt das Kollegium fest: „Beschluß: a) Kenntnisnahme vom Text und Sachstand b) Mitteilung an das Hochstift Meißen über die erheblichen Bedenken, die gegen die Aufführung des Werkes bestehen. Die Entscheidung, ob die Aufführung in Meißen stattfinden soll, steht im Ermessen des Hochstiftes. c) Mitteilung an die Kirchentagsleitung, daß auf Grund der festgestellten erheblichen Bedenken gegen das Werk die Aufführung in der Dresdner Martin-Luther-Kirche unterbleiben muß." 216 Punkt b des Kollegiumsbeschlusses wurde einen Tag später durch Präsident Johannes in einem Schreiben an den Dechanten des Domstiftes, Prof. Franz Lau, umgesetzt. Darin teilte er mit: „Das Landeskirchenamt hat erst vor wenigen Tagen von dritter Seite den Text des ,Meißner Tedeum' vorgelegt bekommen. Wir haben uns mit den sich daraus ergebenden Fragen eingehend befaßt. Nach unserer Auffassung kann der Kontra-Text der hörenden Gemeinde nicht zugemutet werden. Auf unsere Veranlassung hat es Domkantor Dr. Schmidt übernommen, Sie, sehr verehrter Herr Professor, unverzüglich mit dem strittigen Text bekanntzumachen. Wenn das Domkapitel zu der Entschließung kommen sollte, dennoch an der f ü r den 25. Mai 1968 im Dom zu Meißen vorgesehenen Uraufführung festzuhalten, muß auch die Verantwortung für etwa sich ergebende Folgen vom Domkapitel allein getragen werden." 217 Wenige Tage später wurde auch Punkt с des Beschlusses verwirklicht. Präsident Johannes teilte dem Vorbereitenden Ausschuß am 10. Mai mit, daß die Aufführung des Tedeums am Kirchentagssonntag in Dresden unterbleiben müsse.218 Diese Weisung des Landeskirchenamtes wurde allerdings von dem formal selbständigen sächsischen Kirchentagslandesausschuß, der das Tedeum selbst als „situationsgerecht" und „zeitgemäß" einschätzte, 219 nicht akzeptiert, so daß sich das Kollegium - N E M A ! - gegen den Wind, will, - NE^MA! - ich laut rühmen gegen den Wind, will ich laut rühmen gegen den Wind. NEMA!" (Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968, Meissner Tedeum von Wolfgang Hufschmidt, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß, 1968-1970], S. 4). 216 Kollegialsitzung, Dienstag, d. 7. Mai 1968, Lfd. Nr. 49, Sachbetreff: Aufführung des „Meißner Tedeums" von Hufschmidt im Dom zu Meißen und in der Martin-Luther-Kirche zu Dresden am 25. bzw. 26. Mai 1968, undatiert (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2). 217 Dr. Johannes, An das Domkapitel Meißen, 8.5.1968 (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2). 218 Johannes, An den Vorbereitenden Ausschuß des Landeskirchentages, Betr.: Meißner Tedeum, 10.5.1968 (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2). 2 " Herbert Dost hatte das Tedeum am 9. August 1967 an Präsident Cieslak gesandt und kommentiert: „Grass schrieb einen wilden Kontrapunkt, doch halte ich ihn für situationsgerecht" (Superintendentur Leipzig-Stadt. Amt für Gemeindedienst [Herbert Dost], Deutscher Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Sachsen, 9.8.1967 [Privatarchiv Cieslak]). Cieslak antwortete: „Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß der Text von G. Grass eine zeitgemäße Aussage ist und ich kann mir gut vorstellen, daß die Aufführung des Tedeums eine großartige und notwendige Sache wird. Wir sollten es nicht nur in Meißen, sondern

Vorbereitung ohne staatliche „Unterstützung"

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am 13. Mai erneut mit dem Meißner Tedeum befassen mußte und in dieser Angelegenheit „Berichte zur Sache" von „Präsident Dr. Johannes, OKR Tolkmitt, LKMD Thomm und OKR Fuß" zur Kenntnis nahm. Obwohl das Landeskirchenamt „im Benehmen mit dem Herrn Landesbischof"220 die am „7.5.1968 festgestellten erheblichen Bedenken" aufrecht hielt, wurde es jetzt auch für Dresden den Veranstaltern anheimgestellt, das Tedeum aufführen zu lassen oder nicht Bei einer Aufführung dürfe diese allerdings „nur mit einem wirksam erläuternden Wort im Voraus geschehen".221 Damit war die Frage des Tedeums innerkirchlich geklärt. Der Landesausschuß entschied sich für eine Aufführung des Tedeums. Staadicherseits war die Frage des Tedeums dagegen keineswegs geklärt. Vielmehr führte die Befürchtung, daß der fehlende Informationsaustausch zwischen den zuständigen staatlichen Organen zu einer falschen Entscheidung geführt haben könnte, zu teilweise hektisch anmutenden Aktivitäten, die vor allem Domkantor Dr. Erich Schmidt zu spüren bekam. Angesichts des Protestes der zentralen Arbeitsgruppe wurde vom Ministerium für Kultur der ehemalige Leiter der Dresdner Hochschule für Musik, Prof. Karl Laux, mit der Anfertigung eines Gutachtens beauftragt. 222 Da das Kulturministerium jedoch nicht im Besitz des Textes war, mußte sich der Gutachter diesen selbst direkt bei Domkantor Schmidt erbitten, der ihm diesen auch nach einigem Hin und Her aushändigte. Wenig später, am 18. Mai, ließ auch noch die zentrale Arbeitsgruppe bei Schmidt per Kurier ein weiteres Exemplar des Textes zur eigenen Begutachtung abholen.223 Darüber hinaus wurde auch die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, dem vom Kulturministerium eine Kopie des inzwischen vorliegenden Textes zugeleitet worden war, um eine Stellungnahme gebeten. Diese fiel ablehnend aus: „Wir können unser Einverständnis zur Aufführung - nach eingehender kollektiver Beratung - nicht geben und zwar deswegen nicht

auch in Dresden zu Gehör bringen" ([Cieslak], Lieber Herbert Dost, 4.9.1967 [Privatarchiv Cieslak]). 220 Hinter diesem kurzen Hinweis auf Bischof Noth verbirgt sich mehr, als die knappe Protokollnotiz erkennen läßt. Nach der Erinnerung von Hanna Kahl war es gerade Bischof Noth, der sich für die Aufführung des Tedeums einsetzte, obwohl er die gleichen Bedenken hatte wie das Landeskirchenamt: „In diesem Zusammenhang hat sich . . . Bischof Noth als ein großartiger Bischof erwiesen, als ein guter Lutheraner mit einer großen Weite und einer väterlichen Art Er konnte ohne weiteres zulassen, daß andere - auch Jüngere - etwas gemacht haben, was er selbst vielleicht hätte anders machen wollen. Und so ist das Tedeum aufgeführt worden" (Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 5). 221 Kollegialsitzung, Dienstag, d. 13. Mai 1968, Sachbetreff: 1000 Jahre Meißen: Aufführung des Meißner Tedeums, undatiert (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2). 222 Vgl. SED-Kreisleitung. Parteiinformation, An die SED-Bezirksleitung Dresden. Abteilung Parteiorgane. Sektor Parteiinformation, Betrifft: Information Uber die Vorbereitung der kirchlichen Feiertage zum 1000-jährigen Bestehen des Bistums Meißen, 21.5.1968 (SHStA, В PA Dresden, IV В 4/10/108). 223 Vgl. u.a. Niederschrift über ein am 22. Mai 1968 geführtes Ferngespräch mit Herrn Kantor Dr. Erich Schmidt, Meißen, Betr.: Tedeum, 22.5.1968 (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2).

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

1. kirchenpolitisch kann die hier gewählte Form des .Gottesdienstes einmal anders' 224 nicht gebilligt werden, die mit diesem Tedeum praktiziert werden soll. 2. Eine ganze Reihe von Textstellen, insbesondere solche zu Beginn des Textteils ,Der Zweifel' müssen als Versuche der ideologischen Diversion gewertet werden. 3. Die gesamtinhaltliche Konzeption des Teils ,Der Zweifel' entspricht nach unserer Meinung der bereits im 11. Plenum des ZK der SED verurteilten Methode der Aufweichung der sozialistischen Ideologie."225 Als diese Einschätzung vom Stellvertreter des Staatssekretärs telefonisch an das MfK durchgegeben wurde, stellte sich allerdings heraus, daß die Angelegenheit bereits auf anderer Ebene entschieden worden sei. Nach Aussage des stellvertretenden Abteilungsleiters im MfK, Ranke, hatte sich der Präsident der Volkskammer und stellvertretende Vorsitzende des Staatsrates, Johannes Dieckmann, „heute an den Leiter des Ministeriums gewandt..., um die Aufführung durchzusetzen", da es sich bei dem Textautor um Günter Grass handelte. Fazit: Sowohl im Kulturministerium wie auch bei der Kulturabteilung des Zentralkomitees mehrten sich die Stimmen, die „für eine Aufführung seien, weil sonst ein unnötiger Eklat entstünde, der gewichtiger wäre, als wenn nun die Zuhörer diese Textstellen über sich ergehen lassen müßten".226 Damit war die Angelegenheit entschieden.

3.6. Die Durchführung 3.6.1. „Politisch-operative

Absicherung"

Die von den Behörden in der Vorbereitungsphase des Kirchentages vorgenommene organisatorisch-technische Begrenzung wurde während des Kirchentages durch weitere staatlicherseits getroffene Vorkehrungen ergänzt. Im wesentlichen umfaßte diese „politisch-operative Absicherung" drei, auch später in solchen Zusammenhängen wiederkehrende M a ß n a h men: - die Bildung einer Arbeitsgruppe mit ständiger Einsatzleitung, - die Verpflichtung ehrenamtlicher Helfer zur verdeckten Überwachung d e r einzelnen Veranstaltungen sowie - die Bereitstellung einer ebenfalls verdeckt auftretenden Agitationsreserve, um bei Bedarf „negativen" Diskussionsbeiträgen mit „progressiven" Meinungsäußerungen wirksam entgegentreten zu können. Die Dreiteilung des Kirchentages mit Veranstaltungen sowohl in Dresden als auch in Meißen machte es notwendig, auch an beiden Orten jeweils einen eigenen Einsatzstab zu bilden. Diese beim Rat der Stadt Dresden 224

Vgl. dazu oben S. 105-109. Stellvertreter (Flint), Bemerkungen zum Textteil „Der Zweifel" vom Meißener Tedeum, undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2727). 226 А. а. O. 225

Die Durchführung

187

und beim Rat des Kreises Meißen eingerichteten Arbeitsgruppen sollten die staatliche Überwachung der kirchlichen Veranstaltungen koordinieren, die eingehenden Berichte entgegennehmen und auswerten und - falls es zu provokatorischen oder staatsfeindlichen Aktionen kommen sollte - entsprechende Gegenmaßnahmen veranlassen. Zur Funktion der Meißner Arbeitsgruppe: „Die Aufgabe der Arbeitsgruppe besteht darin, in der Zeit vom 23.5. - einschließlich 26.5.1968 ein Informationssystem über die wichtigsten stattfindenden Veranstaltungen aufzubauen. Zum Besuch von den nachfolgend genannten wichtigen Veranstaltungen stehen der Arbeitsgruppe 15 Genossen der Betriebsparteiorganisation des Rates des Kreises zur Verfiigung."227

Den Vorsitz der Meißner Arbeitsgruppe hatte der Abteilungsleiter für Innere Angelegenheiten beim zuständigen Rat des Kreises inne. Ihr sollten nach der ursprünglichen Planung weiterhin angehören: ein Vertreter der SED-Kreisleitung, ein Vertreter des Volkspolizei-Kreisamtes (Abt Erfaubniswesen), je ein Vertreter der Abteilungen Inneres beim Rat des Kreises und beim Rat der Stadt sowie ein Vertreter der aus Anlaß der Bistumsjubiläen gebildeten zentralen Arbeitsgruppe.228 Der Dresdner Einsatzstab hingegen aibeitete unter der Leitung des Stellvertreters des Oberbürgermeisters für Inneres und wurde in seiner Zusammensetzung entscheidend von der SED-Stadtleitung Dresden dominiert Auf ihren Einfluß229 ging es wohl auch zurück, daß dort - was für Meißen nicht belegt, aber wahrscheinlich ist230 - auch die Beteiligung des MfS vorgesehen wurde. Der Rat der Stadt Dresden wollte allerdings den Arbeitsaufwand im Zusammenhang des Kirchentages möglichst gering halten. Wie einem Schreiben des Stellvertreters des Oberbürgermeisters für Inneres entnommen werden kann, plante man dort noch am 22. Mai lediglich eine reduzierte Arbeitsgruppe, die sich vor allem aus Mitarbeitern der Abteilung Inneres sowie der Kirchenreferate zusammensetzen und nur am Kirchentagssonntag im Einsatz sein sollte.231 Möglicherm Rat des Kreises Meißen. Stellv. d. Vors. f. Inneres (Just), Betr.: 1000-Jahrfeier Bistum Meißen (Vertrauliche Dienstsache, IA 8/68), 13.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 280-282). 228 A . a . O . , S. 1. m Einen förmlichen Beschluß der SED-Staddeitung zum Kirchentag hat es allerdings wohl nicht gegeben (anders: Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden Landeskirchentag, undatiert [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 150-159], S. 1). 230 Für die Arbeitsgruppe, die wenig später anläßlich der katholischen Feierlichkeiten gebildet wurde und deren geplante Zusammensetzung vermutlich die Erfahrungen des evangelischen Kirchentages widerspiegelt, war von vornherein „Genösse Exner" als Vertreter des MfS vorgesehen (Rat des Kreises Meißen. Stellv. d. Vors. f. Inneres [Just], Betr.: 1000-Jahrfeier des Bistums Meißen der katholischen Kirche, 6.6.1968 [SHStA, BPA Dresden, IV В 4/10/108]). 231 Rat der Stadt Dresden. Stellv. des Vorsitzenden für Inneres (Lachmann), SED-Stadtlei-

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

weise aufgrund dieses Schreibens fand jedoch noch am gleichen T a g e auf Initiative der SED-Staddeitung eine Besprechung zwischen Rat der Stadt, VolkspolizeiKreisamt, MfS, SED-Bezirksleitung 2 3 2 und SED-Stadtleitung statt, auf der eine andere Zusammensetzung der Arbeitsgruppe festgelegt wurde. Diese sollte zwar weiterhin unter der Leitung des Stellvertreters für Inneres beim Rat der Stadt stehen, ihr darüber hinaus vom Bereich Inneres jedoch lediglich der Kirchenreferent angehören. D a f ü r wurden als weitere Mitglieder benannt: ein Hauptmann der VP, ein Mitarbeiter des M f S sowie zwei Vertreter der SED-Staddeitung. D i e Einsatzzeit der Arbeitsgruppe sollte bereits am Freitag, 15.00 Uhr, beginnen. 2 3 3

Kurz vor dem Kirchentag erfolgte noch eine weitere Umstrukturierung der staatlichen Einsatzkonzeption für Dresden. In Verantwortung der Arbeitsgruppe wurden zusätzlich ein „Informationszentrum" und ein „Führungspunkt" eingerichtet Dem „Führungspunkt", also der ständigen Einsatzleitung, gehörten - abgesehen vom Kirchenreferenten beim Rat der Stadt, dem die Leitung des „Informationszentrums" übertragen worden war - alle Mitglieder der Arbeitsgruppe an. Da der Dresdner Kirchenreferent wegen seiner Verantwortung für das Informationszentrum für den „Führungspunkt" nicht zur Verfügung stand, rückte ein weiterer Mitarbeiter der SED-Stadtleitung nach.234 Obwohl sich „Führungspunkt" und Arbeitsgruppe damit im wesendichen aus Vertretern des örtlichen Staats- und Parteiapparates zusammensetzten, lag die Entscheidungshoheit keineswegs - wie es angesichts dessen den Anschein haben könnte - auf der unteren Funktionärsebene. Vielmehr erfuhr die Arbeitsgruppe bei der Bewältigung ihrer Aufgaben von übergeordneter Stelle Beistand und Hilfe: „Die Arbeitsgruppe erhielt Unterstützung durch den Genossen Dr. Hüttner vom ZK der SED, durch den Genossen Engel von der Bezirksleitung der SED Dresden sowie durch die Genossen Breitmann und Hammer vom Rat des Bezirkes Dresden."235 Rückblickend wurde zur Tätigkeit der Dresdner Arbeitsgruppe festgehalten: „Am 24.05.1968, 15.00 U h r nahm die Arbeitsgruppe Ihre Tätigkeit auf. Sie arbeitete auf der Grundlage von Führungsdokumenten, die den Einsatz befähigter G e n o s -

tung. Genossen Vogel, Betreff: Information, 22.5.1968 (SHStA, В PA Dresden, IV В 5 / 0 1 / 274). 232 Die Teilnahme des Vertreters der SED-Bezirksleitung, Harry Engel, ist im Bericht freilich nachgetragen. 233 Vgl. SED Stadtleitung Dresden (Nicolaus), Genossen Dieter Vogel. 2. Sekretär, 22.5.1968 (SHStA, BPA Dresden, IV В 5/01/274). 214 Damit gehörten dem 6-köpfigen Gremium 3 Vertreter des SED-Stadtleitung an: der Sektorenleiter Sicherheit und jeweils ein Mitarbeiter der Abteilungen Staadiche Organe und Information (vgl. Einsatzplan des Führungspunktes, undatiert [SHStA, BPA Dresden, IV В 5/01/274]). 235 Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates des Stadt Dresden - Landeskirchentag, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 150-159), S. 1.

Die Durchführung

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sinnen und Genossen nachwiesen und alle Veranstaltungen erfaßt hatten. Die Einrichtung eines Führungspunktes und Informationszentrums beim Rat der Stadt Dresden war eine Maßnahme, die sich als sehr sinnvoll erwies. Zum Zwecke der Einschätzung des Verlaufes und der Festlegung von Maßnahmen tagte die Arbeitsgruppe am 25.05. und 26.05.1968 jeweils 9.00 und 18.00 Uhr und überwachte in der Zeit von 8.00-23.00 Uhr den Verlauf des Landeskirchentages. Das Informationszentrum war täglich von 8.00-23.00 besetzt" 236

Die zweite Maßnahme, die verdeckte Überwachung, betraf im Prinzip alle Veranstaltungen, die mit dem Landeskirchentag, dem Kongreß oder dem Meißen-Jubiläum zusammenhingen bzw. bei denen staadicherseits ein solcher Zusammenhang vermutet wurde. Darüber hinaus wurden in jenen Gemeinden, die im Einzugsbereich des Kirchentages - also in der näheren und weiteren Umgebung Dresdens - lagen, auch die Himmelfahrtsgottesdienste237 kontrolliert238 Dabei sollte insbesondere darauf geachtet werden, ob in irgendeiner Weise auf den Kirchentag Bezug genommen würde (Einladungen zum Kirchentag, Hinweise auf dessen Programm oder gar Kritik am Verhalten der staatlichen Stellen im Vorfeld des Kirchentages). Die meisten Beobachter - in der Regel Mitarbeiter im Staatsapparat oder in anderen Bereichen tätige zuverlässige SED-Mitglieder - waren der örtlichen Abteilung Inneres bzw. den dort gebildeten Einsatzstäben zugeordnet239 Daneben entsandten aber auch - vom MfS abgesehen - der 06

Ebd. Himmelfahrt war in diesem Jahr in der DDR erstmals kein gesetzlicher Feiertag. Mit der Einführung der 5-Tage-Arbeitswoche in der DDR ab 28. August 1967 waren die kirchlichen Feiertage Ostermontag, Himmelfahrt, Reformationstag und Bußtag zu Werktagen erklärt worden. Allerdings konnten „Werktätige, die an diesen Tagen während der Arbeitszeit an religiösen Veranstaltungen teilnehmen wollen, . . . dafür unbezahlte Freizeit in Anspruch nehmen" (Verordnung über die durchgängige 5-Tage-Arbeitswoche und die Verkürzung der wöchendichen Arbeitszeit bei gleichzeitiger Neuregelung der Arbeitszeit in einigen Wochen mit Feiertagen vom 3.5.1967 [Gbl. DDR II, 38/1967, S. 237-241, § 7, Absatz 2]). Dennoch wurden bereits 1968 die Gottesdienste an diesen Tagen vielfach auf den Abend verlegt. Die überwachten Himmelfahrtsgottesdienste fanden meist um 19.30 Uhr statt. 238 Was vermudich nicht unbemerkt blieb. Nicht nur in der Kirche zu Leuben, wo neben dem Emissär des Rates des Kreises lediglich sechs Einwohner anwesend waren, dürfte der ungewohnte Besuch aufgefallen sein (vgl. Veranstaltung Kirche Leuben, 23.5.1968, 19.00 Uhr [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698]). 239 Der Rat der Stadt Dresden hatte sich zum Beispiel verpflichtet, „ca. 100 Sicherungskräfte für außen und innen" bereitzustellen (Rat der Stadt Dresden. Stellv. des Vorsitzenden für Inneres, Maßnahmen zur Sicherung des Landeskirchentages, 23.5.1968 [SHStA, BPA Dresden, IV В 5/01/274]). - Wieviele tatsächlich für diese Aufgabe gewonnen werden konnten, ist nicht genau erkennbar. Im Einsatzplan des Rates des Bezirkes sind namentlich 48 Personen genannt, die - meist zu zweit - die einzelnen Veranstaltungen des Kirchentages „abzusichern" hatten (Rat der Stadt Dresden. Stellv. des Vorsitzenden für Inneres, Veranstaltungen anläßlich des Landeskirchentages, 23.5.1968 [SHStA, BPA Dresden, IV В 5/01/274]). Im tatsächlichen Einsatz waren allerdings mehr Personen, wie ein Bericht von 9 „Genossen der G O der Bezirksdirektion Deutsche Post" erkennen läßt, die die Veranstal237

190

Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

CDU-Stadtverband Dresden und die SED-Stadtleitung eigene Beobachter, die dann jeweils unabhängig voneinander über die gleichen Veranstaltungen berichten konnten. Eine zentrale Koordination aller Informanten hat allerdings nicht stattgefunden. Es scheint sogar eine gewisse Konkurrenz der einzelnen Dienststellen bei der Informationsgewinnung gegeben zu haben. Als die drei Beobachter (unter ihnen der Sekretär des CDU-Stadtverbandes), die am Freitagvormittag zur Eröffnung des Kongresses vor der Dresdner Annenkirche standen, überrascht feststellten, daß Wolfgang Caffier, Pfarrer i. R. und CDUMitglied, sich unter den Teilnehmern befand, wurde durchaus folgerichtig entschieden: „Auf Grund der Feststellung der Teilnahme des Pfarrers Caffier wird sich der Sekretär des Stadtverbandes der CDU, Freund Schweiger, am kommenden Montag (27.05.1968) persönlich mit ihm in Verbindung setzen, um den Inhalt der Eröffnungsveranstaltung des Kongresses zu erfahren."240 Auf die Informationen Caffiers war jedoch bereits eine andere Dienststelle abonniert. Der Bericht des CDU-Stadtverbandes vom 27. Mai vermochte deshalb hinsichtlich der Veranstaltung in der Annenkirche lediglich festzuhalten: „Mit Ufrd. Pfarrer Caffier hat noch keine Aussprache stattgefunden. Uns ist bekannt, daß Pf. Caffier durch Herrn Breitmann vom Rat des Bezirkes aufgesucht wird."241

Als Arbeitsgrundlage für die Berichterstatter, die auf der staatlichen Linie geführt wurden, war direkt vor dem Kirchentag ein Fragenkatalog zusammengestellt worden, in dem die Informanten auf besonders zu beachtende Punkte hingewiesen wurden. Dazu gehörten die „ Teilnehmers truktur" (Gesamtzahl, „soziale und altersmäßige Zusammensetzung", Beteiligung auswärtiger Besucher) sowie die eventuelle Erwähnung „politisch-ideologischer Probleme" (Stichworte: innerdeutsche „Klammerfunktion der Kirche", „antikommunistische und antistaatliche Propaganda"). Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, ob die staatlichen Auflagen eingehalten worden seien.242 Angesichts der staatlicherseits vermuteten Zielstellung des Kirchentages, „konservative dogmatische Formen des kirchlichen Lebens" zu überwinden, wurde als eigener Punkt in den Katalog die Frage aufgenommen,

tung mit Bischof Noth und Bischof Spülbeck am 24. Mai in der Kreuzkirche von außen beobachteten (Bericht von den Genossen der GO der Bezirksdirektion Deutsche Post [Gen. Barthel] vom 24.5.1968 [SHStA, BPA Dresden, IV В 5/01/274]). 240 Rat der Stadt Dresden. Stellv. des Vorsitzenden für Inneres, 1. Bericht zum Landeskirchentag, 24.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 179). 141 CDU-Stadtverband Dresden (Schweiger), Bericht über den Landeskirchentag der Ev.Luth. Landeskirche Sachsen, 27.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 144-149), S.2. 242 Genannt wurden: „Innerkirchlichkeit des Landeskirchentages", Beschränkung des Inhalts der Veranstaltungen auf „reine Kulthandlungen", „Einhaltung der Gesetzlichkeit", kein Auftreten ausländischer oder westdeutscher Gäste (Gliederung der Einschätzung, undatiert [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 243]).

Die Durchführung

191

ob „neue Formen und Methoden der kirchlichen Arbeit" besprochen oder gar bereits praktiziert worden seien.243 Da allerdings die regulären Veranstaltungen des Kirchentagskongresses den staatlichen Beobachtern verschlossen blieben, mußten sich deren Informationen über den Kongreß im wesentlichen auf die Nebenveranstaltungen beschränken sowie auf jene Äußerlichkeiten, die auch von Beobachtern, denen die direkte Teilnahme verwehrt war, festgestellt werden konnten (Zahl der Teilnehmer, Altersstruktur, Herkunft der parkenden PKWs u. ä.).244 Auch der C D U gelang es anscheinend nicht, Informanten in die einzelnen Arbeits- oder Gesprächsgruppen zu entsenden.245 Um dennoch zu erfahren, worum es auf dem Kongreß gegangen war, blieb der staadichen Seite lediglich die Nachfrage bei den Kongreßteilnehmem selbst oder bei Kirchenvertretem, denen der Verlauf des Kongresses auch ohne eigene Teilnahme bekannt war.244 Einzelinformationen (ζ. B. der Inhalt bestimmter Diskussionsbeiträge)247 konnte auf diesem Weg kaum gewonnen werden, dafür entstand jedoch ein durchaus zutreffender Gesamteindruck. Die dritte Maßnahme „politisch-operativer Absicherang", die Bildung einer Agitationsreserve, ist lediglich für Dresden belegt und war ebenfalls Ergebnis der oben erwähnten Abstimmung zwischen SED-Stadtleitung, SED-Bezirksleitung, MfS, V P und Rat der Stadt. Auf ihr wurde festgelegt, „bei der Arbeitsgruppe Kirchentag . . . eine Agitatoren-Einsatzgruppe zu stationieren, die operativ bei erwiesener politischer Notwendigkeit zum Einsatz kommen" sollte.248 Diese Einsatzgruppe bestand jeweils aus 20 Genossen der Bezirksparteischule, 5 Genossen der FDJ und 5 Genossen

w

Α.Λ.Ο.

Vgl. Rat der Stadt Dresden. Stellv. des Vorsitzenden für Inneres (Bachmann), 1. Bericht zum Landeskirchentag, 24.5.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 129) sowie Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vorsitzenden für Inneres, 3. Bericht zum Landeskirchentag, 25.5.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 176). 245 Eine Schlußfolgerung hinsichtlich des einen Monat später stattfindenden Kirchentages in Görlitz hieß deshalb: „In Absprachen mit den Freunden der CDU sollte erreicht werden, daß in die Arbeitsgruppen Christen delegiert werden, die fest auf dem Boden der Republik stehen und uns als Informanden dienen" (Konzeption für den Kirchentag in Görlitz vom 28.-30.6.1968, undatiert [SHStA, B T / R d B Dresden, 47520, Bl. 59-62], S.4). - Ob Inoffizielle Mitarbeiter des MfS beteiligt waren, läßt sich angesichts der Aktenlage zur Zeit nicht entscheiden. ш Das war freilich ein langwieriger Prozeß, so daß die Abschlußeinschätzung des Rates des Bezirkes erst zwei Monate nach dem Kirchentag vorlag. 247 Die einzige Wortmeldung, die in den staadichen Einschätzungen zitiert wird, stammt aus der Arbeitsgruppe II (vgl. Kirchentagskongreß, undatiert [SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 293-294], S.2). 24* Vgl. SED Stadtleitung Dresden (Nicolaus), Genossen Dieter Vogel. 2. Sekretär, 22.5.1968 (SHStA, BPA Dresden, IV В 5/01/274). 244

192

Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

des FDGB und war im Gebäude der Bezirksparteischule stationiert, um bei Bedarf von dort mit einem bereitstehenden Barkas 1000 an ihren Einsatzort gefahren zu werden. 249 Richtlinien für ihr dortiges Auftreten als Neuankömmlinge und ohne konkrete Kenntnis des bisherigen Verlaufs der Veranstaltung - sind nicht überliefert (ebensowenig, ob diese Truppe irgendwo zum Einsatz kam). 3.6.2. Ablauf Durch den unterschiedlichen Charakter der einzelnen Veranstaltungen (Jubiläum, Kongreß, Kirchentag) entstand nicht nur eine Dreiteilung im Ablauf, sondern es bildeten sich letztlich drei verschiedene Veranstaltungen heraus, die nur teilweise miteinander verzahnt werden konnten. Die Veranstaltungen in Meißen trugen Festcharakter. Der Kongreß von Freitag bis Sonntag war eine geschlossene Arbeitstagung, die erst am Sonntagnachmittag mit dem für alle offenen Landeskirchentag verbunden wurde. 3.6.2.1. Das Jubiläum in Meißen Vor Beginn der Jubiläumsfeierlichkeiten fanden anläßlich des Himmelfahrtstages in den Meißner Kirchen jeweils um 8.00 Uhr Gottesdienste statt, die freilich nur geringen Zuspruch fanden. Die Jubiläumsfeierlichkeiten begannen um 10.00 U h r mit einem Festgottesdienst im Meißner Dom. Die Festpredigt hielt Landesbischof Noth. Nach staadicher Zählung waren 500 Besucher (ältere Gemeindeglieder sowie Pfarrer bzw. kirchliche Mitarbeiter) anwesend, die zum Teil mit P K W auch aus anderen Bereichen der Landeskirche angereist waren. In den Abkündigungen wurden sie auf die weiteren Jubiläumsveranstaltungen sowie auf den Landeskirchen tag hingewiesen und zu beidem eingeladen.250 Landesbischof Noth sei dagegen - so der staatliche Berichterstatter - in seiner Festpredigt zwar auf den Himmelfahrtstag und das Meißen-Jubiläum, nicht jedoch auf den Landeskirchentag eingegangen. 25 ' Das war allerdings eine Fehleinschätzung. Dietrich Mendt erinnert sich daran, daß N o t h in seiner Predigt das Kongreßthema „Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen" durchaus und sehr deudich angesprochen hatte: „Ich erinnere mich noch an die Predigt von Bischof N o t h im Meißner D o m , bei der ich dabei war. Auf dem Höhepunkt seiner Predigt sagte er, bewegend und durch den Gedankengang geschickt vorbereitet: ,Kirche ist Mission!' Kirche ist Mission. 249 S E D - S t a d d e i t u n g Dresden. Abt. Agitation (Kauffenstein), Einsatzplan der AgitatorenReserve, 24.5.1968 (SHStA, BPA D r e s d e n , IV В 5 / 0 1 / 2 7 4 ) . 250 Vgl. d a z u Festgottesdienst mit Landesbischof N o t h am 23. Mai im D o m zu M e i ß e n , undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 241-242). 251 A . a . O . , S.2.

Die Durchführung

193

Diese Aussage war damals in Sachsen keineswegs selbstverständlich, sondern ein umstrittener Satz."252

Diesem Gottesdienst folgte um 12.00 Uhr ein Empfang im Kapitelsaal, an dem neben Vertretern der evangelischen Kirche lediglich Gäste aus der katholischen Kirche teilnahmen. Vertreter des Staatsapparates waren zwar eingeladen worden, jedoch - entsprechend der staatlichen Ablehnung des Landeskirchentages wie der Jubiläumsfeierlichkeiten überhaupt - nicht erschienen, was Domdechant Prof. Lau in seinem Schlußwort noch einmal bedauernd vermerkte. Wie der verdeckte Berichterstatter des Rates des Kreises notierte, ging es bei den Reden, die auf diesem Empfang gehalten wurden, vor allem um innerkirchliche Dinge. „Irgendwelche staatlichen Probleme oder aktuellen Probleme wurden dabei nicht erwähnt" 253 Lediglich in der Ansprache von Präsident Cieslak „kam eine etwas schärfere Tonart zum Ausdruck", allerdings „ohne daß offen gegen staatliche Institutionen gesprochen wurde". Cieslak hatte den am nächsten Tag beginnenden Kongreß, zu dem sich Vertreter der verschiedensten Berufsgruppen angemeldet hatten, als Zeichen dafür gewertet, daß die Entfremdung der Arbeiterschaft wie der Intelligenz von der Kirche langsam überwunden werde.254 Darüber hinaus sprach er davon, „daß eine Reihe der Teilnehmer auch bereit" sei, „Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, die sie auf Grund ihrer Teilnahme am Kirchentagskongreß in Dresden von bestimmten Stellen zu erwarten haben".255 Am Nachmittag, 16.30 Uhr, standen in Meißen mehrere Veranstaltungen zur Auswahl: zum einen eine Aufführung der Leipziger Spielgemeinde mit dem Titel „Turm der Frauen"254, zum anderen eine Vorlesung des Domdechanten und Professors an der Leipziger Karl-Marx-Universität, Franz Lau, zum Thema „1000 Jahre Bistum Meißen". Letztere blieb, wie der staatliche Beobachter festhielt, bei der historischen Darstellung, ohne „zu Gegensätzen zwischen Staat und Kirche" Stellung zu nehmen.257 Der Tag schloß um 19.00 Uhr mit einer Domvesper.258 252 Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 3. 253 Empfang anläßlich der 1000-Jahrfeier des Bestehens des Bistum Meißen im Kapitelsaal am 23. Mai 1968, 12.00 Uhr, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 238-240), S.2. 254 А а. O. 255 А. а. O. 256 Vgl. Veranstaltung in der Frauenkirche Meißen der Leipziger Spielgemeinde „Turm der Frauen", 23.5.1968, 16.30, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41689, Bl. 252). - Das Stück stellte die Standhaftigkeit hugenottischer Frauen dar, mit der diese an ihrem Glauben festhielten. 257 Vgl. Vorlesung des Domdechanten Prof. Dr. Lau, K-M-Universität Leipzig über das Thema „1000 Jahre Bistum Meißen" im Kapitelsaal, Domplatz 7, 23.5.1968, 16.30 Uhr, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 251). 258 Vgl. Domvesper mit Posaunensextett, Dresdner Posaunenchor und Domchor, Leitung:

194

Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Nachdem am Sonnabend die Reihe der Veranstaltungen aus Anlaß des Meißen-Jubiläums bereits mit einem Vortrag des Dresdners Archivars Karlheinz Blaschke „Tausend Jahre Heimatkirche - tausend Jahre Heimatgeschichte" um 15.30 Uhr in der Meißner Frauenkirche sowie um 18.00 Uhr mit der Uraufführung des Meißner Tedeums fortgeführt worden w a r , b ' fanden am Sonntag um 9.00 Uhr in allen Meißner Kirchen Festgottesdienste statt, zu denen Gastprediger eingeladen worden waren. Wesendiche Kritikpunkte wurden dazu von den staatlichen Beobachtern nicht vermerkt. Sichdich beeindruckt fiel der Bericht über den Jugendgottesdienst in der St Afra Kirche mit Pfarrer Dietrich Mendt aus: „Der Ablauf war sehr fesselnd für junge Leute und ungezwungen." Der Bericht enthielt sich denn auch jeder direkten Kritik. Freilich waren die mitgeteilten Fakten Kritik genug, da sie den Erfolg der Kirche, junge Leute anzusprechen und damit kirchliches Terrain zu erweitern, belegten (300 Teilnehmer, 80 % Jugendliche; ansprechende Gestaltung, „supermoderne" Form, Mitteilung, daß solche Gottesdienste auch weiterhin durchgeführt würden).260 Um 11 Uhr fanden Parallelveranstaltungen statt: in der Frauenkirche tanzte Manfred Schnelle geisdiche Texte,261 im Gemeindesaal der St Afrakirche brachte das Neukirchner Kabarett262 die Besucher zum Schmunzeln.263 Abgeschlossen wurden die Jubiläumsfeierlichkeiten um 14 Uhr mit einer Schlußveranstaltung im Dom, bei der auch eine Verbindung zum Kirchentagskongreß in Dresden, der am Vormittag zu Ende gegangen war, hergestellt wurde. Werner Krusche, der das „Grundsatzreferat" zum Kongreß gehalten hatte, sowie Werner Tannert (Arbeitsgruppe I: „Bibel") und Ernst-Adolf Soa (Arbeitsgruppe II: „Kirche") berichteten ausführlich über Thematik und Arbeit des Kongresses.264

Domkantor Dr. Erich Schmidt, 23.5.1968, 19.00 Uhr, im D o m zu Meißen, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 253). 254 Vgl. Vortrag „Tausend Jahre Heimatkirche - tausend Jahre Heimatgeschichte" am 25.5.1968, 15.30 in der Frauenkirche Meissen, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 259-260). 240 Festgottesdienst in den Meißner Kirchen mit Gastpredigern am Sonntag, den 26.5.1968, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 262-263). г " Veranstaltung in der Frauenkirche Meißen - 26.5.68, 11.00 U h r - Manfred Schnelle tanzt geisdiche Texte, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 264). - Der Bericht vermerkt unter den Besuchern einen relativ hohen Anteil an Jugendlichen sowie von Personen, „die sonst keine Kirchgänger sind" (wie der Berichterstatter dieses festzustellen in der Lage war, ist freilich unklar). Es waren sogar „4 sowjetische Offiziere" zugegen. 262 Benannt nach dem Ort Neukirchen bei Karl-Marx-Stadt 20 Veranstaltung am 26.5.1968 11 U h r im Ludwig Richter Saal der St. Afrakirche, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 265-267). 264 Vgl. Fesdiche Schlußveranstaltung im D o m zu Meißen mit Pf. Dr. Tannert, Dr. Soa und Dr. Werner Krusche am Sonntag, den 26.5.1968 14 Uhr, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 268-271).

Die Durchführung

3.6.2.2.

Der

195

Kongreß

D e r K o n g r e ß hatte als D e l e g i e r t e n t a g u n g eine feste Struktur, die einen W e c h s e l z w i s c h e n d e n e i n z e l n e n Arbeitsgruppen nicht vorsah. D e r Einlaß zu d e n e i n z e l n e n Veranstaltungen erfolgte jeweils nur m i t Delegiertenkarte. D i e Teilnehmer kamen - entsprechend den Vorgaben - zu einem großen Anteil aus d e r Altersgruppe bis z u 4 0 Jahren. 2 6 5 Allerdings erreichte d i e Zahl d e r D e l e g i e r t e n w o h l n i c h t d a s M a x i m u m v o n 1 0 0 0 T e i l n e h m e r n , s o n d e r n lag bei e t w a 8 5 0 Delegierten, 2 6 6 s o d a ß j e d e T h e m e n g r u p p e ca. 200 Personen umfaßte. Welche Gründe für diese unvollständige Auslastung des Kongresses verantwortlich waren, ist nicht genau erkennbar. In den staatlichen Berichten ist davon die Rede, daß die Pfarrerschaft zum Teil wenig zur „Popularisierung" des Vorhabens unternommen hätte, so daß die Kirchenleitung „gezwungen" gewesen sei, „mehrmals die Kirchgemeinden durch Rundschreiben aufzufordern, ihre Arbeit in dieser Richtung zu aktivieren". 267 D a s P r o g r a m m d e s K o n g r e s s e s sah f o l g e n d e n A b l a u f vor: Freitag, 24. Mai Arbeitsgruppe II „Kirche" (ChristusGemeinde)

Arbeitsgruppe Ш „Mensch" (VersöhnungsGemeinde)

Zeit

Aibeitsgrappe I „Bibel" (Maitin-LutherGemeinde)

9.00 10 J 0

Bibelaibeit: Hebr 11,1-3.8-10, Dr. Johanneι Hempel, Annenkirche Hauptreferat: „Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen", Dr. Werner Krusche, Annenkirche Arbeit in GesprächsArbeit in GesprächsArbeit in GesprächsArbeit in Gesprächsgruppen zum Hauptgmppen zum Hauptgruppen zum Hauptgruppen zum Hauptreferat referat referat referat

14.30

ш

Arbeitsgruppe IV „Gesellschaft" (AuferstehungsGemeinde)

Nach staatlichen Beobachtungen mindestens die Hälfte, wobei sich die Berichterstatter allerdings nicht ganz einig waren (vgl. Rat der Stadt Dresden. Stellv. des Vorsitzenden für Inneres [Bachmann], 1. Bericht zum Landeskirchentag, 24.5.1968 [SHStA BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 179] und Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vorsitzenden für Inneres, 3. Bericht zum Landeskirchentag, 25.5.1968 [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 176]). ш So die staadiche Zählung der Teilnehmer an der Eröffnungsveranstaltung des Kongresses (Rat der Stadt Dresden. Stellv. des Vorsitzenden für Inneres, 1. Bericht zum Landeskirchentag, 24.5.1968 [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 179]). Kirchlicherseits wurde freilich ohne die genaue Zahl zu nennen - stets von 1000 Teilnehmern geredet. Später ging dieser Kongreß dann sogar als „Kongreß der 1000" in den kirchlichen Sprachgebrauch in Sachsen ein (vgl. u. a. Hans Wiede, Neues schöpferisches Denken. Kongreß-Weiterarbeit am 26./27. April in Dresden, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969]). 267 Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S.2.

196

Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Sonnabend, 25. Mai Zeit

Arbeitsgruppe I .Bibel" (Martin-LutherGemeinde)

Arbeitsgruppe II .Kirche" (ChristusGemeinde)

Arbeitsgruppe III .Mensch" (VersöhnungsGemeinde)

Arbeitsgruppe rv .Gesellschaft" (AuferstehungsGemeinde)

9.00

Bibelarbeit: Mt 8,18-27 Dr. Werner Tannert

Bibelaibeit: Eph 4,7-16 Erhard Wonneberger

Bibelarbeit: Eph 5,9-14 Dr. Gottfried Voigt

Bibelarbeit: Offb 21,1-7 Dr. Joachim Wiebenng

10.00

Referate: „Die Botschaft Gottes in der Sprache der Menschen" 1. Dr. Johannes Hamel 2. Johannes Cieslak

Referate: .Die Gemeinde Jesu Christi als Antwort" 1. Dr. Emst-Adolf Soa 2. Dietrich Mendt

Referate: .Der neue Mensch Gottes und das Bild des künftigen Menschen" I. Ingeborg Becker 2. Dr. Klaus Frühauf

Referate: .Unsere Welt Chance und Gefährdung" /. Hanna Kahl 2. Dr. Albrecht Schönherr

14J0

Arbeit in Gesprächsgruppen zum Arbeitsgruppenthema

Arbeit in Gesprächsgruppen zum Arbeitsgruppenthema

Arbeit in Gesprächsgmppen zum Arbeitsgruppenthema

Arbeit in Gesprächsgruppen zum Arbeitsgruppenthema

16.30

Fortführung der Gespräche

Fortführung der Gespräche

Fortführung der Gespräche

Fortführung der Gespräche

Arbeitsgruppe II .Kirche" (ChristusGemeinde)

Arbeitsgnippe III .Mensch" (VersöhnungsGemeinde)

Arbeitsgruppe rv .Gesellschaft" (AuferstehungsGemeinde)

Sonntag, 26. Mai Zeit

Arbeitsgruppe I .Bibel" (Martin-LutherGemeinde)

9.00

Abendmahlsgottesdienst, Predigt: 1 Petr 4,7-11, [Erhard Wonneberger]*, Annenkirchc

anschl.

Abschluß des Kongresses mit den Berichten der Arbeitsgruppen und einer Zusammenfassung, Annen kirche

* An diesem Punkt gab es anscheinend eine kurzfristige Programmänderung. Laut Bericht des CDUStadtverbandes hielt die Predigt Prof. Siegfried Wagner, der Predigttext wird nicht genannt (CDU-Stadtverband Dresden, Bericht Uber den Landeskirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, 27.5.1968 [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 144-149], S.4).

Sowohl am Freitag- als auch am Samstagabend wurden Zusatzveranstaltungen angeboten, im einzelnen 268 : 268 Die Zahlen in Klammern geben die von staatlichen Beobachtern geschätzten Besucherzahlen wieder (aufgrund d e r Berichte in SHStA, B T / R d B Dresden, 41698). Ist ein Bereich angegeben, geht dieser entweder direkt auf den jeweiligen Bericht zurück o d e r es existieren mehrere Berichte mit unterschiedlichen Einschätzungen. D a den Berichterstattern anscheinend nicht in jedem Fall die Anzahl d e r in der betreffenden Kirche zur Verfügung stehenden Gesamtplätze bekannt war, sind die Schätzungen vermutlich relativ ungenau. Wie unsicher

Die Durchführung Ort

Freitag, 19.30 Ubr

Sonnabend, 16.30 Ubr

Kreuzkirche

Gottesdienstliche Feierstunde mit dem Bischof der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Gottfried Noth, und dem Bischof des katholischen Bistums Meißen, Otto Spülbeck

Kreuzchor H-moll-Messe

197 Sonnabend, 19.30 Uhr

(3600)

(3000)

Annenkircbe

Posaunenfeierstunde (400)

Christuskirche

Leipziger Spielgemeinde „Der Turm der Frauen" (ЗЮ)

Erlöser-And rcasKiiche

Dichterlesung mit Rudolf Frieß (17)

Aufexstehungskirche

Neukirchner Kabarett „In der Kirche wird geschmunzelt' (180-250)

Hoffnungskiiche

„Gottesdienst einmal anders" (4i0)

Trinitatiskirche

Dichterlesung mit Johannes Schöne (200-2Ю)

Versöhnungskirche

KirchJ. Kabarett „In der Kirche wird geschmunzelt" (160)

Zahlenangaben staatlicher Beobachter sind, zeigt eine Schätzung der Zahl der Teilnehmer an der Kirchentagsnachmittagsveranstaltung in der Annenkirche. Ursprünglich wurde für die Annenkirche ein Fassungsvermögen von 1500 Plätzen vorausgesetzt und auf dieser Grundlage - da die Kirche fast voll besetzt war - eine Besucherzahl von ca. 1400 Personen angenommen. Nachträglich ist in dem Bericht das Gesamtfassungsvermögen der Annenkirche auf 850 und die Teilnehmerzahl infolgedessen auf 800 Personen heruntergesetzt worden (Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vors. f. Innere Angelegenheiten, 5. Bericht zum Landeskirchentag 1968 Uber die Veranstaltungen am 26.5.1968, 16.5.1968 [SHStA, B T / R d B Dresden, 41698,

198

Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Thematisch wurde der Kongreß von dem Grundsatzreferat Werner Krusches „Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen" geprägt. Krusche stellte darin, Impulse aus der Ökumene aufgreifend und mit Erkenntnissen des „Arbeitskreises für neue Formen des Gemeindeaufbaus", dem er selbst angehörte, verbindend, offenkundig eindrucksvoll und überzeugend dar, was es für die Kirche bedeute, daß sie als Kirche „für die anderen dazusein" habe. An den Anfang seines Vortrags stellte Krusche einige Überlegungen zur Grundstruktur der in der Themenformulierung benannten Einsicht, daß die Kirche der Zukunft „Kirche für die anderen" sein müsse. Entgegen dem bei dieser Formulierung naheliegenden Mißverständnis, daß es sich bei dieser Einsicht lediglich um eine neuzeitliche Entdeckung angesichts trüber Zukunftsaussichten für die Kirche handeln könnte, hob er einleitend hervor, daß die Kirche der Sache nach schon immer unter dem Auftrag gestanden habe, für die anderen dazusein. Den Stellenwert dieses Auftrags beschrieb er entsprechend seinem Synodalvortrag vom Vorjahr. Dieser Auftrag sei keine Aufgabe neben anderen, so daß er an bestimmte Institutionen (Diakonie, Innere oder Außere Mission) delegiert werden oder sich lediglich in „bestimmten Aktionen für die anderen" erschöpfen könnte. Vielmehr sei gemeint, daß die Kirche „mit ihrer Existenz, mit ihrem ganzen Leben und Dasein als Gemeinschaft und in ihren einzelnen Gliedern für die anderen dasein muß". 269 Da aber dieser „andere" - der jeweilige Zeitgenosse nämlich - immer ein anderer sei und sich selbst auch ständig ändere, müsse die „Kirche für andere . . . immer wieder anders Kirche sein". 270 Während das Womit und Wozu des Daseins für andere durch das Evangelium vorentschieden seien, würden das Wann, Wo und Wie durch die Situation der anderen bestimmt. Kirche müsse also, bevor sie für die anderen dasein könne, diesen anderen erst einmal nahe sein. Dabei gehe sie zu den anderen hin, nicht um sie in die Kirche zurückzuholen, sondern um „bei ihnen zu bleiben". Die Formel „Sammlung und Sendung" sei deshalb durch die Formel „Sammlung auf dem Wege zur Sendung" zu ersetzen. 271 In These 1 wandte Krusche diese grundsätzlichen Einsichten auf die Verkündigung des Evangeliums an, da Kirche als Kirche Jesu Christi für die anderen immer nur mit dem Evangelium dasein könne. Zwar wisse sie, was es mit dem Evangelium auf sich habe. Es stehe jedoch nicht von vornherein fest, auf welche Weise das Evangelium im Einzelfall auszurichten sei, damit es für den anderen auch wirklich Evangelium werde. Denn: „Das Evangelium ist keine einheitliche Formel, sondern hat tausend Formen." 272 Die Frage, welche Form denn die richtige sei, lenke den Blick auf die Situation, in der sich der andere befinde und in die hinein sich eine Kirche für die anderen begeben müsse. „Was das Evangelium für die anderen heißt, das lernt man nur bei ihnen, nicht etwa von ihnen, aber bei Bl. 160-167], S.6f.). ш Werner Krusche, Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen, undatiert (KKTArchiv Dresden, KT 74/75: Referate 1968 - siehe Dok. 1), S. 2. 270 А. а. O., S. 3a. 271 А. а. O., S. 7. A.a.O., S.9.

Die Durchführung

199

ihnen."273 Dabei sah Krusche diese Kirche in Bewegung auf den anderen zu nicht nur in der versammelten Gemeinde oder gar in der Institution präsent, sondern in jedem einzelnen Christen. „Wir können in keinem Lebensmoment und an keinem Ort unseres weldichen Daseins davon absehen, daß wir Glieder der Kirche sind."274 Sind damit die einzelnen Christen die Repräsentanten der Kirche vor Ort, so könne das nicht ohne Konsequenzen für die Struktur der Gemeinde bleiben. In der Perspektive einer Kirche für die anderen sei der Pfarrer nicht mehr Gemeindeleiter, sondern Mitarbeiter unter Mitarbeitern. Die Vielfalt, in der Kirche mit dem Evangelium für die anderen dasein muß, erfordere neben der Gabe des Pfarrers275 eine ebenso große Vielfalt anderer Gaben, die dort auch zu finden seien (These 3). Allerdings benötige der einzelne wiederum als Ort der Orientierung, der Stärkung und Ermutigimg die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern. In dieser Gemeinschaft werde er für seinen Dienst vor Ort ermutigt und zugerüstet Die Gestalt dieser „Zusammenkünfte ergibt sich von diesen Erfordernissen her". Auch hierfür gebe es jedoch keine Normalform. Es stehe freilich fest: „Es werden dialogische, aufgabenorientierte und also sendungsbezogene Kommunikationsformen sein"276 (These 2). Mit These 4 kam Krusche dann auf die Universalität des Auftrags der Kirche zu sprechen, der ohne altersmäßige, soziale oder politische Beschränkung edlen anderen gelte. Damit bestünde freilich die Gefahr, daß Kirche im Umfeld rivalisierender Gruppierungen zwischen die Fronten und in den Verdacht gerate, im Dienst des jeweiligen Gegners zu stehen. Krusche nahm damit offensichdich Bezug auf den von staadicher Seite gegenüber den Kirchen erhobenen Vorwurf, sie würden in der DDR die Politik der Bundesregierung vertreten. Auch unter dieser Perspektive, so Krusche, müsse dieses Zwielicht ertragen werden, und zwar um des Auftrags willen, der eben allen anderen gelte. Wenn Kirche Partei ergreife, ergreife sie Partei „für die Schwächeren, für die Unterdrückten, für die Entrechteten, für die Opfer der mißbrauchten Macht". Sie ergreife jedoch niemals Partei, um ihr eigenes Uberleben zu sichern. J e stärker es ihr um das Überleben geht, desto überlebter ist sie."277 Kirche lebe vielmehr aus der Hoffnung auf das 273

Ebd. A . a . O . , S. 12. - In diesem Zusammenhang ging Krusche auch auf Bestrebungen des DDR-Staates ein, Kirche in die Rolle einer reinen Kultgemeinschaft abzudrängen: „Die neue Verfassung billigt uns zu, daß wir religiöse Handlungen ausüben dürfen. Gut so. Nur muß klar sein: unser ganzes Leben, schlechthin alles, was wir tun, ist eine einzige religiöse Handlung. Für uns gibt es diesen Unterschied zwischen religiös und profan nicht. W o wir auch sind in der Gesellschaft und was wir auch tun in der Gesellschaft: wir sind dort und tun das als Glieder der Kirche. In und mit uns ist immer die Kirche präsent, in den tausend Bereichen und Situationen des Lebens der Gesellschaft" (a.a.O., S. 13). 275 Zu diesem besonderen Beitrag des Pfarrers äußerte sich Krusche nur vorsichtig. Unter Verwendung eines Vergleichs aus dem Sportmilieu hielt er es für denkbar, daß der Pfarrer möglicherweise gar nicht direkt am Kampf teilnehme, weil er sich außerhalb des Spielfeldes befinde, auf dem heute gekämpft werde. Seine Aufgabe wäre dann die eines Mannschaftstrainers, der „zurüstet, rät, Begabungen entdeckt, fördert" ( a . a . O . , S. 16). m A . a . O . , S. 14. 277 A . a . O . , S. 18. 274

200

Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

kommende Reich und möchte alle anderen „mitnehmen in die Freude ihrer gemeinsamen Zukunft" (These 5). Kirche sei geradezu dazu bestimmt, „die große Hoffnungsbewegung dieser Welt zu sein".278 Obwohl sie wisse, daß Gottes Reich noch ausstehe, sehe sie in „den Bemühungen auf politischem und sozialem Gebiet, durch die etwas Gutes für den Menschen getan" werde, Zeichen dafür, „daß Gott die Welt nicht läßt, wie sie ist, sondern daß sie seiner Zukunft entgegentreibt".27'' Aus diesem Wissen heraus setze sie auch selbst solche „Leuchtfeuer" der Zukunft Dagegen widerstehe sie allen Versuchen, die neue Welt - unter welchem Vorzeichen auch immer (worunter auch der in der DDR propagierte Weg in eine klassenlose Gesellschaft fallen würde) - selbst aufzurichten. Denn die Kirche wisse um „die gefährliche Illusion und Vermessenheit politischer Hoffnungsbewegungen, die das, was die Kirche als Gottes neuschöpferische Tat erwartet, selbst meinen verwirklichen zu können und dabei in der dauernden Gefahr stehen, den Menschen heute für das Morgen oder Ubermorgen dieser Zukunft zu opfern". 280 Gegen Ende seines Vortrags wandte sich Krusche noch einmal ausdrücklich dem naheliegenden Verdacht zu, es gehe der Kirche nur deshalb um die anderen, um diese für sich als neue Mitglieder und Kirchensteuerzahler zu gewinnen (These 6). Diesem Verdacht - der vielleicht nicht immer nur ein Verdacht sei - dürfe man nicht dadurch entgehen wollen, daß - Krusche bewegt sich hier auf der vermittelnden Linie seines Vortrags vom Dezember 1967281 - die „Kirche für die anderen" eine Entscheidung der anderen für Christus von vornherein ausklammere. Dieser vermeintliche Ausweg hätte das gesamte Neue Testament gegen sich. Freilich dürfe sich diese mögliche Entscheidung für Christus nur als Hoffnung auswirken und keinesfalls in Forderungen (Drängen, Uberreden, Nötigen) niederschlagen. Das Dasein der Kirche für die anderen werde dadurch glaubwürdig, daß sie für die anderen bedingungslos offen sei und sich auch von ihnen in Frage stellen lasse. „Der Verdacht, die Kirche wollte die anderen nur vereinnahmen, wird entkräftet in dem Maße, als sie sich für die anderen verausgabt."282 Die Hoffnung auf die anderen komme schließlich auch darin zum Ausdruck, daß die Kirche nicht nur bei den anderen sei, sondern diese auch vor Gott in Fürbitte und Lobpreis vertrete (These 7). „Das Ziel Gottes mit der Welt ist nicht die universale Kirche, sondern das Reich, die neue Gott lobende Menschheit. Für diese neue Menschheit ist die Kirche tätig, wenn sie Kirche für die anderen ist."283 Mit diesem Referat stellte Krusche das Thema des missionarischen Gemeindeaufbaus nicht nur an den Anfang der Kongreßarbeit, sondern über die Kongreßarbeit insgesamt, die auch in den folgenden Jahren diesem Thema treu blieb. Insbesondere im nachhinein entsteht der Eindruck, als habe er bei der Rede von „dialogischen", „aufgabenorientierten" und „senm

280 281 282 20

A.a.O., S. 22. A.a.O., S. 23. Ebd. Vgl. oben S. 118. А. а. O., S. 29. А. а. O., S. 30.

Die Durchführung

201

dungsbezogenen" Kommunikationsformen bereits die nachfolgende Weiterarbeit im Blick gehabt.284 Dieses von Krusche skizzierte Gesamtthema wurde in den einzelnen Arbeitsgruppen noch einmal unter besonderer Berücksichtigung der Einzelaspekte Bibel, Gemeinde, Mensch und Gesellschaft zur Sprache gebracht, wozu jeweils zwei Einstiegsreferate dienen sollten.285 In den Referaten der Arbeitsgruppe I ging es um das Verständnis der Bibel als befreiender und verpflichtender Anrede Gottes, auf die immer wieder neu zu hören sei. Dabei wies Präsident Cieslak in seinem Einstiegsreferat besonders auf die „Bibelgruppenarbeit in Gesprächsform" hin und gab dazu ausführliche Hinweise. 286 Die Vorträge der Arbeitsgruppe II zogen aus dem Gewiesensein der Kirche an „die anderen" Schlußfolgerungen für die Struktur der Gemeinde („verständliche Gemeinde", „mündige Gemeinde", „anziehende Gemeinde" und „dienende Gemeinde"). Das theologische Einstiegsreferat der Arbeitsgruppe II hielt Pfarrer Dietrich Mendt aus Karl-Marx-Stadt Dieser wies in einem ersten Teil seines Referats darauf hin, daß in der Geschichte der Kirche und insbesondere in neutestamentlicher Zeit sowohl das Evangelium als auch die Struktur der Gemeinde situationsbezogen gewesen seien: Die Sorgen der Welt wären das „Material für das Evangelium" und bildeten die „Konstruktionsunterlagen für die Gemeinde" (vgl. These 1 und 2). Der Blick auf die aktuelle Struktur der gegenwärtigen Gemeinden, vor allem auf die Diskrepanz zwischen Aufgabenbereich und Kompetenz des Pfarrers,287 führte Mendt zu der Folgerung, daß „die Gestalt unserer Gemeinde . . . für die Welt von gestern konstruiert" sei (vgl. These 3) und deshalb einer

m

Hanna Kahl im Rückblick: „Er [sc. Krusche] h a t . . . auf dem Kongreß ein großartiges Referat gehalten, das eigentlich bis zum heutigen Tage gültig ist und uns, die wir von Anfang an dabei waren, bei unserer Arbeit immer begleitet h a t . . . Die Zuhörer damals haben das, was Dr. Krusche sagte, wie Schwämme aufgesogen" (Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, 10 Aus den Diskussionen in den Arbeitsgruppen ist kein Material überliefert. Erhalten sind lediglich thesenartige Zusammenfassungen der Einstiegsreferate. m Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 (Johannes Cieslak), KongreßArbeitsgruppe I: Referat am 25. Mai 1968 „Die Botschaft Gottes in der Sprache der Menschen" (2. Teil), undatiert (KKT-Archiv Dresden, KT 1974/75: Referate 1968). 287 Mendt zählt auf, was ein Pfarrer alles muß und darf, ohne die erforderliche Kompetenz zu besitzen, um danach festzustellen: „Das gewaltige Paradoxon liegt darin, daß der Pfarrer durch seine Überlastung durch die Gemeindeleitung in dem Fach zu keiner gründlichen Arbeit kommt, kommen kann, das er wirklich gelernt hat, in der Theologie. Er kann also bewußten Laien nicht einmal den Dienst wirklich leisten, den sie zu Recht von ihm erwarten: die biblischen Sachverhalte so klar darlegen, daß man sie in die Gegenwart übersetzen kann" (Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 [Dietrich Mendt], Kongreß-Arbeitsgruppe II: Referat am 25. Mai 1968 „Gemeinde als Antwort", undatiert [KKT-Archiv Dresden, KT 1974/75: Referate 1968], S.3).

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Erneuerung bedürfe. Als wesendiche Merkmale für eine Gemeinde, „die der Welt die Antwort des Evangeliums heute und morgen weitersagen und vorleben könnte", hielt er fest: - Die Sprache und die Lebensäußerungen der Gemeinde müßten auch für Außenstehende verständlich sein (vgl. These 4). - Die Gemeindeglieder stünden im Dialog untereinander und bildeten somit eine mündige Gemeinde (vgl. These 5). - Die Gemeinde als Alltags- und Festgemeinschaft besitze Anziehungskraft (vgl. These 7). - Gemeinde sei dienende Gemeinde, die dort zupacke, wo sie gebraucht werde (vgl. These 8). Mendt schloß: „Ich glaube, daß die nächsten dreißig Jahre über das Schicksal der Kirche in der D D R entscheiden werden. Wenn wir wirklich Gemeinde f ü r andere werden, d. h. wenn wir Gemeinde Jesu Christi werden, dann wird unser Dasein in der Welt Sinn haben und uns braucht nicht bange zu sein. Aber wenn wir eine Kirche für uns bleiben, dann werden in fünfzig Jahren die letzten Christen gestorben sein." 288

Die Vorträge der Arbeitsgruppen III und IV stellten demgegenüber mehr den Zukunftsaspekt in den Vordergrund. In den Referaten beider Arbeitsgruppen ging es um die sich wandelnde Lebens- und Arbeitswelt sowie um die Gefahren und Möglichkeiten, die die Zukunft mit sich bringe. Ange sieht dessen wurde in beiden Gruppen nach dem spezifischen Beitrag des von Gott befreiten „neuen" Menschen bei der Bewältigung und Gestaltung dieser Zukunft gefragt Der Eberswalder Generalsuperintendent Albrecht Schönherr, der eines der beiden Einstiegsreferate in Arbeitsgruppe IV hielt, stellte den Wandel im Selbstverständnis des Menschen, der mit Beginn des technischen Zeitalters stattgefunden habe, als das eigenüiche Problem der Gegenwart dar. Während sich der Mensch früher als „homo sapiens" verstanden habe - als Menschen, der seine Grenzen kenne und akzeptiere - , sei der heutige Mensch vom Selbstverständnis eines „homo faber" geprägt, der die Welt ständig verändern und immer Neues schaffen wolle und in der Ausschöpfung seiner Möglichkeiten zur Gefahr für sich und die Welt werde. Diesen sich selbst überschätzenden und egoistischen Menschen zu verändern, der das „grösste Problem unserer Zeit" darstelle, sei Ziel der Botschaft Gottes, so daß angesichts des genannten Problems der Neuzeit gerade auch die Christen herausgefordert seien. In Anlehnung an Jürgen Moltmann nannte Schönherr fünf Teilziele, auf die wir in der Hoffnung auf Gottes Reich zugehen könnten: eine gerechte Verteilung der Güter, die Wahrung der Menschenwürde, Verantwortungsbewußtsein im Umgang mit der Schöpfung, Partnerschaft mit Gott als Sinn des Lebens, Frieden und Versöhnung. Schönherr schloß: „Uber unserm Leben als Christen steht der Befehl unseres Herrn: ,Gehet hin in alle Welt'. Gehet hin in diese vielfältige, unübersehbare, verlockende, gefährdete, schöne und schmutzige,

» A.a.O., S.7.

Die Durchführung

203

starke und doch so schwache Welt Wir wissen, daß wir nicht Spähtrupps in einem fremden Lande sind. Unser Herr ist immer schon da, wohin er uns schickt Er hat, auch in dieser Welt, gerade in dieser Welt des homo faber, längst Aufgaben für uns bereit. Er wartet darauf, daß wir endlich zur Stelle sind und sie mit ihm anpacken. ,Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende."* 289 Die Diskussion in den Arbeitsgruppen wurde freilich nur zum Teil von den vorgegebenen Themen o d e r den Einstiegsreferaten b e s t i m m t Auch d a s Referat von Werner Krusche wurde wohl nicht kontrovers diskutiert Vielmehr führte die Einsicht, d a ß es in der Kirche wirklich so sein müßte, wie Krusche dargelegt hatte, unmittelbar weiter zu jenen an Zahl nicht geringen Punkten, an denen es in der Kirche g a n z anders zuging. D i e Gruppenarbeit bestand damit zu eine großen Teil im - letztendlich befreienden - Aussprechen von persönlichen Kümmernissen darüber, wie Kirche erfahren wurde. „Zwar hat jeder, der da geredet hat, einen Monolog gehalten, aber sie konnten sich damit endlich einmal von der Seele reden, was sie bedrückte. Im Grunde waren es meist Anklagen gegenüber ihren Gemeinden, Klagen darüber, wie dort Gemeindearbeit gemacht wird, und heftige Kritik an den Pfarrern. Und daß sie das alles einmal sagen durften, war für die Teilnehmer ausgesprochen befreiend." 290 Die Kongresse mußten damit - „vor allem anfangs - auch eine Klagemauerfunktion wahrnehmen für die vielen aktiven - auch glaubensaktiven - Leute, die in ihrer Ortsgemeinde etwas machen wollten und es nicht durften, weil der jeweilige Pfarrer es nicht zuließ". 2 " Auch ein staatlicher Bericht vermerkte: „Nach Berichten von Delegierten haben die Laien, besonders die aus der Wirtschaft, harte Kritik an der Weltfremdheit der Pfarrer und der gesamtkirchlichen Arbeit geübt Den Mitarbeitern des Landeskirchenamtes, den Superintendenten und den Pfarrern wurde vorgeworfen, daß sie das Denken und Leben der Arbeitsmenschen nicht kennen und sich auch nicht darum bemühen, es kennenzulernen." 292 D e r Kongreß endete am Sonntagvormittag mit einer Auswertung im Plenum und einem Schlußwort von J o h a n n e s Hempel. Darin versuchte dieser am Beispiel von Liebenden noch einmal deutlich zu machen, was es f ü r die Kirche wie f ü r die einzelnen Christen bedeuten würde, „Kirche f ü r andere" zu sein. Vermutlich im Blick auf ein in den Gesprächsgruppen noch nicht ausgeräumtes Mißverständnis legte er besonderes Gewicht auf ж Albrecht Schönherr, „Unsere Welt - Chance und Gefährdung" (Theologischer Teil). Referat in der Arbeitsgruppe IV in Dresden-Plauen am 25.5.1968, undatiert (KKT-Archiv Dresden, K T 1974/75: Referate 1968), S.8. Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 5 f. 2,1 Niederschrift des Gespräches mit Oberkirchenrat i. R. Dr. Siegfried Bräuer am 21.5.1997 in Berlin zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 3. ™ Kirchentagskongreß, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 293-295), S.2.

204

Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

die Feststellung, daß der Gedanke einer „Kirche für andere" keineswegs etwas Neues meine, sondern lediglich eine „neue Umschreibung der alten Hauptsache" sei. „Wir bringen nichts Neues; wir erinnern nur an das Alte, weil uns es uns nicht mehr neu genug ist." Hempel Schloß: „KIRCHE FÜR DIE ANDEREN: Es gibt keine Alternative! Zu deutsch: Wir haben keine andere Wahl. Und zwar nicht etwa deshalb nicht, weil die Zeiten für die Kirche ungünstig sind und es nützlich wäre, wenn einige findige Leute sich ,was Neues' einfallen lassen, sondern weil Gott - wie schon oft, so auch uns - durch den Lauf der Zeit daran erinnert, daß Seine Hauptsache auch unsere Hauptsache bleiben muß."293 3.6.2.3.

Der

„Landeskirchentag"

Der gemeindeoffene Kirchentag begann am Sonntag um 9.30 Uhr mit besonderen Gottesdiensten in fünf Dresdner Kirchen (Kreuzkirche, Auferstehungskirche, Christuskirche, Martin-Luther-Kirche, Versöhnungskirche).294 Für den Rest des Vormittags wurde ein Rahmenprogramm („Matinee-Veranstaltungen") angeboten, während der Nachmittag im Zeichen des Gesamtthemas „Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen" stehen sollte, zu dem unter Aufnahme der in den Arbeitsgruppen des Kongresses geleisteten Vorarbeiten fünf Parallelveranstaltungen stattfanden. Diese Nachmittagsveranstaltungen fanden in aufgelockerter Form statt („mit Berichten vom Kongreß, Kurz-Referaten, Singen, Posaunen und dem Sendungswort des Kirchentages") und waren im einzelnen unterschiedlich gestaltet Als „Kirchentagslied" fungierte ein Lied von Dietrich Mendt („Dient einander"). Die Berichte vom Kongreß orientierten sich jeweils an einem der vier Arbeitsgruppenthemen. Über die Arbeit zu den ersten drei Themen wurde in je einer Veranstaltung (Versöhnungskirche, Kreuzkirche, Auferstehungskirche), über die Diskussion zum vierten Thema in zwei Veranstaltungen berichtet (Annenkirche und Christuskirche). Die darüber hinaus gebotenen Kurzreferate und Anspiele hatten teilweise eine deutlich amts- und kirchenkritische Tendenz. Bemerkt - sowohl von den Beobachtern des Staatsapparates wie auch von der Dresdner Pfarrerschaft 295 - wurde diese kirchenkritische Komponente insbesondere bei der von Pfarrer Dietrich Mendt verantworteten Veranstaltung in der Kreuzkirche, an der ca. 1200 Besucher teilnahmen. Während das Mitglied des Landesausschusses Rudolf Hacker aus Karl-Marx-Stadt vom Kongreß berichtete, umriß Pfarrer Mendt in einem zweiten Kurzreferat vier Merkmale, die „die Kirche мз Landeskirchentag-Kongreß 23.-26. Mai 1968 (Johannes Hempel), Schlußwortam Sonntag, 26.5.1968 in der Annenkirche Dresden, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KT 1974/75: Referate 1968). 2,4 Die Kongreßteilnehmer blieben zu diesem Zeitpunkt noch von den Kirchentagsteilnehmern getrennt und feierten zusammen einen Abendmahlsgottesdienst in der Annenkirche, an den sich die Auswertung des Kongresses anschloß. ш Zu letzterem vgl. unten S. 208, 2 2 5 - 2 2 7 .

Die Durchführung

205

der Zukunft haben" müsse, „wenn sie Kirche sein will für die anderen und damit Kirche Jesu Christi". Dabei kam immer wieder als anstehende Hauptaufgabe der Kirche der gemeinschaftlich zu führende Dialog mit der Welt in den Blick, für den freilich nicht die Pfarrer, sondern die Laien die eigentlichen Fachleute seien. Die Pfarrer verstünden vor allem etwas von Kirche, wenig jedoch von der Welt. Die Grundgedanken des Gemeinschaftlichen und des Dialogischen hatten Konsequenzen, die Pfarrer Mendt am Schluß noch einmal - für die damalige Zeit äußerst provokant - skizzierte: „Echte gemeinsam wahrgenommene Verantwortung und Mitbestimmungsrecht aller statt Alleinherrschaft der Pfarrer. Gespräch statt Vortrag und jegliche Form des Monologs, Lebensgemeinschaft statt Publikum und Dienst an der Welt statt Selbstbefriedigung. Mit einer solchen Kirche werden wir anfangen können, nach Antworten zu suchen, die die Welt braucht Und solche Antworten haben nicht nur die Chance ernstgenommen zu werden, sondern der Welt die Bekanntschaft unseres Herrn Jesus Christus zu vermitteln."296 In einer anschließenden Darbietung setzte sich die kirchenkritische Tendenz fort: „Dort trat eine Band mit auf und es gab eine Art - heute würde man sagen Feature mit literarischen Texten. Meiner Meinung nach waren es gute Texte, aber sie waren sehr scharf und sehr kirchenkritisch." 297 Den Schlußpunkt des Tages setzte das bereits am Tag zuvor in Meißen uraufgeführte Meißner Tedeum, dem - wie vom Landeskirchenamt gewünscht - eine erläuternde Einleitung vorangestellt wurde. 298 In den Hauptgottesdiensten im Bereich der sächsischen Landeskirche außerhalb Dresdens und Meißens wurde am Sonntag des Kirchentages in der Fürbitte gedacht „Wir begehen in diesen Tagen die Jahrtausendfeier des Bistums Meißen. Heute ist aus diesem Anlass in Dresden im Rahmen zentraler Veranstaltungen eine große Gemeinde aus unserer ganzen Landeskirche beisammen. Wir wollen mit allen Gemeinden Gott danken für 1000 Jahre Verkündigung des Evangeliums in unserem Lande. Zugleich blicken wir nach vorn. Deshalb sind diese Tage unter das Thema gestellt: ,Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen'. Laßt uns auch in diesem Gottesdienst Gott darum bitten, daß er unsere Kirche zu dem Dienst tüchtig mache, den sie in seinem Auftrag der Welt schuldig ist" 299 Der Ablauf des Landeskirchentages am Sonntag, den 26. Mai 1968, im einzelnen 300 : 2,4

Nach dem Tonbandmitschnitt des MfS (Tonbandabschrift [Rede v. Pfarrer Mendt am 26.5.68, Kreuzki/Dresden, Abschluss Kirchenkongress], 10.6.1968 [BStU, ASt Dresden, AIM 1193/83, 1/1, Bl. 79-84], S.6). 2.7 Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 5. 2.8 Textblätter wurden allerdings nicht verteilt (vgl. Hans-Joachim Kohli, Herrn Landesjugendwart Herbert Gehre, 30.5.1968 [KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71]). JW Text für das Amtsblatt 1968, Heft 7, 15.4.1968 (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2).

206

Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Ort

9 J 0 Uhr

11.30 Uhr

14.30 Uhr

Vmöhnungskirchc

Gottesdienst Predigt: H. Tolkmitt

Leipziger Spielgemeinde „Korczak und die Kinder" (400)

NachmittagsveranstaJtung /. Cieslak/ W. Foumes

Krcuzkirchc

Gottesdienst Predigt: G. Noth (1500)

Posaunen-Matinee

Nachmittagsveranstaltung K. Johannes/D. Mendt (1200)

Aufcrstefaungskircbe

Gottesdienst Predigt G. Knauf (200-2Ю)

Nachmittagsveranstaltung /. Rudolph/K,-]. Wizisia (100)

Annen· kirche

Nachmittagsveranstaltung G. Noth/G. Krusche (800)

Chiistuskiiche

Gottesdienst Predigt: /. Hamel (300)

Kirchl. Kabarett „In der Kirche wird geschmunzelt" (250)

MartinLutberKircbe

Gottesdienst der Jugend (1200)

Stunde der Jugend „Alte Kirche - junge Leute" (800)

HeiligGeistkirche

17.00 Uhr

Nachmittagsveranstaltung G. Wendelin/G. Mieth (120) „Meißner Ted e um" (Π00)

Dichterlesung mit Johannes Schöne (50)

Entsprechend der vorherigen Planung nahmen an den Veranstaltungen des Kirchentagssonntags ca. 5000 Personen aus dem Bereich der sächsischen Landeskirche (Bezirke Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig) teil. Die Anreise erfolgte in der Regel mit privaten PKWs. Aufgrund der staatlichen Boykottanweisung war es lediglich in Einzelfällen gelungen, über private Fuhrunternehmen Busse anzumieten. Auch für den Kirchentagssonntag war die große Beteiligung jüngerer Menschen auffallend. Zwar vermerkten die staatlichen Beobachter bei einigen Veranstaltungen ausdrücklich, daß im wesentlichen „nur" ältere Besucher zugegen gewesen wären, bei dem überwiegenden Teil der Ver500

Zur Tabelle vgl. oben S. 196 f., Anm. 268.

Kirchliches Echo

207

anstaltung m u ß t e j e d o c h ein relativ h o h e r Anteil v o n J u g e n d l i c h e n u n d jungen E r w a c h s e n e n festgestellt w e r d e n . D e r A b s c h l u ß b e r i c h t d e r D r e s d n e r C D U k a m s o g a r z u d e m G e s a m t e r g e b n i s : „Auffallend w a r , d a ß überwieg e n d j u n g e M e n s c h e n d i e V e r a n s t a l t u n g e n besuchten." 3 0 1 Verstandlicherweise besonders hoch lag der Anteil jugendlicher Besucher 302 bei den speziell für sie gedachten Veranstaltungen in der Martin-Luther-Kirche. Am „Gottesdienst der Jugend" nahmen ca. 1000 Jugendliche (über 80% der Besucher), an der Veranstaltung »Alte Kirche - junge Leute" ca. 750 Jugendliche (über 90 % der Besucher) teil. 303 Bei den Hauptveranstaltungen des Kirchentages wird vielfach ein Anteil von 30 % angegeben. 304 Bei den Veranstaltungen in Meißen sollen etwa ein Drittel der Teilnehmer unter 30 Jahren gewesen sein. 305 Der Abschlußbericht des Rates des Bezirkes Dresden vermerkt hinsichdich der „altersmäßigen Zusammensetzung der Teilnehmer" insgesamt: „30 % Jugendliche 15% von 2 0 - 4 0 Jahren 55 % über 40 Jahre. In der Altersgruppe über 40 Jahre überwiegt der Anteil der Frauen." 306

3.7. Kirchliches E c h o D a s E c h o u n t e r d e n B e s u c h e r n auf d i e A n g e b o t e d e s Kirchentages war a n s c h e i n e n d g e t e i l t D i e G e m e i n d e g l i e d e r , v o r allem d i e jüngeren, reagierten - v o n V e r a n s t a l t u n g e n w i e d e r A u f f ü h r u n g d e s M e i ß n e r T e d e u m s einmal a b g e s e h e n 3 0 7 - w o h l i m g r o ß e n u n d g a n z e n positiv, mitunter b e g e i 301

CDU-Stadtverband Dresden (Schweiger), Bericht über den Landeskirchentag der Ev.Luth. Landeskirche Sachsen, 27.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 144-149), S. 6. 302 Es wird freilich meist nicht angegeben, bis zu welchem Lebensalter der jeweilige Berichterstatter die Begriffe Jugendlicher", „junge Leute", Jugend" usw. verwandte. 103 Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vors. f. Innere Angelegenheiten, 5. Bericht zum Landeskirchentag 1968 über die Veranstaltungen am 26.5.1968, 26.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 160-167), S.2, 5. 301 Zum Beispiel notiert der Bericht des Rates der Stadt Dresden sowohl für den Gottesdienst in der Auferstehungskirche als auch für den in der Christuskirche einen Anteil an Jugendlichen von ca. 30% (а. а. O., S. 1, 3), unter den Besuchern des Kabaretts im Gemeindesaal der Christuskirche wurden „50 % Jugendliche" festgestellt (а. а. O., S. 4). 305 Staat Leiter der Arbeitsgruppe, Einschätzung der Veranstaltungen im Rahmen des Landeskirchentages im Kreis Meißen, 26.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 131-138), S. 1. m [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe Dok.2), S.6. 307 Einige der Zuhörer zeigten sich „stark beeindruckt" (Hans-Joachim Kohli, Herrn Landesjugendwart Herbert Gehre, 30.5.1968 [KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

stert (wie selbst die staatlichen Emissäre in ihren Berichten zugaben). Kritik und zum Teil Ablehnung erfuhr der Kirchentag dagegen aus den Reihen der hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter, insbesondere seitens der Dresdner Pfarrerschaft und der Leitung der sächsischen Kirchenmusik. Während letztere sich im wesendichen gegen das vom Vorbereitenden Ausschuß gewählte „Kirchentagslied"308 wandte, mit dem die „Gelegenheit zu einem guten missionarischen Gemeindelied bei den Abschlußveranstaltungen des Kirchentages" verpaßt worden sei, 309 war die Kritik aus den Reihen der Pfarrerschaft umfassender. Sie betraf sowohl die ungewohnten Formen und Abläufe kirchlicher Veranstaltungen als auch die darin dargebotenen Inhalte, vor allem die dort vorgetragene Kritik an den gegenwärtigen Gemeindestrukturen. 310 Der Abschlußbericht des Rates des Bezirkes zitiert einen Dresdner Pfarrer mit den Worten: „Es sei doch ein ergötzliches Schauspiel für die draußenstehenden Horcher gewesen, in den verschiedenen Jugendgottesdiensten zu hören, was für Hampelmänner die Pfarrer heute sind."311

1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71]), die meisten waren jedoch mehr oder weniger irritiert. H a n n a Kahl: „Ich war dort - ein Ohrenschmaus war es nicht, jedenfalls nicht für Leute, die keine moderne Musik gewöhnt waren. Manche waren allerdings auch begeistert" (Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 5). Oberkirchenrat Gottfried Fuß übersandte dem Haupt-Ausschuß unter dem Datum des 4.Juni eine 7-seitige kritische Stellungnahme (G. Fuß, Stellungnahme zu dem „Meißner Tedeum" von Wolfgang Hufschmidt mit Gegentexten von Günther Graß, 6.6.1968 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Sonstiges]). Domkantor Schmidt konterte mit einer Zusammenstellung von brieflichen Äußerungen zum Tedeum, deren Tenor dahingehend lautete: ungewohnt, aber beeindruckend (Dr. E. Schmidt, Meißen, Äußerungen zum Meißner Tedeum - Briefauszüge, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Sonstiges]). Wegen dieses Liedes hatte der Direktor der Dresdner Kirchenmusikschule bereits unmittelbar vor dem Kirchentag seine „Mitwirkung bei der Sonntagsnachmittagsveranstaltung des Kirchentags in der Versöhnungskirche" abgesagt ( K M D Dr. Christoph Albrecht, An den Vorbereitenden Ausschuß des Landeskirchentages 1968, Betr.: Abschlußveranstaltung des Kirchentages, 25.5.1968 [Privatarchiv Cieslak]). 301 Dr. Christoph Albrecht/Hans-Heinrich Albrecht/Alfred Kuhnert/Hans-Jürgen Thomm, An den Vorbereitenden Ausschuß des Landeskirchentags 1968, Betr.: Musikalische Gestaltung der Kirchentagsabschlußveranstaltungen, 10.6.1968 (Privatarchiv Cieslak), S. 2. - Am 13. Januar 1969 kam es dann zu einem klärenden Gespräch zwischen den Unterzeichnern dieses Schreibens und Vertretern des Landesausschusses. 310 Vgl. Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 (Gehre), An die Mitglieder des Hauptausschusses, die zur Sitzung am 6.7.1968 nicht anwesend sein konnten, 16.7.1968 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). M1 [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe D o k . 2 ) , S.9.

Kirchliches Echo

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Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine Einschätzung, die aus zeitlichem Abstand und wohl auch angesichts der konzentrierten Arbeit in den inzwischen etablierten Kirchentagskongressen gegeben wurde: Als 1972 der Vorschlag im Raum stand, für das Jahr 1974 einen „Landes-Kirchentagskongreß" vorzubereiten, wurde als Gegenargument nicht nur ins Feld geführt, daß „Mammutveranstaltungen" nichts brächten, sondern diese Einsicht auch damit belegt, daß der „Sonntag 1968" ein „Fehlschlag" gewesen sei.312 Anders als zu den Veranstaltungen des Kirchentagssonntags gab es zum Kongreß wohl kaum negative Stimmen. „Die Teilnehmer waren begeistert" Ihnen „hat es gefallen, und sie waren der Meinung, so etwas müßte fortgeführt werden".313 „Es gab eine Menge Ermutigung aus den Kreisen derer, . . . die in ihrer Region nahe daran waren zu resignieren. Sie sagten uns: ,Laßt das bloß nicht fallen, denn hier habe ich wieder neuen Mut gefaßt, mich weiter zu engagieren.' Solche Stimmen gab es viele. Man wollte weitermachen, in Verbindung bleiben und tauschte Adressen aus."314

Trifft eine staadiche Einschätzung zu, so wurden allerdings die Einstiegsreferate in den Arbeitsgruppen zumindest von einzelnen als „analytisch und trocken" empfunden.315 Den Veranstaltern andererseits war bewußt, daß die Gesprächsgruppen mit ca. 50 Personen für ein wirkliches Gespräch bei weitem zu groß gewesen waren und zur Gesprächsleitung guter Wille allein nicht ausreichte.316 Trotz dieser möglichen Kritikpunkte beurteilten die Teilnehmer die Thematik des Kongresses durchweg positiv. Mehrfach wurde die Absicht geäußert, „daß einige Kreise an dem Thema bezw. den Themen weiter arbeiten wollen".317 ш Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 12. Februar 1972, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 16.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 2. JU Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 5 f.; ebenso: Tätigkeitsbericht des Ev.-Luth. Landeskirchenamtes für die Herbsttagung der Landessynode 1969, II. Teil (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 1, Nr. 2), S. 3; H. GEHRE: Das Evangelium lernt sich nur im Gehen, S. 40; H. KAHL: Kongreß und Kirchentag, S. 121. J " Niederschrift des Gespräches mit Oberkirchenrat i. R. Dr. Siegfried Bräuer am 21.5.1997 in Berlin zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 4. 5,5 Kirchentagskongreß, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 293-295), S.2. J " Hanna Kahl im Rückblick: „Vom Fachlichen her, also was Gruppen- und Gesprächsleitung anbelangt, war das eine einzige Katastrophe" (Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 5; ähnlich H. KAHL: Kongreß und Kirchentag, S. 121). iv Aus diesem Grund wurden zu den einzelnen Einführungsreferaten Thesen erarbeitet, vervielfältigt und den Kongreßteilnehmem zugesandt (vgl. Evangelisch-Lutherische Landes-

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in D r e s d e n und M e i ß e n

Als Johannes Cieslak auf der Sitzung der K o n f e r e n z der Landesausschüsse am 26. O k t o b e r v o m D r e s d n e r K o n g r e ß berichtete, formulierte er als Schlußfolgerung: „Kongreßarbeit geht weiter, bietet sich an als zukünftige Arbeitsform im Bereich der sächsischen Landeskirche (Auswirkung des missio-Kongresses), wird in den Ephorien vorangetrieben." 3 1 8 Bereits in d e m einladenden Schreiben an Cieslak hatte O t t o Schröder den K o n g r e ß als „erstes grösseres Kirchentagsunternehmen" gewürdigt, das auch für zukünftige Veranstaltungen „von besonderer Bedeutung sein" werde. 3 1 9 A u s einjährigem A b s t a n d heraus w u r d e d i e D i s k u s s i o n auf d e m damit umschrieben,

Kongreß

d a ß man dort darüber gesprochen habe,

Evangelium für die anderen aussehe und welche Formen der

„wie

das

Gemeinde

n o t w e n d i g w ä r e n , u m d a s E v a n g e l i u m heute an die anderen w e i t e r z u g e ben". 3 2 0 D i e s e „ g e m e i n s a m e A r b e i t i m M a i

1968" sollte dabei - w i e

es

e b e n f a l l s a u s e t w a e i n j ä h r i g e m A b s t a n d h i e ß - „ e i n Start s e i n , d a s T h e m a , K i r c h e d e r Z u k u n f t - K i r c h e f ü r d i e a n d e r e n ' in e i n e B e w e g u n g u n s e r e r Landeskirche umzusetzen".321 N a c h r i c h t e n darüber, o b und in w e l c h e m U m f a n g die D e l e g i e r t e n d e s K i r c h e n t a g s k o n g r e s s e s in ihren G e m e i n d e n über d i e Arbeit auf d e m K o n greß berichteten o d e r diesen auswerteten, sind allerdings k a u m

überlie-

fert. 3 2 2 V e r e i n z e l t e V e r s u c h e , d i e G e d a n k e n d e s K o n g r e s s e s v o r O r t u m zusetzen, hatten w o h l erst einmal keinen Erfolg. A u f der konstituierenden Sitzung des Ausschusses für Kongreßarbeit im Februar 1969 w u r d e b e n c h -

kirche Sachsens. Kirchentag 1968 [Herbert Gehre], An die Referenten des Kongresses/Landeskirchentages 1968 Dresden, 8.6.1968 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Referenten neu]). ,B Lent, Protokoll über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages in der D D R am 26.10.1968 in Berlin-Weißensee, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 2. J " Deutscher Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der Deutschen Demokratischen Republik (Otto Schröder), Herrn Präses Joh. Cieslak, 27.9.1968 (EZA, DEKT, 95/93/7). 120 Hans Wiede, Neues schöpferisches Denken. Kongreß-Weiterarbeit am 26./27. April in Dresden, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969). Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Kongreß-Arbeit (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Kongresses und Landeskirchentages 1968, 5.3.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). m Sie stammen im wesentlichen aus Leipzig und zeigen, daß ein Informationsaustausch über die Auswertungsbemühungen damals auch untereinander nicht stattgefunden h a t Während Vermerke im Amtskalender von Siegfried Bräuer darauf hinweisen, daß in seiner Gemeinde (Trinitatiskirche) die Gedanken des Kongresses durchaus weiter diskutiert wurden, schrieb ein Amtskollege seinerzeit an den Ausschuß für Kongreßarbeit: „Bis auf zwei Berichte im Kirchenvorstand hat in Leipzig leider keine Nacharbeit des LandeskirchentagKongreß 1968 stattgefunden" (Erhart Bretschneider, An Ev.-Luth. Landeskirche. Ausschuß für Kongreß-Arbeit, 24.4.1969 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970]).

Staatliche Einschätzung

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tet, „daß in den Gemeinden Unzufriedenheit darüber herrscht, daß in den alten Geleisen nicht realisiert werden kann, was vom Kongreß angeregt worden" sei.323 Dennoch wurde in der späteren Einladung zur KongreßWeiterarbeit vorausgesetzt, daß die Arbeit des Kongresses nicht ohne Auswirkungen auf die Gemeindearbeit geblieben sei. „Viele werden von den erhaltenen Anstößen her in ihren Gemeinden etwas Neues angefangen, Altes geändert oder auch bereits Bestehendes intensiviert haben. Dazu wünschen wir Ihnen weiterhin Kraft und Freude - aber auch neue Mitarbeiter zur Seite."324

3.8. Staatliche Einschätzung Die überlieferten Berichte der staatlichen Beobachter hielten sich im wesentlichen an die Vorgaben, so daß aus nahezu allen öffentlichen Veranstaltungen Informationen zum Ablauf, zur Teilnehmerzahl sowie zur altersmäßigen Zusammensetzung des Publikums erhalten sind. Die Themen der Predigten, Vorträge, Diskussionen wie auch der Kabarettveranstaltungen blieben nach Meinung der Beobachter auf den innerkirchlichen Bereich beschränkt Lediglich an einigen Stellen wurden zweideutige Äußerungen325 bemerkt, „unklare Fragen" zur Lage in der CSSR326 festgestellt oder der bevorstehende Abriß der Leipziger Universitätskirche327 323

Ausschuß für Kongreßarbeit (Fr. Hammermüller), Protokoll Uber die Zusammenkunft am 15. Februar 1969 in Dresden, Dr.-Conert-Str. 8, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 1. 3a Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Kongreß-Arbeit (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Kongresses und Landeskirchentages 1968, 5.3.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 32S Bei der Dichterlesung am Sonnabend in der Trinitatiskirche traten sie allerdings vermehrt auf: „Offiziell wurde in keiner Weise etwas gegen den Staat bzw. zur Politik gesagt" Aber: „In beiden Werken waren Zweideutigkeiten am laufenden Band vorhanden" (Anhang zum 5. Bericht - Kirchentag 1968, Feststellungen von Beauftragten der Abt. Kultur des Rates der Stadt Dresden, undatiert [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 168-171], S. 1). ш Vgl. CDU-Stadtverband Dresden, Bericht über den Landeskirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, 27.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 144-149), S.4. 327 Bereits seit 1960 stand mit einem entsprechenden Votum Walter Ulbrichts intern fest, daß die im Besitz der Leipziger Universität befindliche Universitätskirche St. Pauli der sozialistischen Neugestaltung des Leipziger Karl-Marx-Platzes werde weichen müssen. Dieser Plan wurde auch nicht revidiert, als sein Bekanntwerden nicht nur den Widerstand der evangelischen und der katholischen Kirche hervorrief, sondern insgesamt auf breite Ablehnung stieß (u. a. beim staatlichen Amt für Denkmalpflege und der Leipziger Theologischen Fakultät). Genau am Tage der Jubiläumsfeierlichkeiten in Meißen wurde als Schlußpunkt der gesamten Diskussion von der Leipziger Stadtverordnetenversammlung als dem formal zuständigen Gremium der Abbruch der Universitätskirche beschlossen. Daraufhin kam es

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

kritisiert 328 Den Jugendgottesdienst in der Martin-Luther-Kirche traf der Vorwurf: „Der Gottesdienst rief zum Pazifismus auf und es erfolgte keine Stellungnahme für uns und gegen das imperialistische Lager." 3 2 9 Ausdrücklich notiert wurde außerdem, daß ein Gag, der sich gegen den thüringischen Landesbischof Mitzenheim wandte, wegen seines Erfolgs beim Publikum („heftiger Beifall") mehrfach Verwendung fand. 330 Weiterhin wurden - obwohl „die staadichen Forderungen bei der Vorbereitung und Durchführung des Kirchentages" im wesendichen „beachtet" worden seien - einige Gesetzesverstöße konstatiert. Sie bestanden in der Vervielfältigung von Plakaten und Programmen für verschiedene Veranstaltungen sowie in dem „Singen eines Kirchenchores auf nichtkirchlichem Raum und das Spielen des Meißner Posaunenchores auf dem Domplatz". 3 3 1 Einen Sonderfall bildete die Aufführung des Meißner Tedeums. Nachdem auf der Veranstaltung in der Dresdner Martin-Luther-Kirche einleitend darauf hingewiesen worden war, daß „Christen und Antichristen in dem Werk konfrontiert" würden, verstanden die Emissäre der Abteilung Kultur den „Geräuschsalat vom

zu Protestaktionen seitens der Theologiestudenten sowohl der Universität wie auch des Theologischen Seminars, als deren Urheber staatlicherseits D o z e n t D r . Werner Krusche (der Hauptreferent des am nächsten T a g e beginnenden Kirchentagskongresses) angesehen wurde. Bei einem daraufhin anberaumten „ G e s p r ä c h " beim Rat des Bezirkes Leipzig sei er „aggressiv" geworden, weshalb sich der dortige Stellvertreter für Inneres „veranlaßt sah, ihn nach 5 Minuten Gesprächsdauer hinauszuwerfen" (Persönlicher Referent [Rogowski], Anruf des Gen. Bitterlich, Stellv. für Inneres beim Rat des Bezirkes Leipzig, 24.5.1968 [BArch Berlin. S t f K , D O 4, 423]). Eine Woche später (30. Mai) wurde die Universitätskirche gesprengt. Nicht zu Unrecht wurde die Verbannung dieses Kirchengebäudes aus dem Stadtkern des modernen Leipzig von vielen - trotz gegenteiliger Beteuerungen staatlicher Stellen - als Gleichnis für das staatlicherseits erwartete Aussterben der Kirche aus der sozialistischen Gesellschaft verstanden, dem bei Bedarf auch etwas nachgeholfen werden könne (zum Problemkreis der Universitätskirche insgesamt vgl. K . LÖFFLER: Die Zerstörung). Anhang zum 5. Bericht - Kirchentag 1968, Feststellungen von Beauftragten der Abt. Kultur des Rates der Stadt Dresden, undatiert ( S H S t A , B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 168-171), S. 4; auch Staat. Leiter der Arbeitsgruppe, Einschätzung der Veranstaltungen im Rahmen des Landeskirchentages im Kreis Meißen, undatiert ( S H S t A , B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 131-138), S. 6. , я Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vors. f. Innere Angelegenheiten, 5. Bericht zum Landeskirchentag 1968 über die Veranstaltungen am 26.5.1968, 26.5.1968 ( S H S t A , B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 160-167), S. 3. J W Ein Jugendlicher trat als Antiquitätenhändler auf und präsentierte einen Stein, „welcher den Christen vom Herzen fiel, als Bischof Mori[t]z von Mitz[en]ausen [die Namensgebungen differierten] in den Ruhestand getreten war". Diese Pointe fand am Sonntagvormittag in der Martin-Luther-Kirche und am Nachmittag in der Annenkirche Verwendung (а. а. O., S. 5, 7). - Es dauerte freilich noch zwei Jahre, bis der Stein denen, die er bedrückte, vom Herzen fallen konnte. Mitzenheim trat erst 1970 - fast 80jährig - in den Ruhestand. >J1 [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, S t f K , D O 4, 595 - siehe D o k . 2 ) , S. 10.

Staatliche Einschätzung

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Tonband", der die Ungläubigen darstellen wollte, unmittelbar als Karikatur der von der D D R propagierten materialistischen Weltanschauung. Infolgedessen wurde das Werk unabhängig seines künstlerischen Wertes, der allerdings ebenfalls in Frage gestellt wurde, rundweg abgelehnt: „Bezeichnend zwei Westdeutsche zeichnen für das Werk. - Die Interpreten sind Bürger der DDR. Was will man aber in die Birne der Zuhörer träufeln?"332 Der Beobachter konnte freilich darüber hinaus festhalten, daß er mit seiner Ablehnung des Werkes keineswegs allein stand: „Bereits nach dem ersten Satz konnte man bei dem Publikum Unverständnis bemerken."333

Ein wesentlicher Punkt in der Berichterstattung betraf die Attraktivität der jeweiligen Veranstaltungen. Auch wenn mitunter vermerkt wurde, daß der Inhalt einer Predigt nicht „begeisterte",334 wurden bei den meisten Veranstaltungen - wie staatlicherseits bereits im Vorfeld erwartet - Bestrebungen festgestellt, diese durch neue Formen ansprechender zu gestalten bzw. Inhalte in neuer Weise - spielerisch - zu vermitteln. An erster Stelle wurde hier der „Gottesdienst der Jugend" genannt, über den die Berichterstatter festhielten: „Die Veranstaltung stand unserer Meinung nach unter dem Motto, die Jugend und die älteren Anwesenden für die Kirche zu begeistern (Kirchenlieder wurden durch moderne Musikformen begleitet)."335 Zum Teil brachten die Berichte zum Ausdruck, daß die betreffenden Veranstaltungen diese ihre beabsichtigte Wirkung auch nicht verfehlt hätten: „Die nahezu voll besetzte Kirche folgte mit Interesse."336 Zum Stück der Leipziger Spielgemeinde „Korczak und die Kinder" notierte der Berichterstatter: „Gesamtspielverlauf war vom Schauspielstandpunkt einwandfrei und höchst interessant."337 Und zur Jugendveranstaltung um 11.30 Uhr in der Martin-Luther-Kirche vermerkte der staatlich organisierte Bericht: „Die anwesenden Jugendlichen waren begeistert von dem Dargebotenen und leisteten sehr oft heftigen Beifall."338 Angesichts dessen wurden auch die

532

Anhang zum 5. Bericht - Kirchentag 1968, Feststellungen von Beauftragten der Abt. Kultur des Rates der Stadt Dresden, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 160-167), S.4. 333 Ebd. - Mit drei Ausrufezeichen ist die von einigen Besuchern geäußert Ansicht versehen, daß die Aufführung des Tedeums gegen den Willen der Kirche von der „Regierung" durchgesetzt worden sei. 334 Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vors. f. Innere Angelegenheiten, 5. Bericht zum Landeskirchentag 1968 über die Veranstaltungen am 26.5.1968, 26.5.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 160-167), S. 3. 335 А. а. O., S. 2. 336 CDU-Stadtverband Dresden, Bericht über den Landeskirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, 27.5.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 144-149), S. 5. 337 Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vors. f. Innere Angelegenheiten, 5. Bericht zum Landeskirchentag 1968 über die Veranstaltungen am 26.5.1968, 26.5.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 160-167), S. 3. 338 A . a . O . , S.5.

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

von einigen Predigern mehr theoretisch erhobenen Forderungen nach interessanten Gemeindeveranstaltungen von den Emissären aufmerksam gehört und festgehalten. Deutlich anders beurteilten die Berichterstatter den am Samstagabend von einem Karl-Marx-Städter Team in der Hoffnungskirche gestalteten „Gottesdienst einmal anders". 339 Er wurde nicht als ansprechend charakterisiert, sondern als „primitiv" und „vulgär". Vermutlich mit Genugtuung wurde festgehalten, daß die Veranstaltung auch von den anderen Besuchern zum Teil mit Skepsis aufgenommen wurde. „Meinungen: Die Vielzahl der Besucher verließen die Kirche ohne sich irgendwie laut über die Veranstaltung zu äußern. Die älteren Besucher nahmen die Veranstaltung gelassen auf. Es gab keine Begeisterung. Einige jüngere Personen äußerten Zweifel, ob sich solche Veranstaltungen in der Kirche durchsetzen." 340

Die bereits bei der Vorbereitung des Landeskirchentages staadicherseits beobachtete verstärkte Tendenz zum Interkonfessionalismus kam naturgemäß vor allem im Zusammenhang der „gottesdiensdichen Feierstunde" mit dem sächsischen Landesbischof Noth und seinem katholischen Amtskollegen Spülbeck am Freitagabend in der Kreuzkirche zur Sprache: „Der gesamte Gottesdienst war getragen von dem Bemühen der evangelischen und katholischen Kirche für ein engeres Zusammenwirken beider Richtungen."341 Auf dem nachfolgenden Kirchentag konnten dann auch bereits Anzeichen für dieses Zusammengehen festgestellt werden: Auftreten einer „katholischen Band-Gruppe" und eines „katholischen Männerseelsorи gers .34? Nicht unter den Vorgaben für die Berichterstatter aufgeführt und deshalb auch nur am Rande erwähnt war die organisatorische Bewältigung des Kirchentages durch die Veranstalter. Dennoch hielt der Bericht über den Kirchentagssonnabend kurz fest, daß „die Versorgung der Teilnehmer mit Warm- und Kaltverpflegung . . . gut organisiert" war. 34 ' Der Abschlußbericht des C.DU-Stadtverbandes resü-

33

' Der CDU-Bericht vermerkte ausdrücklich, daß der als ansprechend eingestufte Jugend gottesdienst in der Martin-Luther-Kirche „nicht nach dem Motto ,Gottesdienst einmal anders', sondern in herkömmlicher Weise gehalten" worden sei (CDU-Stadtverband Dresden, Bericht über den Landeskirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, 27.5.1968 [SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 144-149], S. 5). 140 Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vors. f. Innere Angelegenh., 4. Bericht zum Landeskirchentag 1968 über die Veranstaltungen am 25.5.68, 26.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 172-175), S. 3. 341 Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vorsitzenden für Inneres, 2. Bericht zum Landeskirchentag, 24.5.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 177-178), S. 1. 342 Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vors. f. Innere Angelegenheiten, 5. Bericht zum Landeskirchentag 1968 über die Veranstaltungen am 26.5.1968, 26.5.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 160-167), S.6. 343 Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vorsitzenden für Inneres, 3. Bericht zum Landeskirchentag, 25.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 176).

Staatliche Einschätzung

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mierte sogar: „Abschließend schätzen wir ein, daß die Organisation hervorragend war."344 - Der Abschlußbericht des Rates der Stadt Dresden zog daraus die Konsequenz, daß die kirchlichen Möglichkeiten in dieser Hinsicht weiter einzugrenzen seien und empfahl insbesondere, „daß die kirchlichen Übernachtungsmöglichkeiten in kirchlichen Heimen schärfer überwacht und ausgewertet werden müssen « . 345

Die von den Berichterstattern gelieferten Einzelinformationen wurden seitens der beim Rat der Stadt Dresden eingerichteten Arbeitsgruppe, am ausführlichsten jedoch seitens des Kirchenreferates beim Rat des Bezirkes346 in einem jeweils eigenen Bericht ausgewertet, eingeordnet und mit Folgerungen versehen. Während in den Primärberichten der Beobachter vor Ort das jeweilige Geschehen im Mittelpunkt stand, zielten diese Sekundärberichte - freilich mit unterschiedlicher Intensität - auf eine ideologische Deutung und Einordnung des Geschehens. Den Ausgangspunkt dazu bildete die Frage nach den Zielen, die die sächsische Landeskirche mit dieser Kirchentagsveranstaltung verfolgt habe. Waren bereits zuvor Vermutungen darüber angestellt worden, fand diese Frage nach Abschluß des Kirchentages ihre einmütige Antwort. Alle staatlichen Abschlußdokumente ordneten den Kirchentag ein in einen umfassenderen Prozeß, in dem die sächsische Landeskirche (wie auch die anderen Landeskirchen auf dem Gebiet der DDR) versuche, durch Massenveranstaltungen und ansprechende Veranstaltungsformen ihren verlorengegangenen Einfluß in der Gesellschaft zurückzugewinnen. Lediglich in der Frage, wann und wo dieser Prozeß begonnen habe, bestand in den Einschätzungen Uneinigkeit. Eine ohne Verfasserangabe überlieferte Einschätzung des Kongresses setzte den Beginn dieses Prozesses mit der Frühjahrstagung der sächsischen Landessynode im Jahre 1965 an, in deren Zusammenhang eine „geschlossene Arbeitstagung" zu 344 CDU-Stadtverband Dresden, Bericht über den Landeskirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, 27.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 144-149), S. 6. 315 Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden - Landeskirchentag, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 150-159), S.9. 346 Dieser setzte die „Auswertung Landeskirchentag" auch auf die Tagesordnung einer für den 17. Juni geplanten Arbeitsberatung mit den Referenten für Kirchenfragen der Räte der Kreise (Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Innere Angelegenheiten [Opitz], Rat des Kreises/der Stadt. Stellvertreter des Vorsitzenden für Innere Angelegenheiten, 12.6.1968 [SHStA, BT/RdB Dresden, 28441, Bl. 294]). Über Umfang und Inhalt der Auswertung sind allerdings keine Unterlagen überliefert. Die erhaltene Anwesenheitsliste zeigt freilich, daß alle Kirchenreferenten aus den direkt betroffenen Kreisen (Meißen, Dresden-Nord, Dresden-West, Dresden-Süd und Dresden-Ost [Dresden-Mitte war zu diesem Zeitpunkt unbesetzt]) infolge Urlaub oder anderweitiger Verpflichtungen fehlten (Betr.: Arbeitsberatung am 17.6.1968, 9-13 Uhr, Zim. 167, undatiert [SHStA, BT/RdB Dresden, 28441, Bl. 293]), so daß zu vermuten ist, daß sich die Auswertung mehr im Abstrakten als im Konkreten bewegt haben dürfte.

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

„den Grundsätzen des .neuen Gemeindeaufbaus' und den ,neuen Arbeitsformen'" stattgefunden habe. 3 4 7 Dagegen sah der Bericht des Rates der Stadt Dresden diesen Prozeß im wesentlichen durch die direkt zurückliegende Frühjahrssynode (1968) geprägt 3 4 8

Übereinstimmend kehrten in allen zusammenfassenden Einschätzungen in nur gering abgewandelter Form - drei Grundziele wieder, die mit der Kirchentagsveranstaltung umgesetzt werden sollten. Nach Einschätzung des Rates des Bezirkes ging es „der Kirchenleitung . . . vor allem darum: - durch große kirchliche Veranstaltungen mit Massenteilnehmem aus Sachsen und Gästen aus den Bereichen der anderen Landeskirchen die Macht der Kirche zu demonstrieren, um ihren Einfluß auf die christlich gebundenen Bürger zu verstärken; - Uberwindung der konservativen dogmatischen Formen des kirchlichen Lebens durch Erprobung und Anwendung von , modernen Methoden der kirchlichen Arbeit' vor allem der Verstärkung ihres Einflusses unter der Jugend und - Forcierung des Interkonfessionalismus durch das erstmalige gemeinsame Auftreten des evangelischen und katholischen Bischofs vor einem großen Forum in der Kreuzkirche zu Dresden." 349 Die Zweiteilung von Kirchentagskongreß einerseits und offenem Kirchentagssonntag andererseits wurde in diesem Zusammenhang als Gegenüber von theoretischer Funktionärsschulung und nachfolgender Praxiserprobung verstanden. Daß diese Zweiteilung mit der Form des Kirchentagskongresses als einer geschlossenen Veranstaltung erst infolge der staatlichen Behinderung des ursprünglich geplanten Landeskirchentages entstanden war, wurde in keiner der Einschätzungen erwähnt. Die Äußerung von Präsident Cieslak in dessen Schlußansprache, daß man eigentlich „etwas Anderes" vorgehabt habe, 350 wurde dahingehend verstanden, daß die Landeskirche nicht wirklich etwas anderes, sondern dasselbe - nur viel größer - vorgehabt hätte.351

Kirchentagskongreß, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 292-295). Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden - Landeskirchentag, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 150-159), S. 3. Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe Dok. 2), S. 2; ähnlich Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden Landeskirchentag, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 150-159), S. 3; Konzeption für Kirchentag in Görlitz vom 28.-30.6.1968, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 47520, Bl. 59-62), S. 1; sinngemäß Kirchentagskongreß, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 293-295), S. 1. ™ Kirchentagskongreß, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 293-295), S. 3. 341 [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe Dok. 2), S. 10. 148

Staatliche Einschätzung

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Für den R a t des Bezirkes war es „offensichtlich, daß auf diesem K o n g r e ß theoretische Grundlagen für die weitere Gestaltung der Arbeit der Kirche herausgearbeitet" und „dann im Verlaufe des Kirchentages bereits in der Praxis erprobt werden sollten". 3 5 2 Obwohl der Ratsbericht im Zusammenhang damit die Kirchentagsveranstaltung als ein von zentraler kirchlicher Stelle (Landeskirchenamt) angeordnetes Unternehmen mißverstand, erkannte er deren Zielrichtung - insbesondere die des Kongresses - durchaus zutreffend. 3 5 3 In seiner Einschätzung brachte er deutlich zum Ausdruck, daß die auf dem K o n g r e ß geführte Diskussion sowohl eine Veränderung der kirchlichen Strukturen 3 5 4 wie auch der Methoden kirchlicher Arbeit intendierte. E r hielt fest, d a ß anders als bisher verstärkt „Laien" - vor allem solche, die aktiv im Berufsleben stünden - an der kirchlichen Arbeit beteiligt und deren Interessen stärker berücksichtigt werden sollten. Speziell für diesen Adressatenkreis wolle man in den Gemeinden „ständige" oder „zeitbegrenzte Interessengruppen" bilden, in denen dem Pfarrer weniger die Position des Leiters als vielmehr die eines Spezialisten zukomme. Im Interesse lebensfähiger Gemeinden sollten die bisherigen starren Grenzen der Ortsgemeinden überwunden werden. 3 5 5 Sowohl in ihren T h e m e n als auch in ihren Methoden wolle sich die

А. а. O., S. 2. Die Konturen der Kongreßschwerpunkte wurden deutlich erkannt: das Ziel einer Laienzurüstung, die Uberwindung starrer Gemeindestrukturen, die missionarische Intention, die Frage nach der Gestalt der Kirche angesichts gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen. Insofern überrascht es, daß die kirchliche Nacharbeit zu diesem Kongreß staadicherseits keine Beachtung fand und der eigentliche Schwerpunkt der beginnenden Kongreßarbeit später nicht mehr in dieser Deutlichkeit skizziert wurde. Selbst der langjährige Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden und spätere persönliche Referent des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Horst Dohle, sah noch im Jahre 1972 in einem Gutachten zu einer Verlagspublikation der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin (Eberhard Winkler, Die Gemeinde und ihr Amt Historische, empirische, hermeneutische Aspekte [Aufsätze und Vorträge 59], Berlin-Ost 1973) die Verbindung zwischen dem zu begutachtenden Aufsatz und der Kongreßarbeit nicht in der von ihm kritisierten „Theologie des Laientums", sondern in einem „starken Sozialdemokratismus", dessentwegen die Kongreßreferate „bereits 1970 die Aufmerksamkeit der Parteiführung" gefunden hätten (vgl. Dr. Horst Dohle, Gutachten zu: Eberhard Winkler - Die Gemeinde und ihr Amt, EVA Berlin, 24.7.1972 [BArch Berlin, D R 1, 2544], S . 2 f . , 6). - Die Ursachen für die mangelnde Kenntnisnahme der Kongreßarbeit durch die für Kirchenfragen zuständigen staadichen Stellen können nur vermutet werden. Sicher spielte es eine Rolle, daß diese Kongresse nach außen kaum in Erscheinung traten, für die staatlichen Dienststellen also kein akuter Handlungsbedarf bestand. Andererseits machte es die Form der geschlossenen Tagung wie auch das Teilnehmerspektrum der staatlichen Seite anfangs nahezu unmöglich, Informationen über das dortige Geschehen aus erster Hand zu erhalten. 552 353

354 Auch später erscheint in staatlichen Einschätzungen der Landeskirchentag als ein wichtiger Meilenstein der Strukturdiskussion innerhalb der sächsischen Landeskirche (vgl. ζ. B. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Dohle], Einschätzung der Frühjahrssynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 15.-19.3.1969, 25.3.1969 [SHStA, BPA Dresden, I V B 5 / 0 1 / 2 7 4 ] ) . 355 [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe Dok. 2), S. 6.

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

Kirche weltoffener präsentieren, „um mittels intensiver politischer, gesellschaftlicher, philosophischer, kultureller und ethischer Probleme vor allem die Jugend anzusprechen und diejenigen, die sich von der traditionellen Kirche bereits gelöst haben".356 Der Abschlußbericht versteht dies als ein „Anwenden modernster, wesdicher Manipulationsmethoden, um auf alien Gebieten der gesellschaftlichen Tätigkeit der Menschen im Sinne der Kirchen wirksam zu werden".357 Weniger ausführlich, aber in der Sache ähnlich formulierte auch die erwähnte anonyme Einschätzung des Kongresses: „Der Kirchentag sollte einen großen Teil der aktiven Funktionärfe] und Gemeindeglieder mit den in der Zwischenzeit erprobten neuen Formen und Methoden bekannt machen: Das heißt: Predigen in der Sprache von heute, Jugendgottesdienste einmal anders, Kulturarbeit, Musik, Dichterlesungen, Kabarett, Prognostik in der Kirche und als Ausdruck der Einheitsbestrebungen der Christen und Kirchen das gemeinsame Auftreten des evang. und kathol. Bischofs aus Anlaß der 1000-Jahrfeier Meißen."358 Entsprechend der vermuteten Intention des Kongresses wurde staatlicherseits angenommen, daß die Kirchenleitung versuchen werde, mit Hilfe der Kongreßteilnehmer dieses neue Konzept „in den Gemeinden durchzusetzen".359 So wurde ausdrücklich vermerkt, daß die Delegierten „das Arbeitsergebnis in vier Fragen in den Gemeinden zur Diskussion" stellen sollen.360 Insgesamt habe - so die staatliche Einschätzung - die Durchführung der Kirchentagsveranstaltung deudich gemacht, d a ß sich die sächsische Landeskirche mit den „gesetzmäßigen Erscheinungen des Säkularisierungsprozesses" nicht abfinden wolle, sondern neue Konzeptionen des Gemeindeaufbaus entwickele, um diesem Säkularisierungsprozeß entgegenzuwirken. Damit behindere sie - da es sich um einen gesetzmäßigen P r o z e ß handele, der zu den „Realitäten unserer gesellschaftlichen Entwicklung" gehöre „die Entwicklung der sozialistischen Menschengemeinschaft". 361 Insbesondere werde diese antisozialistische Stoßrichtung der Kirchentagsveranstaltung daraus ersichtlich, daß sie „im Zusammenhang mit dem in Westdeutschland stattgefundenen Kirchentag 1967" stehe, auf dem „vor allem durch den SP-Minister Wehner die Orientierung gegeben worden" sei, „daß die Kirche in der D D R größere Massenveranstaltungen zur Beeinflussung der christlichen Bevölkerung durchführen solle". 362 Konkret greif-

** A. a. O., S. 3. >и А. а. O., S. 5. ™ Kirchentagskongreß, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 293-295), S. 1. 55 ' Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden - Landeskirchentag, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 150-159), S. 4. Kirchentagskongreß (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 293-295), S. 3. M Vgl. [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe D o k . 2 ) , S.3-7. ** А. а. O., S. 1. - Der damalige Bundesminister f ü r Gesamtdeutsche Fragen und stellvertretende SPD-Vorsitzende Herbert Wehner hatte auf dem 13. Deutschen Evangelischen

Staatliche Einschätzung

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bar sei diese Frontstellung gegen den Aufbau des Sozialismus unter anderem in den Forderungen geworden, daß „in unserer Gesellschaft vom Leistungsdenken . . . abgegangen" werden solle, daß der Christ „in seinem Leben nicht den Lebensstandard in den Mittelpunkt stellen" dürfe und daß man „von dem Haß-Denken wegkommen" müsse. Damit mache sich die Kirchenleitung „unter dem Deckmantel der liebe und Versöhnung zum Fürsprecher der Bonner Politik".363 Auf dem gemeindeoffenen Kirchentagssonntag wiederum sei diese Zielstellung sowohl an den dort praktizierten neuen Formen als auch daran deudich geworden, daß „nicht, wie in zurückliegenden Veranstaltungen der Kirche, besonders auffallende polemische Angriffe auf unseren sozialistischen Staat gerichtet" wurden. Anstelle offener Angriffe sei unter dem Motto „Dialog mit allen Schichten der Bevölkerung" eine faktische Unterwanderung der Gesellschaft propagiert worden. Vor allem der Abschlußbericht des Rates der Stadt Dresden listete in diesem Zusammenhang die auf dem Kirchentag vertretenen „ideologischen Positionen" („Befürwortung der Konvergenztheorie" u.a.) im einzelnen auf.364 Abschließendes Resümee des Rates des Bezirkes: „Die Landeskirche will mit ihnen zu Gebote stehenden modernen Mitteln sich dem Denken und Tun des Menschen von heute anpassen, mit dem Ziel, die Entwicklung der sozialistischen Menschengemeinschaft zu hemmen. Damit erfüllen die verantwortlichen Kirchenmänner bewußt oder unbewußt den Auftrag der bonnhörigen Kirchenführer der ,EKD' der westdeutschen Kirchenleitungen."365

Diese ideologische Einordnung des Geschehens hatte sowohl Konsequenzen für die Einschätzung des Erfolgs der Kirchentagsveranstaltung wie auch für die Formulierung der staadicherseits daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen. Hinsichtlich des Erfolges stand mit der Identifizierung der sozialismusfeindlichen Intention außer Frage, daß für die Verwirklichung eines solchen Konzepts innerhalb eines Staates mit gefestigten sozialistischen Produktionsverhältnissen, in dem kurz zuvor die Entwicklung der Kirchentag in Hannover am 22. Juni 1967 in der Kirchentagsarbeitsgruppe »Politik", „anläßlich der diesjährigen 450-Jahr-Feiem zur Reformation . . . die DDR-Regierung" aufgefordert, „mit einer,Geste der Großzügigkeit wenigstens kirchliche Veranstaltungen im Geiste der Ökumene' auf mitteldeutschem Boden zu erlauben" (vgl. Wehner, Friedensfrage ist Reifeprüfung für das deutsche Volk, in: Evangelischer Pressedienst, Nr. 139, Zentralausgabe, 22. Juni 1967, S. 2). 30 [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe D o k 2 ) , S . 4 f . M Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden - Landeskirchentag, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 150-159), S. 4 ff. 165 [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe D o k 2 ) , S . 7 f .

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in D r e s d e n und Meißen

sozialistischen Menschengemeinschaft proklamiert worden war, die Grundlagen fehlten. Unabhängig vom tatsächlichen Geschehen stand damit von vornherein fest, daß diese Aktivitäten ohne nennenswerten Erfolg bleiben mußten. Dieser Grundentscheidung, die letztendlich in der Theorie von der „gesetzmäßigen" Überlegenheit des Sozialismus gegenüber anderen existierenden Gesellschaftsformen wurzelte, hatte sich auch die Wirklichkeit unterzuordnen und wurde dementsprechend nur noch partiell wahrgenommen. Alle Informationen, die davon gesprochen hatten, daß eine Veranstaltung Beifall gefunden habe, beeindruckend oder einfach nur gut besucht gewesen sei, wurden in den staadichen Gesamteinschätzungen außer acht gelassen. Dagegen erfuhren kritische Stimmen, die es natürlich auch gab, sowie Indizien dafür, daß sich die Erwartungen der Veranstalter doch nicht ganz erfüllt hätten, eine umfangreiche Würdigung. Die Frage, ob die Kirche die zuvor skizzierten Ziele erreicht hätte, konnte damit sowohl in der Einschätzung des Rates des Stadt Dresden wie auch in der des Rates des Bezirkes mit einem klaren Nein beantwortet werden. Lediglich hinsichdich des Kongresses merkte der Rat der Stadt in seinem Bericht an, daß diese Frage - wegen mangelnder Informationen - offenbleiben müsse.366 Die Gesamttendenz ist aber auch hier deutlich: Aus den von den Beobachtern für Ort registrierten 850 Kongreßteilnehmer367 wurden im Bericht des Rates der Stadt „800 bis 850 Personen"368, während der Rat des Bezirkes ausdrücklich hervorhob, daß die geplante Zahl von 1000 Kongreßteilnehmern nicht erreicht werden konnte, sondern „nur ca. 800 Delegierte auf dem Kongreß anwesend waren".369 Auch die anderen Kirchentagsveranstaltungen (Jubiläum in Meißen, Rahmenprogramm am Freitag und Sonnabend, abschließender Kirchentag)370 hätten ihr Ziel, durch Massenveranstaltungen wirksam in Erscheinung zu treten, nicht erreicht. Die Zahl der Teilnehmer am Kirchentag insgesamt wie auch der Besuch einzelner Veranstaltungen sei hinter den Erwartungen der Veranstalter zurückgeblieben.371 Da die Rechnung des Rates des Bezirkes allerdings ergab, daß jeder der 5000 Teilnehmer an etwa fünf Kirchentagsver-

M Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden - Landeskirchentag, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 150-159), S. 3. w Rat der Stadt Dresden. Stellv. des Vorsitzenden für Inneres, 1. Bericht zum Landeskirchentag, 24.5.1968 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 179). 568 Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden - Landeskirchentag, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 150-159), S . 4 . 36 ' [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe Dok. 2), S. 3. Nach staadicher Zählung waren es insgesamt 44 Veranstaltungen (vgl. a . a . O . , S. 6). 371 Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden - Landeskirchentag, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 150-159), S. 4.

Staatliche Einschätzung

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anstaltungen teilgenommen haben mußte372 (was sich als Hinweis auf ein vorhandenes Desinteresse bei den Gemeindeglieder wenig eignete)373, wurde im Ratsbericht an dieser Stelle mehr auf die innerkirchliche Kritik an diesen Massenveranstaltungen hingewiesen, wofür namendiche Meinungsäußerungen angeführt wurden. 374 Noch deudicher tritt die Tendenz einseitiger Akzentsetzung im Zuge der Informationsübermitdung von unten nach oben bei der Einschätzung des angestrebten Brückenschlags zwischen evangelischer und katholischer Kirche zutage. Während der Abschlußbericht der CDU über den Landeskirchentag geradezu als Ergebnis des Kirchentages die Einsicht formulierte, daß angesichts der „Einflüsse von außen" „gemeinsames Denken u. Handeln" der beiden großen chrisdichen Kirchen notwendig sei,375 vermerkte die vom Rat des Bezirkes verantwortete Einschätzung hinsichdich der evangelisch-katholischen Begegnungsveranstaltung am Freitagabend in der Kreuzkirche, daß „unter den Gemeindegliedern und nicht einmal unter den Amtsträgern, Kirchenvorstandsmitgliedern und Pfarrern . . . die Bereitschaft vorhanden" gewesen sei, „an solchen Demonstrationsveranstaltungen teilzunehmen".376 Zur Erläuterung dieser These wies er darauf hin, daß die Kreuzkirche nicht einmal voll besetzt gewesen sei.377 Nach Schätzung der Genossen Hennig und Taubert, die im Auftrag des Einsatzstabes beim Rat der Stadt an der Veranstaltung in der Kreuzkirche teilgenommen hatten, waren allerdings immerhin 3000 Personen378 gekommen. Beide Beobachter vermerkten in ihrem Bericht darüber hinaus, daß die „anwesenden Gläubigen . . . die Ausführungen sehr aufmerksam" verfolgt hätten und es „nach Beendigung des Gottesdienstes eine Reihe von Äußerungen der Zustimmung für dieses nunmehrige Zusammenwirken beider Konfessionen" gegeben habe.379 Auch der CDU-Bericht hatte davon gesprochen,

572 [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe Dok. 2), S. 6. Um an fünf Kirchentagsveranstaltungen teilgenommen zu haben, mufite zum Beispiel das Angebot des Kirchentagssonntags vollständig (Gottesdienst, Matinee-Veranstaltung, Nachmittagsveranstaltung, Meißner Tedeum) sowie eine weitere Veranstaltung aus den Tagen davor wahrgenommen werden. 374 A.a.O., S. 8 f. 375 CDU-Stadtverband Dresden, Bericht über den Landeskirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, 27.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 144-149), S.6. 376 [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe Dok. 2), S.8. 577 A.a.O., S. 8f. 3 ™ Im Jahre 1975 wurde als Maximum an Plätzen, die in der Kreuzkirche zur Verfügung stünden, die Zahl von 4500 angegeben (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst [Küchler], Protokoll über die 5. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 17.1.75, 18.00-20.45 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 18.1.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 2). Rat der Stadt Dresden. Stellvertr. des Vorsitzenden für Inneres, 2. Bericht zum Landeskirchentag. Bericht über den Inhalt der gottesdienstlichen Feierstunde in der Kreuzkirche

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D e r sächsische „Landeskirchentag 1968" in D r e s d e n und M e i ß e n

daß der Abend „sicherlich bei allen Beteiligten einen großen Eindruck hinterlassen" habe, wobei er den von beiden Bischöfen gemeinsam erteilten Segen als „sehr eindrucksvoll" besonders hervorhob. 3 8 0

Angesichts dieses nach einseitiger Sichtung der Fakten unübersehbar gewordenen Mißerfolgs,381 den die sächsische Kirchenleitung mit ihrem Kirchentag erlitten hatte, vermochte die abschließende Zusammenfassung im Bericht des Rates des Bezirkes im Grunde nur noch festzustellen, daß auch dieses Ereignis gezeigt habe, wie die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft unaufhaltsam voranschreite, der sich - wie erneut deutlich geworden sei - auch die Kirchen immer weniger entziehen könnten. „Die Ergebnisse der wissenschaftlich-technischen Revolution wirken langsam aber spUrbar auch auf die Haltung der Amtsträger der Kirchen. Die schnelle gesellschaftliche Entwicklung fuhrt zu immer größeren Schwierigkeiten in der Arbeit der Pfarrer mit den Gemeindegliedern, mit den Menschen, die immer selbständiger im Denken und Handeln werden und außer den älteren Bürgern eine seelsorgerliche Hilfe nicht mehr brauchen."382 In diesem Zusammenhang erscheinen die „neuen Formen" der Gemeindearbeit, wie sie auf dem Kongreß diskutiert und auf dem Kirchentag erprobt worden seien, der Sache nach als ein letzter, jedoch untauglicher Versuch, den mit der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft untrennbar verbundenen Säkularisierungsprozeß aufzuhalten. Vielmehr führten gerade „die auf dem Landeskirchentag propagierten neuen Methoden und Formen des Gemeindeaufbaus und des Gemeindelebens . . . verstärkt" zu innerkirchlichen Auseinandersetzungen, die der staatlichen Differenzierungspolitik weitere Ansatzpunkte böten, um den kirchlichen Auflösungsprozeß Dresden am 24.5.1968, 19.30 Uhr, 24.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 177-178), S.2. ж CDU-Stadtverband Dresden, Bericht über den Landeskirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, 27.5.1968 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 144-149), S. 2 f. W1 Wurden die Teilnehmerzahlen nach unten korrigiert, wenn es um die Erfolglosigkeit der kirchlichen Bemühungen ging, so konnten die Zahlen auf der anderen Seite auch extrem gesteigert werden, sofern deren Gefährlichkeit illustriert werden sollte. In diesem Sinne vermerkte der Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt in seiner Jahresendeinschätzung: „Der Interkonfessionalismus zwischen den beiden großen Kirchen und zum Teil auch mit Freikirchen ist Mittel und Methode, den Vormarsch des Sozialismus aufzuhalten. . . . Deutlich wurden diese Einheitsbestrebungen auch bei der Vorbereitung der 1000-Jahrfeier des Bistums Meißen, zu der die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen Monate vorher den Auftakt mit einem ,Landeskirchentag' in Dresden gab (24000 Teilnehmer)" (Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Einschätzung auf kirchenpolitischem Gebiet und Schlußfolgerungen zur Verbesserung der politischen Massenarbeit, [Dezember 1968] [BStU, ASt Chemnitz, XX, 378, Bl. 322-341], S.2). ж [Rat des Bezirkes Dresden], Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, 23.7.1968 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595 - siehe Dok. 2), S. 11.

Staatliche Einschätzung

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„wirksamer zu beschleunigen".383 Diese Ansatzpunkte zu sehen und in der kirchenpolitischen Arbeit wahrzunehmen sei die wesentlichste Forderung, die angesichts des Kirchentages als Schlußfolgerung für die staadiche Kirchenpolitik zu ziehen sei.384 Es war freilich etwas völlig anderes, ein zurückliegendes Geschehen für eine anleitende Dienststelle (Staatssekretär für Kirchenfragen) als weiteren Schritt auf dem Wege einer sozialistischen Bewußtseinsbildung zu deuten als im Vorfeld eines ähnlichen Ereignisses dafür Sorge tragen zu müssen, daß sich das bevorstehende Geschehen auch wirklich in diesen theoretisch festgelegten Prozeß einfüge. Entsprechend anders lesen sich die Schlufifolgerungen, die aus der Dresdner Veranstaltung für den einen Monat später stattfindenden - also noch bevorstehenden - Kirchentag in Görlitz (28.-30. Juni 1968) gezogen wurden.385 Obwohl in Dresden der katholisch-evangelischen Begegnungsveranstaltung angeblich nur wenig Interesse entgegengebracht worden sei, sollte eine ähnliche Veranstaltung in Görlitz (mit Beteiligung des Görlitzer Bischofs Fränkel und des katholischen Bischofs Gerhard Schaffran) verhindert werden.386 Als eigentliches Problem wurde jedoch die Anwendung moderner Formen in der Gemeindearbeit angesehen, und zwar ohne daß die im Hinblick auf Dresden mit sichtlicher Genugtuung festgehaltene Erkenntnis, daß dieser Modernismus von den Gemeinden ohnehin abgelehnt werde, auch nur Erwähnung fand. „Das Ergebnis des Kirchentages" werfe vielmehr „neue Probleme auf kirchenpolitischem Gebiet auf: - Avantgardistische Funktion - als Modell für die weitere Arbeit in Sachsen und in anderen Kirchenbereichen. - Bruch mit alten Traditionen der Kirche durch , Modernismen'. - Sammlung Nonkonformistischer Positionen - nicht mehr Stätte des religiösen Bekehre ns.

ж

A.a. О., S. 11 f. So der Duktus in der Einschätzung des Rates des Bezirkes. Konkretere Schlußfolgerungen, an denen auch indirekt Probleme, die sich bei der „politisch-operativen Absicherung" des Kirchentages ergeben hatten, ablesbar sind, zog dagegen der Rat der Stadt. Zum einen wurde eine bessere Abstimmung mit der Abteilung Kultur empfohlen, zum anderen gefordert, die Einsatzkräfte zur Berichterstattung aus den einzelnen Veranstaltungen »früher auszuwählen" und dabei „zu beachten, d a ß nur geeignete, qualifizierte Kräfte, welche in der Lage sind, reale Einschätzungen zu geben, ausgesucht werden" (Abschlußbericht der Arbeitsgruppe des Rates der Stadt Dresden - Landeskirchentag, undatiert [SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 150-159], S.9). ж Vgl. Konzeption f ü r Kirchentag in Görlitz vom 28.-30.6.1968, undatiert (SHStA, B T / R d B Dresden, 47520, Bl. 59-62). ж In einem Gespräch mit Schaffran, das der Oberbürgermeister von Görlitz zu führen hatte, „sollte darauf hingewiesen werden, d a ß bei einem gemeinsamen Auftreten mit Fränkel in der ,Oekumenischen Stunde' in der Peterskirche unsere Haltung zu Bischof Schaffran überprüft wird" (Konzeption für Kirchentag in Görlitz vom 28.-30.6.1968 [SHStA, B T / R d B Dresden, 47520, Bl. 59-62], S. 4). - Sofern eine solche Drohung gegenüber Bischof Schaffran tatsächlich ausgesprochen wurde, hatte sie wenig Erfolg. Die „oekumenische Stunde" fand statt. 184

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Der sächsische „Landeskirchentag 1968" in Dresden und Meißen

- Infiltrierung unserer nationalen und humanistischen Kultur mit westlicher Dekadenz." 387 Aus der Einsicht heraus, daß das Programm des Görlitzer Kirchentages „der gleichen Linie" entspreche, wurden unter dem Leitsatz: „Der Kirche steht nur das Recht auf Verkündigungsspiele und kirchliche Musik zu", repressive Maßnahmen gegen den Görlitzer Kirchentag beschlossen, die ihn - da er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu verhindern war - zumindest eingrenzen sollten. Dazu gehörten neben den üblichen Behinderungen im technisch-organisatorischen Bereich - nicht nur eine vorherige Uberprüfung des geplanten Inhalts jener Veranstaltungen, die den genannten Rahmen zu sprengen schienen, sondern auch eine verbesserte Überwachung des Kirchentages (vor allem der Diskussion in den Arbeitsgruppen) - bis hin zur Androhung eines Ordnungsstrafverfahrens wegen eines Plakatentwurfs, dem revanchistische Tendenzen (Anspruch auf Schlesien) unterstellt wurden. 388

187

Konzeption für Kirchentag in Görlitz von 28.-30.6.1968, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 47520, Bl. 59-62), S. 3. 388 А. а. O.

4. VON DER KIRCHENTAGSNACHARBEIT ZUR KONGRESSARBEIT

4.1. Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weiterarbeit" im Jahre 1969 Kurz nach dem Kirchentag - am 4.Juni 1968 - wertete das sächsische Landeskirchenamt auf seiner Kollegialsitzung den zurückliegenden Landeskirchentag aus. Die dort gegebenen Einschätzungen waren freilich im wesentlichen kritisch. Der diesbezügliche Kollegiumsbeschluß formulierte unter Punkt b: „Kabarettveranstaltungen und Darbietungen neuer Musik überstiegen oft das erträgliche Maß und dienten nicht der Förderung des Auftrags der Kirche."1 Einer Mitteilung der MfS-Kreisdienststeile Dresden-Stadt an die MfS-Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt zufolge war vor allem Pfarrer Dietrich Mendt aus Karl-Marx-Stadt „ziemlich harten Kritiken ausgesetzt". Anlaß dazu sei „einmal seine Rede am 26.5.68 in der Kreuzkirche2 und zum anderen sein Auftreten des Gottesdienstes - einmal anders" gewesen.3 Ein gegen Mendt vom Dresdner Stadtsuperintendenten Dr. Gerhart Wendelin beantragtes Disziplinarverfahren4 fand im Landeskirchenamt jedoch keine Zustimmung. Andererseits wurde aber auch einem vom Vorbereitungskreis für den Landeskirchentag eingereichten Vorschlag, für die Weiterarbeit einen ständigen Ausschuß zu bilden, nicht entsprochen.5 Eine umfassende Auswertung des Kirchentages innerhalb des seinerzeit als Verantwortungsträger gebildeten Haupt-Ausschusses erfolgte auf seiner Sitzung am 6. Juli. In der Einladung erinnerte Herbert Gehre die Mitglieder ausdrücklich daran, daß es nach dem Landeskirchentag „ja weitergehen und nicht abgeschlossen sein" soll. Dementsprechend standen auf der Tagesordnung für die genannte Sitzung sowohl „eine kritische Bewertung 1 Kollegialsitzung, Dienstag d. 4.Juni 1968, Lfd. Nr. 1, Sachbetreff: Bericht über den Landeskirchentag im allgemeinen und im besonderen in der nächsten Ausgabe des „Sonntag" (Bürstenabzug), undatiert (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2). 2 Vgl. oben S. 204 f. 5 Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Dresden. Kreisdienststelle Dresden-Stadt, Bezirksverwaltung f ü r Staatssicherheit Karl-Marx-Stadt. Abteilung X X / 4 , Kirchenkongreß der ev. Kirche im Mai 1968, 26.6.1968 (BStU, ASt Dresden, AIM 1193/83, 1/1, Bl. 74). < Vgl. а. а. O. 5 Kollegialsitzung, Dienstag d. 4. Juni 1968, Lfd. Nr. 1, Sachbetreff: Bericht über den Landeskirchentag im allgemeinen und im besonderen in der nächsten Ausgabe des „Sonntag" (Bürstenabzug), undatiert (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2).

226

Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

des Kongresses und Landeskirchentages 1968" als auch „die Beratung über die Weiterführung der mit dem Kongreß begonnenen Arbeit". Angesichts der „Wichtigkeit der Sache" bat er um das „Erscheinen aller".6 Letzteres war nicht möglich, jedoch teilten Mitglieder, die nicht teilnehmen konnten, zusammen mit ihrer Entschuldigung auch ihre Position zur Sache kurz mit, so daß gemeinsam mit den Äußerungen von Kongreß- und Kirchentagsteilnehmern dem Haupt-Ausschuß bei seiner Auswertung bereits eine Reihe von Meinungsäußerungen vorlag. Sie lauteten im wesentlichen dahingehend, daß „die Arbeit sehr positiv gewesen" und deshalb einer Weiterführung wert sei.7 Pfarrer Heinz Mendt aus Radebeul, Mitglied des sächsischen Landesausschusses des DEKT, schrieb: „Ich habe den Eindruck, daß es zweckmäßig wäre, etwa alle zwei Jahre solch einen Kongreß durchzuführen. Im Blick auf die Arbeit und die Weiterführung der Themen scheint mir die Arbeit des kleineren Kongresses sinnvoller zu sein als die eines großen Landeskirchentages. Solch ein Kongreß braucht durchaus nicht immer in Dresden zu sein. Er könnte genauso in Leipzig oder Karl-Marx-Stadt oder anderswo durchgeführt werden."8

Auf der Sitzung des Haupt-Ausschusses am 6. Juli brachte dann Superintendent Wendelin seine bereits zuvor geäußerte Kritik an einigen Veranstaltungen des Landeskirchentages nachdrücklich zur Sprache. Sie betraf - abgesehen vom Meißner Tedeum, über das es ebenfalls „sehr unterschiedliche Meinungen" gab - vor allem die „Stunde der Jugend" am Sonntagvormittag in der Martin-Luther-Kirche sowie die Nachmittagsveranstaltung in der Kreuzkirche mit Pfarrer Dietrich Mendt In beiden Veranstaltungen seien „einige Dinge der Struktur der Gemeinde zur Diskussion gestellt worden, die teilweise harten Widerspruch brachten, besonders seitens der Dresdner Pfarrerschaft". 9 Deren - von Wendelin aufgegriffene und vertretene - Kritik wurde von den Ausschußmitgliedern als so wesentlich empfunden, daß sie den Beschluß faßten, „den Pfarrbrüdern für den Herbst ein Gespräch anzubieten". Daran sollten seitens des Kirchentages acht Mitglieder des Haupt-Ausschusses sowie Pfarrer Mendt 6 Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 (Herbert Gehre), An die Mitglieder des Haupt-Ausschusses, 8.6.1968 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). ' Vgl. Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens (Gehre), An die Mitglieder des Hauptausschusses, die zur Sitzung am 6.7.1968 nicht anwesend sein konnten, 16.7.1968 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). * Landeskirchliches Amt für Innere Mission (Mendt), Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968, 14.6.1968 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). ' Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens (Gehre), An die Mitglieder des Hauptausschusses, die zur Sitzung am 6.7.1968 nicht anwesend sein konnten, 16.7.1968 (KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970).

Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weite rarbeit" 1969

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und das Team, das die Stunde der Jugend vorbereitet hatte, teilnehmen.10 Superintendent Wendelin, der bei dieser Beschlußfassung nicht mehr zugegen war, sprach sich jedoch für eine kleinere Besetzung seitens des Kirchentages aus (lediglich die beiden Referenten der Nachmittagsveranstaltung in der Kreuzkirche, Dietrich Mendt und Rudolf Hacker, sowie das Team der „Stunde der Jugend")." In welcher Zusammensetzung und zu welchem Termin das Gespräch dann tatsächlich stattgefunden hat, ist nicht mehr genau erkennbar.12 Sicher ist lediglich, daß an diesem Gespräch neben weiteren namentlich nicht bekannten Personen seitens der Kirchentagsarbeit Pfarrer Mendt und Präsident Cieslak und seitens der Dresdner Pfarrerschaft Superintendent Wendelin und sein Stellvertreter, Pfarrer Johannes Ungethüm, teilnahmen. Im Verlaufe des Gesprächs kam es zu einer „harten Auseinandersetzung", die aber wohl zumindest mit einer gegenseitigen Respektierung der Motive endete. Nach der Erinnerung von Pfarrer Mendt waren lediglich er und Präsident Cieslak zu dem Gespräch nach Dresden geladen worden: „Wie die Auswahl der Teilnehmer an diesem Gespräch dann im einzelnen getroffen wurde, weiß ich nicht mehr. Es waren vielleicht 10 bis 15 Leute - und wir beide. Es gab eine ziemlich harte Auseinandersetzung, die darin gipfelte, daß uns der Superintendent vorwarf, wir hätten die Kirche entweiht Ich weiß noch wie heute, wie ich auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung zu ihm sagte: ,Wissen Sie, wenn ich Sie jetzt so höre, dann möchte ich Sie einmal fragen: Was glauben Sie eigendich, warum wir das so gemacht haben?* Damit kippte das Gespräch um. Er sagte: ,Na ja, das kann ich mir natürlich denken. Sie wollten die Leute erreichen.' Und dabei stellte sich heraus, daß die Mehrheit der Anwesenden eigentlich auf unserer Seite stand, und zwar als erstes der Vertreter des Superintendenten, Pfarrer Ungethüm, ein an sich konservativer Mann. Dieser ergriff so klar für uns Partei, daß sich der Konflikt auflöste."13

Endgültig ausgeräumt wurden die Differenzen, wie sich später zeigen sollte, allerdings nicht. Der Entschluß jedoch, die mit dem Kongreß begonnene Arbeit fortzusetzen, wurde dadurch nicht beeinträchtigt, sondern vom Haupt-Ausschuß auf seiner letzten Sitzung am 30. November 1968 noch einmal bekräftigt. Er schlug vor, solche Kongresse (d. h. in der Größe des zurückliegenden „Kongresses der 1000") alle 2 bis 3 Jahre zu veran-

10 Vgl. Gehre, Herrn Superintendenten Dr. Gerhard Wendelin, Betr.: Landeskirchentag 1968 - Zusammenkunft des Haupt-Ausschusses am 6.Juli 1968, 22.7.1968 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 11 А. а. O. (Zusatz). 12 Wahrscheinlich ist der Zeitraum zwischen dem 1. und dem 30. November 1968. u Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 5.

228

Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

stalten, wobei auch künftig eine Kombination von Kongreß und Kirchentagsveranstaltung als möglich angesehen wurde.14 Zur direkten Weiterarbeit und Umsetzung des Kongreßanliegens sollten auf Ephoralebene Arbeitskreise gebildet werden, die im Sinne des Mottos des zurückliegenden Kongresses „f. die anderen unterwegs" sind. Dabei war bewußt, daß diese angestrebten „Dienstgruppen" der Zurüstung bedurften, ohne daß bereits über die Art und Weise dieser Zurüstung reflektiert wurde.15 Ende 1968 setzte sich dann der Vorschlag durch, zur Weiterbildung der aktiven Laien in den Gemeinden besondere Wochenendrüsten anzubieten. Für die Durchführung dieser Rüsten wie auch der geplanten Kongresse sollte - entgegen dem Votum des Landeskirchenamtes vom 4. Juni - ein eigener Ausschuß gebildet werden („Ausschuß für Kongreßarbeit"). Möglich wurde das wohl vor allem durch die Fürsprache von Landesbischof Noth, von dem es später sogar hieß, er selbst habe die Bildung des Ausschusses angeregt.16 Angesichts der für diesen Ausschuß vorgesehenen besonderen und neuen Aufgabe wurde anscheinend nicht erwogen, zu diesem Zwecke den Landesausschuß Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages, der formal noch immer existierte und lediglich für die Zeit des Landeskirchentages 1968 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden war, wieder zu aktivieren. Von der personellen Zusammensetzung her war das neue Gremium vielmehr eine Ergänzung des Vorbereitenden Ausschusses des zurückliegenden Kongresses durch weitere Mitglieder des Landesausschusses, ohne daß in diesem Fall das Auswahlprinzip erkennbar wäre.17 » Vgl. H.A. Kongreß/Ki-Tag, 30.11.1968 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 3. - Uber das Verhältnis beider Veranstaltungen gab es allerdings unterschiedliche Vorstellungen. Während Superintendent Johannes Rudolph lediglich an eine zusammenhängende Durchführung von Bezirkskirchentagen und Kongreß dachte, schlug Dietrich Mendt vor, die Kongresse zur Vorbereitung dieser Kirchentagsveranstaltungen zu nutzen. 15 Vgl. а. а. O., S. 1 f. 16 Präsident Cieslak einleitend auf der ersten Sitzung des Ausschusses für Kongreßarbeit: „Der Bischof regte einen Ausschuß an, an den sich die Aktiven wenden können und der die Schlafenden aufrütteln soll" (Ausschuß für Kongreßarbeit [Frieder Hammermüller], Protokoll über die Zusammenkunft am 15. Februar 1969 in Dresden - Dr.-Conert-Str. 8, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970]). 17 Vom Vorbereitungskreis für den Landeskirchentag 1968 gehörte lediglich Günter Krusche, der 1969 die Funktion eines Studiendirektors im Predigerseminar Lückendorf übernahm, nicht mehr dem neuen Ausschuß an. Seitens des Landesausschusses Sachsen des Deutschen Evangelischen Kirchentages waren dies Siegfried Bräuer und Heinz Mendt, obwohl Mendt die Fortführung des Kongreßarbeit befürwortet hatte und Siegfried Bräuer beim zurückliegenden Kongreß aktiv beteiligt gewesen war. Heute sind letzterem (wie auch Johannes Cieslak) die damals vollzogenen mehrfachen Um- und Neubildungen der Gremien (DEKT-Landesausschuß, Haupt-Ausschuß, Ausschuß f ü r Kongreßarbeit, Kirchentagskongreß/Landesausschuß) nicht mehr in Erinnerung. Insgesamt gehörten dem Ausschuß 24

Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weiterarbeit" 1969

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Bereits vor der ersten Zusammenkunft des Ausschusses für Kongreßarbeit begannen die Vorbereitungen für die erste der vom Haupt-Ausschuß vorgeschlagenen Wochenendrüsten. Als Termin wurde die Zeit vom 26. bis 27. April 1969 (Sa/So) festgelegt Die Tagung sollte parallel in zwei benachbarten Gemeinden stattfinden, die bereits den Kirchentagskongreß 1968 aufgenommen hatten (die Christuskirchgemeinde in Dresden-Strehlen und die Versöhnungskirchgemeinde in Dresden-Striesen). Beide Gemeinden wurden unter dem Datum des 17. Januar 1969 um ihre Unterstützung gebeten.18 Am 15. Februar 1969 trat der neugegründete „Ausschuß für Kongreßarbeit" zu seiner ersten Sitzung zusammen. Die dort geführte Aussprache über eine gemeinsame Konzeption ließ erkennen, daß man den Schwerpunkt der eigenen Arbeit weniger in der Entwicklung einer grundsätzlichen Konzeption als vielmehr in der Bewältigung konkreter Aufgaben sah. „Br. Mendt verwies aber auf die Konzeption, die Werner Krusche auf dem Kongreß entwickelt h a t Diese müsse nun schöpferisch verarbeitet werden."19 Als konkrete „Aufgaben des Ausschusses wurden festgelegt: 1. Querverbindung zwischen den Gruppen, die mit neuen Formen experimentieren und arbeiten. 2. Planung und Durchführung der Kongresse. 3. Sammlung solcher, die ihren Arbeitswillen zum Einsatz bringen wollen. 4. Durchdenken der Qualifizierung von Laien und Pfarrern." 20 Kontrovers diskutiert wurde dabei die Frage, wieviel Energie darauf zu verwenden sei, Gegner der „neuen Formen" zu überzeugen. Insbesondere Dietrich Mendt vertrat in diesem Zusammenhang die Ansicht, daß die vorhandenen Kräfte nicht dazu ausreichten, einerseits Gemeindeglieder zuzurüsten und andererseits mit denen, die die Neuerungen behindern Mitglieder an, etwa ein Drittel waren Pfarrer (vgl. Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Ausschuß für Kongreß Arbeit, 15.2.1969 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970]). Auf seiner ersten Sitzung wurden Johannes Cieslak zum Vorsitzenden, Konrad Hüttel von Heidenfeld zu seinem Stellvertreter und Herbert Gehre zum Sekretär des Ausschusses gewählt (vgl. Ausschuß für Kongreßarbeit [Frieder Hammermüller], Protokoll über die Zusammenkunft am 15. Februar 1969 in Dresden - Dr.-Conert-Str. 8, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970], S. 2). " H. Gehre, An den Kirchenvorstand der Ev.-Luth. Versöhnungskirchgemeinde. z.H. Herrn Pfarrer E. Kanig, 17.1.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970) und H.Gehre, An den Kirchenvorstand der Ev.-Luth. Christus-Kirchgemeinde. z.H. Herrn Pfarrer Zweynert, 17.1.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). " Ausschuß für Kongreßarbeit (Frieder Hammermüller), Protokoll über die Zusammenkunft am 15. Februar 1969 in Dresden - Dr.-Conert-Str. 8, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 1. 20 Ebd.

230

Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

würden, Grundsatzgespräche zu führen. Im Mittelpunkt müsse also die Zurüstung stehen. Sei diese erfolgreich, würden die Kritiker von selbst verstummen. Zur Art und Weise dieser Zurüstung und damit zur Form der vorgesehenen Arbeitsrüsten zwischen den Kongressen wurden unterschiedliche Vorschläge unterbreitet: Akademie-Tagung zum Amtsverständnis, methodische Bibelgruppenleiterschulung, Veranstaltungen zur Gruppenpädagogik oder Gesprächsführung. Unterschiedliche Meinungen traten auch bei der Frage zutage, ob die Kongreßteilnehmer in besonderer Weise organisiert werden sollten. „Darüber gingen die Meinungen auseinander, ob man die Kongreß-Teilnehmer übergemeindlich zusammenfassen sollte zu einer Art Kongreßgemeinde (Kahl) oder nicht; und ob man die Kongreßteilnehmer als befruchtende Gesprächspartner (Hempel) in den alten Strukturen ,verschrotten' sollte, oder ob man sie als ,Revolutionäre im Busch' (H. v. Heidenfeld) heranbilden sollte, die erst zum gegebenen Zeitpunkt an die Öffentlichkeit treten, wenn die alten Strukturen zerfallen sind."21 Weiterhin wurden der organisatorische Rahmen sowie der Inhalt des „1. Kongreßseminars" festgelegt bzw. bestätigt Es sollte, wie bereits in Aussicht genommen, am 26./27. April (Sa/So) - allerdings nur noch in der Versöhnungskirchgemeinde Dresden-Striesen - stattfinden. Hinsichtlich des Namens der Veranstaltung einigte man sich auf „Kongreß-Weiterarbeit". Eingeladen werden sollten alle Teilnehmer des Kongresses von 1968, allerdings ohne daß eine damalige Teilnahme als Bedingung für eine neuerliche Anmeldung angesehen wurde. Die Teilnehmerzahl insgesamt wurde auf maximal 200 festgelegt, das Ziel mit „Weiterbildung von Pfarrern und Laien" umschrieben. Der geplante Ablauf lehnte sich an den des Kirchentagskongresses von 1968 an: einführendes Referat mit anschließender Gruppenarbeit. 22 Ein nächster größerer Kongreß - ähnlich dem zurückliegenden - wurde „für 1971 oder 1972 in Dresden oder Karl-MarxStadt geplant"; seine Thematik sollte ein Jahr vorher festgelegt werden. 23 Die Einladung zur „Kongreß-Weiterarbeit" datierte auf den 5. März 1969,24 ist aber wohl erst später versandt worden, so daß bis zum 28. März

21

А. а. O., S. 1 f. Vgl. dazu Kongreß-Weiterarbeit am Sonnabend/Sonntag, 26./27. April 1969 im Gemeindehaus der Versöhnungskirche. Programm, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969). 23 Ausschuß für Kongreßarbeit (Frieder Hammermüller), Protokoll über die Zusammenkunft am 15. Februar 1969 in Dresden - Dr.-Conert-Str. 8, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 2. 24 Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Kongreß-Arbeit, An die Teilnehmer des Kongresses und Landeskirchentages 1968, 5.3.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 22

Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weiterarbeit" 1969

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erst 50 Anmeldungen eingegangen waren.25 Zum Teil lag das an der relativ kurzfristig ergangenen Einladung, zum Teil aber auch daran, daß aufgrund staadicher Fesdegung der 26. April zum Arbeitstag erklärt worden war, an dem der 2. Mai 1969 vorgearbeitet werden sollte.26 Allerdings erhöhte sich die Zahl der Anmeldungen noch erheblich. Am 3. April lagen 100 Zusagen vor, am H.April waren es ca. 200, womit die Kapazität der Tagung erschöpft war. Im wesentlichen meldeten sich „Laien" an, die Zahl der Pfarrer, vor allem der jüngeren, war äußerst gering.27 Die tatsächliche Teilnehmerzahl lag schließlich bei 216 Personen.28 Bereits auf dem „Kongreß der 1000" war es um die Frage gegangen, wie das Evangelium unter den Bedingungen der Gegenwart an „die anderen" weitergegeben werden könne. Daran anknüpfend wurde auf der Tagung zur Kongreß-Weiterarbeit die Frage, welche Bedeutung aktuelle Herausforderungen für das Handeln und Reden der Kirche haben dürfen und müssen, gestellt und an der sogenannten „modernen Theologie" verdeutlicht - wobei Verunsicherungen durch die „Gott-ist-tot-Theologie" in den Gemeinden im „westlichen Sachsen, die mehr Möglichkeiten des Fernsehempfangs hatten als wir im ,Tal der Ahnungslosen'29", eine wesendiche Rolle spielten.30 Das Einstiegsreferat „Moderne Theologie - Gehorsam oder Unglaube" hielt der Leipziger Studentenpfarrer Konrad Hüttel von Heidenfeld. Er hob darin hervor, daß die Veränderung der theologischen Aussage, wie sie für die „moderne Theologie" kennzeichnend wäre, durch „die Anforderung neuen Dienstes, das Aufgreifen neuer Verantwortung bedingt" sei. Erst durch dieses Umsprechen werde die Theologie den neuen Herausforderungen gerecht und mache „den Weg frei für neue Dienste und Verantwortungen".31 Die Diskussion, in der allerdings auch deudich darauf hingewiesen wurde, daß man „moderne Theologie" eigendich zu wenig kenne, um 25 Vgl. Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Kongreß-Weiterarbeit (Herbert Gehre), An die Mitglieder des Ausschusses für Kongreß-Weiterarbeit, 28.3.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). & Der 1. Mai fiel 1969 auf einen Donnerstag, so daß sich damit ein langes Wochenende von vier Tagen ergab. 27 Vgl. Herbert Gehre, Herrn Johannes Cieslak, 28.7.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 28

[KONGRESS UND KIRCHENTAG IN DER EV.-LUTH. LANDESKIRCHE SACHSENS]: K i r c h e n -

tagskongreßarbeit, Kirchentagsarbeit, S. 4. 24 Bezeichnung für den südösdichen Winkel der DDR, in dem der Empfang wesdicher Fernsehsender oder westlichen UKW-Rundfunks nicht möglich war. 30 Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 6. " Hüttel von Heidenfeld, Thesen zum Referat: „Theologie heute - Gehorsam oder Unglaube", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25.726.10.1969).

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V o n der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

fundiert darüber reden zu können,32 bewegte sich dann vor allem um zwei Fragenkomplexe. Zum einen wurde darüber diskutiert, ob „moderne Theologie" in ihrem Eingehen auf neue Herausforderungen auch etwas von ihrer Substanz preisgebe oder ob „moderne Theologie" die Inhalte lediglich situationsbezogen und damit neu und anders, jedoch ohne Substanzverlust formuliere.33 Zum anderen wurden die Aussagen des Vortrags auf die aktuelle Situation angewandt. Dabei ging es darum, ob nicht auch in der gegenwärtigen Situation der Gemeinden in der DDR eine solche Herausforderung liege, daß Theologie ganz neu auf sie eingehen müsse, und wie eine in diesem Sinne „moderne Theologie" aussehen könnte, „um Hilfe [zu] geben, damit wir wieder bei den anderen sind".34 Am 2. Tagungstag standen in Fortführung des begonnenen Themas die „Bedingungen schöpferischen Denkens" im Mittelpunkt Das Einstiegsreferat hielt der Leipziger Diplomphysiker Manfred Glück. Dieser ging von der Kernthese aus: „Das Evangelium entbindet den Menschen aus dem Reglement des Gesetzes und fordert ihn in jeder Situation zu schöpferischem Denken."35 Die Gruppenarbeit am Sonntag sollte im Zeichen dieses Referates stehen, Berichte dazu sind jedoch nicht überliefert 36 Am Ende des Kongresses stand die Einsicht, daß kirchliches Reden und Handeln situationsgemäßer und - wie Glück formulierte - schöpferischer sein müsse, auch wenn sich das nicht sofort in einer neuen Theologie niederschlage. Diese Aufgabe sahen die Kongreßteilnehmer in besonderer Weise auch als ihre Aufgabe an, was unter anderem in der Frage nach einem speziellen Selbstverständnis der Delegierten zum Ausdruck kam. 32 „Es zeigte sich, daß zu einem fruchtbaren Gespräch über diese Probleme entsprechende genaue Kenntnisse der modernen Theologie bei den Teilnehmern fehlen. Dies müßte für eine zielgerichtete, sinnvolle Diskussion, bei der Ergebnisse erwartet werden können, in der Zukunft vorausgesetzt werden" (Siegfried Kühn, Bericht der Arbeitsgruppe 4, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969], S. 2; auch Wolfgang Butry, Protokoll zur Diskussion über das Referat „Moderne Theologie", undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10. 1969]). 33 Vgl. Wolfgang Butry, Protokoll zur Diskussion über das Referat „Moderne Theologie", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10. 1969). Ein Bericht aus einer anderen Arbeitsgruppe vermerkte, daß man sich über diese Frage „nicht geeinigt" hätte (Gespräch zum Referat „Theologie heute . . . " , 26.4.1969 [KKTArchiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969]). 34 Wolfgang Butry, Protokoll zur Diskussion über das Referat „Moderne Theologie", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10. 1969); Gespräch zum Referat „Theologie heute . . . " , 26.4.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969). 35 Vgl. Hans Wiede, Neues schöpferisches Denken. Kongreß-Weiterarbeit am 26./27. April in Dresden, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 25./27.4.1969 und 25./26.10.1969). * Auch das Referat selbst ist nicht erhalten.

Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weiterarbeit" 1969

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In einem zeitgenössischen Bericht hieß es zu diesem Kongreß einschätzend: „Für die Kongreß-Teilnehmer, die mit sichdichem Einsatz bei der Sache waren, konnten diese Ausführungen naturgemäß nur erste Anstöße und Aufrisse sein. Sie beschlossen, auf weiteren Tagungen die Erkenntnisse situationsgemäßer Theologie an Beispielen biblischer Texte zu demonstrieren und sich in der Zwischenzeit mit modemer theologischer Literatur vertraut zu machen und im übrigen auf kleineren Begegnungen gemeinsam in ihre Gemeinden und Ephorien hineinzuwirken. Der Kongreß, an dem auch zahlreiche prominente Vertreter der Landeskirche teilnahmen, schloß mit dem Wunsch nach einem eigenen Selbstverständnis seiner Delegierten.37 Man erkannte die Aufgabe, die Sachpunkte der Beratungen in den Wachstumsprozeß neuen kirchlichen Denkens einfließen zu lassen, ohne daß es jedoch zu einem Riß in den Beziehungen der Gemeindeglieder untereinander kommen dürfe." 38

Ablauf der Tagung für Kongreß-Weiterarbeit, 26.-27. April 1969, in der Versöhnungskirchgemeinde in Dresden-Striesen: Sonnabend, 26. April 9.00

Begrüßung und Eröffnung der Tagung, Johannes Cieslak

930

Bibelarbeit in den Gesprächsgruppen über 1 Kor 12

14.00

Referat: „Moderne Theologie - Gehorsam oder Unglaube?", Konrad Mittel von Heidenfeld

15.30

Arbeit in den Gesprächsgruppen zum Referat

19.30

Abend der Begegnung

Sonntag, 27. April 8.30

Gottesdienst in der Versöhnungskirche, Predigt: Jes 40,26-31, [Erhard Wonneberger]*

9.30

Referat: „Die Bedingungen schöpferischen Denkens", Manfred Glück

10.45

Arbeit in Gesprächsgruppen zum Referat

13.30

Fortführung der Gruppengespräche

anschl.

Plenum

15.30

Abschluß der Tagung, Johannes Cieslak

*OKR Wonneberger war für die Predigt vorgesehen. Dieser Plan wurde jedoch aus unbekannten Gründen kurzfristig geändert Die Gründe dafür lagen vermudich beim Ausschuß für Kongreßarbeit, da dieser sich in der Pflicht sah, Wonneberger um die Predigt auf dem nächsten Kongreß im Herbst zu bitten (vgl. Pfarrer Dietrich Mendt, Kongreßweiterarbeit: zum Programm der Oktobertagung 1969, 5.6.1969 [KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970], S. 1).

37 Vgl. auch Jürgen Cieslak, Folgende Aufgaben wären nötig, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: K o n g r e ß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969). 18 H a n s Wiede, Neues schöpferisches D e n k e n . Kongreß-Weiterarbeit am 26./27. April in Dresden, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: K o n g r e ß 25./27.4.1969 und 25./26.10.1969).

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Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

Die Auswertung der Tagung sowie der Werdegang der weiteren Planung spiegeln sich in den Akten nur bruchstückhaft wider.39 Deutlich erkennbar ist allerdings, daß das Vorhaben an sich, obwohl das Referat von Hüttel von Heidenfeld von vielen als Uberforderung empfunden worden war,40 breite Zustimmung erfahren hatte. In diesem Zusammenhang wurde sogar der Vorschlag laut - der jedoch „nicht einheitlich aufgenommen"41 wurde noch im gleichen Jahr eine weitere Tagung dieser Art durchzuführen. Zur Thematik dieser eventuellen Herbsttagung unterbreitete Hüttel von Heidenfeld als Referent der vorangegangenen Frühjahrsveranstaltung einen ausführlichen Vorschlag, bei dem es anscheinend42 vor allem darum ging, auf dieser Herbsttagung zum begonnenen Thema einer modernen, situationsbezogenen Theologie weiterzuarbeiten. Dabei sollten auch die Evangelischen Studentengemeinden (ESG) in Leipzig und Dresden, die ihre Unterstützung wohl ausdrücklich angeboten hatten (Hüttel von Heidenfeld war in dieser Zeit Studentenpfarrer in Leipzig), in besonderer Weise (etwa bei der Gesprächsleitung in den Arbeitsgruppen) beteiligt werden. Weiterhin mahnte er für den zweiten Tagungstag eine stärkere Praxisorientierung an. Dieser Vorschlag wurde insbesondere von Pfarrer Dietrich Mendt aufgegriffen, der ihm „im großen und ganzen" zustimmte. Bezüglich der auch von ihm befürworteten Beteiligung der Studenten fügte er allerdings hinzu: Ich hielte „es aber für nötig, daß die Studenten sich mit Gliedern der Leipziger Gemeinden . . . vorbereiten, möglichst auch mit Nichtakademikern, w a s nicht

" Im wesentlichen bandelt es sich um zwei Dokumente: um eine ausführliche Stellungnahme Pfarrer Dietrich Mendts zu einem im Original nicht erhaltenen Vorschlag des Leipziger Studentenpfarrers Hüttel von Heidenfeld (Pfarrer Dietrich Mendt, Kongreßweiterarbeit: zum Programm der Oktobertagung 1969, 5.6.1969 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970]) sowie das Protokoll der Zusammenkunft des Ausschusses am 13.Juni (Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit, Protokoll über die Zusammenkunft des Vorbereitungskreises [Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit] am Freitag, 13.Juni 1969 10.00 Uhr in Dresden, Dr. Conert-Str. 8, 25.6.1969 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970]). 40 „In der Sache war es ein gutes Referat. Allerdings ist es ihm nicht gelungen, die Leute dort abzuholen, wo sie standen. Er bot hohe Theologie, was für die Leute eine Uberforderung darstellte. Bei diesem Kongreß waren zum Beispiel fromme Erzgebirgler dabei. Sie sind jahrelang nicht wiedergekommen, weil sie gesagt haben, das sei nichts für sie. Erst am großen Kongreß 1975 in Dresden haben sie sich wieder beteiligt und waren dann auf dem Hintergrund ihrer Erfahrungen von 1969 über den Kongreß ganz erstaunt" (Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 6). 41 Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit, Protokoll über die Zusammenkunft des Vorbereitungskreises (Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit) am Freitag, 13. Juni 1969 10.00 Uhr in Dresden, Dr. Conert-Str. 8, 25.6.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 1. 42 Der Vorschlag selbst ist im Original zwar nicht erhalten, jedoch aus den erhaltenen Stellungnahmen rekonstruierbar.

Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weiterarbeit" 1969

235

unbedingt heißen muß, daß sie sich mit ihnen auch . . . die Gruppenleitung teilen. Dies ist ausschließlich eine Frage der Begabung zur Gesprächsleitung. Aber die gemeinsame Vorbereitung ist nötig, damit die Studenten mit beiden Beinen auf der Erde bleiben und etwas vortragen, was die Kongreßteilnehmer verstehen, die sich zu einem großen Teil aus Nichtakademikern zusammensetzen."43

Darüber hinaus griff Mendt die von Hüttel von Heidenfeld angemahnte Hinwendung zur Praxis auf. Im Interesse dessen, „daß die Teilnehmer mit konkreten Arbeitsvorhaben wieder nach Hause fahren und auf diese Weise für die nächsten Treffen konkrete Erfahrungen sammeln können", schlug er vor: „Wäre es nach den Ergebnissen der Aussprache auf dem Kongreß nicht gut, das Thema Werner Krusches [sc. vom Kongreß 1968] noch einmal aufzunehmen mit dem Versuch, es verständlicher zu machen. Ich meine dabei folgende Frage: der Zusammenhang zwischen Auftrag und Gestalt der Gemeinde muß denkerisch bewältigt werden. D. h. die Teilnehmer müssen das so kapieren, daß sie damit ein handfestes Kriterium ihrer heimatlichen Gemeindearbeit in die Hand bekommen."44

In Konkretisierung dieses Vorschlags griff er den bereits auf der Frühjahrstagung angesprochenen Plan einer verstärkten Arbeit an biblischen Texten auf. Mendt regte an, auf der Herbsttagung den Zusammenhang von Gemeindesituation, Gestalt der Gemeinde und Theologie dieser Gemeinde anhand der neutestamentlichen Schriften darzustellen. Denn auch in ihnen spiegelten sich unterschiedliche Situationen wider, auf die in Wahrnehmung des Auftrags der Gemeinde mit einem jeweils anders akzentuierten theologischen Entwurf und einer anderen Gestalt von Gemeinde eingegangen worden sei.45 Auf seiner Sitzung am 13. Juni 1969 entschied sich der Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit endgültig für die Durchführung einer weiteren Tagung im Herbst, deren Rahmen er festlegte. Sie sollte am 25./26. Oktober - wiederum im Gemeindehaus der Versöhnungskirche in Dresden-Striesen - stattfinden. Bei der konkreten Planung wurden im wesentlichen die Vorschläge von Hüttel von Heidenfeld und Mendt umgesetzt. Die „Lehre" sollte lediglich am Sonnabend im Mittelpunkt stehen, während der Sonntag praxisbestimmt sein sollte. Hinsichtlich der „Lehre" am Sonnabend folgte man Mendts Vorschlag einer bibelorientierten Arbeit. Der praxisorientierte Teil am Sonntag sollte sich - unter dem Thema „... Kirche für die anderen" anhand dreier ausgewählter Beispiele den verschiedenen Situationen dieser

43 Pfarrer Dietrich Mendt, Kongreßweiterarbeit: zum Programm der Oktobertagung 1969, 5.6.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 1. 44 А. а. O., S. 1 f. 45 Vgl. а. а. O., S. 2.

236

V o n der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

„anderen" heute z u w e n d e n . D i e Beteiligung der Studentengemeinden Leipzig und D r e s d e n w u r d e begrüßt und vermerkt: „Etwa 5 0 - 6 0

Studenten

sind z u berücksichtigen." Angesichts des Interesses aus d i e s e m

Bereich

w u r d e d i e Z a h l d e r T e i l n e h m e r e t w a s h ö h e r als bei d e r F r ü h j a h r s t a g u n g angesetzt („250-300

maximal").46

D i e E i n l a d u n g z u r H e r b s t t a g u n g w u r d e u n t e r d e m D a t u m d e s 1 O.Juli verschickt Eingeladen wurden v o r allem die „Teilnehmer des K o n g r e s s e s / Landeskirchentages greß-Weiterarbeit'

1968" sowie die Teilnehmer „der T a g u n g für , Κ ο η 1 9 6 9 " . 4 7 In A u s w e r t u n g d e r B e t e i l i g u n g a n d e r F r ü h -

jahrstagung w u r d e darüber hinaus e r w o g e n , „ob w i r nicht ein besonderes Einladungsschreiben

an jüngere Pfarrer schicken, damit die

Beteiligung

dieses Standes e t w a s g r ö ß e r w i r d als bei d e r letzten Tagung". D i e s e s schien u m s o w i c h t i g e r , d a in P f a r r e r k r e i s e n , v o r a l l e m u n t e r d e n S u p e r i n t e n d e n t e n „eine g e w i s s e A v e r s i o n g e g e n die K o n g r e ß a r b e i t z u bestehen" schien.48 D e r V o r s c h l a g erhielt die Z u s t i m m u n g des Ausschußvorsitzenden (Cieslak), d e r auf eine entsprechende A n r e g u n g H e r b e r t G e h r e s antwortete: „Ich bin mit D i r d e r M e i n u n g , d a ß wir versuchen müssen, möglichst viele Pfarrer im O k t o b e r nach D r e s d e n z u b e k o m m e n . D a b e i sollten sich auch die Ausschußmitglieder aktiv einschalten."49 Anders als bei der Frühjahrsveranstaltung ergingen z u dieser zweiten T a g u n g auch Einladungen an die Kirchentagslandesausschüsse benachbarter Landeskirchen. U n t e r d e m D a t u m des 12. September 1969 wurden fünf Einladungen an den Vorsitzenden des Kirchentagslandesausschusses der Görlitzer Kirche gesandt, 5 0 die von dort allerdings nicht w a h r g e n o m m e n werden konnten. 5 1 Darüber hinaus wurden Vertreter des Landesausschusses der Kirchenprovinz Sachsen eingeladen.

Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit (Herbert Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Vorbereitungskreises (Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit) am Freitag, 13.Juni 1969 10.00 in Dresden, 25.6.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 47 Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Kongreß-Arbeit (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Kongresses/Landeskirchentages 1968 und der Tagung „Kongreß-Weiterarbeit" 1969, 10.7.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). « Vgl. Herbert Gehre, Herrn Johannes Cieslak, 28.7.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 49 Johannes Cieslak, Lieber Herbert, 7.8.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 50 Herbert Gehre, Lieber Bruder Roch, 12.9.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969). 51 Pfarrer Hans Roch sagte erst im nachhinein - unter dem Datum des 3. November 1969 - ab. Er entschuldigte sich für dieses Versäumnis, diese Sache sei jedoch durch eigene landeskirchliche Verpflichtungen „leider völlig in den Hintergrund" getreten. Er fügte hinzu: „Ich möchte ausdrücklich betonen, daß dies kein Mangel an Interesse gegenüber Ihrer Arbeit ist Wir sind im Gegenteil sehr daran interessiert" (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26У27.4.1969 und 25./26.10.1969).

Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weiterarbeit" 1969

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Das geschah freilich recht spät, so daß die betreffenden Anmeldungen erst am 20. bzw. 22. Oktober eingingen.

Bei der Vorbereitung dieser Herbsttagung waren neben der thematischen Planung auch einige organisatorische Probleme zu bewältigen.52 Eines betraf die Verpflegung der Teilnehmer. Da sich bei der Frühjahrstagung gezeigt hatte, daß die Küche der Versöhnungskirche die Versorgung der dortigen Kongreßteilnehmer nicht bewältigen konnte, wurde zur Herbstkonferenz auf die bereits während des Kirchentagskongresses 1968 bewährte Küche der Heilig-Geist-Kirchengemeinde in Dresden-Blasewitz zurückgegriffen.53 Ebenfalls schwieriger als erwartet erwies es sich, erneut eine ausreichende Anzahl von Quartieren (bei Dresdner Gemeindegliedern) bereitzustellen. Bis Mitte Oktober hatten sich 230 Teilnehmer angemeldet54 Das sei - so Herbert Gehre - angesichts der schwierigen Quartierbeschaffung „das Äußerste, was wir bewältigen können" - obwohl anfangs mit 300 Teilnehmern gerechnet worden war. Er bat deshalb, keinesfalls mehr Teilnehmer mitzubringen als notiert 55 Als ein weiteres Problem kristallisierte sich die Suche nach geeigneten Gruppenleitern für die Gesprächsgruppen heraus, obwohl eine grundsätzliche Bereitschaftserklärung insbesondere der Leipziger ESG vorlag. Als der Leipziger Studentenpfarrer Anfang Oktober noch immer keine Zahlen und Namen zu nennen imstande war (für die von Mendt angeregte Vorbereitung der Gesprächsgruppenleiter in einem nichtakademischen Kontext war es ohnehin zu spät), sah sich der Ausschuß seinerseits nach Ersatz um, was sich angesichts der geringen Frist als schwierig erwies.56 Bereits auf der Sitzung des Ausschusses für Kongreß-Weiterarbeit am 13. Juni 1969 war beschlossen worden, im kirchlichen Wochenblatt »Der Sonntag" Artikel »über Themen und Fragen der Kongreß-Arbeit" zu publizieren.57 Ein erster Artikel erschien Anfang September in Nr. 41 des 52 Sie standen vermutlich auch im Mittelpunkt der Ausschußtagung am 21. September, von der jedoch kein Protokoll erhalten geblieben ist " Herbert Gehre, An die Heilig-Geist-Kirchgemeinde Dresden-Blasewitz, z.H. von Frau Inspektorin Schneider, Betr.: Tagung für Kongreß-Weiterarbeit am 25./26. Oktober 1969 in der Versöhnungs-Kirchgemeinde Dresden, 18.9.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25-/26.10.1969). 54 Herbert Gehre, Herrn Studiendirektor Dr. Johannes Hempel, 11.10.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969). 55 Vgl. u. a. Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 (Gehre), Fräulein Hanna Kahl, 13.10.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969). 56 Vgl. Johannes Hempel, Lieber Bruder Gehre, 4.10.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969). >? Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit (Herbert Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Vorbereitungskreises (Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit) am Freitag, 13.Juni 1969 10.00 Uhr in Dresden, Dr.-Conert-Str. 8, 20.6.1969 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 2.

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V o n der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

„Sonntag", weitere, die unter anderem auch auf die bevorstehende Tagung im Oktober hinwiesen, folgten in Nr. 42 und 44. Diese Artikel lenkten nachdem die örtlichen und regionalen Staatsfunktionäre von der Frühjahrstagung anscheinend keine Notiz genommen hatten - die Aufmerksamkeit der staadichen Seite auf die geplante Herbsttagung. Vor allem die in den Zeitungsartikeln für den im Oktober geplanten Kongreß verwendete Bezeichnung „Kongreß der Bedrängten, Resignierten" rief Einspruch der für Kirchenfragen zuständigen Dienstelle beim Rat des Bezirkes hervor. Das dortige Referat Kirchenfragen sah mit diesen Artikeln ein Verständnis provoziert, „wonach der Sozialismus eine große Zahl von resignierten Menschen hervorbringe und angeblich nur die Kirche helfen könne".58 Als erste Maßnahme der staatlichen Seite wurde Herbert Gehre als Sekretär des Ausschusses am 3. Oktober in den Rat des Bezirkes bestellt, wo er über „Sinn und Zweck" des geplanten Kongresses befragt wurde. Gehre erklärte dort - laut staatlichem Protokoll - , daß es sich hierbei „nicht um einen Kongreß im landläufigen Sinne mit Delegierten, sondern eher um eine Mitarbeiterkonferenz" handele. Ihre Absicht sei es, „hauptund ehrenamtliche Gemeindefunktionäre (Leiter von Frauendiensten, Männerwerken, Pfarrer und aktive Laien) für den Dienst an Einsamen, Resignierten zuzurüsten". Inhaklich gehe es vor allem um die Interpretation biblischer Texte, die Teilnehmer kämen lediglich aus der sächsischen Landeskirche, „es gebe auch keinen Einfluß aus dem Westen".59 Der neue Referatsleiter für Kirchenfragen, Horst Dohle, nahm Gehres Ausführungen zur Kenntnis, folgerte daraus allerdings, „daß er offensichdich den Charakter und politischen Zweck dieses Treffens untertreiben wollte".60 „Nach erneuter Absprache auf Bezirksebene und mit zentralen Dienststellen" wurden zum 20. Oktober der Präsident des Landeskirchenamtes, Dr. Johannes, und Oberlandeskirchenrat v. Brück (die über das vorangegangene Gespräch mit Gehre nicht unterrichtet waren)61 zum Sekretär des

58 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Kongreß der Bedrängten, Resignierten am 25. und 26. Oktober 1969 in Dresden, 20.10.1969 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2968, Bl. 159-160 - siehe Dok. 3), S.2. » A.a.O., S. 1. 40 Ebd. " Beide wurden von Referatsleiter Dohle über das vorangegangene Gespräch informiert, ohne daß für sie erkennbar gewesen wäre, ob Döhles Darstellung zutreffend sei oder ob er versuchte, die verschiedenen kirchlichen Instanzen gegeneinander auszuspielen: „Herr Dohle läßt schließlich erkennen, daß schon zur gleichen Sache ein Gespräch mit Herrn Herbert Gehre geführt worden sei, der nach den Worten Döhles für das Anliegen, wie es der Rat des Bezirkes vorgebracht habe, großes Verständnis gezeigt habe. Wir beide befinden uns in diesem Augenblick in einer schwierigen Situation, weil Herr Gehre über dieses Gespräch nichts dem Landeskirchenamt gegenüber hat verlauten lassen" (von Brück, Niederschrift, undatiert [Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, Nr. 1018, Bd. 4]).

Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weiterarbeit" 1969

239

Rates des Bezirkes bestellt. In dem anschließenden Gespräch62 wurde ihnen „erklärt, daß die Kirche ihr Recht überschreitet, wenn sie in dieser Weise tätig ist Es widerspreche der Schaffung der sozialistischen Menschengemeinschaft, wenn die Kirchen das Problem der alten und einsamen Menschen als ein Grundsatzproblem der Gesellschaft hinstellen und daraus Existenz und Funktion der Kirche ableiten wollen. Das sei die Übertragung westdeutscher Vorstellungen auf die sozialistische Gesellschaft in der DDR."63 Die kirchlichen Gesprächspartner ihrerseits skizzierten unter Hinweis auf den staatlichen Einspruch gegen den 1968 geplanten Landeskirchentag kurz die Entstehung der Kongreßarbeit und wiesen den Vorwurf, hier solle Grundsatzkritik an der sozialistischen Gesellschaft betrieben werden, als Mißverständnis zurück. Allerdings gaben sie auch zu verstehen, daß sie das von den Marxisten in der DDR vertretene optimistische Menschenbild für einseitig hielten. „Es entspinnt sich ein Gespräch über das Verständnis einer optimistischen und realistischen Menschensicht. Wir weisen auch darauf hin, daß nicht nur die äußeren Voraussetzungen zu bessern eine Hilfe für den Menschen bedeutet, sondern daß noch viel zentralere Fragen hier zur Debatte stehen, die Christen und Marxisten sehr unterschiedlich deuten und bewerten."64

Ansonsten wurde zugesagt, daß die Formulierung „Kongreß der Bedrängten, Resignierten"65 künftig nicht mehr verwendet werde.66 In den kirchlichen Einladungen war die Tagung ohnehin ohne besonderes Motto lediglich als weitere Tagung für „Kongreß-Weiterarbeit" angekündigt worden.

62 Vgl. dazu Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Kongreß der Bedrängten, Resignierten am 25. und 26. Oktober 1969 in Dresden, 20.10.1969 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2968, Bl. 159-160 - siehe Dok.3) sowie von Brück, Niederschrift, undatiert (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, Nr. 1018, Bd. 4). 65 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Kongreß der Bedrängten, Resignierten am 25. und 26. Oktober 1969 in Dresden, 20.10.1969 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2968, Bl. 159-160 - siehe Dok.3), S. 1. " von Brück, Niederschrift, undatiert (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, Nr. 1018, Bd. 4). 65 Aus den kirchlichen Unterlagen ist nicht erkennbar, warum dieser Begriff überhaupt verwendet wurde. Da er anscheinend ausschließlich mit den Veröffentlichungen im Dresdner „Sonntag" verbunden gewesen zu scheint, war er möglicherweise sogar als taktische Verharmlosung des Kongreßanliegens gedacht Ziel der Kongreßarbeit war es ja nicht Randgruppenarbeit zu leisten oder einzelnen „Bedrängten" und „Resignierten" Trost zu spenden, sondern den Herausforderungen der sich wandelnden Situation in den DDR-Gemeinden gerecht zu werden. " Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Kongreß der Bedrängten, Resignierten am 25. und 26. Oktober 1969 in Dresden, 20.10.1969 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2968, Bl. 159-160 - siehe Dok.3), S. 1 f.

240

Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

Der Kongreß befaßte sich - wie geplant - am Sonnabend mit der Bedeutung der jeweiligen Situationen für Verständnis und Anwendung biblischer Texte. Den Ausgangspunkt bildete ein Referat von Johannes Hempel „Notwendige Voraussetzungen zum Verständnis der Bibel". Darin hob er - anschaulich und auch für Nichtakademiker verständlich67 - die Situationsbezogenheit der biblischen Texte hervor, die insofern erst dann recht verstanden seien, wenn „das Zusammenschmelzen von Inhalt und Situation zu einer lebendigen Anrede" durchschaut werde. Für das heutige Verständnis der Texte einerseits bedeute das ein notwendiges Bemühen um die Situation, in die hinein sie gesprochen sind, für ihre Anwendung heute andererseits eine „immer neue, gründliche Beschäftigung mit charakteristischen Problemen und Situationen unserer Zeit" sowie ein „Umsprechen" der Texte in diese neue Situation hinein.68 Am Sonntag ging es dann - wie vorgesehen und im Referat von Hempel noch einmal gefordert - um „charakteristische Probleme und Situationen unserer Zeit". Als Einstieg für die Diskussion wurden kurze Erfahrungsberichte gegeben: einer Hausfrau, eines Fabrikarbeiters, eines Leiters einer landwirtschaftlichen Abteilung (Tierproduktion). Ablauf der Tagung für Kongreß-Weiterarbeit, 25.-26. Oktober 1969, in der Versöhnungskirchgemeinde in Dresden-Striesen69: Sonnabend, 25. Oktober 9.00

Begrüßung und Eröffnung, Johannes Cieslak

9.20

Orientierungen, Herbert Gehre

9.30

Bibelarbeit in neun Gesprächsgruppen zu Mt 10,34-39 / Röm 13,8-10

14.00

Referat: „Notwendige Voraussetzungen für das Verständnis der Bibel", Johannes Hempel

15.30

Arbeit in neun Gesprächsgruppen zum Referat

17.15

Plenum - Berichte aus den Gesprächsgruppen

19.30

Gesprächsmöglichkeiten, Austausch, Orientierungen

67 Hanna Kahl im Rückblick: „Es war für mich das erste Mal, daß ich miterlebte, wie das, was Pfarrer schon seit Jahrzehnten wissen, in einem großen Rahmen einfachen Christen dargelegt wurde. Hempel machte deutlich, wie das Wort zu verstehen ist, nämlich nicht fundamentalistisch, sondern von einer konkreten Situation her" (Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 7). 68 Vgl. Johannes Hempel, Thesen zu „Notwendige Voraussetzungen zum Verständnis der Bibel" (Kongreß-Arbeit 25.-26. Oktober 1969), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969 und 25./26.10.1969 - siehe D o k . 4 ) . " Nicht alle Gesprächsgruppen konnten im Gemeindehaus der Versöhnungskirche Platz finden. Zwei Arbeitsgruppen tagten in der Erlöser-Andreas-Kirchgemeinde und eine in der Thomas-Kirchgemeinde.

Die Wochenendrüsten für „Kongreß-Weiterarbeit" 1969

241

Sonntag, 26. Oktober

8.30

Gottesdienst in der Versöhnungskirche, Predigt: Mt 10,34-39, Erhard Wonneberger

10.00

Situationsbeispiele: „... Kirche für die anderen"

anschl.

Weiterarbeit in neun Gesprächsgnippen

14.00

Plenum

15.00

Zusammenfassung, Hanna

15.30

Abschluß der Tagung

Kahl

An direkten Reaktionen auf diesen Kongreß ist lediglich eine Stellungnahme des „Kongreß-Kreises" der ESG Leipzig erhalten.70 Die Leipziger Studenten, die ursprünglich einen Teil der Gesprächsleiter stellen sollten, waren auf dem Kongreß doch noch - allerdings mit Verspätung71 erschienen. In einer zum Kongreß abgegebenen Stellungnahme erklärten sie die Verständigungsschwierigkeiten im Vorfeld des Kongresses mit ihren „vorher recht unklaren Vorstellungen von der Kongreßarbeit", die nun aber beseitigt wären.

In ihrer Stellungnahme schätzten die Studenten den Kongreß als „von einer guten, weitgehend vorurteilsfreien, sachlichen Atmosphäre getragen" ein und erklärten angesichts dessen erneut ihre Bereitschaft zur Mitarbeit: „Wir halten es für uns und den Kongreß für sinnvoll und nützlich, daß die SG an dem Kongreß teilnimmt, mitarbeitet und in Zukunft mit vorbereitet"72 In diesem Zusammenhang wurde allerdings auch an der Gewichtung der Themen wie an der „autoritären" Durchführung des Kongresses Kritik geübt. Ersteres betraf die biblische Orientierung der Kongreßarbeit am Sonnabend, womit weniger das Referat von Hempel, das ausdrücklich gelobt wurde, gemeint war als vielmehr die Bibelarbeit am Vormittag. Weiterer Kritikpunkt war der Gottesdienst, bei dem es sich um den - vom 70 Obwohl der Referatsleiter des Bereiches Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden, Horst Dohle, seinen Bericht über die Gespräche mit Herbert Gehre und Präsident Johannes/ O L K R v. Brück mit dem Satz Schloß: „Die Veranstaltung am 25. und 26.10. wird von uns durch entsprechend ausgewählte Informanden besucht werden" (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Dr. Dohle], Betr.: Kongreß der Bedrängten, Resignierten am 25. und 26. Oktober 1969 in Dresden, 20.10.1969 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 2968, Bl. 159-160 - siehe Dok. 3], S. 2), ist ihm dieses Vorhaben offensichtlich nicht gelungen. Sonst wäre die Fehleinschätzung der Teilnehmerzahlen dieses Kongresses ein J a h r später (50 statt 230) nur schwer verständlich (vgl. unten S. 250). 71 Nach eigenen Angaben hatte einerseits der Zug Verspätung, anderseits wurde der Weg vom Hauptbahnhof nach Dresden-Striesen unterschätzt (Wolfram Herwig [i.A. des „Kongreß-Kreises" der ESG Leipzig], Gedanken zur Kongreßarbeit am 25.-26.10.69, 10.12.1969 [KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71]). 72 Ebd.

242

Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

Kongreßausschuß gestalteten - regulären Sonntagsgottesdienst der Versöhnungsgemeinde gehandelt hatte. „Nachdem wir erarbeitet hatten, daß Gottes Anrede in unsere Situation um- bzw. neu zu sprechen ist und daß dies (wie vieles andere) лиг von einer Gruppe geleistet werden kann, mußte man erwarten, daß man diese Erkenntnis sofort, noch auf dem Kongreß versucht anzuwenden. Der Gottesdienst mißachtete das. Die Predigt hätte im Kollektiv überarbeitet werden müssen. Die Liedwahl war unpassend. Wir brauchen einen eigenen Kongreß-Gottesdienst, der das Bemühen um zeitgemäßere Form und Inhalt zum Ausdruck bringt. Dieser Gottesdienst muß zwar vorher bereits vorbereitet sein, aber so, d a ß jederzeit Abänderungen durch interessierte Kongreßgruppen möglich sind, ohne daß man Rücksichten auf die gastgebende Gemeinde nehmen b r a u c h t An der Vorbereitung des Kongreß-Gottesdienstes könnten sich die Studentengemeinden beteiligen." 73

In seiner Sitzung am 28. Februar 1970 diskutierte der Ausschuß für Kongreßarbeit die Kritik der Leipziger Studenten und versuchte diese im weiteren Verlauf der Planung für den nächsten Kongreß weitgehend zu berücks ich tigen. Trotz der geübten Kritik und den nachfolgenden Versuchen, ihr gerecht zu werden, stand jedoch mit dem Herbstkongreß die Form der Kirchentagskongresse für die nächste Zeit fest: Bibelarbeit in Gruppen sowie Sachreferate und nachfolgende thematische Arbeit in Gesprächsgruppen. Als ein Zeichen dafür, daß es sich bei den Arbeitsform (und nicht nur um eine Nachlese noch vor der Herbsttagung die Bezeichnung Kongreß-Weiterarbeit" außer Gebrauch und greß-Arbeit" ersetzt.

Kongressen um eine eigenständige zum 68er Kongreß) handelte, kam des Ausschusses als „Ausschuß für wurde durch „Ausschuß für Kon-

4.2. Der „Kirchentagskongreß" 1970 Ob und in welcher Weise auf der Herbsttagung für Kongreß-Weiterarbeit Pläne für das nächste Jahr, also 1970, zur Sprache gekommen waren, läßt sich nicht mehr erkennen. Da jedoch an keiner Stelle Kritik an dem Vorhaben, für 1970 nur noch eine Tagung vorzusehen, greifbar wird, ist nicht auszuschließen, daß es sich hierbei um einen Konsens handelte, der auf der Herbsttagung zumindest angesprochen worden war. Vermutlich wurde die Zeit bis zur nächsten Tagung als Zeit der Weiterarbeit vor Ort in den Gemeinden verstanden. Die Einladung zum nächsten Kongreß spricht diese zwischenzeitliche Weiterarbeit dann auch ausdrücklich an.74 75 74

Ebd. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Joh. Cies-

Der „Kirchentagskongreß" 1970

243

Die Entscheidung über Zeit und Ort des nächsten Kongresses fiel auf der Ausschußsitzung am 3. Januar 1970.75 Als Termin wurde dort die Zeit vom 25. bis 27. September vorgesehen, wobei erstmals der Freitagabend einbezogen wurde.76 Tagungsort sollte wiederum die Versöhnungsgemeinde in Dresden-Striesen sein. Die Thematik dieses Kongresses wurde auf der nächsten Ausschußsitzung am 28. Februar 1970 beraten.77 Die Überlegungen dazu setzten - entsprechend dem seinerzeit von Mendt unterbreiteten Vorschlag und ohne daß es noch einmal einer besonderen Entschließung in dieser Sache bedurft hätte - bei dem missionarischen Auftrag der Kirche und seiner situationsgemäßen Wahrnehmung ein. Angesichts der verbreiteten Sprachlosigkeit von Christen gegenüber An- und Rückfragen der nichtchristlichen Umwelt sollte der Kongreß unter der Frage stehen: „Was haben wir [den anderen]78 anzubieten?" Erste Antwortversuche zur Themenentfaltung gingen vom „Angebot der Versöhnung" und dessen Bedeutung sowohl für den persönlichen wie auch für den kollektiven Bereich aus. Hinsichtlich des Ablaufs wurden zu diesem Thema für den Sonnabendnachmittag ein Referat und ein Korreferat mit anschließender Gruppenarbeit vorgesehen. Um Mißverständnissen bei den Referenten sowohl hinsichtlich der Thematik wie auch der Zielstellung des Kongresses vorzubeugen, sollten die Referate gemeinsam mit den Referenten im Ausschuß vorbesprochen werden. Der mehr theoretischen Arbeit anhand von Referaten wurden innerhalb der weiteren Ablaufplanung eine ausführliche Bibelarbeit79 sowie Arbeitseinheiten zur praktischen Umsetzung an die Seite gestellt80 Darüber hinaus wurde die Sachkritik der Leipziger Studenten

lak), Liebe Freunde der Kirchentagskongreßarbeit, 2.6.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 75 Deren Protokoll ist allerdings nicht erhalten. " Um den Sonnabend zu entlasten, sollte die Anreise bereits am Freitagabend stattfinden. Als Anreiz dazu wurden kulturelle Angebote erwogen (vgl. Mäurich/Gehre, Protokoll zur Arbeit des Ausschusses für Kongreß-Aibeit am 25. April 1970 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970], S. 1). 77 Ausschuß für Kongreß-Arbeit - Tagung am 28.2.1970 in Dresden-Jugendpfarramt. Protokoll, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). " Dieser im Blick auf das Thema von 1968 formulierte Zusatz wurde auf der Sitzung des Ausschusses am 25. April 1970 wieder gestrichen. 74 Im Gegensatz zu den sonstigen Vorschlägen der Leipziger Studenten wurde ihre Kritik an der Bibelorientierung des Kongresses weder aufgegriffen noch innerhalb des Ausschusses als diskussionswürdig angesehen. 110 Am Samstagabend „.Erfahrungen in und mit den Ortsgemeinden' in regionalen Zusammenkünften", am Sonntagvormittag Arbeit in den Gesprächsgruppen und am Nachmittag „Gruppenberichte mit detaillierten Programmvorschlägen für die Weiterarbeit in den Ortsgemeinden" (a.a.O., S.2).

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Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

aufmerksam gehört und ihr Angebot zur Mitarbeit angenommen.81 Am Ende der Sitzung lag bereits ein Programmentwurf für den Kongreß vor. Auf der nächsten Zusammenkunft des Ausschusses für Kongreß-Arbeit am 25. April 1970 wurde neben weiteren Überlegungen zur konkreten Gestaltung der für September vorgesehenen Tagung eine für die Fortführung der Kongreßarbeit insgesamt wesendiche Entscheidung getroffen. Die Ausschußmitglieder faßten den Beschluß, den bis dahin ehrenamdich als Sekretär des Ausschusses tätigen Herbert Gehre ab 1. Mai als hauptamtlichen Sekretär für Kongreß-Aibeit anzustellen. Diese Entscheidung spiegelte nicht nur die Erfahrung wider, daß der Arbeitsaufwand, der mit der Durchführung der Tagungen verbunden war, im Nebenamt nur mit Mühe bewältigt werden konnte, sondern entsprang vor allem der Einsicht, daß das Anliegen der Kongreß-Aibeit ein unverzichtbarer Bestandteil der gesamtkirchlichen Arbeit darstelle. Hinsichtlich der Ausgestaltung dieses Arbeitszweiges wurde an jährliche Tagungen in Analogie zur Kongreß-Weiterarbeit sowie an größere Kongresse ähnlich dem Kongreß 1968 in einem jetzt nur noch82 drei- bis vierjährigen Abstand gedacht 83 Dem Sekretär sollte dabei ein Geschäftsführender Ausschuß an die Seite gestellt werden.84 Weiterhin war dieser Schritt zur Institutionalisierung der Kongreßarbeit hinreichender Anlaß, auf die innovative und integrative Zielstellung der Kongreß-Arbeit hinzuweisen, die „kein neues Werk" werden, sondern „Zuarbeit und Mitarbeiterzurüstung für die Kirche von morgen" leisten wolle. Darüber hinaus fiel auf dieser Ausschußsitzung zum einen die Entscheidung, auf der nächsten Kongreß-Tagung den Gottesdienst - unter Auf81 Dieses Angebot wurde freilich wieder zurückgezogen, da der Kongreßtermin in die Semesterferien fiel (vgl. Pfarrer Hüttel von Heidenfeld, Herrn Diakon Herbert Gehre. Kongreß-Arbeit, 26.5.1970 [KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1970]). 82 Anderthalb Jahre zuvor dachte man noch an eine zwei- bis dreijährige Durchführung (siehe oben S. 227). 81 D e r auf der Sitzung diskutierte „Einsatzplan" des neuen Sekretärs umfaßte fünf Punkte: „1.) Organisation und Durchführung der jährlichen Tagungen für Kongreß-Weiterarbeit mit ca. 300 Personen. Dafür Kartei erstellen. Organisation und Durchführung größerer Vorhaben in der Form des Landeskirchentages 1968 (Kongreß) alle 3 bis 4 Jahre. 2.) Bereitstellung von Material und Weitergabe von Informationen. 3.) Besuchsdienst für bestehende und zu bildende Kreise zur Weiterführung der Arbeit. 4.) Durchführung von Wochenend-Tagungen, Seminaren und Rüstzeiten. 5.) Einrichtung einer kleinen Geschäftsstelle" (Mäurich/Gehre, Protokoll zur Arbeit des Ausschusses für Kongreß-Arbeit am 25. April 1970 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1 9 6 8 - 1 9 7 0 ] , S. 1). " Vorgeschlagen wurden die Ausschußmitglieder Cieslak, Gehre, Johannes, Mendt, Wonneberger. Angesichts der organisatorischen Veränderungen Ende Mai 1970 wurde allerdings auf seine Einsetzung verzichtet

Der „Kirchentagskongreß" 1970

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nähme des bereits erwähnten Vorschlags der Leipziger Studenten - als besonderen und damit in der Gestaltung freien Kongreßgottesdienst zu feiern. Zum anderen wurde in einer zweiten Diskussionsrunde - wie gefordert - zusammen mit den vorgesehenen Referenten, Jürgen Ziemer und Martin Schwintek, die Thematik des Kongresses besprochen. Dabei stellte Jürgen Ziemer die Grundgedanken für sein Referat „Was haben wir anzubieten?" vor. Darin ging er von drei Gründen für eine „Entscheidung für Christus" aus: - Christus ist das Angebot der Liebe, - Christus ist das Angebot der Freiheit, - Christus ist das Angebot der Hoffnung. In der anschließenden Aussprache wurde diese Konzeption im wesentlichen bestätigt, aber auch durch eigene Gedanken ergänzt Eine ausführlichere Diskussion gab es zu der Frage, ob die von Schwintek benannten Punkte lediglich als zusätzliche Angebote zu einem sonst nicht als defizitär empfundenen Leben oder als notwendige Angebote, die der Mensch brauche, zu bestimmen wären. Ansonsten wurde festgehalten, daß der Vortrag von Jürgen Ziemer das Gewicht vorwiegend auf die „Lehre", der von Martin Schwintek das Gewicht vorwiegend auf die „praktische Umsetzung" legen sollte.85 Bereits einen Monat nach der Anstellung eines hauptamtlichen Sekretärs für Kongreß-Arbeit folgte die nächste freilich lediglich formale Strukturveränderung. Am 30. Mai 1970 tagte - nach dreijähriger Pause - wieder der Landesausschuß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Einziger Tagesordnungspunkt dieser Zusammenkunft war die „Weiterentwicklung der Kirchentags-Arbeit". Einstimmig wurde der Beschluß gefaßt, sich in „Landesausschuß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens des Evangelischen Kirchentages" umzubenennen. Ebenso einstimmig wurde festgelegt, diesen Ausschuß „auf Grund der Weiterentwicklung der sächsischen Kirchentagsarbeit in Richtung einer Kirchentags-Kongreßarbeit" wiederum in „Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens - Landesausschuß" umzubenennen.86 Auf der anschließenden gemeinsamen Tagung mit dem Ausschuß für Kongreß-Arbeit wurde schließlich festgelegt, daß dieser neue Landesausschuß aus den Mitgliedern beider Gremien bestehen solle.87 Damit war die - freilich nur 85

Christa Mäurich, Ausschuß für Kongreßarbeit. Tagung am 25. April 1970 in Dresden, Protokoll II: Beratung über die Thematik der Herbst-Tagung „Was haben wir anzubieten?" (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 86 Ab Mitte März 1971 standen für dieses neue Gremium dann auch gedruckte Kopfbögen zur Verfügung. " Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 30. Mai 1970 in Dresden, Gemeindehaus der Christuskirche in Dresden-Strehlen, 2.6.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchen-

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Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

noch formal vorhandene - Doppelung zwischen Ausschuß für KongreßArbeit und Landesausschuß des D E K T endgültig beendet und die Kongreßarbeit auch formal zur bestimmenden Form der sächsischen Kirchentagsarbeit geworden. Im Zusammenhang der Neukonstituierung des Landesausschusses wechselte auch die Bezeichnung für die Kongreßtagungen. 88 Während in einem nicht ausgefertigten Entwurf für eine Einladung zur Herbsttagung vom 30. April 1970 „an die Teilnehmer des Landeskirchentages/-Kongresses 1968 und der Tagungen für Kongreß-Weiterarbeit 1969" noch - entsprechend dem bis dahin üblichen Sprachgebrauch - von einer „Tagung für Kongreß-Weiterarbeit" geredet wurde, 89 wandte sich die ausgefertigte Einladung vom 2. Juni an die „Freunde der Kirchen tagskongreßarbeit" und reklamierte damit - wie auch durch den Briefkopf („Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß") - für die Herbsttagung die Bezeichnung „Kirchentagskongreß". 90 Es gab in der Folgezeit freilich auch vereinzelte Stimmen innerhalb des neuen Landesausschusses, die anmahnten, den Kirchentagsgedanken nicht völlig aus dem Blick zu verlieren. Herbert Dost hatte offensichtlich auf der Sitzung des Landesausschusses am 28. November 1970 angeregt, zusätzlich zur Kongreßarbeit hin und wieder auch Kirchentage durchzuführen. Als er das Protokoll dieser Sitzung erhielt, mußte er feststellen, daß diese Anregung dort nicht aufgenommen worden war. Angesichts dessen schrieb er an den Protokollanten: „Im Protokoll vom 10. Dezember 197091 fehlt mir die Anregung, daß von Zeit zu Zeit über Kongreßtagungen hinaus auch eine Art Landeskirchentag stattfinden möchte, die Sache des Kirchentages also bei uns lebendig erhalten bleiben muß. Das Spezialanliegen des Kongresses: handlungsfähige Laien und das des Kirchentages: Impulse in den weiten Raum einer Landeskirche hineinzugeben, beides braucht einander nicht auszuschließen." ,2

tagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 1. - Rein formal wurde der umbenannte Kirchentagslandesausschuß um die Mitglieder des Ausschusses für Kongreß-Arbeit erweitert. Tatsächlich bedeutete dieser Verwaltungsakt, da an dem Beschlußverfahren kein Mitglied des Landesausschusses beteiligt war, das darüber hinaus nicht auch dem Ausschuß für Kongreß-Arbeit angehörte, die Auflösung des sächsischen DEKT-Landesausschusses durch den Ausschuß für Kongreß-Arbeit. 88 Vgl. den ähnlichen, aber zeitlich früheren Vorgang oben S. 242. " Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Landeskirchentag 1968 (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Landeskirchentages/-Kongresses 1968 und der Tagungen für Kongreß-Weiterarbeit 1969, 30.4.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 40 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Joh. Cieslak), Liebe Freunde der Kirchentagskongreßarbeit, 2.6.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). " Das ist das Datum des Protokolls, nicht der Sitzung. 92 Amt für Gemeindedienst (Herbert Dost), Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens - Landesausschuß, 15.1.1971 (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971).

Der „Kirchentagskongreß" 1970

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Das neu konstituierte alte Gremium setzte seine Arbeit ohne Verzögerung fort und widmete sich ausführlich der für die Herbsttagung vorgesehenen Thematik. Im Mittelpunkt standen erneut die beiden Referate von Ziemer und Schwintek. Ziemer erläuterte die bereits vor dem Ausschuß dargelegte Dreiteilung, Schwintek schlug für sein Referat eine Konzentration auf den „Schlüsselbegriff Freiheit vor. Abschließend wurden beide Referenten gebeten, auf der nächsten Tagung ihre Referate im Wortlaut zur Diskussion zu stellen.93 Wenige Tage nach der Zusammenkunft wurde die Einladung zur Herbsttagung verschickt94 Sie enthielt neben weiteren Informationen zum Ablauf einerseits ausdrücklich den Hinweis, daß der Sonntagsgottesdienst nicht wie bei den bisherigen Tagungen als Gemeindegottesdienst, sondern „in neuer Form als Sondergottesdienst für die Kongreß-Tagungsteilnehmer gehalten" werde, und zum anderen die Mitteilung, daß Herbert Gehre ab 1. Mai „hauptamtlich vom Landesausschuß angestellt worden" sei.95 Die nächste Sitzung des Landesausschusses am 29. August 1970 befaßte sich wiederum mit den beiden Referaten, die dazu von den Referenten im Wortlaut vorgetragen wurden. In der anschließenden Aussprache wurden kerne wesentlichen Einwände erhoben, allerdings wurde auch deutlich, daß man sich die Beantwortung der Frage nach dem, was die Kirche „anzubieten" habe, packender, etwas mehr mit „prophetischem Pfiff" gewünscht hätte.96 Von erneuten direkten Änderungen wurde allerdings angesichts der bereits langen Diskussionsphase (Thema von drei Ausschußsitzungen) abgesehen. Beide Referenten sagten jedoch zu, ihre Referate auf Matrizen ' 3 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Erweiterten Landesausschusses am Sonnabend, 30. Mai 1970 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 2.6.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). * Eine Einladung ging auch an die Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der DDR. Wegen des zeitgleich stattfindenden Kirchentages in Cottbus erfolgte von dort jedoch - ein Tag nach dem Kongreß - eine Absage (vgl. Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der DDR. Pastor Horst Krüger-Haye, Herrn Präsident Johannes Cieslak, 28.9.1970 [KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71]). 95 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Joh. Cieslak), Liebe Freunde der Kirchentagskongreßarbeit, 2.6.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). * Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 29. August 1970 - 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr im Kirchgemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 30.9.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 1: „Kritische Anmerkungen in Stichworten: ,Es fehlt das Wort zur Stunde - der prophetische Pfiffr ,Was ist hier Neues gegenüber der Verkündigung der Kirche? Was hat der Sozialismus nicht anzubieten?" - ,Haben wir nicht Wegbereiter des kommenden Reiches Gottes zu sein? Boden-Bereiter?"'

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Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

schreiben zu lassen, damit diese noch vor dem Kongreß vervielfältigt und den Arbeitsgruppenleitern zur Vorbereitung an die Hand gegeben werden könnten. Auch diese Ausschußsitzung verlief nicht, ohne daß von Schwierigkeiten berichtet worden wäre. Die erste betraf die Durchführung des geplanten Kongreß-Gottesdienstes. Herbert Gehre informierte, daß es der Pfarramtsleiter der Versöhnungskirche als „sehr beschwerlich angesehen" habe, „daß neben dem Gemeinde-Gottesdienst noch ein Separat-Gottesdienst stattfindet". 97 Angesichts dessen einigte man sich im Ausschuß auf eine Vorverlegung des Kongreßgottesdienstes und auf seine Öffnung auch für Gemeindeglieder. Darüber hinaus wurde von Problemen im Kreis Annaberg berichtet. Anscheinend hatte sich der dortige Superintendent gegen die Kongreßarbeit gestellt, so daß es zu „Schwierigkeiten" „bei der Delegierung von Kongreß-Teilnehmem" kam. Dieser Vorgang warf die Frage auf, ob es nicht effektiver sei, von der bis dahin geübten Praxis einer Einladung über die Superintendenturen abzugehen und „in den Kirchenbezirken B e auftragte der Kongreßarbeit' zu bestellen".98 Die Diskussion darüber wurde allerdings vertagt Mangelnde Unterstützung der Kongreßarbeit seitens der Pfarrerschaft war anscheinend kein Einzelfall, s o daß diese Zurückhaltung auch der staatlichen Seite auffiel. Dementsprechend hielt der Rat des Bezirkes im Rückblick auf den Kongreß 1970 in seiner Einschätzung fest: „Die ungenügende T e i l n a h m e " ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die Delegierung den Kirchgemeinden überlassen wurde und ein großer Teil der Gemeindepfarrer gegen die Kirchentagskongreßbewegung steht, was gleichbedeutend ist, daß sie ablehnend gegen M o d e m i s m e n in der kirchlichen Arbeit sind." 100

Trotz der negativen Reaktion der staatlichen Seite auf die Artikelserie vom Vorjahr wurde auch bei diesem Kongreß nicht auf eine Information der kirchlichen Öffentlichkeit über den bevorstehenden Kirchentagskongreß verzichtet. Ein entsprechender Artikel erschien am 16. August 1970 wiederum in der sächsischen Wochenzeitung „Der Sonntag". Dieses Mal blieben jedoch Reaktionen des Referates Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes oder anderer Dienststellen, die das kirchliche Leben im Bezirk

" Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 29. August 1970 - 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr im Kirchgemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 30.9.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 1. w Ebd. " Vgl. unten Anra. 108. 100 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dohle), Informationen über den Kirchentagskongreß 70 der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens vom 25.-27.9.1970 im Gemeindehaus der Versöhnungskirche zu Dresden, 9.10.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595).

Der „Kirchentagskongreß" 1970

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Dresden beobachteten, aus. Das änderte sich erst - dann freilich schlagartig als die überregionale Kirchenzeitung „Die Kirche" in ihrer Ausgabe vom 6. September ebenfalls auf den in Dresden geplanten Kongreß hinwies. Der Artikel war auf der ersten Seite piaziert und enthielt neben Informationen über Termin, Thema und Referenten auch eine knappe Zielangabe der Kongreßarbeit insgesamt: „Die Kirchentagskongresse haben sich zu einem wesentlichen Element mündiger und verantwortlicher Laienmitarbeit in der Landeskirche herausgebildet und nach Form und Inhalt einen Stil entwickelt, der es ermöglicht, die Ergebnisse der streng sachbezogenen und konzentrierten Arbeit dieser Tagungen unmittelbar als Impulse für den Gemeindeaufbau nutzbar zu machen."101 Dieser Artikel fiel der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED auf, die daraufhin die Kongreßaibeit als einen weiteren Versuch der Kirche identifizierte, „verlorene Positionen" in der Bevölkerung zurückzugewinnen, und entsprechende Maßnahmen einleitete. Als erstes wurden „die Genossen des Politbüros" (vermutlich Paul Vemer) verständigt, als zweites „dem Ministerium für Staatssicherheit eine entsprechende Information gegeben, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen in Absprache mit uns und dem Gen. Herbert Riedel zu treffen", als drittes setzte man sich mit der SED-Bezirksleitung Dresden in Verbindung, um die notwendigen Maßnahmen vor Ort einzuleiten.102 Der SED-Bezirksleitung gegenüber machte die ZK-Arbeitsgruppe „interne Informationen" geltend, die besagten, „daß auf diesem , Kongreß' gegen unsere gesellschaftliche Entwicklung aufgetreten werden soll und bereits im Verlauf dieser beiden Tage kleinere Gruppen von Teilnehmern auf Straßen, in Verkehrsmitteln und Gaststätten organisierte Gespräche mit der Bevölkerung durchführen sollen. Dabei soll gegen unsere Politik gegenüber Westdeutschland polemisiert werden."103 Angesichts dessen schlug die Arbeitsgruppe Kirchenfragen vor, daß der 1. Stellvertreter des Ratsvorsitzenden oder der Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres Bischof Noth „sofort" zu einem Gespräch bestellt. Es sei ihm „zu erklären, daß unsere staadichen Organe darüber beunruhigt sind, daß durch die Sächsische Landeskirche illegal und konspirativ solch eine Tagung durchgeführt wird". Noth solle daraufhin „verbindlich erklären, daß bei dieser Tagung keinerlei politische Fragen und Äusserungen gegen den Staat gemacht werden. Gleichzeitig hat er zu informieren über den gesamten Inhalt, Themenstellung, Referenten und die Teilnehmer."104 Neben 101

Kirchentagskongreß 1970 in Dresden, in: Die Kirche 25 (1970), Nr. 36 vom 6.9.1970. [SED-Bezirksleitung Dresden], Abteilung Staat und Recht (Engel), Genossen Werner Krolikowski, Information, 14.9.1970 (SHStA, BPA Dresden, IV В 2/14/636), S. 1. 103 Ebd. - Es ist freilich fraglich, ob diese - völlig falschen - „internen Informationen" tatsächlich existierten. Möglicherweise gaben sie nur die Vorstellungen und Befürchtungen wieder, die die „Genossen der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK" mit dem Stichwort „Gemeindeaufbau" verbanden. 102

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Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

diesem Gespräch mit Bischof N o t h wurde vorgeschlagen, „mit den Genossen der Bautzner Straße 105 abzusprechen, wie diese T a g u n g überwacht wird und auch, wie sich die einzelnen Teilnehmer in der Öffentlichkeit bewegen". 106 Wie wenig die Kirchentagskongreßarbeit von der SED-Bezirksleitung Dresden bis dahin beachtet worden war, zeigt eine erklärende Bemerkung des dortigen Abteilungsleiters Staat und Recht, daß es „über diesen Kongreß . . . im Bereich der Sächsischen Landeskirche keinerlei Informationen" gebe.107 Erst der Rat des Bezirkes stieß im Zuge seiner Ermittlungen auf den Artikel im „Sonntag" vom 16. August. Daß allerdings auch er die Kongreßarbeit nicht weiter verfolgt hatte, zeigt die kurze Skizze zum Werdegang dieses Arbeitsbereiches, die der Referatsleiter Kirchenfragen im Zusammenhang seiner rückblickenden Einschätzung des Kongresses gab. Zwar wies er zutreffend auf den Landeskirchentag 1968 als Beginn der Kongreßarbeit hin, übersah jedoch, daß es 1969 nicht nur einen, sondern zwei Kongresse gegeben hatte. Direkt falsch bzw. von dem Interesse diktiert, zu zeigen, wie wenig sich die Erwartungen der Veranstalter jeweils erfüllt hätten, ist die Mitteilung, daß 1969 anstelle der erwarteten 200 Teilnehmer lediglich „ca. 50 Personen" teilgenommen hätten.108 D i e von Berlin unterbreiteten Vorschläge wurden offensichdich - wie ihre U m s e t z u n g in die Praxis zeigt - durch den 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung (Werner Krolikowski) akzeptiert Bischof N o t h wurde zum 15. September in den Rat des Bezirkes zu einem Gespräch mit d e m Stellvertreter Inneres bestellt, 109 an dem auch der Referatsleiter Kirchenfragen teil-



А. а. О., S. 2. D o r t befand sich die MfS-Bezirksverwaltung. 106 Ebd. 10 ' Ebd. 108 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dohle), Informationen über den Kirchentagskongreß 70 der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens vom 25.-27.9.1970 im Gemeindehaus der Versöhnungskirche in Dresden, 9.10.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 5, 595). Bei den Angaben zum Kongreß im September 1970 dagegen wird die Zahl der Teilnehmer mit 320 (tatsächlich waren es 313) korrekt wiedergegeben. Um dennoch - zumindest in Grenzen - den Eindruck erwecken zu können, daß es auch diesmal wieder weniger Teilnehmer gegeben habe, als erwartet, wird nicht die kirchlicherseits genannte und in den staadichen Protokollen niedergeschriebene Zahl von 300-350, sondern das Maximum - 350 - zugrunde gelegt (ebd.). 104 Bereits am Abend des Vortages (H.September) war Herbert Gehre zur Bezirksdienststelle der VP, Abteilung Erlaubniswesen zitiert worden. Dort gab er vor allem den organisatorischen Rahmen bekannt: 250-300 Teilnehmer, die u. a. mit etwa 27-30 Privatfahrzeugen anreisen; Tagungsorte, zeitlicher Ablauf, als Teilnehmer vor allem Gemeindeglieder, Kirchenvorstandsmitglieder, etwa 40 Geistliche (vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzungen für Inneres [Riedel], Aktennotiz. Betr.: Kirchentagskongreß am 26. und 27.9.1970 in Dresden, 16.9.1970 [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 78-81 - siehe Dok. 5], S. 3). 105

Der „Kirchentagskongreß" 1970

251

nahm.110 Auf den geplanten Kongreß angesprochen, skizzierte Noth kurz die Entstehung der Kongreßarbeit (wobei er u. a. laut staatlichem Protokoll „große Kirchentage" als „überlebt" bezeichnete), sah sich aber außerstande detaillierte Angaben über den Verlauf zu machen. Zu diesen Fragen verwies er an den Vorsitzenden des Landesausschusses, Cieslak, und den Sekretär des Ausschusses, Gehre, was wiederum staatlicherseits nicht akzeptiert wurde. Vielmehr wurde Noth - entsprechend den Vorschlägen der ZKArbeitsgruppe - die Garantie abverlangt, daß dieser Kongreß lediglich in kirchlichen Räumen stattfinde, nur einen begrenzten Teilnehmerkreis habe und „daß es weder in kirchlichen Räumen noch außerhalb zu Äußerungen und Handlungen kommt, die geeignet sind, die Beziehungen der Landeskirche zu den Staatsorganen zu verschärfen"."1 Die ersten beiden Punkte konnte Noth ohne weiteres versprechen, da der Kongreß ohnehin in dieser Form vorgesehen war. Zu letzterem wies er darauf hin, daß nicht von vornherein planbar sei, was die Teilnehmer im einzelnen sagen werden, freilich distanzierte er sich - laut staatlichem Protokoll - im voraus von derartigen Äußerungen. Er schrieb sich die drei staatlichen Forderungen auf, um sie an die Verantwortlichen weiterzuleiten. Das geschah umgehend. „Etwa 30 Minuten nach Schluß des Gespräches" meldete sich telefonisch der Präsident des Landeskirchenamtes und zählte alle Punkte auf, die die Innerkirchlichkeit der Tagung unterstrichen und damit geeignet waren, staatliche Bedenken zu zerstreuen112: Der Kongreß führe lediglich eine begrenzte Zahl von Teilnehmern zusammen, die gezielt eingeladen worden seien; es handle sich vorwiegend um Mitglieder von Kirchenvorständen; es sei eine Tagung in kirchlichen Räumen; auch die Verpflegung sei kirchlich organisiert - ebenfalls in kirchlichen Räumen; es würden keinerlei prominente Gäste (außer dem Landesbischof und ihm 110 Von diesem Gespräch sind sowohl das staatliche als auch das kirchliche Protokoll erhalten (Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzungen für Inneres [Riedel], Aktennotiz. Betr.: Kirchentagskongreß am 26. und 27.9.1970 in Dresden, 16.9.1970 [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 78-81 - siehe Dok. 5]; Noth, Am 15. September 1970, 15.9.1970 [Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, Nr. 1018, Bd. 4]). Sie stimmen im wesentlichen überein. ш Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres (Riedel), Aktennotiz. Betr.: Kirchentagskongreß am 26. und 27.9.1970 in Dresden, 16.9.1970 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 78-81 - siehe Dok. 5), S.2. 112 Wovon er einen Punkt beim ersten Anruf vergaß und deshalb wenig später erneut anrief. Die Tatsache, daß Präsident Johannes auch Dinge erwähnte, die staadicherseits gar nicht angefragt worden waren (etwa die kirchlich organisierte Verpflegung in kirchlichen Räumen), könnte den Eindruck eines vorauslaufenden Gehorsams erwecken. Tatsächlich sprechen sie wohl eher dafür, daß sich bei der kirchlichen Seite aus ihren Erfahrungen heraus ein Wissen herausgebildet hatte, wie staadiche Bedenken ohne wesentliche Zugeständnisse in der Sache am besten zu neutralisieren seien. - Die Frage der Verpflegung wäre auch gar nicht anders zu regeln gewesen.

252

Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

selbst) erwartet."3 Auf die Frage möglicher politischer Äußerungen ging Präsident Johannes dagegen nicht ein. - Insgesamt wurden staadicherseits die kirchlichen Erläuterungen als „Verharmlosung des Kirchentagskongresses" verstanden."4 Ablauf des Kirchentagskongresses 1970, 26.-27. September, in der Versöhnungskirchgemeinde in Dresden-Striesen: „Was haben wir anzubieten? Sonnabend, 26. September 9.00

Begrüßung und Eröffnung, Johannes Cieslak

9.30

Bibelarbeit in (zehn)* Gesprächsgruppen: 2 Kor 5,16-21

12.00

Plenum - 3 Berichte aus den Gruppen

14.30

Referat: „Was haben wir anzubieten?", Jürgen Ziemer

15.30

Referat: „Was haben wir anzubieten?", Martin

16.00

Arbeit in den (zehn) Gesprächsgruppen

19.30

Arbeit in den Gesprächsgruppen

Schwintek

Sonntag, 27. September 8.30

Kongreß-Gottesdienst

10.00

Einstieg in die weitere Thematik

anseht.

Weiterarbeit in den Gesprächsgruppen

14.00

Plenum: Berichte aus einigen Arbeitsgruppen

15.00

Schlußwort, Dietrich Mendt

•Noch Anfang August waren 10 Gesprächsgruppen mit jeweils etwa 30 Teilnehmern und „3 Leitern (einschließlich Protokollant)" vorgesehen, allerdings ohne daß die Gruppenleiter im einzelnen bereits benannt waren (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Gehre], Herrn Johannes Cieslak, Seifhennersdorf, Frau Hanna Kahl, Oberfrauendorf, Frau Christa Mäurich, Dresden, Herrn Dieter Mendt, Karl-Marx-Stadt, Betr.: Arbeitsgruppen für die Bibelarbeit und die Referate „Was haben wir anzubieten?" zum Kirchentagskongreß 26. - 27. Sept. 1970 in Dresden, 7.8.1970 [KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970]). Auf der Sitzung Ende August wurde an der Aufteilung in 10 Gesprächsgruppen festgehalten, jedoch wurde deudich, daß nicht jede Gruppe mit drei Gesprächsleitern besetzt werden könne (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 29. August 1970 - 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr, 30.9.1970 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970], S. 1). Über die tatsächliche Zahl und Besetzung der Gesprächsgruppen sind keine verläßlichen Informationen erhalten. Der Bericht des Rates des Bezirkes spricht von 5 Arbeitsgruppen, was jedoch angesichts der Teilnehmerzahl unwahrscheinlich ist und vermutlich nur die Zahl der Gesprächsgruppen wiedergibt, die direkt in der Versöhnungsgemeinde tagten (vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Dohle], Informationen über den Kirchentagskongreß 70 der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens vom 25. - 27.9.1970 im Gemeindehaus der Versöhnungskirche zu Dresden, 9.10.1970 [BArch Berlin, StfK, DO 4, 595], S. 1).

113 114

Vgl. а. а. O., S. 3. А. а. O., S. 4.

Der „Kirchentagskongreß" 1970

253

Die thematische Arbeit des Kongresses begann am Sonnabend mit den beiden Kurzreferaten von Jürgen Ziemer und Martin Schwintek zum Kongreßthema „Was haben wir anzubieten?" Jürgen Ziemer brachte bei seinem Versuch, auf diese Frage eine Antwort zu finden, einleitend wiederum die für die Kongreßarbeit charakteristische Entdeckung der Situation zur Sprache, wehrte jedoch gleichzeitig dem Mißverständnis einer wie auch immer gearteten Priorität der Situation. Zwar könne die Frage, was Christen anzubieten hätten, nie ein für allemal geklärt werden, weil jede Zeit ihre eigenen Antworten finden müsse. Dennoch sei die Beantwortung dieser Frage nicht einfach in das jeweilige Belieben gestellt, sondern müsse sich an den Antworten orientieren, die im Neuen Testament für die damaligen Adressaten gegeben worden seien. Auch sei das Angebot, das er vorerst formelhaft mit „Evangelium" bzw. Jesus Christus" umschrieb, nicht mit einem Angebot aus dem „Modegeschäft" vergleichbar, ohne das man ebenso gut auskäme, vielmehr sei es ein Angebot, ohne das es einfach nicht gehe. Im Wissen darum hätten die Christen nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, dieses Angebot „bekanntzumachen, so lockend, daß andere zu ihrem Gebrauch eingeladen werden". Im einzelnen beschrieb Ziemer anhand der Erzählung von der Ehebrecherin (Joh 10,5-11) das Angebot „als das dreifache Angebot der Liebe, der Freiheit und der Hoffnung"." 5 Als erstes bestimmte Ziemer Jesus Christus als den „Modellfall der Liebe", wobei er vier Aspekte besonders hervorhob: - Diese „Liebe befreit von der Faszination des scheinbar unrevidierbaren Zustands, sie hält die Möglichkeiten offen für seine Verbesserung". Liebe, die Jesus Christus als Modellfall nehme, ermögliche damit Erneuerung und Neubeginn. - Die von Jesus Christus dargebotene „Liebe verwirklicht sich in der Solidarisierung mit den Nichterfüllten, Zukurzgekommenen, Gescheiterten". - Solche Liebe stehe deshalb immer unter dem „Risiko des Leidens", denn sie führe nicht auf den Weg der Gewinner, sondern „auf die Strasse der Verlierer", an deren Ende zwar nicht das, aber ein Kreuz stehen könne. - Dennoch habe solche Liebe „ihre Chance wegen der Liebe Christi". Als zweites beschrieb Ziemer Jesus Christus als „Angebot der Freiheit": - Die von Jesus Christus angebotene Freiheit sei eine Freiheit, die einen „bestehenden Antwortenschematismus" durchbreche. Sie sei „Freiheit zur Frage", die immer wieder neu nach Antworten suche und deshalb Althergebrachtes in Frage stelle. - Indem sie vorgegebene Antworten ablehne und nach neuen Antworten suche, 115 Zum Vortrag insgesamt vgl. Kirchentagskongreß 1970 der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Vortrag von Herrn Dr. Jürgen Ziemer, Leipzig, zum Kirchentagskongreß in Dresden-Versöhnungskirche am 26.-27. September 1970: „Was haben wir anzubieten?" (Entwurf), undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595).

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Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

bringe sie erneut die Sache, um die es gehe, zur Sprache. Die Freiheit, die in Jesus Christus angeboten werde, sei „Freiheit zur Sachlichkeit". - Als Freiheit, die eingefahrene Wege verlasse und sich dem Risiko neuer, vielleicht unbequemer Antworten aussetze, sei Jesu Freiheit schließlich auch „Freiheit zum Wagnis". Als drittes charakterisierte Ziemer Jesus Christus als „Angebot der Hoffnung", und zwar als Angebot einer „besseren Hoffnung", als sie anderswo anzutreffen sei. Denn: - Die von ihm angebotene Hoffnung sei eine „begründete Hoffnung". - Jesus Christus sei das Angebot „unbegrenzter Hoffnung", die sich nicht eingrenzen lasse „von menschlichen Bildern und Planungen". - Als solche uneingegrenzte Hoffnung setze sie „Phantasie" frei in der Gestaltung der Zukunft

Ziemer Schloß: „Was haben wir anzubieten? Ganz einfach: ein Leben, für das Liebe, Freiheit und Hoffnung die Grundpfeiler sind und das damit eine neue Qualität erhält Wir meinen: ein Angebot, das sich lohnt und aller Mühen wert ist" 116 Das Korreferat von Martin Schwintek legte ebenfalls einen biblischen Text zugrunde, und zwar das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37). Anhand dieses Gleichnisses versuchte Schwintek, Jesus Christus als das Angebot der Freiheit „ein Stück weiter zu konkretisieren und zu illustrieren". Er beschrieb diese Freiheit „exemplarisch . . . als Freiheit zur Mitmenschlichkeit, zur Versöhnung, zur Sachlichkeit und zur Sorglosigkeit". Dabei versuchte er, „auswahlweise zu zeigen, was das heißen könnte für den einzelnen, für die Gruppe, in der er steht (Familie, Betrieb), für die Gesellschaft im großen". 117 Damit war den Kongreßteilnehmer eine Fülle von Anregungen gegeben, die sie freilich nicht der Frage enthoben, was ihnen selbst an diesem Angebot wichtig sei und was sie dementsprechend guten Gewissens auch anderen anbieten könnten. Diese Überlegungen standen vermutlich im Mittelpunkt der Gespräche in den Arbeitsgruppen, aus denen jedoch keine Berichte überliefert sind. Überliefert ist lediglich eine Einschätzung des Rates des Bezirkes, bei der nicht sicher erkennbar ist, ob es ihm wirklich gelungen war, Berichterstatter in den Kongreß einzuschleusen." 8 Nach A . a . O . , S.8. Zum Vortrag insgesamt vgl. Kirchentagskongreß 1970 der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Vortrag von Herrn Dr. Martin Schwintek, Werdau, zum Kirchentagskongreß in Dresden, Versöhnungskirche am 26.-27. September 1970: „Was haben wir anzubieten?" (Abschrift), undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595) - Zitat: a . a . O . , S. 1. " ' D a s war ihm schon beim Herbstkongreß 1969 nicht gelungen (siehe oben S. 241, Anm. 70). Die deutliche Kenntnis der Referate geht vermutlich nicht auf die während des Kongresses vorgetragene Fassung, sondern auf die im Zusammenhang des Kongresses in jeweils 600 Exemplaren vervielfältigte Textfassung zurück, die dem Rat des Bezirkes vorlag 117

Der „Kirchentagskongreß" 1970

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dieser Einschätzung wäre unter anderem Kritik am Landeskirchenamt geübt worden, das den Kirchgemeinden ungenügend Hilfestellung bei der Lösung anstehender Probleme (ζ. B. Jugendweihe) leiste. Vor allem aber sei es um das gesellschafdiche Engagement der Christen in der Gesellschaft gegangen, das notwendig sei, wenn ein Christ „unter allen Menschen wirksam werden" wolle.1" Bei diesem Kongreß wurde versucht, die Gesprächsgruppen nach Ephorien geordnet zusammenzustellen. Dahinter stand die Intention, ein Kennenlernen der Kongreßteilnehmer einer Ephorie und damit eine regionale Weiterarbeit zu ermöglichen. Angesichts der Zahl der teilnehmenden Ephorien (26) wie auch der unterschiedlichen Anzahl der Teilnehmer mußten freilich einige Ephorien zusammengefaßt werden. Lediglich die Teilnehmer aus Annaberg (29), Bautzen (33), Dippoldiswalde (28), Dresden-Land (26), Leipzig-Stadt (28) und Zittau (28) hatten in etwa Gesprächsgruppenstärke.120 Von den Teilnehmern wurde diese ephorale Gliederung allerdings nicht als günstig angesehen, ohne daß Gründe für diese Kritik überliefert sind.121 Dem Kongreß-Gottesdienst, der den Sonntag eröffnete, wurde anscheinend eine kurze Reflexion vorangeschickt, bevor er vom Karl-Marx-Städter Arbeitskreis „Gottesdienst einmal anders" gestaltet wurde (mit Band). Sofern der erhaltene Entwurf verwirklicht wurde,122 bestand der Gottesdienst im wesendichen aus einem Wechsel von Gemeindegesang und vorgetragenen Fürbitten, die die Themen „Versöhnung", „Freiheit" und „Hoffnung" ansprachen und jeweils aus vier Teilen bestanden. Am Anfang stand ein verheißender Bibelvers. Ihm wurden aktuelle Informationen (Weltgeschehen, Alltag u. ä.) gegenübergestellt, die die biblische Verheißung in Frage zu stellen schienen. Es folgte jeweils ein selbstkritischer Kommentar, der deudich zu machen versuchte, daß diese Diskrepanz nicht Gottes Verheißung, sondern menschlichem Versagen anzulasten sei. Ein abschließendes Gebet bat um Vergebung und Hilfe. Die Gemeinde stimmte jeweils ein mit: „Laß unser Leben neu werden!"123 und die er als Anlage zu seinem Bericht an das Staatssekretariat weiterleitete (erhalten ζ. B. in BArch Berlin, StfK, D O 4, 595). Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dohle), Informationen über den Kirchentagskongreß 70 der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens vom 25.-27.9.1970 im Gemeindehaus der Versöhnungskirche zu Dresden, 9.10.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S.2. Vgl. Kirchentagskongreß 70, Teilnehmer nach den Kirchenbezirken, undatiert (KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). ш Kirchentagskongreß - Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 28. Nov. 1970 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, 10.12.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 19681970), S. 1. ш Was angesichts der Forderung nach einer kongreßbezogenen Gestaltung nicht bis in alle Einzelheiten der Fall gewesen sein wird. ш Vgl. Kongreß 1970, Gottesdienst-Entwurf, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970).

256

Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

Zur weiteren Arbeit am Sonntag liegen weder aus den Gesprächsgruppen noch aus dem vorgesehenen Plenum Nachrichten vor. Das Schlußwort zum Kongreß sprach - wie vorgesehen - Pfarrer Dietrich Mendt aus KarlMarx-Stadt Darin nahm Mendt in drei „kritischen Anmerkungen" zum zurückliegenden Kongreßgeschehen Stellung, vor allem aber zu den Schwerpunkten einer Kongreßweiterarbeit Als wesentlichsten bezeichnete er dabei die Übersetzung dessen, was die Kirche anzubieten habe, in eine Sprache, die von der Welt verstanden werde. „Die Weiterarbeit des Kongresses könnte man mit einem einzigen Wort so umschreiben: Ubersetzen! Und das heißt Beschäftigung mit der einen Sprache, aus der man übersetzt - das ist die Schrift, die ganze Schrift - und Beschäftigung mit der anderen Sprache, in die man übersetzt, das ist die Welt, und zwar die ganze Welt, die Gott so geliebt hat, daß er dafür seinen Sohn gab."124

Das geforderte Übersetzen wurde freilich nicht auf verbales Geschehen eingegrenzt, sondern - unter Hinweis auf den Vortrag von Werner Krusche auf dem Kongreß von 1968 - auf das gesamte missionarische Handeln der Kirche bezogen. „Denn wir haben gelernt, daß Sammlung und Sendung nicht einfach zwei verschiedene, nebeneinander stehende Bereiche sind, sondern daß die Sammlung sendungsbezogen sein muß und nicht die Sendung sammlungsbezogen ist Nicht die Kirche bestimmt, wie Sendung und Sammlung aussehen, sondern die Welt Mit anderen Worten: es geht Gott nicht um die Kirche, sondern um die Welt. Die Welt muß gerettet werden - und die Kirche ist Gottes Werkzeug dazu. Der Auftrag, der Rettungsauftrag bestimmt das Werkzeug, die Kirche."125

In Mendts Schlußwort war darüber hinaus zum Ausdruck gekommen, daß es auf dem Kongreß Verstehensschwierigkeiten zwischen Teilnehmern unterschiedlicher Frömmigkeitsrichtungen gegeben hatte, wobei Vorbehalte und Vorurteile gegenüber „modernem" Denken eine Rolle spielten. Protest von außen rief der auch für andere Teilnehmer offene Kongreßgottesdienst hervor. Während die Kongreßteilnehmer selbst diesen Gottesdienst „trotz kritischer Punkte" 126 im wesentlichen „positiv" bewerteten, machten sich 124 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen. Landesausschuß, Schlußwort zum Kirchentagskongreß 70 am Sonntag, 27. September 1970 in der Versöhnungskirche Dresden-Striesen von Pfarrer Dietrich Mendt, Karl-Marx-Stadt, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71 - siehe Dok. 6), S. 3 (abgedruckt in: ZdZ 50 [1996], S. 192 f.). 125 А. а. O., S. 3 f. Mendt verdeutlichte das mit einem Vergleich: „Man kann mit einem Beil Bäume fällen, aber kein Getreide ernten. Da muß man sich einen Mähdrescher und im äußersten Notfall eine Sense beschaffen. Die Kirche sucht auf dem Felde der Gegenwart mit dem Beil in der Hand nach Bäumen. .. 126 Angefragt wurde wohl vor allem der Ablauf mit seiner immer wiederkehrenden Abfolge. So sei der Gottesdienst zwar klar gegliedert, insgesamt aber zu „flächenhaft" und „ohne

D e r „Kirchentagskongreß" 1970

257

seitens der gastgebenden Versöhnungskirchgemeinde bereits im Vorfeld Vorbehalte gegenüber der modernen Gottesdienstform bemerkbar. Diese führten unter anderem dazu, daß der Kantor der Gemeinde und Direktor der Kirchenmusikschule den Raum, in dem sich die Musikinstrumente der Band befanden, abschloß, so daß diese im Gottesdienst nicht hätte spielen können. 127 Nur mit Mühe konnte Dietrich Mendt den 2. Pfarrer der Gemeinde - Pfarramtsleiter und Kantor waren nicht erreichbar - dazu bewegen, den Raum wieder aufzuschließen. 128

Um die aufgetretenen Vorbehalte auszuräumen, kam es kurz nach dem Kongreß zu einem klärenden Gespräch zwischen Herbert Gehre und dem Pfarramtsleiter der Versöhnungskirchgemeinde, nach dem zumindest seitens des Landesausschusses die Angelegenheit als „erledigt" angesehen wurde. Seitens der Versöhnungskirchgemeinde bestanden die Vorbehalte jedoch weiterhin, so daß ihr Pfarramtsleiter diese - damit einem Rat des Dresdner Stadtsuperintendenten folgend - in einem Schreiben auch dem Landeskirchenamt unterbreitete (was wiederum „Befremdung" seitens des Landesausschusses hervorrief, da ausdrücklich weitere Gespräche angeboten worden waren). Um diese Dissonanzen, die weitere Kongresse an diesem Veranstaltungsort unnötig belastet hätten, zu beenden, beschloß der Landesausschuß zum einen, erneut das Gespräch mit dem Kirchenvorstand zu suchen und das Landeskirchenamt um Hilfe „bei der Verwirklichung des Gespräches" zu bitten.129 Zum anderen wurde vorgeschlagen, beim nächsten Kongreß in dieser Gemeinde den Kantor, der als der eigentliche Widerpart angesehen wurde, in die Gestaltung des Kongreßgottesdienstes mit einzubeziehen.130 Die Verhandlungen mit der Versöhnungskirchgemeinde über einen Gesprächstermin führten allerdings aus nicht erkennbaren Gründen erst einmal zu keinem Ergebnis. Noch im Januar 1971 war „ein Gespräch mit dem Kirchenvorstand der Versöh-

Dynamik" gewesen (Kirchentagskongreß - Landesausschuß [Gehre], Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 28. Nov. 1970 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, 10.12.1970 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970], S. 2). w Vgl. dazu auch oben S. 208. ш So Dietrich Mendt (Schreiben an den Autor vom 5.3.1998). 124 Vgl. dazu Kirchentagskongreß - Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 28. Nov. 1970 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, 10.12.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S.2. 130 H. Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses-Kirchentagskongreß am Donnerstag, 21.Januar 1971 - 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 25.1.1971 (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73), S. 1 f.

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Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

nungskirche . . . noch nicht in Sicht".131 Als es dann stattfand, 132 „wurden zwar die verschiedenen Meinungen nicht überbrückt", es kam jedoch trotzdem zu einer gewissen Verständigung. 133 Auf der anderen Seite wurde gerade nach diesem Kongreß deudich, daß es gelungen war, Impulse für die Gemeindearbeit vor Ort zu geben. Einen Monat nach dem Kongreß vermerkte Herbert Gehre in einem Schreiben an die Kongreßteilnehmer: „In der Zwischenzeit hat sicher jeder noch einmal die Tage kritisch bewertet und die positiven wie negativen Faktoren abgewogen. Eines ist auf jeden Fall feststellbar: Stärker als bisher ist die Bereitschaft und der Wille, im eigenen heimadichen Bereich auszuwerten, was die Arbeit des Kongresses gebracht hat, und neue Aufgaben anzupacken. Das lassen die Nachrichten erkennen, die in den letzten Wochen bei uns eingingen."134 Präsident Cieslak nannte auf der Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse am 14. November ausdrücklich „regionale Gruppen" in Bautzen, Dippoldiswalde, Annaberg und Zittau.'35 Auf die oben genannten kritischen Stimmen gingen hingegen die staadichen Informationen zum Kongreß-Gottesdienst zurück. Dort wurde erklärt, daß der Gottesdienst von der Mehrheit der Kongreßteilnehmer nicht angenommen worden sei. Freilich konnte auch die staadiche Einschätzung nicht verhehlen, daß auf dem Kongreß engagiert diskutiert worden war und die Zeit für eine Diskussion aller aufgeworfenen Fragen und Probleme nicht ausreichte, so daß in den Gruppen eine regionale Weiterarbeit vereinbart worden sei. Damit war auch diese Kongreßtagung ein Erfolg. Angesichts des Erfolgs, der Tendenz sowie des Teilnehmerkreises 136 der Kongresse

131

A.a.O., S. 1. Der Termin ist nicht bekannt. Auch Dietrich Mendt, der zusammen mit Herbert Gehre für den Landesausschuß an diesem Gespräch teilnahm, erinnert sich an den genauen Zeitpunkt nicht mehr (Schreiben an den Autor vom 5.3.1998). 135 Ebd. 134 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Kirchentagskongresses 1970, 1.11.1970 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973), S. 1. - Die von Gehre erwähnten Nachrichten sind freilich nicht aktenkundig geworden. Allerdings vermerkte auch Präsident Cieslak in einem Schreiben an den DEKTvom 4.1.1971 zum Ergebnis des zurückliegenden Kongresses: „Inzwischen haben sich in verschiedenen Kirchenbezirken Gruppen und Arbeitskreise gebildet, die an bestimmten Aufgaben arbeiten" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Joh. Cieslak], An den Deutschen Evangelischen Kirchentag, 4.1.1971 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71], S. 1). " s Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Kirchentages in der DDR am 14.11.1970, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 3. 136 Die für kirchliche Veranstaltungen ungewöhnliche Zusammensetzung der Kongresse ist auch dem Rat des Bezirkes - überraschend genau - bekannt geworden: „Zwei Drittel der 152

Der „Kirchentagskongreß" 1970

259

wurde seitens des Rates des Bezirkes nunmehr nach längerfristigen Einflußmöglichkeiten gesucht „Zusammenfassend muß eingeschätzt werden, daß nach wie vor nach neuen Methoden der Glaubensverbreitung und der Gestaltung einer attraktiven Kirche gesucht wird, die in der Lage ist, der Entwicklung zur sozialistischen Menschengemeinschaft entgegen-zu-wirken. Es muß erreicht werden, daß durch die staatlichen Organe und Arbeitsgruppen ,Chrisdiche Kreise' ein ständiger Einfluß auf die Kirchentagskongreßteilnehmer genommen wird." 137

Eine Reaktion des Landeskirchenamtes auf die Kritik am Kongreß-Gottesdienst ist nicht bekannt138 Im Bericht des Landeskirchenamtes auf der Herbstsynode, in dem - wie bereits im Vorjahr139 - auch auf Entstehung140 und Zielsetzung der Kirchentagskongreßarbeit eingegangen wurde, fehlten kritische Annotationen zum zurückliegenden Kongreß; die besondere Form des Kongreß-Gottesdienst blieb unerwähnt Dafür wurde der Kongreßarbeit, die als „Weiterbildungsakademie für Laienmitarbeiter der Kirche von morgen" bezeichnet wurde, bescheinigt, auf kirchliches Neuland vorgestoßen zu sein. „Mit dieser Kongreßarbeit ist es gelungen, einen aktiven

Teilnehmer waren aktive Laien, ein Drittel Pfarrer und kirchliche Angestellte aus den kirchlichen Werken. Ca. 60 % der Teilnehmer lagen unter der Altersgrenze von 40 Jahren" (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Dohle], Informationen über den Kirchentagskongreß 70 der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens vom 25.-27.9.1970 im Gemeindehaus der Versöhnungskirche zu Dresden, 9.10.1970 [BArch Berlin, StfK, DO 4, 595], S. 1). Woher diese Information stammten, ist nicht erkennbar. Eine zufällig richtige Schätzung ist ebenso unwahrscheinlich wie eine eigene Erhebung. Vermutlich waren dem Rat des Bezirkes Vorarbeiten zur „Kleinen Statistik" (siehe unten) bekannt. 137 А а. О., S. 2. - Von der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen wurde diese Passage fast wörtlich in ihre Einschätzung der kirchlichen Massenveranstaltungen des Jahres 1970 übernommen (Arbeitsgebiet Ev. Kirche, Einschätzung über durchgeführte Massenveranstaltungen der Evangelischen Kirche in der DDR 1970, 22.1.1971 [BArch Berlin, StfK, DO 4, 595], S. 6). Der Kongreß war zwar keine „Massenveranstaltung", konnte aber angesichts der Beachtung, die der Kongreß im Vorfeld seitens der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK gefunden hatte, nicht unerwähnt bleiben. 138 Die Akten des Landeskirchenamtes standen nur zum Teil zur Einsichtnahme zur Verfügung. im Vg[_ Tätigkeitsbericht des Ev.-Luth. Landeskirchenamtes für die Herbsttagung der Landessynode 1969, II. Teil (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 1, 2), S. 3. Die Darstellung entsprach in der Sache dem, was am 15. September von Bischof Noth und Präsident Johannes dem Rat des Bezirkes erklärt worden war: „In einzelnen Landeskirchen der DDR wird noch versucht, den Stil früherer Kirchentage mit Großveranstaltungen beizubehalten. Dennoch sind diese Kirchentage durch die gegebenen Verhältnisse fast allenthalben zu Arbeitsgruppen geringeren Umfanges geworden. In unserer Landeskirche hat sich infolgedessen eine neue kontinuierliche Arbeitsform entwickelt, der sogenannte Kirchentagskongreß" (Tätigkeitsbericht des Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenamtes der Ev.Luth. Landessynode Sachsen, erstattet auf ihrer Herbsttagung vom 24.-28. Oktober 1970, II. Teil [SHStA, BPA Dresden, IV В 2/14/635], S. 3).

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Von der Kirchentagsnacharbeit zur Kongreßarbeit

Teilnehmerkreis zusammenzuführen, der in der altersmäßigen und sozialen Zusammensetzung in der Kirche selten ist"141 Genauere Auskunft über den Teilnehmerkreis gab eine zum Kirchentagskongreß 1970 erstmalig angefertigte „Kleine Statistik".142 Danach betrug das Durchschnittsalter 37,67 Jahre, über 90 % der Teilnehmer standen im aktiven Berufsleben, lediglich 22,37 % kamen aus dem Bereich der Pfarrer und kirchlichen Angestellten. Diese Aufschlüsselung lag dem Landesausschuß auf seiner Sitzung am 28. November 1970 vor. Eine Frage, die sich ihm dabei stellte, war, „ob die bisher bei den Tagungen des Kirchentagskongresses anwesenden und mitarbeitenden Pfarrer genügen, um die Sache des Kongresses weiterzubringen und neu Gemeinden zu interessieren". Da diese Frage allgemein verneint wurde, beschloß der Landesausschuß, „Mitte Mai bis Mitte Juni 2 Tage am Anfang der Woche" speziell eine Tagung für Pfarrer durchzuführen, für die Bischof Werner Krusche als Referent gewonnen werden sollte.143 Weiterhin kamen die im Zusammenhang des Kongresses aufgetretenen theologischen Differenzen zur Sprache. In diesem Zusammenhang wurde zu bedenken gegeben, daß die „anderen", für die man ja in besonderer Weise dasein wolle, in diesem Fall auch die evangelikalen Kreise innerhalb der Landeskirche (sie hatten sich 1971 zur Arbeitsgemeinschaft „Kirche und Bekenntnis" zusammengeschlossen) sein könnten, mit ihnen also das Gespräch gesucht werden müßte. Eine Entscheidung dazu wurde mit Mehrheitsbeschluß bis zu nächsten Sitzung vertagt, auf der dann allerdings lediglich Informationen und Berichte über die Entstehung dieser Arbeitsgemeinschaft sowie über eine von ihr veranstaltete Tagung in Karl-MarxStadt gegeben wurden.'44 Ein Verständigungsversuch - sofern es ihn gegeben hat - war wohl auch wenig erfolgreich. Die Kongreßarbeit blieb wegen ihres modernen Schriftverständnisses und ihrer vermeintlichen „Situationstheologie" auch weiterhin ständiger Kritik seitens der Arbeitsgemeinschaft „Kirche und Bekenntnis" ausgesetzt.145 141

Ebd. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kleine Statistik zum Kirchentagskongreß 70, 25.-27. September in Dresden, 15.11.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). Vgl. auch unten die Übersichten in Kapitel 9.5. 145 Kirchentagskongreß - Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 28. Nov. 1970 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, 10.12.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S.3. 144 H. Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses-Kirchentagskongreß am Donnerstag, 21. Januar 1971 - 9.00 bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 25.1.1971 (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73), S. 2. ι« Vgl dazu Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 11 f. 142

Der „Kirchentagskongreß" 1970

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Schließlich berichtete Präsident Cieslak auf der Ausschußsitzung vom 28. November über die Tagung der Konferenz der Landesausschüsse am 14. November in Berlin, auf der die Kirchentage des zu Ende gehenden Jahres zum Thema „Wie Gott mir, so ich dir" ausgewertet worden waren. In diesem Zusammenhang erfolgten „zwei sächsische Berichte" (Gehre, Cieslak), einer „über den Kirchentagskongreß 70", ein weiterer „über die Gesamtproblematik Kirchentag und Kongreßarbeit". 146 Zur anschließenden Aussprache bemerkte Cieslak: „Im allgemeinen ist zwar Offenheit für die sächsische Form heutiger Kirchentagsarbeit da, aber noch nicht die Bereitschaft, eine konkrete Änderung von der bisherigen traditionellen Form hin zur Kongreß-Arbeit vorzunehmen. Es wird sich 1971 zeigen." 147

144 Vgl. dazu Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Kirchentages in der D D R am 14.11.1970, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 3 ) , S. 3. 147 Kirchentagskongreß - Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 28. Nov. 1970 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, 10.12.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 1.

5. B E G I N N E N D E REGIONALISIERUNG

5.1. Die Kongresse 1971 in Meerane und Dresden Zwei Monate nach dem „Kirchentagskongreß 70" wurden auf der Sitzung des Landesausschusses am 28. November die Kongreßtermine für 1971 festgelegt. 1 Angesichts der dabei vorliegenden ephoralen Aufschlüsselung der Teilnehmer des vorangegangenen Kongresses, die eine sehr geringe Beteiligung aus den westsächsischen Ephorien und des Vogtlandes erkennen ließ, 2 wurde beschlossen, im nächsten Jahr erneut zwei Kongresse durchzuführen, von denen ein Kongreß jedoch erstmals nicht in Dresden, sondern - speziell für die westsächsischen und vogdändischen Gebiete in Meerane stattfinden sollte. Ein weiterer Grund, die Kongreßarbeit in diesem Jahr auf zwei in Ablauf und Gestaltung parallele Veranstaltungen zu verteilen, war die „gewachsene Teilnehmerzahr, die auf dem vorangegangenen Kongreß erstmals die Zahl von 300 Personen überschritten hatte. 3 Der Termin des Dresdner Kongresses wurde auf den 6./7. November, der des Kongresses in Meerane - wenige Wochen früher - auf den 16./17. Oktober festgelegt. Diese zeidiche Vorordnung des Meeraner Kongresses war wohl bewußt gewählt worden, um die Dominanz des traditionellen Veranstaltungsortes Dresden gegenüber dem geographisch doch etwas peripher gelegenen Meerane in Grenzen zu halten. Aus dem gleichen Grund wurde bereits auf dieser Sitzung des Ausschusses festgelegt, wer von seinen Mitgliedern an dem Kongreß in Meerane teilnehmen werde. 4 1

Kirchentagskongreß - Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 28. Nov. 1970 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, 10.12.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 19681970), S.3. 2 Aus den westsächsischen Ephorien Auerbach, Borna, Oelsnitz und Zwickau war niemand gekommen (ebenso aus den freilich nähergelegenen Ephorien Marienberg und Oschatz). Die Ephorien Glauchau, Plauen, Werdau u. a. waren nur mit einzelnen Teilnehmern vertreten gewesen (vgl. Kirchentagskongreß 70, Teilnehmer nach den Kirchenbezirken, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970]). } Im Informationsschreiben an die Kongreßteilnehmer wurde dies als der alleinige Grund genannt (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 1969 und 1970, 24.5.1971 [KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971], S. 1). ' Zu einer ausgewogenen Teilnahme kam es allerdings nicht (5 von insgesamt 22 Ausschußmitgliedem). Neben Christa Mäurich (Dresden) und Rudolf Hacker (Karl-Marx-Stadt)

Die Kongresse 1971 in Meerane und Dresden

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Weitergehende Überlegungen, etwa zur Thematik des Kongresses, wurden d a g e g e n n o c h nicht a n g e s t e l l t Da der Kongreß in Meerane vor allem für jene Regionen der sächsischen Landeskirche gedacht war, die sich bisher an den Kongressen kaum oder gar nicht beteiligt hatten, war es notwendig, für diesen Kongreß in besonderer Weise zu werben. Aus diesem Grund besuchte der Sekretär des Landesausschusses, Herbert Gehre, Mitte Juli die Superintendenten jener Ephorien, „die bisher kaum Teilnehmer in Dresden hatten oder überhaupt keine" (Auerbach, Borna, Glauchau, Oelsnitz, Plauen, Werdau und Zwickau). Mit diesen Ephorien wurden Kontingente für Meerane vereinbart. Den weiter östlich gelegenen Ephorien Leipzig, Würzen, Grimma, Rochlitz, Stollberg und Aue wurde es freigestellt, sich für Dresden oder Meerane zu entscheiden. „Die resdichen 18 Kirchenbezirke sind nach Dresden gebeten worden." 5 D i e Festlegung d e s T h e m a s f ü r 1971 erfolgte auf d e r S i t z u n g d e s L a n d e s ausschusses a m 21. Januar 1971. 6 Bei d e r T h e m e n d i s k u s s i o n , d i e i m w e sentlichen unter d e r Fragestellung g e f ü h r t w u r d e , w i e d a s E v a n g e l i u m in d e r b e s o n d e r e n Situation d e r D D R - G e s e l l s c h a f t z u r Sprache gebracht w e r d e n k ö n n e u n d m ü s s e , 7 standen sich z w e i g e g e n s ä t z l i c h e P o s i t i o n e n gegenüber, v o n d e n e n d i e eine m e h r „Grundsatzfragen", d i e andere d a g e g e n d i e U m s e t z u n g d e s missionarischen A u f t r a g s in „ A k t i o n d e r G e m e i n d e " in d e n M i t t e l p u n k t d e s K o n g r e s s e s stellen wollte. A u s d e n z a h l r e i c h e n

wurden vor allem die Ausschußmitglieder aus dem Leipziger Raum (Siegfried Bräuer, Herbert Dost, Johannes Hempel) für Meerane vorgesehen. 5 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Mitglieder des Landesausschusses, 7.8.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971). * H. Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses-Kirchentagskongreß am Donnerstag, 21.Januar 1971 - 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 25.1.1971 (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73). 7 Mit dem Kongreß des Jahres 1970 hatte sich diese Fragestellung als Grundthema der Kongreßarbeit endgültig durchgesetzt So formulierte Präsident Cieslak in einem an den DEKT in Fulda gerichteten umfangreichen Informationsschreiben über Entstehung, Werdegang und Zielstellung der Kongreßarbeit: „Wir erwarten von der Kirchentagskongreßarbeit, daß durch sie eine Kirchentagsbewegung in der gesamten Landeskirche entsteht: Missionarische Gemeinde" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Joh. Cieslak], An den Deutschen Evangelischen Kirchentag Fulda, 4.1.1971 [KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71], S. 2). - Eigentlicher Anlaß dieses Schreibens war freilich weniger der Wunsch, die Vertreter der westdeutschen Kirchentagsarbeit an dem Geschick der sächsischen teilhaben zu lassen, als vielmehr „die Bitte und Anfrage, ob es möglich ist, der sächsischen Kirchentagsarbeit einen Wagen (,Wartburg' - Limousine, wenn möglich mit Schiebedach) zur Verfügung zu stellen", denn: „... hier ist auf Jahre hinaus kein Wagen zu bekommen" (ebd.). - Eine Antwort aus Fulda hat sich in den Akten nicht erhalten.

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Vorschlägen 8 kristallisierte sich schließlich als T h e m a „die missionarische G r u p p e " heraus, wobei die konkrete Themenformulierung „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt G o t t e s " sowohl den Wunsch nach grundsätzlicher Verständigung wie auch den nach „ U m s e t z u n g " aufnahm. Stand 1970 die Frage im Mittelpunkt, was die Christen den anderen anzubieten hätten, sollten damit auf diesem Kongreß die weiterführenden Fragen bedacht werden, wie und warum Christen dieses ihr Angebot an die anderen weitergeben wollen und sollen, wobei die Themenformulierung bereits Hinweise enthielt, in welcher Richtung Antworten zu suchen wären. Für die Weiterarbeit am T h e m a wurden einige Mitglieder des Landesausschusses beauftragt, „zur Thematik . . . einen Vorschlag (Denkmodell) zum nächsten L.A. vorzulegen". 9 Der daraufhin erarbeitete „Aufriß zur Thematik des Kirchentagskongresses 1971" 10 versuchte die Annäherung an das Thema anhand der in der Themenformulierung gebrauchten Begriffe: „missionarisch", „Gruppe", „kommende Welt Gottes", „Zeichen". Unter dem Stichwort „Mission" wurde im wesendichen nur noch einmal erläutert, daß diese ein von Gott selbst in Gang gesetzter Prozeß sei (missio dei), an dem die Kirche lediglich als Mitarbeiterin teilhabe. In der Konsequenz bedeute diese Priorität des missionarischen Auftrages, daß die kirchlichen Strukturen nach den Erfordernissen des missionarischen Auftrags gestaltet werden müßten (und nicht umgekehrt). Was das konkret heißen könnte, erfuhr unter dem Stichwort „Gruppe" seine Erläuterung. Denn die Wahrnehmung des missionarischen Auftrags heute mache eine Loslösung vom traditionellen parochialen Denken notwendig und erfordere ein Denken in einem parochieübergreifenden, größeren „Raum". In diesem überparochialen Raum bedürfe es, um den Auftrag in seiner vielfältigen Gestalt wahrnehmen zu können, wiederum „einer Vielzahl sehr verschieden gestalteter funktionaler Gruppen . . . , die aus Wort, Sakrament und Gebet lebend, vom Evangelium her handelnd Antwort zu geben versuchen auf bestimmte Probleme und situationsgebundene Aufgaben in den verschiedenen Lebensbereichen und auf den verschiedenen Ebenen des .Raumes'"." 8 Genannt wurden unter anderem: „Theologie im Sozialismus", „Die Hoffnung der Christen", „Was meinen wir mit dem zukünftigen Reich Gottes", „Programm der kleinen Schritte", „Das zukünftige Reich Gottes als Motor für die missionarische Gruppe" (vgl. H. Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses-Kirchentagskongreß am Donnerstag, 21.Januar 1971 - 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 25.1.1971 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73], S. 1). ' Ebd. 10 Fritz/Mäurich/Wonneberger/Gehre, Aufriß zur Thematik des Kirchentagskongresses 1971, 16./17. Oktober in Meerane, 6./7. November in Dresden, „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", 3.3.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73). 11 A . a . O . , S. 1.

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Weniger klar und ausführlich gerieten demgegenüber die Gedanken zum eschatologischen Bezug des Themas, die zum Teil weniger entfaltenden als vielmehr einschränkenden Charakter trugen. Zwar wurde vorangestellt, daß Mission sowohl auf das Heilsein (mit der „Weitergabe des Evangeliums") wie auch auf das Wohlsein des Menschen („in der Gestalt des Dienstes") ziele, 12 mehr Aufmerksamkeit wurde jedoch der Feststellung gewidmet, daß beides jetzt noch nicht endgültig und vollkommen verwirklicht werden könne. Unter dem Stichwort „Zeichen" wurde schließlich das Verhältnis von verbaler und tätiger Verkündigung reflektiert, wobei der Wortverkündigung gegenüber dem tätigen Dienst zwar ein prinzipieller Vorrang, jedoch kein chronologischer eingeräumt wurde. Ein knapper Hinweis deutete dabei an, daß in der gegenwärtigen Zeit des „billigen" Wortes zeichenhaftem Handeln eine besondere Bedeutung zukomme.

Diese Ausarbeitung lag dem Landesausschuß auf seiner Sitzung am 3. April, auf der das Thema für die geplanten Kongresse weiter diskutiert werden sollte, vermutlich vor. Im Protokoll fand zumindest eine „Fülle von Vorschlägen" Erwähnung, „die für die Durchführung des Themas gemacht" worden seien. Allerdings konnte trotz dieser Fülle keine „klare Linie" gefunden werden, so daß zur intensiven thematischen Weiterarbeit für den 31. Juli eine Sondersitzung anberaumt wurde. Dagegen kam es bereits auf dieser Sitzung am 3. April per Mehrheitsbeschluß zur Festlegung, wer um die Referate zum Thema gebeten werden sollte. Die Entscheidimg fiel auf den Kirchenrat im Lutherischen Kirchenamt Berlin, Helmut Zeddies, sowie auf den Dresdner Ingenieur Dr. Christof Ehrler.13 Mitte Mai wurde darüber hinaus - wohl angesichts der Schwierigkeiten, dem Thema klare Konturen zu verleihen - der Gedanke geboren, die Themendiskussion auf eine breitere Grundlage zu stellen. Nachdem die Termine für 1971 bereits am 22. Februar bekanntgegeben worden waren,14 erfolgten noch vor der geplanten Sondersitzung auf Vorschlag von Präsident Cieslak in einem Rundschreiben an die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 1969 und 1970 nähere Erläuterungen zur bisherigen thematischen Planung mit der ausdrücklichen Bitte um „positive Vorschläge zum Thema bezw. zur Gestaltung der Wochenenden".15 Reaktionen darauf 12

А. а. O., S. 2. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (H. Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 3. April 1971, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr in Dresden-Strehlen, Kirchgemeindehaus, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73). 14 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Gemeinden der Kirchenbezirke Westsachsens und des Vogtlandes und an die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 1969 und 1970, 22.2.1971 (EZA, DEKT, 95/93/59). 15 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Johannes Hempel), An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 1969 und 1970, 24.5.1971 (KKTArchiv Dresden, Korrespondenz 1971). Die Zielstellung des Themas wurde darin folgen13

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wurden allerdings nicht aktenkundig. In Fortführung des damit eingeschlagenen Weges einigte man sich jedoch auf der Sitzung des Landesausschusses am 19. Juni darauf, auch die Vorabdiskussion der Referate auf eine breitere Grundlage zu stellen. Zu diesem Zweck sollten die Endfassungen der Vorträge von Zeddies und Ehrler vervielfältigt und vor den Kongressen den verschiedensten Gruppierungen innerhalb der sächsischen Landeskirche „zur Stellungnahme und kritischen Bewertung" zugesandt werden.16 Um den beiden Referenten, bei denen noch „Unklarheiten" hinsichdich der „Behandlung der Thematik" bestünden, Hilfestellung zu geben, wurden auf dieser Sitzung als Grundlage für klärende und weiterführende Gespräche „Stichworte zum Thema" gebilligt, die vom stellvertretenden Ausschußvorsitzenden Johannes Hempel und einem der Referenten (Helmut Zeddies) gemeinsam erarbeitet worden waren.17 Dennoch ließ sich der vorgesehene Zeitplan nicht einhalten. Auf der Sitzung des Landesausschusses am 25. Juli wurden die beiden Referate zwar ausführlich diskutiert, es war jedoch noch nicht möglich, bereits eine endgültige Fassung zu verabschieden, so daß der ursprüngliche Plan, diese Referate vor den Kongressen „Synodalen, Superintendenten, Arbeitszweigen und Werken . . . zur kritischen Bewertung zugehen zu lassen", nicht verwirklicht werden konnte.18 Eine weitere Märung der Thematik vollzog sich vermutlich19 auf der oben erwähnten Sondersitzung am 31. Juli. Während der Rückhalt in den Gemeinden, den die Kongreßarbeit in dieser Zeit erfuhr, immer weiter anstieg, erlitt ihr Versuch, auch die Pfarrerschaft zu gewinnen, im Frühjahr 1971 einen erheblichen Rückschlag. Trotz intensiver Bemühungen gelang es nicht, die in Auswertung des letzten Kongresses beschlossene zweitägige Veranstaltung, die speziell für Pfarrer gedacht war, durchzuführen.

dermaßen beschrieben: „Wir wollen anhand dieses Themas darüber sprechen, daß und wie es in der Kirche der Zukunft, die .Kirche für andere' sein will, Christen geben muß, die zusammen, also in Gruppen, andere für das Leben mit Christus gewinnen möchten und die sich diese Aufgabe deshalb stellen, weil sie durch ihren Glauben an die kommende Welt Gottes dazu ermutigt und verpflichtet sind." " Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 19. Juni 1971 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche - 9-14 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 3. 17 А. а. O., S. 2. 18 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Mitglieder des Landesausschusses, 7.8.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971). " Ein Protokoll ist nicht erhalten. Bereits im Vorfeld hatten sich etliche Mitglieder des Landesausschusses für ihr zu erwartendes Nichterscheinen entschuldigt

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Eine solche Tagung war aufgrund der geringen Beteiligung der Pfarrerschaft an den Kongressen sowie angesichts zum Teil deutlicher Vorbehalte in diesem Bereich auf der Sitzung am 28. November 197020 angeregt und dann auch bereits vorbereitet worden. Unter Aufnahme eines der Hauptdifferenzpunkte zwischen der Kongreßarbeit als Laienzurüstung und den Pfarrern als Träger eines besonderen Amtes war als Thema „Der eine Auftrag und die vielen Dienste" gewählt worden. Für das einleitende Referat sagte, nachdem der Magdeburger Bischof Werner Krusche (aus terminlichen Gründen)21 nicht gewonnen werden konnte, der Leipziger Theologiedozent Ulrich Kühn zu. Die endgültige Themenformulierung lautete: „Amt und Ordination".22 Ziel dieser Tagung sollte es sein, „von dem Leitbild ,Hirt und Herde' wegzukommen und vielmehr 1. Korinther 12 in den Mittelpunkt zu stellen, also das Bild vom Leib und den Gliedern".23 Die Tagung sollte vom 11. bis 13. Mai im Pastoralkolleg Krummenhennersdorf stattfinden. Gerechnet wurde mit 50-60 Teilnehmern. Gut einen Monat vor dem geplanten Termin mußte der Landesausschuß auf seiner Sitzung am 3.April 1971 allerdings feststellen, daß „die Anmeldungen . . . in so geringer Zahl24 eingegangen" waren, „daß sich die Frage erhebt, ob es sinnvoll ist, diese Tagung durchzuführen". Nach „einem Gespräch zur Sache" beschloß der Landesausschuß einstimmig, die Tagung abzusagen und für Januar 1972 eine neue Tagung vorzubereiten (für die man erneut hoffte, Werner Krusche als Referenten zu gewinnen).25 Auf der nächsten Ausschußsitzung wurde „die 20

Siehe oben S. 260. Vgl. H . Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses-Kirchentagskongreß am Donnerstag, 21.Januar 1971 - 9.00 bis 14.00 U h r im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 25.1.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73), S. 1. 22 Zur ursprünglichen Planung vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Herrn Michael Gehre, 28.1.1971 (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971) sowie Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Kirchenbezirke Westsachsens und des Vogtlandes und an die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 1969 und 1970, 22.2.1971 (EZA, DEKT, 95/93/59), S. 2 f. 23 Vgl. Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 7 f. 24 Es lagen lediglich 6 Anmeldungen vor, von denen eine unter Vorbehalt gegeben worden war (vgl. die Anmeldungen in: KKT-Archiv Dresden, Pfarrertagung 1971). - In dem Absageschreiben an die angemeldeten Teilnehmer wurde vermutet, d a ß die geringe Zahl der Anmeldungen damit zusammenhängen könnte, daß „die gleiche Thematik auf den diesjährigen Pfarrertagen behandelt werden" sollte (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Gehre], Sehr geehrter lieber Bruder . . . , 26.4.1971 [KKT-Archiv Dresden, Pfarrertagung 1971]). 25 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (H. Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 3. April 1971, 9.00 U h r bis 14.00 U h r in Dresden-Strehlen, Kirchgemeindehaus, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73). Im Rückblick auf die Kongreßveranstaltungen von 1968 bis 1977 wurde im Jahre 1978 allerdings für 1971 vermerkt, daß es unter dem Thema „Der eine Auftrag und die vielen Dienste" eine „Arbeit mit Pfarrern (2 Tage)" gegeben habe, an der 60 Personen teilgenommen 21

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Richtung d e s V o r t r a g e s / d e r T h e m a t i k " für die Januartagung mit „Perspektive unseres Dienstes" umschrieben. 2 6 A u f g r u n d besonderer U m s t ä n d e waren die Pläne für die Pfarrertagung im September 1971 n o c h immer unkonkret. 2 7 Februar 1972 wurde dann „die D u r c h f ü h r u n g der früher geplanten , Pfarrertagung' . . . zunächst ausgesetzt". 2 8 Erst am 11. M a i 1974 stand die Frage einer „Pfarrertagung" erneut auf der T a g e s o r d n u n g d e s Landesausschusses, allerdings o h n e d a ß zu diesem Zeitpunkt eine b e s o n d e r e Pfarrertagung für sinnvoll gehalten wurde. D e r Landesa u s s c h u ß entschied sich vielmehr für eine verstärkte Informationstätigkeit unter der Pfarrerschaft „über die Arbeit d e s Kirchentagskongresses und über die Planungen 1975". 2 9 M ö g l i c h e r w e i s e hatte aber bereits die Vorbereitung einer solchen T a g u n g , indem sie d a s Interesse einzelner Pfarrer für die Kongreßarbeit w e c k t e , eine positive Wirkung. Z u m i n d e s t w a r beim nächsten K o n g r e ß in D r e s d e n eine erhöhte Beteiligung d e r Pfarrerschaft z u verzeichnen. Lag die Beteiligung der Pfarrerschaft (einschließlich d e r mittleren und o b e r e n Leitungsebene) 1970 bei 13,74 %, 30 kamen beim D r e s d n e r K o n g r e ß 1971 2 0 , 6 5 % 31 der Teilnehmer aus diesem Bereich.

Ein anderer Schritt, den der Landesausschuß in dieser Zeit unternahm, um die Kongreßarbeit auf eine breitere Basis zu stellen, hatte dagegen

hätten ([KONGRESS UND KIRCHENTAG IN DER EV.-LUTH. LANDESKIRCHE SACHSENS]: Kirchentagskongreßarbeit, Kirchentagsarbeit, S. 5). Wie es zu dieser nach Aktenlage unzutreffenden Notiz kam, ist nicht erkennbar. 26 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 19. Juni 1971 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche - 9 - 1 4 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 2. " Im Protokoll der Ausschußsitzung am 25. September 1971 wurde hinsichtlich der für 1972 vorgesehenen „Tagung für Pfarrer" festgehalten: „Eine konkrete Planung für die Tagung (Termin und Thema) kann wegen der anstehenden Bischofswahl und den damit zusammenhängenden Fragen (Termin und Thematik der Pfarrertage) nicht geschehen" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 25. September 1971 in Dresden-Striesen, Gemeindehaus der Versöhnungskirche - 9 - 1 4 Uhr, 25.9.1971 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz], S. 2). 28 Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 12. Februar 1972, 9.00 U h r bis 14.00 U h r im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 16.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S.2. 24 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Mai 1974 - 9.00 U h r bis 17.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche, 8020 Dresden-Strehlen, 28.5.1974 (Privatarchiv Cieslak), S. 3. - Zu einer „Pfarrertagung" kam es erst 1979 (6.8. März in Meißen). 30 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kleine Statistik zum Kirchentagskongreß 70, 25.-27. September in Dresden, 15.11.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970). 11 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Statistik 1971, 20.11.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6.77.11.1971).

Die Kongresse 1971 in Meerane und Dresden

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Erfolg und Konsequenzen für die Kongreßarbeit der nächsten Jahre.32 Während der Vorbereitung der Kirchentagskongresse 1971 wurde der Gedanke eines intensiveren Erfahrungsaustausches mit dem Kirchentagslandesausschuß der benachbarten Görlitzer Landeskirche sowie einer eventuellen Zusammenarbeit geboren. Nach einem ersten Sondierungsgespräch von Vertretern beider Landesausschüsse am l.Juni 1971, bei dem das Interesse beider Seiten deutlich geworden war, beschloß der sächsische Landesausschuß auf seiner Sitzung am 19. Juni dem Landesausschuß Görlitz folgendes Angebot zu unterbreiten: „1.) Teilnahme von 3 bis 5 Gliedern des Landesausschusses Görlitz an der Sitzung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses am 25. September in Dresden, 2.) Einladung zur Teilnahme an den Kirchentagskongressen 71 - Teilnehmerzahl freigestellt, 3.) Teilnahme an der Sitzung des Landesausschusses Sachsen zur Auswertung der Tagungen am 20.11. in Dresden (wieder 3-5 Glieder L A Görlitz). Beratung über die weitere Zusammenarbeit Görlitz - Dresden."33

Dieses Angebot, mit dem die Kongreßarbeit nicht nur Landeskirchengrenzen, sondern auch Bekenntnisgrenzen (Sachsen war lutherisch, Görlitz uniert) überschritt, teilte Herbert Gehre im Namen des sächsischen Landesausschusses dem Landesausschuß des Ev. Kirchentages Görlitz am 16. Juli mit 34 Es wurde angenommen und markiert den Beginn einer längeren, über die bestehenden persönlichen Kontakte hinausgehenden für beide Seiten wichtigen Zusammenarbeit Im August wurden die Einladungen für die beiden Kongresse in Meerane und Dresden verschickt. Diese enthielten auch einige Sätze „zum Bedenken", die die Teilnehmer auf das Thema einstimmen und Vorüberlegungen in Gang setzen sollten. Wie es in den Vorbemerkungen Herbert Gehres dazu hieß, wolle man auch auf diesem Kongreß über ein Thema arbeiten, „das die große und eigentliche Aufgabe der Gemeinde Jesu Christi beinhaltet, , . . . Kirche für die anderen' zu sein". Hatte Gehre noch darauf hingewiesen, daß diese Aufgabe ein „Dienst... im Horizont der kommenden Welt Gottes" sei, legten die nachfolgenden fünf „Sätze - zum Bedenken" das ganze Gewicht auf den ersten Teil der Themenformulierung „Missionarische Gruppen", ohne auf den eschatologischen Bezug im zwei32

Vgl. aber unten S. 343-346. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 19. Juni 1971, in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche - 9 - 1 4 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 3 f. 34 Gehre, An den Landesausschuß des Evangelischen Kirchentages Görlitz, 16.7.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz). 33

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ten Teil einzugehen. Thesenartig wurde festgehalten, daß die genannte Aufgabe in der heutigen Situation nur von jenen Christen wahrgenommen werden könne, die in ihrem Alltag wirklich noch mit den „anderen" zusammenkämen, nicht jedoch von den hauptamdichen kirchlichen Mitarbeitern, die sich im wesentlichen im Rahmen der Gemeinde bewegten. Diese Alltagsmissionare brauchten freilich für diese Tätigkeit den Austausch untereinander, so daß als weitere These die Bildung kleiner Gruppen aus Mitgliedern mit ähnlichem Erfahrungshorizont gefordert wurde. Darüber hinaus sei Unterstützung durch die Gesamtgemeinde notwendig, wobei nicht nur an gegenseitige Hilfe, sondern ausdrücklich auch an „Ausund Weiterbildung" gedacht war. 35 In den Akten hat sich die schriftliche Reaktion eines Handwerkers auf diese Einladung erhalten. Sie ist skeptisch hinsichdich der Verwirklichung des im Kongreßthema Angedeuteten und in der Einladung kurz Umrissenen und unterstrich damit noch einmal - indirekt und unbeabsichtigt - dessen Notwendigkeit Die christliche Botschaft sei - so hieß es dort - in der sozialistischen Umwelt nicht gefragt, sondern eher unerwünscht Entsprechend lautete der Einwand: „Ich glaube nicht, daß wir als missionarische Gruppen in der DDR die frohe Botschaft der Liebe Gottes zu allen Menschen frei verkündigen dürfen. Bei uns wird doch keine kommende Welt Gottes erwartet, bei uns wird der marxistische Sozialismus aufgebaut" 36 Am 25. September 1971 tagte der Landesausschuß erneut 3 7 An dieser Sitzung nahmen - wie verabredet - als Gäste drei Vertreter des Landesausschusses des Evangelischen Kirchentages der Görlitzer Kirche teil. Ausführlich wurden auf dieser Sitzung die inzwischen vorliegenden Referate von Helmut Zeddies und Christof Ehrler besprochen. Dabei gelangte der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß gerade der mit dem Kongreßthema neu gesetzte eschatologische Akzent in den Referaten nicht hinreichend zum Tragen komme. Deshalb wurde - wohl auch weil es innerhalb des Ausschusses selbst Erklärungsbedarf gab - Johannes Hempel gebeten, „noch während der Sitzung zu diesem Thementeil etwas zu formulieren", was diesem auch gelang.

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Kirchentagskongreß 71 Dresden am Sonnabend/Sonntag, 6./7. November 1971 im Gemeindehaus der Versöhnungskirche Dresden-Striesen mit dem Thema: „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971). 36 Johannes Göbel, Liebe Freunde vom Landesausschuß, 20.9.1971 (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971). 37 Vgl. dazu Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 25. September 1971 in Dresden-Striesen, Gemeindehaus der Versöhnungskirche - 9-14 Uhr, 25.9.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz).

Die Kongresse 1971 in Meerane und Dresden

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Hempel ging in seinen Überlegungen davon aus, daß missionarisches Reden und Handeln nicht von der Erwartung des Reiches Gottes, das Heil bedeute, absehen könne. Diese Erwartung habe für das gegenwärtige Reden und Handeln vielmehr eine motivierende, ermöglichende, aber auch in Dienst nehmende Funktion. Darüber hinaus lege sie, indem sie zum Hinweis auf das kommende Reich verpflichte, auch die inhaldiche Tendenz missionarischen Tuns fest. Missionarisches Reden und Handeln in der Erwartung des Reiches Gottes setze dementsprechend Zeichen dieses kommenden Reiches. Diese wären - so Hempel - „Frieden, Gerechtigkeit, Freude, Gemeinschaft, Leben, Schauen Gottes ( = ,Gott sichtbar machen')". Allerdings bedeute dieses Zeichensetzen nicht, daß damit das kommende Reich bereits vorweggenommen werde oder gar ersetzt werden könne. 38 Hempels Erläuterungen wurden - bis auf „geringfügige Abänderungen" vom Landesausschuß angenommen. Er beschloß, diese umgehend dem Referenten für die theoretische Grundlegung (Zeddies) zuzuleiten - „mit der Bitte", diese „Sache am Anfang seines Referates einzufügen". Zeddies ergänzte daraufhin zwar sein Referat, allerdings nicht - wie erwartet in den grundlegenden Abschnitten, sondern erst im Teil 4, in dem es um mögliche Einwände gegenüber dem Engagement missionarischer Gruppen ging.39 Obwohl darin die Hempelschen Überlegungen der Sache nach aufgegriffen wurden, ergab sich damit doch ein anderer Stellenwert Hatte die Möglichkeit, bereits jetzt Zeichen des kommenden Reiches zu setzen, bei Hempel motivierende Funktion, selbst in diesem Sinne missionarisch aktiv zu werden, erscheint sie bei Zeddies vor allem unter apologetischem Gesichtspunkt als Antwort auf zu erwartende Rückfragen, die unter Hinweis auf die Zukünftigkeit des Heils den Einsatz dieser Gruppen für soziale Belange kritisieren.40 U m die Arbeit zum Thema möglichst effektiv zu gestalten, wurden für die Kongresse in Meerane und Dresden - erstmals nach 1968 - wieder verschiedene Unterthemen festgelegt, denen in der Regel jeweils mehrere Gesprächsgruppen zugeordnet waren. Für den Kongreßsonnabend wurden drei Themenbereiche angeboten: 1. „Das Verhältnis der missionarischen Gruppe zur Gesamtgemeinde. (Ortsgemeinde, Mittlere Ebene, Landeskirche; die missionarische Gruppe als vollgültige Gemeinde?)" 38

Kjrchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (Dr. Johannes Hempel), „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", 25.9.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6-/7.11.1971). " „4. Für missionarische Gruppen ergeben sich eine Reihe von Problemen, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen. Sie sind nicht grundsätzlich neu, aber sie stellen sich ihnen besonders eindringlich." 40 Vgl. dazu Referat zum Thema des Kirchentagskongresses 71, 16./17.0kt. Meerane und 6./7. Nov. in Dresden: „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes" von Herrn Kirchenrat Helmut Zeddies, Berlin, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971).

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2. „Die Gruppe als Hilfe für den einzelnen in seinem missionarischen Dienst. (Was verstehen wir unter Mission? Inwiefern braucht der einzelne die Gruppe?)" 3. „Die missionarische Existenz der Gruppe. (Grundelemente missionarischer Gruppen: ihr Dasein als Predigt, Gemeinde als Modell der kommenden Welt Gottes)" Am Sonntag sollte dagegen die Arbeit aller Gesprächsgruppen unter einem gemeinsamen Thema stehen: 4. „Wie entstehen und arbeiten missionarische Gruppen?"41 Etwa drei Wochen vor Beginn des jeweiligen Kongresses42 wurden die gemeldeten Teilnehmer gebeten, sich für ein Unterthema zu entscheiden.45 Darüber hinaus erhielten sie zur persönlichen Vorbereitung eine Exegese zum Text der Bibelarbeit sowie Kurzfassungen der Referate von Zeddies und Ehrler. Obwohl beide Kongresse unter demselben Thema standen und einen vergleichbaren Ablauf haben sollten, brachte die Regionalisierung dennoch zusätzliche Schwierigkeiten mit sich. Als Problem erwies sich dabei insbesondere die Tatsache, daß „die doppelte Anzahl von Arbeitsgruppen-Leitern gegenüber der bisherigen Jahrestagung in Dresden" benötigt wurde.44 Für Dresden konnte auf bisher in der Kongreßarbeit engagierte Gruppen zurückgegriffen werden. Für Meerane war „die Gewinnung der nötigen Arbeitsgruppenleiter weit schwieriger, weil aus den Kirchenbezirken Westsachsens und des Vogdandes in Dresden bisher kaum Teilnehmer da waren".45 Zwar kamen einige Teilnehmer des inzwischen begonnenen Fernkurses für Bibelgruppenarbeit sowie der Kurse für Gesprächsführung46 aus diesem Bereich. Letztendlich konnten jedoch für Meerane nicht genügend Gesprächsleiter gewonnen werden. Aus diesem Grund wurde von der bisherigen Praxis, für die Bibelarbeit und für die thematische Arbeit jeweils eigene Gesprächs41 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 71 in Meerane und Dresden, Betr.: Arbeitsgruppen zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", 4.10.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971). 42 Ein für beide Kongresse bestimmtes Schreiben trägt das Datum des 4. Oktober. Wenig später werden die Unterlagen für die Teilnehmer des Kongresses in Meerane versandt worden sein. Das besondere Anschreiben für die Teilnehmer des Kongresses in Dresden ist auf den 20. Oktober datiert 43 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 71 in Meerane und Dresden, Betr.: Arbeitsgruppen zum Thema: „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", 4.10.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971). 44 Vgl. auch unten S. 408 f. 45 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Herrn Pfarrer Paul Kühn u. a., Betr.: Kirchentagskongresse 1971 - Meerane und Dresden, Arbeitsgruppenleitungen, 30.7.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971). 44 Vgl. unten Kap. 7.1.

Die Kongresse 1971 in Meerane und Dresden

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gruppenleiter einzusetzen, abgegangen. „In Ermangelung der erforderlichen Leiter" wurden dort „je drei Schwestern und Brüder gebeten, als Team sowohl eine Bibelarbeitsgruppe als auch die gleiche Gruppe bei der Arbeit über das Thema zu leiten". Diese aus der Not geborene Lösung wurde im nachhinein als so positiv bewertet, daß für Dresden die gleiche Form gewählt wurde.47 Der Kongreßsonnabend begann - sowohl in Meerane als auch in Dresden - mit einer Gruppenbibelarbeit über Lk 10,1-2(12) (die Aussendung der zweiundsiebzig Jünger). Dieser Text war im Hinblick auf das Kongreßthema gewählt worden, wie auch die Bibelarbeit insgesamt - zusammengefaßt von Pastorin Johanna Haaß aus Delitzsch - unter die Frage gestellt wurde, was der genannte Text zur Frage der missionarischen Gruppen aussage. Die Zusammenfassung der Meeraner Bibelarbeit48 zog aus der Grundaussage, daß der Herr selbst es sei, der entsendet - und nicht etwa eine Institution (auch nicht die Gemeinde) - , grundsätzlich? Folgerungen für den Charakter des Gesandtseins. Sei nämlich der Herr selbst der Entsendende, sei die Sendung keine Aufgabe neben anderen, sondern fordere mit der Jesu eigenen Ausschließlichkeit die ganze Person. Wer Jesu Ruf folge, sei dann allerdings auch von ihm bevollmächtigt und dürfe mit Vollmacht ab ein von ihm Beauftragter auftreten. Als Bote des Herrn bringe der Gesandte dessen Gabe, die mit dem Begriff „Frieden" umschrieben wurde. Als Gabe Jesu dürfe „Friede" aber nicht im allgemeinen bleiben, sondern müsse konkret werden. Die Konkretion könne freilich nur von Boten und Adressaten gemeinsam gefunden werden.49 Der Nachmittag stand im Zeichen von Referat und Korreferat, wobei sich das Referat von Zeddies mehr von grundsätzlichen Überlegungen, das Korreferat von Ehrler mehr vom Versuch einer Standortbestimmung der „missionarischen Gruppen" in Kirche und Gesellschaft leiten ließ. Kirchenrat Zeddies verstand die Bildung besonderer missionarischer Gruppen als Reaktion auf die relative Erfolglosigkeit der missionarischen Aktivitäten der traditionellen Gemeinden einerseits und als Verwirklichung der Einsicht, daß Christen das „Heil nicht haben, wenn sie es für sich selbst behalten", andererseits. Missionarische Gruppen seien deshalb „legitime und hoffnungsvolle Zeichen einer neu erwachenden Verantwortung für das Zeugnis des Evangeliums". Da sie aber nicht im „binnenkirchlichen Ghetto" wirkten, sondern mitten in der Welt und dabei vielfach neue und ungewohnte Wege beschritten, ergäben sich für sie „eine " Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Arbeitsgmppenleiter des Kirchentagskongresses 71 in Dresden - 6./7. N o vember, 20.10.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971). 48 Eine entsprechende Zusammenfassung für Dresden ist nicht erhalten. w Vgl. Kirchentagskongreß 71 - Tagung in Meerane am 16./17. Oktober, Zusammenfassung - Bibelarbeitsgruppe (Lukas 10,l-2[-12]) von Frau Pastorin Johanna Haaß, Delitzsch, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971).

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Beginnende Regionalisierung

Reihe von Problemen", die zwar nicht grundsätzlich neu wären, sich jedoch in diesem Kontext „besonders eindringlich" stellten. Zu diesen Problemen zählte er - um anschließend jeweils eine Verhältnisbestimmung der genannten Gegensatzpaare zu versuchen - insbesondere die Fragen nach dem Verhältnis von Reden (Verkündigung) und Tun (konkreter Hilfe), von Wohlergehen und Heil sowie von Gruppe und Gesamtgemeinde. 50 Dr. Ehrier wandte sich dagegen in seinem Korreferat nach einer grundsätzlichen Einführung, in der auch er „missionarisches Handeln in Wort, Dienst und Gebet" als eine ureigenste Wesensäußerung der Kirche beschrieb, „die für alle ihre Glieder und Gemeinden gleichermaßen" gelte, vor allem praktischen Fragen zu, die im Verhältnis der missionarischen Gruppen zur Gesamtgemeinde wie auch zu ihren Adressaten entstünden.51

In den Gesprächsgruppen am Sonnabend wie auch am Sonntag wurden die in den Referaten angesprochenen Grundprobleme weiter diskutiert. Trotz der unterschiedlichen Arbeitsthemen waren diese anscheinend in allen Gesprächsgruppen präsent, erfuhren allerdings zum Teil von Gruppe zu Gruppe eine veränderte Beantwortung.52 In der Gruppenarbeit am Sonnabend (Unterthemen 1-3) stand vielfach erst einmal eine definitorische Verständigung darüber im Mittelpunkt, was eine „missionarische Gruppe" eigentlich sei bzw. was in diesem Zusammenhang „Mission" bedeute. Ubereinstimmend wurde dabei als wesendichstes Kennzeichen dieser „missionarischen Gruppen" festgehalten, daß es ihnen um konkrete Lebenshilfe an Kirchenfernen oder Kirchenfremden gehe. Während die einen dieses Merkmal „missionarischer Gruppen" ohne expliziten christologischen Bezug formulierten,53 hielt eine andere Gruppe ausdrücklich fest, daß „Mission" nicht nur meine, „im Auftrag

50 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Referat г и т Thema der Kirchentagskongresse 71, 16./17. Oktober in Meerane und 6./7. November in Dresden, von Herrn Kirchenrat Helmut Zeddies, Berlin: „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.П.1971). 51 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Korreferat zum Thema der Kirchentagskongresse 71, 16./17. Oktober in Meerane und 6./7. November in Dresden, von Herrn Dr. Ing. Christof Ehrler, Dresden: „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971). 52 Im folgenden wird aufgrund des identischen Ablaufs zwischen den beiden Kongressen in Meerane und Dresden nicht näher unterschieden. " „Missionarische Gruppen verstehen sich als eine Gemeinschaft von Menschen, die sich getrieben wissen, den Menschen in ihrer Umgebung in ihren Nöten und Schwierigkeiten beizustehen und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Gaben und Mitteln zu helfen" (Kirchentagskongreß 71 in Dresden, Bericht der Arbeitsgruppe 1 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 1: „Das Verhältnis der missionarischen Gruppe zur Gesamtgemeinde" [Ortsgemeinde, Mittlere Ebene, Landeskirche; die missionarische Gruppe als vollgültige Gemeinde?], undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72]).

Die Kongresse 1971 in Meerane und Dresden

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Christi auf den anderen helfend" zuzugehen, sondern daß im konkreten Tun und Handeln dieser Auftraggeber auch erkennbar sein müsse, so daß sich die „missionarischen Gruppen" von anderen Gruppierungen in der Gesellschaft mit ähnlichen Aktivitäten (etwa der Volkssolidarität) erkennbar unterschieden.54 In diesem Zusammenhang wurde dann auch die Frage diskutiert, ob eine „missionarische Gruppe" die verbale Verkündigung brauche oder ob sie auch wortlos - lediglich durch ihr helfendes Tun - verkündigen könne.55 Zu diesem Punkt gingen die Meinungen auseinander. Eine Arbeitsgruppe (zum Unterthema 3) vermerkte ausdrücklich, daß in dieser Frage keine Einigkeit erzielt werden konnte.56 Hinsichdich der Frage nach der Entstehung „missionarischer Gruppen" (Unterthema 4 am Sonntag) war man sich dagegen einig sowohl in der Kritik an der Betreuungsstruktur der bestehenden Ortsgemeinden als auch in der Einschätzung, daß es kaum möglich sein werde, vorhandene Gemeindegruppen in missionarische Gruppen umzuwandeln. Bereits am Sonnabend war das Verhältnis von „missionarischer Gruppe" und Ortsgemeinde mehrfach als schwierig bezeichnet worden. Aus diesem Grunde wurde eine Trennung von der Ortsgemeinde für möglich gehalten - wenn auch lediglich als „äußerste Nodösung". 57 Entscheidend für die Bildung einer „missionarischen Gruppe" sei allerdings weder das organisatorische Verhältnis zur Ortsgemeinde noch der theoretische Entschluß, jetzt eine missionarische Gruppe bilden zu wollen, sondern eine konkrete Aufgabe, die von Anfang an vorhanden sein müsse. Die Erkenntnis von vorhandener Hilfsbedürftigkeit im weitesten Sinne sei damit der eigentliche gründende Impuls für eine missionarische Gruppe. Je nach Erfahrungshorizont wurden diese Überlegungen lediglich als Programm für die Zukunft 58 oder ab erste Bilanz missionarischer Bemühungen 54 Vgl. Kirchentagskongreß 71, Bericht der Arbeitsgruppe 4 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 2: „Die Gruppe als Hilfe für den einzelnen in seinem missionarischen Dienst" (Was verstehen wir unter Mission? Inwiefern braucht der einzelne die Gruppe?), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). 55 Ein für den „Sonntag" verfaßter Bericht vom Kongreß in Dresden hob als eine der Grundfragen hervor: „Können wir heute ohne Worte, ohne etwas zu erklären und zu sagen, Zeugen unseres Herrn Jesus Christus sein?" (W. Krellner, Kirchentagskongreß 1971, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971]). * Kirchentagskongreß 71, Bericht der Arbeitsgruppe 7 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 3: „Die missionarische Existenz der Gruppe" (Grundelemente missionarischer Gruppen: ihr Dasein als Predigt, Gemeinde als Modell der kommenden Welt), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). " Kirchentagskongreß 71 in Dresden, Bericht der Arbeitsgruppe 1 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 1: „Das Verhältnis der missionarischen Gruppe zur Gesamtgemeinde" (Ortsgemeinde, Mitdere Ebene, Landeskirche; die missionarische Gruppe als vollgültige Gemeinde?), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). и Vgl. Kirchentagskongreß 71 in Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe 8 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 3: „Die missionarische Existenz der Gruppe" (Grundelemente missionarischer Gruppen: ihr Dasein als Predigt, Gemeinde als Modell der kommenden Welt Gottes), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72).

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Beginnende Regionalisierung

verstanden. In letzterem Zusammenhang wurde - unter Hinweis auf neue Formen in der Jugendarbeit oder auf kirchliche Pionierarbeit in Neubaugebieten ohne gewachsene Gemeindestruktur - betont, daß es solche Gruppen durchaus schon gebe.59 Das Verhältnis des einzelnen zur Gruppe beherrschte vor allem die Diskussion zum Arbeitsthema 2. Dabei wurde die Anbindung des einzelnen an eine Gruppe durchgängig als unabdingbar angesehen. Die Gruppe sei für den einzelnen sowohl „Tankstelle", an der er angesichts nicht ausbleibender Mißerfolge neue Energien tanken könne, als auch „Werkstatt", in der er für seine missionarische Arbeit die notwendige Zurüstung erhalte.60 Trotz der damit notwendigen engen Gemeinschaft innerhalb dieser Gruppen müßten diese allerdings auch offen für neue Mitglieder sein. In einer Gesprächsgruppe zum Arbeitsthema 1 kam auch die Funktion der Kongreßarbeit selbst zur Sprache. Sie sei, so hieß es, eine wichtige Möglichkeit für die Gruppen, sich ihrerseits untereinander auszutauschen. In diesem Zusammenhang wurde auch der Wunsch geäußert, der Landesausschuß für Kongreßarbeit solle „bei auftretenden Schwierigkeiten, Fragen der Koordinierung der Arbeit von Gruppen, der Vermitdung von Kontakten" für alle Gruppen zur Verfügung stehen.61 Wenig oder gar nicht kam in den Arbeitsgruppen der im Kongreßthema formulierte Bezug der missionarischen Gruppen zur „kommenden Welt Gottes" zur Sprache. Wo dies geschah, wurde die „Welt Gottes" im wesendichen als immanente Größe verstanden,62 was eine Annäherung an diesen Aspekt des Kongreß" Vgl. Kirchentagskongreß 71 in Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe 1 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 1: „Das Verhältnis der missionarischen Gruppe zur Gesamtgemeinde" (Ortsgemeinde, Mittlere Ebene, Landeskirche; die mission. Gruppe als vollgültige Gemeinde?), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). M „Die .Werkstatt' verstehen wir in dem Sinne, d a ß die Gruppe 1.) sich anhand der Bibel Klarheit über den Sinn ihres Christseins in unserer Welt verschafft, daß sie sich im Gebet Gott öffnet und von ihm aussenden läßt, 2.) daß sie gesellschaftliche und soziale Zusammenhänge unserer Umwelt erkennt und verstehen lernt und 3.) daß sie es lernt, sich in das Wesen eines Menschen hineinzudenken, seine Empfindungswelt zu erschließen, um angemessen auf ihn eingehen zu können" (Kirchentagskongreß 71 in Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe 4 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 2: „Die Gruppe als Hilfe für den einzelnen in seinem missionarischen Dienst" [Was verstehen wir unter Mission? Inwiefern braucht der einzelne die Gruppe?], undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72]). 61 Kirchentagskongreß 71 in Dresden, Bericht der Arbeitsgruppe 1 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 1: „Das Verhältnis der missionarischen Gruppe zur Gesamtgemeinde" (Ortsgemeinde, Mittlere Ebene, Landeskirche; die missionarische Gruppe als vollgültige Gemeinde?), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). - Damit wird deutlich, daß die Kirchentagskongreßarbeit zu diesem Zeitpunkt nicht mehr lediglich als eine Arbeitsform, die auf wechselnde Inhalte angewandt werden könnte, sondern als eine inhaltlich festgelegte Arbeit verstanden wurde. a In diesem Zusammenhang wurde das Kongreßthema als mißverständlich kritisiert: „Es wäre besser - damit das Thema nicht falsch verstanden wird - zu formulieren: ,Missiona-

D i e Kongresse 1971 in Meerane und Dresden

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themas erschwerte und die Überlegungen zum Teil in eine von den Kongreßplanern wohl nicht beabsichtigte Richtung führte. Zumindest in Gesprächsgruppe 5 am Sonntag in Meerane 6 3 wurde - nachdem dort anfangs auf die Frage, warum missionarische Gruppen Zeichen der kommenden Welt Gottes seien, keine befriedigende Antwort gefunden werden konnte - gegen Ende der Diskussion „erkannt": „die brüderliche Gemeinschaft in der Gruppe ist ein Zeichen der kommenden Welt Gottes". 6 5

Die Gottesdienste am Sonntagmorgen waren in Meerane und Dresden unterschiedlich gestaltet. Für Dresden waren angesichts der Differenzen im Vorjahr66 ein Pfarrer der gastgebenden Versöhnungskirchgemeinde sowie der dortige Kantor um die Vorbereitung gebeten worden.67 Dagegen hatten für Meerane sowohl der zuständige Superintendent als auch der dortige Gemeindepfarrer ausdrücklich einen „Kongreß-Gottesdienst", also

rische Gruppen als Zeichen der gegenwärtigen Welt Gottes'" (Kirchentagskongreß 71 in Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe 5 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 4: „Wie entstehen und arbeiten missionarische Gruppen?", undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72]). 63 Auf dem Dresdner Kongreß erscheint das Thema lediglich im Bericht der Arbeitsgruppe 4 zur Diskussion am Sonnabend: „Wir hatten weiterhin die Frage zu behandeln: ,Was bedeutet es, daß die missionarischen Gruppen Zeichen der kommenden Welt Gottes sein sollen?' - Zu dieser Frage kann ich hier nichts Zusammenfassendes sagen; sie wurde in unserer Gruppe nicht ausdiskutiert Dazu hat die Zeit nicht gereicht" (Kirchentagskongreß 71, Bericht der Arbeitsgruppe 4 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 2: „Die Gruppe als Hilfe für den einzelnen in seinem missionarischen Dienst" [Was verstehen wir unter Mission? Inwiefern braucht der einzelne die Gruppe?], undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72]). Der für den „Sonntag" verfaßte Bericht zum Dresdner Kongreß vermerkte unter den Fragen, die offen geblieben seien, auch „die eschatologische Dimension des Themas" (W. Krellner, Kirchentagskongreß 1971, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971]). 64

Hervorhebung vom Verfasser. Kirchentagskongreß 71 in Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe 5 zum Thema „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Unterthema 4: „Wie entstehen und arbeiten missionarische Gruppen?", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). 66 Vgl. oben S. 257. 67 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 25. September 1971 in Dresden-Striesen, Gemeindehaus der Versöhnungskirche - 9-14 Uhr, 25.9.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 1. - Das Ergebnis wurde seitens des Landesausschusses dann „als eine mögliche, gute Form angesehen" (Kirchentagskongreß. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 20. November 1971 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen - 9-14 Uhr, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen], S. 1). 65

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Beginnende Regionalisierang

einen Gottesdienst für die Kongreßteilnehmer und die Ortsgemeinde in modemer Form, gewünscht.68 Nach den Gottesdiensten wurde die Arbeit in den Gesprächsgruppen mit der vierten Themenformulierung fortgesetzt. Am Nachmittag folgten Berichte aus den Arbeitsgruppen. Zum Abschluß des Kongresses in Meerane69 versuchte Johannes Hempel, „da sowohl in den Referaten als auch in den Gruppengesprächen der zweite Teil des Themas: , . . . Zeichen der kommenden Welt Gottes' kaum zum Tragen" gekommen sei,70 mit einigen „theologischen Erläuterungen" noch einmal deudich zu machen, „worum es bei unserem Thema ging". Angesichts der Schwierigkeiten, die die im Thema vorgegebene Verbindung von gegenwärtigem Tun und eschatologischem Bezug bereitet hatte, betonte Hempel die Einheit des gegenwärtigen und des kommenden Christus sowie den Zusammenhang von künftig erwartetem Heil und den jetzt schon im Glauben empfangenen Gaben. Freilich sei die Gegenwart Christi jetzt im Gegensatz zur künftigen offenbaren Gegenwart verborgen. Gerade dieses Verborgensein verpflichte aber „die, die sie im Glauben erkannt haben, sie vor den anderen und für die anderen anzuzeigen". Diese „Zeichengebung" sei „inhaldich bestimmt durch die Worte . . . Frieden, Gerechtigkeit, Freude, Gemeinschaft, Leben".71

Ablauf der Kirchentagskongresse 1971, 16.-17. Oktober in Meerane72 und 6.-7. November in der Versöhnungskirchgemeinde in Dresden-Striesen: „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes" 68 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Z u s a m m e n k u n f t des Landesausschusses am S o n n a b e n d , 25. September 1971 in Dresden-Striesen, G e m e i n d e h a u s der Versöhnungskirche - 9 - 1 4 U h r , 25.9.1971 ( K K T - A r c h i v Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 1. w Die Notwendigkeit einer solchen Erläuterung ergab sich aus dem Kongrcßverlauf, sie w a r nicht von vornherein geplant und w u r d e wohl auf dem K o n g r e ß in Dresden auch nicht wiederholt. D a ß es auf den Kongressen möglich w a r , von einem T a g auf den anderen mit solchen Kurzreferaten auf die Diskussion in den Arbeitsgruppen einzugehen, wertete J o h a n nes Cieslak im Rückblick als Zeichen f ü r die Effektivität der Kongresse und den Elan der Teilnehmer: „Irgendwie hat es uns damals alle gepackt. Es kam ja auch etwas dabei heraus. Es gab Gemeinschaft, wir redeten ü b e r die Bibel - es ging bei uns einfach anders zu als sonst in der Kirche. W i r haben anders gehandelt, wobei klar war, d a ß man, wenn es n o t w e n d i g sei, auch unmittelbar zupacken m u ß t e " (Niederschrift des Gespräches mit Syno d a l p r ä s i d e n t i. R. J o h a n n e s Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf z u r Kirchentagskong r e ß a r b e i t in Sachsen, S. 8). 70 Vgl. Eine kleine Rückschau auf 1971, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971), S. 1. 71 Kirchentagskongreß 71 Meerane, „Missionarische G r u p p e n als Zeichen der k o m m e n d e n W e l t G o t t e s " , Theologische Erläuterungen zum T h e m a von H e r r n D r . J o h a n n e s Hempel, Leipzig, am Kirchentagskongreß in M e e r a n e , [1]7. O k t o b e r 1971, undatiert (KKT-Archiv D r e s d e n , Kirchentagskongresse 1972: Material M e e r a n e 72 - siehe D o k . 8). 72 Dieses P r o g r a m m ist in der E n d f a s s u n g lediglich f ü r Dresden belegt, so d a ß für M e e r a n e möglicherweise andere Anfangszeiten angesetzt waren. Für beide Kongresse gilt freilich, d a ß der Zeitplan wohl nicht in jedem Falle eingehalten w o r d e n ist.

D i e K o n g r e s s e 1 9 7 1 in M e e r a n e u n d D r e s d e n

279

Sonnabend (6. November) 9.00

Begrüßung und Eröffnung, Johannes Cieslak

9.30

Bibelarbeit in den Gesprächsgnippen, Lk 10,1-2(12)

12.00

Plenum - Zusammenfassung zur Bibelarbeit, Johanna Haaß

14 J 0

Referat „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Helmut Zeddies

15.20

Korreferat: „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", Christof EhHer

16.30

Nach Themen geordnete Arbeit in den Gesprächsgnippen Thema 1: Thema 2: „Das Verhältnis der „Die Gruppe ab Hilfe fur den missionarischen Gruppe zur einzelnen in seinem Gesamtgemeinde" missionarischen Dienst"

19.30

Offener Abend

21.00

Abendsdiluß

Thema 3: „Die missionarische Existenz der Gruppe"

Sonntag (7. November) 9.00

Gottesdienst Dresden: Siegfried Reimann (Votbereitung), Hans Wiede (Predigt) Meerane: Siegfried Bräuer (Vorbereitung), Dietrich Mendt (Predigt)

10J0

Arbeit in den Gesprächsgnippen Thema 4: „Wie entstehen und arbeiten missionarische Gruppen"

Anschl.

Vorbereitung der Plenumsberichte

14.00

Plenum - Berichte aus 5 Arbeitsgruppen, Zusammenfassung, Anfragen (Meerane: Theologische Erläuterungen zum Thema, Johannes Hempet)

15.00

Schlußwort

Nach Abschluß auch des Dresdner Kongresses erhielten alle Teilnehmer an den vorangegangenen Kongressen, die 1971 nicht teilgenommen hatten, die Referate von Zeddies und Ehrler73 zugeschickt - mit der Bemerkung: „Wir möchten Ihnen damit die Möglichkeit geben, sich ebenso mit dieser Materie zu beschäftigen."74 " Bereits zwischen den Kongressen waren „die Unterlagen der Kongreßtagungen" an „alle Superintendenten und Werke" (die ursprünglich an einer vorbereitenden Diskussion beteiligt werden sollten) versandt worden (vgl. Gehre, H e r r n Superintendent H e r b e r t K r ö h n e r t , 20.10.1971 [KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971]). Im September waren beide Referate in einer Auflagenhöhe von 1000 Exemplaren kirchenintern vervielfältigt worden. " Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß ( H e r bert Gehre), Liebe Freunde des Kirchentagskongresses, 12.11.1971 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971 -1973).

280

Beginnende Regionalisierung

Die Auswertung der Kongresse erfolgte auf der Sitzung des Landesausschusses am 20. November. Dabei wurde die freundliche Aufnahme des Kongresses in Meerane besonders hervorgehoben, während man in der Dresdner Versöhnungsgemeinde noch immer spüre, „daß man dem Kirchentagskongreß reserviert gegenübersteht (u. a. nicht genügende Information der Gemeinde über die stattfindende Tagung)". Angesichts der Vorbehalte in Dresden wurde beschlossen, daß der Sekretär des Landesausschusses sowie zwei weitere Mitglieder „ein Gespräch mit der Versöhnungskirche . . . (Pfarrer/Kirchenvorstand/Gemeinde)" führen sollen, „um den Dank des Kirchentagskongresses auszurichten und durch diese Begegnung mehr , Beheimatung' für den Kongreß zu erreichen". 75 Im weiteren Verlauf des Auswertungsgespräches wurde festgestellt, daß das Kongreßthema den Teilnehmern nicht angemessen war. Vor allem in Meerane sei es - obwohl gerade hier der „Wille der Arbeitsgruppen, die Materie zu bewältigen", besonders zu spüren gewesen sei76 - „als erster Schritt für fast nur neue Teilnehmer zu schwierig" gewesen und konnte deshalb nicht bewältigt werden. 77 Vergleichbare Probleme gab es allerdings auch in Dresden. Als „kritische Stimme" wurde angeführt: „Der Kirchentagskongreß konnte nicht überzeugen, daß a) die Teilnehmer selber in der Lage sind und b) die Gruppe in der Lage ist, missionarisch tätig zu sein." In einem Bericht für den „Sonntag" wurde auch das Referat von Zeddies als zu theoretisch bezeichnet 78 In Dresden kam als Indiz für eine zu theoretische Behandlung bereits des vorjährigen Kongreßthemas die statistische Beobachtung hinzu, daß 1971 3,7 % weniger Arbeiter am Kongreß teilgenommen hätten als 1970. Als Konsequenz aus diesen Beobachtungen wurde auf dieser Sitzung vom Landesausschuß beschlossen, „die Sache" auf den Kongressen im Jahre 1972 noch einmal aufzugreifen, jedoch bewußt „praxisbezogen" weiterzuführen. 79

75 Kirchentagskongreß. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 20. November 1971 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen - 9-14 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 1. 76 Vgl. Gehre, Herrn Superintendent Herbert Kröhnert, 20.10.1971 (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971). 77 Als kritische Stimme aus Meerane vgl. Martin Zeiner, „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes", 24.11.1971 (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971). 78 Vgl. W. Krellner, Kirchentagskongreß 1971, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971), S. 2. 74 Kirchentagskongreß. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 20. November 1971 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen - 9-14 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 2.

Meerane und Görlitz 1972

281

Wie bereits zum Kongreß 1970 geschehen, wurde auch für diese beiden Kongresse eine Statistik angefertigt, die ausführlich über die Teilnehmerzahlen und die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises Auskunft gab. Danach nahmen am Kongreß in Meerane 216, am Kongreß in Dresden 184 Personen teil. Der Männeranteil lag in Meerane bei 64,13%, in Dresden bei 68,05%. Auf beiden Kongressen waren über 80 % der Teilnehmer unter 50 Jahren alt und standen damit in der Regel auch im Berufsleben.80 Das Durchschnittsalter in Meerane betrug etwa 38, in Dresden etwa 37 Jahre. Der Anteil der Pfarrer und kirchlichen Mitarbeiter lag in Meerane lediglich bei 20,84%, in Dresden bei 27,72%. In Meerane kamen 17,13% aus der Arbeiterschaft, in Dresden 11,96 %.81 Im Vorjahr lag dieser Anteil in Dresden noch bei 15,65 %.82 Zwischen den Kongressen tagte die sächsische Landessynode. Der dort erstattete Tätigkeitsbericht des Landeskirchenamtes ging wiederum kurz auf die Kongreßarbeit, vor allem auf die von der Kongreßarbeit verantworteten Kurse für Gesprächsführung sowie den Fernkurs für Gruppenbibelarbeit, ein.83 Nach staatlicher Einschätzung war - unter dem Einfluß Cieslaks - auf der gesamten Synode das Bestreben zu erkennen, mittels Reform kirchlicher Strukturen und Verhaltensweisen „wieder stärkeren Einfluß auf Teile der berufstätigen Bevölkerung" zu gewinnen. Alle Beschlüsse der Synode orientieren „auf die stärkere Einbeziehung qualifizierter Laien, unter denen der beamtete Geisdiche nur noch der theologische Experte" sei. Folgerung: „Insofern besteht eine Parallele zu Cieslaks Kirchentagskongreßbewegung."84

5.2. Meerane und Görlitz 1972 Angesichts der positiven Aufnahme, die der Kongreß in Westsachsen gefunden hatte, stand bereits kurz nach dem Kongreß in Meerane außer Frage, daß der Kirchentagskongreß dort keine einmalige Sache bleiben dürfe, sondern im nächsten Jahr seine Fortsetzung finden müsse.85 Neue 80

Der Anteil der „Hausfrauen" lag in Meerane bei 4,17%, in Dresden bei 7,61 %. Vgl. dazu Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Statistik 1971, 20.11.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11. 1971). ю Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kleine Statistik zum Kirchentagskongreß 70, 25.-27. September in Dresden, 15.11.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970) sowie unten Kap. 9.5. ю Vgl. Tätigkeitsbericht des Ev.-Luth. Landeskirchenamtes für die Herbsttagung der Landessynode 1971, II. Teil, undatiert (SHStA, BPA Dresden, IV В 2/14/635), S.4. 84 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Betr.: Einschätzung der Herbstsynode 1971, undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 2968). 85 Vgl. u.a. Gehre, Herrn Superintendent Herbert Kröhnert, 20.10.1971 (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971). 81

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Wege wurden dagegen bei der Planung für den ostsächsischen Bereich beschritten. Nachdem bereits auf der Sitzung des Landesausschusses am 19. Juni 1971 eine engere Zusammenarbeit zwischen dem sächsischen Landesausschuß für Kongreßarbeit und dem Landesausschuß des Evangelischen Kirchentages der Görlitzer Kirche vereinbart worden war, unterbreiteten auf der Sitzung des sächsischen Landesausschusses am 20. November die drei als Gäste teilnehmenden Vertreter aus Görlitz86 Vorschläge, wie diese Zusammenarbeit für das kommende Jahr konkret aussehen könnte. Dabei räumten sie ein, „daß die Arbeit des Kirchentagskongresses auf die Dauer gesehen intensiver und effektiver sei" als die herkömmliche Kirchentagsarbeit Sie verschwiegen allerdings auch nicht, daß in ihrer Landeskirche „manche Leute . . . den , alten' Kirchentag nicht missen" möchten und hinsichdich der Kongreßarbeit darüber hinaus befürchtet würde, „daß dann nur noch ,Qualifikation' geschehe". Trotzdem unterbreitete der Vorsitzende des Görlitzer Landesausschusses, Hans Roch, unter anderem87 den Vorschlag, 1972 einen gemeinsamen Kirchentagskongreß in Görlitz oder Bautzen durchzuführen. Von sächsischer Seite wurde dieser Vorschlag nach „einer weiteren Gesprächsrunde" angenommen und beschlossen, neben dem wieder in Meerane vorgesehenen Kongreß für Westsachsen einen Kirchentagskongreß in Görlitz durchzuführen. Als Termin wurde für den Kongreß in Meerane die Zeit vom 22. bis 24. September 197288 vorgesehen; der Görlitzer Kongreß sollte - vorbehaltlich der Zustimmung des Görlitzer Landesausschusses - entweder in der Zeit vom 13. bis 15. Oktober oder in der vom 20. bis 22. Oktober 1972 stattfinden. Für beide Kongresse wurden die gleiche Thematik und der gleiche Ablauf vorgesehen. Die thematische Vorbereitung sollte in gemeinsamer Arbeit des sächsischen und des Görlitzer Landesausschusses geschehen. Zu diesem Zwecke wurde eine „Arbeitsgemeinschaft Kirchentagskongreß 1972" ins Leben gerufen, der die Mitglieder des sächsischen Landesausschusses, die Arbeitsgruppenleiter

• Hans-Joachim Kohli, Hans Roch, Erwin Walter. " Insgesamt: „Br. Roch machte dann einen Vorschlag, wie von Görlitz aus eine Mitarbeit für 1972 aussehen könnte: 1.) 1972 wieder Beteiligung am sächsischen Kongreß, nicht nur durch Glieder des Landesausschusses, sondern auch durch Gemeindeglieder, 2.) 1972 Durchführung eines Kirchentagskongresses in der Lausitz: in Bautzen oder Görlitz, 3.) Einladung: Glieder des L.A. Dresden zu Gast im L.A. Görlitz" (Kirchentagskongreß. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 20. N o vember 1971 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen - 9 - 1 4 Uhr [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen], S. 2). 88 Kurz nach der Sitzung wurde diese Terminvorstellung dem Superintendenten des Kirchenkreises Meerane mitgeteilt und bereits am 30. November vom zuständigen Gemeindepfarrer bestätigt (Ev.-Luth. Pfarramt Meerane [Friedrich Zimmermann], Herrn Herbert Gehre, 30.11.1971 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane]).

Meerane und Görlitz 1972

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der beiden zurückliegenden Kongresse sowie „5-8 Glieder des Landesausschusses Görlitz" angehören sollten.89 Ein kleinerer Arbeitskreis, bestehend aus vier sächsischen und einem Görlitzer Vertreter, wurde gebeten, als Arbeitsgrundlage für die erste Zusammenkunft dieser Arbeitsgemeinschaft bereits einen Themenvorschlag für die Kongresse 1972 zu erarbeiten.90 Zwei Wochen nach dieser Dresdner Ausschußsitzung, am 4. Dezember 1971, tagte der Landesausschuß Görlitz des Evangelischen Kirchentages und kam nach ausführlicher Beratung „einmütig zu dem Ergebnis", „den Kongreß für den 14./15. Oktober 1972 nach Görlitz einzuladen".91 Um den Rahmen der damit endgültig beschlossenen Zusammenarbeit festzulegen, trafen sich am 26. Januar 1972 in Görlitz Vertreter des sächsischen und des Görlitzer Landesausschusses.92 Dort wurde ausdrücklich festgehalten, daß beide Landesausschüsse trotz der Zusammenarbeit selbständig blieben. Bezogen auf den in Görlitz geplanten Kongreß wurden die Einzugsgebiete und der äußere Rahmen abgesteckt Nach Görlitz sollten einerseits die Gemeinden des Görlitzer Kirchengebietes und andererseits die sächsischen Gemeinden „östlich der Linie Freiberg - Meissen - Riesa einschl. der genannten Orte" eingeladen werden.93 Die Teilnehmerzahl wurde auf 350 Personen (250 Personen aus Sachsen und 100 aus der Görlitzer Kirche) festgelegt, wobei der von den Ausschüssen zur thematischen Vorbereitung inzwischen unterbreitete Vorschlag, aus den Gemeinden keine Einzelpersonen, sondern mindestens jeweils zwei Teilnehmer zu delegieren,94 Zustimmung fand. Die organisatorische Vorbereitung des 89

Kirchentagskongreß. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 20. November 1971 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen - 9-14 Uhr (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 3. *> А. а. O., S. 2. 91 Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Roch), An den Landesausschuß Dresden, 21.12.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz). n Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Roch/Walter), Protokoll über die Beratung von Vertretern des Landesausschusses für den Kirchentagskongress der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (Landesausschuss Sachsen) und des Landesausschusses Görlitz für den Evangelischen Kirchentag (Landesausschuss Görlitz) am 26.1.1972 von 16.00 Uhr bis 19.30 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 30.1.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz). ,J A.a.O., S. 1. * Um den Gedankenaustausch über konkrete missionarische Aktionen bereits während des Kongresses zu ermöglichen, hatte der kleinere Vorbereitungskreis auf seiner Sitzung am 16. Dezember 1971 vorgeschlagen, daß „aus den Gemeinden möglichst keine Einzeldelegierungen erfolgen, sondern 2 oder 3 Glieder teilnehmen" sollten (Kirchentagskongreß. Landesausschuß, Entwurf für die Kirchentagskongresse 72 in Meerane und Görlitz, 16.12.1971 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen]). Die „Arbeitsgemeinschaft Kirchentagskongresse 1972" übernahm auf ihrer Sitzung am 18. Dezember

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Görlitzer Kongresses sollte der Görlitzer Landesausschuß übernehmen, der dazu einen Vorbereitenden Ausschuß bildete. Als Verbindungsmann zwischen diesem Vorbereitenden Ausschuß, der für Fragen der Organisation und des Ablaufs zuständig war, und dem sächsischen Landesausschuß, der unter Beteiligung der Görlitzer 95 die Letztverantwortung für die thematische Vorbereitung wahrnahm, sollte der Sekretär des sächsischen Landesausschusses, Herbert Gehre, fungieren. Der äußere Rahmen des Kongresses wurde in Analogie zu den bisherigen sächsischen Kongressen festgelegt Der sächsische Landesausschuß bestätigte daraufhin auf seiner Sitzung am 12. Februar noch einmal ausdrücklich und einstimmig Termin und Ort der beiden für 1972 vorgesehenen Kongresse.96 Diese Pläne für eine projektbezogene Zusammenarbeit der beiden Landesausschüsse fanden innerhalb der beteiligten Landeskirchen uneingeschränkt Zustimmung. Die Görlitzer Kirchenleitung schloß sich auf ihrer Sitzung am 8. Dezember 1971 dem Votum des Landesausschusses vom 4. Dezember ausdrücklich an. Die sächsische Kirchenleitung ihrerseits befaßte sich auf ihrer 71. Sitzung am 20. Januar 1972 mit der KongreßarbeiL Nach „kurzer Aussprache" nahm sie „von der Planung eines Fernstudiums für Laien, von der in Aussicht stehenden Zusammenarbeit der Landesausschüsse Sachsen und Görlitz und von der zahlenmäßigen Beteiligung an den vorjährigen Kongreßveranstaltungen in Meerane und Dresden sowie von der altersmäßigen und beruflichen Zusammensetzung dieser Teilnehmer" „zustimmend Kenntnis".97 Da es sich bei dem in Görlitz vorgesehenen Kongreß um einen für diese Landeskirche ersten Kirchentagskongreß handelte, spielten bei den Begegnungen beider Landesausschüsse - neben der konkreten Vorbereitung vor allem anfangs auch grundsätzliche Fragen eine wichtige Rolle. So wurden auf der Sitzung des Görlitzer Landesausschusses am 26. Februar 1972, an der auch Gäste aus Sachsen teilnahmen, nicht nur Einzelheiten des geplanten Kongresses beraten, die Gäste aus Sachsen gaben auch einen diese Anregung (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], An die Glieder des Landesausschusses und die Arbeitsgruppenleiter der Kirchentagskongresse 71, 20.12.1971 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz]). 95 Auf allen Sitzungen des sächsischen Landesausschusses waren in Vorbereitung der für 1972 geplanten Kongresse Vertreter des Görlitzer Ausschusses anwesend. * Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 12. Februar 1972, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 16.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 1. " Hempel/Johannes/Loschke, Teilabschrift vom K L 286.11, 71. Sitzung der Kirchenleitung am Donnerstag, d. 20.Januar 1972, vorm. 10 Uhr, im Landeskirchenamt, undatiert (Landeskirchenarchiv Dresden, Bestand 2, 2062, Bd. 1/2). - Zu dem erwähnten Fernstudium für Laien vgl. unten Kap. 7.2.

M e e r a n e u n d G ö r l i t z 1972

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kurzen Überblick über die Entwicklung und die Zielstellung der Kongreßarbeit insgesamt In der anschließenden Diskussion wurden seitens der Görlitzer dann auch noch einmal kritische Anfragen laut Unter anderem wurde „auf die Gefahr hingewiesen, daß sich die KTKongreßarbeit als Ereignis neben98 der Kirche darstellen könnte". Demgegenüber betonte Präsident Cieslak, daß es stets das Ziel der Kongreßarbeit gewesen sei, „die Gemeindearbeit in der Kirche zu beleben".99 Angesichts des in Görlitz vorhandenen Informationsbedürfnisses erklärten sich die Gäste aus Sachsen bereit, eine „Zusammenfassung der Kongreßarbeit" zu erstellen, die als Information für die Teilnehmer aus dem Görlitzer Kirchengebiet dienen sollte.100 Damit war die Verständigung zwischen den Landesausschüssen hinsichtlich der Kongreßarbeit als solcher im wesentlichen abgeschlossen. Weitere kritische Rückfragen seitens der Görlitzer sind nicht überliefert Auch scheint es keine entscheidenden Dissonanzen in der Zusammenarbeit gegeben zu haben. Ein besonderes Problem stellte sich allerdings mit dem Görlitzer Kongreßgottesdienst, der als Abendmahlsgottesdienst gefeiert werden sollte. Da es sich bei der Görlitzer Kirche um eine unierte, bei der sächsischen Landeskirche jedoch um eine lutherische Kirche handelte, mußte in diesem Zusammenhang die Frage der Abendmahlsgemeinschaft geklärt werden. Nachdem diese anfangs ohne Schwierigkeiten im Sinne einer Interkommimion (die Glieder beider Kirchen nehmen am Abendmahl teil), jedoch ohne Interzelebration (das Abendmahl wird von Vertretern beider Kirchen zusammen ausgeteilt) beantwortet worden war,101 kam es nachfolgend seitens der Görlitzer Ausschüsse zu einem darüber hinausge-

" Hervorhebung original. " Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 26.2.72 von 10-15 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, Johannes-Wüsten-Str. 21 (ΚΚΊΓ-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S.4. 100 Diese Zusammenfassung hat sich in Sachsen anscheinend nicht erhalten. Allerdings vermerkte der Vorbereitende Ausschuß auf seiner Sitzung am 9. Juni, daß „Superintendenten, Pfarrer und Gemeindekirchenräte . . . vom Landesausschuss mit Rundschreiben, denen das von Dresden zur Verfügung gestellte Vorbereitungsmaterial beilag, über den Kirchentagskongress unterrichtet worden" seien (Vorbereitender Ausschuß Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz, Protokoll über die Beratung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz am 9. Juni 1972 von 17 bis 19 Uhr, 11.6.1972 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz], S. 3). 101 Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Walter/Roch), Protokoll über die Beratung von Vertretern des Landesausschusses für den Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (Landesausschuß Sachsen) und des Landesausschusses Görlitz für den Evangelischen Kirchentag (Landesausschuß Görlitz) am 26.1.1972 von 16.00 Uhr bis 19.30 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 30.1.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz).

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henden Vorschlag, der wiederum zu heftigen Debatten - weniger zwischen den Landesausschüssen als vielmehr innerhalb des sächsischen Landesausschusses - führte. Letztendlich wurde allerdings an der einmal getroffenen Entscheidung festgehalten. Ausgelöst wurde die Auseinandersetzung durch den Plan eines Predigertausches, der auf der Sitzung des sächsischen Landesausschusses am 12. Februar 1972 gefaßt worden war. Pfarrer Dietrich Mendt vom Landesausschuß Sachsen sollte die Predigt in Görlitz übernehmen, Pfarrer Christian Petran vom Landesausschuß Görlitz, der ursprünglich für die Predigt auf dem Görlitzer Kongreß vorgesehen war, sollte im Gegenzug um die Predigt in Meerane gebeten werden. 102 Der Görlitzer Landesausschuß stimmte diesem Plan auf seiner Sitzung am 26. Februar 1972 zu, ohne die Frage einer Beteiligung des nunmehr lutherischen Predigers an der Austeilung des Abendmahls in besonderer Weise zu problematisieren. Es wurde lediglich festgehalten, daß der »Abendmahlsgottesdienst in Görlitz . . . nach EKU-Agende - Form В - gestaltet" und das „Abendmahl . . . von den Görlitzer Brüdern ausgespendet" werden sollte. 103 Widerspruch erfuhr diese Verfahrensweise auf der konstituierenden Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für den Görlitzer Kongreß am 17. März 1972. Das Protokoll dieser Sitzung hielt ausdrücklich fest: „Die Mitglieder des Vorbereitenden Ausschusses begrüssen die Praktizierung der Interkommunion mit den sächsischen Brüdern und Schwestern. Mit dem Verzicht auf Interzelebration sind sie in der Mehrheit nicht einverstanden. Insbesondere würde es sie schmerzlich berühren, dass die Einheit von Wort und Sakrament dadurch gestört würde, wenn Pfr. Mendt als Prediger und Liturg durch den Beschluss des Landesausschusses daran gehindert sei, das Abendmahl auszuspenden. Der Vorsitzende wird beauftragt, bei der nächsten Sitzung des Landesausschusses am 13.5.72 diesen Standpunkt darzulegen."104 Diese Meinungsäußerung lag dem sächsischen Landesausschuß auf seiner Tagung am 22. April vor, woraufhin sich „ein längeres, problematisches, teilweise hart geführtes Gespräch" ergab, allerdings ohne daß eine Einigung erzielt werden konnte. Man beschloß, das Gespräch auf der nächsten Sitzung weiterzuführen. 1 0 5 102 Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 12. Februar 1972, 9.00 U h r bis 14.00 U h r im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 16.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgnippen), S. 1. 101 Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 26.2.72 von 10-15 U h r im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, Johannes-Wüsten-Str. 21, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 5. 104 Vorbereitender Ausschuß Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz, Protokoll über die Beratung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz am 17. März 1972 von 17 bis 20 U h r im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, Johannes-Wüsten-Str. 21, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz). S.4. 106 Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, am Sonnabend, 22. April 1972 -

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Nachdem der Vorbereitende Ausschuß für den Görlitzer Kongreß auf seiner Sitzung am 28. April die noch nicht abgeschlossene Auseinandersetzung innerhalb des sächsischen Landesausschusses hinsichdich der Frage einer eventuellen Interzelebration lediglich zur Kenntnis genommen hatte,104 wurde über die Frage der Abendmahlsgestaltung auf der Sitzung des Görlitzer Landesausschusses am 13. Mai ausführlich beraten. Dabei stellte sich der Landesausschuß mit drei Beschlüssen hinter das Votum des Vorbereitenden Ausschusses. „Nach ausführlicher Darlegung des Anliegens und eingehender Aussprache fasste der Landesausschuss Görlitz folgende Beschlüsse: 1. Der Landesausschuß Görlitz wünscht den Abschlußgottesdienst beim Kirchentagskongress 1972 in Görlitz in der Form eines Abendmahlsgottesdienstes mit Interzelebration zu halten. Er hält es im Blick auf die Entwicklung der Kirchentagsarbeit an der Zeit, dass ein solcher Schritt getan wird. Der Beschluss wurde einstimmig angenommen. 2. Wir hoffen, dass die bestehenden Schwierigkeiten durch Gespräche mit dem Herrn Landesbischof und anderen Gruppen überwunden werden können. Bischof Dr. Frankel ist ebenfalls bereit zu Gesprächen mit Landesbischof Dr. Hempel und in frage kommenden Organen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und würde eine Lösung in unserem Sinne sehr begrtissen. Dieser Beschluss wurde ebenfalls einstimmig angenommen. 3. Der Landesausschuss Görlitz hätte seinerseits erhebliche Gewissensbedenken, die Abendmahlsfeier nicht in der Form der Interzelebration zu halten. Er würde sich aber schweren Herzens für den Fall, dass der Landesausschuss Sachsen unserer Bitte nicht entsprechen kann, dazu bereitfinden, sich bei der Abendmahlsfeier auf die Form der Interkommunion zu beschränken. An der Abendmahlsfeier selbst sollte aber auf jeden Fall festgehalten werden. Dieser Beschluss wurde mit 2 Stimmenthaltungen angenommen."107 Dieses umfassende Votum des Görlitzer Landesausschusses war auf der Sitzung des sächsischen Landesausschusses am 17. Juni erneut „Anlaß zu einem eingehenden Gespräch". Es gelang jedoch nicht, in der Frage der Abendmahlsgestaltung Ubereinstimmung zu erzielen.108 Die Gegner der Interzelebration konnten aller9-14 Uhr im Kirchgemeindehaus Dresden-Strehlen, 25.4.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 2. 106 Vorbereitender Ausschuß Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz, Protokoll über die Beratung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kirchentagskongreß 1972 in Göriitz am 28. April 1972 von 17 bis 19.30 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, Johannes-Wüsten-Str. 21, 30.4.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S.4. 107 Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Protokoll über die Beratung des Landesausschusses Görlitz am 13.5.1972 von 8 bis 13 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 13.5.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 4. 1M Die Auseinandersetzung war wohl insgesamt härter, als die Protokolle das erkennen lassen. Dietrich Mendt, den als Prediger für Görlitz die Angelegenheit in besonderer Weise betraf, war „drauf und dran, angesichts dieser Haltung auszusteigen" (vgl. Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 12).

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dings erreichen, d a ß sich die Befürworter bei der abschließenden Abstimmung der Stimme enthielten. Somit konnte ohne G e g e n s t i m m e , aber bei sechs Enthaltungen der „Verzicht auf eine Interzelebration" beschlossen werden. 1 0 9 Am I.Juli stand das T h e m a noch einmal auf der T a g e s o r d n u n g des Görlitzer Landesausschusses. Hinsichtlich des sächsischen Beschlusses wurde festgehalten, d a ß es in keinem der Landesausschüsse jemanden gäbe, „der die Interzelebration grundsätzlich in Frage" stellte. J e d o c h bedeute angesichts „der eine W o c h e nach d e m K o n g r e ß tagenden [sächsischen] Landessynode zur Leuenberger Konkordie" ein „Vorgriff auf volle Abendmahlsgemeinschaft beim K o n g r e ß eine Erschwerung der Gespräche mit den konservativen Gruppen". Gerade im Interesse einer Abendmahlsgemeinschaft müsse also in diesem konkreten Fall auf sie verzichtet werden. 1 1 0 Dementsprechend akzeptierte der Görlitzer Landesausschuß den Beschluß des sächsischen Landesausschusses einstimmig: „ D e r Landesausschuß - Görlitz nimmt davon Kenntnis, d a ß ein Abschlußgottesdienst mit Interzelebration im R a h m e n d e s Kirchentagskongresses 1972 im jetzigen Augenblick n o c h nicht m ö g l i c h i s t Er versteht die b e s o n d e r e Situation d e s L a n d e s a u s s c h u s s e s Sach«111 sen. 111

Zwei Tage vor der geplanten ersten Zusammenkunft der „Arbeitsgemeinschaft Kirchentagskongreß 1972", die einen Themenvorschlag für die beiden Kongresse in Meerane und Görlitz erarbeiten sollte, trat der zur

1W Den sechs Enthaltungen (vermutlich die drei anwesenden Glieder des Görlitzer Landesausschusses sowie immerhin mindestens drei des sächsischen) standen sieben JA-Stimmen gegenüber (vgl. Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17.Juni 1972 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr, 20.6.1972 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen], S. 2). 110 Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Roch), Protokoll über die Beratung des Landesausschusses Görlitz am l.Juli 1972 von 8-13 U h r im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 1.7.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 4. - Zu den rein taktischen Ursachen dieser Entscheidung Johannes Cieslak im Rückblick: „Wir wollten in dieser kurzen Zeitspanne [sc. bis zur Synodaltagung] nicht noch etwas verändern, sondern erst die Synode abwarten. Gegen die Sache an sich hatten wir nichts einzuwenden, wir fürchteten jedoch, daß es dann emeut heißen würde: Der Kongreß macht wieder einmal alles ganz anders" (Niederschrift des Gespräches mit Synodalpräsident i. R. Johannes Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 7). Ähnlich äußerte sich Cieslak am 14. August gegenüber dem Referenten für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes - nach staatlichem Protokoll - auch hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Görlitz insgesamt: „Trotz des Kirchentagskongresses" wolle man „sich nicht zu eng mit Görlitz liieren, weil ihnen das den Vorwurf von Kirche und Bekenntnis einbrächte, daß Cieslak gar keine lutherische Kirche wolle, sondern ein Unionist sei" (Rat des Bezirkes. Referat Kirchenfragen [Dr. Dohle], Betr.: Präses Cieslak, Seifhennersdorf, Mitglied der Landes- und Bundessynode, 21.8.1972 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 554], S.2). 111 Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Roch), Protokoll über die Beratung des Landesausschusses Görlitz am l.Juli 1972 von 8-13 U h r im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 1.7.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 4.

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Vorbereitung dieser Sitzung eingerichtete kleinere Arbeitskreis112 zusammen. Unter Berücksichtigung der auf den letzten Kongressen mehr oder weniger einhellig vertretenen Meinung, daß zum Thema „Missionarische Gruppen" weiter und praxisbezogener gearbeitet werden müßte, erstellte er einen thematischen Entwurf unter dem Gesamtthema „Missionarische Gruppen in Aktion". Zur Themenentfaltung diente eine Systematisierung jener „schadhaften Stellen" der Gesellschaft, die zu missionarischer Hilfe und Aktion herausfordern würden. Insgesamt wurden sechs - zum Teil sozialismusspezifische - Aufgabenbereiche benannt, die auf einem Kongreß zu diesem Thema in besonderer Weise angesprochen werden müßten: 1. „Verantwortung für die Kinder", 2. „Verantwortung für Neuhinzugezogene", 3. „Verantwortung für junge Ehen", 4. „Verantwortung für das Betriebsklima", 5. „Verantwortung für alte Menschen", 6. „Verantwortung für das Zusammenleben von Jung und Alt"." 3 Dieser Themenvorschlag wurde von der „Arbeitsgemeinschaft Kirchentagskongresse 1972" auf ihrer Sitzung am 18. Dezember 1971 nach eingehender Diskussion im wesentlichen akzeptiert, wobei den genannten sechs Aufgabenbereichen als siebenter der Bereich „Verantwortung für Behinderte" hinzugefügt wurde.114 Der sächsische Landesausschuß seinerseits änderte auf seiner Sitzung am 12. Februar 1972 (mit zwei Gegenstimmen) die Formulierung des Gesamtthemas in „Praxis und Alltag missionarischer Gruppen". Hinsichtlich der sieben Aufgabenbereiche erwog er lediglich, diese ebenfalls um einen neuen Bereich - „Gemeinde als missionarische Aktion" - zu erweitern. Mit dieser Ergänzung wollte er deutlich machen, daß die missionarische Verantwortung bei der Gesamtgemeinde liege und nicht bei den einzelnen Gruppen.115 Allerdings hob sich dieser (achte) Bereich durch seinen ausschließlichen Bezug auf die Gemeinde von den anderen Bereichen deutlich ab und wurde auf der Sitzung des Landesaus-

ш Ihm gehörten vom sächsischen Landesausschuß Reinhold Fritz, Herbert Gehre, Christa Mäurich und Hasso Schumacher an, vom Görlitzer Landesausschuß Hans-Joachim Kohli. 113 Vgl. Kirchentagskongreß. Landesausschuß, Entwurf für die Kirchentagskongresse 72 in Meerane und Görlitz, 16.12.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen). Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Glieder des Landesausschusses und die Arbeitsgruppenleiter der Kirchentagskongresse 71, 20.12.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 1. 1IS Vgl. Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 12. Februar 1972, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 16.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 1.

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schusses am 22. April wieder aufgegeben."6 Damit blieb es (vorerst) bei sieben Sachgebieten, die auf den Kongressen jeweils im Mittelpunkt einer Arbeitsgruppe stehen sollten. Sie lauteten in ihrer endgültigen Formulierung (wobei in Klammern jeweils die Herausforderungen skizziert waren, auf die die missionarischen Gruppen einzugehen hätten): I. „Kinderarbeit (sammeln, singen, spielen, verkündigen)" II. „Neubaugebiete (Neuhinzugezogene - einsam - anonym)" III. „Ehepaarkreise/junge Ehen (Eheprobleme, Beruf/Weiterbildung, Wohnung, Kindererziehung)" IV. „Betriebsklima (Arbeiter, Arbeiterwelt)" V. „Ahe Menschen (Existenzbewältigung, Leistungsdenken, einsam)" VI. „Junge Menschen (Generationsproblem)" VII. „Behinderte (körperlich, geistig, seelisch)".117 Um einen schnelleren Einstieg in die Thematik zu ermöglichen, wurde bereits von dem erwähnten kleineren Vorbereitungskreis vorgeschlagen, vorhandene missionarische Gruppen zu bitten, sich auf den Kongressen vorzustellen und aus ihrer praktischen Arbeit zu berichten. Insbesondere wurden von diesen Gruppen „Denkanstöße" erwartet, „wie . . . Aufgaben in der eigenen Situation und in der Heimatgemeinde angepackt werden" können.118 Sie waren damit bewußt nicht als Vorbilder gedacht, die von den Kongreßteilnehmern lediglich übernommen zu werden brauchten, sondern als kontextgebundene „Modelle", die die Teilnehmer gerade vor die Aufgabe stellten, für die eigene Situation eigene Modelle zu entwickeln („Modellgruppen"j.119 Vgl. Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, am Sonnabend, 22. April 1972 - 9 - 1 4 U h r im Gemeindehaus Dresden-Strehlen, 25.4.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 1. 117 Nach Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Kirchentagskongreß 72, 14.15. Oktober in Görlitz, undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 596), S. 2. Kirchentagskongreß. Landesausschuß, Entwurf für die Kirchentagskongresse 72 in Meerane und Görlitz, 16.12.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen). Angesichts der unterschiedlichen Arten von Gruppen, mit denen es die Teilnehmer wie auch die Organisatoren bei diesem Kongreß zu tun hatten, wurde vom Vorbereitenden Ausschuß für den Kongreß in Görlitz auf seiner Sitzung am 13. Mai 1972 eine Definition der einzelnen Gruppen vorgenommen: „Folgende Bezeichnungen wurden verbindlich festgelegt: - Modellgruppen: Bereits existierende missionarische Gruppen, die beim Kirchentagskongress vorgestellt werden sollen (wie ζ. B. Gruppe Heise, Görlitz). - Arbeitsgruppen: Bezeichnung f ü r die 7 thematischen Gruppen, für die passende Modelgruppen gewonnen werden sollen. - Gesprächsgruppen: Seminargruppen mit Gesprächsleiterteams für thematische Arbeit und Bibelarbeit, auf die die Teilnehmer entsprechend ihren in der Anmeldung geäusserten

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Freilich war mit dieser sachlichen Intention noch nicht das methodische Problem gelöst, wie die Teilnehmer zu diesem „Umschalten auf die eigene Situation" angeregt werden könnten. Der Vorbereitungskreis empfahl deshalb eine „entsprechende Zurüstung der Arbeitsgruppenleiter".120 Nachdem die „Arbeitsgemeinschaft Kirchentagskongresse 1972" diese Empfehlung auf ihrer ersten Sitzung am 18. Dezember 1971 zur Kenntnis genommen hatte, kam dieses Problem in den Arbeitsgruppen der zweiten Sitzung am 5. Februar 1972121 noch einmal ausführlich zur Sprache. Angesichts dessen formulierte Dietrich Mendt in Atiswertung der Arbeitsergebnisse ein „Schema für Gruppenaibeit auf den Kongressen", das in Frageform einen möglichen Weg vom Bericht der jeweiligen „Modellgruppe" zum Durchdenken der eigenen Situation vorzeichnete. „Schema für Gruppenarbeit auf den Kongressen: 1.) Bericht einer Missionarischen Gruppe (MG) anhand dreier Fragen: 1. Welche .schadhafte Stelle' ist eine besondere Herausforderung für das Evangelium? 2. Wie sieht das Evangelium aus als Antwort auf diese Herausforderung? 3. Wie kommt man zu einer MG, die diese Antwort geben kann? 2.) Informative Rückfragen an die dargestellte MG. 3.) Umsetzung des Dargestellten in die eigene Situation: 1. Welche ,schadhaften Stellen' in meiner Situation sind besondere Herausforderungen für das Evangelium? 2. Wie sieht das Evangelium aus als Antwort auf diese Herausforderung? 3. Wie kommt man zu MG'n, die diese Antwort geben können? 4. Welche ersten Schritte müssen gegangen werden - in welcher Weise kann die Kongreßarbeit Starthilfe und Hilfe überhaupt geben?"122

Wünschen aufgeteilt werden (maximal 15 Gesprächsgmppen, wobei die Anzahl der Gesprächsgruppen je Arbeitsgruppe verschieden sein kann)" (Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Protokoll Uber die Beratung des Landesausschusses Görlitz am 13.5.1972 von 8 bis 13 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 13.5.1972 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz], S. 5). Diese Unterscheidungen wurden vom sächsischen Landesausschuß akzeptiert und sollten „auch für Meerane gelten" (Herbert Gehre, Protokoll Uber die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17.Juni 1972 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr, 20.6.1972 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen], S.1)· ш Kirchentagskongreß. Landesausschuß, Entwurf für die Kirchentagskongresse 72 in Meerane und Görlitz, 16.12.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen). 121 Die Arbeitsgemeinschaft bildete auf dieser Sitzung aus ihrer Mitte drei Arbeitsgruppen, in denen zu den sieben genannten Aufgabenbereichen für missionarische Gruppen weitergearbeitet werden sollte (2 Arbeitsgruppen übernahmen zwei, eine Gruppe drei Aufgabenbereiche). ш Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft der Arbeitsgemeinschaft (Landes-

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Eine umfassende Diskussion dieses Schemas wurde freilich vertagt und dann wohl nicht wieder aufgegriffen. Das für dieses Schema kennzeichnende Gegenüber von missionarischer Herausforderung einerseits und Antwort des Evangeliums andererseits fand auch keinen Eingang in den Fragenkatalog, der den eingeladenen missionarischen Gruppen in Vorbereitung ihres Berichtes vorgelegt wurde. E r war deudich breiter gefächert und fragte neben der missionarischen Herausforderung auch nach dem Gruppenprozeß sowie dem Gemeindebezug. Am 4. September 1972 schrieb Herbert Gehre an die Modellgruppen hinsichtlich des Dienstes, „den wir von Ihnen erwarten", unter anderem: „Wir erbitten einen Bericht Ihrer (missionarischen) Gruppe darüber. 1.) was die Anlässe - die Anforderungen von außen her waren, die Sie zum Dienst und zur Gemeinschaft einer Gruppe führten, 2.) wie sich diese Arbeit inzwischen entwickelt hat (Positives, Negatives, neue Aspekte), 3.) ob es Ihnen gelungen ist, Außenstehende (.andere*) mit in Ihren Dienst hineinbezw. in Ihre Gruppe aufzunehmen, 4.) wie Ihre Gruppe gestaltet ist und wie sich das gemeinsame Leben vollzieht, 5.) in welcher Weise Sie mit Ihrer Kirchgemeinde verbunden sind und wie Ihre Arbeit von dieser bewertet wird und 6.) welche besonderen, neuen Aufgaben Sie etwa aufzunehmen gedenken."' 23 Offen blieb es eine Zeidang, ob die Modellgruppen ihren Bericht im Plenum oder in den sieben Arbeitsgruppen geben sollten. Weil in der kleineren Vorbereitungsrunde darüber keine Einigung erzielt werden konnte, wurden von ihr für den Arbeitsablauf auf den Kongressen zwei Varianten - Form Α und Form В - erarbeitet und der „Arbeitsgemeinschaft" vorgelegt. Allerdings fällte auch diese auf ihrer Sitzung am 18. Dezember keine Entscheidung zwischen Form Α (Vorstellung der Modelle in den Arbeitsgruppen) und Form В (Vorstellung der Modelle im Plenum). 124 Erst auf ihrer 2. Sitzung am 5. Februar sprach sich die Arbeitsgemeinschaft übereinstimmend dafür aus, daß die „Modelle" im Plenum und nicht in den einzelnen Arbeitsgruppen vorgestellt werden sollten. 125 Gründe für diesen Vorschlag ausschuß und Arbeitsgruppenleiter) am Sonnabend, 5. Februar 1972 - 9.30 bis 15.00 Uhr in Dresden, 10.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen). 123 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die „Modellgruppen" des Kirchentagskongresses 1972, 4.9.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). 124 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, An die Glieder des Landesausschusses und die Arbeitsgruppenleiter der Kirchentagskongresse 71, 20.12.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz). 125 Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft der Arbeitsgemeinschaft (Landesausschuß und Arbeitsgruppenleiter) am Sonnabend, 5. Februar 1972 - 9.30 bis 15.00 Uhr in

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wurden zwar nicht festgehalten, zu vermuten ist jedoch, daß die Vorstellung im Plenum deshalb gewählt wurde, um bei der Zahl der vorzustellenden Modellgruppen nicht an die Zahl der Arbeitsgruppen gebunden zu sein. Dieser Vorschlag setzte sich allerdings nicht durch. Nachdem diese Frage auf der Sitzung des Landesausschusses am 12. Februar offengeblieben war,126 wurde sie schließlich auf der Sitzung des Landesausschusses am 22. April zugunsten einer Vorstellung der Modellgmppen in den einzelnen Arbeitsgruppen entschieden. Im Laufe der weiteren Vorbereitung wurde dann festgelegt, daß die Modellgruppen in den Arbeitsgruppen jeweils einen 20minütigen Bericht geben sollten, um dann ca. 10 Minuten für Rückfragen zur Verfügung zu stehen127 (insgesamt also 30 Minuten)128. Bei seiner Entscheidung zugunsten einer Vorstellung der Modelle in den Arbeitsgruppen war der sächsische Landesausschuß offensichtlich der Meinung, für beide Kongresse129 genügend Modellgruppen aus dem Bereich der Görlitzer und der sächsischen Landeskirche gewinnen zu können.130 Das erwies sich im Laufe der Vorbereitungen als Fehleinschätzung, obwohl die Suche nach geeigneten Modellgruppen auf weitere evangelische Landeskirchen und auch auf die katholische Kirche ausgedehnt wurde.131

Dresden, 10.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgmppen). 126 Vgl. Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 12. Februar 1972, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 16.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 3. Dementsprechend wurde auch auf der Sitzung des Görlitzer Landesausschusses am 26. Februar 1972 diese Frage von den Dresdner Gästen als offen bezeichnet (vgl. Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 26.2.72 von 10-15 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, Johannes-Wüsten-Str. 21 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz], S.4). 127 Vgl. Kirchentagskongreß 1972. Vorbereitender Ausschuß, Protokoll über die Beratung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz am 14.Juli 1972 von 17 bis 19.30 Uhr, 14.7.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 1. 128 Vgl. auch Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die „Modellgruppen" des Kirchentagskongresses 1972, 4.9.1972 (KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane). m Abgesehen vom Sachgebiet I (Kinderarbeit) sollten in Görlitz und in Meerane jeweils unterschiedliche Gruppen als Modell vorgestellt werden (also insgesamt 13 Modellgruppen). 1J0 Vgl. die Übersicht in: Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, am Sonnabend, 22. April 1972 - 9-14 Uhr im Kirchgemeindehaus Dresden-Strehlen, 25.4.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 1. 131 Vgl. Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17. Juni 1972 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr, 20.6.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 1.

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Spätestens Mitte Juli stand fest, daß für das vierte Sachgebiet (Betriebsklima) weder für Görlitz noch für Meerane eine Modellgruppe zur Verfügung stehen würde,' 32 diese Arbeitsgruppe also entfallen mußte. Die Teilnehmer, die sich für diese Gruppe entschieden hatten, wurden auf andere Gruppen (in der Regel auf die bereits bei der Anmeldung erfragte Ersatzgruppe) verteilt' 33 War mit der Skizzierung der Aufgabenbereiche missionarischer Gruppen lediglich eine mehr äußerliche Beschreibung gegeben, erforderte vor allem die beim letzten Kongreß von den Teilnehmern nicht aufgegriffene Charakterisierung missionarischer Gruppen als „Zeichen der kommenden Welt Gottes" eine Weiterführung der Verständigung darüber, was missionarische Gruppen ihrem Wesen nach eigentlich sind. Diese Verständigung erfolgte insbesondere auf der zweiten Sitzung der „Arbeitsgemeinschaft Kirchentagskongreß 1972" am 5. Februar 1972. Als „Einstieg in die Arbeit über die Aufgaben der missionarischen Gruppen" hatte Dietrich Mendt ein Thesenpapier „zur Thematik der Kongresse 1971/1972" erarbeitet Danach „leben und handeln" die missionarischen Gruppen, „,als ob' die zukünftige Welt Gottes in dieser Welt verwirklicht werden könnte, obwohl sie wissen, daß Gott allein seine zukünftige Welt schaffen und offenbaren wird". In der Hoffnung auf Gottes zukünftige heile Welt engagierten sie sich in dieser Welt besonders an jenen Stellen, die der erwarteten zukünftigen Welt am wenigsten entsprächen, und bezeugten damit in Wort und Tat die Hoffnung, daß Gott die Welt letztendlich zu einem guten Ende führen werde.134 In der nachfolgenden Diskussion wurde vor allem der Gedanke des tätigen Zeugnisses noch einmal besonders unterstrichen. Es gehe bei der Arbeit der missionarischen Gruppen nicht lediglich um eine Dienstleistung, die auch andere geben könnten, sondern um ein tatkräftiges und überzeugendes Zeugnis von der Hoffnung auf Gottes Welt. Deshalb sei zwischen „Dienstgruppen" und „missionarischen Gruppen" zu differenzieren. Vermutlich standen Mendts Thesen auch bei der wenige Tage später stattfindenden Sitzung des sächsischen Landesausschusses am 12. Februar, der sich ebenfalls ausführlich mit der Thematik „Missionarische Gruppen" befaßte, im Hintergrund. Zumindest wurde beschlossen, daß „als Hilfe ш Zwar hatte es vorläufige Zusagen gegeben, diese wurden jedoch wieder zurückgezogen (vgl. ebd.). ш Kirchentagskongreß 1972. Vorbereitender Ausschuß (Walter), Protokoll über die Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz am 5.10.72 von 17 Uhr bis 20.30 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 7.10.1972 (KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 2. 114 Dietrich Mendt, Thesen zur Thematik der Kongresse 1971/1972 „Missionarische Gruppen", 2.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen - siehe Dok. 9).

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zur Thematik" f ü r die Kongreßteilnehmer ein „Vorwort" erstellt werden sollte, 135 dessen Ausarbeitung wiederum Dietrich M e n d t übernahm. Auf der Sitzung am 22. April lag dieses Vorwort im Entwurf vor, 136 die Diskussion darüber wurde allerdings auf den 17. Juni vertagt 1 3 7 Um anzuzeigen, wo die Arbeit des bevorstehenden Kongresses ansetzen müßte, zog Mendt in diesem Entwurf eine kurze Bilanz der bisherigen Kongreßdiskussion zum Thema „missionarische Gruppen", wobei er sich an den Gesichtspunkten, was in der bisherigen Arbeit „verstanden", was „miß verstanden" und was „nicht verstanden" worden sei, orientierte. Verstanden worden sei nach Mendt (was sich angesichts der Diskussion auf den Kongressen 1971 nicht völlig nachvollziehen läßt), daß missionarische Gruppen nicht „Frucht eines Nachdenkens unter soziologischen Fragestellungen" seien, sondern sich der biblisch begründeten Hoffnung auf Gottes Zukunft verdankten. Auf diese Zukunft würden sie in ihrer Existenz hinweisen und so als missionarische Gruppe zur Teilnahme an dieser Hoffnung einladen. Mißverstanden wurde nach Mendt dagegen, daß die zuvor genannten soziologischen Erkenntnisse einschließlich einer Analyse der konkreten Situation für die Arbeit der missionarischen Gruppe sehr wohl von entscheidender Bedeutung wären. Deshalb könne es nicht darum gehen, die bestehende Gemeindearbeit mit Versatzstücken aus anderem Kontext lediglich attraktiver zu gestalten. Es müsse vielmehr immer bedacht werden, nicht was sich an anderer Stelle bewährt habe, sondern was in der vorliegenden aktuellen Situation im Sinne des missionarischen Auftrags notwendig sei. Damit war auch gleichzeitig angezeigt, was noch nicht verstanden worden sei und wo dementsprechend weitergearbeitet werden müßte. Es sei nämlich offengeblieben, welcher Denkprozeß im einzelnen zu gehen sei, um von der Erkenntnis, „daß missionarische Gruppen Zeichen der kommenden Welt" seien, über eine Analyse der Situation zu einer „klaren Formulierung des Auftrags der Gemeinde in dieser Situation" zu gelangen. Ebenso müsse bedacht werden, welche praktischen Schritte bei der Umsetzung dieses Denkprozesses in die Wirklichkeit zu gehen seien. Auf der Sitzung am 17. Juni wurde festgelegt, Mendts Entwurf in einer kleineren Gruppe aus Vertretern des Landesausschusses zu überarbeiten. 138 1K

Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 12. Februar 1972, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 16.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 1. 136 Dietrich Mendt, Entwurf für ein Vorwort als Hilfe zur Thematik für den Kirchentagskongreß 1972 in Meerane und Görlitz, 18.4.1972 (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73). u ' Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, am Sonnabend, 22. April - 9-14 Uhr im Kirchgemeindehaus Dresden-Strehlen, 25.4.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen). 158 Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskon-

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Tatsächlich w u r d e d a n n allerdings v o n Erhard W o n n e b e r g e r eine völlig n e u e V o r l a g e erstellt,139 d i e v o n e i n e m Arbeitskreis aus Vertretern

beider

Landesausschüsse überarbeitet wurde.140 D i e s e s „ W o r t zur T h e m a t i k 1972" spannte den Bogen, indem es H a n d e l n und W e s e n missionarischer Gruppen in d a s z u g r u n d e l i e g e n d e V e r s t ä n d n i s v o n K i r c h e u n d M i s s i o n e i n o r d n e t e u n d auch d e n 1971 z u m Teil unklar g e b l i e b e n e n e s c h a t o l o g i s c h e n

Bezug

n o c h e i n m a l z u r S p r a c h e b r a c h t e , w e i t e r als d e r M e n d t s c h e E n t w u r f . Kirche müsse - s o das elf T h e s e n umfassende Papier - in Verwirklichung ihres grundlegenden Missionsauftrages in „ihrem ganzen Leben und D a s e i n " w e g e n und mit d e m Evangelium für die anderen dasein, „die nicht mehr o d e r n o c h nicht zur G e m e i n d e gehören". 1 4 1 D i e s e s D a s e i n für andere w e r d e - neben der G e s a m t g e meinde - auch von besonderen Gruppen gelebt, indem diese k o n k r e t e A u f g a b e n , die sich der G e m e i n d e in ihrem D a s e i n für andere stellen, w a h r n e h m e n . D i e s e „missionarischen Gruppen" fühlten sich durch die H o f f n u n g auf G o t t e s k o m m e n d e G e g e n w a r t , die Frieden, Freude, Gerechtigkeit, G e m e i n s c h a f t und Leben b e d e u t e , „zu h o f f n u n g s f r o h e m Zeugnis und Dienst" in dieser u n v o l l k o m m e n e n W e l t verpflichtet: „Mission" sei deshalb „ H o f f n u n g in Aktion - gerade in den missionarischen Gruppen". M i t diesem ihrem D a s e i n für andere, das aus der H o f f n u n g lebt, setzten sie „Leuchtzeichen ihrer H o f f n u n g " und w ü r d e n s o selbst, „wenn ihr Zeugnis Frucht des Glaubens im D i e n s t der Liebe ist", z u m „Zeichen der k o m m e n d e n Welt Gottes". 1 4 2 Diese sowohl v o m Görlitzer wie v o m sächsischen Landesausschuß akzept i e r t e E i n f ü h r u n g in d a s T h e m a e r h i e l t e n d i e K o n g r e ß t e i l n e h m e r als T e i l der Kongreßunterlagen

zugesandt.143

gresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17.Juni 1972 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr, 20.6.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 2. ,3 ' Gründe sind nicht genannt. Ein möglicher Grund mag die Auseinandersetzung um die Gestaltung des Görlitzer Abendmahlsgottesdienstes gewesen sein, bei der Mendt f ü r die später mehrheitlich abgelehnte Interzelebration eingetreten war (siehe oben S. 286-288, bes. Anm. 108). Unter dieser Perspektive ist es zumindest erwähnenswert, daß Mendt auf der Sitzung des Landesausschusses am 17.Juni, auf der sowohl über sein „Vorwort" wie auch Uber die Abendmahlsfrage entschieden wurde, nicht anwesend war, sondern unter „entschuldigt fehlen" aufgeführt ist (vgl. Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17.Juni 1972 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr, 20.6.1972 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen], S. 1 f.). 140 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Wort zur Thematik 1972 „Praxis und Alltag missionarischer Gruppen", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Die missionarische Gruppe - siehe Dok. 10). 141 A . a . O . , S. 1. 142 A . a . O . , S.2. 143 Im August wurde dieses „Wort zur Thematik 1972" in 500 Exemplaren vervielfältigt.

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Neben der thematischen Vorbereitung der Kongresse stand die organisatorische, die für beide Kongresse getrennt erfolgen sollte. Hinsichtlich des Kongresses in Görlitz hatte der Görlitzer Landesausschuß - wie bereits erwähnt - auf seiner Sitzung am 26. Februar 1972 die einen Monat zuvor im kleinen Kreis zwischen Görlitz und Sachsen ausgehandelten organisatorischen Rahmenbedingungen für den Kirchentagskongreß in Görlitz bestätigt und sich bereit erklärt, für dessen organisatorische Vorbereitung einen Vorbereitenden Ausschuß zu bilden.144 Dieser konstituierte sich drei Wochen später, am 17. März 1972. Gleichzeitig war festgelegt worden, daß die in Sachsen bis dahin praktizierte Kontingentierung nach Kirchenkreisen auch in Görlitz beibehalten werden sollte. Auch in diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, daß aus den Gemeinden „grundsätzlich . . . 2-3 Teilnehmer entsandt werden" sollten, „damit eine Weiterarbeit möglich" wäre. Die Zahl der Pfarrer und kirchlichen Mitarbeiter sei auf 30 % (20 % Pfarrer, 10 % kirchliche Mitarbeiter) zu begrenzen. Eine altersmäßige Begrenzung auf 17 bis 55 Jahre wurde empfohlen. 145 Bei der technischen Vorbereitung des Kongresses stellte sich weiterhin die Frage, ob und in welcher Weise die staatlichen Stellen Uber den bevorstehenden Kongreß informiert oder gar um Unterstützung gebeten werden sollten. Dazu entschied der Görlitzer Landesausschuß auf seiner Sitzung am 13. Mai 1972, daß die staatliche Seite aus der Kongreßvorbereitung völlig herausgehalten werden sollte. Das bedeutete, daß an staatliche Stellen weder Bitten um Hilfeleistungen gerichtet (etwa ein Ersuchen an die Verkehrspolizei, zusätzliche Parkmöglichkeiten zu schaffen) noch an die für Kirchenfragen zuständigen Stellen beim Rat der Stadt oder des Bezirkes Informationen darüber gegeben würden, daß in Görlitz ein solcher Kongreß stattfindet. 146 Eine polizeiliche Anmeldung des Kongresses war als geschlossene kirchliche Veranstaltung in kircheneigenen Räumen auch nach der neuen Veranstaltungsordnung vom 26. November 1970147 in kirchlichem Verständnis ohnehin nicht erforderlich. Diese Entscheidung bedeutete darüber hinaus, daß auch der Görlitzer Kongreß - wie zuvor die sächsischen Kongresse - hinsichtlich Übernachtung und Verpflegung im wesendichen 148 auf die innerkirchlichen Möglichkeiten zurückgreifen mußte. Diese erwiesen sich in Görlitz vor allem hinsichtlich der Quartierbeschaf144

„Der Vorbereitende Ausschuß berät und beschließt über Organisationsfragen, berichtet dem LA und bringt beim LA Entscheidungsvorschläge ein" (Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 26.2.72 von 10-15 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, Johannes-Wüsten-Str. 21, undatiert [KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz], S. 6). 145 Ebd. 144 Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Protokoll über die Beratung des Landesausschusses Görlitz am 13.5.1972 von 8 bis 13 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 13.5.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 3. 147 Vgl. dazu oben S. 59 f. 148 Für Gäste des Kongresses konnten im Hotel „Vier Jahreszeiten" 20 Berten reserviert werden. Eine entsprechende Möglichkeit hatte auch bei den Dresdner Kongressen bestanden, bei denen insbesondere Referenten im kirchlichen Hospiz „Marthaheim" untergebracht werden konnten.

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fung begrenzter als erwartet Im Mai fehlten trotz intensiver Umfrage zur Deckung des hochgerechneten Bettenbedarfs noch immer ca. 80-100 Betten.149 Dieses Problem löste sich allerdings dadurch, daß Anmeldungen aus Sachsen nur sehr zögerlich eintrafen. Ein Resümee des Anmeldungsverlaufs ließ erkennen, daß Sachsen sein Kontingent für Görlitz nicht ausschöpfen würde. Ursprünglich war aus Sachsen mit 250 Teilnehmern gerechnet worden. Auf der Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für Görlitz am 1. September lagen aus Sachsen jedoch lediglich 96 Anmeldungen vor, die sich nach Schätzung von Herbert Gehre bis zum Anmeldeschluß lediglich auf maximal 150 erhöhen würden. Damit lag die voraussichdiche Zahl der Teilnehmer aus der sächsischen Landeskirche um 100 Personen niedriger als ursprünglich veranschlagt Dadurch war nicht nur das Problem der fehlenden Quartiere beseitigt, sondern auch eine zusätzliche Werbung unter Görlitzer Gemeindegliedern möglich.150 Aufgrund der intensiven Vorbereitung des ersten gemeinsamen Kongresses der sächsischen und der Görlitzer Landeskirche in Görlitz konnten etliche der dort gefallenen Entscheidungen auch für den Kongreß in Meerane übernommen werden. Ursprünglich war geplant gewesen, etwa im Mai für den Meeraner Kongreß eine Vortagung durchzuführen. 151 Dieser Plan wurde vom sächsischen Landesausschuß auf seiner Sitzung am 25. April - allerdings ohne Terminierung - bestätigt Dabei wurde vorgesehen, daß dieser Vorbereitungskreis vor allem einen Entwurf für den Abschlußgottesdienst erarbeiten sollte.152 Die konkrete Vorbereitung des Kongresses in Meerane begann jedoch erst im Juni, nachdem der Landesausschuß auf seiner Sitzung am 17.Juni endgültig beschlossen hatte, daß das vom Görlitzer Vorbereitenden Ausschuß erarbeitete Programm - „mit den entsprechenden Änderungen betreffs Prediger und Referenten" - auch für Meerane gelten sollte.153 Daraufhin wurden die Einladungen

"* Vgl. Vorbereitender Ausschuß Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz, Protokoll über die Beratung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz am 9.Juni 1972 von 17 bis 19 Uhr, 11.6.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 4. 150 Kirchentagskongreß 1972. Vorbereitender Ausschuß (Walter), Protokoll über die 5. Beratung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kirchentagskongreß 1972 in Görlitz am 1.9.1972 von 15-19 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 1.9.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 1. - Dennoch war das Interesse in Görlitz anscheinend größer als die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze (vgl. unten S. 322). 151 Vgl. Herbert Gehre, Herrn Pfarrer Friedrich Zimmermann, 6.1.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane). 152 Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, am Sonnabend, 22. April 1972 9 - 1 4 U h r im Kirchgemeindehaus Dresden-Strehlen, 25.4.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 2. 153 Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17. Juni 1972 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr, 20.6.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 1.

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Meerane und Görlitz 1972

für Meerane verschickt 1 5 4 Am 23.Juni fand ein erstes Vorgespräch an Ort und Stelle statt, woraufhin am 3. Juli an einen begrenzten Kreis für den 11.Juli Einladungen zur Konstituierung eines Vorbereitenden Ausschusses ergingen. 1 5 5 Dieser Ausschuß widmete sich neben der rein technischen Vorbereitung vor allem der Vorbereitung des Kongreßgottesdienstes, dessen Ablauf nach wenigen Wochen (Anfang August) im wesentlichen feststand. 1 5 6

Ablauf der Kirchentagskongresse 1972, 23.-24. September in Meerane157 u n d 1 4 . - 1 5 . O k t o b e r in G ö r l i t z : „ P r a x i s und Alltag

missionarischer

Gruppen"

Sonnabend (H.Oktober) Zrit

AG I Kinderarbeit

AG Π Neubaugebiete

AG Ш Ehepaarkreise, junge Ehen (2 Gesprächs- (2 Gesprächs- (4 Gesprächs gruppen) gruppen) gruppen)

AG V Alte Menschen

AG VI Junge Menschen

AG VU Behinderte

(2 Gesprächsgiuppen)

(3 Gesprächsgruppen)

(1 Gesprächsgnippe)

9.00

Begrüßung, Eröffnung, Singen

9.40

Berichte der „Modellgruppen" in den 6 Arbeitsgruppen

10.15

Arbeit zur Thematik in den (14) Gesprächsgruppen

14.00

Weiterführung der thematischen Arbeit in den Gesprächs gruppen

15.30

Beratung der Gesprächsgruppenleiter und Singen

16.30

Bibelarbeit Uber Mt 18,15-20 in den Gesprächs gruppen

18.00

Gebetsgemeinschaft

19.30

Der Kongreß lacht! - Ev.-Kath. Kabarett „Leipziger Schmutzengel"

21.00

Abendschluß

154 Kirchentagskongreß 72 am 23./24. September in Meerane, Kirchgemeindehaus Kantstr. 1 a/Wichemweg, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). i» Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Betr.: Kirchentagskongreß Meerane, 23./24. September 1972, 3.7.1972 (KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). 156 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Albrecht), Betr.: Abschlußgottesdienst des Kirchentagskongresses Meerane am Sonntag, 24. September 1972. 4.8.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). 157 Dieses Programm ist lediglich für Görlitz belegt. Hinweise auf eine gleiche Zeiteinteilung sind vorhanden. Unterschiede gab es wohl lediglich bei den jeweils eingangs berichtenden „Modellgruppen", da es von Anfang an nicht vorgesehen war, zu gleichen Themen auch dieselben Modellgruppen berichten zu lassen. Darüber hinaus gab es je Arbeitsgruppe in Meerane weniger Gesprächsgruppen als in Görlitz. Angaben, die lediglich auf Görlitz zutreffen, sind in Klammern gesetzt

300

Beginnende Regionalisierung

Sonntag (15. Oktober) Zeit

AG I Kinderarbeit

AG II Neubaugebiete

AG III Ehepaarkreise, junge Ehen (2 Gesprächs- (2 Gesprächs- (4 Gesprächsgruppen) gruppen) gnippen)

AG V Alte Menschen

AG VI Junge Menschen

AG VII Behinderte

(2 Gesprächsgruppen)

(3 Gesprächsgnippen)

(1 Gesprächsgruppe)

8.00

Gebetsgemeinschaft

8.15

(Geistliches Wort, Bischof D. Hans-Joachim Frankel)

8.45

Modell „Lückendorfer Arbeitskreis" - Kurzberichte

9.10

Arbeit in den Gesprächsgruppen

10.30

Festlegung der Berichte aus den Arbeitsgruppen/Singen

11.05

Berichterstattung; Anfragen an den Kirchentagskongreß; Zusammenfassung

14.00

Abschlußgottesdienst mit Abendmahl (Frauenkirche, Predigt Dietrich Mendt Uber Mt 18,15-20)

15.30

Schluß

Obwohl das offizielle Programm beider Kongresse jeweils erst am Sonnabend begann, war bereits der Freitagabend für die Teilnehmer als Anreisetermin mit eingeplant. Für die Gesprächsgruppenleiter 158 war zu diesem Zeitpunkt ein „Abend geistlicher und sachlicher Bereitung vorgesehen, damit wir am nächsten Morgen froh ans Werk gehen können". 159 Den Einstieg für die Diskussionen in den Gesprächsgruppen 160 bildeten - wie beabsichtigt - die jeweils vorgestellten „Modelle". Dabei wurde zum Teil nur relativ kurz auf die konkreten Ansatzpunkte für die Gruppentätigkeit eingegangen. In den meisten Fällen lag die Notwendigkeit der jeweiligen Arbeit auf der Hand. Folglich war die Frage nach Defiziten der (sozialistischen) Gesellschaft, auf die die Kirche in Form von missionari158 Bereits am 9. September hatte es in Dresden wahrscheinlich eine gemeinsame Zurüstung aller Gesprächsgruppenleiter (sowohl aus dem Görlitzer wie aus dem sächsischen Bereich) gegeben (vgl. H e r b e r t Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17. Juni 1972 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 bis 14.00 U h r , 20.6.1972 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen], S. 4). 15 ' Kirchentagskongreß 72 am 23./24. September in Meerane, Kirchgemeindehaus Kantstr. 1 a / W i c h e m w e g , undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). 160 Die vervielfältigten Berichte aus den Gesprächsgruppen des Kongresses in Meerane sind im Archiv des Kongresses und Kirchentages in Dresden erhalten (Kirchentagskongresse 1972), die des Görlitzer Kongresses im Evangelischen Zentralarchiv Berlin ( 9 5 / 9 3 / 5 9 ) . Es ist freilich zu bedenken, d a ß die Berichte die Diskussion in ihrer gesamten Breite weder wiedergeben wollen noch können.

Meerane und Görlitz 1972

301

sehen Gruppen reagieren könnte, zumindest in den Berichten kaum ein Thema und wurde lediglich indirekt angedeutet An sozialismusspezifischen Herausforderungen wurden im wesentlichen drei erkennbar: - Innerhalb des Arbeitsgebietes „Kinderarbeit" wurde darauf hingewiesen, daß Kinder aufgrund unterschiedlicher Auffassungen und Meinungen im Elternhaus einerseits sowie in Schule und Gesellschaft andererseits vielfach Spannungen und Belastungen ausgesetzt seien und deshalb der Hilfe bedürften („freier Sprachraum"). - Ausdrücklich thematisierte Arbeitsbereich II eine DDR-Besonderheit: die Errichtung großer Neubaugebiete, in denen - als Modelle für das neue Zusammenleben der sozialistischen Persönlichkeiten - Kirche nicht mehr vorkomme. Als Beispiel wurde Jena-Lobeda genannt (ca. 20000 Einwohner), w o nicht nur gewachsene kirchliche Strukturen, sondern auch kirchliche Räume einschließlich der Kirche selbst fehlten. 161 - Sehr verhalten, aber doch erkennbar wurde im Zusammenhang der Ehepaararbeit der ideologische Druck angedeutet, dem insbesondere junge Leute in ihrem Arbeitsbereich ausgesetzt seien.

Ausführlich wurde über die Erfahrungen der jeweiligen Modellgruppe hinsichtlich ihrer Arbeitsorganisation im weitesten Sinne, ihres Verhältnisses zur Gesamtgemeinde und ihrer geistlichen Grundlegung gesprochen. Angesichts der unbestrittenen Notwendigkeit des jeweiligen Arbeitsbereiches (Hilfe für Kinder, Neuhinzugezogene, junge Ehepaare, alte und junge Menschen, Behinderte) kam es wohl nicht zu einer besonderen Suche nach anderen oder weiteren Herausforderungen für missionarische Gruppen. Auch eine Zuspitzung des Arbeitsgruppenthemas auf eine ganz konkrete Situation hat es anscheinend nicht gegeben und war angesichts der Zusammensetzung der Gesprächsgruppen auch kaum möglich. Während in Görlitz vor allem Einzelfragen zum jeweiligen Arbeitsbereich dominierten, stand in Meerane die für die Teilnehmer offensichtlich noch nicht hinreichend geklärte Grundfrage nach Wesen und Merkmalen einer missionarischen Gruppe im Vordergrund. Bei der Verständigung über diese grundsätzliche Frage, die natürlich auch in Görlitz nicht völlig unausgesprochen blieb, kamen vor allem zwei Aspekte zur Sprache, die für missionarische Gruppen kennzeichnend wären: zum einen die missionarische Intention und Aktion, zum anderen die Gemeinschaftsfunktion der Gruppe bzw. ihre besondere Form (im Gegensatz zu anderen Gemeindegruppen). In diesem Sinne wurde die missionarische Gruppe einerseits als Träger und Organisator von Hilfsdiensten an Schwachstellen der Gesellschaft verstanden, die als solche Dienstgruppe in 16,1 Kirchliche Bauvorhaben (Gemeindezentren) in Neubaugebieten wurden erst möglich nach dem „Spitzengespräch " vom 6. März 1978.

302

Beginnende Regionalisierung

besonderer Weise für „die anderen" d a wäre. Andererseits erschien sie aber auch als Gemeinschaft, die in gleicher Weise für ihre Mitglieder da und wichtig wäre. Denn in ihr lebten J u n g und Alt zusammen. Die Fragen der Welt fänden hier im Gespräch eine Antwort von der Substanz des Glaubens her. Gemeinschaft werde erfahren und gelebt Im Vergleich zu anderen Gemeindegruppen wurde besonders auf ihre Spontaneität und ihre Offenheit „für die der normalen Gemeinde Entfremdeten" hingewiesen. 162 Zum Teil kam zum Ausdruck, d a ß auch diese Seite der Existenz missionarischer Gruppen als Zeichen für ein neues Zusammenleben eine missionarische Wirkung haben könne. Diese beiden grundsätzlichen Aspekte missionarischer Gruppen wurden in den einzelnen Berichten freilich jeweils anders gewichtet, unterschiedlich zueinander in Beziehung gesetzt oder gegeneinander abgehoben, wodurch eine jeweils andere Nuancierung entstand. Voneinander getrennt wurden beide Aspekte lediglich in einer Kritik an der vermeindich unkonkreten Themenformulierung: Es sei nicht klar gewesen, ob beim Themenbereich „Generationsproblem" mit „missionarischer Gruppe" eine Gruppe gemeint sei, die in ihren eigenen Reihen das Zusammenleben von Jung und Alt praktiziere, oder ob es sich um eine Gruppe handele, die an anderer Stelle - in der Gemeinde, im persönlichen Umfeld - Hilfen zur Bewältigung des Generationsproblems anbiete.163 In den meisten Gesprächsgruppen wurde jedoch die Zusammengehörigkeit beider Aspekte festgehalten. Eine Gruppe, die sich selbst genüge, ohne nach außen wirksam zu werden, sei keine missionarische Gruppe. Auf der anderen Seite brauchten aber auch die Mitglieder einer nach außen aktiven Dienstgruppe die „guten mitmenschlichen Beziehungen" in der Gruppe, das gemeinsame Gebet, die Akzeptanz der eigenen Möglichkeiten. Lediglich der Stellenwert einer notwendigen, jedoch ganz von der zu lösenden Aufgabe her verstandenen Voraussetzung wurde der Organisationsform als Gruppe bei der Diskussion von Modellen mit Dienstaufgaben außerhalb oder am Rande der traditionellen Gemeinden (Freizeitangebot für Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen, Betreuung von alten und kranken Menschen, Präsenz von Kirche in Neubaugebieten ohne kirchliche Infrastruktur) beigemessen.164 In diesem Zu-

162 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Kirchentagskongreß Görlitz 72, Bericht der Arbeitsgruppe V - Alte Menschen (Existenzbewältigung, Leistungsdenken, einsam), undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 5 9 ) , S. 1. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kirchentagskongreß 72 Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe Via - Zusammenleben von Jung und Alt (Generationsproblem), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kirchentagskongreß 72 Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe V - Alte Menschen (Existenzbewältigung, Leistungsdenken, einsam), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72).

Meerane und Görlitz 1972

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sammenhang erschien die Gruppe als Halt und „Rückendeckung", ohne deren Hilfe der einzelne verloren sei.165 Eine eigenständigere Funktion erhielt die Gruppe als solche dagegen innerhalb des Sachgebietes „Ehepaarkreise/junge Ehen". Gerade die Gruppe gebe jungen Ehepaaren, die ohnehin auf der Suche nach neuen Sozialbeziehungen seien, die Gelegenheit, „sich über ihre Probleme auszutauschen". Jedoch wurde ausdrücklich festgehalten: „Maßstab für das erfolgreiche Wirken eines Ehepaarkreises ist nicht das Leben des Kreises selbst, sondern die Wirkungen, die der einzelne in seiner Umgebung auslöst"166 Allerdings war zu diesem Thema auch eine abweichende Gewichtung möglich. Im Bericht einer anderen Gesprächsgruppe wurde zwar auch davon gesprochen, daß der Ehepaarkreis Aufgaben, die „von unserer Umwelt her" gestellt sind, in „gezielter Aktion" anpacke, das Eigentliche vollziehe sich jedoch innerhalb der Gruppe, wo im offenen Gespräch versucht werde, „die Fragen, die die Welt uns stellt, zu erkennen" und „auf diese Fragen durch Argumente und Taten die Antworten des Glaubens zu geben". Als Frage wurde dabei formuliert, ob eine solche Gruppe nicht allein schon durch ihre Existenz - ohne daß eine besondere missionarische Aktion hinzutreten müsse - missionarisch sei.167 Darüber hinaus wurden in den Diskussionen etliche Einzelerfahrungen ausgetauscht, Empfehlungen für die Startphase einer missionarischen Gruppe gegeben (überschaubare Aufgabe u. ä.) sowie weitere grundsätzliche Einsichten festgehalten, die vom jeweiligen Arbeitsgruppenthema ablösbar waren und auch bei verschiedenen Themen wiederkehrten. Zum Beispiel gelte - sowohl für Besuchsarbeit im Neubaugebiet als auch bei der Begegnung der Generationen - die Grundeinsicht: den anderen nicht vereinnahmen, sondern in seiner Eigenart akzeptieren. 168 Nicht alle Probleme konnten auf den Kongressen ausdiskutiert werden.

165 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Kirchentagskongreß Görlitz 72, Bericht der Arbeitsgruppe V - Alte Menschen (Existenzbewältigung, Leistungsdenken, einsam), undatiert (EZA, DEKT, 95/93/59), S. 2. 144 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kirchentagskongreß 72 Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe lila - Ehepaarkreise/junge Ehen, Eheprobleme, Beruf/Weiterbildung, Kindererziehung, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). 167 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kirchentagskongreß 72 Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe lila - Ehepaarkreise/junge Ehen, Eheprobleme, Beruf/Weiterbildung, Kindererziehung, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72). 168 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kirchentagskongreß 72 Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe II - Neubaugebiete (Neuhinzugezogene - einsam - anonym), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72); Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kirchentagskongreß 72 Meerane, Bericht der Arbeitsgruppe Via - Zusammenleben von Jung und Alt (Generationsproblem), undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 72).

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Beginnende Regionalisierung

Offen blieb insbesondere die in allen Gesprächsgruppen angeschnittene Frage nach dem Verhältnis von missionarischer Gruppe und Gesamtgemeinde. Genannt wurden in diesem Zusammenhang weiterhin „die Frage nach der Stellung des Pfarrers in einer solchen Gruppe" sowie „die Überlegung, welcher Stellenwert dem Gottesdienst der Gesamtgemeinde und der Bibelarbeit für die in der Gruppe Engagierten" zukomme. 169 Der Kongreß in Görlitz verlief nicht ohne Zwischenfall: Am 14. Oktober fand um 15.30 Uhr im kleinen Saal des Tagungszentrums „Haus Wartburg" eine Beratung der Gesprächsgruppenleiter statt „Kurz vor Ende der Zusammenkunft gab es einen Knall und der Fußboden senkte sich um ca. 5 cm."170 Feuerwehr, Bauaufsicht und Kirchliches Bauamt, die daraufhin herbeigerufen wurden, verfügten im Ergebnis ihrer Uberprüfungen eine Sperrung der gesamten 1. Etage. Gesprächsgruppen, die dort tagen sollten, mußten in andere Räume (Wichernhaus) umziehen.171 Der Vorfall hatte noch eine weitere Konsequenz. Da staatliche Einrichtungen (Feuerwehr, Bauaufsicht) verständigt worden waren, erhob sich die Frage, ob die ursprüngliche Entscheidung, die zuständigen staadichen Stellen nicht über das Stattfinden des Kongresses zu informieren,172 aufrechterhalten werden sollte. Angesichts dessen, daß der Vorfall von den staatlichen Stellen der kirchlichen Seite vermudich vorgehalten werden würde, entschied man sich für eine Anmeldung der Veranstaltung, die seitens des Görlitzer Landesausschusses gegen 18.00 Uhr beim Volkspolizei-Kreisamt in Görlitz erfolgte.173 Bereits vor den Kongressen war erkennbar geworden, daß sowohl der Görlitzer Landesausschuß als auch der sächsische an einer längerfristigen Zusammenarbeit interessiert waren. Unter dieser Perspektive hielt es insbesondere der Görlitzer Landesausschuß für sinnvoll, nach den Kongressen in Meerane und Görlitz diese auf einer Sitzung beider Landesausschüsse auch gemeinsam auszuwerten. Dem schloß sich der sächsische Landesausschuß ohne weiteres an.174 Gotthardt Bunzel, Praxis und Alltag missionarischer Gruppen. Kirchentagskongreß in Görlitz, in: Der Sonntag 27 (1972), Nr. 46 vom 12. November 1972. m Rat des Bezirkes Dresden (Dohle), Betr.: Kirchentagskongreß am 14./15.10.1072 in der „Wartburg" in Görlitz, undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 596). 171 Da die Mehrzahl der Kongreßteilnehmer aus Sachsen kam (161 von 296), lastete die Legende diesen Vorfall den sächsischen Gästen an: „Es war zwar schon vorher im Gespräch, daß da etwas repariert werden müßte, dennoch ist dieser Kongreß als derjenige in die Annalen eingegangen, bei dem die Sachsen die ,Wartburg' kaputt gemacht hätten" (Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 9). 172 Vgl. oben S. 297. m Rat des Bezirkes Dresden (Dohle), Betr.: Kirchentagskongreß am 14./15.10.1072 in der „Wartburg" in Görlitz, undatiert (BArch Berlin, StfK, D O 4, 596). m Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17.Juni 1972 im Gemeindehaus der Chri-

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Diese gemeinsame Auswertung fand am 18. November 1972 in Görlitz statt.175 Der Görlitzer Konsistorialrat Bunzel informierte über die zurückliegende Sitzung der Görlitzer Kirchenleitung, „in der Zufriedenheit und Dankbarkeit über den Verlauf des Kongresses" zum Ausdruck gekommen seien.176 Auch insgesamt konnte auf eine im großen und ganzen positive Reaktion verwiesen werden.177 Die Mehrzahl der Teilnehmer habe für eine Fortsetzung der Kongresse plädiert und sich - im Falle des Görlitzer Kongresses - für eine Weiterführung der Zusammenarbeit beider Landesausschüsse auf diesem Gebiet ausgesprochen. Kritik beschränkte sich im wesentlichen auf den äußeren Ablauf (Zeitpunkt der Bibelarbeit,178 gemeinsames Singen u. ä.). Die einzige inhakliche Kritik, die bei der Auswertung zur Sprache kam, bezog sich darauf, daß es nicht gelungen war, sich von der Diskussion über die konkreten Modellgruppen zu lösen und zu Überlegungen für eine Umsetzung in die eigene Situation voranzuschreiten.179 Im Anschluß an das Resümee wurden in zwei getrennten Gruppen einerseits die Frage der Nacharbeit und andererseits die der konkreten Weiterarbeit im Blick auf das kommende Jahr diskutiert Aus den Überlegungen zur Nacharbeit der zurückliegenden Kongresse erwuchs der Vorschlag, aus den Kongreßteilnehmern eines überschaubaren Bereiches Regionalkreise zu bilden. Als deren mögliche Aufgaben wurden festgehalten: „a) Anforderungen in dem Bereich, den Ortsgemeinden entdecken, b) Starthilfen - , Reparaturhilfen', c) Evtl. aus dem Regionalkreis eine missionarische Gruppe bilden, d) Informationen und Anregungen weitergeben."180 Bereits in den Schlußworten auf den Kongressen in Meerane und Görlitz war darauf hingewiesen worden, „daß nunmehr das Thema der missionarischen Gruppen im Kirchentagskongreß abgeschlossen" sei. Der Weihnachtsbrief 1972 „an die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 1972 und die Freunde der Kongreß-Arbeit" fügte hinzu, daß die Sache damit freilich keineswegs erledigt wäre. Vielmehr würde sie „als Aufgabe in Ihre Hände stuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 bis 14.00 Uhr, 20.6.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 4. in Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Gehre), Protokoll über die gemeinsame Tagung der beiden Landesausschüsse am Sonnabend, 18. November 1972 in Görlitz, 10 Uhr bis 18 Uhr im Gemeindehaus der Lutherkirche, 25.11.1972 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent). A.a.O., S. 1. Eine Stimme aus Leipzig zum Kongreß in Meerane sprach zum Beispiel davon, daß die „Gruppengespräche faszinierend" gewesen seien (ebd.). Die Bibelarbeit stand erstmals nicht am Beginn des Kongresses, sondern fand erst am Samstagnachmittag statt. in Ebd. - Im Blick war dabei der Kongreß in Görlitz. 180 A.a.O., S.2.

306

Beginnende Regionalisierung

gelegt". Zur Weiterarbeit erhielten die Kongreßteilnehmer die vervielfältigten Berichte der Arbeitsgruppen, den Bericht des Lückendorfer Arbeitskreises, die Predigt von Pfarrer Mendt sowie - lediglich die Görlitzer Teilnehmer - das Geisdiche Wort von Bischof Frankel.181 Mit den Kongressen des Jahres 1972 trat die Kongreßarbeit erstmals als besonderer Arbeitszweig der evangelischen Kirchen in das Blickfeld der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen. Anlaß waren freilich nicht die Kirchentagskongresse in Meerane und Görlitz, sondern ein Teilnehmerbericht vom 2. Kirchentagskongreß in Cottbus (22. bis 24. September).182 Auf seiner Grundlage erstellte die Abteilung I des Staatssekretariats eine „Information über durchgeführte Kirchentagskongresse",183 in der sich freilich sehr verschwommene Vorstellungen über die Entstehung der Kongreßarbeit niederschlugen. Danach wären die Kirchentagskongresse in Fortführung der Kirchentagstreffen 1970 entstanden und sollten „als Brückenpfeiler von einem Kirchentag zum anderen" die dort in den Arbeitsgruppen begonnene - im wesentlichen politisch verstandene - Arbeit fortführen. Denn die Kirchentagskongresse stellten „ein Forum dar, wo sich ständig mit den aktuell politischen Fragen unserer sozialistischen Entwicklung sowie der Entwicklung des Menschen in unserer Gesellschaft auseinander gesetzt wird".184 Ihr Ziel sei es, „einen bestimmten Teil von kirchenpolitisch treu ergebenen Bürgern an sich zu binden und auszubilden zu einer kirchlichen Elite, die in den Gemeinden durch Vorträge und Aussprachen ihre spätbürgerlichen und sozialdemokratischen Auffassungen verbreiten soll".185 Den „reaktionären Kräften" ginge es auf den Kongressen nicht darum, „ihr Gotteswort zu verbreiten, es geht ihnen darum bürgerlich-sozialdemokratische Altemativkonzeptionen zu verwirklichen".186 - Es ist möglich, daß erst daraufhin aus Dresden ein Bericht über den Görlitzer Kongreß angefordert wurde.187

181 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Weihnachtsbrief 1972. An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 1972 und die Freunde der Kongreß-Arbeit, 15.12.1972 (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent), S. 1. 182 Der Bericht gibt weder den Namen des Berichterstatters noch den Anlaß für seine Berichterstattung preis. Deutlich ist lediglich: Er hatte an der Arbeitsgruppe IV teilgenommen und konnte darüber hinaus auf Informationen eines CDU-Mitgliedes (möglicherweise gehörte er selbst der C D U an) zurückgreifen, das Teilnehmer an der Arbeitsgruppe III gewesen war (vgl. Bericht über Eindrücke vom Kirchentagskongreß in Cottbus v. 22.-24.9.72, undatiert [BArch Berlin, StfK, D O 4, 596]). - Zur Kirchentagskongreßarbeit außerhalb Sachsens vgl. unten Kap. 9.2. 183 Abteilung I, Information über durchgeführte Kirchentagskongresse, 25.10.1972 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 596). 184 A . a . O . , S.2. 184 A . a . O . , S. 1. 186 А. а. O., S. 2. Dieser undatierte Bericht (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Dohle], Betr.: Kirchentagskongreß am 14./15.10.1972 in der „Wartburg" in Görlitz, undatiert [BArch Berlin, StfK, D O 4, 596]) traf im Staatssekretariat am 1. November (Eingangsstempel) ein, lag also bei der Abfassung der genannten „Information über durchgeführte Kirchentagskon-

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5.3. Dresden und Leipzig 1973 Mit der Vorbereitung der Kirchentagskongresse für 1973 setzte eine längerfristige Kongreßplanung ein, die nicht mehr nur von einem Kongreß zum nächsten reichte, sondern - wie in diesem Fall - mindestens zwei Kongreßjahre im voraus bedachte. Dementsprechend waren die 1973 durchzuführenden Kongresse bereits Diskussionsgegenstand auf der Sitzung des sächsischen Landesausschusses am 12. Februar 1972. Dabei bestand Einigkeit darin, den Kongreß für Ostsachsen 1973 wieder in Dresden188, die Kongreßveranstaltung für die westsächsischen Ephorien und die des Vogtlandes jedoch erstmals in Leipzig durchzuführen. Eine Fortsetzung der in Vorbereitung der bevorstehenden Kongresse begonnenen Zusammenarbeit mit Görlitz wurde als wünschenswert angesehen.189 Der Kirchentagslandesausschuß der Görlitzer Kirche kam seinerseits auf seiner Sitzung am l.Juli 1972 auf die Planung für 1973 zu sprechen. Im Zusammenhang damit erwog er sowohl die Möglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit mit Sachsen als auch die einer bloßen Beteiligung durch eine Görlitzer Delegation an einem ausschließlich sächsisch vorbereiteten Kongresse", die auf den 25. Oktober dauert, noch nicht vor. - Soweit sich das aus dem Bericht erkennen läßt, gingen die Informationen auf einen Teilnehmer der Arbeitsgruppe VI zurück. Aus den anderen Gruppen wurde lediglich das wiedergegeben, was im Plenum zur Sprache gekommen war. Inhaltliche Parallelen zwischen diesem Ratsbericht und einem Bericht des IM „Sturm" für die MfS-Kreisdienststeile Görlitz (Dienststelle Görlitz [Babucke], Tonbandbericht IM „Sturm" am 15.10.72. Kirchentagskongreß am M./15.10.72 in Görlitz, 15.10.1972 [BStU, ASt Dresden, AIM 1687/88, A/5, BI. 190-191]), die zum Teil bis in die Formulierungen hineingehen („Matthäusbrief" statt Matthäusevangelium), legen die Vermutung nahe, daß der Rat des Bezirkes bei der Abfassung seines Berichts auf eine entsprechende Information des MfS zurückgreifen konnte. - „Sturm" hatte vor dem Kongreß von seinem Führungsoffizier den Auftrag erhalten, „im Rahmen der Veranstaltungen die derzeitige und künftige Zielstellung dieser Arbeit zu erfahren" (Diensteinheit Görlitz [Babucke], Treffbericht, 27.9.1972 [BStU, ASt Dresden, AIM 1687/88, A/5, Bl. 185-186]). Wie der oberflächliche und fehlerhafte Bericht zeigt, vermochte „Sturm" diesen Auftrag - zu diesem Zeitpunkt - allerdings nur recht unvollkommen ausführen. |Ю Im Laufe der weiteren Vorbereitung entschied man sich allerdings nicht wieder für die Versöhnungskirchgemeinde in Dresden-Striesen, sondern für die Christuskirchgemeinde in Dresden-Strehlen. Als Grund für diese Wahl wurde der geplante Landes-Kirchentagskongreß (vgl. unten Kap. 6) angegeben, für den die Möglichkeiten in der Christuskirche getestet werden sollten (vgl. u. a. Herbert Gehre, An die Ev.-Luth. Versöhnungskirchgemeinde. z.H. Herrn Pfarrer Ernst Kanig, 21.3.1973 [KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Kirchentagskongreß Dresden 15.-17.Juni 73 - Vorbereitungskreis]). Der Dresdner Regionalkongreß 1974 fand dann wiederum in anderen Kirchgemeinden, der Erlöser-AndreasKirchgemeinde und der Trinitatiskirchgemeinde, statt. Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 12. Februar 1972, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 16.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S.2.

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greß. Die „Tendenz der Diskussion" lautete jedoch: „Kooperation soll weitergeführt werden."190 Nach erfolgreichem Abschluß der gemeinsam mit Görlitz vorbereiteten Kongresse in Meerane und Görlitz wurde die begonnene Planung für 1973 unmittelbar - und parallel zur Nacharbeit dieser beiden Veranstaltungen - weitergeführt. Von den auf der gemeinsamen Sitzung beider Landesausschüsse am 18. November in Görlitz gebildeten Arbeitsgruppen widmete sich eine Gruppe den Fragen der Weiterarbeit auf regionaler Ebene, während die andere unter der Leitung von Hanna Kahl Vorschläge zur Thematik der nächsten Kongresse erarbeitete.191 Längere Diskussion löste dabei der Themenvorschlag „Heil heute" aus, dessen Sachanliegen allgemeine Zustimmung fand. Hinsichtlich der Themenformulierung entschied sich die Arbeitsgruppe jedoch für die von Dietrich Mendt vorgeschlagene umfassendere Wendung „Wovon die Menschen leben". Ausschlaggebend dafür war, daß dieser Vorschlag sowohl die unter dem Thema „Heil heute" geführte Diskussion einschloß als auch in bewußter Anlehnung an das für den 15. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf vorgesehene Motto „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein" formuliert war.192 Das Plenum stimmte diesem Vorschlag - ohne Gegenstimmen bei zwei Enthaltungen - ebenfalls zu.193 Die weitere Entfaltung und damit die thematische Vorbereitung der Kongresse wurde wiederum einem Themenausschuß übertragen, der unter Beteiligung von Vertretern beider Landesausschüsse gebildet werden sollte.194 Darüber hinaus wurde auf dieser gemeinsamen 140

Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Roch), Protokoll über die Beratung des Landesausschusses Görlitz am 1 .Juli 1972 von 8-13 Uhr im Amt für Gemeindedienst, Görlitz, 1.7.1972 (Kirchentagskongresse 1972, Landesausschuß Görlitz), S. 7. m Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Gehre), Protokoll über die gemeinsame Tagung der beiden Landesausschüsse am Sonnabend, 18. November 1972 in Görlitz, 10 Uhr bis 18 Uhr im Gemeindehaus der Lutherkirche, 25.11.1972 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent), S. 3. 1.2 Während freilich das biblisch formulierte Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentages (Mt 4,4) von dem Menschen schlechthin sprach, erhielt das Kongreßthema durch die Formulierung „Wovon die Menschen leben" einen distanzierenden Unterton, als ginge es ausschließlich um eine kritische Sichtung der Lebensmodelle der anderen, nicht jedoch der eigenen. Diese wohl nicht beabsichtigte Nuancierung könnte darauf zurückgehen, daß die gewählte Formulierung nicht selbst gebildet worden war, sondern auf den Titel einer Volkserzählung von Leo Tolstoi zurückging. Hinweise, daß bei der Festlegung des Mottos auf eine literarische Vorlage zurückgegriffen worden sei, finden sich in den Unterlagen allerdings nicht. 1.3 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Gehre), Protokoll über die gemeinsame Tagung der beiden Landesausschüsse am Sonnabend, 18. November 1972 in Görlitz, 10 Uhr bis 18 Uhr im Gemeindehaus der Lutherkirche, 25.1 1.1972 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent), S. 2. m A . a . O . , S. 3. Für den Landesausschuß Sachsen wurden nominiert: Siegfried Bräuer,

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Sitzung der beiderseitige Wille zur Kooperation noch einmal bekräftigt und durch Festlegung der Kongreßtermine für 1973 besiegelt Der gemeinsame Kongreß in Dresden für Ostsachsen und den Görlitzer Bereich sollte am 16./17. Juni, der Kongreß in Leipzig für Mittel- und Westsachsen am 22./23. September stattfinden.195 Am Tag nach dieser gemeinsamen Sitzung, am 19. November, kamen die noch in Görlitz anwesenden Vertreter des sächsischen Landesausschusses zu einer weiteren - diesmal internen - Besprechung zusammen. Auf ihr legten sie fest, wer von sächsischer Seite zusätzlich zu den bereits nominierten Vertretern der Landesausschüsse um seine Mitarbeit im Themenausschuß gebeten werden sollte. Ebenfalls wurden Erwägungen zur Besetzung der beiden Vorbereitenden Ausschüsse angestellt, die „baldigst gebildet werden" sollten. Konkrete Vorschläge wurden allerdings lediglich für den Leipziger Vorbereitenden Ausschuß unterbreitet.196 Da Leipzig finden Kongreß Neuland war, fand die Frage der organisatorisch-technischen Vorbereitung des dortigen Kongresses besondere Beachtung. Aufgrund der Einsicht, daß „von Dresden aus . . . verschiedene Dinge einfach von der Unkenntnis der Leipziger Situation her schwer durchzuführen" 197 seien, beschloß der Ausschuß, „das Jugendpfarramt Leipzig hinsichtlich der technischen Vorbereitungen und Durchführung der Tagung zu bitten"." 8 Das dafür entscheidende Gespräch fand am 3. Januar 1973 in Leipzig statt. In seinem Verlauf erklärten sich die Mitarbeiter des Jugendpfarramtes bereit, „die technischen Aufgaben zum Kongreß zu übernehmen". Diese Zusage entlastete den Landesausschuß sowohl von der Quartierbeschaffung als auch von der Verpflegung der für Leipzig erwarteten 250 Teilnehmer. Als Tagungsort wurde das Paul-Gerhardt-Kirchgemeindehaus in LeipzigConnewitz festgelegt.199 Am 5. Januar 1973 unterrichtete Herbert Gehre den Leipziger Superintendenten Herbert Stiehl, der über Präsident Cieslak bereits von der Wahl Leipzigs als Tagungsort informiert worden war, von dieser Vereinbarung.200 Johannes Cieslak, Reinhold Fritz, Herbert Gehre und Erhard Wonneberger, für den Landesausschuß Görlitz: Hans-Joachim Kohli, Hans Roch, Erwin Walter. m А. а. O., S. 2 f. Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonntag, 19. November 1972 in Görlitz im Haus „Wartburg", 8.30 Uhr bis gegen 12 Uhr, 25.11.1972 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent). Herbert Gehre, Herrn Superintendenten Herbert Stiehl, Betr.: Kirchentagskongreß Leipzig am 21.-23. September 1973, 5.1.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]). m [Herbert Gehre], Vorbereitung Kirchentagskongreß Leipzig, 21.-23. Sept. 1973, [Januar 1973] (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]). - Im Protokoll der Sitzung vom 19. November 1972 ist dieser Beschluß freilich nicht erwähnt Ebd. 200 Herbert Gehre, Herrn Superintendenten Herbert Stiehl, Betr.: Kirchentagskongreß

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Nachdem die Termine sowie die Themenformulierung für die Kongresse des bevorstehenden Jahres dem potentiellen Teilnehmerkreis im „Weihnachtsbrief 1972" bereits bekanntgegeben worden waren,201 trat der Themenausschuß202 am 30. Dezember 1972 zu seiner ersten Arbeitssitzung zusammen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand - ausgehend vom internen Arbeitsthema „Heil heute" - der Begriff des Heils in seinen vielfältigen und gegensätzlichen Bedeutungen: Im Horizont chrisdicher Glaubensaussagen und -erfahrungen wurde „Heil" zum einen beschrieben als „Zuwendung Gottes in Jesus Christus", als ein umfassendes Heilsein, das „außerhalb unserer Möglichkeiten" liege und damit ein Geschenk sei, das „kein Staat, keine Ideologie" vermitteln könne. Im Blick auf das alltägliche Leben in einer säkularisierten Gesellschaft konnte „Heil" hingegen auf der anderen Seite auch als Synonym für jenen Lebenssinn Verwendung finden, den Menschen ihrem Leben selbst zu geben versuchen, als jeweils unterschiedlich verstandener Lebensinhalt, von dem und für den (die) Menschen leben.203 Diese Spannung von chrisdich verstandenem Heil einerseits und säkularer Sinngebung andererseits stellte dem Kongreß seine eigendiche Arbeitsaufgabe: In der „Begegnung von gegenwärtiger Situation und biblischer Botschaft" sollte das Verhältnis beider Heilsinhalte zueinander bedacht sowie Möglichkeiten christlich verantworteten Umgangs mit säkularer Sinngebung und Sinnerfahrung diskutiert werden. Im Laufe des Themenkonvents kristallisierten sich im einzelnen fünf Bereiche heraus, in denen Menschen heute ihr Heil suchten: Heil durch Bestätigung, Heil durch Endastung, Heil durch Sicherheit, Heil durch schöpferische Tätigkeit und Heil durch Glück. Auf dieser Grundlage wurden für die geplanten Kongresse sechs „Einzelthemen beschlossen: 1.) Zukunft und Hoffnung 2.) Glück und Lebenssicherung 3.) Arbeit und Freizeit 4.) Genuß und Wohlstand Leipzig am 21.-23. September 1973, 5.1.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]). 201 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 1972 und die Freunde der KongreßArbeit, 15.12.1972 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent), S. 1. 202 Neben den oben genannten Vertretern der beiden Landesausschüsse gehörten ihm unter anderem der Leipziger Universitätsprofessor Ernst-Heinz Amberg sowie der Leipziger Pfarrer Manfred Falkenau an. m Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Themenausschuß zum Kirchentagskongreß 1973: Protokoll über die 1. Tagung am Sonnabend, 30. Dezember 1972 - 10 bis 16 Uhr in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent), S. 1.

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5.) Familie und Gesellschaft 6.) Erfolg und Bestätigung".204 Hinsichtlich des Ablaufes der Kongresse verabschiedete sich der Themenkonvent endgültig von dem bis dahin verwendeten Schema von einleitendem Vortrag mit nachfolgender Gesprächsgruppendiskussion. Als thematischer Einstieg im Plenum sollte nicht ein Referat dienen, sondern ein multimediales „Feature" (umschrieben mit: „vielfältig: Bild, Ton, Song usw."). An die Stelle referierter Orientierung trat eine auf das Thema der jeweiligen Arbeitsgruppe bezogene Bibelarbeit, die damit auch für die auf den Kongressen zu leistende Sacharbeit eine entscheidende Funktion erhielt. Für die Bereitstellung aussagekräftiger Bibeltexte wurde deshalb unter der Leitung von Prof. Amberg ein gesonderter Ausschuß gebildet205 Dieser verabschiedete auf seiner Sitzung am 10. Februar 1973 sowohl für die Einzelthemen als auch für die Predigt jeweils zwei Textvorschläge.206 Ebenfalls auf dem Themenkonvent hatten sich drei Teilnehmer bereit erklärt, ein „Wort" darüber zu erarbeiten: „Wie sieht das aus: Angebot des Evangeliums - hörbar - verstehbar".207 Diese „Wort" hatte, als es am 30. Januar vorlag, die Form eines Programmentwurfs, in dem der vom Themenkonvent implizierte Dreischritt von Situationsanalyse, biblischer Orientierung und situationsbezogener Konkretion umgesetzt worden war.208 Beide Papiere lagen den an der Vorbereitung beteiligten Landesausschüssen auf ihrer gemeinsamen Sitzung am 17. Februar vor. Nach Beratung wurden daraufhin die endgültigen Themenformulierungen für die einzelnen Arbeitsgruppen festgelegt und ihnen auf der Grundlage der Vorschläge des Amberg-Kreises jeweils per Mehrheitsbeschluß Bibeltexte zugeordnet Korrekturen nahmen die Landesausschüsse dabei kaum vor. Geändert wurde lediglich Thema 1, das nicht mehr „Zukunft und Hoffnung", sondern „Planung und Hoffnung" lauten sollte.209 Zum anderen fanden die beiden » Ebd. 205 А. а. O., S. 1 f. 206 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß. Arbeitskreis Leipzig des Themenausschusses 1973 (Herbert Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Arbeitskreises am Sonnabend, 10. Februar 1973, in der Wohnung von Herrn Pfarrer Manfred Falkenau, Leipzig, Schneewittchenweg 28 (10 Uhr bis 13 Uhr), 10.2.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent). w Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Themenausschuß zum Kirchentagskongreß 1973: Protokoll über die 1. Tagung am Sonnabend, 30. Dezember 1972 - 10 bis 16 Uhr in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent), S. 2. 208 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Betr.: Themenausschuß, 30.1.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent). Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangeli-

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Textvorschläge zum Thema 5 „Familie und Gesellschaft" „nicht die Zustimmung der Glieder der Landesausschüsse", so daß der Arbeitskreis gebeten wurde, neue Vorschläge zu unterbreiten.210 Das als Programmentwurf gestaltete „Wort" wurde im wesentlichen „akzeptiert". Allerdings gab es Rückfragen zu dem darin vorgesehenen Vortrag „Was ist Leben", der die thematische Arbeit am Sonnabend abschließen sollte. Angefragt wurden sowohl der Sinn eines Vortrags im Ablauf des Kongresses als auch sein Thema. Man einigte sich schließlich darauf, den Vortrag als Ergänzung der Kongreßdiskussion beizubehalten, sein Thema jedoch in „Sinnvoll leben" abzuändern und für seine Ausführung andere Referenten vorzusehen.211 Darüber hinaus wurden auf dieser Sitzung Prediger für die beiden Kongreßgottesdienste vorgeschlagen. Die Predigt auf dem Dresdner Kongreß sollte Prof. Amberg, die auf dem Leipziger Kongreß Oberkirchenrat 212 Mendt halten.213 Mit diesen Vorgaben setzte sich der Themenausschuß auf seiner nächsten und letzten Sitzung am 24. Februar auseinander. Eine „lebhafte Aussprache" rief vor allem der von den Landesausschüssen bereits bestätigte Plan eines Vortrags am Sonnabendnachmittag hervor, dem der Ausschuß wenig Sinn abgewinnen konnte. Angesichts der bereits erfolgten Entscheidung entschloß sich der Themenausschuß allerdings, diese Entscheidung mitzutragen. Darüber hinaus wurde der geforderte Textvorschlag für Thema 5 festgelegt (der dann auch vom Landesausschuß akzeptiert wurde) sowie der „Beschluß gefaßt, daß die Teilnehmer für die Einzelthemen ein , Papier exegetischen Inhalts' erhalten" sollten. Zum Gesamtthema sei ebenfalls ein Papier - „journalistisch gut" - vorzubereiten, wozu sich der Vorsitzende des Görlitzer Landesausschusses, Hans Roch, bereit erklärte. Beides sollten die Kongreßteilnehmer bereits vor Beginn der Tagung in die Hand bekommen. 214 scher Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Tagung der beiden Landesausschüsse am Sonnabend, 17. Februar 1973 - 9.00 U h r bis 16.00 U h r im Kirchgemeindehaus Bautzen, Töpferstr. 23. Protokoll, 2 6 . 2 . 1 9 7 3 ( K K T - A r c h i v Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent), S. 1. Ebd. А. а. O . , S. 2. - Die Verpflichtung geeigneter Referenten erwies sich allerdings als ein Problem, so daß Dietrich M e n d t , von dem die Themenformulierung „Sinnvoll leben" stammte, das Referat auf dem Dresdner K o n g r e ß schließlich selbst übernahm. 212 Dietrich Mendt, bis dahin Pfarrer in K a r l - M a r x - S t a d t , war 1973 als Oberkirchenrat in das Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens berufen worden. 213 Ebd. 214 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz. Themenausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung am Sonnabend, 24. Februar 1973 in Dresden-Strehlen, Kirchgemeindehaus der Christuskirche - 10.00 U h r bis 15.00 U h r , 2 6 . 2 . 1 9 7 3 ( K K T - A r c h i v Dresden, Regionalkongresse 1 9 7 0 / 7 1 : Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1 9 7 1 / 7 2 / 7 3 ) . 210 211

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Mit diesen Festlegungen war die Arbeit des Themenausschusses beendet Die konkrete Vorbereitung der Kongresse in Dresden215 und Leipzig übernahm jeweils ein gesonderter Vorbereitungskreis, der für Spezialaufgaben (etwa für die Gottesdienstgestaltung) wiederum Unterausschüsse bildete. Fragen grundsätzlicherer Art entschieden dagegen die Landesausschüsse, die am 23. April erneut zu einer gemeinsamen Sitzung zusammenkamen. Auf dieser Ausschußsitzung ging es unter anderem um die exegetischen Einführungstexte, die zwar „den Zusammenhang innerhalb des Evangeliums, des Briefes deutlich machen und einen Hinweis auf den Kontext bringen", jedoch „keine Weichenstellung" vornehmen sollten, sowie um die dafür geeigneten Autoren. Weiterhin erschien es den Landesausschüssen sinnvoll, auf den Kongressen „eine Einführung in die Unterthemen der 6 Arbeitsgruppen" zu geben, wofür ebenfalls personelle Vorschläge unterbreitet wurden.216 Mit dem gemeinsamen Kongreß in Dresden stellte sich wiederum die Frage nach der Gestaltung der Abendmahlsfeier, die bereits im Zusammenhang des Görlitzer Kongresses vom Vorjahr innerhalb des sächsischen Landesausschusses zu einer heftigen Kontroverse geführt hatte.217 Auf der Sitzung vom 23. April wurde deutlich, daß sich an der Gegensätzlichkeit der Positionen in der Zwischenzeit nichts geändert hatte. Das zu diesem Tagesordnungspunkt geführte „längere Gespräch" ging sogar bis zu der Überlegung, „ob es bei den unterschiedlichen Meinungen im Landesausschuß Sachsen nicht besser sei, auf das Abendmahl zu verzichten".218 ω Unter anderem wurde für Dresden von der ursprünglich vorgesehenen Verpflegung der Kongreßteilnehmer in Gaststätten wieder abgegangen, da eine „pünktliche Mittagsverpflegung" im „Strehlener Hof" nicht gesichert schien (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung der beiden Landesausschüsse am Montag, 23. April 1973 in Bautzen, Töpferstraße 23, im Kirchgemeindehaus - 17 Uhr bis 22 Uhr, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73], S. 1). Anscheinend zögerte der Strehlener Hof (auf Anweisung?) eine feste vertragliche Vereinbarung hinaus, so daß der Kongreß „auf .eigenen Betrieb' umstellen" mußte. Es wurde vorgesehen, „daß die Hälfte des Mittagessens am 16. und 17. Juni in der Küche des Landeskirchenamtes bereitet wird (etwa 125 bis 150 Portionen) und die andere Hälfte in der Küche des Kindergartens der Heilig-Geist-Kirche" (Gehre, An die Heilig-Geist-Kirchgemeinde. Zu Händen von Herrn Pfarrer Manfred Kaden, Betr. Kirchentagskongreß 1973 in der Christuskirche Dresden-Strehlen, 14.5.1973 [KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Kirchentagskongreß Dresden 15.-17.Juni 73 Vorbereitungskreis]). 216 А. а. O., S. 1 f. 217 Siehe oben S. 287. 218 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung der beiden Landesausschüsse am Montag, 23. April 1973 in Bautzen, Töpferstraße 23, im Kirchgemeindehaus - 17 Uhr bis 22 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73), S. 2.

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Schließlich wurde der Vorschlag unterbreitet, die Problematik Landesbischof Hempel vorzutragen. Dieser sollte entscheiden, „ob die Interzelebration beim Abendmahlsgottesdienst des Kongresses am 17. Juni in der Christuskirche Dresden-Strehlen freigegeben werden" könne. Dieser Vorschlag wurde mit knapper Mehrheit angenommen. Das Gespräch mit Bischof Hempel sollte Präsident Cieslak führen.219 Vermutlich überwogen bei dieser Verständigung jedoch die Gründe, die gegen eine Interzelebration sprachen. Nach dem noch im April vervielfältigten Gottesdienstablauf wurde das Abendmahl lediglich von Vertretern der sächsischen Landeskirche (aus dem Kirchenbezirk Dippoldiswalde) ausgeteilt220 Nachdem die regionalen Vorbereitungskreise im April ebenfalls zu weiteren Besprechungen zusammengekommen waren, konnten Ende April/Anfang Mai die KongreßunteHagen versandt werden. Dazu gehörten eine Einladung mit technischen Informationen221, das Programm222 (einschließlich der Ablaufpläne der beiden Kongreßgottesdienste) sowie die von Hans Roch erarbeiteten „Anregungen zur Einführung in das Thema des Kirchentagskongresses"223. Die Einführung begann mit einer kurzen Beschreibung dessen, was ein Mensch alles zum Leben brauche, um angesichts der konstatierten Fülle von Bedürfnissen festzustellen, daß er „freilich nie alles haben" werde. Deshalb komme es „darauf an, daß wir jeweils das Unsere finden". 224 Bei dieser Suche wolle der Kongreß helfen. Seine „sechs Arbeitsgruppen" seien „ein Versuch, etwas von dieser Fülle und Vielfalt , Leben' darzustellen und zugleich vorsichtig zu ordnen und zu begrenzen". 225 Als dabei zu bedenkende Fragestellungen wurden abschließend genannt: „Wer hilft uns und gibt uns den Maßstab dafür in die H a n d , kritisch zu unterscheiden und zu werten, was wirklich unentbehrlich ist, was uns wirklich fördert, was wirklich Bestand hat? W o ist unser Leben in seiner ganzen Fülle 2

" Ebd. Die Ausspendung erfolgte an zwei Tischen. Tisch 1: Prof. Dr. Ernst-Heinz Arnberg (Leipzig) und Pfarrer Gottfried Breutel (Glashütte), Tisch 2: Superintendent Gerhard Goebel (Dippoldiswalde) und Pfarrer Emst Graubner (Dittersdorf) (Gottesdienst-Ordnung für den Abschluß-Gottesdienst des Kirchentagskongresses Dresden 17.Juni 1973, undatiert [KKTArchiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 I]). 221 Johannes Cieslak/Herbert Gehre/Hans Roch, Kirchentagskongresse 1973, Dresden, 16./17.Juni, Leipzig, 22./23. September, Thema: „Wovon die Menschen leben", 12.4.1973 (EZA, DEKT, 95/93/104). 222 Kirchentagskongresse 1973, Dresden 16./17.Juni, Leipzig, 22./23. September, Das Programm, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Kirchentagskongreß Dresden 15.-17.Juni 73 [Vorbereitungskreis]). 223 Kirchentagskongresse 1973: Wovon die Menschen leben. Anregungen zur Einführung in das Thema des Kirchentagskongresses, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/104). - Abgedruckt unter „Wovon die Menschen leben. Gedanken zum Thema des Kirchentagskongresses 1973" in: Der Sonntag 28 (1973), Nr. 20 vom 20. Mai 1973. 224 A.a.O., S. 1. 225 А. а. O., S. 2. 220

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wirklich auf-gehoben und unverlierbar? Wodurch wird wirkliches Miteinander im Leben möglich? Wo finden wir die Möglichkeit immer wieder neu anzufangen? Welche Funktion hat hier die chrisdiche Gemeinde? Ihre Predigt? Ihr Dienst?"226 Beide Kongresse begannen nach der Begrüßung mit einem multimedialen „Feature", das unterschiedliche Lebensmodelle und Sinngebungen mit Hilfe einzelner Karten, Farben und Positionen im Skatspiel verdeutlichte (drei Sprecher, Musik vom Tonband sowie große Tafeln mit Skatkarten-Collagen).227 Eröffnet wurde dieses Kartenspiel des Lebens mit der geringsten Karte, der Sieben, die als Gleichnis für alle jene genommen wurde, die nicht wissen, was ihrem Leben Wert und Sinn geben könnte. Diese von der Sieben aufgeworfene Sinnfrage erfuhr nachfolgend durch die Trumpfkarten im Spiel eine jeweils eigene, meist fragwürdige Antwort Der Bube entschied sich für „bestechende Nüchternheit", die sich ganz auf die Gegenwart und das jetzt Erreichbare konzentriere, damit aber letztlich ohne Hoffnung sei. Der König repräsentierte eine Sinngebung durch äußere Werte - Jugend, Schönheit, Gesundheit - , die Dame hingegen „die Alten", die bei diesem Modell bereits aus dem Spiel ausgeschieden seien und nur noch als Zaungäste des Lebens fungierten. Das As ab größter Trumpf stand für die Liebe, mit der alles gewonnen, ohne die aber auch alles verloren werden könne. Ein General228 bezeichnete schließlich jene, „die auf Krieg und Gewalt gesetzt" hätten und so „jede menschliche Chance verspielen" würden. Entsprechend seiner Funktion als Eröffnung ließ das Feature die Sinnfrage offen. Die Richtung für eigenes Weiterdenken wurde insbesondere mit Hilfe der Spielerposition „Hinterhand" und der Spielfarbe Kreuz angedeutet Der Spieler in Hinterhand, der stets bedienen müsse, erschien als der, der wahrzunehmende Verantwortung erkenne und unspektakulär auf sich nehme. Mit der Farbe Kreuz wurde darüber hinaus auf die Möglichkeit hingewiesen, daß selbst im Leid noch Grund zum Dank erkennbar sein könnte. Ein weiteres thematisches Angebot außerhalb der Gruppenarbeit bildete am Kongreßsonnabend der Vortrag zum Thema „Sinnvoll leben". Für Leipzig hatte diese Aufgabe die provinzsächsische Pfarrerin Irmgard Dudey übernommen (deren Referat nicht erhalten geblieben ist), für Dresden

Ebd. D a es sich bei diesem Feature um ein Zusammenspiel von Text, Bild und Ton handelte, ist der Eindruck, der auf der Grundlage des vorliegenden Skriptes (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, feature Kirchentagskongresse 73, undatiert [KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt]) entsteht, vermutlich nur sehr unvollkommen. 228 Bei diesem „General" handelte es sich nicht um eine eigene, den Rahmen des Skatspiels sprengende Spielkarte, sondern um die andere Seite der Königskarte, deren Einblendung auf der zweiten Hälfte den israelischen Verteidigungsminister Moshe Dayan zeigte (vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Dr. Dohle], Betr.: Kirchentagskongreß in Dresden am 16. und 17.6.1973, 26.6.1973 [SHStA, BT/RdB Dresden, 41698], S.2). m

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Oberkirchenrat Dietrich M e n d t Letzterer kündigte seinen Vortrag ausdrücklich nicht als Grundsatzreferat an, sondern als „Atempause, in der man hören kann und nicht diskutieren muß". 229 Inhaltlich setzte er dann freilich nicht nur irgendeinen „Akzent", sondern gab auf die Frage nach sinnvollem Leben eine Antwort, wie sie grundsätzlicher hätte kaum ausfallen können. In einem ersten Gedankengang setzte Mendt der Universalität der Sinnfrage, die sich fast jedem stelle, die biblisch begründete Gewißheit entgegen, daß ein sinnvolles Leben für jeden grundsätzlich möglich sei. Zwei „Kontrollfragen" sollten dabei den allgemein empfundenen Mangel an Lebenssinn verdeudichen. Die erste lautete: „Möchtest du dein Leben [sc wie es bisher verlaufen ist] noch einmal leben?" Diese Frage erfahre - so Mendt - auch von Menschen, die sich in einer relativ glücklichen Lage befänden, meist eine ablehnende Antwort Ähnlich verhalte es sich mit der zweiten Kontrollfrage: „Möchtest du dieses Leben, das du jetzt erreicht hast mit allem, was du besitzt, eine Ewigkeit lang so weiterführen?"230 Auch sie werde meist verneint Dieses Antwortverhalten wie auch die Sinnfrage überhaupt ließen erkennen, daß der Lebenssinn verlorenzugehen drohe. Denn Menschen, die ein sinnvolles Leben führten, würden diese Frage gar nicht erst stellen. Daß trotz diesem allgemein festzustellenden Sinnschwund dennoch ein sinnvolles Leben grundsätzlich möglich sei, folgerte Mendt aus Jesu Kreuzeswort nach Joh 19,30: „Es ist vollbracht" Dieses zeige, daß Jesus trotz seines Scheiterns am Kreuz sein Leben als sinnvoll angesehen habe. Wenn aber - so die weitere Schlußfolgerung - „ein Mensch in einer solchen Situation sein Leben für sinnvoll halten kann, dann muß es für uns alle, die wir hier sitzen, Möglichkeiten geben, ein sinnvolles Leben zu führen".231 In einem zweiten Gedankengang hob Mendt dann einzelne Aspekte besonders hervor, die dieses Leben, das trotz Kreuz - und nicht erst im Lichte der Auferstehung - ein sinnvolles Leben gewesen sei, ausgezeichnet hätten. Fünf griff er heraus: 1. Jesus sei nicht darauf bedacht gewesen, ein eigenes Programm zu verwirklichen oder selbst voranzukommen, sondern „er war darauf aus, daß andere es zu etwas bringen".212 Er ließ sich - biblisch gesprochen - von der Nächstenliebe leiten und ließ sich damit sein Programm von der Bedürftigkeit der anderen diktieren. 2. Jesus übte mit dieser seiner Sorge um den anderen jedoch keinen Zwang aus. Auch sie habe er nicht zu einem Programm erhoben, das durchgesetzt werden müßte. Vielmehr verzichtete er sowohl „von vornherein auf jede Gewaltanwendung . . . , jede tatsächliche oder moralische", wie im nachhinein auf „zumutbare oder unzumutbare Forderungen". 233 224 Kirchentagskongreß 1973 Dresden 16./17.Juni 1973: „Sinnvoll leben". Vortrag am Sonnabend, 16. Juni 1973. Oberkirchenrat Dietrich Mendt, Dresden, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt). 230 А. а. O., S. I f. 231 А. а. O., S. 3. 232 Ebd. 231 A . a . O . , S.4.

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3. Jesus habe trotz intensiver Beanspruchung Ruhe und Freizeit nicht vernachlässigt, sondern beides in ein Gleichgewicht gebracht 4. Ebenso habe er die Dinge des täglichen Lebens weder über- noch unterbewertet Er „war kein Schlemmer, aber auch kein Asket". Er akzeptierte sie „als Dinge . . d i e einen bestimmten Zweck im Leben erfüllen - und den hat er sich von ihnen erfüllen lassen".234 5. Schließlich sah Jesus die Menschen stets „mit einem positiven Vorurteil".235 Er mußte nicht erst angenehm überrascht werden, um bei Menschen, die ihm begegneten, gute und liebenswerte Seiten zu entdecken. Er setzte diese einfach voraus. Die Skizzierung dieser fünf Punkte war freilich von Mendt nicht als unmittelbar umzusetzende Anleitung zur Gestaltung eines sinnvollen Lebens gedacht. Als Resümee formulierte er vielmehr die naheliegende und wahrscheinliche Reaktion seiner Zuhören „Jetzt wissen wir zwar, wie ein sinnvolles Leben ausgesehen hat, wenigstens bei diesem Jesus von Nazareth, aber - das kann ich nicht machen!" Diese Einsicht in das eigene Unvermögen griff Mendt in einem dritten Gedankengang auf, in dem er der Frage nachging, wieso Jesus dieses alles tun konnte. Als Antwort umschrieb er Jesu besondere Beziehung zu G o t t Denn die „wesentliche Grundlage seines Lebens" sei es gewesen, „daß Jesus sich nicht auf sich selbst verlassen hat, sondern auf Gotf.2it Und dieses Gottvertrauen ist dann auch die Antwort, die Mendt seinen Zuhörern auf ihre Frage gab, wie sie zu einem sinnvollen Leben gelangen könnten. Mendt Schloß: „Wenn man nach dem Sinn seines Lebens fragt, weil man gern ein sinnvolles Leben fuhren möchte, dann muß man antworten: Sinnvoll leben heißt sich um den Sinn seines Lebens gerade nicht kümmern, sondern ihn Gott überlassen."237 Die Arbeit in den Themengruppen vollzog sich entsprechend der Planung in drei Schritten. Im Gesprächsgang ,,Analyse" wurden Fragen der Definition und der Verhältnisbestimmung, vor allem aber konkrete Lebensprobleme und -erfahrungen der Teilnehmer angesprochen. Die als Kontrapunkt dazu gedachte Bibelarbeit erschloß Aussagen des Neuen Testaments zum Arbeitsgruppenthema. Der Gesprächsgang „Konkretion" versuchte schließlich die in der Analyse gestellten Fragen und die in der Bibelarbeit gewonnenen Einsichten miteinander in Verbindung zu bringen, um daraus Schlußfolgerungen für eigenes Leben und Handeln zu ziehen. In diesem Dreischritt wurden die jeweiligen in der Themenformulierung angesprochenen Sachverhalte ausführlich diskutiert und ihr Stellenwert im Leben eingeschätzt. Dabei kamen die Teilnehmer meist zu dem Ergebnis, daß diese Dinge zwar wichtig seien - zum Teil lebenswichtig - , als Lebens inhalt jedoch nicht taugten. Breiten Raum nahm deshalb die Frage des rechten Umgangs mit ihnen und die christlich verantworteter Bewäl№ 235 236

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tigung der in der Analyse benannten Probleme ein. Insbesondere in Leipzig richtete sich der Blick dabei nicht nur auf die Lösung eigener Probleme, sondern vor allem auch auf mögliche Hilfestellungen, die anderen zur Lebensbewältigung angeboten werden könnten. Die Frage nach einem sinnvollen Leben, die in den Arbeitsgruppen expresses verbis kaum gestellt wurde und deren Beantwortung man nach Dietrich Mendt ohnehin Gott überlassen sollte, erhielt damit zumindest eine indirekte Antwort: Sinnvoll lebt, wer sein Leben auch in den Dienst am Nächsten stellt und ihm seine - unter Umständen missionarisch wirkende - Hilfe anbietet Diese Diskussionstendenz stellte die Kongresse dieses J a h r e s , obwohl mit ihnen formal ein neues T h e m a begonnen worden war, in eine deutliche Kontinuität zu den vorangegangenen Tagungen, in denen es um die missionarische Gemeinde bzw. um eine Kirche f ü r andere gegangen war. Im Mittelpunkt der Konkretion zum Arbeitsthema I, „Planung und Hoffnung", stand der Versuch einer Verhältnisbestimmung beider Begriffe, allerdings ohne daß die einzelnen Gesprächsgruppen bei dieser mehr abstrakten Diskussion zu einem übereinstimmenden Ergebnis gelangten. Während die einen das Verhältnis in direkt proportionalem Sinn beschrieben (je stärker die Hoffnung, um so intensiver die darauf zulaufende Planung), sahen die anderen das Verhältnis gerade umgekehrt proportional (je intensiver die Planung, um so geringer die Hoffnung). 238 Dagegen kam in allen Gesprächsgruppen der motivierende Aspekt von Hoffnung gleichermaßen zur Sprache. Als eine Erwartung, „die nicht in uns begründet" liege, setze sie Aktivitäten frei und sei geradezu als eine „Triebkraft zum Weiterleben" zu beschreiben. 239 Daß in diesem Zusammenhang nicht mehr an irgendeine Hoffnung, sondern an die spezifisch chrisdiche Hoffnung gedacht war, wurde zum Teil ohne besondere Klärung vorausgesetzt, zum Teil aber auch ausdrücklich festgehalten und inhaltlich entfaltet. Vom Charakter dieser Hoffnung erhielten dann auch die Aktivitäten, zu denen sie herausfordere, ihr besonderes Gesicht Genannt wurden unter anderem das Doppelgebot der Liebe, Kompromißbereitschaft und die Mitarbeit an einer heileren Welt.240 Mit der Frage nach dem Wert materieller Güter sahen sich unmittelbar die Gesprächsgruppen zum Thema II, „Glück und Lebenssicherung", konfrontiert. Dabei hielten sie übereinstimmend - freilich in unterschiedlicher Nuancierung 238 Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe I - „Planung und Hoffnung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt), S. 1; Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe I - „Planung und Hoffnung" (Gesprächsgruppe 1/1), undatiert (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 2. JW Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe 1/2 - „Planung und Hoffnung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 1. Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe I - „Planung und Hoffnung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt), S. 2.

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die Erkenntnis fest, daß Besitztümer an sich nicht „schlecht", ein Streben nach Glück und Lebenssicherung „keine Sünde", sondern „legitime" Ziele wären.241 Allerdings bestünde „Glück" nicht allein in einem gesicherten Leben, sondern auch in der Beziehung zu anderen Menschen. Der einzelne brauche darüber hinaus aber auch das Vertrauen zu Gott, das sein „Leben reicher und sicherer" mache. Diese letzte These könne freilich - so die Dresdner Arbeitsgruppe - nicht theoretisch begründet werden. Ihre Wahrheit erweise sich vielmehr dadurch, „indem wir ausprobieren und einfach einmal Erfahrungen mit unserem Vertrauen zu Gott machen, indem wir uns einmal nicht auf uns verlassen".242 Am Anfang der Diskussion zum Gesprächsthema III, „.Arbeit und Freizeit standen ebenfalls jeweils konkretisierende Begriffs- und Verhältnisbestimmungen: Was ist Freizeit? Was ist Arbeit? Wie hängt beides zusammen? Wie ist beides in ein rechtes Verhältnis zueinander zu bringen?243 Unter dem Gesichtspunkt „Arbeit" wurde insbesondere auf die Bedeutung eines guten Betriebsklimas und die Notwendigkeit hingewiesen, „die Arbeitsverhältnisse menschlich zu gestalten".244 Unter dem Stichwort „Freizeit" nahm in allen Gruppen das Problem der fehlenden Zeit breiten Raum ein. Die eigentliche Problematik wurde dabei weniger in der Kürze der Freizeit an sich gesehen, als vielmehr darin, daß für Wichtiges und eigentlich als notwendig Erkanntes nicht genügend Zeit zur Verfügung stünde. Dieses Wichtige wurde ab „Freude bereiten" wie auch als „Freude finden" umschrieben.245 Denn: „Wer selbst nicht Freude gefunden hat, wer keine Zeit für sich selbst hat, der kann seine Zeit auch nicht anderen geben, der kann anderen keine Freude geben."246 Zum Teil ausführlich kamen in diesem Zusammenhang Hilfsdienste für andere zur Sprache,247 die einen „doppelten Gewinn bedeuten"248

241 Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe II - „Glück und Lebenssicherung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt); Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe II - „Glück und Lebenssicherung" (Gesprächsgruppe I I / l ) , undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]). M Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe II - „Glück und Lebenssicherung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt). 243 Vgl. ζ. B. Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe III - „Arbeit und Freizeit" (Gesprächsgruppe III/3), undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 1 f. ш Vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Kirchentagskongreß in Dresden am 16./17.6.1973, 26.7.1973 (SHStA, BT/RdB Dresden, 41698), S. 1 f. u> Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe III - „Arbeit und Freizeit", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt), S. 1. " Ά . а. О., S. 2. 10 Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe III/Arbeit und Freizeit (Gesprächsgruppe I I I / l ) , undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), 2 f. 248 Gruppe III/2: Zusammenfassung zum Thema „Arbeit und Freizeit", undatiert (KKTArchiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S.4.

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Beginnende Regionalisierung

würden - für den anderen und für ein eigenes sinnvolles Leben. Darüber hinaus wurde auf deren missionarische Ausstrahlung aufmerksam gemacht. Die Diskussion in den Gesprächsgruppen zum Thema IV, „ Genuß und Wohlstaruf, berührte zum Teil ähnliche Probleme wie jene zum Thema II. Auch hier widmete sich ein Gesprächsgang der Frage, ob Genuß und Wohlstand per se schlecht seien. Diese Frage wurde ebenfalls übereinstimmend verneint Genuß und Wohlstand würden erst dann fragwürdig, wenn sie sich unverhältnismäßig in den Vordergrund schieben und von der Verantwortung für den Nächsten und von einem Leben mit Gott abhalten würden. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde „versucht, das Wort von der Freiheit des Christen als Faustregel zu nehmen, mit der Einschränkung, daß der andere uns korrigiert; und daß Hören auf Gott, so wie Jesus hörte, es uns ermöglicht, mit Genuß und Wohlstand zurechtzukom« 249 men . Auf besonderes Interesse stieß das Gesprächsthema V, „Familie und Gesellschaft, zu dem auf den Kongressen auch die meisten Gesprächsgruppen existierten. Die Diskussion wurde weithin unter dem Gedanken der Partnerschaft geführt, wobei in der Dresdner Arbeitsgruppe der Partnerschaft mit dem Nächsten ausdrücklich die Partnerschaft mit Gott an die Seite gestellt wurde. 250 Ein Leben in dieser doppelten Partnerschaft habe Konsequenzen sowohl im privaten wie im gesellschaftlichen Bereich. Hinsichtlich des privaten Bereiches wurden vor allem Fragen der Kindererziehung, der partnerschaftlichen Gestaltung des Familienlebens sowie der Lebensführung im Alltag angesprochen.251 Hinsichdich des gesellschaftlichen Bereiches kam ausführlich das Problem einer Beteiligung von Christen an gesellschafdichen Aufgaben zur Sprache.252 Einerseits wurde zusammengetragen, was den Christen hindere, sich in der sozialistischen Gesellschaft zu engagieren (atheistische Weltanschauung, Vereinnahmung, zu erwartende Auseinandersetzungen, Konflikte zwischen den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen sowie den im familiären Bereich geltenden Grundsätzen 2 ' 3 ), ande244 Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe IV - „Genuß und Wohlstand", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt); vgl. Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe IV - „Genuß und Wohlstand", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Vervielfältigungsgenehmigungen LKA und Belegexemplare 1973-1974). 250 Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe V - „Familie und Gesellschaft", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt), S. 1. 251 Vgl. ebd.; Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe V - „Familie und Gesellschaft" (Gesprächsgruppe V / 3 ) , undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]). 242 Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe V - „Familie und Gesellschaft" (Gesprächsgruppe V / 2 ) , undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]). 253 Vgl. insbesondere Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe V - „Familie und Gesellschaft" (Gesprächsgruppe V/1), undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973

[I])·

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rerseits jedoch festgehalten, daß Jesus keine bestimmte - d. h. chrisdiche - Gesellschaftsordnung gefordert habe. Christen sollten deshalb „in der sozialistischen Gemeinschaft mitarbeiten, soweit sie es verantworten können", und ihre „hilfreichen Beiträge (im kleinen) im alltäglichen Leben leisten".254 Sowohl dem partnerschaftlichen Umgang im privaten wie einer als christlich erkennbaren Beteiligung im gesellschaftlichen Bereich wurde eine missionarische Ausstrahlung zuerkannt.255 In den meisten Gesprächsgruppen wurde darüber hinaus auch das Thema Leistung in besonderer Weise angesprochen, wobei das Leistungsprinzip bejaht, „Leistungskult" und „Leistungsdruck" jedoch abgelehnt wurden.254 Die Arbeitsgruppen zum Thema VI, „Erfolg und Bestätigung", gingen jeweils von der schnell gewonnenen Einsicht aus, „daß jeder Mensch, auch der Christ, Erfolg und Bestätigung zum Leben" brauche.257 Allerdings hätten nicht alle Menschen Erfolg oder erführen Bestätigung (leistungsschwache, kranke oder alte Menschen), so daß ab Grundsatz für die weiteren Überlegungen formuliert werden konnte: „Weil Gott uns bestätigt hat, sollen auch wir einander annehmen, wie wir sind, und wer sich angenommen weiß, kann auch ein sinnvolles Leben führen."258 Bei der Ausgestaltung dieses Grundsatzes wurden dann unterschiedliche Akzente gesetzt Während zum einen darauf hingewiesen wurde, daß man Gelegenheiten schaffen müsse, die auch leistungsbehinderten und leistungsschwachen Menschen Erfolgserlebnisse ermöglichten,259 wurde zum anderen mehr das

254 Kirchentagskongreß 1973, 22У23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe V - „Familie und Gesellschaft" (Gesprächsgruppe V/2), undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 1, 4; vgl. Kirchentagskongreß 1973, 22У23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe V - „Familie und Gesellschaft" (Gesprächsgruppe V/1), undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 1. 255 Vgl. Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe V - „Familie und Gesellschaft", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt), S. 1; Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe V - „Familie und Gesellschaft" (Gesprächsgruppe V/2), undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S.4. 256 Vgl. Kirchentagskongreß 1973, 16./17. Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe V - „Familie und Gesellschaft", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt). 247 Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe VI - „Erfolg und Bestätigung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt); vgl. Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe VI „Erfolg und Bestätigung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 1. 258 Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe VI - „Erfolg und Bestätigung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt); vgl. Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe VI „Erfolg und Bestätigung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 1. 259 Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen

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Beginnende Regionalisierung

Gewicht auf einer helfenden Begleitung und dem „Weitersagen von Glaubenserfahrung" gelegt.260 In ihren Schlußworten am Ende der Kongresse brachten die Vorsitzenden der beiden beteiligten Landesausschüsse, Hans Roch und Johannes Cieslak, in jeweils unterschiedlicher Weise noch einmal die Intention der Kirchentagskongresse insgesamt zur Sprache, wobei Roch auch auf Vorbehalte gegenüber der Kongreßarbeit einging.261 Zwei Punkte hob Roch in Dresden besonders hervor: Zum einen sei „immer wieder einmal" darauf hinzuweisen, daß der Kongreß nicht „Selbstzweck", sondern auf kontinuierliche Weiterarbeit in den Gemeinden angelegt sei. Dieses Ziel könne jedoch nur verwirklicht werden, wenn die Teilnehmer untereinander im Kontakt blieben und sich Gruppen zusammenfänden, die diese Aufgabe gemeinsam anpakken würden: „ Wir brauchen einfach Gruppen, viele kleine Gruppen, in denen wir zusammenkommen. Wir brauchen die Gruppe, die uns weiterhilft, wenn wir einmal nicht mehr weiter wissen, die uns korrigiert, wenn wir im Begriff sind, etwas Falsches zu tun, und die uns ergänzt und bereichert" Deshalb richtete er an die Teilnehmer die dringliche Bitte: „Uberlegen Sie, wie Sie in Ihrem Umkreis beieinanderbleiben können, wie Sie neue Gruppen bilden können, um einen Anfang zu machen."262 Der Kongreß sei nämlich - und damit kam der zweite Punkt, der ihm wichtig war, in den Blick - keine „Art exklusiver KJub von Leuten, die sich etwas Besseres dünken". Ganz im Gegenteil: Er sei, da hier Christen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher sozialer Herkunft und unterschiedlicher Frömmigkeit miteinander ins Gespräch kämen, vielmehr „ein Modell und zugleich so etwas wie ein Trainingsfeld für die Gemeinde, die wir uns für die Zukunft wünschen und vorstellen und die es zu bauen gilt".263 In einem Artikel für die kirchliche Wochenzeitung „Die Kirche", der eine Zusammenfassung der im Schlußwort vorgetragenen Gedanken bot, zog Roch daraus die Folgerung: „Damit ist freilich der Kongreß nicht einfach mehr Kirchentag im üblichen Sinn. Er ist auf Kontinuität angewiesen, auf fortdauernde Kontakte der Teilnehmer, auf das weitergehende Gespräch in kleinen Gruppen. . . . ; deshalb muß der Kreis derer, die hier

leben", Arbeitsgruppe VI - „Erfolg und Bestätigung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, K T K Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt). Kirchentagskongreß 1973, 22./23. September in Leipzig, Thema: „Wovon die Menschen leben", Arbeitsgruppe VI - „Erfolg und Bestätigung", undatiert (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 1. Ä1 Roch als Vorsitzender des Görlitzer Landesausschusses bezog sich dabei wohl vor allem auf kritische Stimmen, die im Zusammenhang des Görlitzer Kongresses 1972 mit seiner „aus räumlichen Gründen notwendigen Begrenzung der Teilnehmerzahl" laut geworden waren (vgl. Hans Roch, Der Anstoß: Trainingsplatz Kirchentagskongreß, in: Die Kirche 28 [1973], Nr. 29 vom 22.7.1973 [Görlitzer Ausgabe], S . 4 ) . M Kirchentagskongreß 1973, 16./17.Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Schlußwort, Pastor Hans Roch, Görlitz - Vors. des Landesausschusses Görlitz, undatiert (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt - siehe Dok. 11), S. 2. »» Ebd.

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mitarbeiten, sich ständig erweitem. Kirchentagskongreß ist kein in sich geschlossenes Ereignis, sondern ein Prozeß." 264 Auch Cieslak zog in seinem Schlußwort auf dem Leipziger Kongreß Parallelen zur Kirchentagsarbeit, indem er an den sechsten Deutschen Evangelischen Kirchentag Leipzig 1954 mit seinen großen Teilnehmerzahlen und beeindruckenden Möglichkeiten erinnerte. Der unübersehbare Wandel, der sich seither vollzogen habe, sei - so Cieslak - jedoch kein Anlaß zur Resignation. Insbesondere der Kongreß mache deudich, daß die schwindende Quantität durch Qualität ersetzt werden könne. 265 An die Stelle der Kirchentagsteilnehmer 1954, die damals „mehr oder weniger betreut" werden mußten, seien auf den Kongressen mündige Christen getreten, die einerseits selbständig mit der Bibel arbeiteten und andererseits ohne Scheu ihren Platz auch in der atheistischen Gesellschaft der D D R behaupteten. Da die Zurüstung dafür ohnehin kleine Gesprächsgruppen notwendig mache, könnten die kleinen Zahlen nicht nur als Verlust, sondern auch als Chance verstanden werden. 264 Ablauf der Kirchentagskongresse 1973, 16.-17. Juni in der Christuskirchgemeinde in Dresden-Strehlen und 22.-23. September in der Paul-Gerhardt-Kirchgemeinde in Leipzig-Connewitz: „ Wovon die Menschen leben" Sonnabend, 16. Juni/22. September Zeit

AG I AG Π „Planung und „Gluck und Hoffnung" Lebenssicherung"

AG Ш „Arbeit und Freizeit"

2 bzw. 3 2 Gesprächs- 1 Gesprächs- Gesprichsgrnppen gruppen gruppe

AG IV „Genuß und Wohlstand"

AG V „Familie und Gesellschaft"

AG VI „Erfolg und Bestätigung"

1 Gesprächsgrupf*

3 Gesprlchsgrappen

2 Gesprächsgnippen

Röm 12,(1-2.) 9-21

Mt 25,14-30

9.00

Begrüßung und Eröffnung Dresden: Johannes Cieslak, Leipzig: Hanna Kahi

9.15

„Feature" zum Thema „Wovon die Menschen leben"

10.30

Gesprächsgruppen - Analyse

14.15

Gesprächsgruppen - Bibelarbeit Uber: Offb 21,l-5a Lk 12,13-21 Lk 10,38-42

1 Kor 6,12-14

16.20

Singen

16.45

Vortrag „Sinnvoll leben" Dresden: Dietrich Mendt, Leipzig: Irmgard Dudey

ш Hans Roch, Der Anstoß: Trainingsplatz Kirchentagskongreß, in: Die Kirche 28 (1973), Nr. 29 vom 22.7.1973 (Görlitzer Ausgabe), S. 4. 20 Kirchentagskongreß 1973, Thema: „Wovon die Menschen leben", Schlußwort, Ofenbaumeister Johannes Cieslak, Seifhennersdorf, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Manuskripte, Berichte Leipzig), S. 2. ш А. а. О., S. 2 f.

324

Beginnende Regionalisierung

17.45

Gebetsgemeinschaft

21.00

Literarisch-musikalischer Abend/Stunde der Begegnung

Sonntag, 17. Juni/23. September Zeit

AG I AG II „Planung und .Glück und Hoffnung" Lebenssicherung"

AG III „Arbeit und Freizeit"

2 bzw. 3 2 Gesprächs- 1 Gesprächs- Gesprächsgruppen grnppe gmppen

AG IV „Genuß und Wohlsund"

AG V „Familie und Gesellschaft"

AG VI „Erfolg und Bestätigung"

1 Gesprächsgruppe

3 Gesprächsgruppen

2 Gesprächs gruppen

8.30

Gebetsgemeinschaft

9.00

Gesprächsgruppen - Konkretion

10.45

Vorbereitung der Berichte

11.00

Singen

10.30

Festlegung der Berichte aus den Arbeitsgruppen/Singen

11.30

Plenum: Berichte - Aussprachen - Anfragen

14.00

Gottesdienst mit Abendmahl, Predigttext I Kor 3,21-23 Predigt, Dresden: Emst-Heinz Amberg, Leipzig: Dietrich Mendt

anschi.

Schlußwort Dresden: Hans Rodt, Leipzig: Johannes Cieslak

15.45

Heimfahrt

Das Echo auf diese beiden Kongresse war wiederum im wesentlich positiv. Teilnehmer aus Delitzsch (Kirchenprovinz Sachsen) schrieben nach dem Leipziger Kongreß an den sächsischen Landesausschuß, sie würden zu einem neuerlichen „Kongreß sofort wieder" kommen. Denn so ein Kongreß sei „wichtiger als manche unserer anderen Sitzungen in der Kirche".267 Insbesondere das „Feature" erwies sich als gute Form des Einstiegs und wurde „mit großem Beifall aufgenommen". 268 Positiv wurde auch das ursprünglich umstrittene Angebot eines Vortrags als „Hör-Möglichkeit und ™ Johanna H a a ß , Lieber Bruder Gehre, 27.10.1973 (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: Verschiedenes zu Leipzig 73, Beurteilungen Gesprächsgruppenleiter). 268 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Kirchentagskongreß in Dresden am 16. und 17.6.1973, 26.6.1973 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 596), S. 2; vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/F.vangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz ( H e r b e r t Gehre), Protokoll über die gemeinsame Tagung am Sonnabend, 3. N o v e m b e r 1973 - 9.00 U h r bis 16.00 U h r im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden, 12.11.1973 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden), S. 1.

Dresden und Leipzig 1973

325

Ruhepunkt" bewertet269 Unterschiedliche Stimmen gab es dagegen zum literarisch-musikalischen Abend. Vor allem seine Verbindung mit einem „Offenen Abend" (Stunde der Begegnung) wurde vielfach als nicht gelungen angesehen.270 Die Ausweitung des Dresdner Kongresses erfolgte auf der gemeinsamen Sitzung beider Landesausschüsse am 30. Juli 1973, die - trotz „unterschiedlicher Bewertung" - den Kongreß „im wesentlichen positiv" einschätzten. Insbesondere der Wechsel zwischen den Arbeitsformen sei gelungen und „sinnvoll" gewesen.271 Kritisch wurde zur Gesprächsführung in den Gesprächsgruppen sowie zum Kongreßgottesdienst Stellung genommen. Der Gottesdienst habe sich „nicht auf der Höhe des Kongresses" befunden, die Predigt sei „zu blaß" gewesen.272 Weiterhin hätten jugendliche Teilnehmer - in Dresden kamen fast 16% der Teilnehmer aus der Altersgruppe zwischen 17 und 20 Jahren - den Kongreß, da sie „mit ihren Fragen nicht ernst genommen worden" seien, als Akademikerkreis kritisiert.273 Angesichts dessen wurde versucht, ähnlichen Gefahren in Leipzig vorzubeugen. Die Auswertung des Leipziger Kongresses, die auf der gemeinsamen Tagung beider Landesausschüsse am 3. November 1973 stattfand, verzeichnete dann auch deutlich weniger Kritik. Diese betraf vor allem die als Podiumsgespräch gestalteten Berichtete aus den Arbeitsgruppen.274 Allerdings stellte sich auch hier insgesamt das Problem der „zu hohen Gesprächslage". War dieses Problem in Dresden zwischen den Generationen aufgebrochen, zeigte es sich in Leipzig im Aufeinandertreffen von GeEbd. Johanna Haaß, Lieber Bruder Gehre, 27. J 0.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Verschiedenes zu Leipzig 73, Beurteilungen Gesprächsgruppenleiter), S. 1; Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung der beiden Landesausschüsse am Sonnabend, 30. Juli 1973, 9 Uhr bis 16 Uhr im Gemeindehaus der Trinitatiskirche Dresden, 30.7.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 1. 171 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung der beiden Landesausschüsse am Sonnabend, 30. Juli 1973, 9 Uhr bis 16 Uhr im Gemeindehaus der Trinitatiskirche Dresden, 30.7.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S. 1. Ebd. 273 Ebd. 274 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Protokoll über die gemeinsame Tagung am Sonnabend, 3. November 1973 - 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden, 12.11.1973 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden), S. 1; vgl. Johanna Haaß, Lieber Bruder Gehre, 27.10.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Verschiedenes zu Leipzig 73, Beurteilungen Gesprächsgruppenleiter), S. 1. m

326

Beginnende Regionalisierung

sprächsteilnehmem unterschiedlicher sozialer Herkunft (Arbeiter einerseits, Hoch- und Fachschulabsolventen andererseits).275 Die Kongresse 1973 waren nach 1968 die ersten, zu denen seitens des Staatsapparates ausführliche Berichte angefertigt wurden.276 Die „1. Information über den Kongreß" in Dresden, die vom dortigen Rat des Bezirkes zehn Tage nach dem Kongreß an das Staatssekretariat für Kirchenfragen sowie weitere Dienststellen277 gesandt wurde, beschränkte sich im wesentlichen auf das Geschehen im Plenum, über das jedoch recht genaue Kenntnisse vorhanden waren. Eingehend berichtet wurde darin über das einleitende Feature, das mit seinen bildhaften Vergleichen am ehesten die Gefahr latenter Gesellschaftskritik beinhaltete.278 Einen Monat später folgte dann ein ausführlicher Bericht über Meinungsäußerungen und Diskussionsbeiträge aus der Arbeitsgruppe III/l „Arbeit und Freizeit", der offensichtlich zumindest ein unmittelbarer Teilnehmerbericht zugrunde lag.279 Die Konzentration auf die Arbeitsgruppe IIL/1 mag in den Möglichkeiten wie in den Interessen des Rates des Bezirkes begründet gewesen sein. Auf die begrenzten Möglichkeiten der staatlichen Seite weist die Tatsache hin, daß aus der Arbeitsgruppe „Familie und Gesellschaft", die vom Thema her für die staatliche Seite mindestens ebenso interessant gewesen sein dürfte, nicht berichtet wurde - also wohl nicht berichtet werden konnte. Auffällig ist weiterhin, daß der vorhandene Bericht unerwähnt ließ, daß es sich lediglich um die Diskussion in der Gesprächsgruppe III/l handelte, neben der es zum Thema noch eine weitere Gesprächsgruppe, nämlich III/2, gegeben hatte. Daraus könnte geschlossen werden, daß aus III/2 ebenfalls keinerlei Informationen vorlagen. Besonderes Interesse mag III/l andererseits dadurch hervorgerufen haben, daß dort ein Gast aus der Schweiz teilnahm, der sich ausführlich zur schwierigen Lage und zum schwierigen Auftrag der Kirche in einer kapitalistischen Wohlstands- und Leistungsgesellschaft äußerte.

Beide Berichte des Rates des Bezirkes referierten lediglich und enthielten sich jeder Bewertung des Kongreßgeschehens. Allerdings zeigt eine Charakteristik Cieslaks, die im August 1973 vom Kirchenreferat erarbeitet worden war, daß die Kongreßarbeit dort als eine zur Entwicklung des Sozialismus gegenläufige Bewegung betrachtet wurde.

^

Ebd. Von dem oben (S. 306 f.) erwähnten Bericht über den Kongreß 1972 in Görlitz, der wegen seiner spektakulären Begleitumstände staaüicherseits kaum übergangen werden konnte und für den offensichdich eine MfS-Information zur Verfügung stand, einmal abgesehen. 277 Laut Verteiler an die Dienststelle des Staatssekretärs f ü r Kirchenfragen, die Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED, die SED-Bezirksleitung Dresden sowie die MfSBezirksverwaltung Dresden. m Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Kirchentagskongreß in Dresden am 16. und 17.6.1973, 26.6.1973 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 596), S. 1 f. 274 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Kirchentagskongreß in Dresden am 16./17.6.1973, 26.7.1973 (SHStA, B T / R d B Dresden, 41698, Bl. 63-65). 276

Dresden und Leipzig 1973

327

„Cieslak lebt fur die Idee, die verfallende Glaubenssubstanz unter den Laien wieder aufzubessern und ihnen kirchl. Verantwortung zu übertragen. Er stellt sich damit gegen objektive Prozesse des Absterbens der Religiosität auch unter dem zur Kirche gehörenden Bevölkerungsteil der D D R . Sein Ideal versucht er im sächs. Kirchentagskongreß zu verwirklichen mit dem ausgesprochenen Ziel; das Christentum für Menschen im Sozialismus wieder zu einer attraktiven und lebenswerten Fortschrittsideologie zu machen." 280

Im Interesse einer angesichts dessen notwendigen Begrenzung der Kongreßarbeit wurde der Präsident des sächsischen Landeskirchenamtes, Dr. Johannes, anläßlich eines Gespräches im Rat des Bezirkes am 27. Juli mit der „staatlichen Anfrage" konfrontiert, ob er „eigentlich den Eindruck" habe, „daß der Kirchentagskongreß vom 16. und 17.6.73 noch etwas mit Religionsausübung zu tun" gehabt hätte. Diese Frage bildete die Einleitung für eine deutliche Warnung: „Hoffentlich werden Sie hier von Cieslak nicht in eine dumme Lage gebracht, denn wenn auf diesem Kongreß etwas passiert, werden wir uns an Sie halten."281 Präsident Johannes erklärte demgegenüber einerseits, daß der Kongreß sowohl von ihm als auch von Bischof Hempel mitgetragen werde. Andererseits wies er darauf hin, daß sich der Kongreß „um strenge Bibelorientierung" bemühe. Freilich sah auch Johannes - so das staatliche Protokoll - die Gefahr, „daß er sich [sc der Kongreß] vom religiösen Glaubenszentrum entfernt und über alles Mögliche redet".282

280 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Betr.: Johannes Cieslak, 8812 Seifhennersdorf, 24.8.1973 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45933, Bl. 178-179), S. 1. 2,1 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Gespräch mit Dr. Johannes am 27.7.1973 mit dem Unterzeichner, 31.7.1973 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45078, Bl. 6-9), S. 2. 2,0 А. а. O., S. 3.

6. DER KONGRESS UND KIRCHENTAG 1975 IN DRESDEN

6.1. Die vorbereitenden Regionalkongresse 1974 Mit dem Jahr 1974 war ein Datum herangerückt, das bei der perspektivischen Planung der Kongreßarbeit mehrfach als möglicher Termin für einen neuerlichen großen Kirchentagskongreß (ähnlich dem von 1968) genannt worden war. Entsprechend diesen Plänen war auf der Sitzung des sächsischen Landesausschusses am 12. Februar 1972 ausdrücklich vorgeschlagen worden, 1974 einen „Landes-Kirchentagskongreß" durchzuführen. Während des „eingehenden" Gesprächs fand dieser Vorschlag seine Befürworter, stieß jedoch auch auf Gegenstimmen, die sich vor allem gegen einen Kongreß als „Mammutveranstaltung" wandten.1 Als die Planung für 1974 am 17. Juni 1972 erneut auf der Tagesordnung des Landesausschusses stand, wurde dieser Tagesordnungspunkt zwar, da lediglich 50 % der Ausschußmitglieder anwesend waren, nach kurzer Diskussion auf eine Zusammenkunft mit größerer Beteiligung vertagt. Als Meinung der anwesenden Ausschußmitglieder wurde jedoch im Protokoll festgehalten: „Was den ersten Kongreß 1968 ausgezeichnet hat, sollte 1974 wieder sein!"2 Ausführlicher wurden die Pläne für die Zukunft auf der gemeinsamen Sitzung des Görlitzer und des sächsischen Landesausschusses am 17. Februar 1973 in Bautzen angesprochen. Dabei stellte Präsident Cieslak einleitend die weitere Planung unter die Grundsatzfrage: „Wie können wir die Gemeinden dahin bringen, daß sie Jesus Christus in ihrer Umwelt verkündigen?" Der Kongreß müsse - so Cieslak - deshalb darüber „arbeiten, wie dieses Ziel zu erreichen" sei.' Damit war freilich noch nichts 1

Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 12. Februar 1972, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 16.2.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 2. ! Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Lv.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17.Juni 1972 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr, 20.6.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 4. 3 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Tagung der beiden Landesausschüsse am Sonnabend, 17. Februar 1973 - 9.00 Uhr bis 16.00 U h r im Kirchgemeindehaus Bautzen, Töpferstr. 23, 26.2.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent), S. 2.

Die vorbereitenden Regionalkongresse 1974

329

über Form und Umfang der betreffenden Tagung ausgesagt, so daß auch auf dieser Sitzung die Frage, „ob Zusammenkünfte von 1000 bis 1500 wirklich effektiv sein können", kontrovers diskutiert wurde. Dem Plan eines großen Kongresses wurde dabei der Vorschlag von mehreren (vier) regionalen Kongressen entgegengehalten. Die Befürworter einer großen Veranstaltung hatten jedoch die Mehrheit auf ihrer Seite. Sie wiesen insbesondere darauf hin, daß ein großer Kongreß ein für die Teilnehmer wichtiges „emotionales Erlebnis" bedeute. Mit Blick auf Vorbehalte, die sich auf Erfahrungen mit dem Kongreß von 1968 beriefen, ergänzte Präsident Cieslak, daß anders als damals, wo nur „wenige fähige Gesprächsgruppenleiter" zur Verfügung gestanden hätten, dafür jetzt auch „genug Kader vorhanden" wären.4 Am Ende stand der Plan, 1974 einen großen Kongreß mit ca. 1500 Teilnehmern durchzuführen, zu dem gezielt auch die inzwischen entstandenen „missionarischen Gruppen" eingeladen werden und etwa ein Drittel der Teilnehmer bilden sollten.5 Als Problem erschien in diesem Zusammenhang freilich die Frage, wie bei dieser Planung die beiderseitig auch weiterhin angestrebte Zusammenarbeit zwischen dem sächsischen und dem Görlitzer Landesausschuß realisiert werden könnte. Die Görlitzer erklärten, daß sie sich an einem großen Kongreß im Jahre 1974 „nur gastweise" beteiligen könnten, da bei ihnen 1975 „ein Großunternehmen' mit dem Charakter,Landeskirchentag'" vorgesehen sei. Um den 1974 für Sachsen geplanten großen Kongreß und diese für 1975 in Görlitz vorgesehene Kirchentagsveranstaltung (in deren Zusammenhang ebenfalls ein Kirchentagskongreß möglich war) wenigstens in thematischer Hinsicht gemeinsam vorbereiten zu können, wurde der Görlitzer Landesausschuß gebeten, „möglichst bald zu beraten, ob eine Vorverlegung des in Görlitz geplanten Landeskirchentages auf 1974 erfolgen könnte".6 Nur ein „kurzes Gespräch" erforderte dagegen die Einigung auf eine Thematik für diese großen Kongresse des Jahres 1974. Nachdem der Vorschlag „Amt und Ämter" allgemein nur wenig Zustimmung gefunden hatte, verständigte man sich ohne Schwierigkeiten auf den „Arbeitstitel" „Die Gemeinde von morgen".7 Auf der nächsten gemeinsamen Sitzung der Landesausschüsse am 23. April 1973 wurde deutlich, daß eine Vorverlegung der Görlitzer Kirchentagsveranstaltung nicht möglich sein werde. Im Interesse der beiderseits gewünschten Zusammenarbeit bei der Vorbereitung sprach deshalb der Landesausschuß Görlitz nun seinerseits die Bitte aus, den sächsischen Landes-Kirchentagskongreß von 1974 auf 1975 zu verlegen. Dieser Bitte 4

Ebd. А. а. O., S. 3. 6 Ebd. ' Ebd. 5

330

D e r K o n g r e ß u n d K i r c h e n t a g 1 9 7 5 in D r e s d e n

wurde ohne Gegenstimmen (bei lediglich einer Enthaltung) entsprochen, woraus sich für Sachsen unmittelbar die Frage ergab, „was 1974 geschehen soll". 8 Die in der nachfolgenden Diskussion unterbreiteten Vorschläge gingen in der Tendenz dahin, 1974 mehrere kleine Regionalkongresse durchzuführen, wobei auch bereits erwogen wurde, sie in Vorbereitung des nunmehr auf 1975 verlegten großen Kongresses zu gestalten.9 Auf der gemeinsamen Tagung am 30. Juni wurden dazu im wesendichen zwei Vorschläge diskutiert Das eine Modell sah drei Kongresse analog den bisherigen „zur Erschließung des Landes" vor, der zweite Vorschlag beinhaltete die Bildung von Regionalkreisen, die jeweils für ihren Bereich Regionaltreffen - insgesamt etwa sechs - mit je 60 bis 80 Teilnehmern vorbereiten sollten. Das letzte Modell fand die meisten Befürworter, so daß folgender Beschluß gefaßt werden konnte: „Zur Vorbereitung des großen Kirchentagskongresses 1975 werden 1974 6 Regionaltreffen mit je 60 bis 80 Teilnehmern stattfinden." Gedacht war dabei sowohl an eine thematische Vorbereitung wie auch daran, bei dieser Gelegenheit „insbesondere die Gesprächsgruppenleiter zuzurüsten und zu qualifizieren".10 Vorschläge, welche Orte für diese Regionalkongresse in Frage kämen, sollten bereits bis zum Leipziger Kongreß im September 1973 vorliegen." Anfang August waren die Orte Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Bautzen, Meerane, Zwickau und Plauen im Gespräch. 12 Weitere Fesdegungen wie auch Abgrenzungen gegenüber dem großen für 1975 vorgesehenen Landes-Kirchentagskongreß erfolgten auf der gemeinsamen Sitzung der Landesausschüsse am 3. November 1973. Zur Klärung des Verhältnisses beider Veranstaltungen wurde festgehalten, daß die Regionaltreffen den großen Kongreß zwar vorbereiten, ihn jedoch nicht „vorwegnehmen" sollten. Bei der Überlegung, „wie 74 und 75 voneinander abgegrenzt werden und wie die Ergebnisse von 1974 in die großen Kongresse 1975 einzubringen sind", wurde vorgeschlagen, auf den Regionalkongressen 8 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert G e h r e ) , Protokoll über die Tagung der beiden Landesausschiisse am M o n t a g , 23. April 1973 in Bautzen, T ö p f e r s t r a ß e 23, im Kirchgemeindehaus - 17 U h r bis 22 U h r , undatiert ( K K T - A r c h i v Dresden, Regionalkongresse 1 9 7 0 / 7 1 : Regionalkongresse in G ö r l i t z und Dresden 1 9 7 1 / 7 2 / 7 3 ) , S. 2.

А. а. O . , S. 3. Kirchentagskongreß der Hv.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert G e h r e ) , Protokoll über die Tagung der beiden Landesausschüsse am Sonnabend, 30. Juni 1973, 9 U h r bis 16 U h r im Gemeindehaus d e r Trinitatiskirche Dresden, 3 0 . 6 . 1 9 7 3 ( K K T - A r c h i v Dresden, K T K Dresden, Leipzig 1973: D r e s d e n 1973 [ I ] ) , S. 1. 9

10

11

A.a.O., S.2.

Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Johannes C i e s l a k ) , Liebe Mitglieder des Landesausschusses, 10.8.1973 ( K K T - A r c h i v Dresden, Rcgionaltreffen 1974: O s c h a t z ) , S. 1. 12

Die vorbereitenden Regionalkongresse 1974

331

1974 einen Einzelaspekt des Hauptthemas von 1975 zu behandeln. Bei der Frage, welches Teilthema auf dem Wege zur „Gemeinde von morgen" besonders wichtig sei, fand sich angesichts der Situation in der DDR schnell das Thema: „Not und Chance der Minderheitensituation".'3 Bei der Wahl dieses Themas „ergab sich eine große Einmütigkeit", so daß bereits auf dieser Sitzung ein Vorschlag für den Ablauf dieser Regionalkongresse festgehalten werden konnte. Dieser orientierte sich im wesentlichen an dem 1973 erprobten Dreischritt von „Analyse", „Konfrontation" und „Konkretion", wobei der Bibelarbeit wiederum die Funktion der wegweisenden Konfrontation zukam. Darüber hinaus wurde zwischen „Analyse" und „Konfrontation" als „Information" ein kirchengeschichtlicher Vortrag zum Thema „Was ist Minderheit?" vorgesehen.14 Dieser sollte aufzeigen, „daß es in der Kirchengeschichte zu den verschiedensten Zeiten Diaspora-Situation gegeben hat, und wie die Kirche damit fertig geworden ist".15 Als Veranstaltungsorte legte der sächsische Ausschuß Bautzen, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Zwickau, Leipzig und Oschatz fest, während die Vertreter aus Görlitz für ihr Gebiet die Orte Görlitz und Hoyerswerda ins Gespräch brachten (Anfang Dezember in Niesky und Ruhland korrigiert)16. In den mit diesen Orten bezeichneten Regionen sollten zur Vorbereitung der Regionalkongresse Regionalkreise gebildet werden, an denen sich jeweils auch zwei bis vier Mitglieder des Landesausschusses beteiligten. Diese Regionalkreise waren in der Gestaltung der Kongresse - einschließlich der Auswahl der Texte für die Bibelarbeit(en)17 - frei. Lediglich eine erste allgemeine Einladung zu den Kongressen sollte zusammen mit einem erläuternden Begleitschreiben durch den Landesausschuß erfolgen. Darüber hinaus wurde an eine zentrale Zurüstung der Referenten für den geplanten kirchengeschichdichen Vortrag zum Thema „Was ist Minderheit?" gedacht 18 13

Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Protokoll über die gemeinsame Tagung am Sonnabend, 3. November 1973 - 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden, 12.11.1973 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden), S. 1. 14 А. а. O., S. 2. 15 Ev.-Luth. Superintendentur Karl-Marx-Stadt I (Reinhold Fritz), An den Kirchentagskongreß. Landesausschuß, z. Hdn. Herrn H.Gehre, 4.1.1974 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden). 16 Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Hans Roch), Lieber Herbert, 6.12.1973 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Bautzen, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Zwickau, Görlitz [Niesky u. Ruhland]). 17 Während einige Regionalkreise für alle Kongreßarbeitsgruppen ein und denselben Bibeltext wählten, sahen andere für jede Themengruppe eigene Texte vor. 18 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Protokoll über die gemeinsame Tagung am Sonnabend, 3. November 1973 - 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Gemeindehaus der

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

Kurz vor Weihnachten 1973 wurden die allgemeinen Einladungen „an die Teilnehmer der Kirchentagskongresse" versandt. Wenig später - am 1 S.Januar erfolgte eine ausdrückliche Information an die Superintendenten der sächsischen Landeskirche über die für 1974 und 1975 geplanten Kongreßveranstaltungen. 19 Gleichzeitig wurden die potentiellen Teilnehmer in einem Gesamtüberblick auf die weiteren Angebote des Kirchentagskongresses (Familienfreizeiten, Fernstudium) sowie auf die bereits ergangenen Einladungen hingewiesen und zur baldigen Anmeldung aufgefordert. 2 0

Im Begleitschreiben zur allgemeinen Einladung erläuterten die beiden Ausschußvorsitzenden Planung, Thema und Ziel der Regionalkongresse, auf denen einerseits zu einem einzelnen Aspekt des für 1975 vorgesehenen Themas gesondert gearbeitet würde (Minderheitensituation), andererseits aber auch einzelne Arbeitsgruppenthemen des geplanten großen Kongresses vorbereitet werden sollten. Zum gewählten Thema »Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance" hieß es: „Wenn wir uns mit dem Thema ,Unterwegs zur Gemeinde von morgen* beschäftigen und auf die damit zusammenhängenden vielen Fragen Antworten suchen wollen, so müssen wir uns, so meinten wir, zuerst bewußt machen, was es für die Zukunft der Kirche bedeutet, welche Konsequenzen es hat und wie wir es zu beurteilen haben, daß die christliche Gemeinde in der D D R heute schon fast eine Minderheit geworden ist und das voraussichtlich künftig erst recht sein wird. Darum werden sich alle 8 Regionaltreffen zunächst mit dieser Problematik beschäftigen." 21

Dabei sollte es nicht bei einer theoretischen Diskussion der Minderheitenproblematik bleiben, sondern vor allem um eine Änderung der eigenen Einstellung zur Minderheitensituation gehen, die nicht nur als „Not", sondern auch als „Chance" zu begreifen sei. Entsprechend formulierte der Karl-Marx-Städter Vorbereitungskreis, „Ziel des Treffens" sei es, „Offenheit gegenüber der eigenen Situation zu finden, verkrampfte und rückwärtsorientierte Haltungen zu überwinden und erste, weiterführende Schlußfolgerungen zu ziehen".22 Christuskirche Dresden, 12.1 1.1973 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden),

S.2. " Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Superintendenten der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 15.1.1974 (KKTArchiv Dresden, Vervielfältigungsgenehmigungen LKA und Belegexemplare 1973-1974). 20 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse, 15.1.1974 (Privatarchiv Kahl). 21 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Johannes Cieslak)/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Hans Roch), An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Bautzen, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Zwickau, Görlitz [Niesky u. Ruhland]), S. 1. 22 Dieter Ackermann, Frau Pastorin Grengel, 5.3.1974 (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549).

Die vorbereitenden Regionalkongresse 1974

333

Die Bildung der vorgesehenen Regionalkreise ging in den einzelnen Regionen unterschiedlich schnell vonstatten. Während der Dresdner Vorbereitungskreis aufgrund seines Standortvorteils bereits Ende November 1973 mit der Arbeit beginnen konnte, 23 nahm die Konstituierung eines Regionalkreises in jenen Bereichen, aus denen die Beteiligung an den bisherigen Kongressen weniger intensiv gewesen war, mehr Zeit in Anspruch. In Oschatz (Nordsachsen) trat der Vorbereitungskreis, obwohl der dortige Kongreß lediglich 4 Wochen nach dem Dresdner stattfinden sollte, erst am 2. Februar 1974 zusammen24 und bestand lediglich aus „wenigen Freunden des Kongresses".25 Die thematische Vorbereitung der einzelnen Kongresse in den Regionalgruppen - vor allem die Vorbereitung der jeweiligen Arbeitsgruppenthemen - erfolgte auf der Grundlage der bereits für den großen LandesKirchentagskongreß 1975 getroffenen Festlegungen. Aus den am 30.Juli 1973 auf der gemeinsamen Sitzung beider Landesausschüsse für 1975 formulierten Arbeitsgruppenthemen26 wählte sich jeder Regionalkreis drei bis vier Themen aus, die jeweils in einer Arbeitsgruppe des betreffenden Regionalkongresses unter der Perspektive der Minderheitensituation bedacht werden sollten. Dabei erfuhren die Einzelthemen zum Teil noch eine von Kongreß zu Kongreß unterschiedliche Umformulierung. Zwei Regionalkreise änderten für ihren Regionalkongreß auch die Gesamtthemenformulierung ab und brachten damit eine aus der Beschäftigung mit dem Thema erwachsene Akzentsetzung zum Ausdruck. Geändert wurde der zweite Teil des Gesamtmottos „Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance". Der Karl-Marx-Städter Kreis formulierte: „Die kleiner werdende Gemeinde - was machen wir daraus" und brachte damit von vornherein zum Ausdruck, daß es sich bei der Minderheitensituation nicht um ein zu erleidendes Schicksal, sondern um eine aktiv zu bewältigende Aufgabe 25 Vgl. Kirchentagskongreß. Regionaltreffen Dresden 1974. Vorbereitungskreis, Protokoll über die 1. Zusammenkunft des Vorbereitungskreises am Freitag, 23. November 1973 - 19.00 Uhr bis 21.30 Uhr im Gemeinderaum der Dreikönigskirche (Turm), Dresden-Neustadt, 28.12.1973 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden). 24 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Gesprächsgruppenleiter und die Teilnehmer der Kirchentagskongresse, Betr.: Regionaltreffen 1974 des Kirchentagskongresses in Oschatz, 25./26. Mai, 21.1.1974 (KKTArchiv Dresden, Vervielfältigungsgenehmigungen LKA und Belegexemplare 1973-1974); Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Kirchentagskongreß-Landesausschuß (Maria Börner), Protokoll über die 1. Zusammenkunft des Vorbereitungskreises am Sonnabend, 2. Febr. 1974 in Oschatz, 21.2.1974 (Privatarchiv Cieslak). 25 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Mai 1974 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche, 8020 Dresden-Strehlen, 28.5.1974 (Privatarchiv Cieslak), S. 1. 26 Siehe unten S. 340 f.

334

Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

handele. Ähnlich hielt es auch Zwickau für angemessener, weniger von einer „Not" der Minderheitensituation zu sprechen als vielmehr von ihren „Chancen": „Die kleiner werdende Gemeinde - entdecken wir die Chancen . . Λ

Der geplante Ablauf hielt sich bei allen Kongressen an den vom Landesausschuß vorgeschlagenen Dreischritt. Lediglich das Problem des Einstiegs sowie, die Einbindung des kirchengeschichdichen Referates wurden unterschiedlich gelöst. Angesichts des positiven Echos, das das Feature von 1973 gefunden hatte, entschied sich der regionale Vorbereitungskreis für Bautzen, den dortigen Kongreß wiederum mit einem Feature zu beginnen und auf ein Referat völlig zu verzichten. Ahnlich gestaltete sich der Programmablauf in Oschatz und Karl-Marx-Stadt, auch wenn der dort jeweils vorgesehene „Einstieg ins Thema" nicht ausdrücklich als „Feature" bezeichnet wurde.27 In Dresden entschied man sich schließlich ebenfalls, nachdem der Referent, dessen Vortrag ursprünglich die Arbeit eröffnen sollte,28 am Vormittag nicht zur Verfügung stand, für ein „Mini-Feature" als Einstieg. Das Referat wurde auf den Nachmittag verlegt.29 Dort hatte es auch seinen Platz in Zwickau,30 während es in Leipzig, wie es anfangs auch in Dresden geplant war, die Sacharbeit eröffnete.31 Im Zusammenhang des kirchengeschichtlichen Vortrags, dessen Sinn im Laufe der konkreten Vorbereitungen wohl auch immer weniger einsichtig schien, stellte sich nicht nur die Frage seiner Plazierung. Die Schwierigkeiten begannen bereits damit, daß sich niemand bereit fand, die vorgesehene zentrale Zurüstung der Referenten zu übernehmen. Die Regionalkreise waren dadurch nicht nur hinsicht-

27 Vgl. Regionaltreffen Kirchentagskongreß, 25.-26. Mai 1974 in Oschatz, An alle Ev.Luth. Kirchgemeinden und die bisherigen Teilnehmer der Kirchentagskongresse in den Kirchenbezirken Grimma, Großenhain, Leisnig, Meißen, Oschatz und Würzen, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Oschatz); Regionaltreffen Kirchentagskongreß (Hacker), Protokoll - Besprechung vom 6.6.74, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Bautzen, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Zwickau, Görlitz [Niesky u. Ruhland]). 28 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Dr. Kleinen), Protokoll über die 2. Zusammenkunft des Vorbereitungskreises des Regionaltreffens Dresden am 11.Jan. 1974 - 18-21.30 Uhr in der Dreikönigskirche Dresden, 13.1.1974 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden), S. 2. 29 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Vorbereitungskreis für das Regionaltreffen Dresden 74 (Dr. Kleinert), Protokoll über die 3. Zusammenkunft des Vorbereitungskreises Dresden am Freitag, 8. Februar 1974 in der Dreikönigskirche, 9.2.1974 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden). 50 Kirchentagskongreß 1974 in Zwickau-Planitz am 4. und S.Mai, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Bautzen, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Zwickau, Görlitz [Niesky u. Ruhland]). " Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Regionaltreffen Leipzig 1974 in der Andreas-Kirchgemeinde am 27. und 28. April, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Bautzen, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Zwickau, Görlitz [Nieskv u. Ruhland]).

Die vorbereitenden Regionalkongresse 1974

335

lieh der Auswahl des Referenten, sondern auch hinsichdich seiner „Einweisung" auf sich gestellt, was vermudich für die Vorbereitungsgruppen in Bautzen und Oschatz mit ein Grund gewesen sein mag, auf diesen Vortrag gänzlich zu verzichten. Wie diese Einweisung jeweils vorgenommen wurde, ist lediglich für Dresden belegt Dort wurde der als Referent gewonnene Leipziger Dozent Karlheinz Blaschke zur Sitzung des Vorbereitungskreises am 8. Februar eingeladen. Auf dieser Sitzung erläuterte Blaschke - ähnlich dem bei den bisherigen Kongressen geübten Verfahren - seine Vorstellungen, während der Vorbereitungskreis seinerseits die Gelegenheit wahrnahm, Kritik zu äußern und Anregungen zu geben. In diesem Zusammenhang bot Blaschke an, zu seinem Vortrag Thesen zu erarbeiten, die den Teilnehmern bereits vor dem Kongreß zugeleitet werden könnten. Dieses Angebot nahm der Ausschuß an und hielt im Protokoll fest: „Diese sollen leicht verständlich und können provokatorisch sein."32 Daraufhin legte Blaschke am 8. März zehn Thesen vor und erläuterte sie. Allerdings wurde nach eingehender Diskussion um Überarbeitung gebeten, insbesondere sollten Fremdworte vermieden werden, die den Teilnehmern das Verstehen des Gemeinten eher erschweren als erleichtern könnten. 33 Die daraufhin von Blaschke eingereichte Fassung wurde akzeptiert und zur Vervielfältigung vorgesehen. Dagegen erhob wiederum die Pressestelle im Landeskirchenamt Einspruch, der die Thesen zu provokativ waren.34 Am 2. April teilte diese der Geschäftsstelle des Landesausschusses mit, daß These 1 und 10 in der vorliegenden Fassung „veröffentlichungsunmöglich" seien, da aus ihnen gefolgert werden könnte, daß die Christen in der DDR in ihren gesellschaftlichen Rechten und Pflichten benachteiligt würden und der Intoleranz ausgesetzt seien.35 These 10 sollte deshalb völlig entfallen, These 1 erheblich gekürzt werden. Diesem Vorschlag Schloß sich der Ausschuß allerdings nicht an, sondern vereinbarte mit Blaschke eine lediglich abmildernde Formulierung,36 die dann auch vervielfältigt wurde (in 150 Exemplaren).

32 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An den Vorbereitungskreis Dresden und die Gesprächsgruppenleiter aus dem Dresdner Bereich, 20.2.1974 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden), S. 1 f. и Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Vorbereitungskreis für das Regionaltreffen Dresden 74 (Dr. Kleinen), Protokoll Uber die 4. Zusammenkunft des Vorbereitungskreises Dresden am Freitag, 8. März 1974 18.00 Uhr in der Dreikönigskirche Dresden, 20.3.1974 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden), S. 1. 54 Innerkirchliche Vervielfältigungen, die es nach der Vervielfältigungsverordnung eigentlich gar nicht hätte geben dürfen, wurden staadicherseits nur unter bestimmten Voraussetzungen geduldet (Registriernummer, Nachweisführung, Vermerk „Nur zu innerkirchlichem Dienstgebrauch", keine provokatorischen oder staatsfeindlichen Inhalte). Anderenfalls bestand immer die Möglichkeit, daß die Duldung ausgesetzt und im Zusammenhang damit die - meist aus dem Westen eingeschleusten - Vervielfältigungsapparate beschlagnahmt würden, was die Arbeitsmöglichkeiten insgesamt beeinträchtigt hätte. Diese Gefahr führte kirchlicherseits zu einer internen Selbstkontrolle, die den Weg suchte zwischen einer Selbstzensur einerseits und einer Gefährdung innerkirchlicher Vervielfältigungsmöglichkeiten andererseits. и Wiede, Anmerkungen der Pressestelle LKA, 2.4.1974 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden).

Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

336

Übersicht über die Regionalkongresse 1974: „Die kleiner werdende de . . :

Gemein-

Tagungsort (Teilnehmerzahl)*

Zeit

Einzugsgebiet

Thema

Unterthemen (zugehörige Themengruppe des I -indes Kirchentagskongresses 1975)

Bautzen (80)

20.-21. April

Lausitz

„Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance"

Partnerschaft in der Gemeinde. Du wirbt staunen - Theologen und Laien können zusammenarbeiten (1) Die Bibel in der Gemeinde. Wisch den Staub weg, es ist Gold darunter - neuentdeckte Bibel

(3) Die Gemeinde und die Nichtchristen. Christus ist nicht nur für die Nichtchristen gestorben (6) Gesamtkatechumenat - Hilfe der Gemeinde für Kinder und Erwachsene (7) Dresden (85)

20.-21. April

Dresden, Dippoldiswalde, Freiberg, Meißen, Pima

„Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance"

Gottesdienst - Gemeindeversammlung - Fest (4) Gemeinde als Lebensgemeinschaft - Offene Gemeinde (8) Glaubensunterweisung vom Vorschulkind bis zu den Großeltem (7)

Folgende Änderungen wurden vorgenommen: ursprüngliche Fassimg

veränderte

Fassung

(in eckigen Klammern die vom LKA vorgeschlagenen Streichungen) These 1 „ D e r Begriff d e r Minderheit kann nicht allein z a h l e n m ä ß i g - s t a t i s t i s c h verstanden werden, sondern ist in einem qualifizierten soziologischen Sinne aufzufassen als eine Gruppe, die auf D a u e r gestellt ist, keine führende Rolle spielt [und in ihren gesellschaftlichen Rechten und Pflichten gegenüber der Mehrheit deutlich unterschieden ist, meistens in einem für sie ungünstigen Sinne]."

„Der Begriff der Minderheit kann nicht allein zahlenmäßig-statistisch v e r s t a n d e n werden, sondern ist in einem qualifizierten soziologischen Sinne aufzufassen als eine Gruppe, die auf Dauer gestellt ist, keine führende Rolle spielt und in inren gesellschaftlichen Rechten und Pflichten gegenüber d e r M e h r h e i t deutlich unterschieden i s t "

These 10 [„Wenn sich bestimmte Gruppen veranlaßt sehen, sich selbst als Minderheit zu verstehen, so ist das ein Zeichen f ü r noch nicht oder nicht m e h r v o r h a n d e n e Toleranz und zeigt die U n Vollkommenheit und Gebrechlichkeit der Welt an."]

„Wenn sich bestimmte G r u p p e n veranlaßt sehen, sich selbst als Minderheit zu verstehen, so ist das ein Zeichen f ü r die prinzipielle Unvollkommenheit und Gebrechlichkeit der Welt."

Die vorbereitenden Regionalkongresse 1974 Tagungsort (Teilnehmerzahl)

Zeit

Einzugsgebiet

KarlMarxStadt (168)

21. Sept.

Mittelsachsen „Die kleiner und Erzgebir- werdende Gemeinde - was ge machen wir daraus"

Thema

337

Unterthemen (zugehörige Themengruppe des LandesKirchentagskongresses 1975) Gottesdienst in der kleiner werdenden Gemeinde

(«) Hilfe der Gemeinde für die Kinder (7) Gemeinde als Lebensgemeinschaft (8) Gemeinde als geschlossene Gesellschaft? (2)

Leprig (92)

Oschatz (55)

27.-28. April

25.-26. Mai

Leipzig, Bor- .Die kleiner na, Grimma weidende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance" Oschatz, Großenhain, Riesa, Grimma, Leisnig, Würzen

»Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance"

Evangelium und Struktur (2) Auch ein Christ lernt nicht aus (7) Gemeinsam leben in der Gemeinde (8) Wisch den Staub weg, es ist Gold darunter neuentdeckte Bibel (3) Du wirst staunen - Theologen und Laien kennen zusammen arbeiten (1) Mtlndig wird man nicht von allein Glaubenshilfe für Kinder und ihre Eltern (7)

Zwickau (70)

4.-5. Mai

Südwestsachsen, Vogtland

»Die kleiner werdende Gemeinde - entdecken wir die Chancen ..."

Evangelium und Gestalt der Gemeinde - Wie wirkt sich die Gestalt der Gemeinde aus auf das Verhältnis des Christen zur Welt, zur Gemeinde und zu Gott? (2) Lernende Gemeinde - Was heißt das fUr den Christen in der Welt, in der Gemeinde und vor Gott? (7) Gemeinde ab Lebensgemeinschaft - Was bedeutet das für die Beziehung des Christen zur Welt, zur Gemeinde und zu Gott? (8)

Niesky (keine Angaben)

Ruhland (keine Angaben)

4. Mai

4. Mai

„Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance"

Wenn eure Nachbarn fragen (Gemeinde und die Nichtchristen) (6)

„Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance"

Die Bibel in der Gemeinde (3)

Ihr seid das Salz der Erde (Gemeinde und Gesellschaft) (6)

Lernende Gemeinde (7) Gemeinde und Nichtchristen (6) Partnerschaft in der Gemeinde (1)

•Angaben nach: Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Mai 1974 - 9.00 Uhr - 17.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche, 8020 Dresden-Strehlen, 28.5.1974 (Privatarchiv Cieslak), S. 1.

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

Nach den Kongressen wurden diese in den Regionalkreisen wie auch im Landesausschuß 3 7 ausgewertet Einzelne Kritikpunkte ergaben sich bei jeder Veranstaltung. Zu mehreren Kongressen wurde vermerkt, daß es schwierig gewesen sei, Teilnehmer aus ländlichen Gebieten und solche aus dem städtischen Bereich miteinander ins Gespräch zu bringen. 38 In Karl-MarxStadt wurde darüber hinaus die grundsätzliche Frage gestellt, ob der Kongreß nach nunmehr sechs Jahren nicht einmal eine selbstkritische Zwischenbilanz ziehen miißte: „Waren wir unter uns? Stimmt die Zielstellung des Kongresses noch mit dem Teilnehmerkreis überein? Ist unser Arbeitsstil noch modern? Viele fanden nichts Neues. Wir befinden uns seit Jahren in der Fragephase - wann kommt die Realisierung? Was wird mit den Ergebnissen des Kongresses?" 39 In der Regel erwuchsen aus den Vorbereitungskreisen für die Regionalkongresse 1974 weiterarbeitende Regionalgruppen. 4 0 Damit verbreiterte sich zwar die Basis der Kongreßarbeit sowie die Möglichkeit, in die Gemeinden hineinzuwirken und missionarisch aktive Gruppen zu bilden. Die Erweiterung der Basis erleichterte es allerdings auch dem Sicherheitsapparat der D D R , Informanten in die Kongreßarbeit einzuschleusen 41 was ihm bis dahin im großen und ganzen wohl nicht gelungen war. 42

' Insbesondere auf der Sitzung des Landesausschusses am 11. Mai 1974. Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Puschbeck), Protokoll, 12.8.1974 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden), S. 1 (zu Oschatz); Regionalkongreß Kirchentag 21.9.74 (Christa H a c k e r ) , Betr.: Auswertung - Besprechung vom 25.9.74, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Bautzen, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Zwickau, G ö r l i t z [Niesky u. Ruhland]) (zu Karl-Marx-Stadt). " Regionalkongreß Kirchentag 21.9.74 (Christa Hacker), Betr.: Auswertung - Besprechung vom 25.9.74, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Bautzen, KarlMarx-Stadt, Leipzig, Zwickau, Görlitz [Niesky u. Ruhland]). 40 Ebd. 41 Zum Beispiel sind in den Akten der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt für den Zeitraum 1978-1985 die Protokolle der dortigen Regionalgruppe im Original vorhanden ( B S t U , ASt Chemnitz, X X , 576). Bereits beim Kongreß und Kirchentag 1978 war das M f S auch über die Arbeit der Vorbereitungsgremien umfassend informiert (u. a. durch den Leipziger Pfarrer Peter Weiß - vgl. die Berichte in B S t U , ASt Leipzig, A I M 3 4 9 8 / 9 2 , I I / 3 ) , während es noch beim Kongreß und Kirchentag 1975 seine Informanten nach gegenwärtiger Kenntnis lediglich als „normale" Veranstaltungsteilnehmer einzusetzen vermochte (etwa den noch zu erwähnenden I M „ P a r k " [vgl. unten S. 384 f., Anm. 261]). 43 Von Erwin Walter ( I M „Winter"), der zum Kirchentagslandesausschuß der Görlitzer Kirche gehörte und aufgrund der Zusammenarbeit zwischen Görlitz und Sachsen auch über die sächsische Kongreßarbeit berichtete, und dem oben erwähnten wenig aussagekräftigen Bericht des I M „Sturm" (S. 307, Anm. 187) über den Görlitzer Kongreß 1972 einmal abgesehen. 1

M

Veränderte Perspektiven

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6.2. Veränderte Perspektiven Nachdem die Grundentscheidungen für 1975 auf der gemeinsamen Sitzung des sächsischen und des Görlitzer Landesausschusses am 23. April 1973 gefallen waren,43 wurden auf der nächsten gemeinsamen Sitzung am 30. Juni der Rahmen für den geplanten großen Landes-Kirchentagskongreß sowie der Umfang der beiderseitigen Zusammenarbeit weiter abgesteckt. Der Vorsitzende des Görlitzer Ausschusses, Hans Roch, berichtete von einem Gespräch mit seiner Kirchenleitung, an dessen Ende ein Kompromiß stand: Das ursprünglich als Landeskirchentag geplante Görlitzer Kirchentagsvorhaben sollte am Sonnabend aus einem Kongreß, am Sonntag jedoch aus einem Kirchentag („Fest der Gemeinde") bestehen. Das mit Sachsen verabredete Arbeitsthema „Gemeinde von morgen" sei von der Kirchenleitung akzeptiert und der Termin der Veranstaltung auf den 7./8.Juni 1975 festgelegt worden.44 Bereits eingangs hatte Roch erklärt: »Wir haben zwar 1975 2 getrennte Vorhaben, es ist aber sinnvoll, diese 1974 thematisch gemeinsam vorzubereiten, nachdem in den letzten Jahren eine gemeinsame Thematik in den Kongressen begonnen wurde."45 Diesem Votum schlossen sich die Vertreter des sächsischen Landesausschusses an, wobei sie nicht nur eine gemeinsame thematische Vorbereitung anstrebten, sondern auch eine weitgehende Parallelität der Veranstaltungen. Das bedeutete insbesondere, daß auch der sächsische Kongreß, obwohl das ursprünglich nicht vorgesehen war, einen gemeindeoffenen Sonntag haben und damit nach siebenjähriger Pause in Sachsen wieder ein größerer Kirchentag - anfangs freilich noch entsprechend der Görlitzer Formulierung als „Fest der Gemeinde" bezeichnet stattfinden würde. Die Vorbereitung dieser beiden Kirchentage in Görlitz und Dresden sollte eigenständig durch die jeweiligen Landesausschüsse erfolgen. Hinsichdich der beiden Kirchentagskongresse hingegen wurde ausdrücklich beschlossen, daß für ihre inhaldiche Vorbereitung ein „Themenausschuß 75 der beiden Landesausschüsse Sachsen und Görlitz" zu bilden sei, der noch im Sommer zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten sollte.46 Neben diesen Fesdegungen zum weiteren Vorgehen provozierte die Entscheidung, im Zusammenhang des geplanten Kongresses auch in Sach43

Siehe oben S. 329 f. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung der beiden Landesausschüsse am Sonnabend, 30. Juni 1973, 9 Uhr bis 16 Uhr im Gemeindehaus der Trinitatiskirche Dresden, 30.6.1973 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 [I]), S.2. 45 A.a.O., S. 1. 44 А. а. O., S. 2. 44

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D e r K o n g r e ß und Kirchentag 1 9 7 5 in Dresden

sen ein „Fest der Gemeinde" vorzubereiten, unmittelbar einen „kurzen Gedankenaustausch" zur Durchführung und Gestaltung dieser Doppelveranstaltung. Insbesondere wurde überlegt, „wie die Verzahnung zwischen dem Kirchentagskongreß am Sonnabend und dem ,Fest der Gemeinde' am Sonntag" geschehen könnte „und wie dieses ,Fest' überhaupt zu gestalten" sei. Hinsichtlich des Kongresses wiederum unternahmen die Anwesenden einen ersten Versuch, „das Thema vom Arbeitstitel,Gemeinde von morgen' her zu füllen". Dabei kamen jedoch so viele Stichpunkte und mögliche Unterthemen zur Sprache, daß die Themenentfaltung „schließlich dem vorgesehenen Ausschuß überlassen" wurde.47 Dieser „Themenausschuß 75" trat am 30. Juli zu seiner ersten Sitzung zusammen. Breiten Raum innerhalb der Diskussion nahm dort erwartungsgemäß die Verhältnisbestimmung des für Freitag und Sonnabend geplanten Kongresses einerseits und des am Sonntag vorgesehenen Festes der Gemeinde andererseits ein. Angesichts des jeweils unterschiedlichen Publikums beider Veranstaltungen ging die Tendenz in Richtung einer unterschiedlichen Akzentsetzung und Thementeilung. Auf dem Kongreß sollte „Vorarbeit für die Gemeinde von morgen" geleistet werden, während der Kirchentagssonntag das Gewicht mehr darauf zu legen hätte, „Mut [zu] machen für die Zukunft" und „Angst [zu] nehmen vor der Zukunft". 48 Hinsichdich des Gesamtmottos entschied sich die Mehrheit für die Formulierung „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". 49 Die Gruppenarbeit des Kongresses sollte sich unter dem Oberthema „charismatische Gemeinde" in 9 Untergruppen vollziehen, deren Themen auf der Ausschußsitzung in „großer Ubereinstimmung" festgelegt werden konnten: „1. 2. 3. 4.

Amt und Ä m t e r / T h e o l o g e n und Laien Evangelium und S t r u k t u r / O f f e n e Gemeinde Bibel und Gemeinde Gottesdienst und Fest (Gemeindeversammlungen)

5. Minderheitensituation ( D i a s p o r a ) 6. Gesellschaft 7. Katechumenat vom Vorschulkind bis zu den Großeltern 8. Gemeinde als Lebensgemeinschaft 9. Oekumene einschl. der Frage nach der Notwendigkeit von Denominationen". 5 0

Ebd. Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft der beiden Landesausschüsse (Themenausschuß 75) am Montag, 30.Juli - 10-16 Uhr, Dresden, Schillerstr. 4D, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Oschatz), S. 1. л Die zweite Formulierung, die ebenfalls zur Abstimmung stand, lautete nur geringfügig anders: „Auf dem Wege zur Gemeinde von morgen" (ebd.). 50 Kirchentagskongreß der F.v.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Johannes Cieslak), Liebe Mitglieder des Landesausschusses, 10.8.1973 (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Oschatz), S. 1. 47

48

Veränderte Perspektiven

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Als weiteres Arbeitsgruppenthema wurde noch der Bereich Diakonie diskutiert, allerdings ohne daß sich der Ausschuß zur Aufnahme dieses zehnten Themenbereiches entschließen konnte.

Auch bei den beiden für 1975 vorgesehenen Kirchentagskongressen sollte der Ablauf der aktuellen Kongresse des Jahres 1973, der sich in Dresden bewährt hatte und auch für Leipzig vorgesehen war, zugrunde gelegt werden. Das bedeutete zum einen, daß die Bibelarbeit als wesentlicher inspirierender wie in Frage stellender Teil in die thematische Arbeit integriert wurde. Konkret sollte sie - angesichts der Bedeutung, die der Klärung des Verhältnisses von Amt und Amtern für die Zukunft der Gemeinde beigemessen wurde - 1975 „die Frage nach dem heute notwendigen Amt für alle Gruppen" aufnehmen, wozu auch bereits mehrere Textvorschläge aus dem Neuen Testament zusammengetragen wurden.51 Zum anderen bedeutete die Orientierung am Kongreßmodell von 1973, daß auch auf dem Landes-Kirchentagskongreß 1975 ein Vortrag als Ruhepause zum Zuhören (weniger als Diskussionsgrundlage) vorgesehen wurde.52 Um dieses Referat, das am Kongreßsonnabend gehalten werden sollte, wurde wiederum (wie bereits 1968) der Magdeburger Bischof Werner Krusche gebeten. Als Referent für einen weiteren Vortrag, der am Kirchentagssonntag stattfinden und für alle offen sein sollte, wurde hingegen der sächsische Landesbischof Hempel vorgeschlagen. Für die Kongreßteilnehmer sollte dieser Vortrag am Sonntag „eine notwendige zweite Ergänzung oder auch Korrektur bedeuten", während er für die Kirchentagsteilnehmer „auch als Einzelvortrag voll verständlich und für sie selbst und das Gemeindeleben weiterführend sein" müßte.53 Im Zuge der Kooperation zwischen Sachsen und Görlitz wurde angestrebt, beide Referenten sowohl für Dresden als auch für Görlitz zu gewinnen.54 Nachdem der Termin für Görlitz bereits feststand, wurde als Termin für den Dresdner Kongreß die Zeit vom 23. bis 25. Mai 1975 festgelegt 55 Dieser Termin mußte anderthalb Jahre später allerdings noch einmal geändert werden, da der 24. Mai staadicherseits als Ausgleich für den 2. Mai 56 zum Arbeitstag erklärt worden war. Mit Rücksicht auf den Referenten des Kongresses,

51

Ebd. » Ebd. 51 Ebd. 54 Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft der beiden Landesausschüsse (Themenausschuß 75) am Montag, 30.Juli - 10-16 Uhr, Dresden, Schillerstr. 4D, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Oschatz), S. 1 f. 55 A.a.O., S. 1. 56 Der 2. Mai - ein Freitag - sollte, um zusammenhängende Produktions- und Freizeiten zu ermöglichen, arbeitsfrei sein.

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D e r Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

der lediglich den 30. Mai als Ausweichtermin anzubieten vermochte, wurde die Veranstaltung um eine W o c h e auf diesen Termin verschoben (30. Mai bis 1. Juni). 57

Nachdem mit diesen Festlegungen wichtige Vorentscheidungen für 1975 getroffen worden waren, widmete sich der Landesausschuß im Herbst 1973 erst einmal der Auswertung der zurückliegenden Kongresse in Dresden und Leipzig sowie den notwendigen Vorüberlegungen und Vorarbeiten für die 1974 geplanten Regionalkongresse. Als sich sein Augenmerk Anfang 1974 wieder auf das große Kirchentagsvorhaben des nächsten Jahres richtete, hatte bereits eine - sich später dann immer deutlicher abzeichnende - Veränderung der Perspektiven begonnen, unter denen die weitere Planung und Vorbereitung der Veranstaltung vonstatten ging. Obwohl der Gedanke eines Kirchentagssonntags eigentlich der Görlitzer Planung entstammte, wurde ein großer Kirchentag trotz anfänglicher Bedenken zunehmend als Chance begriffen58 und in entsprechenden Dimensionen vorbereitet Entgegen dem anfänglichen Ablaufplan, der im wesentlichen von den Kongressen des Jahres 1973 ausgegangen war, wurden Kongreß und Kirchentag 1975 in Sachsen jetzt teilweise59 in Analogie zum Kongreß und Kirchentag von 1968 gestaltet, wobei - ohne daß dies seinerzeit aktenkundig in dieser Weise formuliert worden wäre - der Eindruck entsteht, als sei beabsichtigt gewesen, 1975 einerseits alles das nachzuholen, was 1968 aufgrund der staatlichen Blockade und der geringen eigenen Möglichkeiten 57 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Januar 1975, 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, undatiert (Privatarchiv Cieslak), S. I; Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. I.andesausschuß (Cieslak), An den Rat des Bezirkes. Referat Kirchenfragen, 8.2.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 112). 58 Die scheinbare Entwicklung, in Sachsen die Kirchentagsarbeit zugunsten der Kongreßarbeit völlig aufzugeben, hatte von Anfang an auch Kritik hervorgerufen (vgl. etwa oben S. 246). Entscheidend war allerdings wohl das positive Echo, das die anfangs mehr nebenbei gegebene Information, daß der Landes-Kirchentagskongreß „am Sonntag mit einem großen Treffen der Gemeinden abschließen" werde (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Johannes Cieslak]/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz [Hans Roch], An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse, undatiert [Dezember 1973] [KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Bautzen, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Zwickau, Görlitz]), in eben diesen Gemeinden erfuhr. w Es wurde ein Mittelweg eingeschlagen zwischen der zweigliedrigen Form eines Referates mit nachfolgender Diskussion und dem dreigliedrigen Modell Analyse - Konfrontation Konkretion, indem das Referat einschließlich der nachfolgenden Gruppenarbeit der „Analyse" zugeordnet wurde (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 9. November 1974 in der Christuskirchgemeinde Dresden-Strehlen - 9 Uhr bis 16 Uhr, 29.11.1974 [Privatarchiv Cieslak], S. 1). Die damit verbundene Verlegung des Referates an den Anfang des Kongresses (vom Sonnabend auf den Freitag) geschah vor und somit unabhängig von der Anfang 1975 notwendig gewordenen Terminänderung.

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nicht umzusetzen war, andererseits aber auch jenes besser zu machen, was damals nicht gelungen schien. Im Zusammenhang damit gerieten die Pläne einer engen thematischen Zusammenarbeit mit dem Görlitzer Landesausschuß in Vergessenheit, ohne daß jemand innerhalb des sächsischen Ausschusses Anlaß gesehen hätte, daran zu erinnern. Der „Themenausschuß 75", der für die inhaltliche Vorbereitung beider Kongresse gebildet worden war, setzte seine Arbeit nicht wie vorgesehen fort An seine Stelle trat am 19. Juni 1974 als einer der ersten für die Dresdner Kirchentagsveranstaltung ins Leben gerufenen Vorbereitungsausschüsse60 ein rein sächsischer Ibemenausschuß. 61 Von einer gemeinsamen Vorbereitung der einzelnen Arbeitsgruppenthemen (unter Einbeziehung der Ergebnisse der Regionalkongresse in Niesky und Ruh-

60

Insgesamt wurden zur Vorbereitung des Kongresses und des Kirchentages - neben den Vorbereitungsgruppen für die einzelnen Arbeitsgruppenzentren - acht Arbeitsgruppen für jeweils besondere Aufgabenbereiche gebildet Eine erste Systematisierung und Verteilung der Aufgaben war auf der Sitzung des Landesausschusses am 26.Januar 1974 erfolgt (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll Uber die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 26. Januar 1974 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9 bis 16 Uhr, 20.2.1974 [Privatarchiv Cieslak], S. 2). Anfangs wurde zur Bezeichnung der Gruppen die in diesem Sitzungsprotokoll verwandte Numeriemng übernommen. Ende 1974 kam sie - um Verwechslungen mit den Vorbereitungskreisen für die ebenfalls numerierten Arbeitsgruppenthemen zu vermeiden außer Gebrauch. Im einzelnen: - Arbeitsgruppe 1: Themenausschuß (konstituierende Sitzung am 19.Juni 1974); - Arbeitsgruppe 2: Ausschuß fur die Bibelarbeit (konstituierende Sitzung am 21. September 1974); - Arbeitsgruppe 3: Vorbereitung der Gottesdienste am Kirchentagssonntag (konstituierende Sitzung am 25. September 1974); - Arbeitsgruppe 4/5: Vorbereitung der Sonderveranstaltungen und Ausstellungen während des Kongresses und des Kirchentages (konstituierende Sitzung am 6. April 1974); - Arbeitsgruppe 6: Organisationsausschuß - mit den Untergruppen: „Tagungsbüro", „Quartiere", „Verpflegung", „Hygiene und sanitäre Betreuung", „Sonntagsorganisation" und „Gemeindezentren" (konstituierende Sitzung am 23. November 1974); - Arbeitsgruppe 7: Ortsausschuß (konstituierende Sitzung am 5. November 1974); - [Arbeitsgruppe 8:] Ausschuß zur Gestaltung des Sonntags, insbesondere der Gemeindeversammlungen am Vormittag (konstituierende Sitzung am 15. Februar 1975). Darüber hinaus wurde auf der Beratung des Organisationsausschusses am 19. März 1975 „eine Koordinierungsgruppe (im Sinne eines Leitkollektivs) gebildet", die wöchentlich zusammenkommen sollte (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Organisationsausschuß [Dieter Kahle], Protokoll Uber die Beratung des Organisationsausschusses am 19.3.75 in der Dreikönigskirche Dresden, 22.3.1975 [KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Protokolle Organisationsausschuß], S. 3). M Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Themenausschuß 7 5 (Dr. Hans Geisler), Protokoll der 1. Beratung der Arbeitsgruppe 1 (Themenausschuß) für die Vorbereitung des Kirchentagskongresses 1975 am 19.Juni 1974, 17 bis 20 Uhr in der Lukaskirche Dresden, 217.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand).

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

land) war nicht mehr die Rede. Die weitere Zusammenarbeit wurde reduziert und beschränkte sich bald nur noch auf eine gegenseitige Information. 62 Die Kirchentagsveranstaltungen 1975 markieren damit das Ende der 1971 begonnenen engen Zusammenarbeit beider Landesausschüsse, die auch in den folgenden Jahren in dieser intensiven Form nicht wieder aufgenommen wurde. 63 Die kirchlichen Unterlagen geben über die Hintergründe dieser überraschenden Trennung (im Interesse der Zusammenarbeit waren schließlich zuvor Konzeptionen geändert und Termine verschoben worden) keine Auskunft Näheres ist lediglich staatlichen Quellen zu entnehmen. Danach hätte es auf sächsischer Seite erste Verstimmungen nach dem Vortrag des Görlitzer Bischofs Fränkel am 8. November 1973 in der Annenkirche zum Thema „Was haben wir aus dem Kirchenkampf gelernt?" gegeben.64 In diesem Vortrag hatte Fränkel betont, daß die christliche Verantwortung nicht auf den innerkirchlichen Bereich oder ein Geschehen jenseits der eigenen Grenzen eingeschränkt werden dürfe, sondern angesichts jeder Unrechtssituation wahrgenommen werden müsse. Als Beispiel verwies er dabei auf die Beschneidung grundlegender Menschenrechte infolge der in der D D R betriebenen Erziehung der Bürger zu „sozialistischen Persönlichkeiten".65 Diese Ausführungen Frankels, die staadicherseits als Provokation gewertet 62 Die Reduzierung der Zusammenarbeit schlug sich auch in einer Reduzierung der gemeinsamen Zusammenkünfte nieder. Ursprünglich war am 11. Mai 1974 eine gemeinsame Sitzung beider Landesausschüsse geplant. Am 26. Januar faßte der sächsische Landesausschuß jedoch einen anderslautenden Beschluß: „Im Blick auf die notwendige umfangreiche Vorarbeit und Konzipierung der Gesamttagung 1975 wie der Einzelvorhaben in Dresden soll der Landesausschuß Görlitz um das Einverständnis gebeten werden, dass die Tagung am lt. Mai getrennt in Görlitz und Dresden durchgeführt wird. . . . Nach dem 11. Mai soll eine gegenseitige Information geschehen" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 26. Januar 1974 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9 - 1 6 Uhr, 20.2.1974 [Privatarchiv Cieslak], S. 3). Damit fand die nächste gemeinsame Tagung beider Landesausschüsse erst am 7. September 1974 statt. Es war die letzte vor den Kirchentagsveranstaltungen. 63 Auf der Sitzung des Landesausschusses am 20. September 1975, in deren Mittelpunkt der weitere Weg der Kongreßarbeit stand, wurde zwar der Wunsch laut, „für die nächsten Jahre" wieder einen gemeinsamen Kongreß vorzusehen (Küchler, Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 20.9.75 im Gemeindehaus der Versöhnungskirche, 15.10.1975 [Privatarchiv Cieslak], S. 2); es kam jedoch lediglich zu einer begrenzten Beteiligung der Görlitzer am Kongreß und Kirchentag 1978 in Leipzig (26.-28. Mai) sowie der Sachsen am Kongreß und Kirchentag 1981 in Görlitz (19.-21. Juni). 44 Vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Präses Cieslak, 28.1.1974 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45933, Bl. 191-192); Dienststelle Görlitz (Babucke), Einschätzung des 4. Kirchentages und Kirchentagskongreß der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes vom 6.6.75-8.6.75, 9.6.1975 (BStU, ASt Dresden, A O P 1884/80, II, Bl. 8-15), S. 1 (dieser MfS-Bericht geht im wesentlichen auf Informationen des bereits erwähnten IM „Winter", des stellvertretenden Vorsitzenden des Görlitzer Kirchentagsausschusses, zurück). 65 „Nun hat man gewiß in der Weltchristenheit erkannt, daß die Kirche sich im Kampf

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wurden 66 und damit einer kirchlicherseits angestrebten Entspannung im Staat-Kirche-Verhältnis deudich zuwiderliefen, 67 veranlaßten die sächsische Kirchenleitung unter anderem, den Plan einer gegenseitigen Teilnahme der Bischöfe an den

für den Frieden und das Wohl der Menschen und gegen offenbare Unrechtssituationen engagieren muß. Aber dieses Engagement darf nicht einseitig sein, so daß man dort am lautesten und klarsten redet, wo das Risiko am geringsten ist. Wir haben über unserem Einsatz für den fernen Nächsten nicht den nahen Nächsten zu vergessen. Unser Einspruch gegen den Terror in Chile wird um so glaubwürdiger sein, je ernster wir ab Kirche unsere öffendiche Verantwortung im eigenen Raum wahrnehmen. In jeder Gesellschaftsordnung bleibt der Mensch ein Sünder. Darum ist es ein Irrtum zu meinen, daß die Qualität des Sozialismus die öffendiche Verantwortung der Kirche überflüssig mache. Nun kann darüber gar kein Streit sein, daß in unserer Verfassung grundlegende Menschenrechte verankert sind. Hier ist an erster Stelle das entscheidende Recht der Glaubens- und Gewissensfreiheit zu nennen. Andererseits ist unsere Verfassung eine sozialistische Verfassung, und das bedeutet nicht nur, daß für unsere Gesellschaftsordnung die Vergesellschaftung der Produktionsmittel grundlegend ist, sondern weit darüber hinaus, daß unsere Gesellschaft durch den Marxismus-Leninismus geprägt ist unter der Zielsetzung, alle Bürger zu sozialistischen Persönlichkeiten heranzubilden. Damit ist aber notwendig eine Spannung zwischen dieser Zielsetzung und grundlegenden Menschenrechten wie der Religionsfreiheit, der Glaubens- und Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung gegeben. Diese Spannung läßt sich auch nicht dadurch auflösen, daß diese Menschenrechte an das Maß der Leistung für den Sozialismus gebunden und also nachträglich auf Grund erfüllter Bedingungen den Bürgern zugesprochen werden, denn dadurch werden Menschenwürde und die damit verbundenen Freiheiten und Grundrechte in ihrem Wesen verkannt. Sie sind das, was sie sind, nur dann, wenn sie als den Menschen vorgegeben anerkannt und nicht unter das Soll einer bestimmten Gesinnung gestellt werden. Dieses Vorgegebensein ist in Gottes Schöpfung und Erlösung begründet Die Anerkennung dieses Vorgegebenseins ist ein unbewältigtes Problem in unserer Gesellschaft. Dieses Problem stellt sich heute in besonderer Schärfe auf dem Bildungs- und Erziehungssektor. Die Nöte, die chrisdiche Eltern und Kinder hier haben, sind allgemein bekannt und auf allen Synoden der evangelischen Landeskirchen wie auch auf der Bundessynode so offen zur Sprache gekommen, daß ich jetzt nicht einzeln darauf einzugehen brauche. Es soll auch anerkannt werden, daß einige besonders schwere Fälle der Benachteiligung chrisdicher Kinder bereinigt werden konnten. Aber ich kann meine tiefe Enttäuschung nicht verbergen, daß trotz aller Bemühungen der Kirche, Eltern und Kindern zu helfen, bisher ein grundlegender Wandel noch nicht eingetreten ist Noch immer müssen wir es erleben, daß ζ. B. Eltern gesagt wird: Ihr Kind soll auf die erweiterte Oberschule kommen, aber es besucht den Konfirmandenunterricht Sie müssen sich entscheiden" (Kirchliches Jahrbuch 100 [1973], S. 161-167, 165; ebenfalls abgedruckt in EVANGELISCHE AKADEMIE GÖRLITZ: Die evangelische Kirche im Görlitzer Kirchengebiet im SED-Staat, S. 133-143 [Dok. 12]). " Zur Nachgeschichte dieser Rede vgl. insbesondere D. NESS: In Görlitz und Dresden, sowie R. BRAUCKMANN/CHR. BUNZEL: Rückblick, S. 50-54; auch G. BESIER: Der SED-Staat und die Kirche 1969-1990, S.69f. " Vgl. dazu auch Dohle, Gespräch des Staatssekretärs mit Landesbischof Hempel am 27.5.1975, 27.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45082, Bl. 230-234), S.4. - Eine Distanzierung vom Inhalt der Fränkelrede lehnte die sächsische Kirchenleitung allerdings entschieden ab (vgl. Dr. Johannes, Niederschrift über das Gespräch beim Rat des Bezirkes Dresden am 27. November 1973 von 8 bis 9 Uhr, undatiert f Landeskirchenarchiv Dresden, Archiv der Bischofskanzlei]).

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Kirchentagen in Dresden und Görlitz fallenzulassen, was Frankel seinerseits als Affront empfand.68 Der Vorfall blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Verhältnis beider Landesausschüsse, wobei auch der von sächsischer Seite erhobene Vorwurf, die Görlitzer befänden sich in einer zu großen Abhängigkeit von ihrer Kirchenleitung, eine Rolle gespielt haben mag.69 Nach Einschätzung des MfS soll sich das Verhältnis insbesondere in der zweiten Hälfte des Jahres 1974 verschlechtert haben.70 Diese Angabe wird durch eine Protokollnotiz des Rates des Bezirkes Dresden in gewisser Weise bestätigt Danach hätten Präsident Johannes und Präsident Cieslak bei einem Ratsgespräch am 20. Dezember 1974 zur Vorbereitung der Kirchentagsveranstaltung71 erklärt, daß „entsprechende Bemühungen des Görlitzer Kirchentagsausschusses nach größerer Kooperation . . . durch die sächs. Kirche abgelehnt worden" seien.72 1975 soll dann der Vorsitzende des Görlitzer Ausschusses in Ubereinstimmung mit dem dortigen Konsistorium seinerseits intern die Auffassung vertreten haben, „der Görlitzer Ausschuß müsse eigenständig arbeiten, Dresden sei nicht der geeignete Partner, weil dort die Lage anders ist und man in anderen Größenordnungen denken und arbeiten" müsse.73 Im Zuge dieses Verzichts auf gemeinsame Vorhaben wurde auch der oben erwähnte Vorschlag, die Dresdner Referenten - Bischof Werner Krusche und Landesbischof Johannes Hempel - um die entsprechenden Referate auf der Görlitzer Kirchentagsveranstaltung zu bitten, nicht erneuert.74 Das Referat des Kirchentagskongresses in Görlitz hielt der Berliner Theologiedozent Günter Krusche, das Referat am Kirchentagssonntag der berlin-brandenburgische Bischof Albrecht Schönherr.75

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Vgl. besonders Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Präses Cieslak, 28.1.1974 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45933, Bl. 191-192), S. 1. " Vgl. Dienststelle Görlitz (Babucke), Einschätzung des 4. Kirchentages und Kirchentagskongreß der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes vom 6.6.75-8.6.75, 9.6.1975 (BStU, ASt Dresden, A O P 1884/80, II, Bl. 8-15), S. 1. Ebd. 71 Vgl. unten S. 366 f. 71 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Betr.: Landeskirchentagskongreß in Sachsen vom 23.-25.5.75 in Dresden, 20.12.1974 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 61-62), S. 2. - Im Exemplar der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen (BArch Berlin, StfK, D O 4, 663) ist dieser Passus angestrichen - neben dem Veranstaltungstermin die einzige Hervorhebung im Gesprächsbericht. n Dienststelle Görlitz (Babucke), Einschätzung des 4. Kirchentages und Kirchentagskongreß der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes vom 6.6.75-8.6.75, 9.6.1975 (BStU, ASt Dresden, A O P 1884/80, II, Bl. 8-15), S. 1. " Obwohl Werner Krusche bereits zugesagt hatte, sein Referat auch in Görlitz zu halten (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 26.Januar 1974 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9 bis 16 Uhr, 20.2.1974 [Privatarchiv Cieslak], S. 2). 75 А. а. O., S. 2, 6; Einschätzung des Kongresses und Kirchentages des Görlitzer Kirchengebietes vom 06.06.-08.06.1975, 10.6.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 663).

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Nachdem die gemeinsame Sitzung beider Landesausschüsse vom 11. Mai 1974 abgesagt worden war, kamen diese - was lange geplant waF 6 - erst wieder am 7. September in Görlitz zusammen. Allerdings gab es trotz der inzwischen verstrichenen Zeit kaum etwas für die beiden Kirchentagsveranstaltungen in Dresden und Görlitz Entscheidendes zu beraten.77 So wurden lediglich die vom „Themenausschuß 75" erarbeiteten Vorschläge für die Bibelarbeit entsprechend den zwischenzeitlich angestellten Überlegungen korrigiert78 sowie die nunmehr endgültigen Formulierungen für die Arbeitsgruppenthemen festgelegt Zu beiden Punkten billigten sich die Landesausschüsse allerdings gegenseitig ausdrücklich die Freiheit zu, für ihren Bereich von der gefundenen Regelung abzuweichen. Eine Einigung auf einen gemeinsamen Text für die Bibelarbeiten erfolgte nicht,79 die Frage eines gemeinsamen Predigttextes für die Sonntagsgottesdienste wurde nicht angesprochen. Damit blieb als abrechenbares Ergebnis nur die Festlegung der Themenformulierungen, denen in Sachsen freilich noch jeweils eine Erläuterung, die nicht mit Görlitz abgestimmt war, hinzugefügt wurde. Mitte September 1974 stand der Wortlaut der erweiterten Themenformulierungen für die zehn Arbeitszentren des Dresdner Kongresses fest: „1.) Man mttß miteinander können Partnerschaft in der Gemeinde - Pfarrer und Laien 2.) Gemeinde ohne Zäune Evangelium und Gestalt der Gemeinde 3.) Bibel aktuell Hilfe für die Gemeinde und den einzelnen

74

Der Termin für diese Tagung, die mit einem gemeinschaftlichen Ausflug am Sonntag, dem 8. September, verbunden werden sollte, war bereits auf der gemeinsamen Tagung am 3. November 1973 festgelegt worden (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die gemeinsame Tagung am Sonnabend, 3. November 1973 - 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden, 12.11.1973 [KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden], S.3). 77 Die Tagesordnung umfaßte lediglich zwei Punkte, so daß eine Begrenzung der gemeinsamen Tagung auf den Vormittag sinnvoll schien. Der Nachmittag war damit frei für eine interne Sitzung des sächsischen Ausschusses, der ab 14.00 Uhr zusammenkommen wollte (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], An die Mitglieder des Landesausschusses, 13.8.1974 [Privatarchiv Cieslak]). Die gemeinsame Sitzung endete dann allerdings doch erst gegen 15.00 Uhr, so daß für die sächsischen Gäste lediglich die Zeit von 15.00 bis 17.00 Uhr für ihre interne Sitzung blieb (vgl. Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz/Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Roch], Gemeinsame Sitzung der Landesausschüsse Sachsen und Görlitz am 7. September 1974 von 9.00 Uhr-17.00 Uhr im Haus „Wartburg", Görlitz, Johann-Wüsten-Straße 21, undatiert [Privatarchiv Cieslak], S.3). 78 Vgl. unten S. 350 f. ™ Zwar wurde Josua 1,1-9 vorgeschlagen, es blieb jedoch den Landesausschüssen ausdrücklich „überlassen, andere Texte . . . auszuwählen" (a.a.O., S.3).

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D e r K o n g r e ß und Kirchentag 1975 in D r e s d e n

4.) T r e f f p u n k t G e m e i n d e U n s e r Zusammensein im Gottesdienst, in W e r k e n und Kreisen, in Diensten und z u Festen 5.) Als Minderheit leben D i e kleiner w e r d e n d e G e m e i n d e - ihre N o t und ihre C h a n c e 6.) W e n n unsere N a c h b a r n fragen D i e G e m e i n d e und die Nichtchristen 7.) M ü n d i g wird man nicht allein Kinder und Erwachsene brauchen die G e m e i n d e für ihren G l a u b e n 8.) G e m e i n d e lohnt sich G e m e i n s a m e s Leben in der G e m e i n d e und für den Alltag 9.) W a s trennt uns eigenüich? Auf d e m W e g e zur o e k u m e n i s c h e n G e m e i n s c h a f t 10.) Kleine D i a k o n i e - g r o ß geschrieben H i l f e vor O r t - ein A u f t r a g für die G e m e i n d e " 8 0

Mit der endgültigen Fesdegung der Themenformulierungen war der Weg frei für die weitere inhalüiche Vorbereitung der einzelnen Arbeitsgruppen. Dabei wurde für Dresden - anders als in Görlitz81 - jedes dieser Themen an eine eigene Vorbereitungsgruppe vergeben.82 Zum Teil waren das bereits länger bestehende Gruppierungen, die die Kongreßarbeit von Anfang an mit getragen hatten (der Lückendorfer Arbeitskreis, die „Arbeit auf dem ю Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Kirchentagskongreß und Kirchentag 1975 23. bis 25. Mai in Dresden, Thema: „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", Vorläufiges Programm, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden); vgl. Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz/Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen. Landesausschuß (Roch), Gemeinsame Sitzung der Landesausschüsse Sachsen und Görlitz am 7. September 1974 von 9.00 Uhr-17.00 Uhr im Haus „Wartburg", Görlitz, Johann-Wüsten-Straße 21, undatiert (Privatarchiv Cieslak), S. 3. 81 Der Görlitzer Kongreß blieb mit seinen 300 Teilnehmern im Rahmen der bisherigen Kongresse (vgl. H. KROGER-HAYE/S. LANGE/I. LENT/H. Mül.LER-UlBRlG: Evangelischer Kirchentag in der D D R , S.28). ю Nachdem noch im Herbst 1974 von einer Aufteilung der zehn Arbeitsgruppen auf sechs Gemeindezentren ausgegangen worden war (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Kirchentagskongreß und Kirchentag 1975, 23. bis 25. Mai in Dresden, Vorläufiges Programm, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden], S. 1), gelang es später, jeder Arbeitsgruppe auch ein eigenes Gemeindezentrum zuzuordnen, so daß der Kongreß nunmehr in zehn Gemeindezentren stattfand. Ihre endgültige Zuordnung erfolgte auf der Sitzung des Themenausschusses am 5. April 1975: Gruppe 1: Martin-Luther-Kirche; Gruppe 2: Hoffnungskirche; Gruppe 3: Apostelkirche; Gruppe 4: Auferstehungskirche; Gruppe 5: Christuskirche; Gruppe 6: Versöhnungskirche; Gruppe 7: Lukaskirche; Gruppe 8: Friedenskirche; Gruppe 9: Erlöser-Andreas-Kirche; Gruppe 10: Zionskirche (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens [Kahl], Protokoll. Sitzung des Themenausschusses am Sonnabend, dem S.April 1975, 9.4.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 5; vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Kirchentagskongreß und Kirchentag 1975, 23. bis 25. Mai in Dresden, Thema: „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", Vorläufiges Programm, undatiert [KKTArchiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden], S. 1).

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Lande" oder der Kongreßkreis der Kirchgemeinde Ottendorf-Okrilla 83 ), zum Teil handelte es sich um jene Regionalkreise, die sich in Vorbereitung der Regionalkongresse des Jahres 1974 gebildet hatten (z.B. die Kreise in Leipzig und Zwickau). Einige Vorbereitungskreise wurden auch neu ins Leben gerufen. In jedem Fall bestanden sie jedoch aus „erfahrenen" Kongreßteilnehmern.84 Die Koordinierung dieser zehn Vorbereitungskreise sowie die Beratung jener Fragen, die alle Arbeitsgruppen betrafen, erfolgte in dem bereits erwähnten, im Juni 1974 neu gebildeten Gesamtthemenausschuß (Arbeitsgruppe 1) bzw. - sofern es sich um Fragen grundsätzlicher Art handelte - im Landesausschuß selbst Diese Vorbereitungskreise für die einzelnen Themenschwerpunkte erarbeiteten die Vorbereitungspapiere für das jeweilige Arbeitsgruppenthema, sorgten für die thematische Zurüstung der Gesprächsgruppenleiter, entschieden über die Art des Einstiegs und bereiteten diesen vor.85 Weiterhin erstellten sie jeweils „eine thematische Einführung" in das betreffende Arbeitsgruppenthema, die den Teilnehmern mit den weiteren Kongreßunterlagen bereits vor dem Kongreß zugeleitet wurde.86 Darüber hinaus waren sie für alle jene organisatorischen Fragen zuständig, die speziell ihr Arbeitsgruppenzentrum betrafen (Einteilung der Gesprächsgruppen, Namensschilder, Raumnumerierungen u. ä.).87 Sie entschieden letztlich auch darüber, ob es in ihrem Gemeindezentrum ausschließlich Gesprächsgruppenarbeit oder auch eine Plenumsveranstaltung geben werde.88

83

Kirchenbezirk Dresden-Nord. Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Themenausschuß '75 (Dr. Hans Geisler), Protokoll der 1. Beratung der Arbeitsgruppe 1 (Themenausschuß) für die Vorbereitung des Kirchentagskongresses 1975 am 19.Juni 1974, 17 bis 20 Uhr in der Lukaskirche Dresden, 21.7.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 2; Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Themenausschuß (Dr. Hans Geisler), Protokoll der 2. Beratung der Arbeitsgruppe 1 (Themenausschuß) Kirchentagskongreß 75 am 12.10.74 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9-15 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 1. 85 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Themenausschuß '75 (Dr. Hans Geisler), Protokoll der 1. Beratung der Arbeitsgruppe 1 (Themenausschuß) für die Vorbereitung des Kirchentagskongresses 1975 am 19. Juni 1974, 17 bis 20 Uhr in der Lukaskirche Dresden, 21.7.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 2. * A.a.O., S. 1. 87 А. а. O., S. 2. 88 Der Gesamtthemenausschuß hatte freilich auf seiner 2. Sitzung am 12. Oktober 1974 empfohlen, auf Plenumsveranstaltungen zugunsten der Arbeit in kleinen Gruppen gänzlich zu verzichten (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Themenausschuß [Dr. Hans Geisler], Protokoll der 2. Beratung der Arbeitsgruppe 1 [Themenausschuß] Kirchentagskongreß 75 am 12.10.74 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9-15 Uhr, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 2). 84

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D e r Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

Anders als bei den vorangegangenen Kirchentagskongressen sollte auch die direkte Nacharbeit des Kongresses, vor allem die Zusammenfassung seiner Arbeitsergebnisse, in den zehn Vorbereitungskreisen für die einzelnen Arbeitsgruppenthemen erfolgen. Besondere Auswertungs- oder Berichtsveranstaltungen über die Diskussion in den einzelnen Gesprächsgruppen während des Kongresses waren hingegen nicht vorgesehen. Angesichts dessen, daß keine der auf den bisherigen Kongressen erprobten Formen der Auswertung (Einzelbericht, Podiumsdiskussion u.a.) zu überzeugen vermochte, sollte jede Gesprächsgruppe lediglich für sich ein Ergebnisprotokoll anfertigen. Diese Protokolle aus den einzelnen Gesprächsgruppen eines Arbeitsgruppenzentrums waren nach dem Kongreß von der jeweiligen Vorbereitungsgruppe durchzusehen und zu einem zusammenfassenden Bericht von ca. einer Seite zu verdichten.89 Diese zehn Zusammenfassungen, die in ihrer Summe das Gesamtergebnis des Kongresses repräsentierten, sollte jeder Kongreßteilnehmer nachher in die Hand bekommen.90 Ebenfalls im September 1974 begann die Vorbereitung der in allen Arbeitsgruppen vorgesehenen Bibelarbeit Allerdings war bereits auf der gemeinsamen Sitzung beider Landesausschüsse am 7. September deutlich geworden, daß die Vorschläge des „Themenausschusses 75" vom Vorjahr nicht mehr den aktuellen Vorstellungen entsprachen. Hatte dieser seinerzeit vorgeschlagen, die Bibelarbeit unter die „Frage nach dem heute notwendigen Amt" zu stellen, schien es nunmehr sinnvoller, mit der Bibelarbeit deutlicher das Gesamtthema des Kongresses aufzugreifen." Empfohlen wurde deshalb ein Text aus dem Alten Testament (eventuell Jos 1,1-9), wobei in allen Zentren über ein und denselben Text gearbeitet werden sollte.92 Auf der 1. Tagung der Arbeitsgruppe „Bibelarbeit" (Arbeitsgruppe 2) entschied sich diese nach „ausführlicher Diskussion" tatsächlich für einen alttestamentlichen Text, jedoch nicht für Jos 1,1-9, sondern einstim" Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (Kahl), Protokoll. Sitzung des Themenausschusses am Sonnabend, dem S.April 1975, 9.4.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 3. 50 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Themenausschuß (Dr. Hans Geisler), Protokoll der 2. Beratung der Arbeitsgruppe I (Themenausschuß) Kirchentagskongreß 75 am 12.10.74 im Gemeindehaus der Christuskirche DresdenStrehlen, 9-15 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. l f . " Als vom „Ausschuß Bibelarbeit" zu beachtende Aspekte wurden genannt: „a) Unterwegs - Situation der Gemeinde, b) Gesichtspunkte der Zukunft, c) Chance der kleiner werdenden Gemeinde" (Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz/Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen. Landesausschuß [Roch], Gemeinsame Sitzung der Landesausschüsse Sachsen und Görlitz am 7. September 1974 von 9.00 Uhr-17.00 Uhr im Haus „Wartburg", Görlitz, Johann-Wüsten-Straße 21, undatiert [Privatarchiv Cieslak], S. 2). n Mit der Wahl eines alttestamentlichen Textes für die Bibelarbeit bot sich für die Sonntagsgottesdienste ein Predigttext aus dem Neuen Testament an (ebd.).

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mig für Jeremia 29,4-14 (der Brief Jeremias an die Exulierten in Babylon). 93 Der Landesausschuß bestätigte diesen Vorschlag am 9. November mit nur einer Gegenstimme, 94 womit 1975 erstmalig in der Geschichte der Kirchentagskongresse ein alttestamendicher Text im Mittelpunkt der Bibelarbeit stand. Für die Erarbeitung einer Exegese dieses Textes, die jeder Kongreßteilnehmer in die Hand bekommen sollte, konnte der selbst zum Ausschuß gehörende Leipziger Alttestamender Prof. Siegfried Wagner gewonnen werden. Mit dem Brief des Jeremia an die Verbannten im babylonischen Exil war ein Text gewählt worden, bei dem ganz unmittelbar Parallelen zur Existenz der Christen in der DDR-Gesellschaft gezogen werden konnten.95 Wie seinerzeit unter den judäischen Exulanten in Babylon gab es auch unter DDR-Christen die Haltung resignierter oder auch optimistischer Tatenlosigkeit Während die einen resigniert feststellten, daß angesichts der atheistischen Übermacht alles ohnehin keinen Sinn mehr habe, warteten andere in der optimistischen Erwartung ab, daß es mit der DDR schnell zu Ende gehen werde. Den Vertretern beider Positionen - in Babylon und in der DDR - mutete Jeremia zu, „die vorfindlidie Situation als von Gott bewirkt willig anzunehmen" und „um Gottes Willen jetzt das Lebensnotwendige zu tun".96 Denn im Exil - so die Auslegung Siegfried Wagners - erfahre man „Gott neu und anders als bisher" und gewinne „von diesem neuen Wirklichkeitsaufschluß her einen positiven Weltbezug". Wagner weiten „Um Gottes Willen ist Weltverantwortung wahrzunehmen . . . Damit ist nicht einer billigen Anpassung an bestehende Verhältnisse das Wort geredet, sondern das verantwortliche Suchen . . . nach dem gemeint, was wirklich schalom ist . . . Dieser verantwortungsbereite Gesellschaftsbezug erschöpft sich nicht im ,Tun des Gerechten', sondern vollzieht sich zugleich in dem schweren Werk der Fürbitte."97

,J Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Protokoll der 1. Tagung der Arbeitsgruppe „Bibelarbeit" am 21.09.1974 im Pfarramt der Lutherkirche Dresden, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). " Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 9. November 1974 in der Christuskirchgemeinde Dresden-Strehlen - 9 Uhr bis 16 Uhr, 29.11.1974 (Privatarchiv Cieslak), S. 1. 95 Vgl. etwa die Berichte zur Bibelarbeit aus den Arbeitsgruppen 2 und 5 (Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 2: Gemeinde ohne Zäune. Evangelium und Gestalt der Gemeinde, undatiert [KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen], S. 1 f.; Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 5: Als Minderheit leben. Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance, undatiert [KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen], S. 1 f.). * Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Prof. Dr. Siegfried Wagner), Einführende Bemerkungen zu Jeremia 29,4-14, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 1 f. " А. а. O., S. 2.

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

Die Festlegungen der Arbeitsgruppe „Bibelarbeit" einschließlich der von ihr geleisteten Vorarbeiten wurden von allen Vorbereitungskreisen für die einzelnen Arbeitsgruppenthemen akzeptiert und weitergeführt Lediglich der Vorbereitungskreis für Thema 3 (die Bibel als Hilfe für die Gemeinde und den einzelnen) lehnte den Jeremiatext als insgesamt „zu schwer" und für das eigene Thema sowie seine Umsetzung unpassend ab.98 Er entschied sich seinerseits für Apg 6,1 -7. Dieser abweichenden Entscheidung stimmte wiederum der Themenausschuß auf seiner Sitzung am 5. April 1975 - wenn auch schweren Herzens - zu." Als ein wichtiges organisatorisches Problem war von Anfang an die Art und Weise der Verknüpfung von Kongreß und Kirchentag diskutiert worden. Auch an diesem Punkt wurde der ursprüngliche Plan, der von einem Nacheinander beider Veranstaltungen ausgegangen war, aufgegeben. Angesichts der zur Diskussion stehenden Alternativen - Weiterführung der Arbeit in den Gesprächsgruppen des Kongresses einerseits und Beteiligung der Kongreßteilnehmer an den Veranstaltungen des Kirchentages andererseits - entschied der Landesausschuß auf seiner Sitzung am 11. Januar 1975 mit nur einer Gegenstimme, den Kongreß erst am Sonntagvormittag mit einer Auswertungs- und Abschlußeinheit zu beenden.100 Um 8.30 Uhr sollte für seine Teilnehmer „eine besondere Stunde mit dem Bischof und anschließend eine vierte Gesprächsrunde in den Gemeindezentren" stattfinden,101 so daß nach diesem Plan der Kongreß am Sonntag erst gegen 12.30 Uhr - etwa zur gleichen Zeit wie die beiden großen Gemeindeversammlungen des Kirchentages - endete.102 Trotzdem sollten allerdings die Ergebnisse des Kongresses für die thematischen Anregungen des Kirchentages nutzbar gemacht werden. Dazu waren die Ergebnisprotokolle aus den Gesprächsgruppen zumindest im Entwurf bereits am Sonnabendabend fertigzustellen und bis 19.00 Uhr abzuliefern, damit Bischof Hempel, der auf 48 In den Gesprächsgruppen dieses Themenzentrums sollten „die Methoden der Hausbibelgruppen in Ottendorf-O. vorgestellt und praktiziert werden" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens [Kahl], Protokoll. Sitzung des Themenausschusses am Sonnabend, dem 5.April 1975, 9.4.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 1). " Ebd. 100 Kirchentagskongreß der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll Uber die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Januar 1975, 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, undatiert (Privatarchiv Cieslak), S. 2. 101 Wenzel, Protokoll über die gemeinsame Beratung der Organisations-Untergruppen „Organisation des Sonntags" und „Tagungsbüro" am 17.1.1975 bei Familie Kahle, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Protokolle Organisationsausschuß), S. 2. 102 Kirchentagskongreß 1975. Organisationsausschuß (Kahle), Niederschrift Uber die Koordinierungsberatung am 29.1.1975 in der Dreikönigskirche, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Protokolle [KT 1975]), S. 1.

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beiden Gemeindeversammlungen zum Kirchentags- und Kongreßthema referieren würde, noch auf sie eingehen und sie verwenden könnte.103 War angesichts der unterschiedlichen Zielstellung des Kongresses einerseits und des Kirchentages andererseits ein teilweises Nebeneinander beider Veranstaltungen durchaus sinnvoll und möglich, gab es unter organisatorischen Gesichtspunkten deutliche Kritik an diesem Ablaufplan. In der Arbeitsgruppe „Gottesdienste" wurden dazu auf ihrer Sitzung am 12. April dementsprechend „viele Anfragen" laut Insbesondere wurde die letzte Arbeitseinheit am Sonntagvormittag in den Gemeindezentren für „ungünstig" gehalten, da ihre Durchführung „die am Kongreß beteiligten Pfarrer" hindern würde, auf den Gemeindeversammlungen „für die Betreuung ihrer Gemeindeglieder zur Verfügung" zu stehen.104 Auch der Ortsausschuß empfahl auf seiner Sitzung am 7. Mai 1975 von dieser letzten Arbeitseinheit abzusehen und den Kongreß mit der Veranstaltung mit Bischof Hempel am Sonntagmorgen in der Annenkirche zu beschließen.105 Der Landesausschuß folgte dieser Empfehlung allerdings nicht Ein weiteres Problem bei der Vorbereitung des Kongresses, dessen Diskussion bis in die erste Planungsphase zurückreichte, lag in der Gewinnung und Zurüstung der erforderlichen Anzahl von Gesprächsgruppenleitern. Da jede der geplanten 40 Gesprächsgruppen mit einer Gesprächsleitung von 3 bis 4 Personen besetzt werden sollte, ergab sich unmittelbar ein Bedarf von ca. 150 Gesprächsgruppenleitern, die nicht alle aus dem vorhandenen Reservoir des Kirchentagskongresses rekrutiert werden konnten. Nach einer vorläufigen Schätzung standen von denen, die diese Aufgabe bereits auf einem der zurückliegenden Kongresse wahrgenommen oder einen der Kurse in Gesprächsführung erfolgreich absolviert hatten, lediglich 70 bis 80 Gesprächsgruppenleiter zur Verfügung. Deshalb sollten zum einen zusätzlich 40 bis 50 Jugendmitarbeiter gewonnen, zum anderen jedoch 20 bis 30 Gesprächsgruppenleiter neu zugerüstet werden.106 Dem103

Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (Kahl), Protokoll. Sitzung des Themenausschusses am Sonnabend, dem 5. April 1975, 9.4.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 3; Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Küchler), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Donnerstag, 29.5.1975, 18.30-21.30 Uhr im Martha-Heim, 30.5.1975 (Privatarchiv Cieslak), S.2. 104 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst (Küchler), Protokoll über die 8. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Sonnabend, dem 12.4.75, 8.30-10.45 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 17.4.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 2. 105 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Ortsausschuß (Küchler), Protokoll über die Beratung des Ortsausschusses am 7.5.75 9.00-11.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche zur Vorbereitung des Kirchentagskongresses und Kirchentages 1975, 7.5.1975 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Orts-General-Ausschuß), S. 1. 106 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Themenausschuß '75 (Dr.

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D e r K o n g r e ß u n d Kirchentag 1975 in Dresden

entsprechend wandte sich Herbert Gehre bereits am 15. August 1974 an die bisherigen „Gesprächsgruppenleiter und Mitarbeiter im Kirchentagskongreß", bat um ihre Unterstützung und um die Einwerbung weiterer Mitarbeiter.107 Obwohl die Bereitschaft, sich für diese Aufgabe neu zur Verfügung zu stellen, hinter den Erwartungen zurückblieb, so daß die Bitte um Mitarbeit im Herbst noch einmal wiederholt werden mußte,108 konnte schließlich am 25. Januar 1975 in Dresden die methodische Zurüstung der neugewonnenen Mitarbeiter durchgeführt werden (24 Personen).109 Ihre thematische Zurüstung erfolgte dezentral durch die Verantwortlichen des jeweiligen Arbeitsgruppenzentrums, in dem sie als Gesprächsgruppenleiter eingesetzt werden sollten.110 Sowohl durch die Größe des geplanten Kongresses als auch durch seine Verbindung mit einem großen Kirchentag ergaben sich in der Vorbereitung weitere Besonderheiten, die es bei den vorangegangenen kleinen Kongressen in dieser Weise nicht gegeben hatte. Wederum wurde - wie in Vorbereitung des Landeskirchentages 1968 - ein Plakatwettbewerb ausgeschrieben. Anders als damals sollte dieser jedoch nicht nur ein Plakat umfassen (dessen staadiche Genehmigung zum Druck ohnehin unsicher schien), sondern auch ein vielfältig verwendbares Kirchentagssignet.111 Die allgemeine Ausschreibung zu diesem Wettbewerb erfolgte in der kirchlichen Hans Geisler), Protokoll der 1. Beratung der Arbeitsgruppe 1 (Themenausschuß) für die Vorbereitung des Kirchentagskongresses 1975 am 19.Juni 1974, 17 bis 20 Uhr in der Lukaskirche Dresden, 21.7.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 1 f. 107 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Gesprächsgruppenleiter und Mitarbeiter im Kirchentagskongreß, Betr.: Kirchentagskongreß/Kirchentag 1975, 15.8.1974 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973), S. 1. 10e Auf der Titelseite der im November versandten Dokumentation zum Kirchentag (Kongreß und Kirchentag 1975. 23.-25. Mai/Trinitatissonntag, 25. Mai, in Dresden. Informationen/Vorschau, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], Titelblatt). 109 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer der Tagung für Gesprächsführung am Sonnabend, 25. Januar 1975 - 9.30 bis 16.30 Uhr in Dresden, 16.1.1975 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Gesprächsgruppenleiter); Teilnehmerliste für die Wochenendtagung für Gesprächsführung am Sonnabend, 25.Januar 1975 in Dresden - Versöhnungskirche, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Gesprächsgruppenleiter). 110 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Themenausschuß '75 (Dr. Hans Geisler), Protokoll der 1. Beratung der Arbeitsgruppe 1 (Themenausschuß) für die Vorbereitung des Kirchentagskongresses 1975 am 19.Juni 1974, 17 bis 20 Uhr in der Lukaskirche Dresden, 21.7.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 1 f. 1,1 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kleines Protokoll, Tagung der Arbeitsgruppe 4/5 am Sonnabend, 6. April 1974 in Dresden, 8.8.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 2.

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Wochenzeitung „Der Sonntag".112 Darüber hinaus wurden am 13. September 1974 vom Kunstdienst der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens einige Künstler, an deren Beteiligung dem Landesausschuß besonders gelegen war, in dessen Auftrag gesondert angeschrieben. Die Arbeiten sollten bis zum 30. November an den Kunstdienst gesandt werden. Zum Jahresende standen die Gewinner fest Den ersten Preis, der mit 500 Μ dotiert war, sowie den 3. Preis (200 M) erhielt der Leipziger Graphiker Matthias Klemm, den 2. Preis (300 M) der Dresdner Graphiker Bernd Ringel."3 Um eine bessere, vor allem statistische Auswertung des Kongresses zu gewährleisten, wurden die Kongreßteilnehmer 1975 erstmals darum gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Dieser enthielt eingangs Fragen zur Person (Alter, Geschlecht, soziale Herkunft), erfragte jedoch hauptsächlich, wie die Arbeit in der betreffenden Gesprächsgruppe von dem jeweiligen Teilnehmer empfunden worden sei. Diese Form der Auswertung ging auf einen Entwurf zurück, den die Konferenz der Landesausschüsse für die Arbeitsgruppen der Kirchentage 1974 erarbeitet hatte."4 Als direkte Vorlage diente der Fragebogen des Kirchentages 1974 in Frankfurt (Oder),115 der geringfügig modifiziert wurde.116

War es bei den vorangegangenen kleinen Kongresse zur Auflockerung der Atmosphäre im wesentlichen bei einem „bunten Abend" geblieben, wurde für 1975 durch die Arbeitsgruppe „Sonderveranstaltungen und Ausstellungen" ein umfangreiches Rahmenprogramm vorbereitet Dazu gehörten sowohl musikalische und literarische Veranstaltungen als auch kirchliches Kabarett und mehrere Ausstellungen. Am Kirchentagssonntag wurden „Zentren kreativen Handelns" eingerichtet Für die Besucher der Gemeindeversammlung im Martin-Luther-Garten befanden sich diese an Ort an Stelle, für die Besucher der Kreuzkirche, wo entsprechender Raum nicht zur Verfügung stand, auf dem Gelände der Lukaskirche, wo für sie auch ein Veipflegungsstützpunkt vorgesehen worden war.

112 Beschluß des Landesausschusses vom 11. Mai 1974 (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Mai 1974 - 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche, 8020 Dresden-Strehlen, 28.5.1974 [Privatarchiv Cieslak], S.4). 111 Kunstdienst, Betr.: Wettbewerb für ein Plakat/Signet für den Kirchentag 1975, 13.9.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). 114 Vgl. H . K R Ü G E R - H A Y E / S . L A N G E / I . L E N T / H . M O L L E R - U I B R I G : Evangelischer Kirchentag in der DDR, S. 33-35. m Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Berlin-Brandenburg, Änderungsvorschlag zum beigelegten Fragenbogen (Abschrift), 3.4.1975 (Privatarchiv Kahl). 116 Die Reihenfolge der Fragen wurde geändert und die in der Vorlage angebotene Benotung von „0" bis „6" durch ausformulierte Antwortmöglichkeiten ersetzt (Kirchentagskongreß Dresden 1975 - Themengruppen 1-10, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand]).

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D e r K o n g r e ß und Kirchentag 1975 in D r e s d e n

A m S o n n a b e n d sollte darüber hinaus im Festsaal des D r e s d n e r D i a k o n i s s e n h a u s e s ein o f f i z i e l l e r E m p f a n g für geladene G ä s t e stattfinden. Eingeladen wurden „der Landesausschuß, die Leitung der Landeskirche, G ä s t e und Vertreter des Staates". Als Einladender fungierte die Landeskirche." 7 D i e Einladungen für die Vertreter d e s Staatsapparates sandte Präsident J o h a n n e s am 21. Mai 1975 an den Vorsitz e n d e n d e s Rates d e s Bezirkes D r e s d e n . D e r für ihn persönlich bestimmten Einladung legte er z w e i weitere Einladungen für die „Mitarbeiter für die kirchlichen Angelegenheiten" bei. 1 1 8 - Eine schriftliche Reaktion des Ratsvorsitzenden, der selbst nicht am E m p f a n g teilnahm, ist nicht erhalten. D e n A n g e b o t e n zur „Zerstreuung" korrespondierten solche zur

„Samm-

lung". A m Freitag u n d a m S o n n t a g w u r d e n - w a s es a u c h bereits bei d e n vorangegangenen Kongressen gegeben hatte - jeweils Gebetsgemeinschaft angeboten

sowie

für den

Sonnabendmorgen

in d e n

Gemeindezentren

Abendmahlsgottesdienste vorbereitet Ursprünglich war weiterhin vorgesehen,

am

Freitagabend

in vier G e m e i n d e z e n t r e n

Tischabendmahlsfeiern

anzubieten.119 D i e s e s V o r h a b e n wurde jedoch v o m Landesausschuß seiner S i t z u n g a m 9. M a i w i e d e r v e r w o r f e n , n a c h d e m festgelegt war,

zumindest einige der Sonntagsgottesdienste

als

auf

worden

Abendmahlsgottes-

dienste z u gestalten.120 D i e Vorbereitung der Sonntagsgottesdienste

i m e i n z e l n e n lag in d e n

H ä n d e n der Arbeitsgruppe „Gottesdienste", die den Predigttext auswählte, die Predigtstätten vorschlug und sich u m die Form des jeweiligen Gottesd i e n s t e s k ü m m e r t e . H i n s i c h t l i c h d e s P r e d i g t t e x t e s e n t s c h i e d sie sich entgegen dem Vorschlag,

auch hier Jer 2 9 , 4 - 1 4

z u g r u n d e z u legen,'21

für

117 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Küchler), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 22. M ä r z 1975, 9.00-15.30 U h r im Gemeindehaus der Versöhnungskirche, 23.3.1975 (Privatarchiv Cieslak), S. 2. - Die Einladungen waren von Landesbischof Hempel und Präsident Johannes unterzeichnet. 118 Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt (Dr. Johannes), An den Herrn Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Dresden, 21.5.1975 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 58). Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst (Küchler), Protokoll über die 7. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 21.3.75, 18.00-20.30 U h r im Gemeindehaus der Lukaskirche, 21.3.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 2. 120 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst (Küchler), Protokoll über die 10. Tagung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Montag, dem 12.5.1975, 16.00 bis 17.00 U h r im Gemeindehaus der Lukaskirche, 20.5.1975 (Privatarchiv Cieslak). 121 Dieser Vorschlag war von der Arbeitsgruppe „Bibelarbeit" unterbreitet worden. Diese hatte weiterhin vorgeschlagen: „Die Prediger werden gebeten, an der Bibelarbeit teilzunehmen und nach Möglichkeit Gesprächsergebnisse in ihre Predigten aufzunehmen. Dadurch würde vermieden, d a ß die Bibelarbeit ,im Sande verläuft'" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Protokoll der 1. Tagung der Arbeitsgruppe „Bibelarbeit" am 21.09.1974 im Pfarramt der Lutherkirche Dresden, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand]). Soweit sich das erkennen läßt, wurde diese Möglichkeit

Veränderte Perspektiven

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Offenbarung 21,1-5a122 und entsprach damit der Empfehlung des Landesausschusses, für die Sonntagsgottesdienste des Kirchentages123 einen neutestamentlichen Text zu wählen. Der Landesausschuß billigte diese Textwahl auf seiner Sitzung am 11.Januar 1975.124 Die Gottesdienste sollten dezentral in mehreren Dresdner Kirchen stattfinden, die Durchführung eines einzigen großen Abschlußgottesdienstes wurde angesichts der damit verbundenen Schwierigkeiten nicht erwogen. Darüber hinaus bot die dezentrale Durchführung die Möglichkeit, ganz unterschiedliche Gestaltungsformen anzubieten (Jugendgottesdienst, Familiengottesdienst, Posaunengottesdienst, Missionsgottesdienst,125 Gesprächsgottesdienst u. a.).126 in der Arbeitsgruppe „Gottesdienste" noch nicht einmal diskutiert (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst [Küchler], Protokoll Uber die 2. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 8.11.74, 18.00-21.30 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 17.11.1974 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 3). ш Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst (Küchler), Protokoll über die 3. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 29.11.74, 18.00-21.30 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 1.12.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 3. m Dem Vorschlag des Ortsausschusses, „den Predigttext des Kirchentags für die ganze Landeskirche zu erbitten", den sich der Landesausschuß zu eigen gemacht hatte (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 9. Nov. 1974 in der Christuskirchgemeinde Dresden-Strehlen - 9 Uhr-16 Uhr, 29.11.1974 [Privatarchiv Cieslak], S. 2), entsprach Landesbischof Hempel nicht (vgl. Kirchentagskongreß der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Gehre], Protokoll Uber die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Januar 1975, 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, undatiert [Privatarchiv Cieslak], S. 1). ш Ebd. 125 Bei diesem Gottesdienst handelte es sich eigentlich um den Festgottesdienst anläßlich des 75jährigen Bestehens des Dresdner Missionskreises, der zeitlich mit dem ursprünglichen Termin des Kirchentages zusammenfiel und deshalb ebenfalls im Rahmen des Kirchentages „und damit auch unter seiner Gesamtthematik" durchgeführt werden sollte (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst [Küchler], Protokoll über die 3. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 29.11.74, 18.00-21.30 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 1.12.1974 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 1). An dieser Verbindung von Festgottesdienst und Kirchentag wurde auch nach der notwendigen Verlegung des Kirchentagstermins von beiden Seiten festgehalten (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst [Küchler], Protokoll über die 5. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 17.1.75, 18.00-20.45 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 18.1.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 1). ш Der anfängliche Plan der Arbeitsgruppe Gottesdienst, auf dem Kirchentag mit einem eigenen „Modellgottesdienst" in Erscheinung zu treten (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen. Arbeitsgruppe Gottesdienst [Burkhard/Küchler], Protokoll über die 1. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Mittwoch, 25.9.74, 16.00-19.00 Uhr, im Gemeindehaus Lukaskirche, 30.10.1974 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand]), wurde später wieder aufgegeben (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Lan-

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

Nachdem anfangs insgesamt sieben Gottesdienste127 fest eingeplant worden waren, wurden ab März 1975 angesichts der unbestimmten Anzahl von zu erwartenden Kirchentagsbesuchern zusätzlich drei weitere Gottesdienste vorbereitet, die lediglich bei Bedarf stattfinden sollten.128 Eine kontroverse Diskussion gab es noch kurz vor dem Kirchentag hinsichdich des Gottesdienstes in der Christuskirche, der von einer Gruppe aus DresdenBühlau vorbereitet wurde. Diese Gruppe, die auch sonst eigenständiges Arbeiten gewohnt war, hatte sich für eine eigene Form des Gottesdienstes entschieden, die besonders die Gemeinschaft der Teilnehmenden zum Ausdruck bringen sollte. Entsprechend war dort „das Abendmahl . . . in besonderer Weise in den Gottesdienst mit eingeschlossen", bei dem auch Kinder nicht übergangen werden sollten. Über dieses Vorhaben wurde in der Arbeitsgruppe Gottesdienst auf ihrer Sitzung am 12. Mai 1975 umfassend berichtet 1 2 9 Diese informierte daraufhin ihrerseits den Landesausschuß, der auf seiner Zusammenkunft am 29. Mai nahezu einheldeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst [Küchler], Protokoll über die 3. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 29.11.74, 18.00-21.30 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 1.12.1974 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 1). - Ebensowenig wurde der Plan eines besonderen evangelisch-katholischen Gottesdienstes verwirklicht. Präsident Cieslak hatte auf der Sitzung des Ortsausschusses am 5. November 1974 den Vorschlag unterbreitet, „daß im Abschlußgottesdienst in der Hofkirche der Kath. Bischof und unser Landesbischof gemeinsam auftreten sollen". Im Ortsausschuß wurde dieser Vorschlag zwar „lebhaft" begrüßt, die Arbeitsgruppe „Gottesdienst" hielt eine solche Veranstaltung jedoch „nicht für günstig". Denn: „Der eine Gottesdienst mit den beiden Bischöfen würde die anderen 6 Abschlußgottesdienste zu sehr in den Hintergrund drücken. Es bestände die Gefahr, daß die Teilnehmer des Kirchentages alle zu dem einen Gottesdienst gehen wollten" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst [Küchler], Protokoll über die 2. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 8.11.74, 18.00-21.30 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 17.11.1974 [KKTArchiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 2). Dieser Argumentation Schloß sich der Landesausschuß auf seiner Sitzung am 9. November 1974 an (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst [Küchler], Protokoll über die 3. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 29.11.74, 18.00-21.30 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 1.12.1974 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 1). 1D Vgl. Unterwegs zur Gemeinde von morgen. Kirchentag am Sonntag, l.Juni 1975 in Dresden, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). 128 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst (Küchler), Protokoll über die 7. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 21.3.75, 18.00-20.30 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 21.3.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 1; Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst (Küchler), Protokoll über die 8. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Sonnabend, dem 12.4.75, 8.30-10.45 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 17.4.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 1. 1H Kirchentagskongress der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst (Küchler). Protokoll über die 10. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Montag, dem 12.5.1975, 16.00 bis 17.00 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 20.5.1975 (Privatarchiv Cieslak).

Veränderte Perspektiven

359

Iig130 zu der Ansicht gelangte, daß das vorgesehene Kinderabendmahl nicht akzeptiert werden könne. Noch am gleichen Tag sollten drei Vertreter des Landesausschusses sich mit der Vorbereitungsgruppe aus Bühlau in Verbindung setzen. Dazu wurde festgelegt: „In diesem Gespräch ist zu erreichen, daß von einer Kinderkommunion im Rahmen des Gottesdienstes Abstand genommen wird." 131 Dieses Gespräch verlief jedoch „letztlich ergebnislos", die Vorbereitungsgruppe war „nicht bereit, auf die Kinderkommunion zu verzichten". Angesichts dessen beschloß der Landesausschuß ein nochmaliges Gespräch. Sollte dieses wiederum nicht zur Absetzung des Kinderabendmahls führen, müsse der betreffende Gottesdienst - wie der Landesausschuß nicht mehr ganz so einhellig fesdegte entfallen.' 32 D a die Gruppe Bühlau in einem neuerlichen Gespräch keinen Sinn sah, wurde auf der Sitzung des Landesausschusses am Sonnabendabend beschlossen, daß „in der Christuskirche kein Abschlußgottesdienst stattfindet". 133 Ebenfalls kurz vor dem Kirchentag erfuhr der Landesausschuß, daß für den Jugendgottesdienst in der Annenkirche „ein Liedblatt ausgegeben werden soll, auf dem ein Lied mit eindeutig antimilitaristischem Charakter" stehe. 134 Angesichts dessen, daß dies staadicherseits a b Provokation verstanden werden könnte, beschloß der Landesausschuß, den Text des Liedes vorher zu prüfen. 135 Diese Prüfung verlief negativ. Der Ausschuß legte daraufhin fest, daß dieses Lied nicht gesungen werden sollte. 136

Ein weiterer Schwerpunkt in der Vorbereitung des Kirchentagssonntags war die Planung und Gestaltung der Vormittagsveranstaltungen. Nachdem hierbei anfangs an drei „Vortragszentren" in Dresdner Kirchen (Kreuzkirche, Annenkirche, Martin-Luther-Kirche) gedacht worden war,137 unter130 „Von den 12 Anwesenden stimmte einer dagegen, und es gab eine Stimmenthaltung" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Küchler], Protokoll Uber die Sitzung des Landesausschusses am Donnerstag. 29.5.1975, 18.30-21.30 U h r im Martha-Heim, 30.5.1975 [Privatarchiv Cieslak], S . 2 ) . 131 Ebd. 1 И „ D e r LA beschließt mit 9 Ja-Stimmen, 2 Gegenstimmen und 3 Stimmenthaltungen, daß der Gottesdienst in der durch die Gruppe Bühlau vorgeschlagenen Weise stattfinden kann, aber dabei auf die Kinderkommunion verzichtet werden muß. Anderenfalls entfällt der Gottesdienst" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Küchler], Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Freitag, 30.5.1975, 21.45-0.15 Uhr im Martha-Heim, 31.5.1975 [Privatarchiv Cieslak], S . 2 ) . ш Εν. Kirchentagskongress der Landeskirche Sachsens (Küchler), Protokoll Uber die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 31.5.1975, 20.30-21.30 Uhr im Festsaal des Diakonissenhauses Dresden, 31.5.1975 (Privatarchiv Cieslak), S. 1. ш In den Akten sind weder Text noch Titel dieses Liedes überliefert. 1,5 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Küchler), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Freitag, 30.5.1975, 21.45-0.15 Uhr im Martha-Heim, 31.5.1975 (Privatarchiv Cieslak), S . 2 . ш Εν. Kirchentagskongress der Landeskirche Sachsens (Küchler), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 31.5.1975, 20.30-21.30 Uhr im Festsaal des Diakonissenhauses Dresden, 31.5.1975 (Privatarchiv Cieslak), S. 1. 137 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst

360

Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

breitete der Organisationsausschuß auf seiner Sitzung am 15. Januar 1975 den Vorschlag, „evt. den Garten des Diakonissenhauses für eine der Gemeindeversammlungen am Sonntagvormittag zu nutzen".'38 Dieser Vorschlag fand die Zustimmung der zuständigen Arbeitsgruppe,"9 so daß Herbert Gehre noch am gleichen Tag die Arbeitsgruppe „Gottesdienst" darüber informieren konnte, „daß nach dem neuesten Stand nur noch 2 gleiche Veranstaltungen für den Sonntagvormittag vorgesehen sind. Eine Veranstaltung in der Kreuz-Kirche mit ca. 4,5 Tausend Besuchern und eine zweite im Freigelände des Diakonissenkrankenhauses mit ca. 8,0 Tausend Teilnehmern."140 Nachdem es auf der Sitzung des Organisationsausschusses am 29. Januar 1975 noch offengeblieben war, welches Gelände im Bereich des Diakonissenhauses (das Gelände oberhalb der Holzhofgasse oder der Martin-Luther-Garten unterhalb der Holzhofgasse) genutzt werden sollte,141 entschied sich der neugebildete Ausschuß für die Gestaltung des Sonntags am 15. Februar 1975, nachdem das Gelände in Augenschein genommen worden war,142 für den Martin-Luther-Garten.143 Beide „Gemeindeversammlungen" (Martin-Luther-Garten und Kreuzkirche) sollten entsprechend den örtlichen Gegebenheiten parallel verlaufen. Landesbischof Hempel wurde gebeten, seinen Vortrag zum Thema des Kirchentags „Unterwegs zur Gemeinde von morgen" - zeitlich versetzt - auf beiden Veranstaltungen zu halten. Als Rahmenprogramm für den

(Küchler), Protokoll über die 3. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 29.11.74, 18.00-21.30 Uhr Im Gemeindehaus der Lukaskirche, 1.12.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 3; vgl. Kirchentagskongreß der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 1 I.Januar 1975, 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, undatiert (Privatarchiv Cieslak), S. 2. 13e Vgl. Wenzel, Protokoll über die gemeinsame Beratung der Organisations-Untergruppen „Organisation des Sonntags" und „Tagungsbüro" am 17.1.1975 bei Familie Kahle, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Protokolle Organisationsausschuß), S. 1. ' » Ebd. 140 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst (Küchler), Protokoll über die 5. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 17.1.75, 18.00-20.45 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 18.1.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 2. 141 Kirchentagskongreß 1975. Organisationsausschuß (Kahle), Niederschrift über die Koordinierungsberatung am 29.1.1975 in der Dreikönigskirche, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Protokolle [KT 1975]), S.2. 142 Kirchentagskongreß 1975. Organisationsausschuß. Gruppe Sonntagsorganisation, Niederschrift über eine Besichtigung des Geländes am Diakonissenhaus am 9.2.74 [75], undatiert (Privatarchiv Cieslak). 143 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Küchler), Protokoll über die Beratung der Vorbereitungsgruppe am 15.2.75, 9.00-12.00 Uhr im Jugend-Pfarramt für die Gestaltung des Sonntags, 16.2.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand).

Veränderte Perspektiven

361

Kirchentag, insbesondere für die Zeit zwischen den Gemeindeversammlungen und dem Beginn der Abschlußgottesdienste, waren die bereits erwähnten „Zentren kreativen Handelns" gedacht Nachdem die grundsätzliche Planung für 1975 bereits im Zusammenhang der Regionalkongresse des Jahres 1974 bekanntgegeben worden war, erfolgten nähere Informationen über das geplante Programm im Herbst 1974. Unter dem Datum des 3. September wurden die sächsischen Superintendenten sowie Vertreter kirchlicher Werke für den 8. bis 10. Oktober zu einer Informationstagung eingeladen. Aufgrund zeitlicher Überschneidungen mit dem Ephorenkonvent mußte diese Informationsveranstaltung dann allerdings verlegt und auf einen Tag begrenzt werden und fand damit erst am 5. November 1974 statt.144 Ebenfalls im November wurde eine umfangreiche „Dokumentation" zum Kongreß und Kirchentag vervielfältigt145 und „an alle Pfarrer der Landeskirche zur Behandlung in den Kirchenvorständen, an alle Superintendenten und die kirchlichen Werke gesandt".144 Sie bot nicht nur ein vorläufiges Programm und ausführliche Erläuterungen zu den einzelnen Arbeitsgruppenthemen, sondern war auch dazu gedacht, kurz über die Kongreßarbeit insgesamt zu informieren. Im März 1975 wurden die Einladungen zum Kongreß und Kirchentag versandt147 In der kirchlichen Presse erschien ein längerer Artikel zur geplanten Kirchentagsveranstaltung erstmals am 19. Januar 1975 in der sächsischen Kirchenzeitung „Der Sonntag", in dem Thematik und Ablauf der Veranstaltung vorgestellt wurden (allerdings noch mit der ursprünglichen Terminierung).148 Am 16. Februar folgte eine Ankündigung des Kongresses in der überregionalen Kirchenzeitung „Die Kirche". Darin hieß es unter anderem: „Die Dresdner Tage im Mai dürften etwas davon zum Ausdruck bringen, welche Intensität und welch hohen Stand die Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen als eine zielbewußte kirchliche Laienarbeit

144

Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Betr.: Schreiben vom 3. September 1974 - Informarions-Tagung betreffs Kirchentagskongreß und Kirchentag 1975, 18.9.1974 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Orts-General-Ausschuß). 145 Kongreß und Kirchentag 1975. 23.-25. Mai/Trinitatissonntag, 25. Mai, in Dresden. Informationen/Vorschau, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). 146 So festgelegt auf der Sitzung des Landesausschusses am 7. September 1974 in Görlitz (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Gehre], Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am 7. September 1974 in Görlitz anschließend an die Tagung der beiden Landesausschüsse Sachsen/Görlitz, undatiert [Privatarchiv Cieslak], S. 1). 147 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Pfarrer, Mitarbeiter und Glieder der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, März 1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). 148 Christa Hacker, Unterwegs zur Gemeinde von morgen. Warum Kirchentagskongreß 1975? in: Der Sonntag 30 (1975), Nr. 3 vom 19.Januar 1975, S. 1.

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D e r Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

im Verlauf der letzten Jahre angenommen hat." 149 N a c h d e m am 13. April im „Sonntag" das endgültige Programm veröffentlicht worden war, 1 5 0 wurden dort am 25. Mai unter der Überschrift „Willkommen in Dresden" letzte Informationen meist organisatorischer Art zum Kongreß und Kirchentag gegeben. 1 5 1

6.3. Zur staatlichen Unterstützung Anders als bei den bis dahin durchgeführten kleinen Kongressen, bei denen unter dem Aspekt einer eventuellen Einbeziehung staatlicher Dienststellen lediglich die Frage einer Anmeldung gemäß der Veranstaltungsverordnung152 zur Entscheidung gestanden hatte, konnte ein großer Kongreß mit über 1500 Teilnehmern und einem anschließenden Kirchentagssonntag für den gesamten Bereich der sächsischen Landeskirche nicht ohne frühzeitige Einbeziehung der für Kirchenfragen zuständigen Dienststelle beim Rat des Bezirkes Dresden in Angriff genommen werden. Diese Einbeziehung beinhaltete zum einen eine rechtzeitige Information über die kirchliche Planung, zum anderen jedoch auch die Bitte um „Unterstützung" im technisch-organisatorischen Bereich. Aufgrund der Erfahrungen von 1968 mußte in diesem Zusammenhang zumindest damit gerechnet werden, daß die staadiche Seite wiederum jede Unterstützung verweigern würde, auch wenn diese Möglichkeit angesichts der 1974 erkennbar gewordenen staadichen Tolerierung landeskirchlich begrenzter Kirchentage153 eher unwahrscheinlich war. Die Veranstalter des Kirchentages standen damit vor der Aufgabe, einerseits eine möglichst weitgehende Unterstützung durch staadiche Stellen zu erreichen, andererseits jedoch die Vorbereitung so zu gestalten, daß auch bei einer generellen Verweigerung oder kurzfristigen Zurücknahme bereits gegebener Zusagen die Durchführung der Kirchentagsveranstaltung nicht gefährdet würde. Diese Aufgabe, vor der natürlich nicht nur der sächsische Kongreßausschuß, sondern jeder Veranstalter eines Kirchentages unter DDR-Verhältnissen stand, schien in Sachsen allerdings in besonderer Weise lösbar. Die intensive Arbeit der Kongresse seit 1968 hatte dort zur Vernetzung einer Vielzahl engagierter Christen geführt, die bereit waren, mit ihren begrenzten, in der Summe jedoch nicht unwesentlichen Möglichkeiten den Kongreß zu unterstützen. Diese „Freunde der KonSächsischer Kirchentagskongreß und Landeskirchentag im Mai, in: Die Kirche 30 (1975), Nr. 7 vom 16. Februar 1975. 150 Der Sonntag 30 (1975), Nr. 15 vom 13. April 1975. 151 Der Sonntag 30 (1975), Nr. 21 vom 25. Mai 1975. 152 Vgl. oben S. 59 f. 155 Vgl. oben S.60f., Anm. 235, sowie S. 93-98.

Zur staatlichen U n t e r s t ü t z u n g

363

greß-Arbeit" mit ihrer Einsatzbereitschaft, ihren Ideen und nicht zuletzt ihrem Wissen, wie unter DDR-Verhältnissen etwas zu erreichen war, was offiziell unmöglich schien, bildete ein Potential, das bei der Vorbereitung des Kirchentages 1975 erstmals umfassend genutzt und der staadichen Seite gegenüber auch taktisch geschickt ins Feld geführt wurde. Den Staatsorganen blieb damit - von einem ausdrücklichen Verbot abgesehen, das in dieser Zeit allerdings kirchenpolitisch nicht mehr vertretbar schien - zwar die Möglichkeit einer gewissen Behinderung des Kirchentages, verhindern oder auch nur begrenzen konnten sie ihn nicht Entsprechend spielte die Frage nach der Haltung der staatlichen Stellen bei der kirchlichen Vorbereitung des Dresdner Kirchentages 1975 - anders als 1968 - lediglich eine untergeordnete Rolle. Die ursprüngliche Position der staatlichen Stellen auf bezirklicher wie auf zentraler Ebene entsprach im wesentlichen dem im Beschluß des Sekretariats des SED-Zentralkomitees vom 25. Februar 1970 festgelegten und in der Argumentation des Staatssekretariats für Kirchenfragen vom 2. April 1970 erläuterten Rahmen.154 Staadiche Genehmigungen und organisatorische Hilfestellungen im Zusammenhang von Kirchentagsveranstaltungen waren damit grundsätzlich zwar nicht mehr ausgeschlossen, sollten jedoch so gering wie möglich gehalten werden. Daß sich der Rat des Bezirkes Dresden am Ende dennoch zu einer relativ weitgehenden Unterstützung des Kirchentages bereit erklärte und sich im nachhinein unbeabsichtigt sogar in der Rolle seines wohlwollenden Förderers wiederfand, war der kirchlichen Verhandlungstaktik, der geschickten Argumentation und wohl auch einigen, sich im nachhinein als günstig erweisenden Zufällen und Mißverständnissen zuzuschreiben. Insgesamt verfuhr die kirchliche Seite dabei nach einem Verhandlungskonzept, das sowohl den Befürchtungen staadicher Stellen Rechnung trug als auch deren eigene Argumentationsweise aufgriff, ohne etwas von den Kirchentagsplänen an sich preiszugeben. Auf der Grundlage der erhaltenen Protokolle sind im großen und ganzen drei Aspekte besonders hervorzuheben: Erstens: Von staatlicher Seite auf mögliche Provokationen angesprochen, wurde kirchlicherseits nicht mehr nur erklärt, daß man diese zwar ablehne, es jedoch nicht in der Hand habe, was und wie sich die einzelnen Teilnehmern äußerten. Statt dessen wurde mehrfach versichert, „daß der Veranstalter Vorsorge dafür getroffen" habe, „daß auch aus den Äußerungen des Kirchentages keine Belastung des Verhältnisses von Staat und Kirche" entstünde „und keine unqualifizierten Äußerungen über die Politik der DDR" erfolgten.155 1И

Vgl. oben S. 98. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Landeskirchentagskongreß in Sachsen vom 23.-25.5.75 in Dresden, 20.12.1974 (SHStA, BT/RdB Dresden, 155

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D e r K o n g r e ß u n d K i r c h e n t a g 1975 in D r e s d e n

Zweitens wurden die staatlichen Stellen bei in Aussicht gestelltem Entgegenkommen sofort durch ausdrückliche - möglichst öffentliche - Dankesbekundungen der kirchlichen Veranstalter bei diesen ihren Zusagen behaftet In diesem Zusammenhang konnte den staatlichen Dienststellen durchaus auch für konkrete Unterstützung gedankt werden, an deren Zustandekommen diese - zum Teil absichdich, zum Teil aus Versehen gar nicht beteiligt worden waren. Wären sie gefragt worden, hätten sie sich zu den betreffenden Hilfestellungen unter Umständen gar nicht bereit gefunden. Einer der wesendichsten Punkte in der Verhandlungsstrategie scheint es schließlich drittens gewesen zu sein, die im Zusammenhang des Kirchentages gestellten Anträge weniger mit einem kirchlichen Interesse als vielmehr mit dem staatseigenen Bestreben nach „Ordnung und Sicherheit" zu begründen. Die kirchliche Botschaft, daß der Kirchentag auf jeden Fall durchgeführt werde, wurde dabei durch die indirekte Mitteilung ergänzt, daß die Genehmigung der gestellten Anträge eigentlich im ureigensten Interesse der staatlichen Stellen wäre, die doch jedes öffenüiche Aufsehen im Zusammenhang des Kirchentages vermeiden wollten. Ob derartige Argumente die direkt an den Gesprächen beteiligten Staatsfunktionäre wirklich überzeugt haben, sei allerdings dahingestellt. Zumindest wurden ihnen damit Argumente an die Hand gegeben, mit denen sie wiederum ihren vorgesetzten Dienststellen gegenüber eventuelle Zugeständnisse begründen konnten - und dann auch tatsächlich begründeten.156 Darüber hinaus mag ihnen deutlich geworden sein, daß durch Verweigerung der erbetenen Hilfe an der Veranstaltung selbst nicht mehr viel zu ändern sei, durch ein gewisses Entgegenkommen das Verhältnis zur sächsischen Landeskirche jedoch verbessert werden könnte. Nachdem die staatliche Seite bereits am 23. Januar 1974 über das Vorhaben eines „Kirchentagskongresses mit größeren Teilnehmerzahlen als üblich" in Kenntnis gesetzt worden war,157 erfolgte eine erste ausführliche Information anläßlich eines Gespräches des Referatsleiters Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden, Dr. Horst Dohle, mit dem sächsischen Synodalpräsidenten Cieslak sowie Oberlandeskirchenrat v. Brück am 30. August 1974. Nachdem v. Brück eingangs Reisefragen angesprochen hatte, trug Cieslak „zur staatlichen Information erste Vorstellungen über

45088, Bl. 61-62), S. 2; vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Lewerenz), Betr.: Gespräch mit Präses Cieslak am 14.5.1975, 16.5.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 663). 156 Vgl. insbesondere Pers. Referent (Dr. Dohle), Dienstreisebericht, 31.3.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 1122), S. 2. 157 Vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Präses Cieslak, 28.1.1974 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45933, Bl. 191-192), S. 1.

Zur staatlichen Unterstützung

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den geplanten Kirchentagskongreß in Dresden vor".158 Dabei umriß er kurz Thema, Umfang und Ablauf der Veranstaltung und sicherte - auf Bitten Döhles - die umgehende Zusendung eines „möglichst genauen Programmes" zu.159 Weiterhin erklärte er, daß man zwar nicht plane, „den Staat um öffentliche Plätze, Wiesen u. ä. [zu] bitten", sich jedoch „staadiche Unterstützung in folgenden Richtungen" erhoffe: „Druckgenehmigung für ein Programmheft, Verkehrsregelung durch die VP, Sonderbusse, möglicherweise Verpflegung der Teilnehmer am 25.5.75" (also am Kirchentagssonntag).160 Ausländische Gäste würden hingegen - so Cieslak - „bestenfalls aus den sozialistischen] Ländern erwartet". Staatlicherseits „wurde das alles zur Kenntnis genommen und Prüfung zugesichert".161 Knapp drei Wochen nach diesem Gespräch übersandte Cieslak dem Rat des Bezirkes - wie angekündigt, jedoch mit Verspätung - „den vorläufigen Plan für den Kirchentag unserer Landeskirche".162 Die Verspätung erklärte er damit, daß er noch gewartet habe, „um den letzten Stand unserer Überlegungen mit einzubeziehen".163 Dohle wiederum leitete dieses Programm zusammen mit seinem Vermerk über das am 30. August geführte Gespräch als erste Information an die betroffenen oder zuständigen Dienststellen im Staats-, Partei- und Sicherheitsapparat weiter.164 Als Reaktion darauf kündigte die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen in ihrer Information 8/74 eine grundsätzliche Beratung in dieser Angelegenheit zusammen mit den betroffenen Räten der Bezirke (Dresden, Leipzig

158

Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Landeskirchentagskongreß in Sachsen vom 23.-25. Mai 1975 in Dresden, 2.9.1974 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 115-116), S. 1. и» А. а. О., S. 2. 160 Ebd. m Ebd. 162 Es handelte sich um ein Exemplar des im September in einer Auflage von 100 Stück vervielfältigten vorläufigen Programms (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Kirchentagskongreß und Kirchentag 1975, 23. bis 25. Mai in Dresden, Thema: „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", undatiert [KKT-Archiv Dresden, Regionaltreffen 1974: Dresden]). 163 Vgl. Johannes Cieslak, An den Rat des Bezirkes. Referat Kirchenfragen, 17.9.1974 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088). 164 Im einzelnen: die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, die Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED, die SED-Bezirksleitung Dresden, die MfS-Bezirksverwaltung sowie die Referate Kirchenfragen bei den Räten der Bezirke Karl-Marx-Stadt und Leipzig, deren Gebiet ebenfalls zur sächsischen Landeskirche gehörte. Das Programm ohne Gesprächsvermerk ging darüber hinaus an die Bezirksdienststelle der Deutschen Volkspolizei (vgl. den „Verteiler" auf dem in Dresden abgelegten Exemplar Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Dr. Dohle], Betr.: Landeskirchentagskongreß in Sachsen vom 23.-25. Mai 1975 in Dresden, 2.9.1974 [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 115-116], S.2).

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

und Karl-Marx-Stadt) an.'65 Bis Jahresende hatte diese Anleitung jedoch noch nicht stattgefunden. Als der Präsident des Landeskirchenamtes, Dr. Johannes, und Synodalpräsident Cieslak sich Mitte Dezember beim Rat des Bezirkes erneut anmeldeten, „um ihre detaillierten Vorstellungen zum Kirchentag vorzutragen und um Staad. Unterstützung in einigen Fällen zu erbitten", konstatierte Dohle, daß die „angekündigte Beratung der RdB noch nicht stattgefunden" habe, wodurch „die nun heranreifenden Staad. Entscheidungen zu diesem Betreff durch den RdB Dresden erheblich erschwert" würden.166 Cieslak und Johannes präzisierten bei diesem am 20. Dezember geführten Gespräch, an dem neben dem scheidenden Referatsleiter Dohle dessen Nachfolger Gerhard Lewerenz sowie der dortige Mitarbeiter Herbert Hammer teilnahmen, insbesondere ihre Bitte um staadiche Unterstützung. Diese betreffe die Bereiche „1. Druckgenehmigungen", „2. Verpflegung" und „3. Verkehrs- und Parkmöglichkeiten". Gedruckt werden sollten im einzelnen „3.000 Faltkarten", „30.000 Teilnehmerkarten", „15.000 Programmhefte" und „1.500 Plakate". Verpflegung (Beutel mit Kaltverpflegung sowie Getränke) wurde dagegen lediglich für die „maximal 15.000 Gäste am 25.5.75" erbeten, während die Verpflegung der 1.500 Dauerteilnehmer „kirchlich gesichert" werde. Die unter Punkt 3 vorgetragenen Anliegen beschränkten sich im wesentlichen auf die Bereitstellung von Parkmöglichkeiten, da - angesichts der schlechten Erfahrungen, die in der Vergangenheit mit Busbestellungen gemacht worden seien167 - die Besucher zum Kirchentag mit „knapp 4.000 PKWs" anreisen würden. Die beim ersten Gespräch am 30. August vorgetragene Bitte um Sonderbusse wurde damit ausdrücklich nicht aufrechterhalten. Ebensowenig erbaten Cieslak oder Johannes eine Genehmigung für die Herstellung von Kirchentagsabzeichen (etwa mit dem aus dem Wettbewerb als Sieger hervorgegangenen Signet). Zwar kam in dem Gespräch zum Ausdruck, daß so etwas geplant wäre, über die Form sei jedoch noch nicht entschieden.168 Dagegen teilten sie Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Landeskirchentagskongreß in Sachsen vom 23.-25.5.75 in Dresden, 20.12.1974 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 6 1 - 6 2 ) , S. 1. Ebd. „Man habe bisher die Erfahrung gemacht, daß abgeschlossene Busbestellungen ganz kurzfristig gekündigt worden seien" ( a . a . O . , S. 2). Diese Erfahrungen bezogen sich freilich weniger auf den sächsischen Raum als auf Vorkommnisse bei Kirchentagen anderer Landeskirchen. Wichtiger war jedoch, daß dem Staatsapparat auf diese Weise mitgeteilt wurde, daß die Kirche ohne staatliche Hilfe (Bereitstellung von Bussen) in der Lage sei, ca. 16000 Kirchentagsteilnehmer nach Dresden zu transportieren. 168 Im Protokoll der Sitzung des Landesausschusses am 9. November 1974 ist allerdings der Druck von „Anhängern/Buchzeichen" ohne Einschränkung als Vorhaben vermerkt und unter den Punkten aufgeführt, zu denen erst nach dem „nächsten Gespräch mit dem Rat des Bezirkes" weitergearbeitet werden könne (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskir-

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„auf Befragen" mit, daß auf dem Kirchentag bezüglich eventueller „unqualifizierter Äußerungen über die Politik der DDR" Vorsorge getroffen werden würde.169 Zur Ergänzung des bereits zugesandten Programms überreichten sie ein Exemplar des im November kirchenintern vervielfältigten Informationsheftes zum Kongreß und Kirchentag.170 Die anwesenden Staatsvertreter nahmen das Informationsheft entgegen und die kirchlichen Ausführungen zur Kenntnis. Eine Entscheidung in der Frage der Druckgenehmigungen sollte bis 15. Januar 1975, zu den anderen Punkten „Ende Januar/Anfang Februar 1975" erfolgen.171 Da sich die kirchliche Seite offensichtlich auf die Genehmigung von Plakaten zum Stralsunder Kirchentag172 bezogen hatte, war bereits während des Gesprächs darauf hingewiesen worden, „daß es im Jahr 1974 nicht für alle Kirchentage Plakate gegeben" habe.173 Trotz dieses Hinweises174 war der Eindruck, den die Kirchenvertreter mit nach Hause nahmen, positiv. Auf der Sitzung des Landesausschusses am 11. Januar 1975 berichtete Präsident Cieslak, daß abgesehen von Plakaten - mit einer Genehmigung der vorgesehenen Drucksachen gerechnet werden könne.175

che Sachsens. Landesausschuß [Heibert Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 9. Nov. 1974 in der Christuskirchgemeinde Dresden-Strehlen - 9 U h r bis 16 Uhr, 29.11.1974 [Privatarchiv Cieslak], S.2). 1M Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Landes kirchentagskongreß in Sachsen vom 23.-25.5.75 in Dresden, 20.12.1974 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 61-62), S.2. 170 Kongreß und Kirchentag 1975. 23.-25. Mai/Trinitatissonntag, 25. Mai, in Dresden. Informationen/Vorschau, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), 18 Seiten (ohne Titelblatt). ш Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Landeskirchentagskongreß in Sachsen vom 23.-25.5.75 in Dresden, 20.12.1974 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 61-62), S.2. 172 Vgl. oben S. 59, Anm. 225. A . a . O . , S. 1. 171 Mit einer ablehnenden Haltung der staatlichen Stellen in dieser Frage war kirchlicherseits bereits gerechnet worden. Aus diesem Grund war nicht lediglich ein Plakatwettbewerb ausgeschrieben, sondern darüber hinaus von den Wettbewerbsteilnehmern auch ein Entwurf für ein Kirchentagssignet erbeten worden, das unabhängig von den Plakaten Verwendung finden konnte. 175 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Januar 1975, 9.00 Uhr bis 16.00 U h r im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, undatiert (Privatarchiv Cieslak), S. 3. - Als die Vorbereitungsgruppe „Sonderveranstaltungen und Ausstellungen" auf ihrer Sitzung am 23.Januar erwog, im Rahmen des Kirchentages einen besonderen Kinderkirchentag durchzuführen, wurde nicht nur auf die eigene Arbeitsbelastung hingewiesen, sondern auch zu bedenken gegeben, daß es „wegen des internationalen Kindertages' . . . zu Schwierigkeiten mit Staad. Stellen kommen" könnte, die „das ζ. Z. gute Verhältnis - Entgegenkommen - stören" würden (Weisbach, Protokoll über die 3. Besprechung der Arbeitsgruppe „Sonderveranstaltungen und Ausstellungen" am 23.1.75, 15 U h r

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

Die angekündigten Termine wurden staatlicherseits allerdings nicht eingehalten, was wohl vor allem daran lag, daß auch nach dem Gespräch am 20. Dezember eine zentrale Anleitung nicht erfolgte. Die Unsicherheit innerhalb des Rates des Bezirkes Dresden, wie auf das Kirchentagsvorhaben zu reagieren sei, zeigte sich auch im Arbeitsplan des dortigen Kirchenreferates für das 1. Halbjahr 1975.176 Sowohl der sächsische wie auch der Görlitzer Kirchentag wurden darin lediglich am Rande erwähnt, ohne daß deren Vorbereitung als besondere Aufgabe für das Kirchenreferat erschien.177 Vor allem fällt auf, daß der Arbeitsplan nicht die Bildung „operativer Arbeitsgruppen" zu den genannten Kirchentagen vorsah, obwohl er die Bildung solcher Arbeitsgruppen für die in seinem Bereich anstehenden Synoden ausdrücklich vermerkte.178

Als erstes wurde der Termin für die Entscheidung über die beantragten Druckgenehmigungen korrigiert, die eigentlich bis 15. Januar hätte vorliegen sollen. Der Rat des Bezirkes ließ Präsident Cieslak über seinen Mitarbeiter im Kirchenreferat Hammer mitteilen, daß auch in dieser Frage eine Entscheidung erst Ende Januar zu erwarten sei.179 Anfang Februar waren dann alle vom Rat des Bezirkes genannten Termine verstrichen, ohne daß es zu einer Klärung gekommen wäre. Erst am 14. Februar fand in Dresden die lange angekündigte zentrale Anleitung der Bezirke Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig statt, auf der auch der geplante sächsische Landeskirchentag besprochen wurde.180 Die Anleitung erfolgte durch den ehemaligen Leiter des Dresdner Kirchenreferats und nunmehrigen Persönlichen Referenten des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Dr. Horst Dohle, sowie durch den Mitarbeiter der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen Dr. Eberhard Hüttner. Der Rat des Bezirkes Dresden hatte in Vorbereitung dieser Anleitung eine „Konzeption der staatlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Frühjahrssynode, dem Kirchentagskongreß und dem Kirchentag der Ev.Luth. Landeskirche Sachsens" erarbeitet181 und dort bezüglich des Kirchentages - nicht ohne Berechtigung - vermerkt: im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. I). 176 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Lewerenz), Betr.: Arbeitsplan des Referates Kirchenfragen für das 1. Halbjahr 1975, 7.1.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 555). 177 А. а. O., S. 5. - Da der betreffende Satz syntaktisch unkorrekt konstruiert ist, ist seine beabsichtigte Aussage insgesamt unklar. 178 Ebd. 174 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Cieslak), An den Rat des Bezirkes. Referat Kirchenfragen, 8.2.1975 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 112). 180 PR (Dr. Dohle), Dienstreisebericht, 14.2.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 1122). 181 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Betr.: Konzeption der staatlichen

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„Mit der hohen Teilnehmerzahl (Kirchentagskongreß: 1500, Kirchentag: 15000) soll offensichtlich der Beweis erbracht werden, daß kirchliche Großveranstaltungen möglich sind, wenn man den Mut dazu hat. Gleichzeitig soll, neben dem Erfolgserlebnis für die Teilnehmer, nach außen die Stärke und Einheit der Kirche demonstriert werden."182

Aufgrund dieser Einschätzung vertraten die in der Konzeption vorgeschlagenen Maßnahmen, auch wenn bei einigen Punkten noch Verhandlungsspielraum gesehen wurde, eine im wesentlichen deutlich restriktive Haltung. Alle Anträge, die auf eine Propagierung des Kirchentages in der Öffentlichkeit abzielten, seien abzulehnen. Das betraf vor allem die gewünschten Plakate, aber auch Programme sowie geplante (freilich noch nicht beantragte) „Stoffanhänger, Plaketten oder ähnliches". Auch eine „Propagierung und Werbung in den Kirchenmitteilungsblättern" sei nicht zuzulassen, womit ausschließlich die lizensierte Kirchenpresse (im wesentlichen „Der Sonntag") für eine Veröffentlichung - etwa des Programms - übrig blieb. Lediglich der Druck von 1500 Faltkarten für die Kongreßteilnehmer wurde für möglich gehalten. Darüber hinaus forderte die Konzeption eine Beschränkung des Kirchentages auf kircheneigene Räume. Würden kircheneigene Freiflächen genutzt, sei auf eine strikte Einhaltung der Veranstaltungsverordnung (Genehmigungspflicht) zu achten.183 Die sächsische Kirchenleitung wurde schließlich aufgefordert, „offiziell" zu erklären, daß „aus den Äußerungen . . . des Kirchentagskongresses und des Kirchentages keine Belastung des Verhältnisses von Staat und Kirche" entstehe.184 Ebenso sei „zu fordern, daß die Kirchentagsveranstaltungen am 1.6. Maßnahmen zum ,Tag des Kindes' nicht beeinträchtigen dürfen". Genehmigungen sollten lediglich in den Fällen erteilt werden, in denen dieses im Interesse von „Ordnung und Sicherheit" angeraten erschien. Zum einen betraf dies die erbetene Bereitstellung von Parkmöglichkeiten,185 da die angekündigte Anreise per PKW staadicherseits offenkundig nicht zu verhindern war.186 Eine Verweigerung der beantragten Verkehrsregelung hätte deshalb in Dresden ein Verkehrschaos provoziert, an dem auch staadicherseits kein Interesse bestand. Ein zusätzlicher Transport von Kirchentagsteilnehmern nach Dresden - mit Sonderbussen oder gar Sonderzügen - wurde dagegen generell ausgeschlossen.187 Zum anderen betraf das Maßnahmen im Zusammenhang mit der Frühjahrssynode, dem Kirchentagskongreß und dem Kirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 13.2.1975 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 113-114). m A . a . O . , S. 1. ш A . a . O . , S.2. 184 A . a . O . , S. 1. 1IB А. а. O., S. 3. 186 Lediglich die demonstrative Anreise in PKW-Kolonnen wurde untersagt (а. а. O., S. 3). 1S7 А. а. O., S. 2, 4.

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

staatliche Entgegenkommen die - natürlich kostenpflichtige - Lieferung der beantragten Verpflegungsbeutel und Getränke.188 Damit befand sich die „Konzeption" auf einer Linie mit der „Argumentation" des Staatssekretariats für Kirchenfragen vom 2. April 1970, in der festgelegt worden war, daß bei „Genehmigung" von Kirchentagen „die Frage der Verpflegung der Teilnehmer sicherzustellen" sei.189 Anderenfalls wäre es auch zu einem Ansturm auf die Dresdner Gaststätten gekommen, den die ohnehin leistungsschwache DDR-Gastronomie nicht hätte bewältigen können. Hinsichtlich der staatsinternen Vorbereitung auf den Kirchentag wurde eine „laufende" Abstimmung zwischen den beteiligten Dienststellen (Staatssekretariat für Kirchenfragen, SED-Bezirksleitung, Räte der Bezirke Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt, Bezirksausschuß der Nationalen Front, Bezirksverband der CDU, Bezirksdienststelle der DVP und MfS-Bezirksverwaltung) als notwendig angesehen. Weiterhin sollte zur Beeinflussung der Teilnehmer am Kongreß und Kirchentag sowie zur Informationsgewinnung mit Hilfe des Bezirksverbandes der C D U ein „System von .Gesprächspartnern' für Geisdiche und kirchliche Amtsträger" geschaffen und durch „die Teilnahme von CDU-Mitgliedern an Synode, Kirchentagskongreß und Kirchentag" der „notwendige Informationsfluß" gesichert werden.190 Darüber hinaus legte die Konzeption nunmehr fest, daß nicht nur für die Zeit der bevorstehenden Synode, sondern auch während der Kirchentagsveranstaltung beim Rat des Bezirkes eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe in der üblichen Zusammensetzung gebildet würde.'91 Diese Konzeption erfuhr auf der zentralen Anleitung am 14. Februar im wesentlichen Zustimmung. Hinsichtlich der für den Kirchentag beantragten Druckgenehmigungen wurde dort noch einmal ausdrücklich „vereinbart, daß keine Plakate dafür genehmigt" würden. Für die Kirchentagsteilnehmer seien „bestenfalls technisch organisatorische Mitteilungen ohne jeden Werbungscharakter" denkbar. Lediglich Faltkarten für die 1500 Kongreßteilnehmer sollten eine Genehmigung erhalten.192 Durch die internen kirchlichen Vorbereitungen waren diese staatlichen Festlegungen allerdings bereits zu diesem Zeitpunkt teilweise überholt. Da staatlicherseits schon anläßlich des Gespräches am 20. Dezember 1974 angedeutet worden war, daß bei der Genehmigung von Plakaten „Beden188

А. а. O., S. 2. * Arb. Geb. Ev. Kirche, Argumentation. Durchführung von Kirchentagen im Jahre 1970, 2.4.1970 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 595), S. 5. - Vgl. oben S . 9 8 . 1.0 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Betr.: Konzeption der staatlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Frühjahrssynode, dem Kirchentagskongreß und dem Kirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 13.2.1975 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 113-114), S. 3 f. 1.1 A . a . O . , S. 3. - Vgl. unten Kap.6.4. m PR (Dr. Dohle), Dienstreisebericht, 14.2.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 1122), S. 4. 18

Zur staatlichen Unterstützung

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ken" bestehen könnten, war ihre Herstellung kirchlicherseits erst einmal in eigener Regie - außerhalb des Geltungsbereiches der Vervielfältigungsverordnung - in Angriff genommen worden. Als am 19. Januar 1975 in der kirchlichen Wochenzeitung „Der Sonntag" ein ausführlicher Bericht über den bevorstehenden Kirchentagskongreß erschien, wurden darin nicht nur Thema und Programm des Kirchentagskongresses vorgestellt, sondern auch ein Foto mit der Unterschrift „Die Vorbereitungen sind bereits im Gange" abgedruckt Dieses Foto zeigte, wie gerade mit Pinsel und Farbe ein Plakat für den Kirchentag angefertigt wurde.193 Auf dem Kirchentag, bei dem „kreatives Handeln" ohnehin großgeschrieben wurde, waren dann etliche selbst angefertigte Plakate zu sehen.194 Dartiber hinaus wurden zwei Graphiker beauftragt, jeweils eine Großgraphik (Unikate) anzufertigen.195 Angesichts dessen wurde staadicherseits zeitweise vermutet, hier seien Plakate ohne die erforderliche Genehmigung gedruckt worden.196

Wesendich gravierender als die bei Kirchentagen angesichts verweigerter Druckgenehmigungen ohnehin übliche Eigenanfertigung von Plakaten war das kirchliche Vorgehen bei der Beschaffung von Sonderbussen. Obwohl am 20. Dezember die anfängliche Bitte um Bereitstellung solcher Busse wieder zurückgezogen worden war, beschloß der für den Kirchentag gebildete Organisationsausschuß auf seiner Sitzung am 29. Januar 1975, zur Bewältigung zu erwartender Transportprobleme zwischen den Kirchentagszentren zehn Busse anzumieten.197 Der zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits vorgezeichnete Weg zur Realisierung dieses Vorhabens führte nicht über die für Kirchenfragen zuständige Dienststelle beim Rat des Bezirkes, sondern offensichdich über persönliche Kontakte zu privaten Dresdner Busunternehmen. Der Erfolg blieb nicht aus: Während die Vertreter des ZK, des Staatssekretariats und des Rates des Bezirkes noch einmal bekräftigten, daß es für den Kirchentag keine Sonderbusse geben werde,

m

Christa Hacker, Unterwegs zur Gemeinde von morgen. Warum Kirchentagskongreß 1975?, in: Der Sonntag 30 (1975), Nr. 3 vom 19.1.1975, S. 1. 1,4 Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres (Jörke), Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, betrifft: 3. Bericht über Kirchentagskongress und Kirchentag in Dresden, 1.6.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 36-40), S. 2 f. ,я Vgl. Kunstdienst der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens beim Landeskirchlichen Amt für Innere Mission, Herrn Präsident Johannes Cieslak, 30.7.1975 (Privatarchiv Cieslak), S. 1. Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres (Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen), Rat des Bezirkes. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 49-50), S. 2. 1,7 Kirchentagskongreß 1975. Organisationsausschuß (Kahle), Niederschrift über die Koordinierungsberatung am 29.1.1975 in der Dreikönigskirche, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Protokolle [KT 1975]), S.2.

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

hatten die Veranstalter des Kirchentages ihre zehn Busse bereits fest unter Vertrag. Am 10. Februar 1975 gelang es dem „Beauftragten für Verkehrsfragen" im Kirchentags-Organisationsausschuß bei den Dresdner Kraftverkehrsbetrieben telefonisch eine Bestellung über zehn Busse aufzugeben und von dort auch sofort eine mündliche Zusage zu erhalten. Am 20. Februar erteilte Herbert Gehre den schriftlichen Auftrag, der vom Kraftverkehr genehmigt, abgestempelt und unterschrieben am 14. März wieder in der Geschäftsstelle des Landesausschusses vorlag.198 Wie sicher sich die kirchliche Seite dieser Bestätigung durch den Kraftverkehr war, zeigt die Tatsache, daß Cieslak noch vor ihrem Eingang dem Leiter des Referates Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes anläßlich eines Besuches von dieser Bestellung erzählte. 1,9 Daraufhin angestellte Überprüfungen seitens des Kirchenreferates ergaben dann auch, daß die Anmietung der Busse zwar der staatlichen Konzeption zuwiderlaufe, jedoch nicht verhindert werden könne, da die Busse „sich im Privatbesitz befinden".200

Noch einen Schritt weiter gingen die Veranstalter bei der Herstellung von Kirchentagsabzeichen, wobei für den Gang der Ereignisse im einzelnen allerdings nicht nur deren Taktik, sondern auch einige Zufälligkeiten und Mißverständnisse eine wichtige Rolle spielten. Konnten Cieslak und Johannes den Plan, solche Abzeichen herzustellen, auf der Verständigung am 20. Dezember 1974 noch als ein intern nicht ausdiskutiertes Vorhaben hinstellen, stand mit der Sitzung des Landesausschusses am 11. Januar 1975 fest, daß davon „30000 Stück angefertigt . . . und zum Verkauf angeboten werden" sollten.201 Freilich ließ die ablehnende Haltung des Rates des Bezirkes in der Plakatfrage, wie sie im Telefonat vom 17. Februar zum Atisdruck gekommen war, 202 erkennen, daß Abzeichen, die die Kirchentagsteilnehmer in der Öffentlichkeit tragen könnten, erst recht keine Genehmigung erhalten würden. Angesichts dessen wurde dieser Punkt kirchlicherseits gegenüber den Staatsorganen nicht erneut zur Sprache gebracht, während die staatlichen Konzeptionen weiterhin intern festhielten, daß 1,8 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß. Kirchentag - Organisationsausschuß (Herbert Gehre), An den VEB (K) Verkehrsbetriebe der Stadt Dresden. Sachgebiet Sonderfahrten, 20.2.1975 (KJKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Lewerenz), Betr.: Gespräch mit dem Präses der Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Herrn Cieslak, am 27.2.75 in Seifhennersdorf, 3.3.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 555). m Pers. Referent (Dr. Dohle), Dienstreisebericht, 31.3.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 1122), S.2. 201 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Januar 1975, 9.00 U h r bis 16.00 U h r im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, undatiert (Privatarchiv Cieslak), S. 4. m Vgl. unten S. 375.

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solche Abzeichen nicht genehmigt würden.203 In Anbetracht dieser schwierigen Situation sahen die Kirchentagsveranstalter offensichtlich einen möglichen Ausweg darin, daß Signet und Text für die Abzeichen im Zusammenhang der anderen Druckerzeugnisse (Faltkarten u. ä.) voraussichtlich genehmigt werden würden, so daß sie sich - freilich entgegen der Druckgenehmigungsverordnung - auf den Standpunkt stellen könnten, daß eine neuerliche Genehmigung zusätzlich zu den bereits erteilten nicht mehr notwendig sei.204 Auch nach dem positiv verlaufenen Gespräch mit dem Stellvertreter des Ratsvorsitzenden für Inneres am 19. März205 wurde nicht erwogen, für die vorgesehen „Buchzeichen" eine Genehmigung zu beantragen. Vielmehr legte der Landesausschuß, ohne die Genehmigungsfrage auch nur zu erwähnen, auf seiner Sitzung am 22. März 1975 fest, 30000 Buchzeichen mit Signet und Motto des Kirchentages in Auftrag zu geben.206 Die Abzeichen (bedruckte Vlieseline) wurden daraufhin in einem kirchennahen Betrieb in Herrnhut ohne die eigentlich erforderliche staatliche Genehmigung hergestellt. Auch bei der Umsetzung des später gefaßten Plans, zusätzlich zu diesen Buchzeichen Tonplaketten mit Umschrift und Signet des Kirchentages anfertigen zu lassen, erfuhr die Genehmigungsfrage vorerst keine Beachtung. Ein kurz vor dem Kirchentag gefaßter Entschluß, für diese Plaketten doch noch eine Druckgenehmigung zu beantragen, kam aufgrund (un)günstiger Umstände nicht zur Ausführung. Das Referat Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes erfuhr deshalb von beiden Abzeichen erst, als sie auf dem Kongreß in Erscheinung traten.207

203 Neben der oben erwähnten „Konzeption der staadichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Frühjahrssynode, dem Kirchentagskongreß und dem Kirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens" vom 13. Februar vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Konzeption für das Gespräch mit Dr. Johannes und Präses Cieslak am 19.3.1975, 18.3.1975 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 110). 204 In diesem Sinne sprach Präsident Cieslak in einem Schreiben an Herbert Gehre, in dem es unter anderem auch um die Druckgenehmigung für die Plaketten ging, ausdrücklich davon, daß „die Plakette . . . den Text und das Zeichen" enthalte, „das bereits genehmigt wurde" (Johannes Cieslak, Lieber Herbert, 17.5.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand]). 205 Vgl. unten S. 376. 206 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Küchler), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 22. März 1975, 9.00-15.00 Uhr im Gemeindehaus der Versöhnungskirche, 23.3.1975 (Privatarchiv Cieslak), S. 4. 207 Die Stoffanhänger wurden an die Teilnehmer bei ihrer Anmeldung im Organisationsbüro in der Dreikönigskirche ausgegeben (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 49-50], S. 1) und von diesen zum Teil - vor allem von Jugendlichen - auch in der Öffentlichkeit getragen (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres

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D e r K o n g r e ß und K i r c h e n t a g 1975 in D r e s d e n

D i e E n t s c h e i d u n g , z u m i n d e s t f ü r d i e P o r z e l l a n p l a k e t t e n die erforderliche Druckg e n e h m i g u n g e i n z u h o l e n , hing vermutlich mit einer entsprechenden R ü c k f r a g e der H e r s t e l l e r f i r m a (einer privaten T ö p f e r e i in N e u k i r c h ) z u s a m m e n . A m 17. M a i w a n d t e sich d e m e n t s p r e c h e n d P r ä s i d e n t C i e s l a k an H e r b e r t G e h r e und beauftragte ihn, f ü r die „ 3 0 0 0 P l a k e t t e n " , d i e „bereits fertiggestellt" seien und „im B r e n n o f e n " lägen, die G e n e h m i g u n g zu b e a n t r a g e n . 2 0 8 M ö g l i c h e r w e i s e im Z u s a m m e n h a n g d a m i t k a m es a m 27. M a i zu einer V e r s t ä n d i g u n g zwischen G e h r e und der Abteilung P r e i s b i l d u n g beim R a t d e s B e z i r k e s , d i e - d a die Plaketten auf dem K i r c h e n t a g nicht nur verteilt, s o n d e r n v e r k a u f t w e r d e n sollten - ebenfalls vorher um G e n e h m i g u n g gebeten werden wollte. D a z u verlangte sie eine E r k l ä r u n g über A n z a h l und P r e i s d e r z u v e r k a u f e n d e n Plaketten s o w i e eine V e r s i c h e r u n g d a r ü b e r , „ d a ß d e r V e r k a u f nur im R a h m e n d e r V e r a n s t a l t u n g e n d e s K i r c h e n t a g e s a m S o n n t a g , d e n l . J u n i 1975 im kircheneigenen G e l ä n d e d u r c h g e f ü h r t " werde. D i e s e E r k l ä r u n g fertigte d e r P r ä s i d e n t d e s L a n d e s k i r c h e n a m t e s noch a m gleichen T a g e (mit D i e n s t s i e g e l ) a u s - sie w u r d e ebenfalls noch a m 27. M a i von d e r Abteilung P r e i s b i l d u n g g e n e h m i g t und a b g e z e i c h n e t . 2 0 9 G e h r e w i e d e r u m s a h mit dieser G e n e h m i g u n g auch die G e n e h m i g u n g z u m D r u c k erteilt und zeichnete die betreff e n d e P a s s a g e d e s C i e s l a k - B r i e f e s als „ e r l f e d i g t ] " ab. Offensichtlich w a r auch die H e r s t e l l e r f i r m a mit d i e s e m v o m R a t d e s B e z i r k e s unterzeichneten Schreiben zufrieden.

[Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft: Berichterstattung über 2. Kirchenkongresstag und Sonderveranstaltungen, 1.6.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 45-46], S. 1). Damit - das Format betrug ca. 6 * 13 cm - erregten sie „die Aufmerksamkeit von Teilen der Dresdner Bevölkerung" (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Rat des Bezirkes. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 49-50], S. 2), was staatlicherseits als Zweck des Stoffanhängers angesehen wurde (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Jörke], Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, betrifft: 3. Bericht über Kirchentagskongress und Kirchentag 1975 in Dresden, 1.6.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 36-40], S. 5). Entsprechend wurde eine Klärung gefordert, wie es zur Herstellung der Abzeichen ohne die erforderliche Genehmigung kommen konnte (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Rat des Bezirkes. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 49-50], S. 2; Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Lewerenz], Hinschätzung des Verlaufs und der Ergebnisse des Kirchentagskongresses und des Kirchentages der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 30.5.-1.6.1975, 4.6.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, Bl. 14-17 - siehe Dok. 14], S.3). * * Johannes Cieslak, Lieber Herbert, 17.5.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). 204 Sie wurde abgestempelt und unterschrieben an das LKA zurückgereicht (EvangelischLutherisches Landeskirchenamt Sachsens [Dr. Johannes], An den Rat des Bezirkes - Abteilung Preisbildung - , 27.5.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand]).

Zur staatlichen Unterstützung

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Drei Tage nach der internen Verständigung zwischen den betroffenen Räten der Bezirke, der Dienststelle des Staatssekretärs und der ZK-Arbeitsgruppe Kirchenfragen vom 14. Februar 1975 unterrichtete der Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden, Lewerenz, telefonisch den Präsidenten des Landeskirchenamtes, Johannes, entsprechend den dort getroffenen Fesdegungen. Während Verpflegung - so Lewerenz - im erbetenen Umfang bereitgestellt werde, müsse hinsichtlich der gewünschten Druckerzeugnisse aufgrund der herrschenden Papierknappheit mit Einschränkungen gerechnet werden. Zwar sei die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen, jedoch sei bereits abzusehen, „daß die Genehmigung für Programme und Plakate nicht erteilt werden könne".210 Zur Klärung dieser offenen Fragen bot er ein Gespräch mit dem stellvertretenden Ratsvorsitzenden für Inneres, Gottfried Ulimann, an. Als Termin für dieses klärende Gespräch wurde zwischen Johannes und Lewerenz der 19. März vereinbart Von dieser Gesprächsvereinbarung setzte letzterer am 27. Februar auch Präsident Cieslak offiziell in Kenntnis und stellte ihm eine Teilnahme frei.211 Am 6. März bestätigte er schließlich in einem Schreiben an Präsident Johannes noch einmal seine am 17. Februar telefonisch gegebene Zusage über die Bereitstellung von Verpflegung und teilte diesem mit, von welchem Betrieb der Auftrag ausgeführt werden würde und an wen er sich dort in dieser Angelegenheit konkret zu wenden habe.212 Bereits vor dieser schriftlichen Bestätigung hatte Präsident Cieslak auf der Frühjahrssynode der sächsischen Landeskirche die Gelegenheit wahrgenommen, um „den staatlichen Stellen für die bisherige Unterstützung bei der Sicherung der Verpflegung" öffendich zu danken,213 was diese zur Kenntnis nahmen.214 Die staadiche Bereitschaft, den Kirchentag zu unterstützen und die erbetenen Genehmigungen zu erteilen, war zu diesem Zeitpunkt allerdings 210

Dr. Johannes, Am 17.Februar ..., undatiert (Privatarchiv Cieslak). „Wir teilten Herrn Cieslak mit, daß für den 19.3.75, 15 Uhr, ein Gespräch zu den Problemen des Kongresses und Kirchentages vorgesehen sei, an dem er teilnehmen könne" (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Lewerenz], Betr.: Gespräch mit dem Präses der Synode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Herrn Cieslak, am 27.2.75 in Seifhennersdorf, 3.3.1975 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 555]). 212 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Lewerenz), Herrn Präsident Dr. Johannes. Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens (Abschrift), 6.3.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). 213 Diese Danksagung wurde bei den folgenden Verhandlungen zwischen sächsischer Landeskirche und Rat des Bezirkes noch mehrmals wiederholt (vgl. etwa Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Lewerenz], Betr.: Gespräch mit Präses Cieslak am 14.5.1975, 16.5.1975 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 663]). 214 Vgl. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Betr.: 4. Verhandlungstag (4.3.1975)/Betr.: 5. Verhandlungstag (5.3.1975), 6.3.1975 (SHStA, BPA Dresden, IV С 2 / 14/680), S.2. 211

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D e r K o n g r e ß und Kirchentag 1975 in Dresden

weiterhin gering. Demgemäß ging die für den 19. März vom Referat Kirchenfragen erstellte Gesprächskonzeption von einer weitgehenden Ablehnung aller weiteren kirchlichen Anträge aus. Neben der bereits zugesagten Bereitstellung von Verpflegungsbeuteln und Getränken wurde entsprechend den bisherigen Fesdegungen lediglich eine Druckgenehmigung für eine begrenzte Anzahl von Faltkarten mit Hinweisen zum Programm für möglich gehalten. Der kirchlichen Seite sei mitzuteilen, daß sie nunmehr den dafür notwendigen offiziellen Antrag einreichen könne. Allerdings sollte „in der Diskussion" versucht werden, unter Hinweis auf die herrschende Papierknappheit die kirchlicherseits angestrebte „Auflagenhöhe möglichst niedrig zu halten".215 Das einstündige Gespräch mit dem Stellvertreter für Inneres verlief dann überraschend positiv und in einer „guten Gesprächsatmosphäre".216 Zum einen folgte Ulimann weder den Vorarbeiten seines Kirchenreferates noch dem in der zentralen Anleitung vom H.Februar bestätigten restriktiven Weg (was ohne Abstimmung mit der SED-Bezirksleitung unwahrscheinlich ist, auch wenn darüber keine Unterlagen erhalten sind). Zum anderen gelang es den Kirchenvertretern bei diesem Gespräch, ihre - zum Teil neuen - Anliegen in einer Weise vorzutragen und zu begründen, daß ihre Argumentation auch aus der Perspektive des Rates des Bezirkes schlüssig schien und zum Teil sogar von diesem zu seiner eigenen gemacht werden konnte. Im Ergebnis wurde keines der vorgetragenen kirchlichen Anliegen von vornherein zurückgewiesen, sondern allen Prüfung zugesagt bzw. Dienststellen genannt, an die sich die Veranstalter in der betreffenden Angelegenheit wenden könnten. Intern tendierte der Rat des Bezirkes dahin, den meisten der vorgetragenen Anliegen - jedoch keineswegs allen - seine Zustimmung zu erteilen. Im einzelnen war vorgesehen, die Programme sowohl für den Kongreß als auch für den Kirchentag ohne Auflagenkürzung zu genehmigen, „weil die darin enthaltenen organisatorischen Hinweise für die Teilnehmer gewährleisten, daß im Stadtzentrum durch die Vielzahl der Menschen kein Chaos entsteht".217 Auch der neu ins Gespräch gebrachte Wunsch, zum Kirchentagssonntag Sonderzüge aus Leipzig und Karl-Marx-Stadt einzusetzen, wurde angesichts des Hinweises auf die sonst nicht zu vermeidende Belastung des fahrplanmäßigen Verkehrs vom Bezirk als durchaus beden-

215 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Konzeption für das Gespräch mit Dr. Johannes und Präses Cieslak am 19.3.1975, 18.3.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088,

Bl. 110). 2 " Vgl. Dr. Johannes, Auf Grund des fernmündlichen Anrufs . . . , undatiert (Privatarchiv Cieslak), S. 2. 2,7 Pers. Referent (Dr. Dohle), Dienstreisebericht, 31.3.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 1122), S.2.

Zur staatlichen Unterstützung

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kenswert angesehen. Ähnlich war die Haltung zu den kirchlicherseits vermudich ebenfalls bei dieser Begegnung geäußerten Wünschen nach umfassenderer Hilfestellung bei der Verpflegung der Teilnehmer (Verkaufsstände der HO mit Eis, Gebäck und Kaffee im Bereich des Martin-Luther-Gartens218 sowie Lieferung einer wannen Mittagsmahlzeit für die Kongreßteilnehmer am Sonnabend219). Fest stand hingegen - auch wenn das im Ratsgespräch nicht zum Ausdruck kam daß es für die beabsichtigten Kirchentagsplakate tatsächlich keine Druckgenehmigung geben werde.220 Ebensowenig war daran gedacht, dem von der Kirche neu ins Gespräch gebrachten Wunsch221 nach Bereitstellung von 250 Hotelplätzen zu entsprechen.222 Um freilich dem internationalen Ansehen der DDR nicht zu schaden, sah sich der Rat des Bezirkes jedoch auch in diesem Punkt

ш Präsident Cieslak war vom Ortsausschuß ausdrücklich gebeten worden, dieses Anliegen in dem Gespräch vorzutragen (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Küchler], Protokoll über die Zusammenkunft des Ortsausschusses am 19.3.75, 10.00-13.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden zur Vorbereitung des Kirchentagskongresses und Kirchentages J975, 20.3.1975 [KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Orts-General-Ausschuß], S.2), das kirchliche Kurzprotokoll fuhrt dieses Anliegen allerdings nicht auf (vgl. Dr. Johannes, Auf Grund des fernmündlichen Anrufs ..., undatiert [Privatarchiv Cieslak]). m Auch dieses Anliegen ist im kirchlichen Kurzprotokoll nicht aufgeführt, jedoch im Bericht vor dem Landesausschuß am 22. März erwähnt (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Küchler], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 22. März 1975, 9.00-15.30 Uhr im Gemeindehaus der Versöhnungskirche, 23.3.1975 [Privatarchiv Cieslak], S. 3). » V g l . Pers. Referent (Dr. Dohle), Dienstreisebericht, 31.3.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 1122), S. 1. 221 Dieser Wunsch war geäußert worden, da weniger Quartiere zur Verfügung standen, als Anmeldungen zu erwarten waren. Es stellte sich dann allerdings heraus, daß sich zwei Drittel der Kongreßteilnehmer selbst um ein Quartier gekümmert hatten. Von den 1300 Anmeldungen, die bis zum 5. Mai vorlagen, äußerten lediglich 420 den Wunsch, der Kongreß möge ihnen ein Quartier zur Verfügung stellen. Aus den Dresdner Gemeinden lagen jedoch ca. 800 Quartierangebote vor (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Ortsausschuß [Küchler], Protokoll über die Beratung des Ortsausschusses am 7.5.75 9.00-11.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche zur Vorbereitung des Kirchentagskongresses und Kirchentages 1975, 7.5.1975 [KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: OrtsGeneral-Ausschuß], S. 1). Die überzähligen 400 Quartiergeber erhielten am 20. Mai neben einer ausdrücklichen Danksagung für ihre Bereitschaft eine Absage (Ev.-Luth. Superintendentur Dresden-Stadt [Schwintek]/Ev.-Luth. Superintendentur Dresden-Land [Rudolph]/ Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens [Herbert Gehre], Betrifft Quartierabsage für Kirchentagskongreß 1975, 20.5.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ε rgänzungsbestand ]). 222 Folglich blieb der Versuch des Landesausschusses, diese Hotelplätze - wie von Ullmann empfohlen - über die Dresden-Information zu buchen, ohne Ergebnis (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Küchler], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 22. März 1975, 9.00-15.30 Uhr im Gemeindehaus der Versöhnungskirche, 23.3.1975 [Privatarchiv Cieslak], S.2).

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D e r K o n g r e ß u n d K i r c h e n t a g 1975 in D r e s d e n

zu einem Zugeständnis genötigt und hielt es für notwendig, zumindest für die ausländischen Gäste des Kirchentages „etwa 10-12 Hotelzimmer" zur Verfügung zu stellen.223 Dieser Sachstand wurde auf der vom Persönlichen Referenten des Staatssekretärs für Kirchenfragen vorgenommenen „staadichen Anleitung der Referenten für Kirchenfragen der 3 sächsischen Bezirke" am darauffolgenden Tag zur Kenntnis genommen. Hinsichtlich des kirchlichen Wunsches nach Sonderzügen legte der Rat des Bezirkes Dresden die Problematik der diesbezüglichen Entscheidung dar und bat ausdrücklich „vor Entscheidung um zentrale Verhaltensempfehlung". In seinem Dienstreisebericht hielt Dohle dazu fest: „Sonderzüge aus Leipzig und Karl-Marx-Stadt Über diese Anträge haben die Staatsorgane noch nicht entschieden, weil einerseits durch Befürwortung der Kirchentag staatlich zu stark unterstützt wird, andererseits bei Ablehnung eine ganz erhebliche Belastung des fahrplanmäßigen Verkehrs auf diesen beiden Hauptstrecken eintreten könnte, die zur Verärgerung des ,normalen Reisenden' führt."224

Die vom Rat des Bezirkes erbetene zentrale Verhaltensempfehlung erfolgte am 10. April, allerdings aus ungenannten Gründen durch Rudolf Gotthardt, der in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen eigentlich als Bezirksbeauftragter für die nördlichen Bezirke (Rostock, Neubrandenburg, Schwerin) verantwortlich war. Sein „operativer Einsatz" erfolgte ausdrücklich unter der Zielstellung einer „politischen Zurückdrängung des Dresdner Kirchentages".225 Gotthardt wies „die Genossen . . . nochmals eingehend darau Ρ hin, „daß wir als staatliche Organe auf keinen Fall zulassen dürfen, daß die Landeskirche den Kirchentag benutzt, um politische Provokationen zu starten". „Die jetzige politische Haltung des Bischofs, der Kirchenleitung und der Synode" würden das jedoch nicht ausschließen.226 Entsprechend ließ der von ihm abgesteckte Rahmen keinen Spielraum, der Kirche über das bereits schriftlich Zugesagte hinaus entgegenzukommen.227 Insbe-

223 Pers. Referent (Dr. Dohle), Dienstreisebericht, 31.3.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 1122), S.2. 04 Ebd. 225 A b t I. (Gotthardt), Dienstreisebericht, 29.4.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 663), S. 1. 226 Ebd. - Diese Einschätzung wurde von den Staatsfunktionären in Dresden nicht geteilt. Im Ratsgespräch am 19. März hatte der Leiter des dortigen Kirchenreferates in Gegenwart des Stellvertreters des Ratsvorsitzenden für Inneres hinsichtlich des bevorstehenden 30.Jahrestages „der Befreiung" (8. Mai) erklärt, er stelle „mit Freuden fest, daß von leitenden Geisdichen unserer Landeskirche objektive Meinungen zum 30.Jahrestag zu hören seien" (Dr. Johannes, Auf Grund des fernmündlichen Anrufs . . . , undatiert [Privatarchiv Cieslak],

S-l). 227 Zur weiteren Begründung fügte Gotthardt dem Bericht über seinen „operativen Einsatz" eine thesenartige Zusammenfassung der „kirchlichen und politischen Zielstellungen der Tätigkeit der Arbeitsgruppen auf dem Kirchentagskongreß in Dresden" bei, die inhaltlich wohl

Zur staatlichen Unterstützung

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sondere betraf das den Antrag auf Bereitstellung von Sonderzügen, dem nicht stattgegeben werde. Darüber hinaus erfuhren die als möglich angesehenen Druckgenehmigungen eine deutliche Reduzierung. Von Hotelplätzen für ausländische Gäste des Kirchentages war nicht mehr die Rede. Diese rigorosere Haltung, die wohl auch innerhalb der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen nicht mehr unumstritten war,228 hat sich der Rat des Bezirkes Dresden nicht zu eigen gemacht, wobei sein Interesse an einem ordentlichen Ablauf dieser ohnehin nicht zu verhindernden Veranstaltung eine wesentliche Rolle gespielt haben dürfte. Nach weiteren Verhandlungen wurde das Programm für den Kirchentagssonntag in einer Auflagenhöhe von 15000 Exemplaren, das des Kongresses in einer Höhe von 2000 Exemplaren genehmigt229 Weiterhin durfte der Landesausschuß für sich Briefbögen mit dem aus dem Wettbewerb als Sieger hervorgegangenen Kirchentagssignet drucken und für die Kongreßteilnehmer ebenfalls mit dem Kirchentagssignet bedruckte Mappen für die kirchlicherseits vervielfältigten Kongreßunterlagen herstellen lassen. Wie abgesprochen wurden für den Kirchentagssonntag 10000 Verpflegungsbeutel sowie 10000 ιΛ-Liter-Flaschen Getränke bereitgestellt230 Ohne nennenswerte Schwierigkeiten erhielt auch der beantragte Kiosk-Verkauf im Bereich des Martin-Luther-Gartens die erforderliche Erlaubnis.231 Lange Zeit offen blieb dagegen die Frage, ob die erbetene Unterstützung bei der Verpflegung der Kongreßteilnehmer gewährt würde, so daß kirchlicherseits alternativ „ein Zubereiten von warmen Mittagessen am Samstag in allen Gemeindezentren" eingeplant wurde.232 Die endgültige Zusage erfolgte vor allem auf den Ergebnissen der Regionalkongresse des Jahres 1974 fußte. Durchaus korrekt gibt er darin als ein von der Kirche mit den Kongressen verfolgtes Ziel an, „daß jeder Christ Fragen derjenigen beantworten kann, die noch niemals mit dem christlichen Glauben zu tun gehabt haben". Deshalb sollten die Delegierten „erarbeiten, wie . . . die Gemeinde den einzelnen dazu helfen" könne, „daß er in Fragen seines Glaubens Auskunft geben kann" (Abt. I, Kirchliche und politische Zielstellungen der Tätigkeit der Arbeitsgruppen auf dem Kirchentagskongreß in Dresden, 29.4.1975 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 663]). ш Hans Wilke vermerkte handschriftlich unter Gotthardts Bericht: „Dazu müßte m. E. noch einmal beraten werden" (а. а. O., S. 2). m Das Programm des Sonntags war als Klappkarte gestaltet, in die das formatgleiche Kongreßprogramm für die Teilnehmer des Kongresses eingeheftet werden konnte. 250 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, An HO-Waren täglicher Bedarf, Filialbereich Süd I, 28.5.1975 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). 231 Bereits auf der Sitzung des Ortsausschusses am 23. April 1975 konnte Herbert Gehre mitteilen, daß dieses zusätzliche Angebot „gesichert" sei (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Ortsausschuß [Küchler], Protokoll über die Zusammenkunft des Ortsausschusses am 23.4.75, 9.30-12.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche zur Vorbereitung des Kirchentagskongresses und Kirchentages 1975, 24.4.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S. 1). 232 Ebd.

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

wohl erst Mitte Mai.233 Danach stellte die H O am Freitag und am Sonnabend jeweils 1500 Verpflegungsbeutel zusätzlich zur Verfügung. Für die Mittagsversorgung am Kongreßsonnabend sorgte der „VEВ Gemeinschaftskost", der insgesamt 1610 Portionen „Schnitzel, Mischgemüse, Kartoffeln" an die zehn Tagungszentren lieferte.234 Ebenfalls erst kurz vor dem Kirchentag entschied sich, daß entgegen der zentralen Empfehlung am Kirchentagssonntag von der Reichsbahndirektion Dresden ein Sonderzug eingesetzt würde (Zwickau - Karl-Marx-Stadt - Dresden und zurück). Weitere Züge (von und nach Leipzig) verkehrten, um das erhöhte Fahrgastaufkommen abzufangen, mit zwei zusätzlichen Wagen.235 In Dresden selbst erfolgte die Verkehrsregelung im Umfeld der Kirchentagszentren in dem kirchlicherseits gewünschten Umfang.236 Dieses Entgegenkommen der staatlichen Dienststellen wurde während des Kirchentages seitens der sächsischen Landeskirche ausdrücklich angesprochen und hervorgehoben.237 Bereits auf dem Empfang am Vorabend des Kirchentagssonntags hatten sich Präsident Cieslak und Bischof Hempel „recht herzlich für die ihnen gewährte Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung des Kirchentagskongresses und des Kirchentages durch die staadichen Organe" bedankt238 Ausführlich kam deren Unterstützung 233

Auf der Sitzung des Ortsausschusses am 7. Mai 1975 war die Frage noch offen (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Ortsausschuß [Küchler], Protokoll über die Beratung des Ortsausschusses am 7.5.75 9.00-11.00 U h r im Gemeindehaus der Christuskirche zur Vorbereitung des Kirchentagskongresses und Kirchentages 1975, 7.5.1975 [KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Orts-General-Ausschuß], S.2). zu VEB Gemeinschaftskost Dresden, Vereinbarung zwischen dem Kirchentagskongreß der ev.-luth. Landeskirche Sachsens . . . und dem VEB Gemeinschaftskost Dresden, 22.5.1973 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). 235 Vgl. Herbert Gehre, Informationsblatt für die Anreise und Heimreise mit der Deutschen Reichsbahn zum Kirchentag am l.Juni 1975 in Dresden, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand). 236 Das gemeinsame Interesse an einer sinnvollen Verkehrsregelung führte offensichtlich zu einer unkomplizierten und sachbezogenen Zusammenarbeit zwischen Transportausschuß des Kirchentages und Volkspolizei-Kreisamt. Es wurde sogar vereinbart, am Kirchentagssonnabend gemeinsam „die gesamten Parkmöglichkeiten und Straßenzüge abzufahren, um die erforderliche Umbeschilderung vorzunehmen" (Transportausschuß [Welz], Protokoll über ein Beratung mit dem VPKA Dresden am 13.5.1975, 13.5.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand], S.2). 237 Die Abschlußeinschätzung des Rates des Bezirkes Dresden vermerkte aufgrund entsprechender Informantenberichte: „In den meisten Veranstaltungen wurden offizielle Dankesworte für die Staatsorgane gefunden, die den Kirchentag genehmigt und wichtige Unterstützung gegeben hätten" (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Lewerenz], Einschätzung des Verlaufs und der Ergebnisse des Kirchentagskongresses und des Kirchentages der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 30.5.-1.6.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 14-17 - siehe Dok. 14], S. 1). 238 Stellv. d. Oberbürgermeisters für Inneres (Jörke), Rat des Bezirkes Dresden. Stellv. d. Vorsitzenden für Inneres, Aktennotiz über ein Gespräch mit Herrn Zieslak, 3.6.1975 (BArch

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des Kirchentages in den entsprechenden Berichten der Kirchenpresse zur Sprache. Dabei erschien freilich nicht nur das als dankenswerte staatliche Unterstützung, was die Staatsorgane tatsächlich getan, sondern auch vor allem jene Dinge, die die Veranstalter selbständig ins Werk gesetzt hatten. Nachdem bereits der Bericht des ena (Nr. 23/75) die staatliche Unterstützung beim Dresdner Kirchentag hervorgehoben hatte, war in der überregionalen kirchlichen Wochenzeitung „Die Kirche" in ihrer Ausgabe vom 29. Juni zu lesen: „Böttgerporzellan-Plaketten und Ansteckbänder mit Losung und Datum des Kirchentages sowie der vierseitige mehrfarbig gedruckte Programmprospekt fanden großen Zuspruch. Ihre Herstellung gehörte mit zu der organisatorischen Unterstützung des Kirchentages durch die zuständigen staatlichen Organe des Bezirks und der Stadt Dresden. Die verkehrstechnische Unterstützung durch die Bereitstellung von Sonderbussen und Parkplätzen, Verkehrsregelungen, zusätzlichem Platzangebot in fahrplanmäßigen Reisezügen und einem Sonderzug sowie die Vorbereitung und Lieferung von Verpflegungsportionen stellten wesentliche Beiträge für die Organisation des großen Treffens dar. Wie schon der Landesbischof am Vorabend bei einem Empfang für offizielle Kirchentagsgäste, dankte während des Kirchentages auch Synodalpräsident Cieslak, der Vorsitzende des sächsischen Kirchentagslandesausschusses, den Räten des Bezirks und der Stadt Dresden herzlich für die in dieser Weise geleistete Hilfe zum Gelingen des Kirchentages."239

Der Rat des Bezirkes Dresden sah sich damit zwar hochgelobt, jedoch auch hintergangen und öffentlich auf eine kirchenpolitische Position festgelegt, die - obwohl er sie gar nicht vertreten hatte - als Präzedenzfall für künftige staatliche Unterstützung kirchlicher Großveranstaltungen gewertet werden könnte. Eine Korrektur dieses Präzedenzfalles war freilich angesichts der öffentlichen Danksagungen nur begrenzt möglich. War sieben Jahre früher unter anderen Umständen die ungenehmigte Herstellung ähnlicher Stoffanhänger noch Anlaß für ein Ordnungsstrafverfahren gewesen,240 wurde Präsident Cieslak jetzt lediglich zum Rat des Bezirkes bestellt. Dort wurde er am 20. Juni „energisch auf die Gesetzwidrigkeiten hingewiesen" und ihm „erklärt, daß solche Praktiken das Verhältnis von Staat und Kirche belasten".241 Weiterhin zeigte man sich überrascht, daß Berlin, StfK, D O 4, 663), S. 2. - Mehrere Danksagungen für die Unterstützung bei der Verpflegung der Kirchentagsteilnehmer waren bei den zweiseitigen Gesprächen wie auch öffentlich auf der Frühjahrssynode vorausgegangen (vgl. u.a. Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Betr.: 4. Verhandlungstag [4.3.1975]/Betr.: 5. Verhandlungstag [5.3.1975], 6.3.1975 [SHStA, BPA Dresden, IV С 2 / 1 4 / 6 8 0 ] , S.2; Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Lewerenz], Betr.: Gespräch mit Präses Cieslak am 14.5.1975, 16.5.1975 [BArch Berlin, StfK, D O 4, 663]). 234 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Sächsischer Landeskirchentag in Dresden, in: Die Kirche 30 (1975), Nr. 26 vom 29.Juni 1975, S. 1 f. 240 Siehe oben S.61 f. 241 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Lewerenz), Betr.: Gespräch mit Präses Cieslak am 20.6.1975, 2.7.1975 (SHStA, BPA Dresden, IV С 2/14/682).

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

gerade die vermeintliche Genehmigung der Plaketten und Stoffanhänger in der kirchlichen Presse besonders aufgegriffen worden sei. Cieslak entschuldigte sich daraufhin - guten Gewissens - für dieses Versehen: „Er selbst sei der Meinung gewesen, daß die erforderlichen Genehmigungen vorgelegen hätten. Wegen einer Schwedenreise habe er persönlich keine Kontrolle mehr vornehmen können. Dem Vorbereitungskomitee für den Kirchentag sei die Sache offensichdich über den Kopf gewachsen. Er bedaure das Vorkommnis sehr, zumal die Staatsorgane sehr sachlich an alle Anliegen der Kirchenleitung herangegangen seien. Cieslak bat, ihm zu glauben, daß nicht die Absicht bestanden habe, die Staatsorgane zu hintergehen."2''2

Cieslak wurde daraufhin „noch einmal anhand der gesetzlichen Bestimmungen belehrt, in welchen Fällen Genehmigungen einzuholen" seien, womit die Angelegenheit für die kirchliche Seite erledigt war. Staadicherseits wurde nur noch festgelegt, über den Vorfall mit den beteiligten Betrieben „Aussprachen" zu führen.243

6.4. „Politisch-operative Absicherung" Die staatlichen Maßnahmen zur inoffiziellen Einflußnahme auf den Kirchentag sowie zur Informationsgewinnung und -auswertung entsprachen dem, was in dieser Zeit üblich und auch beim Kongreß und Kirchentag 1968 angewandt worden war. Erste Maßnahmen - insbesondere zur Einbeziehung des CDU-Bezirksverbandes - waren bereits in der Konzeption des Referates Kirchenfragen vom 13. Februar festgelegt worden.244 Der Dienstreisebericht Gotthardts über seinen „operativen Einsatz" vom 10. April vermerkte dementsprechend, daß an der Umsetzung der festgelegten Maßnahmen gearbeitet werde. „Zur Zeit arbeiten die Genossen der Einsatzgruppe beim Rat des Bezirkes an dem Aufbau eines Informationsnetzes für alle wichtigen kirchlichen Veranstaltungen. Für den politischen Einfluß, besonders in den Arbeitsgruppen, werden Christen aus anderen Blockparteien und gesellschafdichen Einrichtungen gewonnen und eingesetzt" 245

Unabhängig von diesen Aktivitäten der Blockparteien (CDU) beauftragten die Abteilungen Inneres der einzelnen Dresdner Stadtbezirke zur Beobachtung der öffentlichen Veranstaltungen des Kirchentages eigene InforM 213 244 Ui

S.2.

Ebd. Ebd. Siehe oben S. 368-370. Abt. I. (Gotthardt), Dienstreisebericht, 29.4.1975 (BArch Berlin, StfK, D O 4, 663),

„Politisch-operative Absicherung"

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manten. Ihre „politische Einweisung" erfolgte, wie am 12. Mai innerhalb des Rates des Bezirkes festgelegt worden war,244 zentral durch das dortige Referat Kirchenfragen.247 In Vorbereitung dieser zentralen Einweisung wurden die Räte der Stadtbezirke verpflichtet, bis zum 23. Mai dem „Rat des Bezirkes eine namentliche Aufstellung aller einzusetzenden Informanden und Schreibkräfte zuzustellen (Name, Anschrift oder Betrieb)".248 Da diese Aufstellungen erhalten sind, ist ein genauer Überblick über diese von den Bereichen Inneres eingesetzten Informanten möglich: Dresden-Mitte stellte 11 Informanten auf,249 Dresden-West 10 (vom Parteisekretär selbst ausgewählt)250 und Dresden Süd 13251 - alle gehörten jeweils der SED an. Dresden-Ost benannte zehn SED-Genossen, von denen alle bis auf einen als Mitarbeiter beim Rat des Stadtbezirks tätig waren.252 Dagegen arbeiteten die 9 SED-Genossen, die vom Rat des Stadtbezirkes Dresden-Nord auf den Kirchentag geschickt wurden, alle in Volkseigenen Betrieben.253 Auf der Sitzung der Koordinierungsgruppe am 12. Mai wurde weiterhin der „Tagungsplan der Arbeitsgruppe beim Rat des Bezirkes", deren Zusammensetzung bereits in der Konzeption vom 13. Februar festgelegt worden war,254 aufgestellt - mit Uhrzeit, Beratungsgegenstand und Verant246 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Festlegungen der Koordinierungsgruppe am 21.[12.]5.1975, 13.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, BL 59-60), S. 1. 247 Die Einweisung erfolgte am 28. Mai, um 16.30 im Rat des Bezirkes Dresden, Zimmer 257 (ebd.). 248 Ebd. 249 Rat des Stadtbezirkes Mitte der Stadt Dresden. Abt. Innere Angelegenheiten, Betr.: Kirchentag - Meldung der eingesetzten Informanten, 20.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 57). 250 SED-Grundorganisation Rat des Stadtbezirkes West Parteisekretär, Betreff Einsatz zum Kirchentagskongreß vom 30.5.-1.6.1975 von 10 Genossen, 20.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, BL 56). 251 Rat des Stadtbezirkes Süd der Stadt Dresden. Inneres/Kirchenfragen (Jalaß/Zurheiden), Aufstellung der Informanten fdr den Landeskirchentag und Kirchentagskongreß, 21.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 55). 252 Stellvertreter des Stadtbezirksbttrgermeisters für Inneres (Lommatzsch), Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres. Genossen Jörke, Betr.: Dienstbesprechung am 16.05.1975, 20.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 53-54). 255 Rat des Stadtbezirkes Dresden Nord. Innere Angelegenheiten (Fischer), Rat der Stadt Dresden. Stellv. d. Oberbürgermeisters für Inneres. Gen. Jörke, Informanten für Kirchentag 1975, 16.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 51-52). 254 „Für die Zeit der Synode, des Kirchentagskongresses und des Kirchentages wird beim Rat des Bezirkes Dresden eine Arbeitsgruppe gebildet, der angehören: - ein Mitarbeiter des Staatssekretariats für Kirchenfragen - ein Mitarbeiter des Referates Kirchenfragen des Rates des Bezirkes Dresden - ein Mitglied des Sekretariats des Bez. Ausschusses d. NF - ein Mitglied des Bezirksvorstandes der CDU - ein Vertreter der BdVP - ein Vertreter des MfS"

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

wortlichen. 255 Der Ratsabteilung Kultur wurde die Überwachung der „Zentren kreativen Handelns" zur besonderen Aufgabe gemacht. Die FDJ wiederum sollte „den Besuch einer Veranstaltung eigenverantwortlich organisieren" (sc. einer Jugendveranstaltung). 256 Insgesamt waren schließlich - neben den Kirchenreferenten - im Auftrag des Rates des Bezirkes 55 Informanten im Einsatz. Ihnen allen wurde bescheinigt, daß sie „eine gute und disziplinierte Arbeit" geleistet hätten. Dadurch sei es gelungen, „über alle durchgeführten Veranstaltungen des Kirchentagskongresses und Kirchentages die erforderlichen Informationen zu besitzen". 257 Als „Dankeschön" für die „ehrenamdichen Informanten" arrangierten die Stadtbezirke Dresden-West und Dresden-Mitte am 16. Juni gemeinsam in der Gaststätte „Saxonia-Klause" ein „geselliges Beisammensein", an dem 24 Personen teilnahmen. In diesem Zusammenhang258 erfolgten die besondere Auszeichnung einer Informantin für ihren Einsatz sowie eine „Problemdiskussion" bzw. ein „Erfahrungsaustausch zu Fragen kirchenpolitischer Tätigkeit". Auf diese Weise wurde das „Interesse für die Arbeit auf kirchenpolitischem Gebiet weiter gefestigt" und deren „Notwendigkeit erkannt..., so daß wir bei Erfordernis auf eine weitere Mitarbeit durch diese Genossen zählen können".259 Der Rat des Bezirkes war im nachhinein zwar über die Höhe der Veranstaltungskosten „überrascht", die knapp doppelt so hoch waren wie veranschlagt, hielt die Veranstaltung selbst jedoch für „eine sehr gute Sache".260 Nicht ganz so erfolgreich wie die „Aufklärung" der öffentlichen Veranstaltungen war die Informationsgewinnung aus den Arbeitsgruppen des Kirchentagskongresses, die - von Inoffiziellen Mitarbeitern des MfS abgesehen 261 - ausschließlich von teilnehmenden CDU-Mitgliedern getragen

(Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Betr.: Konzeption der staatlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Frühjahrssynode, dem Kirchentagskongreß und dem Kirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 13.2.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 113-114], S. 3). - Eine ähnliche Arbeitsgruppe war auch auf der Ebene des Rates der Stadt tätig. ss Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Festlegungen der Koordinierungsgruppe am 21.[12.]5.1975, 13.5.1975 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 59-60), S. 2 f. 256 A . a . O . , S. 1. 257 Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeister für Inneres (Jörke), Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, betrifft: 3. Bericht über Kirchentagskongress und Kirchentag 1975 in Dresden, 1.6.1975 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 36-40), S.5. 258 Die Veranstaltung fand in einem separaten Raum statt. 254 Rat des Stadtbezirks West der Stadt Dresden. Stellvertreter des Stadtbezirksbürgermeisters für Inneres (Matz), Rat des Bezirkes Dresden. Abt. Innere Angelegenheiten. Ref. Kirchenfragen, 27.6.1975 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 24-45), S. 1. 260 A . a . O . , handschriftliche Notizen. 241 Die Größe des Kongresses erleichterte zwar im konkreten Fall ihren unauffälligen

Ablauf und Ergebnis

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wurde. Zwar konnte nach anfänglichen Schwierigkeiten262 in allen Arbeitsgruppen mindestens ein Informant verpflichtet werden, nicht jedoch in jeder Gesprächsgruppe, so daß aus der Mehrzahl der Gesprächsgruppen keine direkten Informationen vorlagen. Befürchtete Probleme bei der Zulassung einzelner CDU-Mitglieder zum Kongreß gab es hingegen nicht Der in Arbeitsgruppe 1 teilnehmende Sekretär des CDU-Kreisverbandes Dresden-Nord wurde sogar „als Gast" besonders begrüßt.263 Allerdings vermerkten einige Kongreßteilnehmer im nachhinein, daß ein „Gespräch mit den CDU-Funktionären . . . teilweise sehr schwierig" gewesen sei.264

6.5. Ablauf und Ergebnis Der Kongreß, an dem insgesamt 1455 Personen teilnahmen, begann am Freitag - ähnlich dem Kongreß von 1968 - in der Dresdner Annenkirche mit einem Vortrag des Magdeburger Bischofs Werner Krusche zum Thema des Kongresses „Unterwegs zur Gemeinde von morgen".265 Die Annenkirche war bis auf den letzten Platz besetzt, einige Teilnehmer mußten sogar

Einsatz, grundsätzlich war man sich kirchlicherseits über ihre Anwesenheit jedoch durchaus im klaren. Entsprechend berichtete der IM „Park", der von der MfS-Kreisdienststelle Annaberg als Kongreßteilnehmer nach Dresden „entsandt* worden war, daß er von seinem Quartiergeber (wohl arglos) darauf hingewiesen worden sei, daß sich auf den Veranstaltungen des Kongresses und des Kirchentages auch MfS-Mitarbeiter aufhalten würden. „Park" stellte sich erstaunt, woraufhin sein Quartiergeber erläuterte, daß „vor allem nach dem Kirchentag die Kirche ihre eigene Neuaufwertung vorbereitet". Deshalb würde „vom MfS . . . jedes Wort, jeder Satz, jeder Diskussionsbeitrag, sofern er ihnen bekannt wird, ausgewertet, um Maßnahmen der Kirche abzufangen" (Park, Bericht [Abschrift vom Tonband], 1.6.1975 [BStU, ASt Chemnitz, XX, 737, Bl. 166-174], S.8). 242 Am Freitag war noch nicht deutlich, wer aus der Arbeitsgruppe 6 berichten würde (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Rat des Bezirkes. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 49-50], S. 2). 241 Arbeitsgruppe Dresden-Stadt (Hollert), Kirchenkongreß - Kirchentag. Informationen über 10 Themengruppen, 31.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 41-42), S. 1. Staadicherseits wurde diese Begrüßung als eine besondere Ehrung verstanden. Damit wurde allerdings auch allen Anwesenden mitgeteilt, daß sich ein hauptamtlicher CDU-Funktionär in ihrer Mitte befand. 264 Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Küchler), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 21.6.1975 im Pastoralkolleg Krummenhennersdorf, 10.7.1975 (Privatarchiv Cieslak), S. 1. 245 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, [Referat Werner Krusche:] Unterwegs zur Gemeinde von morgen, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand - siehe Dok. 12).

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D e r K o n g r e ß und Kirchentag 1975 in D r e s d e n

stehen.266 Das Referat war vorher vervielfältigt worden und lag den Kongreßteilnehmern zum Mitlesen wie zur späteren Weiterarbeit vor.267 N a c h einem kurzen Rückblick auf seinen Vortrag von 1968 entfaltete Krusche a n h a n d von sechs T h e s e n diejenigen Aspekte, die ihm für den sächsischen 2 6 8 W e g zur G e m e i n d e von morgen wichtig schienen. Als K e n n z e i c h e n derer, die auf diesem W e g e seien, h o b Krusche als erstes T o l e r a n z und gegenseitige Lernbereits c h a f t hervor. Beides sei vor allem deshalb n o t w e n d i g , weil sich jeder die G e m e i n d e der Zukunft unwillkürlich s o vorstelle, w i e er jetzt G e m e i n d e positiv erfahre - der eine in traditioneller Form als O r t s g e m e i n d e , der andere in alternativer Form als Hauskreis o. ä. Beide G e m e i n d e m o d e l l e hätten j e d o c h nicht nur gegenwärtig ihre Berechtigung, sondern würden auch jeweils A n s a t z p u n k t e für die Zukunftsgemeinde in sich bergen. U m diese A n s a t z p u n k t e z u erkennen und herauszufinden, sei der partnerschaftliche und lernbereite D i a l o g zwischen den Vertretern beider M o d e l l e notwendig, und z w a r darüber, w i e sie jeweils „versuchen, G e m e i n d e Jesu Christi in unserer Zeit z u sein, und warum sie es so versuchen". 2 6 9 D e r W e g ins M o r g e n dürfe - s o Krusche unter T h e s e zwei - allerdings nicht in eine kirchliche Uniformität führen. Zwar liege d e r G e d a n k e nahe, der M i n -

266 Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres (Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen), Rat des Bezirkes. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 (SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 49-50), S. 2. 247 Ursprünglich wollte Krusche seinen Vortrag im Wortlaut erst zum Kongreß selbst mitbringen, was allerdings vom Landesausschuß als nicht möglich angesehen wurde, da der Vortrag dann nicht den Teilnehmern vorher ausgehändigt werden könnte, was jedoch für die nachfolgende Arbeit des Kongresses unbedingt nötig sei ([Joh. Cieslak], Herrn Bischof Dr. Werner Krusche, 17.5.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand]). Krusche kam dem Wunsch des Landesausschusses nach und sandte seinen Vortrag in Teillieferungen nach Dresden, wo diese vervielfältigt wurden (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Küchler], Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Donnerstag, 29.5.1975, 18.30-21.30 U h r im Martha-Heim, 30.5.1975 [Privatarchiv Cieslak], S. 1). Entsprechend bemerkte er auf dem Kongreß, daß die vervielfältigte Fassung seines Vortrags, an die er sich dann auch hielt, etwas unter Zeitdruck entstanden sei (vgl. Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 49-50], S. 1). 268 Krusche betonte ausdrücklich, daß sich die Probleme in den verschiedenen Landeskirchen unterschiedlich stellen. „Unterwegs zu sein zur Gemeinde von morgen" bedeute in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (deren Bischof er war) etwas anderes als in der Ev.-Luth. Kirche Sachsens, seiner „alten Heimatkirche". Er könne deshalb nur hoffen, „daß ich mir nicht umsonst Mühe gegeben habe, von Magdeburg aus Euren Weg zur Gemeinde von morgen ein wenig mitzubedenken" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, [Referat Werner Krusche:] Unterwegs zur Gemeinde von morgen, undatiert [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand - siehe Dok. 12], S.1). 269 A . a . O . , S.4.

Ablauf und Ergebnis

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derheitensituation, in die die Gemeinde unweigerlich unterwegs sei, durch Abgrenzung und Streben nach innerer Geschlossenheit zu begegnen. Eine Kirche jedoch, die sich durch „Uniformierung" am Leben erhalten wollte, verlöre gerade das Leben, da sie es versäume, den Menschen mit dem Evangelium „in seiner je eigenen Lebensgeschichte, seinem Erfahrungszusammenhang, seiner Gruppenbindung, seinen je eigenen VeHorenheits-, Entfremdungs- und Gefangenschaftsgestalten" aufzusuchen. Weil sich das Evangelium immer an konkrete Menschen wende, sei die Form seiner Verkündigung von Natur aus vielgestaltig und führe zu vielgestaltigen Zusammenkünften in der Gemeinde sowie zu vielgestaltigen Nachfolgevollzügen.270 Wichtig für den Weg in die Diasporasituation sei deshalb nicht die abschottende innere Geschlossenheit, sondern der Austausch darüber, warum jemand „in seiner Situation das Evangelium gerade so zur Sprache bringen muß, warum gerade diese Form von Versammlung nötig ist, warum gerade diese Entscheidung vom Gehorsam gegenüber Jesus Christus gefordert" sei.271 Diese notwendige Vielfalt in den Gemeinden erfordere jedoch drittens - damit jene aufgrund unterschiedlicher Nachfolgevollzüge entstandenen Gruppen nicht jeweils zu „geschlossenen Gesellschaften" würden - „regelmäßige gemeinsame Versammlungen der verschiedenen Gruppen". Die „Mitte solcher Gemeindetage" würden - so Krusche - die „gemeinsame Feier des Herrenmahls" sowie Berichte aus den Gruppen darüber bilden, „welche Erfahrungen sie seit dem letzten Mal mit dem lebendigen Gott gemacht haben, wo sie versagt haben oder nicht weitergekommen sind". Daraus erwachse „konkrete Anbetung, konkreter Dank, konkretes Sündenbekenntnis und konkrete Fürbitte".272 Viertens werde sich die Aufgabenverteilung in der Gemeinde der Zukunft schon aufgrund der geringeren Zahl hauptberuflicher Mitarbeiter - deutlich ändern. In ihr würden die Gaben jedes einzelnen Mitglieds gebraucht, gefordert und gefördert Die Verantwortung für die Gemeinde werde dann von allen gemeinsam wahrgenommen werden müssen, auch wenn es dort weiterhin Personen geben werde, die sich dieser Verantwortung am wenigstens entziehen könnten. Diese gemeinsame Mitarbeit mit den je eigenen und besonderen Gaben begründe „ein Verhältnis des wechselseitigen Bedürfens und Beschenkens und also ein partnerschaftliches Verhältnis in der Gemeinde".273 Jeder einzelne sei bereit, von dem anderen zu lernen, und halte sich dabei offen „für neue Erfahrungen mit Jesus und seinem Geist".274 Die Existenz der Gemeinde in einer nichtchrisdichen Umwelt mit ihren Erwartungen und Vorurteilen fordere den Christen - so der fiinfte Aspekt - in doppelter Weise heraus. Zum einen sei ein Christ es den Nichtchristen schuldig, ihnen gegenüber Jesus Christus zur Sprache zu bringen mit „eigenen, selbst verantwor-

270 Die Verschiedenheit der Nachfolgevollzüge könne eine „Spannbreite" haben, „die von der Ableistung des Wehrdienstes bis zur Verweigerung einer Ausbildung an Waffen, von der Mitarbeit in einer Partei bis zur Nichtbeteiligung an der Wahl geht" (a.a.O., S.6). 271 Ebd. m A . a . O . , S.8. 275 А. а. O., S. 9. 274 A.a.O., S. 10.

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teten Äußerungen seines Glaubens".273 Zum anderen müsse er aber auch bereit sein, die Erwartungen wie auch das Unverständnis der nichtchrisdichen Umwelt als Anfrage an sich selbst zu verstehen, ob er in dem konkreten Punkt wirklich dem folge, was Jesus will. Krusche Schloß seinen Vortrag - sechstem - mit einem ökumenischen Aspekt. Da die Gemeinden von heute und morgen unterwegs seien auf Gottes Reich hin, das wiederum zeichenhafte Vorverwirklichungen provoziere, müßte als eine dieser zeichenhaften Vorverwirklichungen in der Gemeinde der Zukunft deudich werden, daß alle Christen auf dasselbe Ziel hin unterwegs sind. Die Gemeinde von morgen werde also eine Gemeinde sein, die sich um ökumenische Gemeinschaft bemüht 276 Die Diskussion in den Arbeitsgruppen des Kongresses ging in einem ersten Gesprächsgang vom Referat aus, in dem Krusche die von ihm besonders hervorgehobenen Aspekte auch bereits einzelnen Arbeitsgruppenthemen zugeordnet hatte. Die weitere Arbeit diente der Klärung der in diesem Zusammenhang als wichtig erkannten Fragen sowie der weiteren Durchdringung des Arbeitsgruppenthemas. AG 1 („Man muß miteinander können. Partnerschaft in der Gemeinde - Pfarrer und Laien"): Trotz anfänglicher Meinungsverschiedenheiten, bei denen sich die meisten für eine „Aufteilung verantwortlicher Tätigkeiten im Bereich der Ortsgemeinde" aussprachen, einige wenige jedoch auch für das Gegenüber eines verantwortlichen Gemeindeleiters und einer lediglich Hilfestellung leistenden Mitarbeiterschar eintraten, wurde schließlich „einmütig" die Notwendigkeit anerkannt, „in der Gemeinde von morgen dem partnerschafdichen Arbeitsstil den Vorrang zu geben".277 Da solche Partnerschaft in den meisten Gemeinden allerdings bestenfalls in „ersten Ansätzen" zu erkennen sei, stellte sich die Frage nach den „Ursachen für mangelnde Partnerschaft". Genannt wurden in diesem Zusammenhang: „ein autoritäres Verhalten begründendes Amtsverständnis des Pfarrers", „als hierarchisch empfundene Strukturen der Landeskirche" sowie Verständigungsschwierigkeiten innerhalb der Gemeinde wie auch zwischen Gemeinde und Pfarrer.278 Die wichtigste Voraussetzung zur Überwindung dieser Hindernisse und damit ein erster Schritt zu mehr Partnerschaft in der Gemeinde sei die „gegenseitige Anerkennung als gleichberechtigte, gleichwissende oder unwissende Gemeindeglieder, von denen keiner alles" könne.279 Dazu gehöre, daß Pfarrer und Laien das Gespräch miteinander suchen und „geduldig aufeinander hören und miteinander

A.a.O., S. 11. A.a.O., S. 13f. V1 Gemeinsam eingebrachte Erkenntnisse. Kurzberichte über die Arbeit der zehn Themengruppen beim Kirchentagskongreß, in: Der Sonntag 30 (1975), Nr.25 vom 22.Juni 1975, S. 1. m Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 1: Man muß miteinander können. Partnerschaft in der Gemeinde - Pfarrer und Laien, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen), S. 1. 274 Ebd. ai

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reden".280 Denn Partnerschaft in der Gemeinde bedeute nicht eine vordergründige Umverteilung von Arbeiten und Aufgaben, „sondern verantwortliches Mittun entsprechend den Fähigkeiten".281 AG 2 („Gemeinde ohne Zäune. Evangelium und Gestalt der Gemeinde"): In der Analyse wurde deutlich, daß die chrisdiche Gemeinde der Gegenwart in vielfältigen Abgrenzungen existiere. „Außer den Zäunen zwischen Gemeinde und Umwelt" fänden sich auch „verschiedenartige Zäune innerhalb der Ortsgemeinden".282 Dieser Umstand, dessen Gründe ausführlich zur Sprache kamen (Scheu vor „Auseinandersetzungen mit anderen Weltanschauungen" oder auch ein zu geringer Kontakt der Gemeindegruppen untereinander), wurde allerdings nicht generell „bedauert" und auch nur zum Teil als „veränderungsbedürftig angesehen".283 Derartige „Zäune" seien lediglich dort „unsachgemäß" und würden die „Glaubwürdigkeit und Verständlichkeit" der chrisdichen Gemeinde beschränken, „wo sie Ausdruck von Mißtrauen und Lieblosigkeit" seien.284 Dagegen wären „Zäune" notwendig, um den Gruppen in der Gemeinde wie der Gemeinde insgesamt eine klare Identität zu verleihen und den jeweiligen Mitgliedern das Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln. Entsprechend konnte als ein Ergebnis festgehalten werden, daß „die heutige Gemeinde nicht völlig ohne , Zäune'" auskomme. Freilich sei es wichtig, „daß diese , Zäune' auch ,Türen'" hätten.285 AG 3 („Bibel aktuell. Hilfe für die Gemeinde und den einzelnen"): Da die Aktualität der Bibel von niemandem bestritten wurde, ging es in der anfänglichen Diskussion weniger um diese Aktualität an sich als vielmehr шп einen bestimmten und verbreiteten Umgang mit der Bibel, bei dem diese Aktualität nicht oder nur sehr unzureichend zum Ausdruck komme. In diesem Zusammenhang wurde auch Kritik an der traditionellen Form der Sonntagspredigt geübt, in die die Hörer aufgrund der monologischen Struktur nicht einzubringen vermögen, was für sie in ihrer Situation am Predigttext aktuell sei. Den Hauptteil der Gruppenarbeit bildete jedoch die Vorstellung und Erprobung von Modellen zur situationsnahen Gruppenbibelarbeit, wie sie in der Gemeinde Ottendorf-Okrilla, die die Vorbereitung dieses Arbeitsgruppenthemas übernommen hatte, praktiziert worden waren. „Im Abschlußplenum war deutlich, wie lebensnah die Bibel mit ihren Aussagen ist; wie groß die Fülle gemeinsam eingebrachter Erkenntnisse ist und wie im echten Gespräch die Hörfähigkeit wächst, ohne die wohl kaum etwas Vernünftiges gesagt werden kann." 286

®> Ebd. m

A.a.O., S.2.

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Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 2: Gemeinde ohne Zäune. Evangelium und Gestalt der Gemeinde, undatiert (KKTArchiv Dresden, KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen), S. 1. 285 Ebd.

** А. а. O., S. 2. 285

Gemeinsam eingebrachte Erkenntnisse. Kurzberichte über die Arbeit der zehn Themengruppen beim Kirchentagskongreß, in: Der Sonntag 30 (1975), Nr. 25 vom 22.Juni 1975, S. 1. ж Ebd.

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

AG 4 („Treffpunkt Gemeinde. Unser Zusammensein im Gottesdienst, in Werken und Kreisen, in Diensten und zu Festen"): Unter der Fragestellung, wie die Zusammenkünfte in der Gemeinde strukturiert sein müßten, damit sie den Anforderungen, die die Zukunft an die Gemeinde stelle, gerecht werden können, wurden in den Gesprächsgruppen insgesamt drei „Erwartungen" formuliert: Erstens müßten die „Fragen des Glaubens" in den Zusammenkünften der Gemeinde in einer solchen Weise nahegebracht werden, daß sie sowohl von Jüngeren und Alteren einerseits als auch von Intellektuellen und einfachen Menschen andererseits verstanden und nachvollzogen werden könnten. Weiterhin sei es f ü r die Zukunft wichtig, „daß in unseren Gemeinden tragfähige Gruppen entstehen, die jedem praktische Lebenshilfe geben . . . und dem einzelnen helfen, die Spannungen im gesellschaftlichen Leben zu tragen". 287 Drittens sollten „die vorhandenen Formen der Gemeindeveranstaltungen so genutzt werden, d a ß eine vertrauensvolle, gesprächsorientierte Atmosphäre entsteht". 288 Anhand von Einzelfragen wurde auch hier der Sonntagsgottesdienst „als Mittelpunkt der Gemeinde" diskutiert und dabei die Forderung erhoben, die Gemeinde mehr an der Gestaltung des Gottesdienstes (etwa durch seine Vorbereitung in einem Team) zu beteiligen. 289 AG 5 („Als Minderheit leben. Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance"): Während zu Beginn der Gruppenarbeit vor allem „die Nöte der kleiner werdenden Gemeinde" angesprochen worden waren, traten bei der Weiterarbeit auch deren Chancen immer deutlicher zutage. Zukunftsträchtig sei vor allem die Bildung kleiner und überschaubarer Gruppen, in denen „alle Altersstufen und Geschlechter vertreten" seien. 290 Diese Gruppen böten „Freiraum für alle Fragen und Probleme des Einzelnen und der Gruppe"; man helfe sich dort „gegenseitig in Gespräch, durch Beratung, durch Trost und materielle Hilfe" und lerne „mit Andersdenkenden umzugehen und seinen Glauben zu artikulieren". 291 Weiterhin weise der Weg in die Minderheitensituation auf die biblische Botschaft als der „tragenden Mitte für den Einzelnen, die Gruppe und die Gemeinde". 292 Vor allem im Zusammenhang der Bibelarbeit kam dann das Problem christlichen Engagements in der sozialistischen Gesellschaft zur Sprache, das unter den Stichworten „Partnerschaft" und „schalom" bedacht wurde. Partnerschaft meine zwar ein „Eingehen auf den anderen - auch den Nichtchristen", jedoch „keine Preisgabe des eigenen Christseins". „Schalom" wiederum stelle die Umwelt unter Gottes 287 Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 4: Treffpunkt Gemeinde. Unser Zusammensein im Gottesdienst, in Werken und Kreisen, in Diensten und zu Festen, undatiert (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen). 288 Ebd. m Vgl. Gemeinsam eingebrachte Erkenntnisse. Kurzberichte über die Arbeit der zehn Themengruppen beim Kirchentagskongreß, in: Der Sonntag 30 (1975), Nr. 25 vom 22.Juni 1975, S. I f. 240 Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 5: Als Minderheit leben. Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen), S. 1. 7,1 Ebd. » Ebd.

Ablauf und Ergebnis

391

Anspruch, wodurch die Christen einerseits zum „weltlichen" Engagement ermuntert würden, andererseits aber ebenso feststünde, daß sie sich „nie in Anpassung, sondern als Mitgestalter der Welt Gottes" engagierten.293 AG 6 („Wenn unsere Nachbarn fragen. Die Gemeinde und die Nichtchristen"): Ein wesendicher Diskussionspunkt war in den Gesprächsgruppen zu diesem Thema der Erfahrungsaustausch über Begegnungen und Gespräche mit Nichtchristen. Aus ihnen ergaben sich - trotz eines wohl sehr unterschiedlichen Gesprächsverlaufs in den einzelnen Gruppen - „der Ruf nach geisdicher Zurüstung und Erneuerung auf der einen Seite und ein starkes Bedürfnis an sachlichen Informationen und methodischen Hinweisen" auf der anderen Seite.294 AG 7 („Mündig wird man nicht allein. Kinder und Erwachsene brauchen die Gemeinde für ihren Glauben"): Ausgehend von der Einsicht, daß die Gemeinde der Zukunft mündige Christen brauche, ging es in der Diskussion vor allem darum, wie ein solches Mündigwerden erreicht und gefördert werden könne. Dabei wurde - entsprechend der Themenformulierung - festgehalten, daß in der Tat niemand von sich aus mündig werde, sondern daß sich Mündigwerden im wesentlichen innerhalb von Gesprächsgruppen vollziehe. Denn im problemorientierten Gruppengespräch ereigne sich nicht nur ein Arbeits-, sondern vor allem auch ein Lemprozeß, bei dem im gegenseitigen „Geben und Nehmen" die Positionen und Einsichten der einzelnen vertieft und korrigiert würden.295 Voraussetzung dafür sei freilich die gesprächsbereite, offene, gastfreundliche, hilfsbereite und missionarische Gemeindegruppe. Das Leben in einer solchen Gruppe führe „zu einem ständigen Gespräch mit den Menschen, mit der Bibel, mit Christus".296 Da sich die Herausforderungen für mündiges Handeln allerdings stets änderten und neu stellten, sei auch das Mündigwerden als ein dynamisches und dialogisches Geschehen, auch wenn es auf aktuelles mündiges Handeln und die Übernahme konkreter Verantwortung abziele, nie abgeschlossen. AG 8 („Gemeinde lohnt sich. Gemeinsames Leben in der Gemeinde und für den Alltag"): Unter diesem Arbeitsgruppenthema wurde über Entstehung und Zielstellung von Dienst-, Gesprächs- und Aktionsgruppen in der Gemeinde sowie über ihre Vernetzung auf Gemeindeebene nachgedacht Eine wichtige Rolle spielte dabei der Erfahrungsaustausch sowie der Bericht von innovativen Gruppen.297 Ebd. ** Gemeinsam eingebrachte Erkenntnisse. Kurzberichte über die Arbeit der zehn Themengruppen beim Kirchentagskongreß, in: Der Sonntag 30 (1975), Nr. 25 vom 22.Juni 1975, S.2. 2.5 Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 7: Mündig wird man nicht allein. Kinder und Erwachsene brauchen die Gemeinde für ihren Glauben, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: ArbeitsgruppenPapiere, Unterthemen), S. 1. 2.6 A.a.O., S.2. 2.7 Vgl. Gemeinsam eingebrachte Erkenntnisse. Kurzberichte über die Arbeit der zehn Themengruppen beim Kirchentagskongreß, in: Der Sonntag 30 (1975), Nr. 25 vom 22. Juni 1975, S. 2; Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 8: Gemeinde lohnt sich. Gemeinsames Leben in der Gemeinde und für den Alltag, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen).

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Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

AG 9 („Was trennt uns eigentlich? Auf dem Wege zur oekumenischen Gemeinschaft"): Auf der Grundlage der Überzeugung, daß keine der vorhandenen Kirchen die „volle Glaubenswahrheit" besitze, ergab sich in dieser Arbeitsgruppe als Verpflichtung für alle Kirchen die unabdingbare Aufgabe, „um des Heiles willen" miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam „die ganze Wahrheit zu suchen".298 Nur im Zusammenhang dieses gemeinsamen Suchens sei das jeweilige Zeugnis von Jesus Christus wirklich glaubwürdig. Konkret wurden, da „der gegenwärtige Stand der theologischen Ubereinstimmung zu größerer Gemeinsamkeit im Leben der Kirchen" berechtige, sowohl „Empfehlungen an die Kirchenleitung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens" als auch Vorschläge „für die Arbeit der Gemeinden" zu größerer ökumenischer Zusammenarbeit unterbreitet.299 „Deutlich kam in den Gesprächsrunden zum Ausdruck: Wir wollen eine Gemeinde, in der Christen die Christen anderer Bekenntnisse nicht nur verstehen und achten lernen, sondern Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens suchen und finden."300 AG 10 („Kleine Diakonie - groß geschrieben. Hilfe vor Ort - ein Auftrag für die Gemeinde"): In dieser Arbeitsgruppe kam zum Ausdruck, daß neben der Evangeliumsverkündigung und der Verwaltung der Sakramente auch die umfassende Sorge für den Menschen an Leib und Seele eine wesendiche Aufgabe der Gemeinde sei. Im Interesse dieser Aufgabe müsse sich die Gemeinde auf ihrem Weg in die Zukunft von einer Konsumenten- und Versammlungsgemeinde zu einer helfenden Aktionsgemeinde wandeln. Diese Wandlung sei ein Schritt in die „Nachfolge Jesu, in dessen Verkündigung und Handeln die Einheit von Wort und Tat vorgegeben ist".301 Am Sonntagmorgen fand in der Annenkirche f ü r alle Arbeitsgruppen eine Veranstaltung mit Landesbischof Hempel statt, auf der dieser die G r u n d gedanken seines Referates f ü r die am Vormittag vorgesehenen Gemeindeversammlungen des Kirchentages 302 vortrug. Danach bestand - f ü r die Arbeitsgruppen 1 bis 8 - das Angebot einer abschließenden Arbeitseinheit in den Arbeitsgruppenzentren, das allerdings nicht von allen Kongreßteilnehmern wahrgenommen wurde. 303

2,8 Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 9: Was trennt uns eigentlich? Auf dem Wege zur oekumenischen Gemeinschaft, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen), S. 1. *» А. а. O., S. 1 f. 300 Gemeinsam eingebrachte Erkenntnisse. Kurzberichte über die Arbeit der zehn Themengruppen beim Kirchentagskongreß, in: Der Sonntag 30 (1975), Nr. 25 vom 22.Juni 1975, S.2. 301 Kirchentagskongreß 1975 „Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Bericht der Arbeitsgruppe 10: Kleine Diakonie - groß geschrieben. Hilfe vor Ort - ein Auftrag für die Gemeinde, undatiert (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen). 302 Vgl. unten S. 395-397. 305 Vgl. unten S. 399 f.

Ablauf und Ergebnis

393

Ablauf des Landes-Kirchentagskongresses vom 30. Mai bis l.Juni 1975 in Dresden: „Unterwegs zur Gemeinde von morgen" Freitag, 30. Mai [10.00

Geistliche Zurüstung aller Mitarbeiter des Kongresses und des Kirchentages in der Lukas kirche]

12.15

Gebetsgemeinschaft

13.00

Eröffnung des Kirchentagskongresses in der Annenkirche Referat: „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", Werner Krusche

16.00

Arbeit zum Referat in den zehn Arbeitsgruppenzentren

19.30

Sonderveranstaltungen in verschiedenen Dresdner Gemeinden

21.30 Sonderveranstaltung in Dresden-Strehlen Sonnabend, 31. Mai 8.00

Abendmahlsgottesdienste in den Arbeitsgruppen Zentren

9.00

Bibelarbeit zu Jer 29,4-14 (AG 3: Apg 6,1-7) in den Gesprächsgnippen der zehn Arbeitsgruppenzentren

11.30

Meditation

14.00

Arbeit zu den einzelnen Arbeitsthemen in den zehn Arbeitsgruppenzentren

18.00

Sonderveranstaltungen in verschiedenen Dresdner Gemeinden

19.30

Sonderveranstaltungen in verschiedenen Dresdner Gemeinden

Sonntag, l.Juni 8.00

Gebetsgemeinschaft

8.30

Stunde mit Landesbischof Johannes Hempel in der Annenkirche Schlußwort, Johannes Cieslak

[ 10.30

Weiterarbeit in den zehn Arbeitsgruppenzentren]

[12.30

Ende des Kongresses, Teilnahme am Kirchentag]

Ubersicht über die Sonderveranstaltungen 304 zum Kongreß und Kirchentag:

101 Für die Sonderveranstaltungen wurde in der Regel ein Eintritt vom 2,—Μ verlangt, was den Andrang allerdings nicht schmälerte (vgl. Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft: Berichterstattung über 2. Kirchenkongresstag und Sonderveranstaltungen, 1.6.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 45-46], S. 1).

394

Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

Freitag, 30. Mai Ort

19.30 Uhr

21.30 Uhr

Gememdesaal Dresden-Strehlen

„Das vorletzte Gericht", Kabarett „Die Dekanahtlosen"

„Das vorletzte Gericht", Kabarett „Die Dekanahdosen*

Lukaskirche

„Passio Camilo", Oratorium mit Sprechern, Hans-Jörg Dost

Eriöser-AndreasKircfae

.Sag es mit einem Song . . - eigene Lieder singen, Gerhard Schöne и. a.

Gememdesaal Versöhnungskirebe

„Abenteuerliche Reise" (Das Spiel von Tobias und dem Engel), Spielgemeinde Leipzig

Annenkircbe

Konzert der Kirchenmusikschule Dresden, Christoph Alkrecht

Sonnabend, 31. Mai Ort

18.00 Uhr

Kreuzkirche

Festliche Vesper des Kreuzchores, Martin Flam ig

Auferstehungskirche

„Auf und macht die Herzen weit", Chor der sächsischen Posaunenmission

Heiiig-Geist-Kircbe

„Auf und macht die Herzen weit", Chor der sächsischen Posaunenmission

Petri-Kirche

„Auf und macht die Herzen weit", Chor der sächsischen Posaunenmission

19.30 Uhr

21.00 Uhr

„Sag es mit einem Song . . . - eigene Lieder singen, Gerhard Schöne и. a.

Hoffnungskirche

„Passio Camilo", Oratorium mit Sprechern, Hans-Jörg Dost

Mart in-Luther-Kirche

Konzert der Meißner Kantorei, Erich Schmidt

Gemeindesaal Christuskirche

„Der Wind läßt den Sand tanzen", Spielgemeinde Leipzig

Gemeindesaal Versöhnungskirche

„Das vorletzte Gericht", Kabarett „Die Dekanahtlosen"

Gemeindesaal Apostelkirche

„Die merschten Deutschen sin aus Sachsen", Songs von und mit Dieter Graichen

Lukaskirche

[ Festsaal der Oiakonissenanstalt

Das Nachtgebet zum Kirchentag - gestaltet von der Jungen Gemeinde. Volker Krvß Empfang der Landeskirche für geladene Gäste]*

Ablauf und Ergebnis Sonntag, l . J u n i Ort Krcuzkirche

395

19.30 Uhr Orgelkonzert,

Herbert Collum * Staaüicherseits nahmen an diesem Empfang der Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden, Lewerenz, sowie der Dresdner Stadtrat fllr Inneres, Jörke, teil (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Lewerenz], Einschätzung des Verlaufs und der Ergebnisse des Kirchentagskongresses und des Kirchentages der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 30.5. 1.6.1975, 4.6.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 14-17 - siehe Dok. 14], S.3).

Am Kirchentagssonntag wurden - jeweils um 8.00 Uhr - im Großraum Dresden Kurzgottesdienste gehalten, die ab „Ruf zum anschließend beginnenden Kirchentag" gedacht waren.305 Der Kirchentag selbst, an dem insgesamt 13500 Besucher teilnahmen,306 begann um 9.00 Uhr mit den Gemeindeversammlungen im Martin-Luther-Garten und in der Kreuzkirche, in deren Mittelpunkt jeweils der Vortrag von Landesbischof Hempel zum Thema des Kirchentages „Unterwegs zur Gemeinde von morgen" stand. Zu Beginn seines Referates, das entsprechend seiner Zielstellung mehr als jenes von Krusche den einzelnen und seine Besorgnis angesichts der kleiner werdenden Gemeinden innerhalb einer nichtchristlichen Umwelt ansprach, charakterisierte Hempel das Kirchentagsthema als einen „hellen, frohen Gegenruf gegen die heimliche oder offenbare Sorge vieler Christen, vieler Menschen Uberhaupt, es könnte mit der Kirche langsam, aber sicher zu Ende gehen".307 Im Kirchentagsthema spreche sich - so Hempel - die Gewißheit aus, daß es „Gemeinde Jesu Christi . . . in aller Zukunff geben werde, und diese Gewißheit sei auch seine eigene „tiefe, persönliche Uberzeugung".308 Dieser Weg in die Zukunft bedeute zwar, daß Bekanntes und Vertrautes zugunsten von Neuem und Ungewissem verlassen werden müsse, es sei jedoch ein Weg unter Gottes Führung, so daß sich - auch wenn niemand genau sagen könne, wie die Gemeinde von morgen aussehen werde - Orientierungspunkte für diesen Weg ergeben. Hempel nannte vier solcher 305 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Arbeitsgruppe Gottesdienst (Küchler), Protokoll über die 2. Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst am Freitag, 8.11.74, 18.00-21.30 Uhr im Gemeindehaus der Lukaskirche, 17.11.1974 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 1; Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Protokoll über die Zusammenkunft des Ortsausschusses am Dienstag, 5. Nov. 74 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden Strehlen 10-14 Uhr, 6.1.1975 (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden 1975: Orts-General-Ausschuß), S. 2. 306

[KONGRESS

UND

KIRCHENTAG

Kirchentagskongreßarbeit,

IN

DER

Kirchentagsarbeit,

EV.-LUTH.

S. 6 ;

vgl.

H.

LANDESKIRCHE KROGER-HAYE/S.

SACHSENS]: LANGE/I.

L E N T / H . MÜILER-UIBRIG: E v a n g e l i s c h e r K i r c h e n t a g in d e r D D R , S . 2 8 . 307 Johannes Hempel, „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand - siehe Dok. 13), S. 1. *» Ebd.

396

Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

Orientierungen, die er entsprechend der Ausrichtung seines Referates nicht einfach nur skizzierte oder gar als Forderungen an die Teilnehmer weitergab, sondern vor allem als Chancen für die Gemeinde wie für den einzelnen beschrieb. Als erstes werde sich die kleiner und schwächer werdende Gemeinde wieder auf ihre Basis, die Bibel und ihre Botschaft, besinnen, die „das Beste" sei für jene „Menschen, die sinnvoll leben wollen".309 Zwar stehe in der Bibel auch, „daß Gott einiges von uns will", vor allem aber sei sie „voll von Variationen über Gottes Geschenke, über Vergebung, Freude, Frieden". Insofern könne der in der gegenwärtigen und zukünftigen Minderheitensituation besonders dringliche Rückverweis auf die Basis die kleiner werdende Gemeinde stärken und froher machen.MC Als zweites werde auf dem Weg ins Morgen die Gemeinschaft untereinander an Bedeutung gewinnen, allerdings ohne daß damit eine Vereinheitlichung der Meinungen angestrebt würde. Zwar führe die vorhandene Vielfalt von Gruppen und Frömmigkeitsrichtungen durchaus auch zu Schwierigkeiten, in erster Linie seien sie jedoch ab Zeichen geistlichen Lebens zu verstehen und damit als „unverdienter Reichtum" zu begrüßen. 3 " Diese unterschiedlichen Gruppierungen müßten allerdings mehr als bisher miteinander ins Gespräch kommen. „Querkontakte" seien notwendig, damit die, die im Unterwegssein aufeinander angewiesen sind, sich nicht aus den Augen verlieren, sondern sich gegenseitig weiterhelfen auf ihrem Wege. 312 Drittens werde sich in Zukunft „das Leben unter Nicht-Christen" als „immer lohnender erweisen".313 Zwar bereite auf dem Hintergrund volkskirchlicher Traditionen die zunehmende Entkirchlichung der Gesellschaft Sorge und erscheine insgesamt als ein geradezu unheimliches Phänomen. Der dadurch unvermeidliche Kontakt mit Nicht-Christen habe jedoch für den einzelnen auch etwas durchaus Lohnendes. Denn die Existenz unter Andersdenkenden mache zum einen das christliche Leben reflektierter und bewußter. Zum anderen hätte auch das mit dem Christsein (in der DDR) 5 1 4 verbundene Leiden nicht nur eine bittere Seite, da Christen dadurch „zumindest am Ende scharfsichtiger bzw. hellhöriger bzw.

*» A . a . O . , S.3. 310 A . a . O . , S.4. 311 А. а. O., S. 4 f. 311 A . a . O . , S.5. 313 А. а. O., S. 6. 314 Hempel formulierte an dieser Stelle sehr verhalten, so daß es zuhörenden staadichen Beobachtern nicht auffiel, d a ß an dieser Stelle auf die Benachteiligung christlicher Bürger in der D D R angespielt wurde (vgl. Große, Bernd/Zurheiden, Reiner, Sonderveranstaltung am 01.06.75, Annenkirche 8.30 Uhr, undatiert [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 178-179], S. 1; Gemeindeversammlung Martin-Luther-Garten, undatiert [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 36-40], S. 1 f.; Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Jörke], Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, betrifft: 3. Bericht Uber Kirchentagskongress und Kirchentag in Dresden, 1.6.1975 [SHStA, B T / R d B Dresden, 45088, Bl. 181-182], S. 1). In der BV Karl-Marx-Stadt des MfS wurde diese Passage bei Lektüre der vervielfältigten Fassung dann allerdings unterstrichen und mit einem Ausrufezeichen versehen (BStU, ASt Chemnitz, X X , 737, Bl. 295).

Ablauf und Ergebnis

397

einfach ,klüger' hinsichtlich dessen" würden, „worauf es im Leben letztlich" ankomme, „um glücklich zu sein".3'5 Von besonderer Wichtigkeit werde schließlich auch die Frage nach dem „Ziel allen Lebens" sein. Denn diese Frage sei nicht nur eine Frage der Christen, vielmehr seien „in jener Frage nach dem Ziel allen Lebens . . . alle, Christen und Nicht-Christen, zusammengeschlossen".316 Allerdings hätten die Christen eine Antwort auf diese Frage, die sie den fragenden Nichtchristen - auch wenn diese Antwort aufs erste „denkbar unwahrscheinlich" klinge - nicht vorenthalten dürften. „Unterwegssein zur Gemeinde von morgen" bedeute in diesem Zusammenhang: „Wir haben, bekommen und behalten unser Christsein nicht billiger, als daß wir für uns und für andere auf die elementarste aller Fragen, die Frage nach dem Ziel des Lebens, eine befreiende Antwort zu geben und zu leben versuchen."317 Hempel Schloß sein Referat mit der Zusage und Ermunterung: „Daß es mit der Kirche weitergeht, darum brauchen wir uns nicht zu sorgen. Wie es mit der Kirche weitergeht, das hängt von uns ab, von jedem, wie auch immer er zur Zeit zum chrisdichen Glauben steht."318 Der Kirchentag endete am Nachmittag mit Abschlußgottesdiensten in neun Dresdner Kirchen. Über Mittag standen in ca. 20 „Zentren kreativen Handelns" im Bereich des Martin-Luther-Gartens und der Lukaskirche zusätzliche Angebote bereit Ablauf des Kirchentages am l.Juni 1975 in Dresden: „Unterwegs zur Gemeinde von morgen" Ort

9.00 Uhr

14.00 Uhr

Martin-Luther- Gemeindeversammlung: vielfältiges Galten Angebot, Vortrag von Landesbischof Johannes Hempel „Unterwegs zur Gemeinde von morgen"* Kreuzkirche

Gemeindeversammlung: vielfaltiges Angebot, Vortrag von Landesbischof Johannes Hempel „Unterwegs zur Gemeinde von morgen"

Familiengottesdienst mit dem Dresdner Kreuzchor, Martin Flämig Predigt: Dietrich Mendt

Anncnkirchc

Jugendgottesdienst - aktuelle Liturgie mit Spiel und Musik (Beat-Band) Junge Gemeinde der Weinbergskirche, Dresden Predigt: Frieder Burkhardt

Auferstehungskirche

Gottesdienst „Im Horizont der weltweiten Kirche" Predigt: Joachim Schlegel

115 Johannes Hempel, „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand - siehe Dok. 13), S. 7. 3 " Ebd. А. а. O., S. 8. 118 Ebd.

398

Der Kongreß und Kirchentag 1975 in Dresden

Kookathedrale (Katb. Hoflcircbc)

Gottesdienst mit dem Chor der Iandeskirchenmusikschule, Christoph Albrecht Predigt: Martin Schwintek

Lukaskirche

Jugendgottesdienst - Friedensmesse von Peter Jansens mit der Gruppe Morgenstern und dem Jugendchor Dresden Predigt: Volker Krefi

Maxtm-Luther-

Blisergottesdienst Predigt Emst PetzoU

Kirche Petrikirche

Jugendgottesdienst mit der Band der Schloßkirche, Kari-MarxStadt Predigt: Theodor Lehmann

[Gcmcmdcsaal der rlifitliijii^lff

Gesprächs go ttesdienst mit der Gruppe Bühlau Predigt: Friedrich Köhl\*·

Herz-Jesu-Kirche

Singgottesdienst mit der Gesangs- und Instrumentalgruppe der Kantorei der SlMarienkirche Pima, Heinrich Albrecht Predigt Irene Koenig

Versöhnungskirche

Singgottesdienst mit der Kantorei der Friedenskirche Radebeul, Hans-Bernhard Hoch Predigt: Erhard Wonneberger

•Offizieller Beginn der Gemeindeversammlung im Martin-Luther-Garten war 9.45 Uhr. ••Dieser Gottesdienst wurde kurzfristig abgesetzt (vgl. oben S. 358 f.). Gegen diese Absetzung wurde auf der Abschlußveranstaltung des Kirchentagskongresses in der Annenkirche Protest laut (vgl. u.a. Große, Bernd/Zurheiden, Reiner, Sonderveranstaltung am 01.06.75, Annenkirche 8.30 Uhr, undatiert [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 178-179], S. 2; Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeister-, für Inneres [Jörke], Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, betrifft: 3. Bericht über Kirchentagskongress und Kirchentag 1975 in Dresden, 1.6.1975 [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 36-40], S. 4; Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Information Uber die Veranstaltungen des Kirchentagskongresses und des Kirchentages am 30.5. - 1.6.1975 [Anhang], undatiert [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 19-22], S.4).

6.6. Kirchliches Echo Bereits während der Kirchentagsveranstaltung war der Landesausschuß an jedem Abend zu einer Lagebesprechung zusammengekommen, auf der nicht nur Entscheidungen für den jeweils nächsten Tag getroffen, sondern auch erste Einschätzungen des zurückliegenden Tages vorgenommen wurden. Diese konnten durchweg auf positive Äußerungen von Teilnehmern verweisen. „Erste kurze Informationen ergaben eine insgesamt sehr positive Einschätzung des Kongreßverlaufes. Die Atmosphäre war in allen Themengruppen gut, in den

Kirchliches Echo

399

kleineren Gruppen sehr gut, weil Familienatmosphäre!! Die Teilnehmer sprachen sich lobend über die Organisation in den Gemeindezentren aus."319

Präsident Cieslak griff diese ersten Reaktionen in seinem Schlußwort am Ende des Kongresses auf und hob darin die „gute und offene Atmosphäre" besonders hervor, die den Kongreß ausgezeichnet hätte und in der viel gelernt worden sei.320 Daneben wurde auch in den Abschlußgottesdiensten des Kirchentages der positive Ertrag der Kirchentagsveranstaltung insgesamt mehrfach angesprochen.321 Eine umfassende Auswertung erfolgte, auch wenn die statistische Erhebung noch nicht im einzelnen vorlag,322 auf der erweiterten Sitzung323 des Landesausschusses am 21. Juni 1975 im Pastoralkolleg Krummenhennersdorf. Die dort versammelten Ausschußmitglieder und Kongreßteilnehmer waren übereinstimmend der Meinung, daß „die gesamte Atmosphäre des Kongresses . . . positiv eingeschätzt" weiden könne,324 auch wenn von einigen Teilnehmern „eine .elitäre' Zusammensetzung des Kongresses" kritisiert worden sei.325 Dagegen gab es zum sachbezogenen Ertrag des Kongresses durchaus auch kritische Stimmen. So wurde „bemängelt, daß in einigen Gruppen das weiterführende Element" gefehlt und es „in den Gesprächen" dementsprechend keine „Neuigkeiten" gegeben habe.326 Ausführlich kam - wegen der im Vorfeld geäußerten Kritik - die Gesprächseinheit am Sonntagvormittag zur Sprache. Eine Auswertung der Teilnehmerzahlen aus Ev. Kirchentagskongress der Landeskirche Sachsens (Küchler), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 31.5.1975, 20.30-21.30 Uhr im Festsaal des Diakonissenhauses Dresden, 31.5.1975 (Privatarchiv Cieslak), S. 1. 120 Vgl. Große, Bernd/Zurheiden, Reiner, Sonderveranstaltung am 01.06.75, Annenkirche 8.30 Uhr, undatiert (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 178-179), S. 1. m Etwa in der Lukaskirche, in der Landesjugendpfarrer Volker Kreß feststellte, daß »die Dagewesenen aus dem Kirchentag neue Kraft geschöpft" hätten (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Jörke], Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, betrifft: 3. Bericht über Kirchentagskongress und Kirchentag 1975 in Dresden, 1.6.1975 [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 36-40], S.3). ш Vgl. oben S. 355. - Die Auswertung der Fragebögen sollte durch die Themenverantwortlichen für die einzelnen Arbeitsgruppen vorgenommen werden und bis zum 31.Juli abgeschlossen sein (Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Küchler], Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 21.6.1975 im Pastoralkolleg Krummenhennersdorf, 10.7.1975 [Privatarchiv Cieslak], S.3). Im September lag dann das Ergebnis vor, allerdings hat es sich in den Akten nicht erhalten. 523 Zusätzlich zu den Mitgliedern des Landesausschusses waren Vertreter aus den Arbeitsgruppen sowie Gäste des Landesausschusses Görlitz zugegen (allerdings ohne daß der Görlitzer Kongreß aktenkundig zur Sprache gekommen wäre). Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Küchler), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 21.6.1975 im Pastoralkolleg Krummenhennersdorf, 10.7.1975 (Privatarchiv Cieslak), S. 1. 3JS А. а. O., S. 2. J * A.a.O., S. 1.

400

D e r K o n g r e ß und Kirchentag 1975 in D r e s d e n

den einzelnen Arbeitsgruppen ergab zwar, d a ß etliche der Kongreßteilnehmer diesem „4. Schritt" ferngeblieben waren, d e n n o c h aber eine durchschnitdiche Beteiligung von etwa 70 % z u verzeichnen sei. D a m i t habe - s o das Fazit - „sich der 4. Schritt als grundsätzlich richtig erwiesen und sollte bei entsprechend anderer G e s a m t p o s i t i o n beibehalten werden". 3 2 7

Auch der Kirchentag am Sonntag wurde - einschließlich der Verknüpfung von Kirchentag und Kongreß - „alles in allem als sehr gelungen eingeschätzt".328 Die Gemeindeversammlungen seien „gut" gewesen. Die Gottesdienste mit ihren 13260 Besuchern hätten der Veranstaltung einen beeindruckenden Höhepunkt verliehen, so daß „beim Kirchentag . . . auch die Müden wieder Mut bekommen" hätten.329 Lediglich die „Zentren kreativen Handelns" seien von den „Besuchern viel zu wenig genutzt" worden, was vor allem auf eine unzureichende Beschilderung sowie auf die Kürze der Zeit zwischen den Gemeindeversammlungen und den Gottesdiensten zurückgeführt wurde, die für eine Inanspruchnahme der Angebote in den Zentren nicht ausreichend gewesen sei. Nach dem Kirchentag meldeten sich allerdings auch einige kritische Stimmen zu Wort Diese bezogen sich jedoch auf Einzelheiten,330 ohne den positiven Gesamteindruck der Kirchentagsveranstaltung in Frage zu stellen. Dieser positive Gesamteindruck, der inzwischen auch durch die Auswertung der Fragebögen bestätigt worden war,331 wurde auch noch einmal von der Kirchenleitung in ihrem Bericht vor der Herbstsynode zum Ausdruck gebracht. Darin hob sie insbesondere hervor, daß „die Verzahnung von Kongreß und Kirchentag . . . enger und glücklicher als 1968" 527

Ebd. А. а. O., S. 3. 329 Ebd. iw Zum Beispiel gab es weitere Kritik an der Absetzung des Gottesdienstes der Gruppe Bühlau. - Am weitesten ging ein Einspruch der sächsischen Pfanervertretung, der sich jedoch im wesendichen nicht gegen die Kirchentagsveranstaltung selbst, sondern gegen die Berichterstattung über die Arbeit der Themengruppen im „Sonntag" richtete (bes.: Gemeinsam eingebrachte Erkenntnisse. Kurzberichte über die Arbeit der zehn Themengruppen beim Kirchentagskongreß, in: Der Sonntag 30 [1975], Nr. 25 vom 22.Juni 1975): Dort sei ein einseitig negatives Bild vom Dienst des Pfarrers in der Gemeinde gezeichnet worden, das nicht widerspruchslos hingenommen werden könne (vgl. Die Pfarrervertretung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Der Vorsitzende [Eckart Schwan], An die Schriftleitung des Gemeindeblattes „Der Sonntag"/An den Landesausschuss des Kirchentagskongresses, Betreff Berichterstattung über den Kirchentagskongress, 29.10.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand] sowie die Antwort: Schriftleitung „Der Sonntag", An den Vorsitzenden der Pfarrervertretung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Pf. Eckart Schwan, 5.11.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand]). Vgl. Landesausschuß des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Kirchentagskongreß und Kirchentag Dresden 1975. Rückblick und Ermutigung, September 1975 (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen), S.2.

Staatliche Einschätzung

401

gewesen sei. „Die stärker volkskirchlich geprägte Gemeinde des Sonntags" habe die auf dem Kongreß „erarbeiteten Impulse für die ,Gemeinde von morgen'" „dankbar und offen" aufgenommen. Der Kirchentag wiederum sei zu einem Stil durchgedrungen, „der unserer Diasporasituation besser gerecht" geworden sei.332

6.7. Staatliche Einschätzung Obwohl sich die Behörden an einigen Stellen von der kirchlichen Seite übergangen fühlten,333 war die innerstaadiche Einschätzung des Kongresses und des Kirchentages angesichts des in jeder Hinsicht störungsfreien Ablaufs im großen und ganzen moderat Verstöße gegen Sicherheit und Ordnung konnten nicht festgestellt werden. Dagegen vermerkten die Beobachterberichte mehrfach, daß die Veranstaltungen „diszipliniert" verlaufen seien. Es sei „weder zu Verkehrsstörungen noch zu Ansammlungen außerhalb kirchlichen Geländes" gekommen.334 Auch in politischer Hinsicht berichteten die Beobachter und Informanten aus den Veranstaltungen nur vereinzelt über „pauschale Klagen", „abfällige Bemerkungen" oder „kleine Gehässigkeiten" gegen die gesellschaftliche Situation in der DDR.335 112 Bericht der Kirchenleitung an die Herbstsynode 1975, Einübung in den Glauben, undatiert (SHStA, BPA Dresden, IV С 2/14/680), S.7f. 313 Das betraf insbesondere die „Herstellung und Verteilung von Tonplaketten (mit Band zum Anhängen) und Stoffanhängem ohne Genehmigung" (Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen [Lewerenz], Einschätzung des Verlaufs und der Ergebnisse des Kirchentagskongresses und des Kirchentages der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 30.5.-1.6.1975, 4.6.1975 [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 14-17 - siehe Dok. 14], S 3 - >334

А. а. О., S. 2. - Lediglich an einer Stelle wurde vermerkt, daß „im Raum der Erlöser Andreas Kirche . . . 4 Jugendliche" auftraten, „die mit der Kirchenfahne um die Kirche zogen und im Sprechchor riefen: es lebe 1975 und der Kirchentag" (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Rat des Bezirkes. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 49-50], S.2). 335 Abgesehen von dem Eröffnungsreferat von Werner Krusche, in dem nach staatlicher Einschätzung „in geschickter Form Angriffe auf unseren Staat und das Verhältnis Staat Kirche enthalten" gewesen waren (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Rat des Bezirkes. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 49-50], S. 1 - vgl. oben S. 387, Anm. 270), wurden derartige politische Anspielungen vor allem bei den Sonderveranstaltungen festgestellt (vgl. Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen], Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft: Berichterstattung über 2. Kirchenkongresstag und Sonderveranstaltungen, 1.6.1975 [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 45-46]). Darüber

402

D e r Kongreß und Kirchentag 1975 in D r e s d e n

Die Ursache für diese Zurückhaltung wurde staadicherseits in einem regulierenden Einfluß der Kirchenleitung gesehen. Offensichtlich sei - so die Schlußfolgerung - „die Konzeption, die von kirchenleitenden Kräften in Aussprachen mit Vertretern des Staates vor dem Kirchentag beteuert wurde, keine Konfrontation herbeiführen zu wollen, strikt eingehalten" worden.336 Ediche der von den Informanten festgehaltenen Äußerungen liefen sogar darauf hinaus, den Marxismus-Leninismus als die in der DDR-Gesellschaft herrschende Weltanschauung auch kirchlicherseits zu akzeptieren. Diese Weltanschauung dürfe - auch wenn man sie selbst nicht teile - keineswegs pauschal „verteufelt" werden, sie verdiene vielmehr eine sachliche Auseinandersetzung.337 Nur wenn die Christen den Marxismus-Leninismus als eine emst zu nehmende Weltanschauung respektierten, könnten sie erwarten, auch ihrerseits von den Marxisten als Christen ernst genommen und respektiert zu werden.338 „Wenn es um eine bestimmte Sache" gehe, könnten beide - Christen und Marxisten - „durchaus sachlich zusammenarbeiten".339 Entscheidend sei die jeweilige Sache. Weder gehe es darum, sich generell zum Sozialismus „querzustellen", noch darum, sich „von ihm resdos vereinnahmen" zu lassen.340 Im Zusammenhang damit wurde davor gewarnt, die Verhältnisse in der D D R undifferenziert abzulehnen, denn „es gäbe viel Positives".341

hinaus waren „unübersehbare abfällige Bemerkungen" beim Jugendgottesdienst in der Petrikirche zu verzeichnen (Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres [Jörke], Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, betrifft: 3. Bericht über Kirchentagskongress und Kirchentag 1975 in Dresden, 1.6.1975 [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 36-40], S. 3). Zitiert wurde mehrfach die dort gefallene Äußerung: „Marx in den Knochen, Lenin im Munde, den Intershop im Kopf und die Fahne nach dem Wind" (ebd. sowie Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen, Information Uber die Veranstaltungen des Kirchentagskongresses und des Kirchentages am 30.5.-1.6.1975 [Anhang], undatiert [SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 19-22], S. 7). Gänzlich negativ war hingegen die Einschätzung der Diskussion in den Arbeitsgruppen durch den IM „Park": „Ich muß einschätzen, daß alle in ihren Ausführungen eine negative bis feindliche Einstellung zu unserem Staat und zum Sozialismus zum Ausdruck brachten" (Park, Bericht [Abschrift vom Tonband], 1.6.1975 [BStU, ASt Chemnitz, XX, 737, Bl. 166-174], S.4). 334 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Lewerenz), Einschätzung des Verlaufs und der Ergebnisse des Kirchentagskongresses und des Kirchentages der EvangelischLutherischen Landeskirche Sachsens vom 30.5.-1.6.1975, 4.6.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 14-17 - Dok. 14), S. 1. 337 Vgl. etwa Frd. Techert, 31.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 43-44), S. 3. 338 A.a.O., S. 1. 3W А. а. O., S. 2. «o Ebd. 341 Arbeitsgruppe Dresden-Stadt (Hollert), Kirchenkongreß - Kirchentag. Informationen über 10 Themengruppen, 31.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 41-42), S. 2.

Staatliche Einschätzung

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Allerdings hielten die Berichterstatter auch fest, daß die gesamte Diskussion sich nicht einer Einsicht in den fortschrittlichen und humanistischen Charakter des Sozialismus verdankte, sondern diese unter der Frage nach der Zukunft der Kirche und damit mit einer deutlich missionarischen Intention geführt wurde.342 Bereits zum Referat von Werner Krusche war kritisch angemerkt worden, daß die Kirche offensichtlich versuche, aus ihrer gesellschaftlichen Isolierung herauszukommen und deshalb „ein Eindringen in Lebensbereiche" fordere, „die der Kirche nicht zustehen".343 Diese Tendenz habe nach Einschätzung des Operativstabes beim Rat der Stadt den gesamten Kongreß geprägt „Es ging ausschliesslich darum, wie und durch welche Mittel und Methoden die Kirche eine größere Vielfalt und damit einen größeren Kreis von Menschen erreichen kann.... Es wurde herausgearbeitet, dass der Christ nicht abseits stehen kann. Daraus resultieren auch solche Gedanken wie die der stärkeren Zuwendung und Mitarbeit in gesellschaftlichen Organisationen, in Aktivs und Volksvertretungen sowie in Parteien."344

Im einzelnen seien konkrete Hinweise für Gespräche mit Nichtchristen gegeben345 und unter missionarischer Zielstellung gefordert worden, daß jeder Christ in die Lage versetzt werden müsse, über seinen Glauben und seine persönliche Glaubensentscheidung überzeugend Auskunft geben zu können.346 Eine missionarische Instrumentalisierung habe jedoch nicht nur das Gespräch, sondern auch das alltägliche Verhalten der Christen erfahren, wozu von den Informanten als Beispiel die Forderung nach einem vorbildlichen Umgang mit dem „Volkseigentum" festgehalten wurde.347 Die Kirche wolle sich weiterhin, um unter der Bevölkerung nicht weiter an Boden zu verlieren, in besonderer Weise den Fragen und Problemen der

142

Auch in der Einschätzung der MfS-Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt erscheint das Nebeneinander von „allgemeiner loyaler Tendenz" auf der einen und problematischen Auffassungen auf der anderen Seite als ein wesendiches Merkmal dieses Kongresses (vgl. Ministerium für Staatssicherheit Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt, Information über den Kirchentagskongreß der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens, 1.7.1975 [BStU, ASt Chemnitz, C-AKG 54, PI 56c/75, Bl. 129-132]). ui Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres (Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen), Rat des Bezirkes. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 49-50), S. 1 f. 344 Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres (Jörke), Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, betrifft: 3. Bericht über Kirchentagskongress und Kirchentag 1975 in Dresden, 1.6.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 36-40), S. 4 f. M5 Frd. Techert, 31.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 43-44), S. 1. A.a.O., S.2. w Ebd.

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D e r Kongreß und Kirchentag 1975 in D r e s d e n

Zeit zuwenden und in ihrer Arbeit darauf eingehen.348 Auf dem Kongreß seien deshalb vielfach neue Formen in der Gemeindearbeit diskutiert worden,349 wobei die Empfehlung, „verstärkt" Hauskreisarbeit zu betreiben, ausdrücklich genannt wurde.350 Wie schon 1968 wurden auch dieses Mal die Veranstaltungen des Kirchentages, vor allem die Sonderveranstaltungen, als Beispiele für jene Arbeitsformen verstanden, „die große Teile der Bevölkerung und besonders die Jugend mehr als das normale Leben der Kirche ansprechen" sollen,351 während zu den Abschlußgottesdiensten vermerkt wurde, daß diese „sich offensichtlich das Ziel gestellt" hatten, „nochmals die Einheit und Geschlossenheit der Gemeinden herauszustellen".352 Im Abschlußbericht des Rates des Bezirkes Dresden wurde dem Kirchentag nur ein sehr begrenzter Erfolg zugestanden. Vor allem „hinsichtlich der Teilnehmerzahlen konnte die Kirchenleitung ihr Vorhaben nicht annähernd erfüllen".353 Dennoch war die auf dem Kongreß zum Ausdruck gekommene missionarische Konzeption Grund genug, um Gegenmaßnahmen vorzuschlagen.

548 Die erwähnte MfS-Information hielt fest: „Vereinzelt wurde sich damit befaßt, wie das teilweise angeblich vorhandene ,Unbefriedigtsein' der Arbeiter für kirchliche Zwecke ausgenutzt werden könne, wie Maßnahmen zur Verbesserung' des Sozialismus vorgeschlagen werden könnten, um die Menschen zu bestimmten Überlegungen anzuregen. Eine Arbeitsgruppe ging in ihren Diskussionen soweit, daß angeregt wurde, Mitglieder der SED, die trotz ihrer politischen Bindung verschiedentlich in die Kirche gehen, doch vollständig für die Kirche zu gewinnen" (Ministerium für Staatssicherheit. Bezirksverwaltung Karl-MarxStadt, Information über den Kirchentagskongreß der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens, 1.7.1975 [BStU, ASt Chemnitz, C-AKG 54, PI 56c/75, Bl. 129-132], S. 2 f.). Arbeitsgruppe Dresden-Stadt (Hollert), Kirchenkongreß - Kirchentag. Informationen über 10 Themengruppen, 31.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 41-42), S. 3. 150 Frd. Techert, 31.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 43-44), S. I; Ministerium für Staatssicherheit. Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt, Information über den Kirchentagskongreß der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens, 1.7.1975 (BStU, ASt Chemnitz, C-AKG 54, PI 56c/75, Bl. 129-132), S. 2. 351 Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres (Hollert, Mitarbeiter Kirchenfragen), Rat des Bezirkes. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, Betrifft Berichterstattung über 1. Kirchenkongreßtag und Sonderveranstaltungen, 31.5.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 49-50), S. I. 552 Rat der Stadt Dresden. Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres (Jörke), Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, betrifft: 3. Bericht über Kirchentagskongress und Kirchentag 1975 in Dresden, 1.6.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 36-40), S. 3. 151 Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Lewerenz), Einschätzung des Verlaufs und der Ergebnisse des Kirchentagskongresses und des Kirchentages der EvangelischLutherischen Landeskirche Sachsens vom 30.5.-1.6.1975, 4.6.1975 (SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, Bl. 14-17 - siehe Dok. 14), S. 2. - Auch hier wurden, um zu diesem Ergebnis gelangen zu können, die von der Kirche erwarteten Teilnehmerzahlen unzutreffend hoch angesetzt (etwa 3000 Kongreßteilnehmer).

Staatliche Einschätzung

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„Die Absicht, die Marxisten und Atheisten anzuhören und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, sollte Veranlassung sein, darauf in Veranstaltungen der Staatsorgane zu orientieren und vorzubereiten. Wir halten es für zweckmäßig, daß das auch in der Parteiarbeit beachtet wird, besonders auch deshalb, weil die verstärkte kirchliche Einflußnahme auf Neubaugebiete zielt" 354

,M A.a.O., S.4. - Im Exemplar des Staatssekretariats für Kirchenfragen (BArch Berlin, StfK, D O 4, 663) ist dieser Abschnitt - als einziger - dick angestrichen worden.

7. WEITERFÜHRENDE ANGEBOTE

Die Arbeit des Kirchentagskongresses beschränkte sich bereits in der hier darzustellenden Anfangszeit nicht auf die Durchführung der Kongreßveranstaltungen im engeren Sinne, sondern nahm darüber hinaus weitere, als wichtig erkannte Aufgaben in Angriff. Das wichtigste und erfolgreichste dieser Arbeitsgebiete neben den eigentlichen Kongressen war der Fernunterricht „stud. christ.". Hinzu kamen methodisch orientierte Kurse für Gesprächsführung sowie Familienfreizeiten1.

7.1. Die Kurse für Gesprächsführung Aufgrund der besonderen Arbeitsform der Kongresse, bei der das Gespräch in kleinen Arbeitsgruppen im Mittelpunkt stand, erhielt die Funktion des Gesprächsgruppenleiters eine für die Effektivität der Arbeit entscheidende Bedeutung. Allerdings hatte sich bereits beim ersten Kongreß im Jahre 1968 gezeigt, daß weder genügend Mitarbeiter bereit waren, diese Aufgabe zu übernehmen, noch die Befähigung der zur Verfügung stehenden Gesprächsgruppenleiter wirklich ausreichte.2 Bei den nachfolgenden Überlegungen zur Fortführung der Kongreßarbeit wurde deshalb unter anderem erwogen, die zwischen den geplanten großen Kongressen vorgesehenen Wochenendrüsten als Rüsten zur Schulung von Gesprächsgruppenleitern durchzuführen. 3 Dieser Vorschlag wurde allerdings im Interesse einer themenbezogenen „Kongreß-Weiterarbeit" nicht wieder aufgegriffen. Das Problem, geeignete und befähigte Gesprächsgruppenleiter für die Mitarbeit an den Kongressen zu gewinnen, blieb freilich auch bei diesen im Vergleich zu 1968 weitaus kleineren Tagungen erhalten, so daß der Landesausschuß am 29. August 1970 beschloß, zusätzlich zu den Kongreßtagungen gesonderte, jeweils in sich abgeschlossene Rüsten in Gruppenpädagogik und 1 Die ersten Familienfreizeiten, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, fanden im Jahre 1973 unter dem Motto „Wir erleben Gemeinde" statt (vgl. [KONGRESS UND KIR-

CHENTAG IN DER EV.-LUTH. LANDESKIRCHE SACHSENS]: K i r c h e n t a g s k o n g r e ß a r b e i t ,

Kirchen-

tagsarbeit, S. 5). 2 Vgl. oben S. 209. 3 Ausschuß für Kongreßarbeit (Fr. Hammermüller), Protokoll über die Zusammenkunft am 15. Februar 1969 in Dresden - Dr.-Conert-Str. 8, 10 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 1.

Die Kurse für Gesprächsführung

407

Gesprächsfiihrung anzubieten.4 Diese Kurse - im ersten Jahr waren drei vorgesehen - entsprangen damit zwar einem speziellen Bedürfnis der Kongreßarbeit, verstanden sich jedoch aufgrund der Bedeutung, die dem (Gruppen-)Gespräch generell für das Gemeindeleben beigemessen wurde, umfassender als „wesentliche Hilfe zur Erfüllung der Aufgaben in den Gemeindekreisen, am Nächsten und am anderen".5 Die Werbung für die ersten drei Kurse, die 1971 stattfinden sollten, erfolgte auf dem Kirchentagskongreß im September 1970 in Dresden und stieß bei den Teilnehmern auf eine durchaus positive Resonanz. Für die erste Tagimg (6./7. Februar in Karl-Marx-Stadt) meldeten sich ca. 30 Personen,6 von denen 21 am Kurs teilnahmen.7 Für die zweite Tagung (27./28. März in Lückendorf), die sich insbesondere an Teilnehmer aus den Kirchenbezirken Bautzen, Löbau und Zittau wandte, trafen die Anmeldungen anfangs allerdings nur sehr zögerlich ein, so daß unter dem Datum des 8. März noch einmal alle Teilnehmer der vergangenen Kongresse aus Mittelsachsen und der Lausitz angeschrieben und gefragt wurden, ob sie sich nicht mittels dieser Tagung für die Arbeit in Gesprächsgruppen qualifizieren möchten. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich um einen „Grundlehrgang" handele, der keine Vorkenntnisse erfordere und die Teilnehmer „an alle Fragen der Gesprächsführung" heranführe.8 Dieser Rundbrief rief ein so großes Interesse 4

Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll Uber die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 29. August 1970 - 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr im Kirchgemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 30.9.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S.2. Im Vorfeld der ersten Wochenendtagung ftlr Gesprächsführung erklärte Herbert Gehre auf eine Anfrage hin: „Das Vorhaben in der S t Andreas-Kirchgemeinde ist unmittelbar keine Zusammenkunft des Kirchentagskongresses, sondern eine Spezial-Arbeitstagung für Gesprächsführung. Wir haben nämlich bei den Kongressen gemerkt, daß es uns an befähigten Leuten fehlt, die Gesprächsgruppen gut leiten können" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Herrn Superintendenten Gothardt Fehlberg, 12.1.1971 [KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1971]). 5 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Kirchentagskongresses 1970, 1.11.1970 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973), S.2. 6 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer der Wochenendtagung für Gesprächsführung, 11.1.1971 (KKTArchiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973). 7 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 19. Juni 1971 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche - 9-14 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 1. 8 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse aus Mittelsachsen und der Lausitz, Betr.: Wochenendtagung für Gesprächsführung am 27./28. März 1971 im Rüstzeitheim Lückendorf, 8.3.1971 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973).

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Weiterführende Angebote

hervor, daß die Lückendorfer Tagung mit 35 Teilnehmern durchgeführt werden konnte und ein weiterer Kurs für diese Region in Bautzen vorgesehen wurde. 9 An diesem zusätzlich ins Programm aufgenommenen Kurs ( 8 . / 9 . Mai) nahmen dann allerdings nur 8 Personen teil, 10 während die eine W o c h e zuvor ( 1 . / 2 . Mai) in Dresden durchgeführte T a g u n g 29 Teilnehmer verzeichnen konnte." Angesichts dieser Teilnehmerzahlen wie auch des Teilnehmerechos konnte die Ausweitung dieser Tagungen auf der Sitzung des Landesausschusses am 19.Juni 1971 eine uneingeschränkt positive Bilanz ziehen. „Die Berichte durch die Glieder des LA. Kahl, Cieslak, Gehre bestätigten, daß diese Tagungen für Gesprächsführung einem dringenden Bedürfnis entsprechen. In der aufgelockerten Atmosphäre dieser Arbeitstage wurde jeder Teilnehmer an Lücken seines Dienstes geführt, für deren Uberwindung er theoretische und praktische Hilfen erhielt. So wurde am Ende aller Wochenenden der Wunsch laut, solche Möglichkeiten weiterhin zu planen." 12 D e m mehrfach geäußerten Wunsch nach Fortführung dieser Wochenendtagungen entsprach der Landesausschuß in doppelter H i n s i c h t Einstimmig wurde beschlossen, zum einen 1972 drei weitere Kurse für Erstteilnehmer durchzuführen, zum anderen aber auch zusätzlich drei Aufbaukurse für Fortgeschrittene anzubieten. 13 Wie notwendig solche Zurüstungskurse für die Durchführung der Kongresse waren, zeigte sich etwa zur gleichen Zeit bei der Vorbereitung der Kongresse 1971 in Meerane und Dresden. Dort wurde - wie bereits angedeutet 14 - infolge der zweimaligen Durchführung des Kongresses nicht nur die doppelte Anzahl an Gesprächsgruppenleitern benötigt, es wurde darüber hinaus auch erkennbar, daß aus der Region Westsachsens, wo mit der Veranstaltung in Meerane erstmals ein Kirchentagskongreß stattfand, nicht genügend Arbeitsgruppenleiter zur Verfügung stehen würden. Aus diesem Grunde richtete Herbert Gehre insbesondere an die Kreise Karl-Marx-Stadt und Dippoldiswalde die Bitte, „doch Brüder und Schwestern bereit zu machen, einen Leitungsdienst in Meerane, 16./17. Oktober, zu übernehmen". 15 Da sich dennoch für Meerane nicht genügend Arbeitsgruppenleiter

' Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 19.Juni 1971 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche - 9 - 1 4 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 1. 10 Ebd. 11 Ebd. 12 Ebd. " Ebd. » Siehe oben S. 272. 15 Vgl. Herbert Gehre, Liebe Brüder, 30.7.1971 (KKT-Axchiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6 . / 7 . Π . 1 9 7 1 ) .

Die Kurse für Gesprächsführung

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bereit fanden, wurden „in Ermangelung der erforderlichen Leiter je drei Schwestern und Brüder gebeten, als Team sowohl eine Bibelarbeitsgruppe als auch die gleiche Gruppe bei der Arbeit über das Thema zu leiten". Die Erfahrungen mit diesem Modus waren dann allerdings so gut, daß diese Form auch für den zweiten Kongreßdurchlauf in Dresden übernommen und bei den nachfolgenden Kongressen beibehalten wurde.' 6 Eine weitere Konsequenz aus den Kongressen in Meerane und Dresden war die Einsicht, daß nicht nur die Gesprächsgruppenleitung, sondern auch die Berichterstattung über das geführte Gespräch eingeübt werden müsse. Es seien „Hilfen notwendig, wie Berichte gegeben werden sollen und darüber, was erwartet wird (Ergebnis- oder Veriaufsbericht, Schwerpunkte, offene Probleme)". 17 Daraufhin beschloß der Landesausschuß, die Kurse für Gesprächsführung durch das „Lehrfach ,Berichterstattung"" zu erweitern. 18

Nachdem die „Planungen 1972" mit drei Anfänger- und drei Aufbaukursen den Kongreßteilnehmern bereits vor den Kongressen 1971 mitgeteilt worden waren,19 wurde auf den Kongressen selbst noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen.20 In die dort ausliegenden Listen trugen sich daraufhin 22 Interessenten für einen Anfängerkurs und 17 für einen Aufbaukurs für Fortgeschrittene ein.21 Im Vorfeld der einzelnen Tagungen zeigte sich dann freilich, daß das Interesse an den Anfängerkursen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen war. Bis Mitte April hatten sich für den Anfängerkurs in Zwickau (6./7. Mai) lediglich 5 Teilnehmer angemeldet, so daß erwogen wurde, diesen Kurs mit der Anfängertagung in LUckendorf (24./25.Juni) zusammenzulegen.22 In Vorbereitung dieser Tagung traten " Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Arbeitsgruppenleiter 71 in Dresden - 6./7. November, 20.10.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971). " Kirchentagskongreß. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 20. November 1971 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen - 9-14 Uhr (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 1. 18 Ebd. " Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Kirchentagskongresses 71 in Dresden, am 6./7. November im Kirchgemeindehaus der Versöhnungskirche, 20.10.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971), S.2. 20 Vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 25. September 1971 in Dresden-Striesen, Gemeindehaus der Versöhnungskirche - 9-14 Uhr, 25.9.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 1. 21 Kirchentagskongreß. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 20. November 1971 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen - 9-14 Uhr, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 3. 22 Herbert Gehre, Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am Sonnabend, 22. April 1972 -

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Weiterführende Angebote

allerdings „Referentenschwierigkeiten" auf, so daß Mitte Mai 1972 beide Kurse abgesagt und dafür Anfängerkurse am 3./4. Juni in Hainwalde und am 7./8. Oktober in Leipzig angeboten wurden. 23 Die Aufbaukurse, die von den „Anfängern" des Vorjahres gewünscht worden waren, konnten hingegen wie geplant stattfinden (8./9. April in Lückendorf, 15./16. April in Karl-Marx-Stadt und 27./28. Mai in Dresden). Angesichts des zurückgegangenen Interesses an Anfängericursen und der naheliegenden Prognose, daß auch mit den drei durchgeführten Aufbaukursen der Bedarf in diesem Bereich zu einem großen Teil abgegolten sein dürfte, wurden für 1973 lediglich zwei Kurse vorgesehen: ein Anfängerkurs am 10./11. November in Dresden und ein Kurs für Fortgeschrittene am 13./14. Oktober in Leipzig.24 In den folgenden Jahren richteten sich die Kursangebote vollends nach dem vorhandenen Bedarf und fanden damit nur noch in unregelmäßigen Abständen statt Zum Teil handelte es sich dabei um Tagungen, mit denen die Gesprächsgruppenleiter für die großen Kongresse zugerüstet werden sollten.25

7.2. „Stud. christ" - ein Fernstudium in einzelnen Kursen Wurde die Notwendigkeit einer besonderen Ausbildung in Gesprächsführung vor allem vom Kongreßausschuß gesehen und diesem bei der schwierigen Suche nach geeigneten Gesprächsgruppenleitern immer wieder vor Augen geführt, kam der Wunsch nach dem zweiten Zusatzangebot - dem späteren Fernstudium „stud. christ" 26 - von den Kongreßteilnehmern selbst. Bereits bei der ersten Tagung für Kongreß-Weiterarbeit im April 1969 führten die Diskussionen in den Gesprächsgruppen zu der Einsicht, daß man für ein fundiertes Sachgespräch - in diesem Fall über „moderne Theologie" - eigentlich zu wenig wisse. Hinzu kam der in einer atheistischen Umwelt vorhandene Erklärungsbedarf christlicher Vorstellungen, 9 - 1 4 Uhr im Kirchgemeindehaus Dresden-Strehlen, 25.4.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 3. 23 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Betr.: Wochenend-Tagungen für Gesprächsführung - Anfänger 6 . / 7 . Mai in Zwickau 24./25.Juni in Lückendorf, 17.5.1972 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973). 24 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), D e r Kirchentagskongreß bietet an, 31.8.1973 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zuriistung 1971-1973), S. 1. 25 Vgl. oben S. 354. 26 Über eine korrekte Auflösung dieser Abkürzung (insbesondere des „christ") wurde nicht reflektiert Sie sollte wohl lediglich deutlich machen, daß es - anders als beim studiosus theologiae - nicht um akademische Theologie, sondern um das Christsein insgesamt geht.

„Stud, christ" - ein Fernstudium in einzelnen Kursen

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Begriffe und Verhaltensweisen, dem sich vor allem die berufstätigen Kongreßteilnehmer ausgesetzt, meist jedoch nicht gewachsen sahen. „Berufstätige sagten: ,Wenn im Betrieb herauskommt, daß wir Christen sind, werden wir gefragt, warum wir das sind.' Andere wurden gefragt, weil sie Entscheidungen trafen, die für sie mit Nachteilen verbunden waren: ,Warum ladet ihr euch das auf?" Die einen wurden ernsthaft angefragt, andere aber auch einfach nur angepöbelt In jedem Fall sagten sie zu uns: ,Wir müssen mehr wissen, was wir glauben.' Auf der anderen Seite war aber auch klar, daß das mit Schulungswochenenden nicht zu machen war. Die meisten hatten Familien, um die sie sich kümmern mußten, und konnten deshalb nicht so oft wegfahren. Auf diese Weise entstand die Idee eines Fernstudiums."27

Der Wunsch nach einer solchen Weiterbildung in Sachen „Christsein" wurde vom Ausschuß für Kongreßarbeit vermerkt und nach seiner Neukonstituierung ab Landesausschuß unverzüglich aufgegriffen. Als erstes informierte sich Präsident Cieslak darüber, was in anderen Landeskirchen auf dem Gebiet eines „kirchlichen Fernstudiums" praktiziert wurde. Auf der Ausschußtagung am 29. August 1970 berichtete er in diesem Zusammenhang über das Fernstudium der Kirchenprovinz Sachsen, wobei jedoch deutlich wurde, daß diese Form, deren Intention „im wesentlichen" sei, „Kräfte für den Verkündigungsdienst in den Gemeinden zu gewinnen", den eigenen Vorstellungen wie den Wünschen der potentiellen Teilnehmer nicht entspreche. Denn: „Bei einem Femstudium des Kirchentagskongresses sollte es . . . mehr um eine Zurüstung zum Leben und Dienst als Christ im Arbeits- und Wohnbereich des Betreffenden gehen."28 In der anschließenden Diskussion, in die „eine ganze Reihe von Vorschlägen eingebracht wurde, wie das Fernstudium realisiert werden könnte", einigte man sich darauf, unabhängig von anderen Modellen den Versuch eines eigenen Fernunterrichts mit der genannten Zielstellung zu wagen. Es „wurde schließlich der Beschluß gefaßt: . . . Im Fernstudium soll ein Kurs von begrenzter Dauer (1/2 Jahr) vorgesehen werden. Thematik: ,Umgang mit der Bibel' - Leitung: Br. Mendt".29

Die Vorbereitung entsprechend dem gefaßten Beschluß wurde ohne Verzögerung aufgenommen, so daß bereits auf dem Kirchentagskongreß im September 1970 neben der Liste zur Anmeldung für die 1971 geplanten " Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 7. M Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 29. August 1970 - 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr im Kirchgemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 30.9.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S. 2. и Ebd.

412

Weiterführende Angebote

Kurse in Gesprächsführung auch eine Liste zur Anmeldung für diesen Fernkurs ausgelegt werden konnte. Weitere Informationen zu dem - wie es jetzt hieß - „Fernkursus für Gruppenbibelarbeit" gingen den Kongreßteilnehmern unter dem Datum des 1. November 1970 zu.30 Auch das Landeskirchenamt wies in seinem Tätigkeitsbericht vor der Herbstsynode auf dieses neue Angebot wie auch auf die Kurse für Gesprächsführung ausdrücklich hin, stellte sie allerdings - nicht ganz zutreffend31 - als „Testkurse für solche Glieder der Kirche" vor, „die zwar Freudigkeit und Mut haben, sich als kirchliche Mitarbeiter zu qualifizieren, aber deren persönliche Möglichkeiten ein ganzes Fernstudium nicht zulassen".32 Als Lehrmaterial für den ersten Femkurs zum Umgang mit der Bibel wurden vier Lehrbriefe erarbeitet, die auf einen Entwurf von Dietrich Mendt zurückgingen, ihre Endgestalt jedoch in Zusammenarbeit mehrerer Mitglieder des Landesausschusses erhielten.33 Diese Lehrbriefe waren von den Teilnehmern zu Hause durchzuarbeiten, wobei „bescheidene Hausaufgaben", die „vom Leiter des Kurses korrigiert" wurden, als Kontrolle dienten.34 Ziel des Kurses war es, die Teilnehmer an eine Beschäftigung mit der Bibel heranzuführen, bei der die biblischen Texte nicht nur aus ihrer damaligen Situation heraus verstanden, sondern auch in die heutige Situation übersetzt werden und so „zur praktischen und konkreten Lebensbewältigung helfen" können.35

w Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Kirchentagskongresses 1970, 1.11.1970 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973). J1 Eine Zurüstung für potentielle kirchliche Mitarbeiter wollte der Fernkurs gerade nicht sein. In der Informationsbroschüre zu „stud. christ." aus dem Jahre 1978 wurde dies bereits im ersten Satz noch einmal klargestellt: „Das Fernstudium stud. christ. bietet einzelne Kurse an für Gemeindeglieder und andere Interessierte, ohne sich ihre Verwertung zu ehrenamtlicher oder bezahlter kirchlicher Mitarbeit zum Studienziel zu machen" ([KlRCHLNTAGSKON-

GRESS IN DER E v . - L U T H . LANDESKIRCHE SACHSENS]: S t u d . c h r i s t , S. 3 ) . и

Tätigkeitsbericht des Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenamtes der Ev.-Luth. Landessynode Sachsen, erstattet auf ihrer Herbsttagung vom 24.-28. Oktober 1970, II. Teil (SHStA, В PA Dresden, IV В 2/14/635), S. 3. B Kirchentagskongreß - Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 28. Nov. 1970 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, 10.12.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 19681970), S.4. * Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer des Kirchentagskongresses 1970, 1.11.1970 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973), S. 1. и Zu den „Theologischen Voraussetzungen" vgl. insbesondere: 1. Lehrbrief. Fernkursus für Gruppen-Bibelarbeit, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Femkursus Gruppenbibelarbeit, Dez. 1970-Mai 1971). Sie entsprachen im wesentlichen dem, was Mendt kurz zuvor in seinem Schlußwort auf dem Kongreß in Dresden zum Thema „Übersetzen" vorgetragen hatte (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Schluß-

„Stud, christ." - ein Fernstudium in einzelnen Kursen

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Ende November lagen für dieses Femstudium bereits 61 Anmeldungen vor.36 Insgesamt nahmen an diesem ersten Kurs 99 Interessenten teil,37 von denen sich wiederum „bis zu 60 an der Erledigung der Hausaufgaben beteiligten".38 Der erste Lehrbrief wurde am 20. Dezember 1970 an die Kursteilnehmer versandt 39 Der Kurs dauerte ein knappes halbes Jahr und endete mit einer Wochenendtagung am 8./9. Mai 1971, bei der 32 Teilnehmer anwesend waren. In Auswertung dieses ersten Kurses wurde einhellig die Meinung vertreten, daß diese Form von Weiterbildung fortgeführt werden sollte. Der Landesausschuß für Kongreßarbeit hielt auf seiner Sitzung am 19. Juni 1971 fest: „Diese begrenzte Schulung ist sehr erwünscht; sie möchte weitergeführt werden. Die konkreten Vorschläge gingen in Richtung eines Fernstudiums für Laien durch ein System von Kurzkursen über verschiedene Themen und Fragen."40 Im Bericht des Landeskirchenamtes auf der nächsten Herbstsynode wurde der Wunsch nach Weiterarbeit „besonders im Hinblick auf theologische und weltanschauliche Fragen" hervorgehoben.41

wort zum Kirchentagskongreß 70 am Sonntag, 27. September 1970 in der Versöhnungskirchgemeinde Dresden-Striesen, von Pfarrer Dietrich Mendt, Karl-Marx-Stadt, undatiert [KKTArchiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71 - siehe Dok.6]). 36 Kirchentagskongreß - Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am Sonnabend, 28. Nov. 1970 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche, 10.12.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970), S.4. " So Pfarrer Dietrich Mendt auf der Sitzung des Landesausschusses am 19. Juni 1971 (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Gehre], Protokoll Uber die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 19.Juni 1971 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche - 9-14 Uhr [KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz], S. 1). In den späteren Unterlagen, die auf Herbert Gehre zurückgehen, ist dagegen durchgängig vom 92 Teilnehmern die Rede. Diese Angabe fand auch Eingang in die kleine Broschüre zur Kirchentagskongreßarbeit von 1978 ([KONGRESS UND KIRCHENTAG IN DER EV.-LUTH. LANDESKIRCHE SACHSENS]: K i r c h e n -

tagskongreßarbeit, Kirchentagsarbeit, S. 5). Wenn hier der Angabe Mendts der Vorrang eingeräumt wird, ist das ein Wahrscheinlichkeitsurteil, das lediglich auf der Annahme beruht, daß Mendt, der diesen Kurs leitete, den besseren Uberblick hatte als Gehre. " Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 19. Juni 1971 in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche - 9-14 Uhr (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 1. 39 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Dietrich Mendt), Femkursus Gruppen Bibelarbeit, 20.12.1970 (KKT-Archiv Dresden, Fernkursus Gruppenbibelarbeit, Dez. 1970-Mai 1971). " Ebd. 41 Vgl. Tätigkeitsbericht des Ev.-Luth. Landeskirchenamtes für die Herbsttagung der Landessynode 1971, II. Teil (SHStA, BPA Dresden, IV В 2/14/635).

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Weiterführende Angebote

Eine Weiterführung dieses Fernunterrichts erforderte freilich eine andere Organisation. Vor allem mußte das Unternehmen auf eine breitere personelle Basis gestellt werden. Pfarrer Mendt erklärte sich auf der Sitzung des Landesausschusses am 19. Juni 1971 zwar bereit, noch einen zweiten Kurs zu verantworten, die weiteren müßten jedoch „andere Mitarbeiter übernehmen".42 Nach einer Diskussion darüber, wie die beabsichtigte Fortführung des Fernunterrichts aussehen und wie diese organisiert werden könnte, faßte der Landesausschuß einstimmig den Beschluß, aus seiner Mitte einen Arbeitskreis zu bilden, „der das Fernstudium thematisch und personell vorbereitet".43 Dieser Arbeitskreis erstellte für die nächste Sitzung am 25. September ein Konzeptionspapier, das eine Weitelführung des Fernunterrichts unter bestimmten Themenschwerpunkten vorsah und als ersten Komplex das Thema „Evangelium und Umwelt" vorschlug.44 Diese Konzeption wurde vom Landesausschuß auf seiner Septembersitzung „sehr begrüßt". Er faßte den Beschluß, die weiteren Vorbereitungen „auf dieser Grundlage" zu treffen.45 Dabei war bewußt, daß ein themenzentrierter Fernkurs eine längere Vorbereitungsphase erfordern würde als der zurückliegende Bibelarbeitskurs. Das vorgeschlagene erste Thema „Evangelium und Umwelt" hatte in diesem Zusammenhang nicht nur eröffnende, sondern programmatische Funktion. Es stand für den Versuch des Fernunterrichts, das Evangelium nicht abstrakt, sondern bezogen auf die damalige und die heutige Situation (in diesem Sinne ist hier der Begriff „Umwelt" gebraucht) und damit konkret zur Sprache zu bringen. In diesem Sinne wies der langjährige Studienleiter von „stud. christ.", Pfarrer Dieter Akkermann, 1974 auf einen „doppelten Ansatz" dieses Fernunterrichts hin: „1. Wir gehen von der Situation aus, in der wir uns befinden. 2. Wir wollen christliche Botschaft verstehen. Beides wollen wir miteinander ins Gespräch bringen und so entdecken, was christlicher Glaube für uns ist So wollen wir mit dieser Studierarbeit Mut machen, als Christ mit anderen zu leben, zu denken und auch zu 42 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 19. Juni 1971, in Dresden-Strehlen, Gemeindehaus der Christuskirche - 9-14 Uhr (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 2. 45 Ebd. - Zu diesem Kreis gehörten die Ausschußmitglieder Cieslak, Hacker, Dr. Hempel, Mendt, Gehre. Darüber hinaus sollten einige Laien, die an der Abschlußrüste des ersten Kurses teilgenommen hatten, hinzugebeten werden, was wohl nicht geschah. Mit Ausscheiden Hempels im Zusammenhang seiner Wahl zum Bischof ergaben sich weitere personelle Veränderungen. 44 [Dietrich Mendt], Entwurf für ein Fernstudium in Femkursen für Christen, die den Wunsch haben, für ihren Alltag im christlichen Glauben unterwiesen zu werden, 17.9.1971 (KKT-Archiv Dresden, Fernkursus stud. christ., Kurs 1 - 3 - siehe Dok. 7). 45 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Zusammenkunft des Landesausschusses am Sonnabend, 25. September 1971 in Dresden-Striesen, Gemeindehaus der Versöhnungskirche - 9 - 1 4 Uhr, 25.9.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz), S. 2.

„Stud, christ" - ein Fernstudium in einzelnen Kursen

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argumentieren."46 - Dieser „situationsbezogene" Ansatz des Fernunterrichts ist auch später immer wieder bekräftigt worden.47

Der potentielle Teilnehmerkreis wurde über diese veränderte und weitergehende Planung auf den Kongressen 1971 in Meerane und Dresden informiert, allerdings ohne daß bereits ein Termin für den ersten Kurs genannt werden konnte. Dennoch bekundeten insgesamt 52 Teilnehmer ihr Interesse und trugen sich in die dort ausliegenden Listen ein.48 Erst am 17. Juni 1972 legte dann der ein Jahr zuvor gebildete Arbeitskreis einen Aufriß für den ersten Kurs unter dem Thema „Evangelium und Umwelt" vor. Hinsichtlich der weiteren Vorbereitung unterbreitete er den Vorschlag, mit der Erarbeitung der einzelnen Lehrbriefe sowie mit der späteren Durchsicht der Hausaufgaben jeweils Referenten zu beauftragen und für den Fernunterricht insgesamt einen Studienleiter zu berufen. Dieser Studienleiter sollte zur Endastung des Arbeitskreises wie des Landesausschusses die Vorbereitung der einzelnen Kurse verantworten und koordinieren, methodische Fragen klären und - wenn nötig - den Teilnehmern auch für seelsorgeriiche Hilfe zur Verfügung stehen.4' Der Landesausschuß stimmte diesem Vorschlag zu, allerdings ohne daß sich alle personellen Vorstellungen verwirklichen ließen. Auch der Karl-Marx-Städter Pfarrer Dieter Akkermann, der die Funktion des Studienleiters übernehmen sollte, sagte seine Mitarbeit lediglich für den ersten Kurs zu. Trotz dieser organisatorischen Fesdegungen (Studienleiter, Referenten, Hausaufgaben) war der Fernunterricht keine Weiterbildung mit schulischem Charakter, sondern „im Prinzip . . . als ein schriftlich geführtes Gespräch angelegt".50 Bei den Fragen, die die Teilnehmer zu Hause zu beantworten hatten, handelte es sich nicht um „Wissensfragen", sondern um „Fragen nach Erfahrungen und Meinungen der Teilnehmer zu bestimmten Abschnitten der Lehrbriefe". Auf diese „Hausaufgaben" erhielten die Teilnehmer, „damit so etwas wie ein Gespräch entsteht, ebenfalls eine Antwort". Diese Antworten wurden zum Teil - wie ursprünglich * Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kongreß und Kirchentag 1975, 23.-25. Mai in Dresden, Informationen/Vorschau, November 1974 (Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 15 f. " V g l . ζ . B. [KONGRESS UND KIRCHENTAG IN DER EV.-LUTH. LANDESKIRCHE SACHSENS]:

Stud, christ, S. 3. a Kirchentagskongreß. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 20. November 1971 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen - 9-14 Uhr (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 3. ** Herbert Gehre, Protokoll über die Tagung des Landesausschusses des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 17. Juni 1972 im Gemeindehaus der Christuskirche Dresden-Strehlen, 9.00 bis 14.00 Uhr, 20.6.1972 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen), S. 3. Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 9.

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Weiterführende Angebote

vorgesehen - von den Autoren der Lehrbriefe selbst, zum Teil von anderen Personen - meist Pfarrern die vom Landesausschuß ausgewählt worden waren, gegeben.51

Auf den Kongressen 1972 in Meerane und Görlitz wurde erneut auf den geplanten Kurs zum Thema „Evangelium und Umwelt" hingewiesen, der nunmehr Mitte Januar 1973 beginnen sollte. Der Kurs wurde dabei als ein »Angebot" beschrieben, „sich in den Fragen des Glaubens und Lebens zu qualifizieren, um den Anforderungen unserer Zeit gerecht werden zu können".52 Zusammen mit dem Weihnachtsbrief 1972 erhielten die „Freunde der Kongreß-Arbeit" dann ein ausführliches Informationsblatt über den geplanten Fernunterricht, in dem dieser erstmals mit seinem späteren Namen „stud. christ" (Femstudium in Fernkursen)53 erschien.54 Eine zusätzliche Information erfolgte über die kirchliche Presse. Die Eröffnungstagung des Kurses „Evangelium und Umwelt 1", der unter dem speziellen Thema „Verhältnis von Evangelium und Umwelt als Hilfe zur Verkündigung heute (Situationsbezogenheit der Schrift)" stand, fand am 3. Februar 1973 in Dresden statt. An ihr nahmen 70 Personen teil. Am Kurs selbst, der 4 Lehrbriefe umfaßte, beteiligten sich hingegen „115 Freunde der Kongreßarbeit".55 Nicht alle waren allerdings durch die Kongreßarbeit auf diesen Kurs aufmerksam geworden, ein Teil hatte sich aufgrund der Pressenotizen angemeldet Darüber hinaus nahmen bereits an diesem Kurs auch Teilnehmer aus benachbarten Landeskirchen teil. Angesichts des von Anfang an positiven Echos konnte der Landesausschuß bereits am 17. Februar 1973 - noch vor Abschluß des Kurses - eine erfreuliche Zwischenbilanz sowohl hinsichtlich des Kurses als auch hinsichtlich der neuen Konzeption ziehen.

51

Ebd. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Weihnachtsbrief 1972. An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse 1972 und die Freunde der Kongreß-Arbeit, 15.12.1972 (KKT-Archiv Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent), S. 2. 51 Später „Stud. christ - Ein Femstudium in einzelnen Kursen". 54 Ebd. 55 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses - anschließend an die Konferenz der beiden Ausschüsse Sachsen/Görlitz - am Sonnabend, 17. Februar nachmittags, in Bautzen, Töpferstraße 23 - Kirchgemeindehaus, 26.2.1973 (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73), S. 2. - Später ist hingegen von 112 angemeldeten Teilnehmern die Rede, „die zum größten Teil die Hausaufgaben der einzelnen Lehrbriefe bearbeiteten" (Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Der Kirchentagskongreß bietet an, 31.8.1973 [KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973], S. 1). 52

„Stud, christ." - ein Fernstudium in einzelnen Kursen

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„Die Zahlen, aber auch die lebendige Mitarbeit auf der Tagung machen deudich, daß dieses Vorhaben des Kirchentagskongresses einem dringenden Bedürfnis entspricht und dankbar aufgenommen worden ist" 56

Angesichts dessen wurde die Perspektivplanung, in jedem Jahr einen solcher Kurse anzubieten, noch einmal bestätigt Der nächste Kurs - „Evangelium und Umwelt 2" - sollte im Januar 1974 beginnen. Da Pfarrer Ackermann die Funktion eines Studienleiters seinerzeit allerdings nur für einen Kurs übernommen hatte, mußte für diesen zweiten Kurs wie für den Fernunterricht insgesamt ein neuer Studienleiter berufen werden. Die Wahl fiel dabei auf Rektor Gerhard Zweynert, der jedoch nur ein „bedingtes Ja" gab, das er Anfang August 1973 wieder zunickzog. Angesichts dessen fand am 14. August im Landeskirchenamt eine Krisensitzung zwischen Herbert Gehre, Dietrich Mendt und Dieter Ackermann statt.57 Im Ergebnis erklärte sich Ackermann - inzwischen Landespfarrer für Studienarbeit und Absolventenseelsorge - bereit, die Funktion des Studienleiters auch für den zweiten Kurs zu übernehmen. Die folgenden Kursen fanden dann ebenfalls unter seiner Leitung statt.58 Der zweite Studiengang nach der neuen Konzeption - „Evangelium und Umwelt 2" - widmete sich insbesondere dem „Verhältnis von Inhalt und Form" der christlichen Botschaft, wobei die Frage, ob „Zeitbezogenheit" notwendigerweise auch einen „Substanzverlust" bedeuten müsse, eine wichtige Rolle spielte. Der Kurs begann im November 1973 und endete im Mai 1974.59 Er umfaßte 5 Lehrbriefe und erreichte „über 200 Teilnehmer".60 Der dritte Kurs - „Evangelium und Gemeinde 1" -, der im Herbst 1974

56 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses - anschließend an die Konferenz der beiden Ausschüsse Sachsen/Görlitz - am Sonnabend, 17. Februar nachmittags, in Bautzen, Töpferstraße 23 - Kirchgemeindehaus, 26.2.1973 (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/72/73), S.2. " Vgl. Gehre, Herrn Johannes Cieslak, 8.8.1973 (KKT-Archiv Dresden, Korrespondenz 1973/74). w Auf der Sitzung des Landesausschusses am 11. Mai 1974 erklärte sich Ackermann bereit, die Tätigkeit des Studienleiters für zwei weitere Jahre zu übernehmen. Im Zusammenhang damit wurde er als Vollmitglied in den Landesausschuß berufen (vgl. Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Herbert Gehre], Protokoll über die Tagung des Landesausschusses am Sonnabend, 11. Mai 1974 - 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr im Gemeindehaus der Christuskirche, 8020 Dresden-Strehlen, 28.5.1974 [Privatarchiv Cieslak], S.2). 59 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), Der Kirchentagskongreß bietet an, 31.8.1973 (KKT-Archiv Dresden, Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973), S. 1. 60 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß (Herbert Gehre), An die Teilnehmer der Kirchentagskongresse, 15.1.1974 (Privatarchiv Kahl), S.2.

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Weiterführende Angebote

begann,61 stand unter dem besonderen Thema „Die Funktion der Gemeinde im Alltag" und umfaßte 4 Lehrbriefe. An ihm nahmen ca. 400 Personen teil.62 Ein Jahr später folgte als vierter Kurs „Evangelium und Gemeinde 2". Dieser jährliche Rhythmus wurde auch in den Folgejahren beibehalten und zum Teil durch zusätzliche Spezialkurse ergänzt 63 Das Echo, das dieser Fernunterricht - nicht nur in Sachsen - fand, „war groß, und die Teilnehmerzahlen sind steigend gewesen".64 Ihr Maximum erreichten sie Mitte der 80er Jahre mit zwei Kursen zur Bibel, einem über das Alte Testament und einem über das Neue Testament. An diesen Kursen nahmen jeweils 1500 Personen teil.65

" Vgl. Sächsischer Kirchentagskongreß und Landeskirchentag im Mai, in: Die Kirche 30 (1975), Nr. 7 vom 16. Februar 1975 (Berliner Ausgabe). 62 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kongreß und Kirchentag 1975, 23.-25. Mai in Dresden, Informationen/Vorschau, November 1974 (Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand), S. 15. " „Evangelium für die Kinder" (1976), „Naturwissenschaft - eine Herausforderung des c h r i s d i c h e n G l a u b e n s " ( 1 9 7 7 ) ([KONGRESS UND KIRCHENTAG IN DER E V . - L U T H . LANDESKIR-

CHE SACHSENS]: Kirchentagskongreßarbeit, Kirchentagsarbeit, S. 7). u Niederschrift des Gespräches mit Frau Hanna Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 10. 46

V g l . а . а . O . , S. 10 f. s o w i e [KONGRESS UND KIRCHENTAG IN DER E V . - L U T H . LANDKSKJR-

CHE SACHSENS]: Die Kongreß- und Kirchentagsarbeit in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, S. 9.

8. AUSBLICK

Mit der Durchführung eines Landes-Kirchentagskongresses und seiner Verbindung mit einem Landeskirchentag im Jahre 1975 war innerhalb der sächsischen Kongreßarbeit etwas nicht nur formal, sondern auch konzeptionell Neues begonnen worden, so daß dieses Datum gleichzeitig das Ende ihrer Anfangsphase markiert Im Mittelpunkt dieser Anfangszeit standen - wie deutlich geworden ist - kleine, ausschließlich1 zentral vorbereitete Kongreßveranstaltungen, deren intensive Arbeit und Aibeitsgemeinschaft als neue und damals als einzig zeitgemäße Form der Kirchentagsarbeit angesehen wurden. Das Charakteristische dieser Kongresse2 bestand in der Verknüpfung und im Zusammenspiel mehrerer Faktoren, von denen die Bibelorientierung, die Situationsbezogenheit, der dialogische Charakter und die missionarische Intention besonders hervorzuheben sind. Eine der unumstrittensten Grundlagen der Kongreßarbeit war die Einsicht, daß weiterführende Orientierung in Fragen des christlichen Glaubens und Handelns letztlich nur auf der Grundlage der biblischen Texte gewonnen werden könne.3 Ein wichtiger Bestandteil der Kongresse war deshalb von Anfang an die Bibelarbeit, deren Stellenwert im Ablauf der Kongresse noch eine zunehmende Aufwertung erfuhr. Besaß die Bibelarbeit hinsichtlich des jeweiligen Kongreßthemas anfangs mehr eine ergänzende Funktion, wurde sie im Laufe der Zeit zu dem Ort in der Kongreßdiskussion, von dem die entscheidenden, hinterfragenden, inspirierenden und weiterführenden Impulse für das jeweilige Thema erwartet wurden. Dabei wurde die Bibel bewußt nicht fundamentalistisch im Sinne eines zeit- und situationslosen Regelwerks verstanden, sondern als eine in einer bestimmten Situation ergangene Anrede, die in die heutige Zeit und in die heute aktuelle Situation übersetzt werden müsse, um wieder zur Anrede zu werden.4 Damit war ein zweites wichtiges Merkmal der Kongreßarbeit die Entdeckung der Situation, wobei im Interesse einer aktuellen Übersetzung der biblischen Botschaft nicht nur an die Situation damals, sondern vor allem an die Situation der heutigen Hörer in einer realsozialistischen Gesellschaft gedacht wurde. Da die christliche Botschaft nur dann wirklich als frohe Botschaft erfahren werden könne, 1

Auch die späteren regional vorbereiteten Kongresse wurden nicht ohne aktive Hilfe und Mitarbeit des Landesausschusses und seiner Mitglieder vorbereitet 2 Damit sollen keine Vorentscheidungen für das Profil der Kirchentagskongresse nach 1975 getroffen werden. Diese Zeit des etablierten Kongresses bedarf jedoch einer eigenen Untersuchung. 1 Bezeichnenderweise fand der allererste Fernkurs als Kurs für Gruppenbibelarbeit statt (siehe oben S. 412). 4 Vgl. insbesondere die Thematik des Herbstkongresses 1969 (oben S. 235 f., 240).

420

Ausblick

wenn sie auf die aus der konkreten Situation erwachsenden Fragen und Probleme eingehe und antworte, spielte auf den Kongressen die Erkundung der Situation des Menschen in der DDR-Gesellschaft und seiner Probleme - im volkseigenen Betrieb, in Neubaugebieten, in Schule und Ausbildung, in der Familie - eine wichtige Rolle. Im Zusammenhang damit erfuhren die „Laien" als die eigendichen Situationskenner eine deudiche Aufwertung, allerdings ohne daß sich die Kongreßarbeit betont als eine Laienbewegung verstand. 5 Der Ort, an dem biblische Botschaft und aktuelle Situation miteinander konfrontiert, daraus neue Einsichten gewonnen und Antworten auf die Herausforderungen der realsozialistischen Gesellschaft gesucht wurden, war für die Kongreßarbeit die gesprächsfähige Gruppe aus gleichberechtigten Mitgliedern unterschiedlicher Herkunft (Frauen und Männer, Altere und Junge, „Laien" und Theologen). Diese Gruppe fungierte sowohl als Lern- und Trost- wie auch als Aktionsgemeinschaft und wurde als Keimzelle in einer neuen zukunftsorientierten Kirchenstruktur angesehen.6 Die Form der Kongresse mit ihrer Arbeit in kleinen Gruppen entsprach damit nicht nur einer organisatorischen Notwendigkeit, sondern entsprang auch dem Versuch, chrisdiche Gemeinschaft in neuer Weise erfahrbar zu machen.7 Diese auf den Kongressen erfahrbare intensive Gemeinschaft trug allerdings nicht nur zum Erfolg der Kongresse, sondern auch zu ihrer Negativeinschätzung als einer elitären Gesellschaft nicht unwesendich bei. Übergreifendes Thema der Kongreßarbeit war nahezu über den gesamten Zeitraum hinweg der missio-Auftrag der Kirche. Er setzte sowohl kirchen- als auch gesellschaftskritische Akzente. Aus der Einsicht heraus, daß es sich bei diesem Auftrag um ein Wesensmerkmal der Kirche schlechthin handelt, wurden bestehende kirchliche Handlungsformen und traditionelle Strukturen daraufhin über5 Bereits auf der Sitzung des Hauptausschusses am 30. November 1968 war von Herbert Gehre als Ziel wie auch als besondere Schwierigkeit der Kongreß-Weiterarbeit festgehalten worden, „Pfarrer und Laien" daran zu beteiligen (H.A. Kongreß/Ki-Tag, 30.11.1968 [KKTArchiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970], S. 2). Johannes Cieslak im Rückblick: „Es hieß zwar immer, Kirchentag sei eine Laienbewegung. Das ist jedoch falsch, weil auch dieses Stichwort .Laienbewegung' noch von einem Gegensatz zwischen Pfarrern und Laien ausgeht Kirchentag war für uns vielmehr eine Bewegung, bei der wir alle, Theologen und Nichttheologen, als Glieder des einen Leibes gemeinsam arbeiten" (Niederschrift des Gespräches mit Synodalpräsident i. R. Johannes Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 8). 6 Vgl. oben S. 322. ' Um deutlich zu machen, worum es bei der Kongreßarbeit geht, beschrieb Hanna Kahl Ende der 80er Jahre als erstes die Situation in den „kleinen Gesprächsgruppen": „Fünfzehn Leute, Alte und Junge, Männer und Frauen aus verschiedenen Berufen kommen in der Wohnung des gastgebenden Gemeindegliedes zusammen. ,Warum haben wir eigentlich Angst, obwohl wir wissen, daß Gott nahe ist?' Man kann aussprechen, warum und wovor man Angst h a t Die anderen hören zu. Auch Zurückhaltende finden den Mut, ihre Ängste, ihre Fragen und Probleme zu nennen. Nach und nach wächst Vertrauen. Man kann hier sagen, was man denkt. Fachleute bringen ihre Kenntnisse zur Sache ein. Ein Bibeltext wird aufgeschlagen und man spricht darüber. Welche Botschaft hat der Text für uns? Können wir jetzt unsere Fragen und Nöte anders sehen als vorher? So stellt man sich gemeinsam ganz persönlichen Fragen, auch solchen, die von der Gesellschaft an uns Christen gestellt werden" (H. KAHI.: Kongreß und Kirchentag, S. 118).

Ausblick

421

prüft, ob sie für die Wahrnehmung dieses grundlegenden missionarischen Auftrags der Kirche förderlich oder hinderlich seien. Daraus erwuchs Kritik insbesondere an einer weiterhin bestehenden volkskirchlichen Struktur, an der Dominanz des Pfarrers in der Gemeinde sowie an einer inaktiven Konsumentenmentalität. Gesellschaftskritisch hingegen wurde der Kongreß, weil er die DDR-Gesellschaft als Ort missionarischen Handelns emst nahm, deren Defizite aufdeckte und nach den daraus erwachsenden Herausforderungen für das Evangelium fragte. Kirchenkritik wie Gesellschaftskritik waren damit nicht Primärziele, sondern ergaben sich jeweils aus der Frage, wozu und für wen die Kirche entsprechend ihrem Auftrag dazusein habe und auf welche Weise sie für die, für die sie dasein soll, in einer sozialistischen Gesellschaft am besten dasein könne.8 Hatte sich der Konzeptionswechsel 1974/75 aus der konkreten Arbeit ergeben, ohne daß er in dieser Weise geplant gewesen wäre, war der vollzogene Wechsel ftir den Landesausschuß durchaus Anlaß, die Konzeption für die Arbeit der nächsten Jahre - in dieser Grundsätzlichkeit erstmals - auf die Tagesordnung zu setzen. In Voibereitung der dafür vorgesehenen Ausschußsitzung wurden drei in der Intention jeweils unterschiedliche Konzeptionspapiere erarbeitet Dietrich Mendt sprach sich in seinem Votum dafür aus, die Kongreßarbeit als Experimentierfeld für die „Gemeinde von morgen" auszubauen und dabei auch alle Unsicherheiten eines „echten Experiments" bewußt in Kauf zu nehmen. Ausschlaggebend für die Durchführung eines solchen Experiments dürfe nicht die Zustimmung aller an der Kongreßarbeit beteiligten Gruppen sein, sondern vielmehr ob dieses Experiment „,der Gemeinde von morgen' nutzt".9 Der Problemanalytiker Hans-Leo Wenzel legte „Gedanken zur künftigen Zusammensetzung des Landesausschusses" vor, die dadurch hervorgerufen worden waren, daß in der aktuellen Zusammensetzung des Landesausschusses lediglich fünf Mitglieder (von 24) „von der etablierten Kirche völlig unabhängig" waren. Um die Entscheidungsautonomie des Landesausschusses zu gewährleisten, waren wiederholt „Vorschläge gemacht worden, die Vertretung von Mitgliedern im kirchlichen Dienst zu reduzieren". Dieses Vorgehen sei nach Wenzel jedoch zu 8 In diesem Sinne auch Johannes Hempel, der im Rückblick auf die ersten Jahre der sächsischen Kongreßarbeit festhielt: „Wir haben uns über die effektive Auswirkung in der Gesellschaft im Sinne einer Veränderung, einer politischen Veränderung der Gesellschaft wenig Gedanken gemacht Wir haben gesagt: Gegen die Säkularisierung kann man nur mit den Waffen des Lichtes kämpfen, und das heißt: mit dem Schild des Glaubens und mit dem Helm des Heils, das heißt: mit missionarischer Verkündigung. Wir haben weiterhin gesagt: Wo Gottes Geist Platz greift, da ändern sich die Menschen, und wo sich Menschen verändern, da verändert sich auch die Gesellschaft. Ein ausgeformtes politisches Gegenkonzept haben wir jedoch nicht gehabt - Was aber bitte nicht mißverstanden werden darf, als wäre uns das egal gewesen. Es war nur nicht unser Hauptanliegen" (Niederschrift des Gespräches mit Landesbischof i. R. Dr. Johannes Hempel am 11.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 2 f.). ' Dietrich Mendt, Votum zur künftigen Arbeit des Kongreßausschusses für die Sitzung am 20.9.1975, undatiert (Privatarchiv Cieslak).

422

Ausblick

formal, da gerade von diesen Vertretern in der Vergangenheit „entscheidende Impulse für die Kongreßarbeit gekommen" wären. „Kriterium für die Mitarbeit im Landesausschuß" sollte deshalb „nicht der berufliche Status des einzelnen sein, sondern sein Vermögen, unabhängig vom kirchlichen Establishment Entscheidungen im Sinn der Ziele der Kongreßarbeit zu treffen".10 Am ausführlichsten und grundsätzlichsten waren die von Hanna Kahl vorgetragenen „Gedanken zur Weiterarbeit"." Ausgehend von der Einsicht, daß die Anforderungen an die Gemeinde von heute gleichzeitig jene Herausforderungen wären, denen sich die Kongreßarbeit zu stellen habe, zog sie detaillierte Folgerungen für Struktur, Vorbereitung, Auswertung und Basisnähe künftiger Kirchentagskongresse. Als solche Herausforderungen benannte sie im einzelnen: „1. Kirche der Zukunft ist Kirche für die anderen. Die Gemeinde ist nicht für sich selber da, sondern ihre Hauptaufgabe ist es, die frohe Botschaft von Jesus Christus weiterzugeben. 2. Die Gemeinden werden immer kleiner. Darauf müssen wir uns einstellen. Das bedeutet aber auch, daß ihre Hauptaufgabe immer größer wird, weil die Anzahl der Menschen, die nichts von Gott wissen, ständig zunimmt. 3. Die Glieder der Gemeinde müssen im Blick auf diese Hauptaufgabe zugerüstet werden. 4. Es geht nicht nur um das Weitersagen der frohen Botschaft Am Leben der Christen und der Gemeinde muß ein Stück frohe Botschaft sichtbar werden. 5. Gemeindeglieder aller Generationen müssen in der Gemeinde Geborgenheit und Hilfe im Blick auf Glaubens- und Lebensfragen erfahren können. Sie muß Möglichkeiten für ein Stück Lebensgemeinschaft bieten. An ihr soll zeichenhaft etwas von der ,kommenden Welt Gottes' sichtbar werden. Sie muß für Außenstehende offen und anziehend sein. Kleine, gesprächsfähige Gruppen werden dabei besondere Bedeutung haben."12 Alle drei Papiere lagen dem Landesausschuß auf seiner Sitzung am 20. September 1975 vor und wurden jeweils gesondert diskutiert. 13 Dabei wurde die Notwendigkeit von Experimenten (Mendt) zwar ausdrücklich anerkannt, ihre Durchführung jedoch dadurch zumindest eingegrenzt, daß eine Delegierung der Verantwortung für diese Experimente an die jeweiligen Vorbereitungsgruppen per Beschluß abgelehnt wurde: „Der LA trägt die volle Verantwortung für alle Veranstaltungen, die unter dem Namen Kirchentagskongreß und Kirchentag laufen, also auch die Teilkongresse oder sonstigen Veranstaltungen, die unter seinem Namen laufen."14 10

Hans-Leo Wenzel, Gedanken zur künftigen Zusammensetzung des Landesausschusses, undatiert (Privatarchiv Cieslak). " Hanna Kahl, Einige Gedanken zur Weiterarbeit im Rahmen der Kirchentagskongreßarbeit, undatiert (Privatarchiv Cieslak). 12 A . a . O . , S. 1. 13 Vgl. Küchler, Protokoll über die Sitzung des Landesausschusses am 20.9.75 im Gemeindehaus der Versöhnungskirche, 15.10.1975 (Privatarchiv Cieslak). " A . a . O . , S. I.

Ausblick

423

Rückblickend wurde in diesem Zusammenhang festgestellt, daß sich das Thema des Kongresses seit 1968 geändert habe. Ging es damals um eine grundsätzliche Einsicht in das Wesen von Kirche - nämlich daß die Kirche nur dann Kirche sei, wenn sie Kirche für andere ist -, gehe es jetzt um die durchaus auch praktische Frage, wie die Kirche, die Kirche für andere sein will, auch wirklich eine Kirche für andere werde. Als übergreifendes Thema für die nächsten Jahre wurde deshalb einstimmig beschlossen: „ Unterwegs zur Kirche fiir die anderen"Ρ

An diese Fesdegung des Grundthemas der künftigen Kongresse Schloß sich die Diskussion zur konkreten Planung der Weiterarbeit an, wobei die Frage der künftigen Zusammensetzung des Landesausschusses (Wenzel) zwar „ausführlich" beraten, jedoch nicht entschieden wurde. Die Klärung sollte vielmehr in einem eigens dazu gebildeten Ausschuß erfolgen. Die weiteren Überlegungen vollzogen sich dann auf der Grundlage der bereits vorliegenden konkreten Vorschläge (Kahl). Wesentlichstes Ergebnis war die Zustimmung zu der von Kahl empfohlenen Weiterführung des Kirchentagsmodells von 1975. Der Landesausschuß erklärte ausdrücklich die „zukünftige Kopplung von Kongreß und Kirchentag" zu einem seiner Arbeitsschwerpunkte.'6 Ausschlaggebend war dabei die angesichts des positiven Verlaufs der zurückliegenden Kirchentagsveranstaltung unabweisbare Einsicht: „Beide Formen der Kirchentagsarbeit haben ihr Recht, und man darf sie nicht gegeneinander ausspielen."17 Diese Doppelveranstaltungen aus Kongreß einerseits und Kirchentag andererseits sollten in einem mehrjährigem Abstand durchgeführt werden, während für die Jahre dazwischen Teil- bzw. Regionalkongresse ähnlich denen des Jahres 1974 vorgesehen wurden. Mit diesem Modell hatte die sächsische Kirchentagskongreßarbeit die für die nächsten Jahre gültige Form gefunden.18 In ihr kamen sowohl die 15

Ebd. "· А. а. O., S. 2. 17

[KONGRESS

UND

KIRCHENTAG

IN

DER

EV.-LUTH.

LANDESKIRCHE

SACHSENS]:

Kirchentagskongreßarbeit, Kirchentagsarbeit, S. 8. u 1976 fanden Regionalkongresse in Bautzen (19.-20. Juni) und Zwickau (8.-10. Oktober) statt, 1977 in Meißen, Borna, Olbemhau, Auerbach und Karl-Marx-Stadt. Die Teilnehmerzahlen bewegten sich zwischen 200 und 300 Personen. Die nächste Doppelveranstaltung mit Kongreß und Kirchentag fand 1978 in Leipzig statt. Am Kongreß beteiligten sich ca. 4000, am anschließenden Kirchentagssonntag etwa 50000 Personen. Beim nächsten Kirchentag 1983 aus Anlaß des Lutherjubiläums kamen ca. 7000 Dauerteilnehmer nach Dresden (davon 600 Kinder als Teilnehmer eines Sonderprogramms und 250 Kinder als Teilnehmer in Arbeitsgruppen), auf der Abschlußveranstaltung versammelten sich ca. 100000 Teilnehmer. 1989 in Leipzig waren es 4000 Dauerteilnehmer und ca. 80000 Besucher der Abschlußvera n s t a l t u n g (vgl. KONGRESS UND KIRCHENTAG IN DER EV.-LUTH. LANDESKIRCHE SACHSENS:

Kongreß und Kirchentagsarbeit, S. 93; DERS.: Wegmarken; [DERS.]: Die Kongreß- und Kirchentagsarbeit in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, S. 7 f.).

424

Ausblick

Zielstellungen der bisherigen Kongreßarbeit wie auch die Chancen der traditionellen Kirchentagsarbeit jeweils zu ihrem Recht Dieser als sinnvoll erkannten Verbindung von Kongreß und Kirchentag trug der Landesausschuß auch dadurch Rechnung, daß er sich 1979 im Rahmen einer eigenen Geschäftsordnung in „Kongreß und Kirchentag in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens" umbenannte.19 Diese Bezeichnung ist - seit 1991 unter dem „Dach" eines gesamtdeutschen „Deutschen Evangelischen Kirchentages" - auch heute noch gültig.

" Hervorhebung vom Verf. - Die Geschäftsordnung, deren Erarbeitung und Ergänzung etwa ein Dreivierteljahr in Anspruch nahm, wurde am 2.Juli 1979 vom Landesausschuß einstimmig angenommen (vgl. Kongreß und Kirchentag in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Dr. Geisler/Kahl], Protokoll Nr. 4 über die Sitzung des geschäftsfiihrenden Ausschusses am 22. Mai 79, 26.6.1979 [KKT-Archiv Dresden, LA-Ausschuß, Richter], einschließlich der handschrifdichen Vermerke). Die neue Bezeichnung wurde allerdings bereits seit der Landesausschußsitzung vom 2. Mai 1979 benutzt (vgl. Kongreß und Kirchentag in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Protokoll Nr. 4 über die Sitzung des Landesausschusses am 2.5.79 [KKT-Archiv Dresden, LA-Ausschuß, Richter]). - Präsident Cieslak hatte bereits 1975 sein Dankschreiben an die Mitarbeiter und Helfer der Kirchentagsveranstaltung kurzerhand mit der Absenderangabe „Kirchentagskongreß und Kirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß" [Hervorhebung vom Verf.] versehen (Kirchentagskongreß und Kirchentag der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß [Cieslak], ohne Titel, 14.7.1975 [KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand]). Das blieb jedoch eine Ausnahme.

9. ÜBERSICHTEN

9.1. Kirchentage in der DDR (1961-1975) „ Bezirks kirchentage" - etwa die Kurmärkischen und Uckermärkischen Kirchentage - sind in der folgenden Übersicht im Gegensatz zu den von der Konferenz der Landesausschüsse als „Kirchentagstreffen" gedeuteten Veranstaltungen nicht verzeichnet1 Landeskirche

Zeit Ort

Bezeichnung

Thema

Teilnehmer2 AG/gesamt

Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs

27.5.1962 Schwerin

Landeskirchen tag

„Lob Gott getrost mit Singen0

4000

3.-5.6.1966 Rostock

Landeskirchentag

„Wachsen auf Christus hin"

600/6500

18.-20.6.1971 Schwerin

Landeskirchentag

„Unser Gott kommt und schweigt nicht"

800/5000

22.-24.6.1962 Stralsund

2. Landeskirdientag

„Gott - unsere Freude"

4000

19.-21.6.1964 Greifswald

3. Landeskirchentag

„Er ist treu"

2.-4.6.1967 Stralsund

4. Landeskirchentag

„Gott schafft Frieden"

600/60005

29.-31.5.1970 Greifswald

5. Landeskirchentag

„Wie Gott mir, so ich dir"

500/3000

14.-16.6.1974 Stralsund

6. Landeskirchentag

„... und ihr sollt auch leben"

560/5300

23.-24.6.1962 Dessau

4. Anhaltinischer Landeskirchentag

„Bekümmert euch nicht, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke"

3500

Ev. Landeskirche Greifswald

Ev. Landeskirche Anhalts

1 Vgl. dazu auch H . KRÜGER-HAYE/S. LANGE/I. LEKT/H. MÜLLER-ULBRLG: Evangelischer Kirchentag in der D D R , und M. KLEIMINGER: Zur Geschichte der Kirchentagsbewegung in Mecklenburg. 1 Die erste Zahlenangabe bezieht sich auf die Teilnehmer an den Arbeitsgruppen (sofern vorhanden), die zweite auf die Gesamtteilnehmerzahl. 1 Zuzüglich 2000 Teilnehmer am Kinderkirchentag (zur abweichenden staatlichen Schätzung siehe oben S. 89).

426

Übersichten

Landeskirche

Zeit Ort

Bezeichnung

Thema

Teilnehmer AG/gtsamt

Ev. Landeskirche Anhalt

30.-31.5.1964 Bemburg

5. Anhaltinischer Kirchentag

„Christus für uns - wir für Christus"

1800/2500

14.-19.6.1966 Kothen

6. Anhaltinischer Kirchentag

„Kirche 66"

22.-23.6.1968 Dessau

Anhaltinischer Landeskirchen tag Kirchentagstreffen

„Dienet einander"

1.-3.6.1963 Brandenburg

Kirchentagstreffen

„Das Wagnis des Glaubens"

80/1000

24.-26.9.1965 Frankfurt (O.)

Kirchentag Kirchentagstreffen

„Ihr werdet meine Zeugen sein"

900/500070004

24.-25.9.1966 Potsdam

(Kurmärkischer) Kirchentag

„Mit der Wahrheit und der Liebe leben"

4500

18.-20.9.1970 Havelberg

Kirchentag (Kirchentagstreffen)

„Wie Gott mir, so ich dir"

261/5000

25.-27.9.1970 Cottbus

Kirchentag (Kirchentagstreffen)

„Wie Gott mir, so ich dir"

719/5000

21.-23.6.1974 Frankfurt (O.)

Kirchentag

„... und ihr sollt auch leben"

450/4000

1.-3.6.1963 Zwickau

Kirchen tagstreffen Kirchentag

„Das Wagnis des Glaubens"

120/2700

23.-26.5.1968 Dresden

Kirchentagskongreß „Kirche der Zukunft mit Kirchentagssonntag Kirche für die anderen"

1000/5000

30.5.-1.6.1975 Dresden

„Unterwegs zur Gemeinde Kirchentagskongreß mit Kirchentagssonntag von morgen"

1500/13 500

Landeskirchentag

„Ich bin's, fürchtet euch nicht"

900/4500

Landeskirchentag

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum"

5000

Ev. Kirche in BerlinBrandenburg

Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens

Εν. Kirche 7.-9.6.1963 des Görlitzer Görlitz Kirchengebietes 28.-30.6.1968 Görlitz 6.-8.6.1975 Görlitz Ev.-Luth. 8.-9.6.1963 Kirche in Erfurt Thüringen/ Ev. Kirche 5.-7.6.1970 der Kirchen- Erfurt provinz Sachsen

4 5

Kirchentagskongreß „Unterwegs zur Gemeinde mit Kirchentagssonntag von morgen"

300/3000

5. Propsteikirchentag (Kirchentagstreffen)

„Das Wagnis des Glaubens"

120/5000

Kirchentag (Kirchentagstreffen)

„Wie Gott mir, so ich dir"

1100/ 150005

Zu den unterschiedlichen Zahlenangaben siehe oben S. 81, Anm. 317. Zur abweichenden staaüichen Schätzung vgl. oben S. 94, Anm. 366.

Kirchentagskongresse in anderen Landeskirchen (1971-1974)

427

Landeskjrche

Zeit Oit

Bezeichnung

Thema

Teilnehmer AG/gesamt

Ev.-Luth. Kirche in Thüringen/ Ev. Kirche in Sachsen

11.-13.10.1974 Erfurt

Kirchentagskongreß mit liturgischem Abschluß

Jesus Christus - die befreiende Wahrheit"

750

Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen

19.-20.6.1965 Wittenberg

Tag der Kirche Kirchen tagstreffen

.Ihr werdet meine Zeugen sein"

300/2500

20.-22.6.1968 Stendal

Kirchentag (Kirchentagstreffen)

»Dienet einander"

540/3500

7.-9.6.1974 Magdeburg

Kirchentag

„... und ihr sollt auch leben"

630/6500

9.2. Kirchentagskongresse in anderen Landeskirchen (1971-1974) Neben den Kirchentagskongressen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens entwickelte sich auch in anderen DDR-Landeskirchen eine Kirchentagskongreßarbeit, allerdings ohne daß eine direkte Abhängigkeit - von Görlitz einmal abgesehen - erkennbar wäre oder sich dort ebenfalls wie in Sachsen eine Kongreßbewegung herausgebildet hätte. Die Anfänge der Kirchentagskongreßarbeit außerhalb Sachsens bedürfen einer eigenen Untersuchung. Hier soll nur auf einen Faktor, der ebenfalls zur Verbreitung der Kongreßidee beigetragen haben mag, besonders - auch im Hinblick auf die einleitenden Kapitel - hingewiesen werden: der Gedanken- und Erfahrungsaustausch auf der Ebene der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der DDR. Dort begegnete man zwar dem sächsischen Enthusiasmus der Anfangszeit, mit der Kongreßarbeit die einzige zeit- und situationsgemäße Form der Kirchentagsarbeit gelinden zu haben, mit deudicher Skepsis. Daß die Kongreßarbeit eine wesendiche Ergänzung und Bereicherung der herkömmlichen Kirchentagsarbeit darstellen könne, wurde jedoch von Anfang an klar erkannt und der Gedankenaustausch darüber entsprechend gefördert Das Eigentliche der Kirchentagsarbeit wurde allerdings weiterhin in der Durchführung von Kirchentagen gesehen, die durch die Kongresse lediglich ergänzt werden könnten.6 Als Präsident Cieslak nach dem Kongreß von 1968 vor der Konferenz der Landesausschüsse einen ausführlichen Bericht über den Ablauf dieser Veranstaltung gab, wurde dort in der nachfolgenden Sachdiskussion das „Modell Dresden" ' Zur Haltung d e r K o n f e r e n z aus sächsischer Sicht vgl. Niederschrift des Gespräches mit Superintendent i. R. Dietrich M e n d t am 5.11.1996 in Dresden zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 11 f.; Niederschrift des Gespräches mit Synodalpräsident i. R. J o h a n n e s Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen, S. 10 (auch oben S. 261).

428

Übersichten

als „durchführbar und zukunftsträchtig" bewertet.7 Später - im Vorfeld der Kirchentage des Jahres 1970 - hielt es die Konferenz, obwohl sie der Meinung war, daß die „Kongreßarbeit, soziologisch gesehen, an einer gewissen Einseitigkeit durch ein Überangebot an Intelligenz" leide, für wichtig, die Erfahrungen der Kongreßarbeit für die „regionale Weiterarbeit mit den Delegierten der KT 70" nutzbar zu machen, wobei auch die „Frage eines späteren DDR-Kirchentags-Kongresses zu stellen" sei.8 Nach den Kirchentagen beriet das Präsidium auf seiner Sitzung am 16. September 1970 „über eine regionale Kongreßarbeit in der DDR" sowie über dazu eingebrachte konkrete Vorschläge.9 Im März 1971 berichtete der Präsident des Evangelischen Kirchentages über die Kirchentagsarbeit in der DDR vor der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR. Hinsichdich der Frage der „weiteren Entwicklung der Kirchentagsarbeit in unserem Raum" sah er nicht nur ein „besonderes Gewicht" bei den Landeskirchentagen, sondern hielt als weiteren Schwerpunkt die „Qualifizierung von Laien zum Dienst in Kirche und Welt" fest und fügte hinzu: „In diesem Zusammenhang scheint uns der Stil der Kongreßarbeit für die Zukunft besondere Verheißung zu haben, wie sie sich in der Landeskirche Sachsen abzeichnet; wie sie bereits in Berlin in Aussicht genommen wird; wie sie in Erfurt, Cottbus, Mecklenburg geplant wird."10 Als sich die Konferenz der Landesausschüsse am 11. November 1972 dann noch einmal ausdrücklich der inzwischen in mehreren Landeskirchen begonnenen Kongreßarbeit zuwandte, kamen sowohl die Grenzen als auch die Chancen dieser Arbeitsform deudich zur Sprache. Die Konferenz würdigte diese Arbeit als Form des intensiven Erfahrungs- und Gedankenaustausches über den weiteren Weg der Kirche, hielt jedoch fest, daß „neben der Durchführung von Kirchentagskongressen . . . auch in Zukunft an regionalen Kirchentagen" festgehalten werden müsse. Es wurde festgelegt, die sächsische Kongreßarbeit um einen umfangreichen Erfahrungsbericht zu bitten." Daraufhin referierte Johannes Cieslak auf der Frühjahrstagung 1973 „über Wesen, Aufgabe und Ziel der Kongreßarbeit". In der anschließenden lebhaften Diskussion einigte man sich darauf, das Gespräch auch weiterhin fortzusetzen. 12

' Vgl. Lent, Protokoll über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages in der D D R am 26.10.1968 in Berlin-Weißensee, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 2, 4. 8 Lent, Niederschrift über die Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des Kirchentages in der D D R am 21.3.1970, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3), S. 3. ' Krüger-Haye, Protokoll über die Sitzung des Präsidiums des Evang. Kirchentages in der D D R am Mittwoch, den 16. September 1970 um 16.00 Uhr in Berlin, Auguststraße 80, undatiert (EZA, DEKT, 95/93/3). 10 [Otto Schröder], Bericht über die Kirchentagsarbeit in der DDR, gegeben am 13.3.1971 vor der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, undatiert (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549), S. 2 f. 11 Vgl. Evangelischer Kirchentag. Konferenz der Landesausschüsse in der Deutschen Demokratischen Republik, Informationen, im November 1972 (EZA, Sekretariat ВЕК, 101, 549). 12 Vgl. Planungen in der Kirchentagsarbeit. Präsidium und Konferenz der Kirchentagslandesausschüsse in der D D R tagten, ena 26 (1973), Nr. 23 vom 6.6.1973.

Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen

429

Der erste mit den Kongressen in Sachsen vergleichbare Kongreß fand vom 14. bis 16. Mai 1971 in Berlin-Karlshorst statt. Unter dem Thema „Gemeinde für die Welt" beschäftigte er sich - als nahezu reiner Laienkongreß - mit den Fragenkreisen „Kirche", „Gesellschaft" und „Zukunft".'3 Weitere Kongresse in fast allen anderen Landeskirchen folgten. Die Übersicht beschränkt sich auf jene der Anfangszeit bis 1974. Landeskirebe 1971

1972

1973

22.-24.9. in Cottbus: „Kirchen auf der Suche"

2.-4.11. in Cottbus: „Zum Leben bestimmt"

Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs

1.10. in Güstrow. „Kirche auf der Suche"

27.-28.10. in Güstrow. „Kirche auf dem Wege"

Ev.-Luth. Kirche in Thüringen

2.-4.6. in Neudietendorf: „Was kommt auf uns zu? wer kommt auf uns zu1?"

Ev. Kirche in BerlinBrandenburg

1974

14.-16.5. in Beriin: „Gemeinde für die Welt" 15.-17.10. in Cottbus

Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen

19.-20.10. in Güstrow: „Kirche auf der Rast"

17.-19.5. in Erfurt: Jesus Christus - die befreiende Wahrheit"

9.3. Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen Datum

Sächsische Landeskirche

Anfang 1967

Anregung „aus dem Landeskirchenamt", das Meißen-Jubiläum als Anlaß für einen großen Landeskirchentag zu nutzen

2.3.1967

Oer sächsische Landesausschuß des Deutschen Evangelischen Kirchentages beschließt, aus Anlaß des 1000jährigen Jubiläums des Bistums Meißen einen sächsischen Landeskirchentag in Meißen und Dresden vorzubereiten.

29.4.1967

Der Landesausschuß legt Termin (23.-26. Mai 1968) und Grobthematik des geplanten „Kirchentages Sachsen" fest.

Staats- und Paiteiapparat

11 Vgl. Kongreß „Gemeinde für die Welt" Berlin 14.-16.5.1971, Arbeitsergebnisse (KK.TArchiv Dresden, Korrespondenz 1971).

430

Übersichten

Damm

Sächsische Landeskirche

10.5.1967

Der Vorsitzende des Landesausschusses (Cieslak) informiert in einem kurzen Schreiben an den Kirchenreferenten beim Rat des Bezirkes Dresden (Breitmann) über das Kirchentagsvorhaben und bittet um einen Gesprächstermin.

26.5.1967

Staats- und Parteiapparat

Der Rat des Bezirkes Dresden leitet den Brief Cieslaks an die SED-Bezirksleitung weiter. Erklärender Kommentar des Kirchenreferenten: „Das Schreiben wird von uns nicht beantwortet Ein Landesausschuß des Deutschen Evangelischen Kirchentages existiert für uns nicht."

30.5.1967

Ein Themenkonvent entfaltet die Thematik des geplanten Kirchentages. О KR Heimbold berichtet, daß der Kirchentag voraussichtlich von der staadichen Seite keine Hilfe erhalten wird.

7.6.1967

Cieslak lehnt in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Rates des Bezirkes (Scheler) seine Teilnahme an einer Veranstaltung mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen ab, weil sein Brief bezüglich des Kirchentages ohne Antwort geblieben sei.

17.6.1967

2. Tagung des Themenkonvents (Überlegungen zu eventuellen Themen für „Gemeindevorträge" und „Vorlesungen")

28.6.1967

Der Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres (Peter) erklärt anläßlich eines Gespräches im Rat des Bezirkes, mit Cieslak werde nur in seiner Funktion als Synodalpräsident verhandelt, nicht jedoch als Vorsitzender eines sächsischen Landesausschusses des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Ein solches Gremium existiere für die staatliche Seite nicht. Gegen einen Kirchentag an sich sei dagegen nichts einzuwenden.

5.7.1967

Sitzung des sächsischen Landesausschusses: Neuregelung der Verantwortlichkeiten für den Landeskirchentag, Veranstalter ist nicht mehr der sächsische Landesausschuß des DE KT, sondern ein vom Landeskirchen amt berufener „Haupt-Ausschuß"; Überlegungen zum Motto des Kirchentages.

6.7.1967

Informationsveranstaltung zum „Landeskirchentag ,1000 Jahre Dom zu Meißen' in Dresden und Meißen"

12.7.1967

Das Landeskirchenamt beauftragt Synodalpräsident Cieslak mit der Vorbereitung des sächsischen I.andeskirchentages.

12.7.1967

Der Dechant des Hochstifts Meißen (Prof. Lau) informiert den Meißner Bürgermeister über die Veranstaltungen zum Meißen-Jubiläum und bittet um Unterstützung.

25.7.1967

Ergebnislos verlaufenes Gespräch zwischen dem Syndikus des Hochstifts und dem Meißner Bürgermeister (Bereitstellung der Albrechtsburg)

27.7.1967

3. Tagung des Themenkonvents

Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen Datum

Sächsische I andrshirrhr

29.7.1967

Konstituierende Sitzung des „Ausschusses für Planung und Durchführung des .Sächsischen Kirchentages 1968*" (HauptAusschuß)

431

Staats- und Parteiapparat

Konstituierende Sitzung einer bezirks- und ressortübergreifenden Arbeitsgruppe zum Meißenjubiläum (Veranstaltungen der evangelischen Kirche zum Jubiläum seien „grundsätzlich illegitim").

8.9.1967

12.9.1967

Sitzung der Konferenz der Landesausschüsse des DEKT: Cieslak berichtet, der Kirchentag werde wegen staatlicher Vorbehalte nach außen nur noch von einem „Landesausschuß Sachsen* veranstaltet

Ende Sept 1967

Anfragen an die Referenten für die geplanten Vortrüge und Vorlesungen

Ende Okt. 1967

Ein „begrenzter" Plakatwettbewerb wird ausgeschrieben.

7.11.1967

Staatssekretär Seigewasser läßt den Rat des Bezirkes Dresden auf die Notwendigkeit klärender Gespräche mit den Bischöfen Noth und Spülbeck hinweisen.

13.11.1967

Dienstbesprechung beim Staatssekretär für Kirchenfragen: Mit den Bischofsgesprächen soll bis zur Bestätigung einer für das Politbüro zu erarbeitenden Vorlage gewartet werden. Tendenz: Die sächsische Kirche soll „ihren Generalplan zum 1000. Jahrestag der Christianisierung" fallenlassen.

14.11.1967

Der Landesbischof (D. Noth), der Präsident des Landeskirchenamtes (Dr. Johannes) sowie der Meißner Domdechant (Prof. Lau) wenden sich in einem gemeinsamen Schieiben an den Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, den Oberbürgermeister der Stadt Dresden, an den Vorsitzenden des Rates des Kreises Meißen sowie an den Meißner Bürgermeister. Sie teilen darin mit, daß aus Anlaß des tausendjährigen Bestehens des Hochstiftes Meißen ein „Landeskirchentag" stattfindet, und bitten um Unterstützung dieses Vorhabens.

16.11.1967

Im Staatssekretariat für Kirchenfragen wird eine „Begründung für den Beschlußentwurf für das Politbüro zur lOOOJahrfeier des Bistums Meißen" erarbeitet

Ende Nov. 1967

Das Programm für den Landeskirchentag steht im wesendichen fest

2.12.1967

Sitzung des Gesamtausschusses für den Kirchentag: erste Überlegungen, welche Konsequenzen eine staatliche Ablehnung des Kirchentagsvorhabens hätte.

432

Übersichten

Datum

Sächsische Landeskirche

4.-7.12.1967

Kongreß „missio - heute" in BerlinWeißensee

5.12.1967

Gespräch im Rat des Bezirkes Dresden zwischen dem Ratsvorsitzenden (Scheler), seinem Stellvertreter für Inneres (Peter) und dem Referenten für Kirchenfragen (Breitmann) einerseits sowie dem Landesbischof (D. Noth) und dem Präsidenten des LKA (Dr. Johannes) andererseits. Nach heftiger Attacke gegen die sächsische Landeskirche teilt der Ratsvorsitzende die staatliche Erwartung mit, „daß von der Durchführung des geplanten Landeskirchentages abgesehen wird", und empfiehlt, .dieses Vorhaben auf Gemeindeebene zu beschränken".

12.12.1967

Auswertung des Gespräches vom 5.12. im Landeskirchenamt (D. Noth, Dr. Johannes, Cieslak, Lehmann): erstes Auftreten des Kongreßgedankens in den Akten.

27.12.1967

Der Syndikus des Domstifts Meißen (Dr. Liebe) erwähnt in einem Schreiben an den Rat des Bezirkes, daß der Landeskirchen tag aufgrund des Gesprädis vom 5.12. abgesagt sei (woraufhin die staatliche Seite in der Folgezeit davon ausgeht, daß die „Empfehlungen" des Ratsvorsitzenden von der Landeskirche uneingeschränkt befolgt werden).

28.12.1967

Krisensitzung des Vorbereitenden Ausschusses: dem Konzept eines mehrtägigen Kongresses mit begrenzter Teilnehmerzahl wird zugestimmt

5.1.1968

Auf einer weiteren Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses wird der veränderte Ablauf des Kirchentagsvorhabens festgelegt (Dreiteilung: JubiläumsfeieHichkeiten in Meißen, mehrtägiger Kongreß in Dresden, eintägiger gemeindeoffener Kirchentag in Dresden zum Abschluß).

10.1.1968

Die sächsische Kirchenleitung nimmt die Änderung der Konzeption für das Kirchentagsvorhaben „zustimmend" zur Kenntnis. Gespräch zwischen Vertretern des Rates des Bezirkes Dresden und des katholischen Ordinariats Meißen. Der 1. Stellvertreter des Ratsvorsitzenden droht Bischof Spülbeck mit Begrenzung seiner Reisemöglichkeiten, falls es im Zusammenhang des MeißenJubiläums zu gemeinsamen Veranstaltungen der katholischen und der evangelischen Kirche komme („Interkonfessionalisnuis").

11.1.1968

17.1.1968

Staats· und Parteiapparat

Der Haupt-Ausschuß des sächsischen Kirchentages stimmt dem vorläufigen Programm zu. - Von nun an Vorbereitung des Kirchentagsvorhabens „ohne staatliche Unterstützung": Reduzierung der Teilnehmerzahlen, Beschränkung auf die Gemeinden im Bereich Dresden - Meißen und die der angrenzenden Kirchenkreise, Rückgriff

Tagung der bezirks- und ressortübergreifenden Arbeitsgruppe in Dresden; angesichts des noch ausstehenden Politbürobeschlusses werden keine Entscheidungen getroffen.

Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen Datum

Sächsische Landeskirche

433

Staats- und Parteiapparat

auf Privatquartiere, Veranstaltungen ausschließlich in kircheneigenen Räumen, dezentrale Zubereitung der Verpflegung in kleinen Gemeindekuchen u. ä. 8.2.1968

Der Rat des Kreises Meißen verweist auf die Zuständigkeit eines »zentralen Ausschusses" für „alle Belange, die die Jahrtausendfeier betr.[effen]".

15.2.1968

Die Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED erarbeitet in Abstimmung mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen eine Vorlage für das Politbüro: „Maßnahmen hinsichtlich der Tausend-Jahr-Feiem aus Anlaß der Gründung des Bistums Meißen bzw. des Erzbistums Magdeburg".

27.2.1968

Beschluß des SED-Politbüros „Maßnahmen zur Tausend-Jahr-Feier aus Anlaß der Gründung des Bistums Meißen und des Erzbistums Magdeburg" (nur kirchliche Räume, Begrenzung auf den „örtlichen Rahmen") Der Stellvertreter für Inneres beim Rat des Bezirkes Dresden weist die Bereiche Inneres in den Stadien und Kreisen an, für die Zeit des Kirchentagsvorhabens keine Aufenthaltsgenehmigungen für westdeutsche Bürger zu erteilen, wenn diese selbst oder die Antragsteller evangelische Pfarrer sind.

Ende Febr. 1968

Exemplare des vorläufigen Programms des Kirchentagsvorhabens „1000 Jahre Meißner Dom" gelangen in den Besitz der SEDBezirksleitung Dresden und des Staatssekretariats für Kirchenfragen; damit wird deutlich, daß die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens keineswegs - wie angenommen - von dem Kirchentagsvorhaben Abstand genommen hat

5.3.1968

Der Rat des Bezirkes erarbeitet einen umfangreichen Maßnahmekatalog zur Begrenzung kirchlicher Großveranstaltungen im Jahre 1968.

6.3.1968

In der SED-Bezirksleitung Dresden wird eine Einschätzung des vorläufigen Programms erarbeitet: die geforderte Begrenzung auf den „örtlichen Rahmen" sei nicht eingehalten worden.

21.3.1968

Neukonstituierung der bezirks- und ressortübergreifenden Arbeitsgruppe in Dresden auf der Grundlage des PolitbUrobeschlusses vom 27.2.1968. Von Bischof Noth soll in

434 Datum

Übersichten Sächsische Landeskirche

Staats- und Parteiapparat einem neuerlichen Gespräch die gewünscht/ Begrenzung „auf den örtlichen Rahmen* erreicht werden.

29.3.1968

Die Jury für den Plakatwettbewerb wählt aus den eingesandten Arbeiten drei Preisträger aus.

16.4.1968

Das Referat Kirchenfragen weist die Kirchenreferenten bei den Räten der Kreist auf von der Abteilung Inneres ergangene Anweisungen hin und fordert Berichte übet deren Umsetzung.

18.4.1968

Gespräch im Rat des Bezirkes Dresden zwischen dem Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres (Peter) und dem neuen Referenten f ü r Kirchenfragen ( H a m m e r ) einerseits sowie dem Präsidenten des Landeskirchenamtes (Dr. Johannes) und Oberkirchenrat Knauf andererseits: Angesichts des nun doch „in großem Stil" vorbereiteten Kirchentages sehe sich die staatliche Seite außerstande, dieses Vorhaben zu unterstützen.

24.4.1968

Die ressortübergreifende Arbeitsgruppe fordert eine bessere „inhaltliche Aufklärung" der einzelnen Kirchentagsveranstalo ingen.

3.5.1968

D e r Kirchenreferent beim Rat des Bezirkes verlangt von Präsident Johannes nähere Informationen zu den geplanten Veranstaltungen.

6.5.1968

Präsident Johannes teilt dem Rat des Bezirkes mit, d a ß es sich lediglich um Veranstaltungen in begrenztem Rahmen handelt.

Anfang Mai 1968

Rückmeldungen aus den Kreisen zeigen, d;i die Kirche in Vorbereitung des Kirchentage lediglich auf ihre eigenen Möglichkeiten zurückgreift.

Mitte Mai 1968

Kritik des Landeskirchenamtes an der im Zusammenhang des Kirchen tags Vorhabens sowohl in Meißen als auch in Dresden ge planten Aufführung des „Meißner Tedeums"

Protest der zentralen Arbeitsgruppe „Kirchentag" beim Rat des Bezirkes Dresden gegen die vom Kultusministerium erteilte Genehmigung z u r Aufführung des „Meißnc Tedeums"; Anfertigung von Gutachten; ablehnende Stellungnahme des Staatssekretariats für Kirchenfragen. Zur Vermeidung eines Eklats stimmen Z K d e r SKI und M f K einer A u f f ü h r u n g dennoch zu.

23.5.1968

Feierlichkeiten in Meißen aus Anlaß des 1000jährigen Bestehens des Bistums Meißen

Kin Einsatzstab beim Rat des Kreises Meißen organisiert die Überwachung der kirchlichen Veranstaltungen.

24.-26.5.1968

Kirchentagskongreß in Dresden „Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen"

Ein Einsatzstab beim Rat der Stadt Dresden organisiert die Überwachung d e r kirchlichen Veranstaltungen.

26.5.1968

Kirchentagssonntag in Dresden unter dem Motto des Kongresses „Kirche der Zukunft

Einsatzstäbe beim Rat der Stadt Dresden und beim Rat des Kreises Meißen

Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen Danun

Sächsische Landeskirche

Staats- und Parteiapparat

- Kirche für die anderen". Abschluß der Jubiläumsfeierlichkeiten in Meißen.

organisieren die Überwachung der kirchlichen Veranstaltungen.

4.6.1968

Auswertung der Veranstaltungen im Kollegium des Landeskirchenamtes (kritisch im Blick auf vorgestellte neue Formen der Gemeindearbeit)

6.7.1968

Auswertung innerhalb des Haupt-Ausschusses des sächsischen Kirchentages: Es wird allgemein als sinnvoll angesehen, auch in Zukunft derartige Kongresse durchzuführen. Mit den Kritikern der neuen Methoden in der Gemeindeaibeit soll das Gespräch gesucht werden.

25.7.1968

435

Der Rat des Bezirkes Dresden legt seine abschließende „Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen" vor.

30.11.1968

Der Haupt-Ausschuß spricht sich auf seiner letzten Sitzung dafür aus, alle 2 bis 3 Jahre derartige Kongresse durchzuführen.

Ende 1968

Der Vorschlag, zwischen den Kongressen Wochenendrüsten durchzuführen, findet Zustimmung. Für die Organisation wird ein eigener „Ausschuß für Kongreßaibeit" gebildet

15.2.1969

Konstituierende Sitzung des „Ausschusses für Kongreß-(Weiter )arbeit"; Fesdegung des organisato rischen Rahmens der 1. Wochenendrüste

26.-27.4.1969 1. Wochenendtagung für „Kongreß-Weiterarbeit" in Dresden-Striesen 13.6.1969

Der Ausschuß für Kongreß-Weiterarbeit beschließt angesichts bestehenden Interesses, im Herbst 1969 eine weitere Tagung durchzuführen.

12.9.1969

Weitere Tagung des Ausschusses für Kongreß -Arbeit

Sept. 1969

Artikel im „Sonntag" über die Kongreß-Weiterarbeit, insbesondere über die bevorstehende Tagung erregen die Aufmerksamkeit der lokalen Staatsorgane.

3.10.1969

Der Sekretär für Kongreßarbeit (Gehre) wird in den Rat des Bezirkes bestellt und Uber den bevorstehenden Kongreß befragt.

20.10.1969

Präsident Johannes und Oberlandeskirchenrat v. Brück werden in einem Gespräch vom Sekretär des Rates des Bezirkes davon in Kenntnis gesetzt, daß der in der Kirchenpresse für den Kongreß gebrauchte Titel „Kongreß der Bedrängten und Resignierten" als Verfälschung der Situation in der sozialistischen Gesellschaft anzusehen sei. Beide erläutern die Thematik des Kongresses und sagen zu, diese mißverständliche Formulierung nicht mehr zu verwenden.

436

Übersichten

Datum

Sächsische Landeskirche

25.-26.10. 2. 1969

Wochenendtagung für „Kongreß- Weiterarbeit" in Dresden-Striesen

3.1.1970

Der „Ausschuß für Kongreß-Arbeit" legt fest, im Herbst 1970 eine weitere Tagung durchzuführen.

28.2.1970

Sitzung des Ausschusses für KongreßArbeit: Auswertung der zurückliegenden Tagung und Vorbereitung der nächsten (Thematik und Ablauf).

25.4.1970

Der Ausschuß für Kongreß-Arbeit beschließt, den bis dahin ehrenamdich für die Kongreßarbeit tätigen Herbert Gehre hauptamtlich als Sekretär für Kongreßarbeit anzustellen; Weiterarbeit am Thema der nächsten KongreßTagung.

30.5.1970

Der bis dahin neben dem Ausschuß für Kongreß-Arbeit vorhandene „Landesausschuß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens des Deutschen Evangelischen Kirchentages" und der „Ausschuß für Kongreß-Arbeit" verbinden sich zum „Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens Landesausschuß". Damit wird die Kongreßarbeit in Sachsen zur bestimmenden Form der Kirchen tagsarbeit - Diskussion der Referate für die Herbsttagung.

29.8.1970

Tagung des neuen Landesausschusses (ausführliche Beratung der für die Herbsttagung vorgesehenen Referate, Einrichtung eines Femkurses „Umgang mit der Bibel" sowie Durchführung von Wochenend rüsten für Gesprächsführung)

Staats- und Parte iapparat

6.9.1970

Ein Artikel in der „Kirche" zum bevorstehenden Kongreß erregt die Aufmerksamkeit der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim Z K der SED. Eingeholte „interne" Informationen besagen, daß auf diesem Kongreß „gegen unsere gesellschaftliche Entwicklung" aufgetreten werden soll. Daraufhin unterbreitet die ZK-Arbeitsgnippe der SED-Bezirksleitung Dresden Vorschläge zum sofortigen Handeln.

15.9.1970

Gespräch zwischen Bischof Noth und dem Stellvertreter des Ratsvorsitzenden für Inneres zum bevorstehenden Kongreß. Bischof Noth und - in einem nachfolgenden Telefonat Präsident Johannes erläutern das bevorstehende Kongreßvorhaben.

26.-27.9.1970 Kirchentagskongreß in Dresden „Was haben wir anzubieten?" 28.11.1970

Der Landesausschuß wertet den Kongreß aus und beschließt, im Jahre 1971 nicht nur in Dresden, sondern auch in Meerane einen Kirchentagskongreß durchzuführen. Mai/Juni 1971 soll eine zweitägige Veranstaltung spezieil für Pfarrer stattfinden.

Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen Datum

Sächsische Landeskirche

Dez. 1970Mai 1971

Femkurs „Umgang mit der Bibel"

6.-7.2.1971

Wochenendtagung für Gesprächsfühnuig in Karl-Marx-Stadt

27.-28.3.1971 Wochenendtagung für Gesprächsfühnuig in Lückendorf 1.-2.5.1971

Wochenendtagung für Gesprächsfuhning in Dresden

8.-9.5.1971

Wochenendtagung für Gesprächsführung in Schirgiswalde

1.6.1971

Sondierungsgespräch zwischen Vertretern des sächsischen Landesausschusses für Kongreßarbeit und des Landesausschusses des Ev. Kirchentages Görlitz Uber eine eventuelle Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kongreßarbeit

19.6.1971

Sitzung des sächsischen Landesausschusses (Beschlüsse zur Weiterführung und Erweiterung der Wochenendtagungen für Gesprächsführung, zur Bildung eines Arbeitskreises für ein einzurichtendes Fernstudium sowie zur Zusammenarbeit mit dem Landesausschuß Görlitz)

25.7.1971

Sitzung des sächsischen Landesausschusses (Diskussion Uber die für Meerane und Dresden vorgesehenen Referate von Zeddies und Ehrler)

25.9.1971

Sitzung des sächsischen Landesausschusses (Diskussion der Referate von Zeddies und Ehrler, konzeptionelle Fesdegungen für die Weiterführung des Fernunterrichts)

16,-17.10. 1971

Kirchentagskongreß in Meerane (für Westsachsen und Vogtland) „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes"

6.-7.11.1971

Kirchentagskongreß in Dresden (für Mittelund Ostsachsen) „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes"

20.11.1971

Sitzung des sächsischen Landesausschusses (Auswertung der Kongresse, Beschluß über die gemeinsame Vorbereitung der Kongresse 1972 mit dem Landesausschuß Görlitz, Bildung einer „Arbeitsgemeinschaft Kirchentagskongreß 1972", Festlegung auf Meerane und Görlitz)

Staats- und Parteiapparat

437

438

Übersichten

Datum

Sächsische Landeskirche

4.12.197)

Sitzung des Landesausschusses des Ev. Kirchentages Görlitz (Beschluß: Einladung des Kirchentagskongresses für den 14./15.11.1972 nach Görlitz)

8.12.1971

Sitzung der Kirchenleitung der Ev. Kirche des G ö Hitze г Kirchengebietes (Zustimmung zur Durchführung eines Kirchentagskongresses in Görlitz)

16.12.1971

Ein Arbeitskreis erarbeitet erste Themenvorschläge für die Kongresse in Meerane und Görlitz.

18.12.1971

Sitzung der ^Arbeitsgemeinschaft Kirchentagskongreß 1972 е , Annahme der Vorarbeiten des Arbeitskreises (Praxisbezug durch Vorstellung einzelner „Modellgruppen")

20.1.1972

Sitzung der Kirchenleitung der sächsischen Landeskirche (Zustimmung zur Zusammenarbeit des sächsischen und des Göriitzer Landesausschusses sowie zur Durchführung eines Kirchentagskongresses in Görlitz)

26.1.1972

Beratung von Vertretern der Landesausschüsse Sachsen und Göriitz zur Klärung der weiteren Zusammenarbeit bei der Vorbereitung des Kirchen tags kongresses in Görlitz

5.2.1972

Sitzung der „Arbeitsgemeinschaft Kirchentagskongreß 1972" (weitere thematische Vorbereitung der Kongresse, Beschluß: die „Modellgruppen" werden im Plenum - nicht in den Arbeitsgruppen - vorgestellt)

12.2.1972

Sitzung des Landesausschusses Sachsen (Beschluß zur Durchführung der Kongresse in Meerane und Görlitz, Arbeit zum Thema, Predigertausch, Vorschläge zur Planung 1973, Überlegungen zur Durchführung eines Landes-Kirchentagskongresses im Jahr 1974)

26.2.1972

Sitzung des Landesausschusses des Ev. Kirchentages Görlitz mit Gästen aus Sachsen (Klärung von Grundsatz- und Einzelfragen hinsichdich des geplanten Kongresses in Görlitz; Feier des Abendmahls als Interkommuni on; Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit mit Sachsen über 1972 hinaus)

Staats- und Parteiapparat

Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen Damm

Sächsische Landeskirche

17.3.1972

In Görlitz Konstituierung eines Vorbereitenden Ausschusses für den dortigen Kongreß (Vorschlag, den Abendmahlsgottesdienst nut Interzelebration zu feiern)

8.-9.4.1972

Wochenendtagung für Gesprichsführung (Fortgeschrittene) in Lackendorf

15.-16.4.1972 Wochenendtagung für Gesprichsführung (Fortgeschrittene) in Karl-Marx-Stadt 22.4.1972

Sitzung des Landesausschusses Sachsen (Vorschlage für die einzelnen „Modellgruppen'; Modellgruppen sollen sich in den Arbeitsgruppen vorstellen; »harte" Diskussion zur Frage der Interzelebration)

28.4.1972

Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für den Görlitzer Kongreß

13.5.1972

Sitzung des Landesausschusses Görlitz (ausdrücklicher Beschluß zugunsten einer Interzelebration; Kongreß soll nicht bei den staatlichen Behörden angemeldet werden)

27.-28.5.1972 Wochenendtagung für Gesprächsführung (Fortgeschrittene) in Dresden 3.-4.6.1972

Wochenendtagung für Gesprächsführung (Anfänger) in Hainwalde

9.6.1972

Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für den Görlitzer Kongreß

17.6.1972

Sitzung des Landesausschusses Sachsen (aus taktischen Erwägungen heraus mehrheitliche Ablehnung des Vorschlags einer Interzelebration; das von Mendt vorgelegte „Vorwort" zur Thematik soll überarbeitet werden; konzeptionelle und organisatorische Überlegungen zum ersten Femkurs „Evangelium und Umwelt").

23.6.1972

Konstituierung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kongreß in Meerane

11.7.1972

Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kongreß in Meerane

14.7.1972

Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kongreß in Görlitz

1.9.1972

Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kongreß in Görlitz (aus Sachsen weniger Anmeldungen, als erwartet)

Staats- und Parte iappanu

439

Übersichten

440 Datum

Sächsische Landeskirche

Staats- und Parteiapparat

23./24.9.1972 Kirchen tags kongreß in Meerane „Praxis und Alltag missionarischer Gruppen" 5.10.1972

Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses für den Kongreß in Görlitz

7.-8.10.1972

Wochenendtagung für Gesprächsführung (Anfänger) in Leipzig

14./15.10. 1972

Kirchentagskongreß in Görlitz „Praxis und Alltag missionarischer Gruppen" (nach Zwischenfall Anmeldung des Kongresses bei der VP)

25.10.1972

Nach einer Einschätzung des Staatssekretariats für Kirchenfragen diene die Kongreßarbeit dazu, eine „kirchliche Elite" auszubilden und „bürgerlich-sozialdemokratische Altemativkonzeptionen" zu verwirklichen.

Ende Oktober 1972

Der Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden sendet einen Bericht über den Görlitzer Kongreß an die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen.

18.11.1972

Gemeinsame Sitzung der Landesausschüsse Görlitz und Sachsen in Görlitz (Auswertung des Görlitzer Kongresses, Fesdegung des Themas und der Termine für 1973)

19.11.1972

Sitzung des sächsischen I.andesausschusses in Görlitz (weitere Festlegungen für die Kongresse 1973)

30.12.1972

Themenkonvent für die Kongresse 1973 (Formulierung der Arbeitsgruppenthemen)

3.1.1973

Das Leipziger Jugendpfarramt erklärt sich bereit, die organisatorisch-technische Vorbereitung und Durchführung des 1973 für Leipzig vorgesehenen Kongresses zu übernehmen.

Jan.-Mai 1973

Fernkurs „Evangelium und Umwelt 1"

17.2.1973

Gemeinsame Sitzung der Landesausschüsse Görlitz und Sachsen (Fesdegungen für 1973; Befürwortung eines Land es-Kirchen tags ко η gresses im Jahre 1974 in Kooperation mit Görlitz, Arbeitstitel: „Die Gemeinde von morgen"; positive Bilanz des laufenden Fem к urses)

24.2.1973

2.Sitzung des Themenausschusses für die Kongresse 1973

Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen Datum

Sächsische Landeskirche

23.4.1973

Gemeinsame Sitzung der Landesausschüsse Görlitz und Sachsen (kontroverse Diskussion über die Form der Abendmahlsfeier des Dresdner Kongresses 1973; Verlegung des Landes-Kirchentagskongresses von 1974 auf 1975)

441

Staats- und Parteiapparat

16.-17.6.1973 Kirchentagskongreß in Dresden „Wovon die Menschen leben" Der Rat des Bezirkes Dresden (Ref. Kirchenfragen) leitet der Dienststelle des Staatssekretärs eine „1. Information'' Uber den Kongreß zu (Bericht Uber die Plenumsveranstaltungen).

26.6.1973

30.6.1973

Gemeinsame Sitzung der Landesausschüsse Görlitz und Sachsen (Auswertung des Dresdner Kongresses, Folgeningen für den Leipziger Kongreß; Beschlüsse: 1974 werden in Votbereitung des Landes-Kirchentagskongresses sechs Regionalkongresse durchgeführt; die Kirchen tagsveranstaltungen 1975 in Dresden und Görlitz werden zwar getrennt durchgeführt, jedoch gemeinsam vorbereitet; auch in Dresden wird ein „Fest der Gemeinde" stattfinden). Der Rat des Bezirkes Dresden (Ref. Kirchenfragen) sendet eine weitere Information Ober die Diskussion in der Kongreßarbeitsgruppe III (Gesprächsgruppe Ш / l ) an das Staatssekretariat.

26.7.1973

27.7.1973

Der Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden warnt den Präsidenten des sächsischen Landeskirchenamtes vor möglichen Folgen der Kongreßarbeit, da diese mit „Religionsausübung" nichts mehr zu tun hätte.

30.7.1973

Zusammenkunft des „Ibemenausschusses 75" (Fesdegung der niemenformuliemng für 1975 sowie der Unterthemen; Vorschläge zum Ablauf)

22.-23.9. 1973

Kirchentagskongreß in Leipzig „Wovon die Menschen leben"

13.-14.10. 1973

Wochenendtagung für Gesprächsführung (Fortgeschrittene) in Leipzig

3.11.1973

Gemeinsame Sitzung der Landesausschüsse Görlitz und Sachsen (Auswertung des Leipziger Kongresses; Festlegung der Veranstaltungsorte und des Themas für 1974: „Not und Chance der Minderheitensituation"; von jetzt an Vorbereitung der Regionalkongresse in den Regionalkreisen)

442

Übersichten

Daum

Sächsische Landeskirche

Staats- und Parteiapparat

8.11.1973

Gesellschaftskritischer Vortrag des Görlitzer Bischofs Frankel in der Dresdner Annenkirche „Was haben wir aus dem Kirchenkampf gelernt?"

10.-11.11. 1973

Wochenendtagung für Gespräch sfühnmg (Anfänger) in Dresden

Nov. 1973Mai 1974

Femkurs .Evangelium und Umwelt 2"

26.1.1974

Sitzung des sächsischen Landesausschusses (Bildung von sachbezogenen Vorbereitungsgruppen für den Landes-Kirchentagskongreß 1975; Absage der für Mai mit Görlitz geplanten gemeinsamen Sitzung)

6.4.1974

1. Sitzung der Arbeitsgruppe SonderVeranstaltungen und Ausstelhingen für den Landes-Kirchentagskongreß 1975

20.-21.4. 1974

Regionalkongresse in Bautzen und Dresden „Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance"

27.-28.4. 1974

Regionalkongreß in Leipzig „Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance"

4.-5.5.1974

Regionalkongreß in Zwickau „Die kleiner werdende Gemeinde - entdecken wir die Chancen"

1 1.5.1974

Sitzung des sächsischen Landesausschusses (Berichte von den Regionalkongressen in Bautzen, Dresden, Leipzig und Zwickau; weitere Vorbereitung des Landes-Kirchentagskongresses 1975)

25.-26.5. 1974

Regionalkongreß in Oschatz „Die kleiner werdende Gemeinde - ihre Not und ihre Chance"

19.6.1974

1. Sitzung des (neugebildeten) Themenausschusses für den Landes-Kirchentagskongreß 1975

30.8.1974

Präsident Cieslak informiert den Rat des Bezirkes Dresden über den geplanten Kirchentag und erbittet eine begrenzte Hilfestellung.

7.9.1974

Gemeinsame Sitzung des Göriitzer und des sächsischen Landesausschusses (endgültige Festlegung der Formulierungen für die Arbeitsgruppenthemen des Landes-Kirchentagskongresses, Korrektur des Themas der Bibelaibeit); interne Sitzung des sächsischen Landesausschusses

Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen

443

Datum

Sächsische Landeskirche

17.9.1974

Präsident Cieslak ubersendet dem Rat des Bezirkes Dresden, wie verabredet, das vorläufige Programm der 1975 geplanten Kirchentagsveranstaltung.

21.9.1974

Regionalkongreß in Kail-Marx-Stadt »Die kleiner werdende Gemeinde - was machen wir daraus"

21.9.1974

1. Beratung der Arbeitsgruppe .Bibelaibeit" für den Landes-Kirchentagskongreß 1975

25.9.1974

1. Beratung der Arbeitsgruppe .Gottesdienst " für den Landes-Kirchentagskongreß 1975

5.11.1974

1 .Beratung des .Ortsausschusses* für den Landes-Kirchentagskongreß 1975

23.11.1974

1. Zusammenkunft der Arbeitsgruppe „Organisation" für den Landes-Kirchentagskongreß 1975

Nov. 1974Mai 1975

Fernkurs .Evangelium und Gemeinde 1"

29.11.1974

Sitzung des Landesausschusses (Bestätigung des Textes für die Bibelarbeit sowie weitere Fesdegungen zum Landes-Kirchentagskongreß 1975)

20.12.1974

Präsident Cieslak und Präsident Johannes präzisieren im Rat des Bezirkes Dresden ihre Vorstellungen zur erbetenen staatlichen Unterstatzung (Druckgenehmigungen, Verpflegung, Verkehrs- und Parkmöglichkeiten).

11.1.1975

Sitzung des Landesausschusses (Verlegung des Termins für den Kongreß und Kirchentag 1975; Beschluß eines 4. Schritts im Kongreßablauf am Sonntagvormittag; 30000 Buchzeichen sollen hergestellt werden)

19.1.1975

Im .Sonntag" erscheint ein ausführlicher Artikel Uber den geplanten Kongreß und Kirchentag (einschließlich Programm).

8.2.1975

Präsident Cieslak teilt dem Rat des Bezirkes die Verlegung der Kirchentagsveranstaltung 1975 mit

9.2.1975

Das Gelände am Diakonissenhaus wird besichtigt

14.2.1975

Staats- und Parteiapparat

Auf einer staatlichen Anleitung der Referenten für Kirchenfragen der Bezirke Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt durch Mitarbeiter des Staatssekretariats für Kirchenfragen sowie der ZK-Aibeitsgruppe Kirchenfragen wird bestätigt, daß der sächsische Kirchentag eine lediglich begrenzte Unterstützung erhält (Verpflegung, Verkehrsregelung, Druckgenehmigungen nur für Materialien mit technisch-organisatorischem Inhalt).

444

Übersichten

Datum

Sächsische Landeskirche

15.2.1975

1. Beratung der Arbeitsgruppe „Gestaltung des Sonntags" fllr den Landes-Kirchentagskongreß 1975

17.2.1975

Der Referent für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden (Lewerenz) teilt Cieslak telefonisch mit, daß Verpflegung zur Verfügung gestellt, eine Genehmigung für Plakate jedoch nicht erteilt werde.

Febr./März 1975

Es gelingt der sächsischen Landeskirche, für den Kirchentag zehn Sonderbusse anzumieten.

19.3.1975

Im Rat des Bezirkes findet zwischen Präsident Cieslak und Präsident Johannes einerseits und dem Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres sowie dem Referatsleiter Kirchenfragen andererseits ein Grundsatzgespräch statt, bei dem sich ein gewisses „Entgegenkommen" abzeichnet.

20.3.1975

22.3.1975

Staats- und Parteiapparat

Auf einer staatlichen Anleitung der drei sächsischen Bezirke in Dresden wird der Verlauf des Gespräches vom Vortage bekanntgegeben. Sitzung des Landesausschusses (diverse Festlegungen zum Kongreß und Kirchentag 1975: u. a. Durchführung eines Empfangs, Druck von Buchzeichen)

10.4.1975

Bei einem operativen Einsatz fordert der Mitarbeiter des Staatssekretariats für Kirchenfragen Gotthardt den Rat des Bezirkes Dresden zur „politischen Zurückdrängung des Dresdner Kirchentages" auf. Im Rat des Bezirkes findet eine ressortübergreifende Besprechung statt, auf der letzte Maßnahmen zur Überwachung des Kirchentages festgelegt werden.

12.5.1975

Letzte Beratung der Arbeitsgruppe Gottesdienst; erste Information Uber die von der Gruppe Bühlau geplante Kinderkommunion

13.5.1975

Verständigung zwischen Volkspolizei-Kreisamt und Kirchentagskongreß über die am Kirchentagssonntag vorzunehmende Verkehreregelung

14.5.1975

Aussprache über Fragen des bevorstehenden Kongresses und Kirchentages zwischen Präsident Cieslak und dem Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes

27.5.1975

Die Abteilung Preisbildung beim Rat des Bezirkes Dresden billigt den Verkauf von Keramikplaketten während des Kirchentages. O b für ihre Herstellung die erforderliche Genehmigung vorlag, wird nicht überprüft.

28.5.1975

29.5.1975

Die Informanten der Bereiche Inneres werden vom Referat Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden in ihre Aufgabe eingewiesen. Letzte Sitzung des Landesausschusses vor dem Kongreß (Ablehnung der von der Gruppe Bühlau geplanten Kinderkommunion)

Chronologie zur Kirchentagskongreßarbeit in Sachsen Datum

Sächsische Landeskirche

30.5.-1.6. 1975

Landes-Kirchentagskongreß in Dresden „Unterwegs гиг Gemeinde von morgen"

30.5.1975

Sitzung des Landesausschusses (der von der Gruppe Bühlau vorbereitete Gottesdienst darf nur stattfinden, wenn auf die Kinderkommunion verzichtet wird).

31.5.1975

Sitzung des Landesausschusses (erste Einschätzung des Kongresses; Absetzung des Gottesdienstes der Gruppe Bühlau)

1.6.1975

Sitzung des Landesausschusses (kurze Einschätzung des Kirchentages)

4.6.1975

445

Staats- und Parteiapparat

Das Referat Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden legt seine „Einschätzung des Verlaufs und der Ergebnisse des Kirchentagskongresses und des Kirchentages" vor.

6.-8.6.1975

Kongreß und Kirchentag in Görlitz „Unterwegs zur Gemeinde von morgen"

20.6.1975

Der Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden weist Präsident Cieslak „energisch" auf die mit der ungenehmigten Herstellung von Plaketten und Stoffanhängem begangene Gesetzwidrigkeit hin und belehrt ihn über die gesetzlichen Bestimmungen.

21.6.1975

Sitzung des sächsischen Landesausschusses mit Gästen aus Görlitz (ausfuhrliche Auswertung des zurückliegenden Kongresses und Kirchentages)

446

Übersichten

9.4. Die Mitglieder der Gremien I aiul>Minfflm(t

Name

d e DEKT (1.1.196730.5.1970)

Vorbereitender Ausschult .Landeskirchen tag 1968" M

Alisschuß für KongreSafbeit (15.2.1969 bis 30.5.1970)

Ackermann, Dieter Landespfaner

Mitglied ab Mai 1974

Abrecht, Heinrich Kirchenmusiker Bauer, Kurt

Mitglied

Mitglied

Bflmirh, Fritz Techn. Angestellter

Mitglied

Mitglied ab 2.3.1967

Mitglied Jan. 1971April 1972 Vorsitzender ab 14.1.1967

Domsch, Kurt Bauingenieur Dost, Herbert Diakon

Vorsitzender

Vorsitzender

Vorsitzender

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied bis Febr. 1973

Mitglied

Mitglied

Fiedler, Otto, Dr. Physiker

Mitglied seit Jan. 1971

Franke, Hans-Georg Techniker Fritz, Reinhold Landesjugendpfairer Gehre, Herbert Diakon Geisler, Hans, Dr. Diplom-Chemiker

14

Mitglied bis Juli 1975 Stellv. V o n . ab Febr. 1972

Butry, Wolfgang Diplom-Ingenieur

Cieslak, Johannes Ofenbaumeister

Mitglied bis Febr. 1974

Mitglied bis Juli 1967

B a t f a o U . Gunter Diplom-Ingenieur

BrSuer, Siegfried, Dr. Pfarrer, Rektor

KirchentagskongrcS. LandesausschuB (ab 30.5.1970)

Stellv. Vors. ab 29.4.1967

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Sekretär

Mitglied

Sekretär Mitglied ab 30.6.1973

Z u d e n M i t g l i e d e r n d e s „ H a u p t - A u s s c h u s s e s " f ü r d e n L a n d e s k i r c h e n t a g vgl. o b e n S. 146

m i t A n m . 88.

Die Mitglieder der Gremien Name

Landesausschuß dcs DEKT (1.1.1967303.1970)

Vorbereitender Ausschuß .Landeskiichentag 1968'

Gersdorf, Ernst Superintendent

447

AusschuS für Kongrc&ubeit (15.2.1969 bis 303.1970)

Kirrhrnragshongrell. Landesamschuß (ab 303.1970)

Mitglied

Mitglied bis Jan. 1971

Gocht, Gerd Verwaltungsangestellter

Mitglied ab 30.6.1973

Hacker, Rudolf Sachbearbeiter

Mitglied ab 2.3.1967

Mitglied

Mitglied

Hüttel von Heidenfeld, Konrad, Studentenpfarrer

steHr. Von.

ttefly. Von. bis NOT. 1970; Mitglied bis Mai 1972

Heimboid, Gerbard, Dr. Mitglied Oberland eskirchenrat

Mitglied

Mitglied

Hempd, Johannes, Dr. Studiendirektor,

Mitglied

Stellv. Von. Nov. 1970Fcbr. 1972

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Landesbischof Johannes, Kurt, Dr. Präsident Kahl, Hanna Gemeindehelferin Krause, Dorothea Hausfrau

Mitglied ab 2.3.1967

Krellner, Wolfgang Pfarrer

Mitglied

Krusche, Günter Pfarrer

Mitglied

Küchler, Gottfried Ingenieur

Mitglied ab 30.6.1973

Mäiuich, Christa Betriebsleiterin

Mitglied

Mendt, Dietrich Pfarrer, Oberkirchenrat Mendt, Heinz Pfarrer

Mitglied

Mitglied

Mitglied Mitglied

Mitglied

Mieth, Günther Superintendent Rudolph, Curt Kaufm. Angestellter

Mitglied bis Jan. 1971

Mitglied ab April 1973 Mitglied

Mitglied

448 Name

Übersichten I ядЦ^^ЦЛ des DEKT (1.1.1967303.1970)

VoAerehender Ausschuß „Landeskirchentag 1968"

Sdiirmachcr, Hasso Mitglied Verwaltungsangestellter ab 2.3.1967 Stühmeier, Alfred Tischlermeister

Mitglied ab 2.3.1967

Mitglied

Ausschuß für Koogreßarbeit (15.2.1969 bis 30.5.1970)

Kirchentagskongreß. Landesausschuß (ab 303.1970)

Mitglied

Mitglied

Mitglied

Mitglied bis Sommer 1972

Wenzel, Harn-Leo Problemanalytiker Wonneberger, Erhard Oberkirchenrat

Mitglied ab 30.6.1973 Mitglied

Mitglied

Wugk, Manfred Pfarrer

Mitglied

Mitglied ab 30.6.1973

9.5. Kurzgefaßte Kongreßstatistik Die folgenden Übersichten gehen im großen und ganzen auf die seinerzeit von sächsischen Landesausschuß für Kongreßarbeit selbst erstellten Ubersichten zurück.15

15 Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Kleine Statistik zum Kirchentagskongreß 70, 25.-27. September in Dresden, 15.11.1970 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970); Kirchentagskongreß der Ev.Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Statistik 1971, 20.11.1971 (KKT-Archiv Dresden, Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971); Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Statistik 1972. Kirchentagskongreß Meerane, 23./24. September, 10.11.1972 (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1 9 7 1 / 7 2 / 7 3 ) ; Kirchentagskongreß d e r Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß/Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Statistik zum Kirchentagskongreß Dresden, 15.-17. Juni 1973, undatiert (KKT-Archiv Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1 9 7 1 / 7 2 / 7 3 ) ; Landesausschuß des Kirchentagskongresses der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Kirchentagskongreß und Kirchentag Dresden 1975. Rückblick und Ermutigung, September 1975 (KKT-Archiv Dresden, K T K Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen); Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Bericht vom 4. Evangelischen Kirchentag in Görlitz vom 4.-6.6.75, undatiert (EZA, D E K T , 9 5 / 9 3 / 5 9 ) . - Zum Kongreß 1975 in Dresden vgl. oben S. 399, Anm. 322.

449

Kurzgefaßte Kongreßstatistik Teilnahme insgesamt

Sept. 1970

Okt. 1971

Nov. 1971

Sept. 1972

Okt. 1972

Juni 1973

Sept. 1973

Mai 1975

Juni 1975

Dresden

Meerane

Dresden

Meerane

Görlitz

Dresden

Leipzig

Dresden

Görlitz

В Anmeldungen • Teilnehmer

Anteil von Frauen und Männern

61,34 40% ·

®

20% -

38,66

• Frauen • Männer

Alter der Teilnehmer 6,07 8.95

6.02

7,61

739

5,74

6,94

12,50

9,78

10.79

14,19

7,87

6,30 SÄ

8,84 23,32

13,07 21,30

22,23

23,91

13.60

18.11

22,64

16.56 13.60

28.43

25.46

38,64 30.55

32,07

35,04

29.05

24.28

25,10

21.76 26,20

22,22

21,20 _ _ _

25,57

24,80

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23.51

19,00 ._.

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Sept. 1970

Okt. 1971

Nov. 1971

Sept. 1972

Okt.1972

Juni 1973

Sept. 1973

Mai 1975

Juni 1975

Dresden

Meerane

Dresden

Meerane

Görlitz

Dresden

Leipzig

Dresden

Görlitz

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6.»

• 17-20J. 021-30J. 031-40]. D41-50J. D51-60J. O>60],

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450

Übersichten

Berufe der Teilnehmer

12,57

S,

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Sept. 1970

Okt. 1971

Nov. 1971

Sept. 1972

Okt. 1972

Juni 1973

Sept. 1973

Mai 1975

Juni 1975

Dresden

Meeranc

Dresden

Mceranc

Görlitz

Dresden

Leipzig

Dresden

Görlitz

E3 Rentner

Ξ Schüler, Stud., Lehrl. Η Hausfrauen

• Kirchl. Amtstr.

• Angestellte

• Arb./Bauern

• Selbständige

• Akademiker

Ξ Kirchl. MA

Die Einteilung der Berufsgruppen richtet sich nach den seinerzeit vorn Landesausschuß angefertigten Statistiken. Allerdings mußten im Interesse der Vergleichbarkeit einige Rubriken zusammengefaßt werden.

DOKUMENTE

DOKUMENT 1

Werner Krusche, »Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen", undatiert KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1968: Reßrate (Thesen) Einige Haupt-Sätze aus dem einleitenden Teil: Die „Kirche für die anderen" ist keine neue Erfindung, sondern die Kirche ist von allem Anfang an so gewollt Die anderen sind immer anders andere. Die anderen heute sind nicht mehr die vor fünfzehn Jahren. Die Kirche muß also für diese immer anders anderen dasein. Das heißt: sie muß immer wieder anders Kirche sein. Eine „Kirche für die anderen" fragt nicht nur auf die anderen hin, sondern läßt sich von den anderen her infragestellen. Wie Jesus seinen Tagesund seinen Lebenslauf von den anderen her bestimmen ließ, so wird es auch seine Kirche tun müssen. Er ließ sich von denen, fiir die er da war, das Programm diktieren, ohne sich ihnen einfach auszuliefern. Er wußte, daß er für die anderen da war, er wußte auch, womit und wozu er für sie da war, aber wie er für sie dasein müßte, war stets neu zu entscheiden. Sind wir Kirche für die anderen, indem wir zu ihnen hingehen, um sie zu uns zu holen? Oder sind wir Kirche für die anderen, indem wir zu ihnen hingehen, um bei ihnen zu sein? Die erste Jüngerschar war immer um den Herrn versammelt, aber dieser Herr war immer auf dem Wege zu den anderen. Sie war immer bei dem, der immer bei den anderen war. Thesen: 1. Eine Kirche, die für die anderen dasein will, kann nur mit dem Evangelium für sie dasein wollen (1. Kor. 2,2). Was das konkret heißt, läßt sich nur an Ort und Stelle ausmachen. Bei den anderen erkennt die Kirche, wie sie fiir sie da sein kann und muß. Das Evangelium ist keine einheidiche Formel, sondern hat tausend Formen. 2. Eine Kirche, die für die anderen dasein will, braucht Versammlungen, in denen ihre Glieder für ihr Zeugnis gegenüber den anderen und ihren Dienst an und bei den anderen ertüchtigt und gestärkt werden. Sie überprüft ständig ihre Lebens- und Arbeitsformen, ob sie dies leisten. Für sie ist der Gesichtspunkt der Beweglichkeit wichtiger als der der Ordnung. 3. Eine Kirche, die für die anderen dasein will, entdeckt, daß in ihr Gaben vorhanden sind und daß mit neuen Aufgaben Gaben neu erweckt werden - zum Dienst aneinander und miteinander für die anderen. 4. Eine Kirche, die für die anderen dasein will, darf sich nicht schonen wollen, sondern muß sich in ihrem Einsatz für die anderen aufs Spiel setzen. Sie ist

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Dokumente

K i r c h e f ü r alle anderen. Sie kann z w a r Partei ergreifen, aber sie kann niemals selbst Partei werden. J e s t ä r k e r ihr es u m das U b e r l e b e n geht, d e s t o überlebter ist sie.

5. Eine Kirche, die für die anderen dasein will, möchte die anderen mitnehmen in die Freude ihrer gemeinsamen Zukunft. Sie wirbt für das kommende Reich, indem sie Zeichen ihrer Hoffnung aufrichtet in dieser zwischen Illusion und Resignation hin- und hergerissenen Welt 6. Eine Kirche, die für die anderen dasein will, will nicht unter sich bleiben. Sie ist nicht für die anderen, damit die anderen für sie gewonnen werden. Aber sie hält sich für sie offen und wartet darauf und betet darum, daß die anderen dem Evangelium antworten möchten, und sie stellt sich auf sie ein. 7. Eine Kirche, die für die anderen dasein will, tut Fürbitte und stimmt das Gotteslob an für die und anstelle derer, die dies jetzt noch nicht vermögen. (These 5-7 vorläufige Formulierung) Dr. W. Krusche

DOKUMENT 2

Rat des Bezirkes Dresden, Einschätzung des Landeskirchentages der Ev.Luth. Landeskirche Sachsen vom 23.-26.5.1968 in Dresden und Meißen, Dresden, 23.7.1968 В Arch Berlin, St/K DO 4, 595 Im Mai 1967 wurde in einem Schreiben des „Landesausschusses Sachsen des deutschen evangelischen Kirchentages" an den Rat des Bezirkes Dresden die Durchführung eines Landeskirchentages in Dresden und Meißen für 1968 angekündigt. Die von der Kirchenleitung und dem Ausschuß getroffenen Vorbereitungen machten offensichtlich, daß dieser Kirchentag im Zusammenhang mit dem in Westdeutschland stattgefundenen Kirchentag 1967 steht Auf diesem Kirchentag war vor allem durch den SP-Minister Wehner die Orientierung gegeben worden, daß die Kirche in der DDR größere Massenveranstaltungen zur Beeinflussung der christlichen Bevölkerung durchführen solle. Diese Orientierung verband man mit der 1 OOO-Jahrfeier der Gründung des Bistums Meißen und wollte dabei die seit 1000 Jahren erfolgte Christianisierung im Bereich der sächsischen Landeskirche demonstrieren. Durch den Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Dresden wurden mit dem Bischof Noth und weiteren Vertretern der Kirchenleitung mehrere Aussprachen durchgeführt. Als Grundlage für die Argumentation dieser Aussprachen wurde die Einschätzung der „Tagung der Regional-Synode der EKD" in Fürstenwalde und die von Wehner auf dem westdeutschen Kirchentag verbreitete Linie zur Verstärkung der ideologischen Diversionsarbeit mit Hilfe der Kirchen der DDR genommen. Der Kirchenleitung wurde empfohlen, von einem Landeskirchentag abzusehen und wenn sie es dennoch unbedingt für erforderlich halten, solch einen Kirchentag

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auf Gemeindeebene durchzuführen. Alle Veranstaltungen dürfen nur in kircheneigenen Räumen stattfinden, den Rahmen der Glaubensverkündigung nicht überschreiten und Mißbrauch für politische Ziele hat zu unterbleiben. Der Bischof trägt persönlich für den Ablauf und den Inhalt der Veranstaltungen die volle Verantwortung. [2] Ausländische und westdeutsche Gäste erhalten für die Teilnahme an einem solchen Kirchentag keine Einreise. Durch die staatlichen Organe wird für die Durchführung dieses Kirchentages keinerlei staadiche Unterstützung gegeben. Diese Hinweise wurden von den Vertretern der Kirchenleitung zur Kenntnis genommen. Zielsetzung des Landeskirchentages: Von der Kirchenleitung war vorgesehen, neben dem Landeskirchentag einen Kirchentagskongreß mit Delegierten durchzuführen. Beide standen unter dem Thema: „Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen". Es war offensichtlich, daß auf diesem Kongreß theoretische Grundlagen für die weitere Gestaltung der Arbeit der Kirche herausgearbeitet werden sollten, die dann im Verlauf des Kirchentages bereits in der Praxis erprobt werden sollten. Der Kirchenleitung ging es vor allem darum: - durch große kirchliche Veranstaltungen mit Massenteilnehmern aus Sachsen und Gästen aus den Bereichen der anderen Landeskirchen die Macht der Kirche zu demonstrieren, um ihren Einfluß auf die christliche gebundenen Bürger zu verstärken; - Uberwindung der konservativen und dogmatischen Formen des kirchlichen Lebens durch Erprobung und Anwendung von „modernen Methoden der kirchlichen Arbeit" vor allem zur Verstärkung ihres Einflusses unter der Jugend und - Forcierung des Interkonfessionalismus durch das erstmalige gemeinsame Auftreten des evangelischen und katholischen Bischofs vor einem großen Forum in der Kreuzkirche in Dresden. Obwohl die Kirchenleitung große Anstrengungen unternahm, diesen Landeskirchentag auf einer breiten Ebene durchzuführen, wurde von einer Vielzahl von Geisdichen in den Kirchgemeinden wenig zur Popularisierung und zur Gewinnung von Teilnehmern getan. Die Kirchenleitung sah sich gezwungen, mehrmals die Kirchgemeinden durch Rundschreiben aufzufordern, ihre Arbeit in dieser Richtung zu aktivieren. [3] Kirchentagskongreß: Der vom 24.-26. Mai 1968 in Dresden durchgeführte Kirchenkongreß war in der Vorbereitung mit 6.000 Delegierten geplant. Nach den Gesprächen mit den staatlichen Organen gab es eine Reduzierung auf 1.000 Delegierte. In einer Reihe von Kreisen gelang es jedoch den Superintendenten nicht, ihren Delegierten-Schlüssel einzuhalten, sodaß dadurch nur ca. 800 Delegierte auf dem Kongreß anwesend waren. Verstärkt wurde versucht vor allem Christen im Alter bis zu 40 Jahren zu gewinnen, die auf den verschiedensten Gebieten des gesellschafdichen Lebens tätig sind.

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Der Kongreß begann mit einem Referat von Dr. Werner Krusche, Leipzig, zu dem Thema: „Die Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen". Der weitere Verlauf des Kongresses fand in geschlossenen Sitzungen und 4 Arbeitsgruppen statt Die Beratungen in den Arbeitsgruppen standen unter folgendem Thema: - Die Botschaft Gottes in der Sprache der Menschen - Die Gemeinde Jesu Christi als Antwort. - Die neuen Menschen Gottes - das Bild des künftigen Menschen. - Unsere Welt morgen - Chance und Gefährdung. Die Ergebnisse des Kongresses machen sichtbar, daß es der Kirche darum ging, ihre gesamte Tätigkeit zu intensivieren und die Massenwirksamkeit zu steigern. Das soll dadurch praktiziert werden, lithurgische Reformen durchzuführen, um die inhakliche Thematik kirchlicher Veranstaltungen möglichst weit zu spannen, „weltoffener" zu gestalten, um mittels intensiver politischer, gesellschaftlicher, philosophischer, kultureller und ethischer Probleme vor allem die Jugend anzusprechen und diejenigen, die sich von der traditionellen Kirche bereits gelöst haben. Dabei sollen verstärkt solche Mittel wie dialogische Predigt, Laien- und Verkündigungsspiele, Vortragstätigkeit, Lichtbildervorträge, Tanz- und Jazzmusik in Anwendung gebracht werden. [4] Gleichzeitig sollen Struktur-Reformen erfolgen, um die kirchliche Arbeit zu modernisieren und aufzulockern. Das Ziel besteht in einem neuen Gemeindeaufbau und dem Versuch, die Laien stärker an die Kirchenarbeit heranzuziehen, sie durch ihre aktive Einbeziehung aus der teilnahmslosen Konsumhaltung zu lösen und sie durch Übertragen von Verantwortung enger an die Kirche zu binden. Die Geistlichen selbst sollen die überwiegende Zeit nicht mehr für seelsorgerische Betreuung der Rentner und Hausfrauen verwenden, aus denen sich ja zur Zeit die Kerngemeinden hauptsächlich zusammensetzen, sondern ihre Aufmerksamkeit besonders denjenigen Schichten zuwenden, die heute mitten im gesellschafdichen Leben stehen. Es besteht die Absicht, die kirchliche Arbeit stärker in der Richtung zu entwikkeln, daß eine größere differenzierte Arbeit und Zusammenfassung einzelner sozialer Schichten und Gruppen von Menschen erfolgt, die gleiche Interessen und berufliche Bindungen haben. Dr. Krusche legte seinem Referat 7 Thesen in der angeführten Richtung zugrunde, die auch den Hauptinhalt der Beratungen in den Arbeitsgruppen bildeten. Auf dem Kongreß wurde offensichdich, daß die Landeskirchenleitung nach wie vor die Realitäten unserer gesellschafdichen Entwicklung nicht anerkennen will und gesetzmäßige Erscheinungen des Säkularisierungsprozesses gegen unsere Entwicklung auslegt Dies kommt darin zum Ausdruck, daß auf dem Kongreß folgende Probleme sichtbar wurden: - Das aktive Wirken der Christen ist nur möglich, wenn in unserer Gesellschaft vom Leistungsdenken, von der Uberbelastung der Menschen in der Arbeit, Fernstudium und anderen abgegangen wird; - Der Christ muß in der heutigen Zeit auch materielle Opfer bringen. Er darf

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in seinem Leben nicht den Lebensstandard in den Mittelpunkt stellen. Er muß auf vieles verzichten, um mehr Zeit für seine chrisdiche Pflicht zu gewinnen; - Der Christ muß von dem Haß-Denken wegkommen. Er muß auf Gott vertrauen und sollte sich auch mit der Atombombe abfinden. [5] Diese politisch-ideologischen Probleme zeigen, daß die Kirchenleitung sich unter dem Deckmantel der Liebe und Versöhnung zum Fürsprecher der Bonner Politik macht Die Kirchenleitung ist nicht bereit, den vorhandenen Widerspruch unserer Epoche zwischen Sozialismus und Kapitalismus zu erkennen, sondern stellt vielmehr in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen den Widerspruch zwischen den reichen Nationen und den armen Völkern. (Zwischen Nord und Süd oder weißen und farbigen Menschen). Mit „frommen Worten" von der Liebe zu den Menschen will man die christlichen Bürger in ihrem Erkenntnisprozeß von den konkreten Ursachen der Not auf der Welt - Ausbeutung und Klassenkampf ablenken. Unter diesem Deckmantel wird auch die Konvergenztheorie popularisiert Von vielen Referenten des Kirchentages wurde gefordert, „sich an die Welt der Werktätigen durch einen ständigen , Dialog' mit den Werktätigen und den Marxisten anzugleichen". Trotz dieser wesdich orientierten Tendenzen ist eine Bemerkung des Präsidenten Dr. Johannes inbezug des Verhältnisses zur „EKD" zu beachten. Dr. Johannes erinnerte in einer Ansprache an vergangene Kirchentage - 1952 Berlin/1954 Leipzig - an denen Vertreter der Bundesregierung und der Ökumene teilgenommen haben, und erklärte, daß die Gemeinsamkeit mit der „EKiD" nicht mehr besteht Diese Äußerung von Dr. Johannes zur Frage der „EKiD" ist im Zusammenhang mit der Bildung einer Strukturkommission zu sehen, die nach Inkrafttreten der Verfassung die Frage der Stellung der Ev. Kirchen in der DDR prüfen soll. Dieser Kommission gehört u. a. auch Dr. Johannes an. Die gesamte Thematik und Zielstellung des Kirchentagskongresses bestand in praktischen Hinweisen, den Einfluß der Kirche durch Erhalten des gegenwärtigen Mitgliederstandes und Zurückgewinnung aus der Kirche Ausgetretener oder abseitsstehender Bürger zu stärken. Die vorgenannten Ziele und die sich daraus ergebenden Aufgaben fallen unter den Gesamtbegriff „Neuer Gemeindeaußau". 1. Anwenden modernster, westlicher Manipulationsmethoden, um auf allen Gebieten der gesellschaftlichen Tätigkeit der Menschen im Sinne der Kirche wirksam zu werden. [6] 2. Aufhebung der jahrhundertealten starren Kirchgemeindegrenzen, d. h.: Zusammenlegen von nicht lebensfähigen Kirchgemeinden mit einem zentralen Stützpunkt 3. Konzentration einer Gruppe von Pfarrern in diesem zentralen Punkt Jeder einzelne Pfarrer soll Spezialist auf einem gesellschaftlichen Gebiet sein, die unter Leitung eines erfahrenen Theologen als Propagandisten eingesetzt werden. 4. Aufgabe dieser Pfarrer ist ständige Interessengruppen und für die Lösung bestimmter Aufgaben, zeitbegrenzte Interessengruppen zu bilden. Entsprechend

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der speziellen Ausbildung dieser Pfarrer sollen Gruppen der Arbeiter, Bauern, der technischen Intelligenz, Wissenschaftler, Mediziner usw. gebildet werden. Kirchentag - offen fiir Alle 1. Teilnehmerstruktur Im Rahmen des Kirchentages wurden in Dresden und Meißen 44 Veranstaltungen durchgeführt Insgesamt waren 5.000 ständige Teilnehmer am Kirchentag in Dresden und Meißen anwesend, davon 800 Delegierte, die am Kirchentagskongreß teilnahmen. An den 44 Veranstaltungen des Landeskirchentages nahmen 20-25.000 Gemeindeglieder teil, d. h., daß von den 5.000 ständigen Teilnehmern mehrere Veranstaltungen besucht wurden und daraus sich diese erhöhte Zahl der Veranstaltungsteilnehmer insgesamt ergibt Vom Inhalt und Charakter her entsprachen lediglich 14 Veranstaltungen den bisherigen traditionellen Gottesdiensten. Alle anderen Veranstaltungen waren entweder Kulturveranstaltungen mit religiösem Inhalt, oder Gottesdienste mit modernistischen Elementen. Altersmäßige Zusammensetzung der Teilnehmer 30 % Jugendliche 15 % von 20-40 Jahren 55 % über 40 Jahre. In den Altersgruppen über 40 Jahre überwiegt der Anteil der Frauen. [7] Inhalt der Gottesdienste und Veranstaltungen des Kirchentages In den 14 Gottesdiensten wurden die 7 Thesen des Kirchentages Grundlage der Predigten. Die Gottesdienste und alle Veranstaltungen waren schon praktische Beispiele für die zukünftige kirchliche Arbeit, wie sie auf dem Kongreß dargelegt wurden. Es wurden nicht, wie in zurückliegenden Veranstaltungen der Kirche, besonders auffallende polemische Angriffe auf unseren sozialistischen Staat gerichtet. In diesen Veranstaltungen wurde stark die „Prognose" der Kirche strapaziert. Die Referenten dieser Veranstaltungen wendeten sich ausnahmslos gegen die alten starren Formen und Methoden und forderten breite differenzierte Arbeit und den Dialog mit allen Schichten der Bevölkerung - auch mit den Marxisten -. Unter Kirche sehe man nicht mehr einen festumschlossenen Bau, in dem regelmäßig dieselbe kleine Gruppe von überwiegend alten Menschen Zuflucht sucht, sondern die Diskussion in den Betrieben und LPG's sowie in allen Gemeinschaften, wo die Jugend zu finden ist. Die Menschen von heute sind Menschen des öffentlichen Lebens. Ihr Leben spielt sich in den Betrieben, in den Geschäften, in den Verkehrsmitteln und in ihren Wohnbereichen ab und nicht in den Kirchen. In den genannten Bereichen wird überwiegend ökonomisch gedacht, geplant und Prognosen aufgestellt. Es ist höchste Zeit, daß die Kirche prognostisches Denken lernt, sich dem gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß anpaßt und selbst prognostisch arbeitet. In diesen Gottesdiensten und Veranstaltungen wurden neben modernen kurzen Predigten und Gebeten in überwiegendem Maße kulturelle Mittel in vielfältigen

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Formen eingesetzt So unter anderem - Kirchenchöre, Posaunengruppen, Sprechergruppen (Laien), d. h. aktive Einbeziehung der Gemeindeglieder in die Gottesdienste, Rezitationen, geisdiche Tänze, Kabarettveranstaltungen, Gitarrengruppen, Elektroneninstrumente und andere Mittel. So wurde das „Vaterunser" mit modemer rhythmischer Begleitung - Schlaggitarren - gesungen. Die Landeskirche will mit ihnen zu Gebote stehenden modernen Mitteln sich dem Denken und Tun des Menschen von heute anpassen, mit dem Ziel, die Entwicklung der sozialistischen Menschengemeinschaft zu hemmen. Damit erfüllen die verantwortlichen Kirchenmänner bewußt oder unbewußt den Auftrag der bonnhörigen Kirchen-[8]führer der „EKD" der westdeutschen Kirchenleitungen. Die Kirchenleitung bestellte zu diesem Zweck sogar eine dekadente avantgardistische Komposition von dem westdeutschen Komponisten Hufschmied und dem Schriftsteller Günter Grass, das „Meißner Tedeum", welches im Dom zu Meißen uraufgeführt und in der Lutherkirche in Dresden wiederholt worden ist Dieses „Tedeum" wurde von breiten christlichen Kreisen - auch von Teilen der jungen Christen abgelehnt Während der Aufführung in der Martin-Luther-Kirche verließen Teilnehmer demonstrativ die Kirche. Pfarrer Jentsch im Landeskirchenamt beschäftigt und seine Frau Arztin, die ebenfalls demonstrativ die Kirche während des Konzertes verließen, erklärten: der Bischof habe nach Durchlesen des Textes das „Tedeum" abgelehnt, aber staatliche Stellen hätten die Aufführung genehmigt Die anwesenden Studenten dagegen waren begeistert Bei den Studenten zeigt sich die aufputschende Wirkung solcher Werke, die vonseiten der Auftraggeber beabsichtigt war. Hat die Kirchenleitung ihr Ziel erreicht? Die Absicht der Kirchentagsleitung und des Landeskirchenamtes war, „mit diesem Kirchentag - gerade anläßlich des Rückblickes auf eine 1000-jährige Geschichte der chrisdichen Kirche in Sachsen - zielbewußten Erwägungen über den zukünftigen Weg der Kirche - Raum und Forum zu schaffen". (Wörtliche Aussage des Präsidenten Cieslak). Dieses von der Kirchenleitung und der Kirchentagsleitung gestellte Ziel des Kirchentages - durch Massenveranstaltungen auch die angeblich vorhandene Stärke der Kirche unter Beweis zu stellen - ist nicht erreicht worden. Unter den Gemeindegliedern und nicht einmal unter den Amtsträgern, Kirchenvorstandsmitgliedem und Pfarrern ist die Bereitschaft vorhanden an solchen Demonstrationsveranstaltungen teilzunehmen. Am deudichsten wurde das sichtbar in der interkonfessionellen Veranstaltung am 24.5.1968 in der Kreuzkirche mit den Bischöfen Noth und Spülbeck. Die Kirchentagsleitung hatte einen starken Besuch erwartet und zu diesem Zwecke als Ausweichraum die Annenkirche bereitgestellt. [9] Jedoch nicht einmal die Kreuzkirche war voll besetzt. Diese interkonfessionelle Veranstaltung sollte der Höhepunkt aller bisher durchgeführten interkonfessionellen Verbindungen sein. In der Ephoralkonferenz der Superintendentur der Stadt Dresden am 11.6.1968 wurde von der Mehrheit der Pfarrer heftige Kritik wegen der Abhaltung des Landeskirchentages geübt Begründung: „In der heutigen Zeit erfasst der Säkularisierungsprozeß immer stärker kirchlich gebundene Bürger. Die

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Voraussetzung solcher kirchlicher Massenveranstaltungen sind nicht mehr gegeben." Besonders stark war die Kritik am geistigen und geisdichen Inhalt des Kirchentages. Hier zeigten sich echte Differenzen innerhalb der Amtsträger, die durch alle Altersgruppen gehen: 1. Die Auseinandersetzung für und gegen neue Formen der kirchlichen Arbeit; 2. Starke Auseinandersetzung über Sinn und Ziel kirchlicher Massenveranstaltungen. Pfarrer Birkner / Markuskirche / Synodaler seit 1.7.1968 Superintendent in Lübau „Es sei doch ein ergötzliches Schauspiel für die draußenstehenden Horcher gewesen in den verschiedenen Jugendgottesdiensten zu hören, was für Hampelmänner die Pfarrer heute sind". Pfarrer Dr. Lange / Kreuzkirche „Die interkonfessionelle Veranstaltung in der Kreuzkirche mit den Bischöfen Noth und Spülbeck habe aller Öffentlichkeit gezeigt, daß nicht einmal mehr die aktiven Gemeindeglieder dem Ruf der Kirchenleitung Folge leisteten. Bei dieser, doch historisch bedeutungsvollen Veranstaltung, die ein Höhepunkt des kirchlichen Lebens innerhalb beider Konfessionsbereiche sein sollte und die das Einheitsbestreben der Christen unter Beweis stellen sollte, war nicht einmal die Kreuzkirche voll besetzt". Oherlandeskirchenrat Tolkmitt / LKA „Der Verlauf des Kirchentages sei ein heilsamer Schock gewesen. Der Einsatz und der Aufwand habe nur geschrumpfte Früchte getragen". Dieselben Auffassungen vertraten junge Pfarrer wie Fleischhack, Thierbach u. a. Während die ebenfalls jungen Pfarrer, wie Schöne, Mütze, Gähler, G. Krusche die neuen Formen des kirchlichen Lebens befürworten. Ihre Meinung: Die Krise der Kirche zeige doch wie notwendig eine Veränderung des kirchlichen Lebens zum heutigen Menschen sei. Gehen wir nicht diesen Weg, geht die Kirche als Institution langsam aber sicher ihrem Ende entgegen. Weitere Pfarrer, wie Peschek, Wallmann, Kirsch gaben für die nicht erreichte zahlenmäßige Teilnahme den staatlichen Organen die Schuld, es wäre Behinderung der innerkirchlichen Werbung usw. In der Anschlußveranstaltung am 26.5.1968 sagte der Präsident der Synode Cieslak: „Wir hatten etwas anderes vor, aber Gott hat es nicht gewollt Er hat seine Leute, daß unser Plan nicht zur Durchführung kam. Wir sagen Ja dazu und danken Gott dafür." Aufgrund des für die Kirchenleitung und die Kirchentagsleitung nicht befriedigenden Verlaufes des Kirchentages empfohlen beide Leitungen mit Hilfe der Kongreßteilnehmer die Linie der Frühjahrssynode und des Kirchentages in allen Kirchgemeinden zu propagieren und Erfahrungen zu sammeln. Das Ergebnis soll auf der Herbstsynode zur endgültigen Beschlußfassung führen. Wie wurden die Forderungen der staatlichen Organe eingehalten ? 1. Im wesentlichen wurden die staatlichen Forderungen bei der Vorbereitung und Durchführung des Kirchentages durch die Kirchenleitung und Kirchentagsleitung beachtet.

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Der geforderte innerkirchliche Rahmen wurde eingehalten bis auf 2 Veranstaltungen - Singen eines Kirchenchores auf nichtkirchlichem Raum und Spielen des Meißner Posaunenchores auf dem Domplatz. 2. Vom Inhalt her ist der kirchliche Rahmen in mehreren Veranstaltungen nicht eingehalten worden. Die Beseitigung der Universitätskirche in Leipzig nahmen als Referenten der Dozent Dr. Kühn, Leipzig, die Superintendenten Stempel, Zittau und Arnold, Leipzig-Land sowie Superintendent Merz, Leisnig, zum Anlaß zu politischen Angriffen gegen unseren Staat. [11] Oberlandeskirchenrat Knauff brachte zum Ausdruck, daß die Völker sich mit der Atombombe abfinden müssen. Auf dem Arbeitskongreß fordert der Delegierte Hapke von allen Christen, vom Leistungsdenken wegzukommen und nicht den Lebensstandard in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen. Gesetzesverstöße a) Herstellen von nicht genehmigten Plakaten für verschiedene Veranstaltungen. b) Nicht genehmigte Vervielfältigungen von Programmen für die großen Veranstaltungen. c) Verkauf eines nicht genehmigten Programms für die Domvesper in Meißen. d) Die unter 1. erwähnte Durchführung zweier Veranstaltungen auf nicht kirchlichem Raum. Zusammenfassung 1. Der Verlauf des Landeskirchentages zeigt offensichtlich, daß unsere gesellschaftliche Entwicklung den Säkularisierungsprozeß unter den christlichen Bürgern der evangelischen Kirche immer stärker beeinflußt. 2. Die Ergebnisse der wissenschaftlich-technischen Revolution wirken langsam aber spürbar auch auf die Haltung der Amtsträger der Kirchen. Die schnelle gesellschaftliche Entwicklung führt zu immer größeren Schwierigkeiten in der Arbeit der Pfarrer mit den Gemeindegliedern, mit den Menschen, die immer selbständiger im Denken und Handeln werden und außer den älteren Bürgern eine seelsorgerliche Hilfe nicht mehr brauchen. 3. Die auf dem Landeskirchentag propagierten neuen Methoden und Formen des Gemeindeaufbaus und Gemeindelebens führen verstärkt zu Auseinandersetzungen - nicht nur unter den Amtsträgern - sondern auch unter den aktiven Gemeindegliedern. Die Auseinandersetzung unter den Amtsträgern sowie das Unverständnis der Mehrheit der Gemeindeglieder für den neuen [12] Gemeindeaufbau erfordern von uns eine verstärkte Differenzierungspolitik, um den Prozeß wirksamer zu beschleunigen. 4. Die moderne Richtung in der Kirche will aus dem selbstgezogenen Getto heraus, will unmittelbar mit den Werktätigen in Berührung kommen. Aber nicht um den Werktätigen zu helfen ihre Aufgaben beim Aufbau der sozialistischen Menschengemeinschaft zu erkennen und zu erfüllen, sondern durch Überbetonung der „Liebe zu den Menschen" an den menschlichen Gefühlen anzuknüpfen, sie abzulenken und zu hemmen, ihre ganze Kraft für die sozialistische Entwicklung einzusetzen. Dieses Ziel steht hinter der in salbungsvollen Worten vorgetragenen „Sorge um den Menschen".

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5. Die wichtigste Aufgabe sehen die Kirchenleitungen in der Jugendarbeit. Deshalb nahmen die Kirchenleitungen starken Einfluß auf die altersmäßige Zusammensetzung der Delegierten des Kirchentagskongresses. (Altersgrenze unter 40 Jahren). Diese Delegierten sollen die Propagandisten für das „Neue" in der Kirche werden, um für diese Raum und Forum zu schaffen. Vor allem die Jugend soll durch Einführung modemer Musik und weltlicher Veranstaltungen fester an die Kirchen gebunden werden. 6. Hinter dieser „modernen Richtung" steht die Politik der ideologischen Diversion des Imperialismus mit der Losung „Vermenschlichung des Sozialismus". Es muß aber eingeschätzt werden, daß die Gruppe der Pfarrer, die ein sachliches, ehrliches Verhältnis zu unserem Staat haben, die sozialistische Entwicklung sowie die Friedenspolitik unseres Staates bejahen, langsam aber sichtbar stärker wird. Seit der Volksaussprache über die neue Verfassung macht sich in breiten Kreisen der parteilosen Christen und Pfarrer eine neue Qualität in ihrer Einstellung zur Entwicklung unseres sozialistischen Staates bemerkbar. Die Kreise geben nicht mehr nur ihre Zustimmung zu unserer Entwicklung, sondern übernehmen immer mehr Verantwortung [13] bei der Mitgestaltung der sozialistischen Gesellschaft - sei es in ihrem Arbeitsbereich, oder in Aktivs und Kommissionen. Dieser Prozeß fördert das staatsbürgerliche Denken dieser Kreise und führt zu einer kritischen Einschätzung der Haltung der Kirchenleitungen. Diese Entwicklung zeigt sich in beiden evangelischen Kirchen unseres Bezirkes und bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Kirchenleitungen. Das zeigt sich auch in der politischen Zurückhaltung leitender Kirchenfunktionäre bei beiden Kirchentagen. 7. Die interkonfessionelle Zusammenarbeit zwischen der evangelischen und katholischen Kirche (gegenseitige Begegnungen in Gottesdiensten, Gemeindeversammlungen und Aussprachen) hat das Ziel, einheitlich in gesellschaftspolitischen Fragen und im Verhältnis zu den staatlichen Organen aufzutreten. Die bisher erreichte Zusammenarbeit liegt vornehmlich auf politisch-sozialem Gebiet. In religiös-theologischen Fragen ist bisher kein Fortschritt festzustellen. Bis auf das gemeinsame „Vaterunser" sind beide Kirchen über die Anfänge eines theologischen Dialogs nicht hinaus gekommen. Die Entwicklung der interkonfessionellen Zusammenarbeit erfordert größere Aufmerksamkeit durch die zuständigen staatlichen Organe. 8. Die Mehrzahl der Veranstaltungen des Landeskirchentages waren überwiegend kulturell ausgestaltet Beide Kirchen versuchen in verstärktem Maße durch kulturelle Veranstaltungen bürgerlicher Dekadenz auf unsere Bürger einzuwirken.

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DOKUMENT 3

Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Dr. Dohle), Betr.: Kongreß der Bedrängten, Resignierten am 25. und 26. Oktober 1969 in Dresden, Dresden, 20.10.1969 В Arch Berlin, StfK, DO 4, 2968, BL 159-160 Unter Bezugnahme auf Leitartikel im Gemeindeblatt der Landeskirche Sachsen „Der Sonntag" Nr. 42 und 44, verfasst von Christa Hacker, wurde am 3.10.69 Pfarrer Gehre in Vertretung des Präses der Synode zu einem Gespräch beim Ref. für Kirchenfragen gebeten. Von ihm wurde Aufklärung darüber erwartet, welchen Sinn und Zweck die genannte Kongreß-Veranstaltung haben soll. Gehre erklärte: „Diese Kongreßbewegung ist aus der Kirchentagsbewegung des Jahres 1968 entstanden. Ihr Zweck ist es, haupt- und ehrenamdiche Gemeindefunktionäre (Leiter von Frauendiensten, Männerwerken, Pfarrer und aktive Laien) für den Dienst an Einsamen, Resignierten zuzurüsten. Es handle sich nicht um einen Kongreß im landläufigen Sinne mit Delegierten, sondern eher um eine Mitarbeiterkonferenz. Die Teilnahme sei freiwillig. Man rechne mit etwa 200 Teilnehmern. Grundgedanke sei, daß die Kirche der Zukunft eine Kirche für andere sein müsse. Deshalb komme es darauf an, Karteichristen zu reaktivieren. Geplant ist ein solches Treffen jährlich. Das diesjährige Treffen findet am 25. und 26.10. in der Versöhnungskirche Dresden statt Es wird geleitet von Dr. Hempel, Leipzig, und diene der gemeinsamen Interpretation biblischer Texte. Es sei ausschließlich eine Sache der Landeskirche Sachsen, andere Landeskirchen der D D R seien nicht daran beteiligt, es gebe auch keinen Einfluß aus dem Westen. Diese Ausführungen Gehres werden so eingeschätzt, daß er offensichtlich den Charakter und politischen Zweck dieses Treffens untertreiben wollte. Gehre ist ein polemischer, den Sozialismus ablehnender Pfarrer, der im Laufe des Gesprächs den Genossen des Referats erklärte, nach seiner Auffassung müsse sich die Kirche immer um die Benachteiligung oder am Rande der Gesellschaft stehenden Gruppen kümmern. Wenn es bei uns Gammler gebe, würde sich die Kirche um sie kümmern. Nach erneuter Absprache auf Bezirksebene und mit zentralen Dienststellen wurde der nächste Schritt gegangen: Am 20.10.1969 wurden Präsident Dr. Johannes und OLKR v. Brück zu einem Gespräch beim Sekretär des Rates des Bezirkes gebeten, an dem der Referatsleiter für Kirchenfragen teilnahm. Unter Zugrundelegung der beiden genannten Artikel wurde ihnen erklärt, daß die Kirche ihr Recht überschreitet, wenn sie in dieser Weise tätig ist Es widerspreche der Schaffung der sozialistischen Menschengemeinschaft, wenn die Kirchen das Problem der alten und einsamen Menschen als ein Grundsatzproblem der Gesellschaft hinstellen und daraus Existenz und Funktion der Kirche ableiten wollen. Das sei die Übertragung westdeutscher Vorstellungen auf die sozialistische Gesellschaft in der D D R Die Vertreter der Kirchenleitung erklärten: Da 1968 der geplante Kirchentag aus den bekannten Gründen nicht so stattfinden konnte, wie sie das geplant hatten, habe man anstelle dessen auf eine derartige Kongreßarbeit zurückgegriffen. Hinsichtlich der Fakten erklärten sie

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dasselbe wie Gehre. Sie erklärten weiter, diese beiden Artikel nicht in dem politischen [2] Zusammenhang gesehen zu haben, auf den wir hinwiesen. Sie hielten unsere Interpretation allerdings für möglich und bedauerten deshalb, daß diese Artikel geschrieben seien. Sie werden dafür Sorge tragen, daß mit der Verfasserin und den Veranstaltern gesprochen wird. Sie erklärten sich außerdem damit einverstanden, den Begriff „Kongreß der Bedrängten, Resignierten" in Zukunft nicht mehr zu verwenden. Sie sicherten zu, das innerkirchliche Anliegen stärker deudich zu machen und alle MißVerständnisse zu vermeiden, insbesondere jenes, wonach der Sozialismus eine große Zahl von resignierten Menschen hervorbringe und angeblich nur die Kirche helfen könne. Die Veranstaltung am 25. und 26.10. wird von uns durch entsprechend ausgewählte Informanden besucht werden. Dohle [m.p.]

DOKUMENT 4

Johannes Hempel, Thesen zu „Notwendige Voraussetzungen zum Verständnis der Bibel" (Kongreß-Arbeit 25.-26. Oktober 1969), undatiert KKT-Archiv

Dresden, Kirchentag 1968: Kongreß 26./27.4.1969

und

25.126.10.1969

1.) Ein überkommener, reformatorischer Lehrsatz besagt, „daß die Bibel in sich selbst klar ist" bzw. „daß die Bibel sich selbst auslegt". - Dieser Lehrsatz meint: Wer biblische Texte verstehen will, muß sich vor sachfremden, menschlichen Eintragungen und Überfremdungen hüten. Er meint aber nicht, es genüge zum Verstehen eines biblischen Abschnittes, seinen wortlautgemäßen Inhalt zu erfassen. 2.) Die biblischen Texte überliefern uns (aufs Ganze gesehen) die Anrede des lebendigen Gottes, die (von Fall zu Fall immer neu) an bestimmte Menschen in einer bestimmten Zeit und in bestimmter Situation erging, und zwar mit dem Ziel, diese Menschen in Gottes Herrschaftswirklichkeit hineinzureiten. Deshalb sind biblische Texte - ihrem Wesen nach! - auf konkrete Menschen in konkreten Situationen bezogen. 3.) Zum Verstehen biblischer Texte gehört notwendig, (über den eigentlichen „Inhalt" hinaus) die damalige Situation (d. h. ζ. B. die damaligen Gemeindeverhältnisse, die theologische oder allgemein-geistige Anschauungswelt, die besondere Art der Angeredeten usw.) so genau wie möglich zu erfassen, in die hinein der Inhalt formuliert wurde. - Anders: Einen biblischen Text verstehen heißt, das Zusammenschmelzen von Inhalt und Situation zu einer lebendigen Anrede durchschauen. 4.) Gottes Anrede (wie sie in biblischen Texten überliefert ist) galt nicht nur Menschen vergangener Zeit. Sie will vielmehr auch möglichst viele Menschen unserer Zeit erreichen. Deshalb schließt das Verstehen biblischer Texte unumgänglich die Bemühung ein, Gottes ergangene Anrede für Menschen und in Situationen] unserer Zeit „umzusprechen". - Dazu gehört - neben dem aufmerk-

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samen Hören auf den Text selbst - die immer neue gründliche Beschäftigung mit charakteristischen Problemen und Situationen unserer Zeit. 5.) Ein so geartetes Verstehen biblischer Texte garantiert keineswegs, daß Glaube entsteht Der Glaube an das Evangelium ist und bleibt Werk des Heiligen Geistes, der sich methodisch niemals kanalisieren läßt Aber Der Heilige Geist erübrigt auch keineswegs die möglichst sachgemäße menschliche Bemühung um das Verstehen biblischer Texte. - Deshalb: Das situationsbezogene Verstehen biblischer Texte „muß nicht" vom Heiligen Geiste geführt sein; aber das lediglich wortlautbezogene Nachsprechen biblischer Texte widerspricht deren Art, die durch das Wirken des Heiligen Geistes zustandekam.

Dr. Johannes Hempel

DOKUMENT 5

Rat des Bezirkes Dresden. Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres (Riedel), Aktennotiz. Betr.: Kirchentagskongreß am 26. und 27.9.1970 in Dresden, Dresden, 16.9.1970 SHStA, BT/RdB Dresden, 41698, Bl. 78-81 Am 15.9.1970 habe ich Landesbischof Noth zu einem Gespräch in mein Dienstzimmer bestellt Er erschien allein, von staatlicher Seite nahmen außer mir der Referatsleiter für Kirchenfragen teil. Das Ziel des Gesprächs bestand darin, daß der Landesbischof detaillierte Angaben über den Ablauf des Kongresses und die Garantie dafür übernimmt, daß bei dieser Veranstaltung keine gegen den sozialistischen Staat gerichteten Äußerungen oder Maßnahmen geschehen. Ich eröffnete das Gespräch damit, daß ich dem Landesbischof die staadiche Anerkennung für das loyale und zum Teil staatsbewußte Auftreten der kirchlichen Vertreter unseres Bezirkes während der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Evian, Frankreich, aussprach und daran die Hoffnung knüpfte, daß sich die führenden Vertreter der Kirchenleitung auch in der D D R ebenso verhalten. D. Noth antwortete, ob wir denn in Evian von ihm etwas anderes erwartet hätten, wir wtißten doch, daß er sich bei ökumenischen Veranstaltungen immer loyal verhält. Ich erklärte ihm dann den Zweck der heutigen Aussprache und bat ihn nur unter Verwendung des veröffentlichten Materials (Der Sonntag v. 16.8.70, Die Kirche v. 6.9.70) um die entsprechenden Informationen. D. Noth führte aus: Die Sächsische Kirchenleitung sei seit 1968 der Meinung, daß sich große Kirchentage mit tausenden von Teilnehmern überlebt haben und nicht mehr sinnvoll sind. Zwar fänden dieses Jahr in anderen Landeskirchen, so ζ. B. in Erfurt, noch solche großen Kirchentage statt, aber in Sachsen halte man das nicht mehr für sinnvoll. Deshalb wolle man Fragen der Anwendung der Bibel auf die heutige Gemeindesituation nur noch in kleineren Arbeitsgremien erörtern. Der Kirchen-

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tagskongreß sei eine solche kleinere Arbeitsform. Die Verantwortung für den Kongreß liege bei Präses Cieslak und dem Dresdner ehemaligen Jugendpfarrer Gehre, die sich zur Vorbereitung dieses nun schon г и т dritten Mal zusammenkommenden Kongresses einen Landesausschuß geschaffen hätten. Die Kirchenleitung und er als Bischof wissen zwar davon, sind aber nicht der Träger der Veranstaltung. Die Trägerschaft sei etwa vergleichbar mit dem Leiterkreis der Luther-Akademie oder den Arbeitskreis für Volksmission, d. h. dort seien zwar kirchliche Leute tätig, aber es sei kein offenes Unternehmen der Kirchenleitung. [2] Soweit er informiert sei, handle es sich um einen feststehenden Teilnehmerkreis aus den Gemeinden der gesamten Landeskirche in einer Größenordnung von mehreren hundert Personen. Prominente Gäste aus anderen Landeskirchen seien sicher nicht zu erwarten, sonst hätte man ihm es wohl gesagt Theoretisch habe der Landesausschuß natürlich die Möglichkeit prominente Leute einzuladen, also Bischöfe usw. Er selbst werde an der Veranstaltung am 26.9. etwa 2 Stunden teilnehmen, auch Präsident Dr. Johannes werde dort sein. Er bat um Verständnis dafür, keine konkreteren Aussagen machen zu können, wir möchten uns an die Herren Cieslak oder Gehre wenden. Schließlich sei es in der Kirche nicht wie mit der Ordnung im Staatsapparat, wo der Leiter alles wissen müsse. Er habe als Bischof nur ein geisdiches Amt. Im kleinen Kollegium habe er nur eine Stimme von acht, im großen nur eine von sechzehn, so daß man ihn dort jederzeit überstimmen könne. In der Regel würde aber die Kirchenleitung ihren Bischof nicht hintergehen. Diese Ausführungen Noths wurden von mir häufig durch Zwischenfragen unterbrochen. Ich habe ihm deutlich gemacht, daß ich keine Abdelegierung der Verantwortung auf untergeordnete kirchliche Personen akzeptiere, sondern daß er für den Rat des Bezirkes der Leiter der Landeskirche ist, der f ü r alles Geschehen in ihr uns gegenüber die Verantwortung trägt. D. Noth erklärte, daß er wisse, daß das so ist. Ich erbat von D. Noth Antwort auf folgende Fragen: - Können Sie garantieren, daß die Veranstaltungen nur in kirchlichen Räumen stattfinden? - Können Sie garantieren, daß es weder in kirchlichen Räumen noch außerhalb zu Äußerungen oder Handlungen kommt, die geeignet sind, die Beziehungen der Landeskirche zu den Staatsorganen zu verschärfen? - Können Sie garantieren, daß es sich um einen begrenzten Teilnehmerkreis handelt, der keinerlei öffentliche Maßnahmen plant? D. Noth antwortete darauf, daß er die Pkt. 1 und 3 garantieren könne, daß er freilich nicht garantieren kann, ob irgend ein Dummkopf unter den Teilnehmern unqualifiziertes politisches Zeug redet. Er stelle aber fest, daß, wenn solche Äußerungen erfolgen sollten, sie keinesfalls in seinem Namen abgegeben werden und er um Unterrichtung durch uns bittet, um dagegen einzuschreiten. Er sei nicht bereit, sich sein gutes Verhältnis zu den örtlichen Staatsorganen im Bezirk Dresden durch derartige Störungen trüben zu lassen. D. Noth hat um die Wiederholung der von mir genannten Punkte gebeten, um sie mitzuschreiben. Das ist geschehen. Er hat uns Vollmacht gegeben, unter Bezugnahme auf dieses Gespräch Herrn Gehre zwecks weiterer Informationen und Auskünfte zum Ref. Kirchen-

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fragen oder zur BdVP zu bitten. Er hat weiter zugesichert, die staatlichen Forderungen sofort Präsident Dr. Johannes mitzuteilen, damit dieser kontrollierend und uns unterrichtend tätig wird. Er selbst könne es leider nicht tun, da er sofort nach diesem Gespräch zur VELK-DDR-Synode nach Schwerin abfahren müsse. [3] Auf meine abschließende Frage, wer denn in der VELK-DDR-Synode leitender Bischof und wer Präses werde, erklärte D. Noth, daß ihm beides nicht bekannt sei. Er bat mich im Oktober um ein weiteres Gespräch, da ihn persönlich manches belaste, . . . Er bedankte sich für das Gespräch mit der Bemerkung, er habe einen viel größeren Gegenstand erwartet als so eine „harmlose Sache" und wolle sofort veranlassen tätig werden. Ergebnis:

D. Noth erhielt folgende staatliche Auflage: 1. Der Kongreß findet ausschließlich in kirchlichen Räumen statt 2. Die Teilnehmer unterlassen alle provokatorischen Äußerungen und Maßnahmen, sowohl innerhalb wie außerhalb kirchlicher Räume. 3. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt durch gezielte Einladungen. Es wird eingeschätzt, daß der Bischof tatsächlich nicht mehr wußte, als er gesagt h a t Es bestätigt sich, daß sein Apparat mit ihm tun und lassen kann, was er will. Etwa 30 Minuten nach Schluß des Gespräches teilte Präsident Dr. Johannes telefonisch dem Ref. für Kirchenfragen folgendes mit: Der Bischof habe ihn informiert, weshalb er ergänzend zu diesem Kirchentagskongreß mitzuteilen habe: Aufgrund der staatlichen Einwände gegen den geplanten großen Landeskirchentag 1968 habe man sich zu dieser wesentlich kleineren Form der Kongreßarbeit entschlossen. Die Redner stammen nur aus dem Landeskirchenbereich, nicht darüber hinaus. Der bevorstehende Kongreß sei der dritte seiner Art, zwei gab es bereits 1969 (nach Informationen bei den staatlichen Organen sind beide ohne besondere Vorkommnisse verlaufen, da die Staatsorgane bereits 1969 gegenüber der Kirchenleitung entsprechende Auflagen formuliert haben). Es sei mit etwa 250-300 Teilnehmern zu rechnen, die gezielt eingeladen wurden. Es handle sich vorwiegend um Mitglieder von Kirchenvorständen. Die Veranstaltung finde im Gemeindehaus der Versöhnungskirche statt, je eine Arbeitsgruppe tagt in der Heilig-Geist-Kirche und in der Erlöser-Andreas-Kirche. Die Verpflegung erfolge in kirchlichen Räumen, so daß die gesamte Veranstaltung in solchen Räumen stattfindet. Wenige Minuten später rief Präsident Dr. Johannes erneut an: er wolle nachtragen, daß keinerlei Gäste außer dem Landesbischof von ihm selbst an der Veranstaltung teilnehmen (zeitweise). Bereits am Abend vorher (14.9.) war der verantwortliche Pfarrer Gehre zur BdVP A b t Ε zitiert worden und teilte auf Befragen mit: Es werden 250-300 Teilnehmer aus Sachsen erwartet. Es sei mit 27-30 Privatfahrzeugen zu rechnen. Die Tagung beginne am 26.9. - 9 Uhr - mit einer Begrüßung im Plenum (30 Minuten). Ab 9.30 Uhr erfolge getrennte Arbeit in 3 Arbeitsgruppen, die aus Raumgründen in den 3 o. g. Kirchen tagen. Die Teilnehmer seien Gemeindeglieder,

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darunter Kirchenvorstandsmitglieder und etwa 40 Geistliche. Die Teilnehmer reisen ζ. T. mit ihren Ehefrauen an. [4] Da die kirchliche Berichterstattung auf eine Verharmlosung des Kirchentagskongresses hinausläuft, sind Maßnahmen eingeleitet, daß die Staatsorgane durch geeignete Teilnehmer über den Ablauf informiert werden. Riedel [m.p.]

DOKUMENT 6

Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß, Schlußwort zum Kirchentagskongreß 70 am Sonntag, 27. September 1970 in der Versöhnungskirchgemeinde Dresden-Striesen, von Pfarrer Dietrich Mendt, Karl-Marx-Stadt, undatiert KKT-Archiv

Dresden, Regionalkongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71

Liebe Freunde! Zum Schluß sollte ich den Versuch einer Zusammenfassung machen. Das ist nicht möglich; das wäre auch falsch, wie Sie hoffendich spätestens bei dem dritten der drei kritischen Einwände merken werden, die ich jetzt noch machen will. Der erste kritische Einwand wäre der, daß ich das Gefühl habe, wir haben zu viele Vorurteile im Gespräch untereinander. Es fällt immer noch ziemlich schwer, wirklich zuzuhören, vielleicht nicht allen, aber immerhin einigen Wesendichen, auch Frommen! Ich will Ihnen das an zwei Beispielen deutlich machen. Es fiel einmal das Stichwort „Mitmenschlichkeit". Das Stichwort erregte sofort Verdacht: wo es fällt, muß moderne Theologie im Spiele sein - und schon hört man nicht mehr richtig zu. Schon liegt die für einen Christen absurde Schlußfolgerung in der Luft: nur ja keine Mitmenschlichkeit, das könnte mich in den Verdacht der Ketzerei bringen! Keine Angst! Jesus ist von der gesamten Kirche seiner Zeit für einen Ketzer gehalten worden - deshalb mußte er sterben. So ein bißchen Ketzerei steht meistens sehr nahe am Evangelium. Zweites Beispiel: Es scheint so, daß manche geradezu mit dem Vorurteil auf den Kongreß gekommen sind, der Kongreß neige zur modernen Theologie. Und dieses Vorurteil prägt das Hören. Ich würde hier glattweg sagen: dieses Vorurteil ist Unsinn. Im Kongreß-Ausschuß sitzt kein einziger moderner Theologe, aber es sitzen dort viele moderne Leute. Sie suchen alle nach Wegen, wie man dem lebendigen, auferstandenen Christus heute gehorsam sein kann. Aber, wer das Vorurteil hat, findet es bestätigt Überall, in der Bibelarbeit, in den Vorträgen, im Gottesdienst und in der Aussprache. Wer Vorurteile hat, ist weit von Christus entfernt. Wenn wir uns schon unter uns Christen nicht richtig verstehen, wie können [2] wir dann die Menschen verstehen, die keine Christen sind. Aber Menschen, die man nicht versteht, denen kann man auch nicht verkündigen. Zweite kritische Anmerkung: Wir übersetzen zu wenig. Es geht uns mitunter mehr um Richtigkeit als um Liebe. Damit es nur richtig ist, was wir sagen - und das heiß ja, damit ich selbst vor Gott richtig bin, ein Richtiger, ein Gerechter bin, als ein Gerechter erscheine, ist es mir gleichgültig, ob der andere mich

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versteht Es gibt gewisse Gesprächsphasen, wo alle Parteien nur noch predigen, rezitieren, beharrlich und manchmal in der kühnen Hoffnung, die anderen seien nur verstockt. Aber im Grunde genommen sind sie an der Übersetzung gescheitert. Viele Fragen zwischen Erzgebirge und Flachland sind in Wirklichkeit keine Lehrund Glaubensunterschiede und schon gar keine Unterschiede zwischen Glaube und Unglaube, Ketzerei, sondern es sind Übersetzungsunterschiede. Natürlich entstehen bei einer Übersetzung Fehler, bei jeder Übersetzung - jeder, der in der Schule Russisch- oder Englisch-Unterricht gehabt hat, weiß das. Aber solche Fehler sind Christus lieber als gar keine Übersetzung. Was nützt es mir, wenn ich einem Engländer oder einem Russen, die kein Deutsch verstehen, meine Meinung in fehlerfreiem, richtigem Deutsch sage! Er versteht es trotzdem nicht Und was nützt es, wenn ich zum Beispiel im Blick auf die Bibelarbeit gestern einem Menschen von heute das sage, was eigentlich Paulus einem Juden vor zweitausend Jahren gesagt hat Was nützt es, wenn ich einem mitten in der Wüste Sahara versuche, das Schwimmen beizubringen, weil ich auf diese Weise einmal vor zweitausend Jahren jemand vom Ertrinken gerettet habe. Mut zur Übersetzung! Hier ist unser stärkster Nachholbedarf. Deswegen ist so vieles in der Kirche von gestern, weil wir nicht mehr übersetzen. Aber das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß wir nicht daran glauben, daß Christus wirklich heute, heute, lebendig ist Wir glauben höchstens, daß Christus auferstanden und dann etwa in der Zeit vor 1900 Jahren, als das Neue Testament fertig geschrieben war, endgültig gestorben ist Deswegen benützen wir heute noch seinen Wortlaut, seine Begriffe. Und wenn jemand andere Begriffe für diese Sache zu verwenden versucht, gilt er als Ketzer. Der Auferstandene würde heute seinen Glauben vermutlich nicht im Wortlaut des Apostolicums bekennen. Wenn Christus heute lebendig ist, dann muß map an der Kirche ablesen können, daß er heute lebendig ist Und der Kongreß ist ein Stück Kirche, also muß man es auch an ihm ablesen können. Deswegen muß die Kirche heute anders aussehen als vor hundert oder vierhundert Jahren, denn wenn Christus heute lebendig ist, dann ist er ein Christus von heute. Dann ist er modern. Dann weiß er etwas von Computern und [3] Kybernetik, von Mini- und Maxi-Mode, von Brecht und von Dürrenmatt, und deswegen muß Kirche modern sein. Die Weiterarbeit des Kongresses könnte man mit einem einzigen Wort so umschreiben: Übersetzen! Und das heißt Beschäftigung mit der einen Sprache, aus der man übersetzt - das ist die Schrift, die ganze Schrift und Beschäftigung mit der anderen Sprache, in die man übersetzt, das ist die Welt, und zwar die ganze Welt, die Gott so geliebt hat, daß er dafür seinen Sohn gab. Die dritte kritische Anmerkung: Wir haben Angst vor der Mündigkeit Die kritischste Anfrage ist es, weil sie auf die Tatsache hinweist, daß vielleicht viele von uns nur Kongreß-Teilnehmer sind. Die Oma fuhr früher jedes Jahr einmal zur Kur nach Bad Reichenhall - wir fahren zur geistlichen Kur auf den Kongreß. Und wir stehen dann eines Tages vor der Tatsache - einige haben es am Freitagabend und in den Gruppen so gesagt -, daß wieder ein neuer Verein entstanden ist, mit Büros, einem Sekretariat und einem Ausschuß, der sich verzweifelt darüber Gedanken macht, wie er der Welt und sich selbst klarmachen kann, daß er notwendig ist, Geld braucht, Mitarbeiter und alles fertigbringt, nur eines nicht, sich aufzulösen. Natürlich sollen Sie vom Kongreß einiges erwarten - aber bei

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den Berichten, die wir gehört haben, ist deutlich geworden, daß Gruppen da sind, die bereit sind zur Arbeit. Nicht alle Gruppen wissen, was sie zu tun haben. Wir müssen uns vom Kongreß aus überlegen, ob wir bestimmte Aufgaben verteilen können - es sind auf alle Fälle Leute da, die sie wahrnehmen. Aus der Thematik des Kongresses werden sich solche Aufgaben ergeben. Ich nenne „Das W I E der Versöhnung". Ein anderes Beispiel aus einem Bericht: In einer Gemeinde seien Krankenbesuche dringend nötig, es müsse sich endlich einmal eine Gruppe finden, die das regelmäßig und regelrecht organisiert und die nicht nur aus dem Pfarrer besteht. Dabei ergab sich ein interessantes Spezial-Problem - ein Arzt hatte gesagt, man finde auf der Bettdecke verschiedene schlechte Trost-Literatur. Gut wäre es, wenn sich einmal einige Leute hinsetzen und würden solche Literatur zusammenstellen. Eine ganz handfeste, konkrete Aufgabe! Oder, das ganz große Thema, das wir noch nicht bewältigt haben: Sammlung und Sendung, der Vortrag von Dr. Werner Krusche „Kirche der Zukunft - Kirche für die anderen". Dazu möchte ich gern noch ein paar Bemerkungen machen, weil ich meine, dies muß verstanden werden, und wo dies nicht verstanden ist, muß die Arbeit irgendwann stekkenbleiben. Denn wir haben gelernt, daß Sammlung und Sendung nicht einfach zwei verschiedene, nebeneinander stehende Bereiche sind, sondern daß die Sammlung sendungsbezogen sein muß und nicht die Sendung sammlungsbezogen i s t Nicht die Kirche bestimmt, wie Sendung und Sammlung aussehen, sondern die W e l t Mit anderen Worten: es geht Gott nicht um die Kir-[4]che, sondern um die W e l t Die Welt muß gerettet werden - und die Kirche ist Gottes Werkzeug dazu. Der Auftrag, der Rettungsauftrag bestimmt das Werkzeug, die Kirche. Man kann mit einem Beil Bäume fällen, aber kein Getreide ernten. Da muß man sich einen Mähdrescher und im äußersten Notfall eine Sense beschaffen. Die Kirche aber sucht auf dem Felde der Gegenwart mit dem Beil in der Hand nach Bäumen. Wenn die Kirche sagt: Erst Sammlung - dann kann sie auch sagen, ich bestimme, wie Mission auszusehen hat . . . und gerade das darf sie nicht, weil es um die Welt geht

Das ziemlich am Schluß genannte Thema „Mitarbeit in der Gesellschaft" wäre außerordentlich notwendig, als ein Thema, über das sich eine Gruppe setzt und beim nächsten oder übernächsten Kongreß eine Zusammenfassung ihrer Arbeit vorlegt. Der Kongreß will eine Bewegung sein, nicht von oben nach unten, sondern eine Bewegung, die Kirche in Bewegung bringt, ein Impuls, der den Gemeinden Impulse vermittelt. Aber wir stecken noch tief in einer Kirchengeschichte drin, in der der einzelne Christ nicht nachzudenken und nicht viel zu tun brauchte. Das Denken und Tun ist Sache derer, die von der Kirche dafür bezahlt werden. Auch in uns, die wir das wissen, die wir das analysiert und kritisiert haben, steckt diese Haltung zur Unmündigkeit tief drin. Man merkte das an dem Ruf nach der Kirchenleitung von Ihnen vorhin. Die Kirchenleitung, das sind Sie! Da, der Herr Präsident - ich weiß nicht, ob er jetzt da ist - oder der Herr Oberlandeskirchenrat: Das sind Ihre Angestellten, die haben zu machen, was Sie sagen! So ist es. Und deswegen müssen Sie sich Gedanken machen. Wir wissen zwar, was zu tun ist, aber uns fehlt der Mut, und das heißt für Christen, uns fehlt der Glaube. Deswegen kann ich auch nicht ganz so schließen, wie ich gern möchte. Ich möchte natürlich jetzt sagen: Nun geht nach Hause und setzt euch auf die Hosen und tut was! Ihr müßt einfach etwas tun! Nein, ich muß sagen: Ihr müßt - und hier kann ich wirklich sagen: Ihr müßt! - Ihr müßt einfach den Herrn Christus mehr

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beachten! Daß wir die Kirche für die anderen entdeckt haben, das liegt nämlich darin, daß wir entdeckt haben, Christus ist nicht nur in der Kirche, sondern er ist mitten in der Welt, mitten unter den anderen. Und das heißt, wir können ihn überall entdecken, er wartet darauf, überall wartet er. Und wenn Ihr heimfahrt, dann sieht es nur so aus, als wärt Ihr jetzt allein. Christus ist schon da - wie beim Hasen und Igel: „Ich bin schon hier!", sagt er, wenn Ihr heute in Leipzig oder in Karl-Marx-Stadt oder in Plauen oder in Weißbach wieder ankommt Und damit ist die entscheidende Voraussetzung einfach überall da. Nur müßt Ihr Christus mehr beachten! Und es ist lo-[5]gisch, daß vier Augen mehr sehen als zwei, daß man auch Christus eher entdeckt, wenn man ihn sucht, wenn sich mehrere zusammentun, um gemeinsam zu suchen. Dann wird man auch entdecken, daß im Sinne des Textes, unter dem unser Gottesdienst stand und unter dem wir gestern die Bibelarbeit gehalten haben, auch zu Hause „alles neu geworden" ist Wir beten. Diese beiden Tage waren deine Tage, Herr. Wir haben viel Arbeit in diese Tage gesteckt Wir haben manches gut und bestimmt vieles schlecht gemacht Aber es waren deine Tage, Herr. Deine Güte schimmerte durch unser Unvermögen hindurch, dein Mut wurde deudich, mit dem du es wagst, uns zu deinen Mitarbeitern zu machen. Deine Hoffnung wurde sichtbar, die uns alle Angst nimmt und Geborgenheit gibt mitten in der Unruhe der Gegenwart, denn es waren deine Tage, Herr. Nun laß die kommenden Tage auch deine Tage sein. Halte uns fest, auch wo wir dich nicht festhalten. Bleibe uns treu, auch wo wir dir nicht treu bleiben. Mache wahr an uns allen, was du uns und der Welt versprochen hast Amen.

DOKUMENT 7

Dietrich Mendt, Entwurf für ein Fernstudium in Fernkursen für Christen, die den Wunsch haben, für ihren Alltag im christlichen Glauben unterwiesen zu werden, Dresden, 17.9.1971 KKT-Archiv Dresden, Fernkursus stud. chHst., Kurs 1-3 Fernstudium Teil A) Grundlegung: CHRIST UND ALLTAG Femkurs I: Evangelium und Umwelt 1 Stichworte: 1.1 Verhältnis von Evangelium und Umwelt 1.2 Beruf und Gesellschaft 1.3 Familie 1.4 Freizeit (Zum Ganzen: Beispiele aus der Schrift, der Kirchengeschichte, der Gegenwart, an denen exemplarisch das Verhältnis Evangelium Umwelt beschrieben wird als Hilfe zum selbständigen Nachvollzug) Femkurs II: Evangelium und Umwelt 2 Stichworte: 1.1 Verhältnis von Inhalt und Form (Zeitbezogenheit als Substanzverlust?)

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Glaubensaussagen als Antwort: 2.1.1 Altkirchliche Bekenntnisse 2.1.2 Reformatorische Bekenntnisse 2.1.3 Barmen und Stuttgarter Schuldbekenntnis 2.1.4 Aktuelles Bekenntnis heute Femkurs III: Evangelium und Gemeinde 1 (Die Funktion der Gemeinde im Alltag) Helfer zur ethischen Entscheidung Stich worte: 1.1 1.2 M a h n e r im ethischen Verhalten 1.3 Tröster in der Schwere des Vollzuges der Entscheidung 1.4 Geisdiche Heimat und Lebensgemeinschaft als Rückhalt im Vollzug der Entscheidung Femkurs IV: Evangelium und Gemeinde 2 (Die Dienste in der Gemeinde) Stichworte: 1.1 D e r Auftrag bestimmt die Gestalt ( G e s p r ä c h / Gruppen) 1.2 Partnerschaftliches Arbeiten 1.3 Notwendige Dienste heute - (Mission/Diakonie) 1.4 Die Aufgaben der Laien 1.5 Die Aufgaben der Theologen Femkurs V: Evangelium und Gemeinde 3 (Das Leben der Gemeinde in ihren Veranstaltungen) Stich worte: 1.1 Die Welt bestimmt die Tagesordnung 1.2 Zurüstung der Christen f ü r ihren missionarischen Dienst 1.3 Sammlung als Zuspruch und Feier 1.4 Lebensgemeinschaft als gegenseitige Hilfe

[2] Evangelium und Gemeinde 4 (Fragen zum Gottesdienstverständnis VI: heute) 1.1 Gottesdienst und Alltag Stichworte: 1.2 Gottesdienst als Zuspruch 1.3 Gottesdienst als Zurüstung 1.4 Gottesdienst als Tischgemeinschaft 1.5 Versammlung der Gemeinde als Gottesdienst Femkurs

Fernstudium Teil B) Spezialfragen Femkurs Stichworte:

„Gemeinde im Gespräch" Gruppenpädagogik und -dynamik, Gesprächsführung

Fernkurs

„Naturwissenschaft als Herausforderung an den christlichen Schöpfungsglauben"

Stichworte:

Schöpfungsberichte; Wunder; Weltentstehung als Evolution usw.

Femkurs

„Soziologie als Hilfe zur Gemeinschaft in der Gemeinde"

Femkurs Stichworte:

„Kinder lernen das Evangelium" Glaubenslehre für Kinder; Tageslauf in der christl. Familie; Feriengestaltung; Kinder beten In diesem Teil des Fernstudiums müßte nach Berufen, Interessen und Begabungen differenziert werden, auch das Angebot sich nach der N a c h f r a g e richten.

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DOKUMENT 8

Kirchentagskongreß 71 Meerane „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes": Theologische Erläuterungen zum Thema von Herrn Dr. Johannes Hempel, Leipzig, am Kirchentagskongreß in Meerane, [1]7. Oktober 1971, undatiert KKT-Archiv

Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Die missionarische Gruppe

Lassen Sie mich einfach am Abschluß dieses Wochenendes noch einmal beschreiben, worum es bei unserem Thema ging, d. h., was dieses Thema mit unserem Glauben zu tun hat. Ich möchte dazu ein paar Punkte aneinanderreihen. „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes" - was ist damit gemeint? Zunächst ist erläuternd zu sagen, daß wir Christen, wenn wir von der Gegenwart Christi reden, seine Gegenwart jetzt und seine Gegenwart künftig, also seine Gegenwart unter uns heute im Glauben und seine Gegenwart in der Zukunft, an dem Tage, an dem er kommt, meinen. Man muß hinzufügen: Diese beiden Arten der Gegenwart unseres Herrn Christus - jetzt verborgen im Glauben und künftig, ich möchte sagen öffentlich, offenbar - sind zwei Seiten eines und desselben Glaubens. Man könnte geradezu sagen, daß die Echtheitsgewißheit unseres Glaubens und die Bruchstückhaftigkeit unseres Glaubens danach rufen, nicht nur von der Gegenwart Christi jetzt unter uns zu reden, sondern auch von seiner kommenden Gegenwart, die dichter, klarer sein wird, als wir sie jetzt erfahren können. Also, die Rede vom gegenwärtigen und vom kommenden Christus sind zwei Seiten einer und derselben Sache. Weiter: Die Bibel gebraucht, und zwar im Alten wie Neuen Testament, zur Charakterisierung der jetzigen und der künftigen Gegenwart Christi vor allem den Begriff „Reich", das Wort „Reich Gottes". Wenn die Bibel davon redet, daß wir jetzt mit Christus leben bezw. daß wir auf den kommenden Christus warten, dann redet sie vom „Reich Gottes". Dieses Wort „Reich" kann man nun als eine Art Überschrift bezeichnen für viele einzelne Aussagen im Neuen Testament, die das Wort „Reich" beschreiben und charakterisieren. Ein solches charakterisierendes Wort ist ζ. B. das Wort „Heil". Wir warten auf das Heil, auf das kommende Heil. Dieses Wort „Heil" zeigt an, daß das kommende Reich keine Gewaltherrschaft sein wird, sondern etwas zum Freuen. Wir finden nun in der Bibel eine ganze Reihe von Ausdrücken, die das Wort „Heil" entfalten und beleuchten - zum Beispiel das Wort „Frieden". In dem kommenden Reich, in dem das „Heil" vollendet sein wird, herrscht Frieden. Da gibt es keinen Krieg, keinen Streit und keine Schuld mehr. Oder wir finden das Wort „Gerechtigkeit" für Heil. In dem kommenden Reich gibt es keine ungerechtfertigten Unterschiede, auch keine künstlich gemachten und aufgebauschten. Oder man könnte das Wort „Freude" herbeiziehen, das im Neuen Testament

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auch verwendet wird. Im kommenden Reich wird es kein Leid mehr geben, keine Tränen, keinen Schmerz. Und das Neue Testament redet auch vom „Leben", wenn es vom Heil redet und vom kommenden Reich. Das heißt: Im kommenden Reiche Gottes wird es keinen Tod mehr geben und keine Vergänglichkeit. Und man könnte als einen weiteren Füllbegriff das Wort „Gemeinschaft" heranziehen. Im kommenden Reiche wird Gemeinschaft das Normale und Selbstverständliche sein. Es wird keine Einsamkeit mehr geben, keine Diffamierungen, keine Mißverständnisse und keine Unterstellungen. Und schließlich verwendet das Neue Testament das Wort vom „Schauen Gottes". Wir glauben jetzt und werden einst schauen, natürlich nicht mit den Augen, mit denen wir jetzt schauen. Das heißt: wir werden Ihn sehen und damit wird es für unseren Glauben keine Anfechtung mehr geben. Es wird vielmehr Lobpreis [2] und Dank das Naheliegende und Beherrschende sein. Dabei sind diese Gaben, die Gott im kommenden Reich schenken wird, im Grunde nichts Neues. Es sind dieselben Gaben, die die Gemeinde schon jetzt im Glauben empfängt und bewahrt Aber, sie werden dann nicht mehr verborgen, sondern offenbar sein. Und ein weiterer Gedanke: Die Gemeinde Jesu Christi als eine Gruppe von Menschen, die durch das Evangelium zusammengebracht wurde und durch den Heiligen Geist zusammengehalten wird, darf - und verstehen Sie bitte richtig, wenn ich sage - ja muß, nämlich von der Sache her, vom Glauben her diese Gegenwart anzeigen, signalisieren. Gerade weil diese Gegenwart Christi jetzt noch nicht für jedermann sichtbar ist, müssen die, die sie im Glauben erkannt haben, sie vor den anderen und für die anderen anzeigen. Diese Zeichengebung, diese Signalgebung ist inhaldich bestimmt durch die Worte, die wir vorhin uns vorgeführt haben, nämlich durch Frieden, Gerechtigkeit, Freude, Gemeinschaft, Leben und durch das Schauen Gottes, also durch das Sichtbarmachen Gottes. Das heißt: Die Gemeinde Christi darf, soll, kann und muß solche Zeichen setzen, welche Frieden, Gerechtigkeit, Freude, Gemeinschaft, Leben und damit die Wesensart unseres Gottes anzeigen. Solche Zeichen sind nun ihrer Art nach bestimmt durch das Miteinander von Zeugnis und diakonischem Handein, von Wort und Tat. Jesus Christus vergab Sünden ttnd heilte. Er tat nicht immer beides gleichzeitig, aber in seinem Reden und Handeln kommt beides immer wieder vor. Dies ist also hier zu sagen, daß das Miteinander von Wort und Tat für die Zeichengebung wichtig ist. Diese beschriebenen Zeichen, die wir setzen sollen in der Welt, die Zeichen der Gegenwart Christi und die Zeichen der Art seiner Gegenwart, nehmen das kommende Reich nicht vorweg. Das wäre Schwärmerei. Sie sind aber auch nicht willkürlich, sondern stehen vielmehr in einem inneren Sachzusammenhang mit dem künftigen Reich. Die Art dieser Zeichen können wir uns im Grunde nicht ausdenken, wir haben sie von der Schrift her. Aber, indem wir sie setzen, bleiben die Zeichen natürlich mehrdeutig. Man kann ihnen widersprechen, man kann sie bestreiten, kann sie verschieden erklären - und das wird immer wieder geschehen. Trotzdem sind diese Zeichen notwendig. Sie sind vom Glauben her unerläßlich und unvermeidlich. Sie erübrigen vor

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allen Dingen nicht, daß Gott eines Tages sein Reich aufrichtet und daß dieses Reich etwas ganz Neues ist, vor dem unsere Zeichen verblassen. „Missionarische Gruppen als Zeichen der kommenden Welt Gottes" - Dieses Thema wollte im Grunde anregen zu dem Nachdenken: Warum, mit welchem Recht, inwiefern und wie wir Christen in der Welt von heute Signale setzen für die Gegenwart Christi und für das kommende Reich Christi.

DOKUMENT 9

Dietrich Mendt, Thesen zur Thematik der Kongresse

1971/1972

„Mis-

sionarische Gruppen", Karl-Marx-Stadt, 2.2.1972 KKT-Archiv

Dresden, Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgruppen

1. MG'n sind Ausdruck des Glaubens an eine zukünftige Welt Gottes, in der „kein Schmerz, keine Tränen, kein Leid" mehr sein werden, sondern statt dessen Friede, Freude, Liebe. 2. MG'n leben und handeln, ,als ob' die zukünftige Welt Gottes in dieser Welt verwirklicht werden könnte, obwohl sie wissen, daß Gott allein seine zukünftige Welt schaffen und offenbaren wird. 3. MG'n erleben in diesem Leben und Handeln die Gegenwart des Gottes, der diese zukünftige Welt schaffen und offenbaren wird. 4. In diesem Sinne erleben MG'n die zukünftige Welt Gottes punktuell und aktuell schon heute und werden dadurch im Glauben gestärkt bzw. es wird in ihnen dadurch Glauben geweckt 5. Eine M G kann ohne diesen Glauben nicht entstehen und nicht existieren. 6. Deswegen mu£ dieser Glaube in eine neu entstehende oder neu zu gründende M G schon mit eingebracht werden, denn ohne diesen Glauben wird die M G eine bloß moderne und vielleicht auch lebendige Gemeinschaftsform, aber ihr Zusammenhalt ist menschlicher und nicht geisdicher A r t 7. Es genügt einer, der diesen Glauben einbringt. Besser sind aber immer die biblischen „zwei oder drei" (Matthäus 18,20). 8. Die M G erkennt in den schadhaften Stellen dieser Welt das Gegenbild der kommenden heilen Welt Gottes und nimmt sich deswegen der schadhaften Stellen dieser Welt besonders an. 9. Sie sieht ihre vordringliche Aufgabe darin, das allen Menschen geltende Evangelium zuerst in Wort und Tat für die Menschen zu übersetzen, die in irgendeiner Weise vom Elend dieser Welt besonders betroffen sind und denen nach dem Willen Gottes das gute Ende, zu dem es Gott mit ihnen bringen will, bezeugt werden und für die es in zuwendender Nächstenliebe vergegenwärtigt und aktualisiert werden muß. 10. Indem die M G das erkannte und geglaubte Evangelium weitergibt, wird es durch die Gegenwart des Gottes, der der Herr der zukünftigen heilen Welt ist, auch für sie selbst zum Evangelium. Ihr Glauben und Handeln lebt aus dem Handeln Gottes. gez. Mendt

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DOKUMENT 10

Kirchentagskongreß der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Landesausschuß / Evangelischer Kirchentag. Landesausschuß Görlitz, Wort zur Thematik 1972 „Praxis und Alltag missionarischer Gruppen", undatiert KKT-Archiv

Dresden, Kirchentagskongresse

1972: Die missionarische

Gruppe

Im ökumenischen Gespräch haben wir neu die Erkenntnis gewonnen, daß Mission nicht eine ins Ermessen der Kirche gestellte Aktion ist Mission gehört vielmehr zum Wesen der Kirche. „Die Kirche, die dem Missionsbefehl Christi nicht gehorcht, versagt nicht nur in einer ihrer Funktionen, sondern verleugnet ihr Wesen". (Evanston 1954) Die Kirche ist missionarische Kirche, weil sie die Kirche Jesu Christi ist, den Gott zum Heiland der ganzen Welt - der Christen und Nichtehristen - gesandt hat und weil sie von ihm in diese Sendungsbewegung hineingenommen ist Diese Grunderkenntnis bestimmt die Arbeit unseres Kongresses seit seiner ersten Tagung 1968. Aus ihr hat sich alles weitere ergeben: 1. Wir haben erkannt, daß die Kirche mit ihrem ganzen Leben und Dasein als Gemeinschaft und in ihren einzelnen Gliedern für die anderen, die nicht mehr oder noch nicht zur Gemeinde gehören, da sein muß. Dieser missionarische Auftrag darf nicht an andere Institutionen oder Gruppen abgegeben werden. 2. Wir sind nur Kirche für die anderen wegen des Evangeliums und mit dem Evangelium. Es ist das Beste, was wir für die anderen haben. Es ist das Angebot eines von Grund auf neuen Lebens in der Gemeinschaft mit Jesus Christus. Dieses Angebot haben wir in Wort und Tat, in Zeugnis und Dienst zu den anderen zu tragen. 3. Dabei ist die Bewegung der missionarischen Gemeinde nicht einfach die: Hinausgehen, um einzuladen und hereinzuholen in die bestehende Gemeinde. Sie ist durch ihre Glieder in allen Bereichen des Lebens mit dem Evangelium anwesend. „Mission ist also nicht Vereinnahmung, sondern Verausgabung in der Gewißheit, daß solche Verausgabung Menschen für Christus einnehmen wird." (Dr. W. Krusche) 4. So ist der einzelne Christ in seiner Welt (Familie, Nachbarschaft, Beruf und Freizeit) nicht etwa außerhalb der Kirche. Sondern, wo er sich befindet, ist die Kirche gegenwärtig und wirksam. Dadurch wird deudich: Kirche sind wir nicht etwa nur, wenn wir beisammen sind. 5. Dennoch ist die Versammlung der Gemeinde nötig, denn Jesus Christus schafft durch sein Wort und sein Sakrament Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft brauchen die einzelnen Christen für ihre Existenz in der Welt In ihr müssen sie Heimat haben, miteinander reden, sich befragen und beraten, Erfahrungen und Informationen austauschen, Antworten erarbeiten, gemeinsame Aufgaben planen, Vergebung empfangen, sich gegenseitig Hilfe geben und miteinander feiern können.

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Das zwingt uns zu überprüfen, inwieweit die überkommenen Sammlungsformen unserer Kirche diese Bedingungen erfüllen. Diese Formen sind ja weitgehend nicht vom Missionsauftrag der Gemeinde her entworfen. [2] 6. Der missionarische Auftrag muß zum Teil von der Gesamtgemeinde und der Kirche, zum anderen aber von vielfältigen kleinen missionarischen Gruppen wahrgenommen werden. Diese missionarischen Gruppen bilden sich von ganz konkreten Aufgaben und Anforderungen her, die an die Gemeinde gestellt werden. Sie üben in ihrem Dienst und Leben ein Stück der Nachfolge Jesu. Ihre Kennzeichen sind: bruderschaftliches Leben und gemeinsames Dienen. (Siehe hierzu auch Punkt 5) 7. Das Zeugnis und der Dienst missionarischer Gruppen ist aber bruchstückhaft und von viel Versagen und Enttäuschung begleitet Das braucht jedoch keinen zu entmutigen, denn mitten im Bruchstückhaften passiert das Wesentliche: die Gegenwart des Herrn! 8. Die heutige Gegenwart und die kommende Gegenwart Christi sind zwei Seiten der gleichen 'Wirklichkeit Gottes unter uns, die das Neue Testament „Reich Gottes" nennt. Jetzt ist es verborgen, dann wird es offenbar sein. Wir erfahren diese Welt Gottes in der Gemeinschaft des gekommenen und des kommenden Herrn in den Gaben des Heiligen Geistes, wie Frieden, Freude, Gerechtigkeit, Gemeinschaft und Leben. 9. Diese Gaben, die jetzt noch verborgen sind, sind für den Glaubenden schon jetzt Wirklichkeit, aus der er lebt Weil sie aber verborgen sind und nur dem Glaubenden zugängig, kann man widersprechen, sie bestreiten und wegen ihrer Unvollkommenheit ablehnen. In der kommenden Welt werden diese Gaben vollkommen und unzweideutig sein und die offenbare Wirklichkeit Gottes darstellen. 10. Diese Hoffnung auf vollkommene Freude, vollendeten Frieden, ganze Gerechtigkeit, ungetrübte Gemeinschaft, ewiges, unzerstörbares Leben in der kommenden Welt Gottes läßt keine passive Jenseitssehnsucht zu. Sie verpflichtet und treibt die Gemeinde vielmehr zu hoffnungsfrohem Zeugnis und Dienst in dieser unvollkommenen Welt Mission ist Hoffnung in Aktion - gerade in den missionarischen Gruppen. Das bedeutet: die im Glauben empfangenen Gaben des Friedens, der Freude, der Vergebung, der Versöhnung und des Lebens werden zu Aufgaben, die kraft des Heiligen Geistes in hingebender Liebe verwirklicht werden wollen. 11. Die Gemeinde weiß, daß sie damit die kommende Welt Gottes nicht vorwegnehmen kann oder selbst verwirklichen. Das ist Gottes schöpferische Tat allein. Sie sieht aber auch im bruchstückhaften Wort-und-Tat-Zeugnis Vorzeichen der kommenden Welt Gottes. Sie schuldet den anderen diese Leuchtzeichen ihrer Hoffnung. So werden missionarische Gruppen in unserer gegenwärtigen Welt, wenn ihr Zeugnis Frucht des Glaubens im Dienst der Liebe ist, Zeichen der kommenden Welt Gottes sein. (Entwurf: Erhard Wonneberger - Bearbeitung: Arbeitskreis der beiden Landesausschüsse Sachsen und Görlitz)

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D O K U M E N T 11

Kirchentagskongreß 1973, 16./17. Juni in Dresden, Thema: „Wovon die Menschen leben", Schlußwort, Pastor Hans Roch, Görlitz - Vors. des Landesausschusses Görlitz, undatiert KKT-Archiv

Dresden, KTK Dresden, Leipzig 1973: Schlußwort, Vortrag, Predigt

Ich will zum Schluß zweierlei sagen. Das erste ist eigendich nichts Neues, es muß aber, glaube ich, immer wieder einmal gesagt werden, daß nämlich unser Kongreß und die ganze Arbeit, die wir hier tun, nicht Selbstzweck ist. Das Ziel, das wir dabei vor Augen haben, ist doch ein doppeltes: einmal, daß wir selber befähigt und in den Stand gesetzt werden, unseren Glauben durch unser Zeugnis und durch unseren Dienst in der Umwelt, in der wir taglich leben, zu realisieren; zum anderen, daß wir das, was wir hier an Erkenntnissen und Erfahrungen gewonnen haben, umsetzen im Leben unserer Gemeinden. Damit beides geschehen kann, brauchen wir einfach den ständigen Kontakt zueinander. Wir können jetzt nicht aufhören für ein ganzes Jahr, um erst im nächsten Jahr wieder mit einer völlig neuen Fragestellung zusammenzukommen, sondern wir müssen versuchen zu überlegen, wie wir dieses Gespräch und die begonnene Arbeit fortsetzen können. Denn das dürfte auch aus den wenigen ganz kurzen Rückfragen zu den eben gehörten Berichten ganz deutlich geworden sein: wir sind längst noch nicht fertig. [2] Sie werden wieder das Material dieses Kongresses in die Hände bekommen, so wie wir das auch im vorigen Jahr gemacht haben, damit es Ihnen etwas leichter wird, über die Dinge weiter nachzudenken und weiterzuarbeiten. Ich glaube, es ist in allen Gesprächen und im Kongreß im Ganzen immer wieder sichtbar geworden, wir brauchen einfach Gruppen, viele kleine Gruppen, in denen wir zusammenkommen. Wir brauchen die Gruppe, die uns weiterhilft, wenn wir einmal nicht mehr weiter wissen, die uns korrigiert, wenn wir im Begriff sind, etwas Falsches zu tun, und die uns ergänzt und bereichert. Deshalb nicht nur meine Bitte - ich spreche hier im Namen beider Landesausschüsse - sondern unsere Bitte: Uberlegen Sie, wie Sie in Ihrem Umkreis beieinanderbleiben können, wie Sie neue Gruppen bilden können, um einen Anfang zu machen. Ich weiß, daß das nicht leicht ist, und daß Sie möglicherweise an den Realitäten Ihrer Umwelt und auch Ihrer Gemeinde oftmals scheitern werden. Aber wir müssen den Anlauf dazu, glaube ich, immer wieder nehmen und uns von Enttäuschungen nicht zurückschrecken lassen. Das Zweite: Ich glaube, dieser Kirchentagskongreß ist, wenn ich richtig beobachtet habe, so etwas wie ein Modell und zugleich so etwas wie ein Trainingsfeld für die Gemeinde, die wir uns für die Zukunft wünschen und vorstellen und die es zu bauen gilt. Wir sind, und das haben wir alle beobachtet, in diesem Kreis als Menschen ganz verschiedener Frömmigkeitsrichtungen beieinander, Menschen, die von ihrem Frömmigkeitstyp her eigentlich gar nicht so recht zueinander passen wollen. Es ist aufgefallen, daß wir hier auch im Blick auf die Generationen eigentlich alles

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vertreten haben, was man sich nur wünschen kann, von den ganz Jungen bis zu den Älteren. Wir sind auch Menschen ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft. Wir sind ein Kongreß, der - wie gestern einer sagte - „gut gemischt" ist, gut gemischt, wie das Leben überhaupt. Das ist kein selbstverständliches Bild in den Gemeinden, aus denen wir kommen. So wie wir hier, so sehen unsere Gemeinden durchaus nicht im Alltag aus. Aber wir haben festgestellt, daß das geht und daß Junge und Alte, Akademiker und Arbeiter (oder wie man jetzt unterschieden will), Pietisten und Menschen, die sich mehr moderner Theologie verschrieben haben, durchaus zueinander passen, miteinander leben, miteinander arbeiten und sich gegenseitig bereichern können. Das spricht für den Kirchentagskongreß und straft alle diejenigen Lügen, die dem Kongreß nachsagen, er sei so eine Art exklusiver Klub von Leuten, die sich etwas Besseres dünken. Und so ist der Kongreß einmal eine Art Modell einer Gemeinde von morgen und gleichzeitig ein Trainingsplatz, ein Übungsplatz für unser Leben in der Gemeinde zu Hause, denn dort werden wir das bewähren müssen, was uns hier gelungen ist Und dort wird es oft schwerer werden als hier. Ich möchte sagen, so muß es auch in Zukunft bleiben. Es kann durchaus einmal eine Tagung kommen, in der größere Spannungen als in diesen beiden Tagen zwischen den Generationen oder zwischen den verschiedenen Frömmigkeitsrichtungen auftreten werden. Es kann durchaus einmal sein, daß wir zu einer Tagung zusammenkommen, in der die Gegensätze viel stärker als diesmal aufeinanderprallen. Dann wird sich zeigen, was unser Kongreß wert ist, ob er in der Lage ist beieinanderzubleiben und zusammenzubleiben und es weiter miteinander [3] zu versuchen, ohne daß Gegensätze, ohne daß Konflikte vertuscht werden in einem falschen Verständnis von Versöhnung und Verständigung, sondern daß sie miteinander ausgetragen werden. Aber so könnte das etwas Hoffnungsvolles, auch für unsere Gemeinden zu Hause, werden. Wir haben gemerkt - das ist das Letzte, was ich jetzt sage - daß alles dies zusammen beigetragen hat, einen Kongreß zu erleben, der uns viel beschert hat, der uns reicher gemacht hat an Erfahrungen und an menschlichen Kontakten. Und wir haben erfahren, was das heißt, wie wir uns alle gegenseitig zu Gehilfen der Freude werden können.

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Werner Krusche, „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", undatiert KKT-Archiv Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand ... [2]

These 1: Unterwegs zur Gemeinde von morgen ist die Gemeinde von heute, konkret: die in der rechdich-institutionellen Gestalt von Ortsgemeinden einer Landeskirche existierende Gemeinde, in der sich bestimmte Arbeits- und Lebensformen eingespielt haben. Zur Gemeinde von morgen sind freilich auch solche mit unterwegs,

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die zu dieser Gemeinde keinen lebendigen Kontakt haben. Daß Menschen miteinander unterwegs sind, die ein sehr unterschiedliches Verhältnis zur bestehenden Ortsgemeinde und darum auch sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Gemeinde von morgen haben, macht den Weg spannungsreich. Aber es wäre ein Verhängnis, wenn der Weg zur Gemeinde von morgen nur so vorgestellt werden könnte, daß er abseits der real existierenden Gemeinde von heute verlaufen oder aus ihr herausführen müßte, weil sie als unbeweglich angesehen würde. Die Gemeinde von morgen wird im Zusammenhang mit der Gemeinde von heute stehen. Freilich wird die Frage unabweisbar, ist das Richtbild eine gegliederte Ortsgemeinde oder ist das Miteinander von Gemeinden unterschiedlichen Typs denkbar? Wie wird die Ordnungs- und Rechtsgestalt der Gemeinde von morgen aussehen? . . . [4] These 2: Der Weg zur Gemeinde von morgen ist der Weg in eine Minderheitssituation, in der die Gemeinde ohne Unterstützung durch die Gesellschaft leben muß und es nicht ganz so leicht haben wird. Sie wird auf vielfache Weise angefochten sein. Auf diesem Weg ist sie versucht, sich auf sich selbst zurückzuziehen, klare Grenzen zu ziehen, ein möglichst hohes Maß an Einheitlichkeit, Geschlossenheit und Zusammenhalt zu bewahren und alles zu vermeiden, was verunsichernd wirken könnte, um sich so am Leben zu erhalten. Aber sie bleibt nur als missionarische Gemeinde lebendig, also nur so lange und insofern, als sie teilnimmt an der Suchbewegung Jesu und sich dabei einläßt auf die vielfältigen Lebensbedingungen der von Ihm Gesuchten und darum selbst vielgestaltig (pluriform) in ihren Verkündigungsweisen, Versammlungsformen, Lebensstilen und Nachfolgevollzügen wird. Damit [5] wachsen aber die Spannungen und Verstehensschwierigkeiten zwischen den an der Suchbewegung Beteiligten und von ihr unterschiedlich Profilierten, und es drohen ständige Zerreißproben der Gemeinschaft. Für die Gemeinde auf dem Wege bedarf es darum der dauernden intensiven Bemühung um die Gemeinschaft der Beteiligten in einem geduldigen theologischen Dialog. . . . [6] These 3:

In der Gemeinde von morgen wird es viel Spielraum für gruppenspezifisches Leben und Arbeiten geben müssen. Gruppen entstehen aus unterschiedlichen Motiven (gemeinsame Wahrnehmung einer erkannten Aufgabe, Möglichkeit der offenen Begegnung, Bedürfnis nach dem Erleben von Gemeinschaft, Suchen nach Vertiefung geistlicher Erfahrung usw.). Ohne die Bibel wird es in keiner zugehen. Diese Gruppen werden entsprechend ihrer unterschiedlichen Motivation unterschiedlich geprägt und von unterschiedlicher Intensität und [7] Verbindlichkeit sein (befristete Dienstgruppen, offene Gesprächskreise, familiäre Lebensgemeinschaften, ordensähnliche Kommunitäten). Auf die Dauer wird einer ohne Einbindung in eine tragende Gemeinschaft nicht als Christ existieren können. Damit es nicht zu einem beziehungslosen Nebeneinander der Gruppen kommt, bedarf es planmäßiger, geregelter Zusammenkünfte, in denen sie einander begegnen, miteinander konkreten Dank und konkrete Fürbitte praktizieren und miteinander das Abendmahl feiern. Nur so werden wir vor dem Auseinanderfallen in sich gegeneinander

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abschließende Cliquen bewahrt. Wir bedürfen eines ausreichend großen Vorrates an gemeinsamen Zeichen, um einander sofort als Gemeinde Jesu Christi und als Teil der Weltchristenheit erkennen zu können. Die Gestaltung solcher Zusammenkünfte von Gruppen (Gemeindetage, Gemeindefeste) könnte jeweils von einer von ihnen verantwortet werden. . . . [8] These 4:

Die Gemeinde von morgen wird sich auf erheblich weniger hauptberufliche Mitarbeiter einstellen müssen. Das nötigt sie dazu, Gaben zu entdecken und zu wecken, vorhandenen Gaben Raum zu geben und sie zu fördern. Damit ändert sich Stellung und Aufgabenstellung des Pfarrers. Die Gemeinde unterwegs ist eine Gemeinschaft von miteinander Lernenden: sie möchte in der Bibel heimisch werden und aus ihr leben, so daß jeder imstande ist, das Evangelium selbständig zu verantworten; sie hält sich für neue und überraschende Erfahrungen mit Jesus und seinem Geist offen; sie rechnet mit neuen Einsichten in die Mitteilungsweisen und Aneignungsvorgänge des Evangeliums; sie eignet sich Elemente aus dem geisdichen Reichtum anderer Kirchen an.

... [10] These 5:

Die Gemeinde ist unterwegs inmitten einer Mehrheit von Nichtchristen. Wir sind unterwegs ständig mit ihnen zusammen: bei der Arbeit, in der Nachbarschaft, bei gesellschaftlichen Tätigkeiten, in der Freizeit. Wir werden nicht ablassen können, für sie zu hoffen, daß ihnen Jesus begegnet und sie in Kontakt mit ihm kommen und so das wirkliche Leben finden. Aber wir müssen ihnen auch Rede und Antwort stehen können. Wir werden ihnen dabei helfen, daß es in unserer Gesellschaft vorangeht, so daß alle gern in ihr leben und einer des anderen Freund sein kann. Wir werden uns von ihren Äußerungen Uber uns und ihrer Kritik an uns anfragen lassen, wieso sie diesen Eindruck von uns gewinnen müssen und wo dieser [11] Eindruck ganz einfach stimmt. Insofern arbeiten auch sie mit an der Gemeinde von morgen. . . . [13] These 6:

Die Gemeinde von heute und morgen ist unterwegs zur neuen Stadt (Offb. 21), sie hat „das Reich, da Fried und Freud lacht", da Gott „alles in allem" ist und „alle eins sein" werden, vor Augen. Sie braucht dieses Reich nicht zu schaffen es ist von Gott verbürgt - , aber wir dürfen und sollen im Hinblick auf dieses Ziel und in Entsprechung zu ihm so viel an Einssein, an Gemeinschaft mit anderen Christen praktizieren, daß man es uns glaubt, Weggefährten auf dasselbe Ziel zu sein.

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DOKUMENT 1 3

Johannes Hempel, „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", undatiert KKT-Archiv

Dresden, Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand

„Unterwegs zur Gemeinde von morgen". Dieses Thema ist ein heller, froher Gegenruf gegen die heimliche oder offenbare Sorge vieler Christen, vieler Menschen überhaupt, es könnte mit der Kirche langsam, aber sicher zu Ende gehen. Uber diesen frohen Gegenruf ist in den vergangenen beiden Tagen von vielen Menschen unter verschiedenen Gesichtspunkten nachgedacht worden. Das war wertvoll und wichtig. Aber jetzt sind wir zusammen, und d. h. auch viele, die bei den zwei zurückliegenden Tagen nicht dabei sein konnten. So haben wir die Freiheit, von vorn anzufangen. „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", - was heißt das? 1) Das heißt zuallererst: Es wird für die Kirche Jesu Christi, für unsere chrisdichen Gemeinden ein „Morgen" geben. „Gemeinde von morgen", das ist nicht ein schöner Traum, kein illusionärer Selbstbetrug; das ist ein zutreffender Satz. Es wird Gemeinde Jesu Christi geben in aller Zukunft: Das sagt das Thema zuallererst Und ich spreche dieses Zentrum unseres Kirchentagsthemas nicht einfach nach, sondern ich spreche es vor euch als meine tiefe, persönliche Uberzeugung aus. Solche Überzeugung kann niemand beweisen, so wie man beweisen kann, daß „a plus b größer ist als a". Solche Überzeugung ist eine Glaubensaussage. Glaubensaussagen hängen nicht in der Luft. Sie hängen aber ganz und gar von den biblischen Verheißungen ab. In der Bibel steht direkt und indirekt, viele Male, daß Gott nicht .totzukriegen' ist und daß deshalb auch sein Volk, seine Gemeinde in keiner Zeit und durch niemandes Kraft totzukriegen ist. Wir haben eine lange und reiche Vergangenheit, wir Christen. Wir haben sie nicht, um uns nostalgisch in sie zu versenken. Wir haben sie aber, um uns aus ihr für die Zukunft stärken zu lassen. Die mindestens 3000jährige Geschichte des Volkes Gottes erweist sich jedem auch nur unvoreingenommenen Betrachter als eine einzige Kette von Variationen über dieses Thema: „Gemeinde Gottes und Morgen", „Kirche Jesu Christi und Zukunft" gehören zusammen wie siamesische Zwillinge. Nöte, Lasten, Radosigkeiten, Verzweiflungen, Schuld waren immer drin in der Wirklichkeit des Gottesvolkes. Aber sie wurden durch Gottes Erbarmen [2] zum Segen, und d.h. konkret: Zum Motor für neue Zukunft! 2) Diese Kirche, die Zukunft hat, ist „unterwegs", - sagt unser Kirchentagsthema weiter. Daß christliche Kirche „unterwegs" ist, ist - geschichdich betrachtet - nicht selbstverständlich. Es hat in der Geschichte der Kirche Epochen gegeben, in denen sie einfach ,da war' und ,da blieb', wie ein Block aus Erz, gewaltig, souverän, unantastbar letztlich für jeden. Es hat in der Geschichte der Kirche Epochen gegeben, in denen sie sich von ihrem Standort erheben und auf einen neuen Weg machen mußte. Manchmal tat sie das freiwillig. Meistens aber tat sie es, gedrängt durch außerchrisdiche Kräfte geistig-kultureller oder gesellschaftlicher Art. „Unterwegs-sein" heißt „Aufbruch aus Bewährtem", heißt „Hineingehen in Ungewisses oder zumindest nur halb Gewisses". Das ist immer schwer. Wer

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vertauscht schon gern Bewährtes gegen Riskantes? Das gilt nicht nur wegen unserer menschlichen Trägheit Das gilt gerade auch wegen der uns auferlegten Verantwortung vor Gott, mit den Dingen des Glaubens und des geisdichen Lebens nicht Roulette zu spielen. Man kann sich, wenn man unterwegs ist, ja schließlich auch verirren. Man kann folgenschwere Fehler machen, womöglich Lebendiges töten. Dennoch: Die Kirchengeschichte bestätigt, was die biblischen Verheißungen sagen: Wenn eine Kirche „unterwegs ist", - und wenn sie das nicht aus Leichtsinn ist, sondern weil Gott es durch den Lauf der Zeiten unausweichlich nahelegt, dann ist sie niemals auf dem Wege ins Grab, sondern auf dem Wege in neues Leben. „Unterwegs sein in das Morgen", das paßt zusammen. In unserer Zeit gehört es schicksalhaft zusammen. 3) Freilich: Wo geht es hin? „Unterwegs zur Gemeinde von morgen": Dieser helle Gegenruf enthält für uns alle ja auch Fragen, keine grundsätzlichen, aber konkrete. Wie sieht die Gemeinde von morgen aus? Manches zeichnet sich ab; letzdich weiß heute aber keiner genau, wie die Gemeinde von morgen aussehen wird. Wir müssen überlegen, aber zugleich mit Überraschungen rechnen; wir müssen handeln, aber zur Korrektur bereit bleiben. Wir müssen Ausschau halten, aber unsere Augen sehen nicht allzu weit „Weissagen" ist schwer, ja ist Uberhaupt keine menschliche Möglichkeit Dennoch müssen wir es, mit der inständigen Bitte um Gottes Geist, wagen, tastend, betend. Also: Wohin sind wir unterwegs? Was ist zukunftsbezogen zu vermuten? Vier Dinge . . . : 1. „Die Bibel und ihr Evangelium wird immer wichtiger werden". - Wir werden als Christen in der Zukunft nur leben können (bildlich gesprochen) mit der [ 3 ] Bibel in der Hand und mit ihrem Evangelium in allen Gliedern. Und zwar mit einer Bibel, die zerlesen ist, und mit dem Evangelium, das uns ,durch und durch' gegangen ist Theoretisch ist das eine ganz normale Aussage für evangelische Christen. Praktisch aber ist das gerade für evangelische Christen wieder eine sehr aufregende Aussage geworden. Ich erlaube mir die Frage: Haben wir eine Bibel zu Hause? Viele werden mit Recht antworten: Ja. Aber: Wo steht diese Bibel bei uns zu Hause? Vielleicht im Bücherschrank, oberstes Fach, linke Ecke. Und da steht sie, schmuck, alljährlich entstaubt, sonst aber ohne Bedeutung. Das ist die Lage. Dabei wird es nicht bleiben. Warum nicht? Weil eine Bibel, die nur , Literatur' für mich ist, keinen Sinn hat. Weil wir als Christen nur überleben können mit einer Bibel, die buchstäblich unsere Existenzgrundlage ist. Nun glaube ich. Das wird wieder kommen, daß die Bibel wieder strahlender die uns als chrisdiche Gemeinde tragende Existenzgrundlage wird. Wieso solcher Optimismus? Weil wir, in dem Maße, wie wir kleiner, schwächer werden, auf unsere Grundlagen zurückgeworfen werden. Wer schwächer wird, sucht nach der Basis. Unsere Basis ist die Bibel. Wir Christen werden (ohne unser ,Verdienst', durch Gottes Führung) mehr und mehr vor die harte Alternative gestellt werden: Entweder ihr hört auf, Christen zu sein - oder ihr stellt euch auf eure Basis, eben die Bibel. Indem wir vor diese Alternative gestellt werden, werden wir die Bibel wählen. Warum? Weil wir in der Regel dann, wenn wir wählen ,müssen', das Bessere wählen, ,instinktiv' geradezu. Hier stehen wir

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wieder vor der Glaubensfrage. Die Bibel, ihre Botschaft, ist das Beste für Menschen, die sinnvoll leben wollen. Das hat auch einen Außenaspekt. Andere werden uns fragen: Was wollt ihr eigendich? Wozu seid ihr gut? Letztlich können wir darauf nur antworten: Wir können ohne das biblische Evangelium nicht leben; wir können es nicht und wir wollen es nicht. Das (d. h. nur das) wird man uns abnehmen, wenn wir es ohne Arroganz, aber mit Gewißheit sagen. Es fiel das Stichwort: „Biblisches Evangelium". In der Bibel steht, wie Gott zu uns steht Es steht in der Bibel, daß Gott einiges von uns will und erwartet Gott stellt Ansprüche. Aber vor allen Dingen steht in der Bibel: Gott macht Geschenke, Angebote. Durch das Sterben und Auferstehen Christi macht er uns - vor allen Dingen - das Angebot seines Erbarmens, seiner Freude, seines Friedens. Das sind kostbare Dinge. [4] Die Bibel ist voll von Variationen über Gottes Geschenke, über Vergebung, Freude, Frieden. Sie ist hierin unerschöpflich. Man entdeckt immer Neues. Man wächst immer mehr hinein. Man wird froher dabei. Man kann es sich immer weniger vorstellen, wie man früher ohne das Evangelium leben konnte. Wer mit der Bibel lebt, lebt mit ungehobenen Schätzen ein Leben lang. Das lockt, trägt. Man lernt „Lächeln, Atmen, Schreiten". „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", - d. h. „Unterwegs zur Gemeinde mit der - bildlich gesprochen - zerlesenen Bibel in der H a n d und mit dem frohmachenden Evangelium in allen Gliedern. Das Evangelium unter allen Menschen, die sich das gefallen lassen, bekannt und glaubwürdig zu machen, das ist ,die' zukünftige Hauptaufgabe aller Pfarrer, aller Mitarbeiter, aller Christen. Sie kann gar nicht weit genug angesetzt werden. Sie reicht von den Gottesdiensten (von Gottesdiensten in verschiedenen Formen!) über vielfältige Gruppenabende und Rüstzeiten bis zu Einzelgesprächen. Die Chancen sind unermeßlich. 2. „Die Gemeinschaft unter uns wird immer wichtiger werden". - Wir können beim besten Willen nicht behaupten, daß unsere Kirche (oder die anderen Kirchen in der D D R ) in sich einheitlich wäre. In unseren Gemeinden gibt es sehr unterschiedliche Gruppen mit sehr unterschiedlichem Profil. Es geht uns darin keineswegs anders als den anderen Kirchen. Wir haben genauso Unterschiede zwischen verschiedenen Theologien, verschiedenen Traditionen, verschiedenen Altersgruppen usw. Wir brauchen kein Hehl daraus zu machen, daß das kein Idealzustand ist, sondern vielerlei Spannungen mit sich bringt, die ausgehalten oder ausgetragen werden müssen. Andererseits gilt das bekannte Sprichwort hier auch umgekehrt: „Wo Schatten ist, ist auch Licht". D. h.: Die Vielfalt kirchlicher Aktivitäten in unserer Kirche ist auch ein Zeichen ihres geistlichen Lebens. Nur wer eine eigene Meinung hat, kann einer anderen Meinung widersprechen. Anders gesagt: Wo verschiedene Potenzen sich miteinander ins Verhältnis setzen müssen, da kommt zumindest zu Tage, daß Potenzen da sind. Die ,Stille' ist nicht von vornherein ein Zeichen für geistlich gesunde Gemeinde; solche Stille kann ja auch die ,Totenstille' sein. So möchte ich sagen: Obgleich es für Leute, die kirchenleitend tätig zu sein haben, gelegentlich anstrengend wird, sollten wir der derzeitigen Vielfalt geist-

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lieber Lebensäußerungen gelassen, ja, bis zum Erweis des Gegenteiles mit positiver Erwartung gegenüberstehen. Die Vielfalt christlicher Aktivitäten auch in unserer Landeskirche ist - soweit ich sehe - ein [5] charakteristisches Merkmal unseres tatsächlichen ,Unterwegsseins'. Wer einmal in einer größeren Wandergruppe längere Zeit mitgewandert ist, konnte das sicher auch beobachten, wie verschieden sich die Menschen gerade beim Wandern darstellen: Die einen laufen zügig durch, die anderen halten bei jeder Blume an, die dritten studieren dauernd die Karte, die vierten fragen nach dem nächsten Gasthaus, die fünften unterhalten sich angesichts des schönsten Ausblickes über Strickmuster. Im Ernst: Wir dürfen die geistliche Vielfalt unserer Kirche auch als Zeichen eines bis jetzt vorhandenen, unverdienten Reichtums ansehen. Wir dürfen darauf vertrauen, daß unser aller Herr in uns allen immer wieder die Spreu vom Weizen trennen wird. Aber: Wo Vielfalt ist, entsteht sofort die entscheidende Aufgabe der Gemeinschaft untereinander. ,Kommunikation' nennen wir das heute gern. - Zum Beispiel: Unsere Gemeindeversammlungen (wie gut auch immer sie sein mögen) sind in der Regel ziemlich unpersönlich. Man ist freundlich miteinander, aber man hat doch eigentlich recht wenig miteinander zu tun. Was wissen wir schon wirklich voneinander? Wollen wir das überhaupt? Oder genügt uns nicht in der Regel der punktuelle und sorgfältig abgegrenzte Teil-Kontakt? Das können wir uns nicht mehr allzu lange leisten. Schwerer wiegt, daß zwischen den verschiedenen Gemeindegruppen einer Gemeinde in der Regel zu wenig, ja mitunter gar kein Quer-Kontakt besteht Die eigene Suppe schmeckt eben doch am besten. Was soll man sich mit anderen Gruppen belasten? Leider kann man nicht mehr sagen: Im Gottesdienst sehen sich dann alle. Denn viele, die sich irgendwo zur Gemeinde halten, besuchen dieserhalb noch lange nicht den Gottesdienst Dann muß aber an dessen Stelle der Querkontakt zwischen den verschiedenen Gemeinde-Gruppierungen treten. Diesen zu verwirklichen, ist bei gutem Willen nicht so schwer. Man kann sich besuchen, einladen, berichten, helfen. Hierzu bedarf es nur weniger Menschen, die den Mut und ein bißehen Geschick haben, den Anfang zu machen. Solche Quer-Kontakte sind selbstverständlich nicht nur für die Gruppierungen einer Ortsgemeinde wichtig, sondern auch für die Gemeinden einer Region untereinander. Wir dürfen uns nicht aus den Augen verlieren oder gar links liegen lassen. Die Kirche von morgen wird engere Gemeinschaft suchen und pflegen müssen. Und ich bin überzeugt, sie wird solche engere Gemeinschaft auch finden und praktizieren. Ganz einfach, weil sie „unterwegs" ist. Wir, die wir unterwegs sind, sind stärker aufeinander angewiesen; dort, wo wir einander ergänzen, und auch dort, wo wir einander merkwürdig finden, beide Male. [6] 3. „Das Leben unter Nicht-Christen wird sich als immer lohnender erweisen". Es liegt am Tage, daß wir Christen im Ganzen unserer Gesellschaft nicht mehr die Mehrheit sind. Wir sollten das auch nicht ohne weiteres der atheistischen Grundhaltung unseres Staates anlasten, denn ähnliche Verhältnisse finden sich beispielsweise auch in Norwegen, wo staatskirchliche Bedingungen herrschen und an allen kirchlichen Feiertagen noch die Staatsflagge gehißt wird. Ich verstehe, daß das vielen Christen nicht nur im Blick auf die sogenannte

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langfristige Perspektive' der Kirche Sorge macht, sondern einfach als Phänomen im Innersten unheimlich ist Das liegt an unserer langen, andersartigen, nämlich volkskirchlichen Tradition. Ich habe den Eindruck, daß gerade an dieser Stelle des Traditionsbruches in unseren christlichen Gemeinden viele Sorgen unter uns aufbrechen. Wir sind gerade hier „unterwegs", genötigt zum „Aufbruch aus Bewährtem in Ungewisses". Aber es gibt keine Veränderung für die Kirche, die nicht auch - im geistlichen Sinne des Wortes - ihr Gutes hätte. Denn es gibt keine ,Lage' für uns Christen, die nicht von Gott genehmigt wäre. Inwiefern kann ein christliches Leben unter Nicht-Christen lohnend sein? Ich möchte zwei Aspekte herausgreifen. Einmal tut es jedem gut, wenn er in seiner Art be-, ja hinterfragt wird. Vorwiegend von Zustimmung umgeben zu sein, lähmt die Lebendigkeit der eigenen Überzeugung. Rückfragen nötigen uns, die eigenen Uberzeugungen auf ihre sachliche Wahrheit und auf ihre existentielle Echtheit zu überprüfen. Das mag im Einzelfall schmerzlich sein. Auf lange Sicht wird man dabei aber nicht schwächer, sondern stärker. Außerdem, wenn man gefragt wird, muß man antworten. Wenn man antworten muß, muß man sich um eigene Worte, um Verständlichkeit des Glaubenszeugnisses bemühen. Man muß selber aktiv werden, und eben dies wird auf die Dauer mehr befriedigen, als wenn man allzu freundlich respektiert wird. Wir sind gerade hierin „unterwegs". Wenn ich recht sehe, werden die Christen von den Nicht-Christen in der D D R keineswegs nur hinterfragt, sondern vielmehr auch einfach in ihrem alltäglichen Lebensvollzug betrachtet Wie reagiert er? Wie stellt sie sich dazu? usw. Man erwartet im Normalfall keine großen Sonder-Tugenden. Man hat aber einen scharfen Blick für Echtes und Gekünsteltes im Leben von uns Christen. Und - wenn ich recht sehe - man hat des öfteren einen instinktiven Respekt vor solchen Christen, die in aller Bescheidenheit, aber Direktheit ohne viel Verpackung sagen, daß sie Christen sind und als solche zu leben gedenken. Der zweite Aspekt greift tiefer. Zweifellos bringt es für manche Christen Leiden mit sich, sich als Christen zu bekennen. Man muß gelegentlich einen Pflock zurückstecken. Das ist nicht leicht und kann bitter, zumindest [7] aber traurig machen. Wir brauchen, ja wir dürfen uns das Leiden nicht suchen. Wir brauchen uns aber vor ihm auch nicht zu fürchten. Wenn wir gehorsam bei Christus bleiben, werden wir entdecken, daß wir im Endeffekt nicht schlechter wegkommen, sondern vor Gott innerlich oder äußerlich (oder in beiderlei Hinsicht) entschädigt werden. Wir werden zumindest am Ende scharfsichtiger bzw. hellhöriger bzw. einfach ,klüger' hinsichtlich dessen sein, worauf es im Leben letzdich ankommt, um glücklich zu sein. Und das ist eine wichtige Sache. Hier muß noch etwas hinzugefügt werden. Wer im Umgang mit Nicht-Christen Erfahrung gewinnt, verliert auch die Furcht vor ihnen und wird freier. Indem er aber freier wird, wird er auch fähiger zu entdecken, daß es unter den Nicht-Christen beeindruckende Menschen gibt, von denen man eine Menge lernen kann, ohne seines eigenen Glaubens dadurch ungewisser zu werden. In dieser Richtung sind wir unterwegs oder sollten wir uns auf den Weg führen lassen.

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4. Was ist zukunftsbezogen zu vermuten? - Schließlich: „Die Frage nach dem Ziel menschlichen Lebens wird sich als die Frage aller Menschen herausstellen". Viele Menschen fragen heute (wie immer) nach dem Sinn des Lebens. Sie möchten also gern wissen, wozu das Ganze gut ist Nach meinem Urteil ist aber die Frage nach dem ,Sinn' des Lebens immer noch eine Vorfeld-Frage, hinter der sich die eigentliche Frage verbirgt. Die eigendiche Frage ist die Frage nach dem Ziel allen Lebens. „Wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuert, ist kein Wind der rechte", hat der römische Philosoph Seneca einmal gesagt Nun wissen alle Menschen, welches ,Zief sie ansteuern, nämlich ihr persönliches Ende, irgendwann eines Tages. Und dieses Wissen um die eigene Endlichkeit löst die Frage nach dem ,Sinn' des Ganzen aus. Sie kann deshalb nur beantwortet werden, wenn man zum Ziel des Lebens etwas Besseres zu sagen hat, als daß es eben eines Tages aus ist „Unterwegssein" ist nicht so schlimm. Man muß nur wissen, welches Ziel man ansteuert Dann erträgt sich sofort alles leichter. In jener Frage nach dem Ziel allen Lebens sind wir alle, Christen und NichtChristen, zusammengeschlossen. Wir stellen dieselbe Frage gemeinsam, mit gleicher Intensität Wir Christen haben eine Antwort Unser Ziel ist das ewige Leben bei Christus. Diese Antwort klingt denkbar unwahrscheinlich. Wir Christen selber tun uns schwer damit, und nicht nur auf der Ebene der Vernunft Dennoch liegt hier ein bleibendes und entscheidendes Angebot, das die Christen allen Menschen gerade auch in der Zukunft zu machen haben: Das Zeugnis vom Ziel des Lebens in der Ewigkeit Vielleicht denken jetzt manche: Etwas Unpopuläreres kann er eigendich nicht sagen. Dennoch: Die Frage nach dem positiven letzten Ziel be-[8]drängt alle. Sie bricht an vielen persönlichen und gesellschaftlichen Stellen hervor; sie wird noch öfter verdrängt Und sie ist eine Frage, angesichts derer Christen und Nicht-Christen auf jeden Fall solidarisch sind. Also: „Unterwegs zur Gemeinde von morgen", d. h., wir haben, bekommen und behalten unser Christsein nicht billiger, als daß wir für uns und für andere auf die elementarste aller Fragen, die Frage nach dem Ziel des Lebens, eine befreiende Antwort zu geben und zu leben versuchen. Wenn ich weiß, daß der Tod nicht das Ende, sondern die Schwelle zum Leben ist, dann lösen sich viele Verklemmungen und Sorgen wie von selbst Zweifellos, hier sind wir Christen wirklich ,nur' „unterwegs". Aber eben das macht das „Unterwegssein" spannend und verlockend und bindet uns überdies mit den Nicht-Christen zusammen. Abschließend noch ganz praktisch: Wie es mit der Gemeinde von morgen, auf die hin wir unterwegs sind, weitergeht, das hängt letztlich nicht von Zahlen, gleich gar nicht von Machtfragen, auch nicht von kirchenleitenden Gremien jedweder Art, sondern von euch, von uns allen ab. Daß es mit der Kirche weitergeht, darum brauchen wir uns nicht zu sorgen. Wie es mit der Kirche weitergeht, das hängt von uns ab, von jedem, wie auch immer er zur Zeit zum chrisdichen Glauben steht

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Rat des Bezirkes Dresden. Referat Kirchenfragen (Lewerenz), Einschätzung des Verlaufs und der Ergebnisse des Kirchentagskongresses und des Kirchentages der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 30.5.-1.6.1975, Dresden, 4.6.1975 SHStA, BT/RdB Dresden, 45088, BL 14-17 Alle Veranstaltungen des Kongresses und des Kirchentages konnten informauonsmässig abgesichert werden, auch die Arbeitsgruppen. Dabei kam es weder vom Inhalt her, noch vom Auftreten der Teilnehmer zu Störungen oder offenen Angriffen. Das heiß jedoch nicht, da£ es keine pauschalen Klagen oder kleine Gehässigkeiten gab. Offensichtlich wurde die Konzeption, die von kirchenleitenden Kräften in Aussprachen mit Vertretern des Staates vor dem Kirchentag beteuert wurde, keine Konfrontation herbeifuhren zu wollen, strikt eingehalten. In den meisten Veranstaltungen wurden offizielle Dankesworte für die Staatsorgane gefunden, die den Kirchentag genehmigt und wichtige Unterstützung gegeben hätten. Die Thematik der Veranstaltungen „Unterwegs zur Gemeinde von morgen" befaßte sich (in Fortsetzung der Synodendiskussion) mit den Problemen und Sorgen der kleiner werdenden Gemeinden und mit den Möglichkeiten und Formen, dieser Situation zu begegnen. In den Arbeitsgruppen des Kongresses wurde dabei das Thema von verschiedenen Aspekten aus angegangen, wobei im allgemeinen eine vorgegebene Zielrichtung fehlte und die Konstruktivität der einzelnen Arbeitsgruppen unterschiedlich war. Es gab auch keine Festlegungen irgend welcher Art als Ergebnis der Arbeitsgruppentätigkeit, ausgenommen die Empfehlung im Schlußwort von Präses Cieslak, die Referate der Bischöfe Krusche und Hempel in den Gemeinden auszuwerten. (Vortrag von Hempel liegt noch nicht vor). Folgende Probleme, die in verschiedenen Veranstaltungen eine Rolle spielten, sind besonders hervorzuheben: (1)Die kleiner werdende Gemeinde darf sich nicht isolieren, sie muß „offen" bleiben und ihre missionarische Arbeit fortsetzen, wenn sie als Gemeinde am Leben bleiben will. [2] Der Christ muss an jedem Platz Vorbild sein und darf seinen Glauben nicht verheimlichen. Der Christ muß so auftreten, daß er auch von Nichtchristen respektiert wird und geachtet wird. Er darf sich den gesellschaftlichen Aufgaben nicht verschließen. (2) Die Gemeinde muß in sich fester werden (Gemeinde als „Familie Gottes"), muß aber gleichzeitig auch übergemeindliche, vor allem ökumenische Arbeitsformen finden und fördern. Die Vielfalt der Formen ist zu nutzen. (3) Die Christen dürfen den Atheisten nicht aus dem Wege gehen, sie müssen sich der Diskussion stellen und ihren Glauben mit Sachkenntnis vertreten. Die Meinung der Atheisten zu Fragen des kirchlichen Lebens ist zu hören und selbstkritisch zu verarbeiten. Auch unter Atheisten gibt es hervorragende Menschen, die Vorbild für andere sind. (4) Die Menschen stehen unter Leistungszwang, es gibt zu wenig Ruhepunkte im Leben. Die Christen müssen sich die Zeit der Besinnung nehmen, um das Gespräch mit Gott zu führen.

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Von den genannten Hauptproblemen dürfte das unter (3) genannte zumindest neue Aspekte aufweisen. Den genannten Problemen waren auch die nichtgottesdienstlichen Veranstaltungen und Maßnahmen des Kirchentages selbst (Auftritte von Spielgruppen usw., „Zentren kreativen Handelns") zugeordnet Alle Veranstaltungen verliefen diszipliniert. Es kam weder zu Verkehrsstörungen noch zu Ansammlungen außerhalb kirchlichen Geländes. Eine „Protestaktion" gegen die Absetzung einer Veranstaltung mit einer Gruppe aus Bühlau (entfalten eines Protestplakates) blieb auf die Annenkirche beschränkt Die Absetzung erfolgte aus rein theologischen Gründen (Abendmahl mit Kindern). Hinsichdich der Teilnehmerzahl konnte die Kirchenleitung ihr Vorhaben nicht erfüllen. Geplant waren 3.000 Kongreßteilnehmer, tatsächlich anwesend waren ca. 1.500, geplant: 20.000 Kirchentagsteilnehmer, anwesend: ca. 10.000. Trotzdem reicht die Zahl von 10.000 Teilnehmern aus, um bei den Anwesenden einen Eindruck von Stärke hinterlassen zu haben. (Zu ergänzen ist, daß die Zahl von 10.000 nur zu Beginn [3] der Sonntagsveranstaltungen erreicht wurde, danach setzte ein starkes Abwandern in die Stadt ein, so daß im Luthergarten die ursprüngliche Anzahl von ca. 6000 auf 2000 gegen 10.30 U h r reduziert war). Am Empfang am 31.5.1975 nahmen von staatlicher Seite teil: Leiter des Referates Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes, Stadtrat für Inneres a b Vertreter des Oberbürgermeisters der Stadt Dresden. Von kirchlicher Seite waren ca. 45 Personen anwesend, darunter der Präses der Bundessynode, die Gäste aus anderen Landeskirchen, und ein Teil der Kirchenleitung der Sächsischen Landeskirche mit Bischof Hempel, Dr. Johannes, Domsch, Cieslak und Schnerrer. Der Bischof und der Präses hielten kurze Ansprachen, in denen auch den staatlichen Stellen für ihre Unterstützung gedankt wurde. In einem persönlichen Gespräch legte Präses Cieslak dem Stadtrat Jörke seine Gedanken zur Rolle des Bischofs und des Präses dar. (Der Inhalt wie in Aktennotiz vom 16.5.75). Verstösse gegen Bestimmungen und Absprachen gab es durch Herstellung und Verteilung von Tonplaketten (mit Band zum Anhängen) und Stoffanhängern ohne Genehmigung. (Hierzu wird mit Präses Cieslak eine ernste Aussprache geführt) Schlußfolgerungen : 1. Die Bemühungen verantwortlicher Vertreter der Kirchenleitung, keine Verschärfung im Verhältnis zum Staat aufkommen zu lassen, sowie die in Vorbereitung des Kongresses und des Kirchentages geführten Differenzierungsgespräche und Kontakte auf allen Ebenen bilden eine gute Grundlage für die weiterführende Differenzierungsarbeit. Deshalb ist das System der Gesprächspartner zu stabilisieren und auszubauen. Insbesondere ist zum künftigen Präsidenten des Landeskirchenamtes ein fester Kontakt herzustellen. Des weiteren sind die Kontakte zu all denen zu erweitern, die dem Bischof zu einer positiven Position Rückhalt geben können. [4] 2. Die Absicht, die Marxisten und Atheisten anzuhören und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, sollte Veranlassung sein, darauf in Veranstaltungen der

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Staatsorgane zu orientieren und vorzubereiten. Wir halten es für zweckmässig, daß das auch in der Parteiarbeit beachtet wird, besonders auch deshalb, weil die verstärkte kirchliche Einflußnahme auf Neubaugebiete zielt. 3. Die anlässlich der Einschätzung der Frühjahrssynode 1975 formulierten Schlußfolgerungen sind konsequent durchzusetzen. Lewerenz [m.p.]

PLAKATE Plakatentwurf des Leipziger

Graphi-

kers Matthias Klemm für den 1 9 6 8 geplanten Landeskirchentag (1. P l a t z im Plakatwettbewerb) Der Entwurf fand wegen staadicherseits verweigerter Druckgenehmigungen auf dem Kongreß und Kirchentag 1968 keine Verwendung

UNTERWEGS ZUR GEMEINDE VON MORGEN

Titelseite des P r o g r a m m s für den K o n g r e ß und Kirchentag 1 9 7 5 in Dresden Das Motiv ging auf einen Entwurf des Leipziger Graphikers Matthias Klemm zurück, für den dieser 1975 den 1. Preis im Plakatwettbewerb erhielt (die Grundfläche ist im Original lilafarben; für seine Verwendung auf den Arbeitsmappen wurde ein grüner Grundton gewählt).

KIRCHENTAGSKONGRESS UND KIRCHENTAG 3 0 . M A I - 1 J U ΝI 7 5 D R E S D E N

ABKÜRZUNGEN

AG AIM AL AO AOP ASt

Arbeitsgruppe Archivierter IM-Vorgang (MfS) Abteilungsleiter Anordnung Archivierter Operativer Vorgang (MfS) Außenstelle

BArch Bundesarchiv BdVP (-E) Bezirksdienststelle des Deutschen Volkspolizei (Abteilung Erlaubniswesen) Bez. Bezirk BL Bezirksleitung (SED) BPA Bezirksparteiarchiv (SED) BRD Bundesrepublik Deutschland BStU Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR BT Bezirkstag BV Bezirksverwaltung (MfS) CDU CS(S)R

Chrisdich-Demokratische Union Deutschlands Tschechoslowakische (Sozialistische) Republik

DA DDR DEKT DRK

Deutschland Archiv. Zeitschrift für das vereinigte Deutschland Deutsche Demokratische Republik Deutscher Evangelischer Kirchentag Deutsches Rotes Kreuz

EKD EKiBB EKT ena

Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg Evangelischer Kirchentag Evangelischer Nachrichtendienst in der Deutschen Demokratischen Republik Evangelische Studentengemeinde Evangelisches Zentralarchiv

ESG EZA FDGB FDJ FIM

Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Freie Deutsche Jugend Inoffizieller Mitarbeiter zur Führung anderer inoffizieller Mitarbeiter (MfS)

Abkürzungen

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Frd.

Freund (CDU)

Gbl. DDR Gen(n). Gl GHG GHI GKR GM GO GST GVS

Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik Genösse (Genossin) Geheimer Informator (MfS) Großhandelsgesellschaft Geheimer Hauptinformator (MfS) Gemeindekirchenrat Geheimer Mitarbeiter (MfS) Grundorganisation Gesellschaft für Sport und Technik Geheime Verschlußsache

HA HAL HO Hptm. HV

Hauptabteilung, Haupt-Ausschuß Hauptabteilungsleiter Handelsorganisation Hauptmann Hauptverwaltung

IM 1MB

Inoffizieller Mitarbeiter (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter der Abwehr mit Feindverbindung bzw. zur unmittelbaren Bearbeitung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter für einen besonderen Einsatz (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter der inneren Abwehr mit Feindverbindungen zum Operationsgebiet (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereiches (MfS) Inoffizieller Mitarbeiter, der unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen mitarbeitet (MfS)

IME IMF IMK IMS IMV

KD KiS

Kreisdienststelle (MfS) Kirche im Sozialismus. Materialien zu Entwicklungen in der DDR, hg. von der Berliner Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Publizistik KKL Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen KKR Kreiskirchenrat KKT-Archiv Kongreß und Kirchentag in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Archiv KL Kreisleitung (SED) Kirchenleitung KP Kontaktperson (MfS) KTK Kirchentagskongreß KVG Kraftverkehrsgesellschaft KW Konspirative Wohnung (MfS)

Abkürzungen

492 LA (LA.) LKA MA MdF Mdl MDN MfK MfS MG MLHA m.p.

Landesausschuß Landeskirchenamt Mitarbeiter Ministerium der Finanzen Ministerium des Innern Mark der Deutschen Notenbank Ministerium für Kultur Ministerium für Staatssicherheit Missionarische Gruppe Mecklenburgisches Landeshauptarchiv (Schwerin) manu propria (eigenhändig)

NF NSW NVA

Nationale Front Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet Nationale Volksarmee

OB OibE OKR OLKR ORK

Oberbürgermeister Offizier im besonderen Einsatz (MfS) Oberkirchenrat Oberlandeskirchenrat Ökumenischer Rat der Kirchen

PB PR

Politbüro Persönlicher Referent

RdB RdK Rep.

Rat des Bezirkes Rat des Kreises Repertorium

SAPMOBArch SED SHStA SStA StfK StOBI StUG

Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der D D R im Bundesarchiv Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sächsisches Hauptstaatsarchiv (Dresden) Sächsisches Staatsarchiv (Chemnitz, Leipzig) Staatssekretär für Kirchenfragen Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz)

TOP

Tagesordnungspunkt

Ufrd.

Unionsfreund (CDU)

VD VdN VIM

Vertrauliche Dienstsache Verfolgte(r) des Naziregimes Vorlauf-IM (MfS)

Abkürzungen

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VP VP ΚΑ VR

Volkspolizei Volkspolizei-Kreisamt Volksrepublik

ZA ZdZ

Zentralarchiv Die Zeichen der Zeit. Evangelische Monatszeitschrift für Mitarbeiter der Kirche Zentralkomitee (SED) Zugangsnummer Zentrales Parteiarchiv (SED)

ZK ZNr. ΖΡΑ

QUELLEN UND

Gespräche

mit

LITERATUR

Zeitzeugen

Gespräch mit Oberkirchenrat i. R. Dr. Siegfried Bräuer am 21.5.1997 in Berlin Gespräch mit Synodalpräsident i. R. Johannes Cieslak am 22.11.1996 in Seifhennersdorf Gespräch mit Landesbischof i. R. Dr. Johannes Hempel am 11.11.1996 in Dresden Gespräch mit Frau H a n n a Kahl am 7.11.1996 in Oberfrauendorf Gespräch mit Superintendent i. R. Dietrich Mendt am 5.11.1996 in Dresden Von den Gesprächen wurden autorisierte Niederschriften angefertigt, deren Original sich beim Autor befindet Landesbischof i. R. Dr. Hempel und Superintendent i. R. Mendt ergänzten ihre Ausführungen noch durch weitere Zusatzinformationen (Dr. Johannes Hempel, Schreiben an den Autor vom 4.3.1998; Dietrich Mendt, Schreiben an den Autor vom 5.3.1998).

Ungedruckte

Quellen

Bundesarchiv, Berlin (BArch Berlin) Bestand D O 4, Staatssekretär f ü r Kirchenfragen: Nr. 363, 400, 401, 412, 422, 423, 429, 433, 554, 555, 595, 596, 650, 663, 664, 836, 937, 952, 1122, 1206, 1940, 2393, 2550, 2637, 2673, 2687, 2727, 2789, 2926, 2928, 2931, 2936, 2963, 2964, 2968, 2969 Bestand D R 1, Ministerium f ü r Kultur: Nr. 2544 Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) Zentralarchiv: A I M 1377/62, A / 1 5 ; A I M 3043/86, I I / 3 ; AS 170/61, И / 1 Außenstelle Chemnitz: C - A K G 31b, PI 135/63; C - A K G 54, PI 56c/75; X X , 378; X X , 576; X X , 737 Außenstelle Leipzig: A I M 3498/92, I I / 3 Außenstelle Dresden: A I M 1193/83, 1/1; A O P 1884/80, II Außenstelle Schwerin: AIM 1240/80, A / l Evangelisches Zentralarchiv, Berlin (ETA) Bestand 9 5 / 9 3 , Deutscher Evangelischer Kirchentag: Nr. 2, 3, 7, 8, 33, 49, 51, 53, 54, 55, 56, 58, 59, 60, 76, 81, 83, 86, 88, 89, 102, 104 Bestand 101, Sekretariat des Bundes des Evangelischen Kirchen in der D D R : Nr. 101, 549 Bestand 102, Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der D D R : N r . 12, 335, 338, 374

Quellen und Literatur

495

Bestand 104, Kirchenkanzlei der EKD für die Gliedkirchen in der DDR; Nr. 24, 25, 155, 156, 157, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 166 Evangelisch-LutheHsches Landeskirchenamt Sachsens, Landeskirchenarchiv (Landeskirchenarchiv Dresden) Bestand 1, Evangelisch-Lutherische Landessynode Sachsens: Nr. 2, 119 Bestand 2, Evangelisch-Lutherisches Landeskirchenamt Sachsens: Nr. 1018, 2062, 206119, 610193 Kongreß und Kirchentag in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (KKT-Archiv Dresden) Bestand der Geschäftsstelle Kongreß und Kirchentag in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Landesausschuß (unnumeriert): Band: Kirchentagskongreß, Landesausschuß 1968-1970 Band: Kirchentag 1968: Kongreß 26-/27.4.1969 und 25У26.10.1969 Band: LKT 68 Kirchentag Band: Kirchentag 1968: DEKT, Landeskirchentag 1968 Band: Kirchentag 1968: Referate (Thesen) Band: Kirchentag 1968: Plakatwettbewerb Band: Kirchentag 1968: Referenten (alt) Band: Kirchentag 1968: Referenten (neu) Band: Kirchentag 1968: Sonstiges Band: Kirchentagskongresse 1972: Landesausschuß Görlitz Band: Kirchentagskongresse 1972: Thematik, Modellgnippen Band: Kirchentagskongresse 1972: Material Meerane 1972 Band: Kirchentagskongresse 1972: Die missionarische Gruppe Band: KT 1974/75: Referate 1968 Band: KT 1974/75: Kirchentage 1974/75 in anderen Landeskirchen Band: KT 1974/75: Evangelischer Kirchentag, 7.-9.Juni 1974 in Magdeburg Band: Gesprächsleiter-Zurüstung 1971-1973 Band: Korrespondenz 1971 Band: Kirchentagskongreß Dresden, 6./7.11.1971 Band: Regionalkongresse 1970/71: Kongreß 1970-1972, Listen Band: Regionalkongresse 1970/71: Referate, Kirchentagskongresse 71 Band: Regionalkongresse 1970/71: Regionalkongresse in Görlitz und Dresden 1971/ 72/73 Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Kirchentagskongreß Dresden 15.-17.Juni 73 (Vorbereitungskreis) Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Leipzig Verschiedenes, Regionalkongreß 1973 Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 (I) Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Leipzig 1973 Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Manuskripte, Berichte Leipzig Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Dresden 1973 (II) Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Manuskripte 73 Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Verschiedenes zu Leipzig 73, Beurteilungen Gesprächsgruppenleiter Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Themenkonvent Band: KTK Dresden, Leipzig 1973: Berichte, Schlußwort, Vortrag, Predigt Band: Regionaltreffen 1974: Bautzen, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Zwickau, Görlitz (Niesky u. Ruhland) Band: Regionaltreffen 1974: Oschatz

496

Quellen und Literatur

Band: Regionaltreffen 1974: Dresden Band: KTK Dresden 1975: Gesprächsgruppenleiter Band: KTK Dresden 1975: Protokolle Organisationsausschuß Band: KTK Dresden 1975: Orts-General-Ausschuß Band: KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppenleiter 1975 Band: KTK Dresden 1975: Arbeitsgruppen-Papiere, Unterthemen Band: KT-Protokolle Band: Pfarrertagung 1971 Band: Korrespondenz 1970 Band: Konferenz der Landesausschüsse des Ev. Kirchentages in der D D R Band: Korrespondenz 1973/74 Band: Protokolle (KT 1975) Band: Vervielfältigungsgenehmigungen LKA und Belegexemplare Band: l.Juni 1975, Gruppe Dr. Bräuer Band: LA-Ausschuß, Richter Band: Fernkursus Gruppenbibelarbeit, Dez. 1970 - Mai 1971 Band: Fernkursus stud. chrisL, Kurs 1 - 3 Kirchentag 1975: Ergänzungsbestand (ungeordnet)

Mecklenburgisches Landeshauptarchiv, Schwerin (MLHA) Bestand В PA IV 2/14, SED-Bezirksleitung Schwerin, Kirchenfragen: Nr. 1676 Bestand Bezirkstag und Rat des Bezirkes Schwerin, Sektor Kirchenfragen: Nr. 4149 Privatarchiv Johannes Cieslak, Seiftiennersdorf Zahlreiche Unterlagen zu den Kirchentagsveranstaltungen 1968 und 1975 sowie umfangreiches Pressematerial Privatarchiv Hanna Kahl, Oberfrauendorf Unterlagen aus den Jahren 1974 und 1975 Privatarchiv Dietrich Mendt, Dresden Hinige Unterlagen zum Kongreß „missio heute" Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Dresden (SHStA) Bestand BPA IV А 2/14, SED-Bezirksleitung Dresden (1963-1967), Kirchenfragen: Nr. 586 Bestand BPA IV В 2/14, SED-Bezirksleitung Dresden (1968-1971), Kirchenfragen: Nr. 635, 636, 637 Bestand BPA IV С 2/14, SED-Bezirksleitung Dresden (1972-1976), Kirchenfragen: Nr. 680, 682 Bestand BPA IV А 2/3.091, SED-Bezirksleitung Dresden (1963-1967), Führungstätigkeit: Nr. 6 Bestand BPA IV В 4/10, SED-Kreisleitung Meißen (1968-1971): Nr. 108 Bestand BPA IV В 5/01, SED-Staddeitung Dresden (1968-1971): Nr. 274 Bestand Bezirkstag und Rat des Bezirkes Dresden, Sektor Kirchenfragen: Nr. 25079-1, 26603, 26604, 28439, 28441, 29702-1, 41689, 41698, 45074, 45078, 45079, 45082, 45088, 45933, 47520

Quellen und Literatur

497

Sächsisches Staatsarchiv, Chemnitz (SStA Chemnitz) Bestand Bezirkstag und Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, Sektor Kirchenfragen: Nr. 3330, 48605 Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR im Bundesarchiv, Berlin (SAPMO-BArch) Bestand DY 30/IV 2/14, ZK der SED, Kirchenfragen (1946-1962): Nr. 60 Bestand DY 30/IV A 2/14, ZK der SED, Kirchenfragen (1963-1971): Nr. 2, 17 Bestand DY 30/J IV 2/2, ZK der SED, Politbüro, Reinschriftprotokolle: Nr. 737, 769, 774, 1157 Bestand DY 30/J IV 2/2A, ZK der SED, Politbüro, Arbeitsprotokolle: Nr. 1281 Bestand DY 30/J IV 2/3, ZK der SED, Sekretariat, Reinschriftprotokolle: Nr. 1609 Bestand DY 30/J IV 2/3A, ZK der SED, Sekretariat, Arbeitsprotokolle: Nr. 1847 Bestand NY 4281, Nachlaß Paul Vernen Nr. 117

Gedruckte Quellen Kirchliches Jahrbuch für die Evangelische Kirche in Deutschland. Begründet von Johannes Schneider. Herausgegeben von Joachim Beckmann, 1961 ff., Gütersloh 1963 ff. Ordnung des Evangelischen Kirchentages in der Deutschen Demokratischen Republik. Vom März 1972/16. November 1974, in: Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland 30 (1976), S. 384-385 BESIER, GERHARD / WOLF, STEPHAN (Hgg.): „Pfarrer, Christen und Katholiken". Das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR und die Kirchen (Historisch-Theologische Studien zum 19. und 20.Jahrhundert [Quellen], Band 1), Neukirchen-Vluyn 21992 D O H L E , HORST: SED und Kirche. Eine Dokumentation ihrer Beziehungen, Band 2: SED 1968-1989 (Historisch-Theologische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert [Quellen], Band 2/2), herausgegeben von Frederic Hartweg, NeukirchenVluyn 1995 HEISE, JOACHIM: SED und Kirche. Eine Dokumentation ihrer Beziehungen, Band 1: SED 1946-1967 (Historisch-Theologische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert [Quellen], Band 2/1), herausgegeben von Frederic Hartweg, NeukirchenVluyn 1995 HÖLLEN, MARTIN: Loyale Distanz? Katholizismus und Kirchenpolitik in SBZ und DDR. Ein historischer Uberblick in Dokumenten, Band 2: 1956-1965, Berlin 1997 [KONGRESS UND KIRCHENTAG IN DER EV.-LUTH. LANDESKIRCHE SACHSENS]: Kirchentagskongreßarbeit, Kirchentagsarbeit, [Dresden 1978] [DERS.]: Stud, christ Ein Fernstudium in einzelnen Kursen, [Dresden 1978] DERS.: Kongreß und Kirchen tagsarbeit. Bericht vom Kongreß und Kirchentag Dresden 1983, [Dresden 1984] DERS.: Wegmarken. Vom Kongreß und Kirchentag in Leipzig 1989, [Dresden 1989]

498

Quellen und Literatur

[DERS.]: Die Kongreß- und Kirchentagsarbeit in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, [Dresden 1993]

Monographien,

Aufsätze,

Lexika

Der SED-Staat und die Kirche. Der Weg in die Anpassung, München 1993 DERS.: Der SED-Staat und die Kirche 1969-1990. Die Vision vom „Dritten Weg", Berlin/Frankfurt am Mai 1995 DERS.: Der SED-Staat und die Kirche 1983-1991. Höhenflug und Absturz, Berlin/Frankfurt am Main 1995 BRAUCKMANN, ROLAND / BUNZEL, CHRISTOPH: Rückblick. Die evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes, die Einflußnahme des MfS und der DDR-Staat 1970-1994, Görlitz 1995 BRÄUER, SIEGFRIED: Das Zensurverfahren bei der Festschrift zur Tausendjahrfeier des Bistums Meißen, in: Herbergen der Christenheit. Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte 18 (1993/94), hg. v. Günther Wartenberg, Leipzig 1994, S. 131-146 DERS.: Friedrich-Wilhelm Krummacher, in: Profile des Luthertums. Biographien zum 20. Jahrhundert, hg. v. Wolf-Dieter Hauschild (Die Lutherische Kirche, Geschichte und Gestalten, Bd. 20), Gütersloh 1998, S. 427-462 D A H N , H O R S T / H E I S E , JOACHIM: Luther und die DDR. Der Reformator und das DDR-Fernsehen 1983 (Rote Reihe), Berlin 1996 BESIER, G E R H A R D :

EPPELMANN, R A I N E R / M Ö L L E R , H O R S T / N O O K E , G Ü N T E R / W I L M S ,

DoROTHEE(Hgg-):

Lexikon des DDR-Sozialismus. Das Staats- und Gesellschaftssystem der Deutschen Demokratischen Republik (Studien zur Politik, Band 29), Paderborn/München/Wien/Zürich 1996 EVANGELISCHE AKADEMIE GÖRLITZ (Hg.): Die evangelische Kirche im Görlitzer Kirchengebiet im SED-Staat Beobachtungen, Analysen, Dokumente (Studien zur Schlesischen und Oberlausitzer Kirchengeschichte 2), Düsseldorf/Görlitz 1997 G E H R E , HERBERT: Das Evangelium lernt sich nur im Gehen, in: Umschau '74. Evangelische Christen in der DDR. Zwischenbilanz in 40 Streiflichtern, hg. im Auftrage der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin v. Brigitte Grell, Christa Grengel, Paul Toaspern und Rose-Maria Raatz, Berlin-Ost 1974, S. 40-44 HELTAU, SIBYLLE: Kirchentagsarbeit in der DDR, Stationen auf dem Weg zur Eigenständigkeit, in: KiS 5/75, S. 24-30 HERBST, A N D R E A S / RANKE, W I N F R I E D / WINKLER, J Ü R G E N : So funktionierte die DDR, Band 1-2: Lexikon der Organisationen, Band 3: Lexikon der Funktionäre, Reinbek 1994 JACOB, G Ü N T E R : Die Zukunft der Kirche in der Welt des Jahres 1 9 8 5 , in: ZdZ 2 1 (1967),

S. 4 4 1 - 4 5 1

Unsere Kirche unterwegs, in: Mit der Kirche unterwegs. Von den Chancen synodaler Arbeit heute. Johannes Cieslak zum 60. Geburtstag [1974] (unveröffentlicht) DIES.: Kongreß und Kirchentag, in: Kirche in Sachsen. Wirkungen des Evangeliums zwischen Elster und Neiße, hg. v. Dieter Auerbach und Klaus Stiebert im

KAHL, HANNA:

Quellen und Literatur

499

Auftrag des Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenamtes Sachsens, BerlinOst 1990, S. 118-125 KiF.IMINGER, MATTHIAS: Zur Geschichte der Kirchentagsbewegung in Mecklenburg (als Manuskript vervielfältigt) KLIEM, MANFRED / ROEBER, KLAUS / WIEDEMEYER, MALTE: Glauben ist Ermutigung zum Handeln. Altbischof Forck im Gespräch (Ernst-Lange-Institut für ökumenische Studien, Außer der Reihe, Band 4), Rothenburg 1996 KRÜGER-HAYE, H O R S T / LANGE, SIEGFRIED / LENT, IRMGARD / MÜLLER-UIBRJG, HANS-

JOACHIM: Evangelischer Kirchentag in der D D R . Dokumentation 1962-1978, Februar 1979 (als Manuskript vervielfältigt) KRUSCHE, WERNER: Das Missionarische als Strukturprinzip, in: D E R S . , Schritte und Markierungen. Aufsätze und Vorträge zum Weg der Kirche, Berlin-Ost 2 1972, S. 109-124 DERS.: Die Kirche für andere. Der Ertrag der ökumenischen Diskussion über die Frage nach Strukturen missionarischer Gemeinden, in: DERS.: Schritte und Markierungen. Aufsätze und Vorträge zum Weg der Kirche, Berlin-Ost 2 1972, S. 133-175 DERS.: Missio - Präsenz oder Bekehrung?, in: DERS.: Schritte und Markierungen. Aufsätze und Vorträge zum Weg der Kirche, Berlin-Ost 2 1972, S. 176-200 LENT, IRMGARD: Evangelischer Kirchentag in der D D K Dokumentation I L Zeitraum 1979-1982, Dezember 1982 (als Manuskript vervielfältigt) LOFFLER, KATRIN: Die Zerstörung. Dokumente und Erinnerungen zum Fall der Universitätskirche Leipzig, Leipzig 1993 MARGULL, H A N S JOCHEN (Hg.): Mission als Strukturprinzip. Ein Arbeitsbuch zur Frage missionarischer Gemeinden, Genf 1965 MAU, RUDOLF. Eingebunden in den Realsozialismus? Die Evangelische Kirche als Problem der S E D (Sammlung Vandenhoeck), Göttingen 1994 DERS.: Probleme der Regionalisierung der Berlin-Brandenburgischen Kirche, in: Herbergen der Christenheit 2 0 ( 1 9 9 6 ) , S . 1 4 5 - 1 5 4 MECHTENBERG, THEO: Briefwechsel polnischer und deutscher Bischöfe 1 9 6 5 . Die Reaktion der Machthaber in der D D R , in: DA 28 (1995), S. 1146-1152 M E N D T , DIETRICH: Der Auftrag bestimmt die Gestalt der Gemeinde. Gemeindekonzeptionen in der evangelischen Kirche der D D R , in: Herbergen der Christenheit 20 (1996), S. 172-179 N E S S , DIETMAR: In Görlitz und Dresden: zwei theologisch-politische Vorträge von Bischof D. Frankel im Jahre 1973 und die Reaktion des Staates, in: Die evangelische Kirche im Görlitzer Kirchengebiet im SED-Staat Beobachtungen, Analysen, Dokumente (Studien zur Schlesischen und Oberlausitzer Kirchengeschichte 2), hg. Von der Evangelischen Akademie Görlitz, Düsseldorf / Görlitz 1997, S. 47-71 NEUBERT, EHRHART: Geschichte der Opposition in der D D R 1 9 4 9 - 1 9 8 9 (Forschungen zur DDR-Gesellschaft), Berlin 1997 RATZMANN, WOLFGANG: Missionarische Gemeinde. Ökumenische Impulse für Strukturreformen (Theologische Arbeiten, Band X X X I X ) , Berlin-Ost 1980 SCHÖNHERR, ALBRECHT: . . . aber die Zeit war nicht verloren. Erinnerungen eines Altbischofs, Berlin 1993

500

Quellen und Literatur

Auf schmalem Grat. Aus dem Leben eines Pastors in der D D R , Berlin 1994 SCHRÖDER, Orro / PFTCR, H A N S - D E T L E F (Hgg.): Vertrauen wagen. Evangelischer Kirchentag in der DDR, Berlin 1993 SCHROETER, HARALD: Kirchentag als vor-läufige Kirche. Der Kirchentag als eine besondere Gestalt des Christseins zwischen Kirche und Welt (Praktische Theologie heute, Band 13), Stuttgart/Berlin/Köln 1993 SCHRÖTER, ULRICH / ZEDDIES, HELMUT(Hgg.): Nach-Denken. Zum Weg des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Im Auftrag des Kirchenamtes der EKD für die Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der Vergangenheit herausgegeben von Ulrich Schröter und Helmut Zeddies (GEP Buch), Hannover 1995 V I S S E R T H O O F T , WILLEM A. (Hg.): Neu-Delhi 1961. Dokumentarbericht über die Dritte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, Stuttgart 2 1962 WEBER, H A N S - R U E D I : Die missionarische Gemeinde von morgen, in: ZdZ 12 (1958), S. 83-89 DERS.: Mündige Gemeinde. Vom Dienst des Laien in der Kirche, in: ZdZ 14 (1960), S. 207-215 WEIZSÄCKER, RICHARD VON: Vier Zeiten. Erinnerungen, Berlin 1997 WILLIAMS, C O L I N W . : Gemeinden für andere. Orientierung zum kirchlichen Strukturwandel. Eingeleitet von Hans Jochen Margull, Stuttgart 1965 ZEDDIES, H E L M U T / G Ü N T H E R , R O L F - D I E T E R (Hgg.): Gott über alle Dinge. Begegnungen mit Martin Luther 1983. Herausgegeben im Auftrag des Lutherkomitees der Evangelischen Kirchen in der DDR, Berlin-Ost 1984 ZIMMERMANN, W O L F - D I E T E R : Kurt Scharf. Ein Leben zwischen Vision und Wirklichkeit, Göttingen 1992 SCHRÖDER, O T T O :

PERSONENREGISTER Nicht berücksichtigt sind Autoren sowie Personen, die lediglich in den Quellennachweisen, den Programmübersichten oder im Dokumententeil erscheinen. Die Hinweise auf ausgeübte Funktionen beschränken sich auf jene, die im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind. ACKERMANN, DIETER

4 1 4 f., 4 1 7

ab 1 9 6 5 Pfarrer bzw. Studentenpfarrer in Karl-Marx-Stadt, 1 9 7 3 - 1 9 7 6 Landespfarrer für Studienarbeit und Absolventenseelsorge, ab Mai 1974 Mitglied im Landesausschuß für Kirchentagskongreßarbeit AMBERG, ERNST-HEINZ

310-312,

314

Professor für Systematische Theologie an der Karl-Marx-Universität Leipzig, 1 9 6 7 - 1 9 6 9 Dekan der Theologischen Fakultät ANDLER, ERICH

26

1946-1963 Oberkonsistorialrat im Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg BARTH, W I I X I

23,

98

1954-1977 Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED BAUER, KURT

bis

1967

146

Mitglied im Landesausschuß Sachsen des

BEEG, HANS-JOACHIM

DEKT

36

Organisationsleiter im Präsidialbüro des DEKT in Fulda BELLMANN, RUDOLF

163

ab 1955 Mitarbeiter, dann stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der S E D , 1 9 7 7 - 1 9 8 8 Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED BERNDT, WILHELM BESTE, NIKLOT 1946-1971

71, 73,

75

Propst des Kurkreises Wittenberg (Kirchenprovinz Sachsen)

1964-1975

54

Bischof der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs

BLASCHKE, KARLHEINZ

194,

335

Archivar in Dresden, Dozent am Theologischen Seminar in Leipzig BRAECKLEIN, INGO

17, 41, 97,

100 f.

1959-1970 Oberkirchenrat der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen, Vorsitzender des Landesausschusses Thüringen des (Deutschen) Evangelischen Kirchentages, 1970-1978 Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen BRÄUER, SIEGFRIED 124, 165-167, 210, 228, 263, 308 1959-1972 Pfarrer in Leipzig, ab 1967 Mitglied im Landesausschuß Sachsen des DEKT, 1972-1979 Rektor des Pastoralkollegs in Krummenhennersdorf, Mitglied im Landesausschuß für Kirchentagskongreßarbeit, ab 1972 stellvertretender Vorsitzender

502

Personenregister

136, 143-145, 153, 156, 188, 190, 430, 432 um 1952-1969 Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden

BREITMANN, WALTER

BREUTF.L, GOTTFRIED

314

1966-1981 Pfarrer in Glashütte BRIX, ECKHARDT

20,

39

1961-1976 Superintendent in Berlin (Stadt I) BRÜCK, ULRICH VON 109, 144f., 165, 238, 241, 364, 435 ab 1965 Oberkirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens, Dezement für Ökumene, 1968-1980 Oberlandeskirchenrat BUNZEL, GOTTHARD

305

1949-1981 Konsistorialrat der Görlitzer Kirche BURKHARDT, GERHARD

13

Kirchenrat, bis 1975 Direktor der Inneren Mission in Berlin-Brandenburg; Vizepräses, 1970-1973 Präses der berlin-brandenburgischen Regionalsynode Ost CAFFIER, WOLFGANG

190

1954-1967 Pfarrer in Weixdorf, 1958-1961 Vorsitzender des Bundes evangelischer Pfarrer in der D D R CIESLAK, JOHANNES 1, 7, 24, 110, 112f., 121, 133-135, 138, 143-147, 151 f., 165, 167, 169-171, 183 f., 193, 201, 210, 216, 227-229, 236, 244, 251, 258, 261, 265, 281, 285, 288, 309, 314, 322f., 326-329, 346, 358, 364-368, 372-375, 377, 380-382, 399, 408, 411, 414, 420, 424, 427f., 430-432, 442-445 1967-1983 Präsident der sächsischen Landessynode, 1967-1989 Vorsitzender des Landesausschusses Sachsen des D E K T und seiner Nachfolgegremien DAYAN, MOSHI

315

1967-1974 israelischer Verteidigungsminister D I HNH , WALTER

315

Dreher, sächsischer Landessynodaler, als Referent für den Landeskirchentag 1968 vorgesehen DIBFLIUS, O r r o

18 f., 82

1945-1966 Bischof der berlin-brandenburgischen Kirche, 1949-1961 Vorsitzender des Rates der EKD DIECKMANN, JOHANNES

186

1949-1969 Präsident der DDR-Volkskammer, 1960-1969 stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates der D D R D O H L E , HORST

1, 1 1 5 ,

127, 217, 238, 241, 3 6 4 - 3 6 6 ,

368,

378

1963-1965 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Referat Kirchenfragen des Rates des Bezirkes Dresden, 1965-1969 wissenschafdicher Mitarbeiter in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, 1969-1974 Leiter des Referats Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden DOMSCH, KURT

110,

139,

146

Bauingenieur, Mitglied der sächsischen Landessynode, Mitglied im Ausschuß für Kongreß-Arbeit und im Landesausschuß für Kirchentagskongreßarbeit, 1975-1989 Präsident des Ev.-Luth. Landeskirchenamtes Sachsens

Personenregister DOST, HERBERT

152, 165, 184, 246,

503

263

Diakon, bis 1973 Leiter der Vortragsarbeit innerhalb des Leipziger Amtes für Gemeindedienst, Mitglied im Landesausschuß Sachsen des DEKT und seiner Nachfolgegremien D U D E Y , IRMGARD

315

1970-1978 Provinzialpfarrerin für kooperative Praxisberatung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen EGGERATH, W E R N E R

EHLERT

ca.

9 f.

Staatssekretär für Kirchenfragen

1957-1960 83

Referent für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Potsdam

1960-1966

EHRLER, CHRISTOF

2 6 5 f., 2 7 0 , 2 7 2 - 2 7 4 ,

279,

437

Ingenieur in Dresden EICHENBERG, FRIEDRICH C A R L 1966-1980

52, 54,

90

Propst der Altmark und Pfarrer am Dom zu Stendal (Kirchenprovinz

Sachsen) EIKEMEIER, FRTTZ 1953-1964

20,

22

Polizeipräsident von Berlin-Ost

ENGEL, HARRY

173,

188

Leiter der Abteilung Staat und Recht der SED-Bezirksleitung Dresden FALKENAU, M A N F R E D 1972-1980

310

Pfarrer in Leipzig

FECHNER, HERBERT 1967-1974

FEDERLEIN, W I L L Y

Kirchenrat,

91

Oberbürgermeister von Berlin-Ost 116

1950-1979

FEHLBERG, GOTTHARDT 1953-1972

Leiter der Stephanus-Stiftung in Berlin-Weißensee

106-108

Superintendent in Karl-Marx-Stadt

FEURICH, WALTER

173

1945-1971 Pfarrer in Dresden FIGUR, FRITZ

3 2 , 3 4 f., 4 2 , 7 1 f.

Superintendent in Berlin-Köpenick, 1 9 5 9 - 1 9 7 0 Präses der Regionalsynode Ost der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, 1 9 6 6 / 6 7 amtierender Vorsitzender der Konferenz der Landesausschüsse des DEKT in der DDR 1947-1969

FI.INT, FRITZ 1960-1977

150

Stellvertreter des Staatssekretärs für Kirchenfragen

FORCK, GOTTFRIED

70

1959-1963 Pfarrer in Lautawerk, 1963-1972 Direktor des Predigerseminars in Brandenburg, 1973-1981 Generalsuperintendent des Sprengeis Cottbus, 1981-1991 Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Ostregion) FRANKEL, HANS-JOACHIM 93, 96, 99, 130, 223, 287, 306, 344-346, 442 1 9 6 4 - 1 9 7 9 Bischof der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes FRITZ, R E I N H O L D

289,

309

ab 1965 Landesjugendpfarrer der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, ab 1969

Personenregister

504

Mitglied im Ausschuß für Kongreß-Arbeit und im Landesausschuß für Kirchentagskongreßarbeit, 1973-1978 Superintendent in Karl-Marx-Stadt FÜHR, FRITC

13, 2 0 , 2 2

1956-1963 Generalsuperintendent von Berlin-Ost (Sprengel II) Fuss, GOTTFRIED

185, 208

1951-1971 Oberkirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens GARBE, RICHARD

146

Pfarrer, 1967-1976 Leiter des Landes kirchlichen Amtes für kirchliche Frauenarbeit in Sachsen GEHRE, HERBERT

1 3 4 , 1 3 6 , 1 4 5 , 1 4 7 , 1 8 1 , 2 2 5 , 2 2 9 , 2 3 6 , 2 3 8 , 2 4 1 , 2 4 4 , 2 4 7 f.,

250F., 257F., 261, 263, 269, 284, 289, 292, 298, 309, 354, 360,

372-374,

f., 4 1 3 f., 4 1 7 , 4 2 0 , 4 3 5 f. Landesjugendwart der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, 1970-1975 Sekretär des Landesausschusses für Kirchentagskongreßarbeit 379, 407

GIENKE, HORST

61

1972-1989 Bischof der Evangelischen Landeskirche Greifswald GIESEN, HEINRICH

11

1950-1961 (theologischer) Generalsekretär des Deutschen Evangelischen Kirchentages, ab 1961 Direktor der Stadtmission Berlin-West GLÜCK, MANFRED

232

Diplomphysiker, Leipzig GOEBEL, GERHARD

110, 314

ab 1957 Pfarrer in Olbersdorf, 1972-1986 Superintendent in Dippoldiswalde GOLDENBAUM, GÜNTER

85

ab 1954 Pfarrer in Rostock, 1970-1985 Landessuperintendent in Rostock GOTTING, GERALD

131

1949-1966 Generalsekretär der C D U , ab 1966 Vorsitzender der C D U , 19691976 Präsident der Volkskammer GOTIHARDT, RUDOLF

378, 382, 444

1968 bis ca. 1978 Mitarbeiter in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen GRASS, GÜNTER

182, 184,

186

Schriftsteller GRAUBNER, ERNST

314

ab 1967 Pfarrer in Dittersdorf GROTEWOHL, OTTO

13, 15, 2 2

1949-1964 Ministerpräsident der D D R GRÜBER, HEINRICH

21 f.

1949-1958 Bevollmächtigter des Rates der E K D bei der Regierung der D D R GYSI, KLAUS

37,

102

1979-1988 Staatssekretär für Kirchenfragen HAASS, JOHANNA

273

ab 1971 Pastorin in Delitzsch (Kirchenprovinz Sachsen)

505

Personenregister H A C K E R , RUDOLF

204, 227, 262,

414

Sachbearbeiter, ab 1967 Mitglied im Landesausschuß Sachsen des DEKT und seiner Nachfolgegremien H A M M E R , HERBERT

175,

188, 366, 368,

434

Mitarbeiter für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden, 1968 amtierender Referatsleiter HARTWIG, H O R S T 144, 148-150, 172 um 1 9 6 7 - 1 9 8 8 Abteilungsleiter des Arbeitsgebietes Katholische Kirche in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen HEIMBOLD, GERHARD

136,

144,

430

bis 1983 jur. Oberlandeskirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachens HELBIG, KURT

Stadtrat,

91

1960-1976

H E L M E R , MARTIN

Stellvertreter des Berliner Oberbürgermeisters

39

1955-1962 Pfarrer in Berlin-Köpenick 2, 110, 203f., 230, 240, 263, 266, 270f., 278, 287, 314, 327, 341, 346, 352f., 356f., 360, 380, 392, 395-397, 414, 421 1963-1967 Studentenpfarrer in Leipzig, 1967-1972 Studiendirektor am Predigerkolleg St Pauli, 1970-1972 stellvertretender Vorsitzender des Landesausschusses für Kirchentagskongreßarbeit, ab 1972 Bischof der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens

H E M P E L , JOHANNES

HERRMANN, GOTTFRIED

179

Graphiker, Dresden HILDEBRANDT, FRANZ-REINHOLD

12 f., 18 f., 2 9 , 3 2 - 3 4 ,

48,

92

1952-1972 Präsident der Kirchenkanzlei der EKU H I M M E L , HERMANN 1955-1975

91

Superintendent in Berlin-Lichtenberg

H Ü T Z E L , JOHANN

151,

156

Domkapitular, Bautzen (kath.) H O R N I G , ERNST

67

1946-1964 Bischof der Evangelischen Kirche von Schlesien HUDEWENZ, HERBERT

39

ab 1953 Pfarrer in Cottbus (Berlin-Brandenburg) HUFSCHMIDT, WOLFGANG

1 8 2 f.

Komponist H Ü T T E L V O N HEIDENFELD, KONRAD

2 2 9 - 2 3 1 , 2 3 4 f.

1967-1972 Studentenpfarrer in Leipzig, bis 1979 Direktor des Predigerseminars in Brandenburg H Ü T T N E R , EBERHARD 97f., 149, 155, 159, 161-163, 188, 368 um 1967-1976 Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen im ZK der SED JACOB, GÜNTER

4 3 , 6 3 f., 8 1 - 8 3 , 9 9 ,

103

1946-1972 Generalsuperintendent des Sprengeis Cottbus, 1963-1966 Verwalter des Bischofsamtes in der Ostregion der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg

Personenregister

506

JENDRETZKY, HANS

14

Stellvertretender Minister des Innern und Staatssekretär für Angelegenheiten der örtlichen Räte, 1 9 5 9 / 6 0 Leiter des Sekretariats des Ministerrates 1957-1959

JOHANNES, KURT

108, 117, 1 4 4 f . , 153, 1 6 4 f . , 167, 1 7 5 - 1 7 7 , 179, 1 8 3 - 1 8 5 , 2 3 8 ,

2 4 1 , 2 4 4 , 251 f., 2 5 9 , 3 2 7 , 3 4 6 , 3 5 6 , 3 6 6 , 3 7 2 , 3 7 5 , 4 3 1 f., 4 3 4 - 4 3 6 , 4 4 3 f. 1960-1975

Präsident des Ev.-Luth. Landeskirchenamtes Sachsens

KAHL, HANNA

7, 1 1 0 , 1 6 5 , 1 6 9 , 185, 2 0 1 , 2 0 8 f . , 2 3 0 , 2 4 0 , 3 0 8 , 4 0 8 , 4 2 0 ,

f. Gemeindehelferin (verantwortlich für die Arbeit auf dem Lande), sächsische Landessynodale, Mitglied im Ausschuß für Kongreß-Arbeit und im Landesausschuß für Kirchentagskongreßarbeit, 1 9 7 6 - 1 9 8 5 Sekretär für die Kongreß- und Kirchentagsarbeit der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens 422

KANDELER, HERMANN

13

Referent in der Provinzialkirchlichen Kammer für Erziehung und Unterricht Berlin-Brandenburg KAPPELT, SIEGFRIED 1957-1980

KARGE, RICHARD 1959-1966

63

Referent für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Cottbus 79

Referent für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Frankfurt (Oder)

KIMME, AUGUST

117, 120 f.

bis 1982 Leiter der Leipziger Mission KLEMM, HERMANN 1951-1973

146

Dompfarrer und Superintendent in Meißen

KLEMM, MATTHIAS

179, 355, 4 8 9

Graphiker, Leipzig KNAUF, GERHARD

176, 434

ab 1964 Superintendent in Glauchau, 1968-1978 Oberkirchenrat bzw. Oberlandeskirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens KNOSPK, GOTTFRIED

9

1950-1965 Oberlandeskirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens KOCH, HANS

72

Kirchenoberbaurat für die Propstei Kurkreis Wittenberg (Kirchenprovinz Sachsen) К о н LI, HANS-JOACHIM

182, 2 8 2 , 3 0 9

1956-1979 Pfarrer an der Dreifaltigkeitskirche in Görlitz, Mitglied des Landesausschusses des Evangelischen Kirchentages Görlitz KRAUSE, DOROTHEA

165,

169

Mitglied im Landesausschuß Sachsen des DEKT KRELLNER, WOLFGANG

110

ab 1966 Pfarrer in Riesa-Gröba, ab 1972 Pfarrer in Dresden KRESS, VOLKER

399

ab 1969 Pfarrer in Stollberg, 1973-1979 Landesjugendpfarrer und Fachbeauftragter im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens

Personenregister KREYSSIG, LOTHAR

507

9

Jurist, 1947-1964 Präses der Synode der Kirchenprovinz Sachsen, Vizepräsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages und Vorsitzender des Ostausschusses KROLIKOWSKI, WERNER

159, 2 5 0

1960-1973 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden KRÜGER-HAYE, HORST

3 0 , 3 3 f., 4 7 f., 6 2 , 7 6 f., 81

Pastor, Leiter des Riistzeitheimes Hirschluch, 1967-1977 Beauftragter der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der DDR KRUMMACHER, FRIEDRICH-WILHELM

14, 2 1 , 8 7 , 9 4 , 116, 1 5 4 , 165

1955-1972 Bischof der Evangelischen Landeskirche Greifswald, 1960-1968 Vorsitzender der Kirchlichen Ostkonferenz bzw. der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen KRUMMACHER, HELGA

32, 48

1955-1970 Rektorin des Seminars für Kirchlichen Dienst in Greifswald und Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages KRUSCHE, GÜNTER

110 f., 2 2 8 , 346

1966-1969 Referent im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens, ab 1969 Studiendirektor am sächsischen Predigerseminar in Lückendorf, ab 1974 Dozent für Praktische Theologie am Sprachenkonvikt Berlin KRUSCHE, WERNER

35, 61, 9 5 f . , 100, 110f., 114, 117f., 120, 130, 170, 194,

198-201, 203, 212, 229, 235, 256, 260, 267, 341, 346, 385-388, 395, 401, 403 1966-1968 Dozent am Theologischen Seminar in Leipzig, 1968-1983 Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, 1968-1975 Mitglied im Präsidium Deutschen Evangelischen Kirchentages (Bereich DDR) KÜHN, ULRICH

267

1969-1983 Dozent am Theologischen Seminar in Leipzig KUNST, HERMANN

18

ab 1949 Bevollmächtigter des Rates der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland, 1957-1972 Evangelischer Militärbischof LAHL, ERICH

20

um 1953-1964 Referent für Kirchenfragen beim Magistrat von Berlin LAHR, HORST

8 3 f.

1963-1978 Generalsuperintendent des Sprengeis Potsdam (EKiBB) LAU, FRANZ

1 2 7 , 1 4 6 f . , 1 5 0 , 1 8 4 , 1 9 3 , 4 3 0 f.

1947-1972 Professor für Kirchengeschichte an der Karl-Marx-Universität Leipzig, Dechant des Hochstifts Meißen LAUX, KARL

185

1951-1963 Direktor der Dresdner Musikhochschule LEHMANN, FRIEDRICH

1 1 0 , 1 3 3 , 1 3 9 , 1 4 6 , 167, 4 3 2

1956-1967 Oberkirchenrat bzw. Oberlandeskirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens LEHMANN, THEODOR

107

1964-1976 Pfarrer an der Schloßkirche in Karl-Marx-Stadt

Personenregister

508 LEWFRENZ, G E R H A R D

366,

375,

395,

444

1975-1989 Leiter des Referates/Sektors Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Dresden LIEBE, PAUL

1 4 6 - 1 4 8 , 155, 4 3 2

Syndikus des Hochstifts Meißen LILJE, H A N N S 1947-1971

18 f.

Landesbischof der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers

LÖTZ, GERHARD 1946-1976

16,

100

Oberkirchenrat der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen

L U M P E , WILFRIED

179

Graphiker, Radeberg M Ä D L E R , GERHARD

31

um 1953-1967 Geschäftsführer des Ostausschusses des D E K T bzw. der Konferenz der Landesausschüsse des D E K T in der D D R M A G E R , REIMER 9, 13-15, 24, 26f., 31 f., 34f., 38f., 41 f., 45, 48, 67f., 70f., 112, 132 1945-1966 Mitglied der Kirchenleitung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, ab 1948 Präsident der sächsischen Landessynode, Vizepräsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages und Vorsitzender des sächsischen Landesausschusses, 1961-1966 Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages (Bereich DDR) M A R O N , KARL

23

1955-1963 Innenminister der D D R MARQUARDT, M A R A

149

Mitarbeiterin der H V Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur der D D R M Ä U R I C H , CHRISTA

262,

289

Betriebsleiterin, Mitglied im sächsischen Ausschuß für Kongreß-Arbeit und im Landesausschuß für Kirchentagskongreßarbeit, ab 1978 stellvertretende Vorsitzende der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der D D R M E N D T , DIETRICH 7, 105, 107, 109f., 114, 119, 121, 165f., 192, 194, 201 f., 204, 225-229, 234f., 237, 243f., 256-258, 286f., 291, 294-296, 306, 308, 312, 316f., 411-414, 417, 421 f. 1 9 6 3 - 1 9 7 2 Pfarrer in Karl-Marx-Stadt, Mitglied im sächsischen Ausschuß für Kongreß-Arbeit und im Landesausschuß für Kirchentagskongreßarbeit, 1 9 7 3 - 1 9 8 3 Oberkirchenrat bzw. Oberlandeskirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens MENDT, HEINZ

139, 226,

228

1954-1977 Leiter des Amtes für Gemeindedienst in Radebeul, Mitglied im Landesausschuß Sachsen des D E K T M E Y E R , KLAUS

29,

48

Oberkirchenrat, 1959-1980 leitender Jurist im anhaltinischen Landeskirchenrat, Vorsitzender des Landesausschusses Anhalt des DEKT, 1972-1978 stellvertre-

Personenregister

509

tender Vorsitzender der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der DDR ΜΓΓΖΕΝΗΕΙΜ, M O R I T Z 9f., 1 4 , 1 6 , 2 1 , lOOf., 1 1 6 , 2 1 2 1 9 4 5 - 1 9 7 0 Landesbischof der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen MÜLLER, GERHARD

77-79

ab 1965 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Frankfurt (Oder) MÜLLER, M A R T I N

90,

122

1961-1970 Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts MÜNCHHAUSEN, ILSE VON

32,

35

Mitglied im Präsidium der Deutschen Evangelischen Kirchentages NACKEN, AUGUST WILHELM

28, 46-50,

75

Leiter der Geschäftsstelle des Landesausschusses Thüringen des DEKT und Geschäftsführer der Männerarbeit der EKD (Ost) bzw. des ВЕК, ab 1967 stellvertretender Vorsitzender der Konferenz der Landesausschüsse des Deutschen Evangelischen Kirchentages in der DDR N O T H , GOTTFRIED 1, 14, 70, 105, 107-109, 116, 121, 130, 134, 149f., 153f., 157, 164, 167, 169, 175, 178, 185, 190, 192, 214, 228, 249-251, 259, 431433, 436 1953-1971 Bischof der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens O P I T Z , ROLF

69,

157

1962-1969 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Dresden, 1969-1971 stellvertretender Minister für die Anleitung und Kontrolle der Bezirks- und Kreisräte, 1972-1974 stellvertretender Leiter der Instrukteurabteilung beim Vorsitzenden des Ministerrates, ab 1974 Vorsitzender des Rates des Bezirkes Leipzig PABST, WALTER

88, 114-116,

122

1964-1978 Oberkirchenrat in der EKD-Kirchenkanzlei für die Gliedkirchen in der DDR bzw. im Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Leiter des Arbeitsbereiches Ökumene PETER, H E I N Z 145, 150f., 153, 156-158, 175f., 179, 430, 432, 434 Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres beim Rat des Bezirkes Dresden PETRAN, CHRISTIAN

286

Pfarrer in Rothenburg, Mitglied des Landesausschusses des Evangelischen Kirchentages Görlitz PFLUGK, H E I N Z - F R I E D R I C H

32

Landessuperintendent in Rostock, Vorsitzender des Kirchentagsausschusses der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs, 1961-1971 Mitglied im Präsidium-Ost des Deutschen Evangelischen Kirchentages PIECK, WILHELM

14

1949-1960 Staatspräsident der DDR PIENTKA, WALTHER

75

1957 - ca. 1970 Referent für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Leipzig

Personenregister

510 POTTER, PHILIP ALFORD

114, 117,

120

seit 1967 Direktor der Abteilung für Weltmission und Evangelisation des ORK in Genf, 1972-1984 Generalsekretär des ORK RIEDEL, HERBERT

249

um 1968-1973 Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres beim Rat des Bezirkes Dresden RINGEL, BERND

355

Graphiker, Dresden RISSMANN, H A N S

69

1953-1969 Superintendent in Zwickau ROCH, HANS

236, 282, 309, 312, 314, 322, 339

Pfarrer, Leiter des Amtes für Gemeindedienst in Görlitz, 1 9 6 4 - 1 9 8 6 Vorsitzender des Landesausschusses des Evangelischen Kirchentages Görlitz RUDOLPH, JOHANNES

146, 152,

228

Pfarrer an der Auferstehungskirche in Dresden und Superintendent des Kirchenbezirks Dresden-Land 1960-1975

RUNGE, ECKE HARD

6 2 f.

ab 1968 Pfarrer in Cottbus (EKiBB), ab 1979 Direktor der Evangelischen Haupt-Bibelgesellschaft, Mitglied im Kirchentagslandesausschuß Berlin-Brandenburg SALZMANN, GERHARD

162

Sekretär der SED-Bezirksleitung Magdeburg SAUERMANN, PAUL

79

Instrukteur für Kirchenfragen bei der SED-Bezirksleitung Frankfurt (Oder); ab 1964 Sekretär der SED-Bezirksleitung und Persönlicher Mitarbeiter des 1. Sekretärs SCHAFFRAN, GERHARD 1963-1970

223

Kapitelsvikar des Erzbischöflichen Amtes Görlitz und Titularbischof

(kath.) SCHAPPER, HELMUT 1946-1963 SCHARF, KURT

47

Propst der Altmark (Kirchenprovinz Sachsen) 12-15,

1 7 f . , 8 2 f.

Verweser des Bischofsamtes für die Ostregion der berlin-brandenburgischen Kirche, 1 9 6 6 - 1 9 7 6 Bischof der berlin-brandenburgischen Kirche (ab 1972 nur noch Regionalsynode West) 1959-1966

SCHELER, MANFRED 1963-1982

2,

145, 151, 153 f., 4 3 0 ,

432

Vorsitzender des Rates des Bezirkes Dresden

SCHIRMACHER, HASSO

289

Verwaltungsangestellter, ab 1967 Mitglied im Landesausschuß Sachsen des DEKT und seiner Nachfolgegremien SCHMAHL, ALFRED

139

Schlosser, sächsischer Landessynodaler, als Referent für den Landeskirchentag 1968 vorgesehen

Personenregister SCHMIDT, ERICH

184 f.,

511

208

Domkantor in Meißen SCHMITT, GERHARD

48, 91,

116

Generalsuperintendent von Berlin-Ost (Sprengel II)

1964-1974

SCHNELLE, MANFRED

180,

194

Künstler SCHOLZ, ERWIN

63

1970 amtierender Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres beim Rat des Bezirkes Cottbus SCHÖNHERR, ALBRECHT

6 1 , 71 f., 7 6 f . , 80, 8 2 f . ,

114, 116, 120, 202,

346

1963-1972 Generalsuperintendent des Sprengeis Eberswalde (EKiBB), ab 1967 Verwalter des Bischofsamtes, 1972-1981 Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost) SCHÖNHERR, ANNEMARIE

35

Pastorin in Eberswalde (EKiBB), ab 1968 Mitglied im Präsidium des (Deutschen) Evangelischen Kirchentages, stellvertretende Vorsitzende der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der DDR SCHRÖDER, O T T O

8, 24, 2 9 f . , 35, 37f., 43, 55, 60, 81, 95,

100, 165,

210

1966-1980 Landessuperintendent in Parchim (Mecklenburg), 1967-1984 Präsident und Vorsitzender der Konferenz der Landesausschüsse des Evangelischen Kirchentages in der DDR SCHWEIGER

190

Sekretär des Stadtverbandes Dresden der CDU SCHWINTEK, MARTIN

2 4 5 , 2 4 7 , 2 5 3 f.

ab 1963 Pfarrer in Leipzig und Studieninspektor am Predigerkolleg St Pauli, ab 1967 Superintendent in Werdau, ab 1974 Superintendent in Dresden, ab 1979 Oberkirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens SEIDOWSKY, HANS-JOACHIM

13

1957-1961 Mitarbeiter in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen, ab 1959 Persönlicher Referent des Staatssekretärs SEIFERT, WILLI

23

1957-1983 stellvertretender Minister des Innern der DDR SEIGEWASSER, H A N S 14-18, 23, 41, 72, 91, 97f., 107f., 145, 159, 163, 431 1960-1979 Staatssekretär für Kirchenfragen SEYFERT, W E R N E R

68

Kirchenreferent beim Rat der Stadt Zwickau SOA, ERNST-ADOLF

194

Jena, Mitwirkender am Kongreß und Kirchentag 1968 SPÜLBECK, Qrro 134, 149-151, 154, 157, 162, 169, 190, 214, 431 f. 1 9 5 8 - 1 9 7 0 Bischof des Bistums Meißen (kath.) STIEHL, HERBERT 1953-1975 STOPH, WILLI

309

Superintendent des Kirchenbezirks Leipzig-Stadt 97

1964-1973 und 1976-1989 Vorsitzender des Ministerrates der DDR STOLPE, MANFRED

64,

117

1964-1969 Konsistorialrat, ab 1969 Oberkonsistorialrat der berlin-brandenbur-

Personenregister

512

gischen Kirche, 1969-1981 Leiter des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der D D R STRAUBE, W E R N E R

69

Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Karl-MarxStadt, ab 1968 erneut Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Karl-Marx-Stadt 1961-1965

1.

S T Ü H M E I E R , ALFRED

169

Tischlermeister, 1967-1972 Mitglied im Landesausschuß Sachsen des D E K T und seiner Nachfolgegremien TANNERT, WERNER

194

ab 1960 Studentenpfarrer in Dresden, ab 1966 Studiendirektor am sächsischen Predigerseminar in Lückendorf, ab 1969 Oberkirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens, 1 9 7 7 - 1 9 7 9 Oberlandeskirchenrat THADDEN-TRIEGLAFF,

REINOLDVON

13, 25,

28,

36

1949-1964 Präsident, danach Ehrenpräsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages THEIL

64

ab 1970 Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres beim Rat des Bezirkes Cottbus THJELICKE, H E L M U T 1954-1974 THOMM,

18

Professor für evangelische Theologie in Hamburg

HANS-JÜRGEN

185

Landeskirchenmusikdirektor in Leipzig TIETZ, GERTRAUD«

146

Landeskatechetin der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens TISCH,

HARRY

8 7 f.

1959-1961 Vorsitzender des Rates des Bezirkes Rostock, 1961-1975 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Rostock, ab 1975 Mitglied des SED-Politbüros und Vorsitzender des FDGB-Bundesvorstandes ToLKMiTr,

HERBERT

185

ab 1 9 5 8 Superintendent in Löbau, Landeskirchenamt Sachsens TRINKS, GERHARD

1968-1972

Oberkirchenrat im Ev.-Luth.

68

um 1961-1975 Referatsleiter Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Karl-MarxStadt ULBRICHT, WALTER

1950-1971 1960-1973

153,

ULLMANN, GOTTFRIED 1974-1985

211

Generalsekretär bzw. 1. Sekretär des Vorsitzender des Staatsrates der D D R

SED-Zentralkomitees,

375-377

Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres beim Rat des Bezirkes

Dresden U N G E T H Ü M , JOHANNES

227

1946-1978 Pfarrer an der Dresdner Martin-Luther-Kirche

Personenregister VERNER, PAUL

513

5, 9 1 , 101, 2 4 9

1959-1971 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, 1958-1984 Sekretär im ZK der SED (verantwortlich für Kirchenfragen), 1963-1984 Mitglied des Politbüros VOIGT, GOTTFRIED

111

1966-1979 Dozent am Theologischen Seminar in Leipzig WAGNER, SIEGFRIED

196, 3 5 1

Professor für Altes Testament an der Karl-Marx-Universität Leipzig WALZ, HANS HERRMANN

26

1954-1961 Geschäftsführender Generalsekretär des Deutschen Evangelischen Kirchentages, 1962-1981 Generalsekretär des DEKT WALTER, ERWIN

282, 309, 338

Ingenieur-Ökonom, Mitglied, dann stellvertretender Vorsitzender im Landesausschuß des Evangelischen Kirchentages Görlitz, 1972-1978 Mitglied im Präsidium des Evangelischen Kirchentages in der DDR WEBER

68

Kirchenreferent beim Rat des Kreises Zwickau WEBER, HANS-JOACHIM

88

1955-1969 Konsistorialrat bzw. Oberkonsistorialrat der Evangelischen Landeskirche Greifswald WEHNER, HERBERT

87, 218

1966-1969 Minister für gesamtdeutsche Fragen der Bundesrepublik Deutschland WEISE, HANS

42, 68, 71 f., 79, 88, 9 5 f . , 106f., 114-116, 172

1954-1957 Mitarbeiter der Abteilung Kirchenfragen im ZK der SED, 1957-1982 Hauptabteilungsleiter in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen WEISS, PETER

338

ab 1966 Pfarrer in Leipzig WEIZSÄCKER, RICHARD VON

28-30

1964-1970 Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, ab 1971 Mitglied im Präsidium des DEKT WENDELIN, GERHART

1 4 6 , 152, 2 2 5 - 2 2 7

1959-1973 Pfarrer an der Dresdner Kreuzkirche und Superintendent des Kirchenbezirks Dresden-Stadt WENZEL, HANS-LEO

421, 423

Problem analytiker WERNER, KURT

68

1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters von Zwickau WILKE, HANS

4 2 , 106, 110, 172, 3 7 9

1957-1990 Mitarbeiter bzw. Abteilungsleiter (Bereich Evangelische Kirchen) in der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen WILL, ALBERT

139

Buchhalter, als Referent für den Landeskirchentag 1968 vorgesehen WILM, ERNST

26

1949-1968 Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, 1957-1973 Mitglied des Rates der EKD

Personenregister

514

WINKLER, EBERHARD

120

Professor für Praktische Theologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg WISCHMANN, ADOLF

27

1956-1974 Präsident des Kirchlichen Außenamtes in Frankfurt am Main, Mitglied des Präsidiums des DEKT WONNEBERGER, ERHARD

110, 2 3 3 , 2 4 4 , 2 9 6 , 3 0 9

ab 1965 sächsischer Landesbeauftragter für den Gemeindeaufbau, 1968-1980 Oberkirchenrat im Ev.-Luth. Landeskirchenamt Sachsens, Mitglied im Ausschuß für Kongreß-Arbeit und im Landesausschuß für Kirchentagskongreßarbeit ZEDDIES, HELMUT

2 6 5 f., 2 7 0 - 2 7 3 , 2 7 9 f., 4 3 7

ab 1965 Kirchenrat im Lutherischen Kirchenamt Berlin, ab 1975 Leiter des Lutherischen Kirchenamtes der VELK in der DDR (Oberkirchenrat) ZIEMER, JÜRGEN

2 4 5 , 2 4 7 , 2 5 3 f.

ab 1966 Pfarrer in Leipzig, ab 1967 Studieninspektor am Predigerkolleg St. Pauli in Leipzig, 1972-1976 Studentenpfarrer in Dresden ZMYSLONY, WALTER

69

bis 1965 Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Leipzig ZWEYNERT, GERHARD

417

1956-1972 Rektor des sächsischen Pastoralkollegs in Krummenhennersdorf

Kirche in der DDR Anke Silomon

Rudolf Mau

Synode und SED-Staat

Eingebunden in den Realsozialismus?

Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der D D R in Görlitz v o m 18. bis 22. September 1987. Unter Mitwirkung von Ulrich Bayer. M i t einer Einführung in das Forschungs-

Die Evangelische Kirche als Problem der SED. S a m m l u n g Vandenhoeck. 1994. 259 Seiten

projekt .Kirche und S t a a t in der D D R " von

mit 1 Zeittafel, Paperback

Joachim M e h l h a u s e n . Arbeiten zur kirchlichen

ISBN 3-525-01616-6

Zeitgeschichte. Reihe B, Band 24. 1997. XVII, 4 5 8 Seiten, geb. ISBN 3-525-55724-8

Die Synoden des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR hatten eine herausragende öffentliche Bedeutung, weil auf ihnen neben kirchlich-theologischen Problemen immer auch brennende gesellschaftspolitische Fragen behandelt wurden. 1987 tagte die Bundessynode in Görlitz unter besonderen Bedingungen: Die innenpolitische Situation in der UdSSR - aber auch in der DDR - gab Anlaß, auf eine Liberalisierung der Politik im gesamten Ostblock zu hoffen. Die Staats- und Parteiorgane beobachteten diese Synodaltagung und versuchten, Teilnehmer/innen zu beeinflussen. Die Forschungsarbeit enthält wichtige, bislang unveröffentlichte Dokumente und Ergebnisse von Befragungen beteiligter Kirchen- und Staatsvertreter.

Ein fundierter Beitrag zur Versachlichung und zum Überdenken vorschneller Urteile: Diese Auswertung der SED- und Regierungsakten stellt Pläne, Maßnahmen und Illusionen der Partei hinsichtlich der Kirche dar und zeigt deutlich, wie sehr die Kirche von Anfang an bis zum Ende ein Problem der SED war.

Günther Heydemann Lothar Kettenacker (Hg.)

Kirchen in der Diktatur Drittes Reich und SED-Staat. S a m m l u n g Vandenhoeck. 1993. 370 Seiten, Paperback ISBN 3-525-01351-5

Mit dem nationalsozialistischen und ebenso mit dem marxistisch-leninistischen Staat mußten die christlichen Kirchen zwangsläufig in Konflikt geraten. Wie haben sie sich gegenüber den beiden - ideologisch verschiedenen Diktaturen verhalten?

Trutz Rendtorff (Hg.)

Protestantische Revolution? Kirche und Theologie in der D D R : Ekklesiologische Voraussetzungen, politischer Kontext, theologische und historische Kriterien. Vorträge und Diskussionen eines Kolloquiums in M ü n chen, 26.-28. M ä r z 1992. Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte. Reihe B, Band 20. 1993. 357 Seiten, gebunden ISBN 3-525-55720-5

V&R

Vandenhoeck Ruprecht

Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte Reihe Α und Reihe B: Herausgegeben im Auftrag der Evangelisehen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Joachim Mehlhausen und Leonore Siegele-Wenschkewitz. Bei Subskription ca. 15 % Ermäßigung. Eine Auswahl

Reihe A : Quellen

27 Hartmut Fritz Otto Dibclius

2 Erich Dinkier / Erika Dinkler-von Schubert (Hg.) Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens

chie und Diktatur. 1998. 641 Seiten, geb.

Briefe und Dokumente aus der Zeit des Kirchenkampfes 1933-1945. Bearbeitet von Michael Wolter. 2., durchgesehene Auflage 1986. 403 Seiten, 1 Frontispiz, kartoniert ISBN 3 - 5 2 5 - 5 5 7 5 2 - 3 3 Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahre 1945. Bearbeitet von Clemens Vollnhals. 1988. XLV, 392 Seiten, geb. ISBN 3 - 5 2 5 - 5 5 7 5 3 - 1 5 Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Band 1: 1 9 4 5 / 1 9 4 6 Im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte und des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin bearbeitet von Carsten Nicolaisen und Nora Andrea Schulze. Mit einer Einleitung von Wolf-Dieter Hauschild. 1995. XLVIII, 971 Seiten, geb. ISBN 3 - 5 2 5 - 5 5 7 5 6 - 6 Band 2: 1 9 4 7 / 1 9 4 8 1997. XXVIII, 851 Seiten, geb. ISBN 3 - 5 2 5 - 5 5 7 5 4 - X

Ein Kirchenmann in der Zeit zwischen MonarISBN 3 - 5 2 5 - 5 5 7 2 7 - 2

In der Auswertung auch von bisher unerschlossenem Quellenmaterial spannt diese Studie den Bogen vom Ende des 1. Weltkriegs bis hin zur „Obrigkeits-Debatte" im Jahr 1959/60. 28 Christoph Welling Die .Christlich-deutsche Bewegung" Eine Studie zum konservativen Protestantismus in der Weimarer Republik. 1998. 3 8 6 Seiten, geb. ISBN 3 - 5 2 5 - 5 5 7 2 8 - 0 29 Rainer Bookhagen Die evangelische Kinderpflege und die Innere Mission in der Zeit des Nationalsozialismus Mobilmachung der Gemeinden Band 1 : 1 9 3 3 - 1 9 3 7 1998. 647 Seiten, geb. ISBN 3 - 5 2 5 - 5 5 7 2 9 - 9 30 Band 2 : 1 9 3 8 - 1 9 4 5 1999. (In Vorbereitung) 31 Holger Roggelin Franz Hildebrandt Ein lutherischer Dissenter im Kirchenkampf und Exil. 1999. Ca. 330 Seiten, 4 Abb., geb. ISBn 3 - 5 2 5 - 5 5 7 3 1 - 0

Ältere Bände auf Anfrage.

Reihe B: Darstellungen 21 Gottfried Abrath Subjekt und Milieu im N S - S t a a t Die Tagebücher des Pfarrers Hermann Klugkist Hesse 1936-1939. Analyse und Dokumentation. 1994. 459 Seiten mit 8 Abb. und 17 Graphiken, geb. ISBN 3 - 5 2 5 - 5 5 7 2 1 - 3

V&R

Vandenhoeck &. Ruprecht