Minderheitenrechte der Araber in Israel: Völker- und staatsrechtliche Perspektiven [1 ed.] 9783428514755, 9783428114757

Heute leben ca. 1,2 Millionen Araber in den anerkannten Staatsgrenzen Israels. Im Gegensatz zu den Palästinensern im Wes

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German Pages 278 Year 2004

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Minderheitenrechte der Araber in Israel: Völker- und staatsrechtliche Perspektiven [1 ed.]
 9783428514755, 9783428114757

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Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Band 148

Minderheitenrechte der Araber in Israel Völker- und staatsrechtliche Perspektiven

Von

Katharina Penev

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KATHARINA PENEV

Minderheitenrechte der Araber in Israel

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von J o s t D e l b r ü c k, R a i n e r H o f m a n n und A n d r e a s Z i m m e r m a n n Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht 148

Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Rudolf Bernhardt Heidelberg

Eibe H. Riedel Universität Mannheim

Christine Chinkin London School of Economics

Allan Rosas Court of Justice of the European Communities, Luxemburg

James Crawford University of Cambridge

Bruno Simma International Court of Justice, The Hague

Lori F. Damrosch Columbia University, New York Vera Gowlland-Debbas Graduate Institute of International Studies, Geneva Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis

Daniel Thürer Universität Zürich Christian Tomuschat Humboldt-Universität, Berlin Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

Minderheitenrechte der Araber in Israel Völker- und staatsrechtliche Perspektiven

Von

Katharina Penev

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 3-428-11475-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Mutter Dr. med. Eva-Maria Penev in Dankbarkeit

„Gleichheit ist die Seele der Freundschaft.“ Aristoteles

Vorwort Diese Arbeit entstand am Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und während eines Forschungsaufenthalts an der Universität Tel Aviv in Israel. Beide Institutionen sorgten durch ihr ausgezeichnetes wissenschaftliches Angebot und ihr freundliches und hilfsbereites Personal sowohl für eine anregende als auch angenehme Arbeitsatmosphäre. Ich bedanke mich herzlich bei Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann für die hervorragende Betreuung meiner Dissertation. Ohne seine Ermutigung und umfassende Unterstützung wäre es kaum möglich gewesen, ein so schwieriges Thema zu bearbeiten. Seine nachhaltige Bereitschaft zum wissenschaftlichen Gespräch und seine prompten Korrekturen und Ratschläge haben einen wesentlichen Beitrag am Gelingen dieser Arbeit gehabt. Mein herzlicher Dank gilt auch Prof. em. Dr. Dr. h.c. Jost Delbrück, Prof. Amos Shapira und Prof. Natan Lerner, die mich besonders zu Beginn meiner Arbeit durch wertvolle Literaturhinweise unterstützten. Herrn Dr. Moussa Abu Ramadan sei vor allen Dingen gedankt für die wichtigen Rechtsgespräche und Anregungen zum Thema. Weiterer Dank geht an Dr. h.c. Johannes Gerster von der Konrad-AdenauerStiftung in Jerusalem, der mir freundlicherweise den Zugang zu relevanten Publikationen der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie die Teilnahme an diversen Konferenzen in Israel ermöglichte. Ganz besonders bedanke ich mich bei meinem Freund Ran Ben Shahar (Adv. Israel) für die Übersetzung zahlreicher Quellen aus dem Hebräischen, die vielen Rechtsgespräche und die kritischen Diskussionen. Ohne seine beispiellose Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme wäre dieses Werk vielleicht nie beendet worden. Meiner Mutter, Dr. Eva-Maria Penev, sei herzlich gedankt für ihren jahrelangen finanziellen und moralischen Beistand und ihr einmaliges Verständnis während der Fertigstellung der Arbeit.

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Vorwort

Viele haben mich durch Gespräche, Ideen und Empfehlungen bei der Umsetzung des Themas, andere durch ihre geduldige Hilfe bei Korrektur und Layout der Arbeit unterstützt. Ihnen allen ein herzliches Dankeschön. Meiner langjährigen Freundin, Rechtsanwältin Ann-Kathrin Schrepfer, danke ich besonders für ihren gewaltigen Einsatz beim Korrekturlesen und Ausmerzen meiner Anglizismen. Nicht unerwähnt soll der Deutsche Akademische Austauschdienst bleiben, der die Forschungen zu diesem Thema mit einem DAAD-Doktorandenstipendium im Rahmen des gemeinsamen Hochschulsonderprogramms III von Bund und Ländern großzügig gefördert hat. Hamburg, im Juli 2004

Katharina Penev

.....

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Inhaltsverzeichnis Einführung in die Thematik

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Kapitel 1 Die Geschichte der Araber in Israel A. Zusammensetzung der arabischen Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Osmanische Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Kolonial-und Mandatsherrschaft Großbritanniens . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Staat Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Militärverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wiederentdecken palästinensischer Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auswirkungen des Osloprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Al-Aqsa Intifada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 28 31 36 36 39 43 47

Kapitel 2 Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit A. Zuordnung nach Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Minderheitenbegriff im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die völkerrechtlichen Kriterien und ihre Anwendung auf die arabische Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Numerische Unterlegenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine überlegene Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsangehörigkeit und Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ethnische, religiöse und sprachliche Eigenständigkeit . . . . . . . . . . . . . a) Ethnisch-linguistische Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Arabische Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Biologische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kulturelle Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Wille zur Eigenständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Theoretische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Indizien zur Ermittlung des Willens . . . . . . . . . . . .

52 54 55 55 56 58 62 62 63 64 64 65 65 67

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Inhaltsverzeichnis (2) Beduinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nationale Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Religiöse Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Muslime. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Christen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Drusen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69 72 76 76 77 77

B. Minderheitenstatus nach israelischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anerkennung der ethnisch-linguistischen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anerkennung der religiösen Identitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 79 81

C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 3 Existenz- und Gleichheitsrechte A. Das israelische Rechts- und Gesellschaftssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgeschichte und Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Das Recht auf Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgestaltung in Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 89 90

C. Das Recht auf Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Ausgestaltung in Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleichheit durch das Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unabhängigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Basic Law: Human Dignity and Freedom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausdrückliche Erwähnung des Gleichheitsprinzips im Statute Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Direkte Diskriminierung durch Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Basic Law: The Knesset . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Rechtsstellung der zionistischen Organisationen . . . . . . . (3) Rückkehrgesetz und Staatsbürgerschaftsgesetz . . . . . . . . . . . . (4) Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Indirekte Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gleichheit vor dem Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gleichheit im Schutz der Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 91 92 94 98 98 98 102 106 108 108 112 114 115 118 119 119

Inhaltsverzeichnis

11

b) Gleichbehandlung bei Verwaltungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . 123 c) Wirksamer Schutz vor Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Bewertung der Gleichbehandlung nach Völkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Kapitel 4 Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion A. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsinhalt und Rechtscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forum internum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forum externum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusätzliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131 132 133 133 134 138

B. Ausgestaltung in Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unabhängigkeitserklärung und Basic Law: Human Dignity and Freedom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richterliche Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Artikel 83 Palestine Order in Council . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Spezielle Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gottesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zugang zu den heiligen Stätten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz des Gottesdienstes und seiner Stätten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einhaltung religiöser Gebote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsstatus der muslimischen Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Religiöser Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Shari’a-Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prozessuales und materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eheschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechte und Pflichten in der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Scheidung, Unterhalt und Sorgerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Völkerrechtliche Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigentum der islamischen Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzierung der islamischen Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsstatus der christlichen Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Selbstverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kirchliches Eigentum und Finanzierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 144 148 150 151 152 152 156 158 160 160 161 163 163 164 167 171 171 173 176 181 183 183 185

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Inhaltsverzeichnis 3. Kirchliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Christliche Schulen und andere Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsstatus der drusischen Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Drusenrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Drusische Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigentum und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bewertung der kollektiven Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 190 192 193 194 197 198

Kapitel 5 Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache A. Die Pflege des kulturellen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsinhalt und Rechtscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lehrpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigene Bildungsinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgestaltung in Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bildungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schulverwaltung und Kontrolle des Bildungswesens . . . . . . . . . . . b) Lehrpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Arabisch, Sozialkunde und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Lehrpläne in drusischen und christlichen Schulen . . . . . . . . . c) Chancengleichheit/Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hochschulsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Völkerrechtliche Einschätzung des Bildungssystems . . . . . . . . . . 2. Andere Bereiche kulturellen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beduinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

200 200 201 202 204 206 207 209 209 211 214 216 220 222 223 227 228 229 231

B. Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsinhalte und Rechtscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Privater und öffentlicher Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gebrauch vor staatlichen Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtscharakter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgestaltung in Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233 234 234 235 236 238 239 240 241

Inhaltsverzeichnis 1. Privater und öffentlicher Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebrauch vor staatlichen Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Völkerrechtliche Einschätzung der Umsetzung der Sprachenrechte . . . . .

13 242 244 246 247

Ergebnis: Thesen zur Rechtsstellung der arabischen Minderheit

248

Ausblick

253

Anhang 1 Basic Law A. Human Dignity and Liberty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

255

B. Human Dignity and Liberty-Amendment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256

Anhang 2 The Declaration of the Establishment of the State of Israel

257

Literaturverzeichnis

260

Sachwortverzeichnis

276

Abkürzungsverzeichnis und Glossar A ACRI Adalah Adar Add. AJIL AMRK BDGVR BGBl. BrooklynJIL C CA cc. CCPR CEDAW

CERD

CESCR CN Comm. CRC CSCE Divrei HaKnesset E ECHR EMRK EPIL ESCOR ETS EuGRZ

Assembly The Association for Civil Rights in Israel Gerechtigkeit (Name einer arabischen Menschenrechtsorganisation) sechster Monat im jüdischen Kalender Addendum American Journal of International Law Amerikanische Menschenrechtskonvention Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bundesgesetzblatt The Brooklyn Journal of International Law Commission Civil Appeal Code of Canon Human Rights Committee International Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women; Committee on the Elimination of Discrimination against Women International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination; Committee on the Elimination of Racial Discrimination Committee on Economic, Social and Cultural Rights Commission Communication Committee on the Rights of the Child Conference on Security and Cooperation in Europe Protokolle der Knesset Economic and Social Council European Convention on Human Rights Europäische Menschenrechtskonvention Encyclopedia of Public International Law Economic and Social Council Official Records European Treaty Series Europäische Grundrechtszeitschrift

Abkürzungsverzeichnis und Glossar Europ.YB FS Ga.J.Int.&Comp.L. GAOR GA Res. gov. GYIL Ha’aretz HagueYIL HarvLR HCJ HRA HRLJ HRQ ICCPR ICESCR ICJ ICLQ IGH IJMGR il ILA ILM ILO ILR IPCRI ItalianYIL Ittijah i. V. m. IYHR JNF Kitvei Amana Knesset Kovetz Hatakanot KSZE lit. LSI mfa Mishpatim MK

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European Yearbook Festschrift Georgia Journal of International and Comparative Law General Assembly Official Records General Assembly Resolution Government German Yearbook of International Law „Das Land“ (israelische Tageszeitung) Hague Yearbook of International Law Harvard Law Review High Court of Justice The Arab Association for Human Rights Human Rights Law Journal Human Rights Quarterly International Covenant on Civil and Political Rights International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights International Court of Justice International and Comparative Law Quaterly Internationaler Gerichtshof International Journal of Minority and Group Rights Israel Israel Land Authority International Legal Materials International Labor Organisation Israel Law Review Israel Palestine Center for Research and Information Italian Yearbook of International Law Union of Arab Community Based Associations in Verbindung mit Israel Yearbook of Human Rights Jewish National Fund Vertragssammlung Israelisches Parlament Verordnungsblatt Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa litera Laws of the State of Israel Ministry of Foreign Affairs Recht (israelische juristische Zeitschrift) Member of Knesset

16 m. w. Nw. NAI Neb. n. F. ngo NIS No. NorTIR NRO ODIHR Oleh org. OSCE OSZE para(s). PCIJ P.D. POC RdC Rev. Rn. S SCOR Sefer HaChukkim Ser. Sess. ST StIGH Sub. Supp. Takdin Elion TAU UAL UDHR UN UNC UN Doc. UNESCO

Abkürzungsverzeichnis und Glossar mit weiteren Nachweisen Nazareth Arab Institute Nebraska neue Fassung non-governmental organisation New Israeli Shekel Number Nordisk Tidsskrift for International Ret Nichtregierungsorganisation Office for Democratic Institutions and Human Rights Neueinwanderer Organisation Organisation for Security and Cooperation in Europe Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Paragraph(s) Permanent Court of International Justice Piskei Din (Sammlung von Urteilen des israelischen Supreme Court) Palestine Order in Council Recueil des Cours, Académie de Droit Internationale Revision Randnummer Security Council Security Council Official Reccords Gesetzblatt Series Session Secretariat Ständiger Internationaler Gerichtshof Sub-Commission Supplement elektronische Veröffentlichung von Entscheidungen des israelischen Supreme Court Tel Aviv Universität United Arab List Universal Declaration of Human Rights United Nations Charter of the United Nations United Nations Document United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation

Abkürzungsverzeichnis und Glossar UNGOAR UNTS UNYB Virg.JIL Vol. WVK WZO Yalkut HaPirsumim ZaöRV

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United Nations General Assembly Official Records United Nations Treaty Series United Nations Yearbook Virgina Journal of International Law Volume Wiener Konvention über das Recht der Verträge World Zionist Organisation Official Gazette (Amtsblatt) Zeitschrift für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht

Einführung in die Thematik „Governments should see the self-interest in protecting minority rights and living in peaceful and prosperous multi-ethnic states. The only people profit from inter-ethnic conflict are nationalist entrepreneurs. That is not a business that reaps long term profits. In the end, intolerance, violence and instability hurt us all. The last century, indeed the last decade, have shown us how high the cost of unchecked nationalism can be. We must therefore remain vigilant against the threat that extreme nationalism poses to human rights and security.“

Diese Worte des ehemaligen KSZE-Hochkommissars für nationale Minderheiten, Max van der Stoel, verdeutlichen die Notwendigkeit eines ausgewogenen und effektiven Schutzsystems für Minderheiten, welches nationalistischen Tendenzen auf Seiten der Mehrheits- und der Minderheitsbevölkerung im Interesse der Menschenrechte und der Friedenssicherung vorbeugt.1 Die Idee des Minderheitenschutzes ist indes nicht neu. Sie geht zurück bis zum Augsburger Religionsfrieden von 1555 und dem Westfälischen Frieden 1648. Während diese Verträge sich in einer Ausreisemöglichkeit der religiösen Minderheiten nach dem Prinzip cuius regio, eius religio erschöpften, wurde nach dem ersten Weltkrieg ein umfangreiches und detailliertes System von Minderheitenverträgen gegründet.2 Insbesondere Präsident Wilson, dem das Recht der Selbstbestimmung der Völker am Herzen lag, setzte sich für Mechanismen zur Friedenssicherung ein. So entstand ein System aus Minderheitenklauseln in Friedensverträgen, in bilateralen Verträgen sowie in speziellen Verträgen für die Gebiete Danzig, Memel, Oberschlesien und die Aaland-Inseln. Einigen Staaten wurde anläßlich ihres Beitritts zum Völkerbund eine Erklärung zu den Rechten ihrer Minderheiten abverlangt. Nach dem Ständigen Internationalen Gerichtshof war der Sinn und Zweck dieser Verträge: „… to secure for certain elements incorporated in a state, the population of which differs from them in race, language or religion, the possibility of living peacefully alongside that population.“3 1 Max van der Stoel, Staying on the Path to Peace, Address to the Permanent Council, Vienna, 22 June 2001. 2 Francesco Capotorti, Minorities, in: EPIL 3, (1997), S. 410, 411 ff.; Felix Ermacora, Menschenrechte in der sich wandelnden Welt, Bd. 1, Wien 1974, S. 81 ff. 3 Minority Schools in Albania, PCIJ, Ser.A/B, No.64, 17 (1935).

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Einführung in die Thematik

Die von Litauen vorgeschlagene Verabschiedung einer für alle Staaten des Völkerbunds bindende Minderheitenkonvention mißlang jedoch. Viele Staaten hatten Bedenken, mit einer solchen Konvention das Entstehen von Minderheiten künstlich zu forcieren.4 So scheiterte am Ende das System des Völkerbundes, da die Staaten nicht willens und der Völkerbund nicht in der Lage war, die Vertragsbestimmungen zum Minderheitenschutz durchzusetzen. Nach dem zweiten Weltkrieg, mit der Gründung der Vereinten Nationen sah sich die Völkergemeinschaft einer anderen Realität ausgesetzt als der Völkerbund. Nach der Brutalität des zweiten Weltkriegs stand die Friedenssicherung und die Bewahrung von allgemeinen fundamentalen Menschenrechten im Vordergrund. Minderheitenrechte hatten wenig Platz in diesem neuen System, zumal man davon ausging, daß individuelle Menschenrechte auch die Angehörigen von Minderheiten ausreichend schützen würden.5 Gleichzeitig machte die Generalversammlung aber bereits 1948 in einer Resolution deutlich, daß sie dem Schicksal der Minderheiten nicht gleichgültig gegenübersteht.6 Frühe Versuche, Minderheitenschutzklauseln in internationale Verträge oder die allgemeine Erklärung der Menschenrechte einzubringen, scheiterten jedoch. Erst im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte wurde ein bindendes Instrument des Minderheitenschutzes aufgenommen. Dort heißt es in Art. 27: „In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben und sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.“7

Trotz dieser bindenden Bestimmung genossen Minderheitenrechte auf der Agenda der Vereinten Nationen noch immer nicht die nötige Aufmerksamkeit. Eine Änderung dieser Situation vollzog sich aber nach dem Ende des kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjet Union und der Republik Jugoslawien. Zum einen waren die Vereinten Nationen nach jahrzehntelanger Lähmung durch den Ost-West-Konflikt zunächst von einer Stimmung des Aufbruchs in der internationalen Zusammenarbeit durchdrungen. Dadurch bestand auch bei den Staaten eine erhöhte Bereitschaft, neue Instrumente zu schaffen. Zum anderen verdeutlich4 André Nicolayévitch Mandelstam, La protection internationale des droits de l’homme, RdC 38/4 (1931), S. 125, 142 ff. 5 Rainer Hofmann, Die Minderheitendeklaration der UN-Generalversammlung. Ihre Bedeutung für die deutschen Volksgruppen in Mittel- und Osteuropa, in: Dieter Blumenwitz/ Dietrich Murswiek (Hrsg.), Aktuelle rechtliche und praktische Fragen des Volksgruppenund Minderheitenschutzrechts, Bonn 1994, S. 9, 10 f. 6 Dieter Blumenwitz, Internationale Schutzmechanismen zur Durchsetzung von Minderheiten- und Volksgruppenrechten, Köln 1997, S. 80. 7 BGBl. 1973 II, S. 1534.

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ten die ethnischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien, welche Bedrohung des Friedens und der Menschenrechte von ungelösten Minderheitenkonflikten ausgehen können. Damit wurde auf traurige Weise klar, daß eine angemessene Behandlung von Minderheiten für den Nationalstaat als auch die Staatengemeinschaft von dringendstem Interesse ist. Schließlich trug auch die zunehmende Globalisierung im wirtschaftlichen und politischen Bereich ungewollt zu neuen Minderheitenproblemen bei. Sie führte zu einer fortschreitenden, wenn auch partiellen Anerkennung anderer Völkerrechtssubjekte neben dem Nationalstaat, wie beispielsweise Individuen, regionalen und supranationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und internationalen Konzernen. Die zunehmende Desintegration des Nationalstaats warf in vielen Bereichen die Frage veränderter Identifizierung des einzelnen auf. Die verstärkte Rückbesinnung auf traditionelle ethnische oder nationale Einheiten konnte das Bedürfnis nach Identifizierung befriedigen und das Gefühl vermitteln, als Gruppe in einer Welt von Freihandelsmärkten und Internationalisierung von Gesellschaft, Recht und Politik Einfluß nehmen zu können. So scheint es, daß Globalisierung und „the new Tribalism“ die jeweils andere Seite derselben Münze darstellen.8 Angesichts dieser Entwicklungen wurden besonders in den letzten zehn Jahren verstärkt Bemühungen unternommen, die rechtliche Situation von Minderheiten durch völkerrechtliche Instrumente zu verbessern. Von erheblicher Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die UN Deklaration zum Minderheitenschutz von 1992, die Schlußakte der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE von 1990 sowie die Europäische Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen, welche beide 1998 in Kraft traten. Eines der pragmatischsten Instrumente ist das 1992 geschaffene Mandat des OSZE Hochkommissars nationaler Minderheiten, welches durch seine menschenrechtliche aber auch sicherheitspolitische Ausrichtung Minderheitenkonflikten durch präventive Diplomatie vorbeugen will. Die theoretischen Begründungen dieser Mechanismen zum Schutz von Minderheiten fallen dabei recht unterschiedlich aus. Während einige Politikwissenschaftler und auch Juristen einen eher kommunitarischen Ansatz verfolgen und Minderheitenrechte als Gruppenrechte sui generis fordern, tendiert die liberale Richtung dazu, Minderheiten durch ein erweitertes System traditioneller Menschenrechte schützen zu wollen. Erstere nehmen an, der Mensch sei vor allem ein soziales Wesen und untrennbar mit der sozialen Gemeinschaft verbunden. Individuelle und universelle Menschenrechte seien aber oft von ihrem sozialen Kontext entfremdet. Die Vielfalt der Kul8

Mathew Horsman/Andrew Marshall, After the Nation-State: Citizens, Tribalism and the New World Disorder, London 1994, S. 185 ff.

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Einführung in die Thematik

turen und Formen menschlichen Zusammenlebens ließen daher nur auf fundamentalster Ebene einen einheitlichen Menschenrechtsstandard zu. Gruppen würden den Menschen ähnliche unverwechselbare Merkmale, wie Tradition, Symbole und Wertesysteme besitzen. Diese vielfältigen Systeme seien aufgrund ihrer lebensnotwendigen Funktion für den einzelnen Menschen per se schützenswert.9 Für die liberale Richtung ist nach naturrechtlicher und lockescher Tradition die Menschenwürde des Individuums Rechtfertigung für den Minderheitenschutz. Danach ständen die unveräußerlichen universellen Menschenrechte des einzelnen im Mittelpunkt. Der sozialen Bedeutung der Gemeinschaft für den Menschen werde durch spezielle Rechte für die Mitglieder solcher Gruppen Rechnung getragen. Gruppenrechte sui generis seien aber abzulehnen und lediglich gewisse kollektive Komponenten des Minderheitenschutzes anzuerkennen.10 Die vorliegende Untersuchung basiert auf der liberalen Theorie und sieht damit die Menschenwürde des einzelnen als wesentliche Rechtfertigung für den Minderheitenschutz an. Darüber hinaus wird der Minderheitenschutz als Beitrag zur Friedenssicherung und Konfliktlösung verstanden. Zusätzlich zu den unterschiedlichen Begründungsansätzen für den Minderheitenschutz bestehen auch dogmatische Schwierigkeiten einer Einordnung von Minderheiten im UN-Menschenrechtssystem. Neben der Rechtsträgerschaft ist auch der Umfang der Rechte, die einer Minderheit gegenüber dem eigenen Staat zustehen sollten, wie beispielsweise die finanzielle Förderung von Aktivitäten der Minderheit, nicht abschließend festgelegt. Auch bereitet die Behandlung einer Minderheit, die sich einem benachbarten (Staats-)Volk zugehörig fühlt, erhebliche Schwierigkeiten, weil Staaten oft vermeintlich oder tatsächlich um ihre territoriale Integrität fürchten. Die arabische Bevölkerung in Israel ist eine einzigartige Minderheit, deren Schicksal durch das Spannungsverhältnis zwischen individuellen und kollektiven Rechten sowie der Zugehörigkeit zu einem anderen Volk geprägt ist. Über Nacht kehrte sich ihr Schicksal von dem einer Mehrheit in die Position einer Minderheit, beherrscht von der jüdischen Mehrheit, welche selbst zweitausend Jahre lang als 9 Vernon van Dyke, The Individual, the State and Ethnic Communities in Political Theory, in: Will Kymlicka (Hrsg.), The Rights of Minority Cultures, Oxford 1997, S. 31, 48; Jeremy Waldron, Minority Cultures and the Cosmopolitan Alternative, in: ibid., S. 93, 95 ff.; Will Kymlicka/Raphael Cohen Almagor, Democracy and Multiculturalism, in: Raphael Cohen Almagor (Hrsg.), Challenges to Democracy, London 2000, S. 89–117, unterscheidet zwischen den Gruppenrechten der Minderheit nach außen und dem Recht der Gruppe zur Einschränkung der Individualrechte der Gruppenmitglieder nach innen; Victor Segesvary, Group Rights: The Definition of Group Rights in the Contemporary Legal Debate Based on Socio-Cultural Analysis, IJMGR 3 (1995), S. 89, 93. 10 Jack Donnelly, Universal Human Rights in Theory and Practice, Ithaca u. a. 1989, S. 20 ff., 147 ff.; ders., International Human Rights, Boulder/San Francisco/Oxford 1993, S. 22 ff.

Einführung in die Thematik

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Minderheit unter den Völkern gelebt hatte. Ziel der nationalen Bestrebungen des jüdischen Volkes war es, zukünftig zu garantieren, daß es sich selbst nie wieder in einer Minderheitenposition befinden und antisemitischer Verfolgung ausgesetzt sein würde. Die Rechtsstellung der arabischen Minderheit wird, vor diesem Hintergrund betrachtet, im wesentlichen von drei Faktoren beeinflußt: durch das Selbstverständnis Israels als demokratischer Staat des jüdischen Volkes, durch den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern in den besetzten Gebieten sowie den arabischen Staaten und durch die Entwicklungen innerhalb der arabischen Gemeinschaft in Israel. Diese Faktoren sind bei der Untersuchung der Rechtsstellung der arabischen Bevölkerung Israels mit einzubeziehen. Eine rechtliche Behandlung, isoliert vom politischen und gesellschaftlichen Hintergrund, würde meiner Ansicht nach dem Thema nicht gerecht werden und unter Umständen sogar einen falschen Eindruck der Situation vermitteln. In einem ersten Schritt sind daher die wichtigsten Hintergrundinformationen zu der geschichtlich- politischen und sozio-ökonomischen Entwicklung der arabischen Minderheit in Israel darzulegen. Danach sind die arabischen Bürger unter den völkerrechtlichen Normen als Minderheit einzuordnen und ihr völkerrechtlicher Status mit ihrem Rechtsstatus in Israel zu vergleichen. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt anschließend in der Diskussion, welche konkreten völkerrechtlichen Ansprüche ihnen zustehen und wie demgegenüber ihre Rechte im israelischen Rechtssystem ausgestaltet sind. In diesem Zusammenhang wird der Charakter der Minderheitenrechte als Individual- oder Gruppenrechte sowie das Verhältnis zwischen diesen beiden Kategorien von Rechten diskutiert. Der Minderheitenschutz basiert im wesentlichen auf drei Säulen: dem Recht auf Existenz, dem Recht auf Gleichbehandlung und dem Recht auf Wahrung der Minderheitenidentität. In der folgenden Prüfung stellt sich also zum einen die Frage, ob die Existenz der arabischen Minderheit garantiert wird, zum anderen, inwieweit die arabischen Bürger gegenüber den jüdischen Bürgern gleichbehandelt werden und welche besonderen Rechte ihnen zur Wahrung ihrer Identität gewährt werden. Kennzeichnende Bereiche der Identität sind die gemeinsame Religion, Kultur und Sprache. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Untersuchung dieser Identitätsrechte sowie des Rechts auf Gleichbehandlung. Dabei wird vorwiegend auf Besonderheiten in der Beziehung zwischen Israel und den arabischen Bürgern eingegangen, die gerade einzigartig für den israelischen Staat und dessen Minderheit sind.

Kapitel 1

Die Geschichte der Araber in Israel A. Zusammensetzung der arabischen Bevölkerung In Israel leben heute ungefähr 1,1 Millionen Araber, Angehörige und Nachkommen der arabischen Bevölkerung Palästinas, welche trotz Staatsgründung Israels und dem darauf folgenden Krieg zwischen dem neuen Staat und sieben seiner arabischen Nachbarn1, in Israel verblieben sind.2 Sie stellen circa 18 % der Bevölkerung Israels3, welche im Jahr 2000 fast 6,3 Millionen erreichte.4 Im Vergleich dazu befanden sich unmittelbar vor der Staatsgründung Israels im Jahre 1947 etwa 900.000 Araber und 700.000 Juden in dem Teil Palästinas, der anschließend israelisches Staatsgebiet wurde5. Nach dem Krieg im Jahre 1949 lebten in diesem Gebiet dagegen nur noch ca. 160.000 Araber, 14 % einer Gesamtbevölkerung von 1,17 Millionen.6 Die arabische Bevölkerung lebte vor der Staatsgründung mehrheitlich im Norden Israels, in Galiläa, dem „kleinen Dreieck“ in der Mitte Israels, in der Negevwüste sowie in den arabischen Städten Nazareth, Shfaram und Um El-Fahm.7 1 Zu diesen gehörten Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien, Irak, Saudi Arabien und der Jemen. 2 Jakob M. Landau, The Arab Minority in Israel, 1967–1991, Oxford 1993, S. 6. 3 Die Angaben beziehen sich auf Israels Staatsbürger einschließlich der in Jerusalem, also nicht auf die Palästinenser in den autonomen und besetzten Gebieten. 4 Israel’s Population at 52, Central Bureau of Statistics, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 09.05.2000, S. 1. 5 Elia T. Zureik, The Palestinians in Israel, A Study in Internal Colonialism, London, Boston, Henley, 1979, S. 108; zu ähnlichen Zahlen gelangt Janett Abu-Lughod, The Demographic Transformation of Palestine, in: I. Abu-Lughod (Hrsg.), The Transformation of Palestine, Evanston 1971, S. 161; Moslih Kanaaneh, Left Behind, Palestinians in the Jewish State, Dissertation, Bergen 1995, S. 2; bezüglich der Probleme einer statistischen Erhebung von Daten im Jahr 1948, vgl. Ian Lustick, Arabs in the Jewish State, Austin/ London 1981, S. 48 f. 6 Central Bureau of Statistics, Statistical Abstract of Israel, Nr. 50, Jerusalem 1999, Table 2.1. 7 Siehe Lustick (Anm. 5), S. 49; Abdelrahim Matar, Zu den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen bei der arabischen Minderheit Israels – Eine sozioökonomische Untersuchung, Dissertation, Bochum 1995, S. 70 ff.

A. Zusammensetzung der arabischen Bevölkerung

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Daneben stellte sie einen Großteil der Bevölkerung in den gemischten Städten Ramle, Haifa, Jaffa und Acre. Heute befindet sich immer noch ungefähr die Hälfte der arabischen Bevölkerung in Galiläa, der Rest lebt im „kleinen Dreieck“ und in der Negev. Annähernd 18 % der Araber bewohnen inzwischen die arabischen Städte Nazareth, Um El-Fahm, Shfaram, Taibe, Tira, Sakhnin und Rahat. 50 % sind in arabischen Dörfern und ca. 8 % in den gemischt arabisch-jüdischen Städten Haifa, Jerusalem8, Tel Aviv-Jaffa, Acre, Nazareth-Illit, Lod und Ramle angesiedelt. Circa 6 % der arabischen Bevölkerung lebt in nicht anerkannten Siedlungen.9 Zur arabischen Minderheit gehören 891.000 Muslime, 110.000 Christen sowie 99.000 Drusen.10 Die Muslime sind mehrheitlich Sunniten und wohnen in allen zuvor beschriebenen Gegenden. Zu ihnen zählen auch 120.000 Beduinen11, welche verschiedenen Stämmen angehören, die vor der Staatsgründung Israels in den Wüsten der Negev, des Sinai und Transjordaniens als Nomaden lebten.12 Die Beduinen sind heute hauptsächlich in Siedlungen in der Negev, einige von ihnen auch in Galiläa zu finden. Circa 65.000 Beduinen der Negev halten sich in sogenannten „nicht anerkannten Dörfern“13 auf und sind infolgedessen von essentieller staatlicher Versorgung ausgeschlossen.14 Das natürliche Bevölkerungswachstum der Mus-

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Da der Rechtsstatus Jerusalems problematisch ist, werden in dieser Studie nur die arabischen Einwohner Jerusalems mit eingeschlossen, die die israelische Staatsbürgerschaft besitzen. Darüber hinaus gibt es in Ostjerusalem, welches nach dem sechs Tage Krieg von Israel annektiert wurde, noch ca. 170.000 Araber mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung, vgl. ACRI, The Association for Civil Rights in Israel, Comments on the Combined Initial and First Periodic Report Concerning the Implementation of the ICCPR, Submitted to the United Nations Human Rights Committee, Jerusalem 1998, S. 23. 9 HRA, The Arab Association for Human Rights, The Palestinian Arab Minority in Israel, Economic, Social and Cultural Rights, Report Presented to the UN CESCR Committee on Israel’s Implementation of the ICESCR, Genf 1998, S. 10. 10 Israel’s Population at 1952, Central Bureau of Statistics, Mai 2000, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 09.05.2000, S. 1; auf kleinere Minderheiten wie die ca. 5.500 Kirkassen und ca. 700 Baha’i wird in dieser Studie nicht gesondert eingegangen. 11 Ismael Abu Saad, The Bedouines of the State of Israel, in: Sikkuy, The Association for Advancement of Civic Equality, Sikkuy’s Report on the Equality and Integration of Arab Citizens in Israel 1999–2000, S. 47 f. 12 Ian Lustick, Arabs in the Jewish State, Austin/London 1980, S. 57. 13 Plan for the Development of Municipal Administration to the Unrecognised Arab Bedouin Villages in the Negev, Regional Council for Unrecognised Arab Villages/JewishArab Center for Economical Development, S. 5. 14 The Arab Bedouine of the Negev, Factsheet No. 3, Arab Association for Human Rights, S. 1.

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Kap. 1: Die Geschichte der Araber in Israel

lime beträgt zur Zeit 3,5 % jährlich15 im Vergleich zu 1,6 % im israelischen und 1,2 % im jüdischen Durchschnitt.16 Die Tatsache, daß der prozentuale Anteil der jüdischen und der arabischen Bevölkerung seit 1948 ungefähr gleich geblieben ist, kann vor allem auf die verschiedenen jüdischen Einwanderungswellen zurückgeführt werden. Die arabischen Christen sind hauptsächlich in Galiläa und Jerusalem zu finden. Sie leben traditionell eher in Städten als in Dörfern17 und stellen heute 10 % der arabischen Bevölkerung. Im Vergleich dazu betrug ihr Anteil 1949 noch 20 %.18 Die prozentuale Abnahme ist auf die geringere Geburtenrate im Vergleich zu den Muslimen und Drusen, auf die Besetzung des vorwiegend islamischen Ostjerusalems 1967 sowie auf die Abwanderung von Christen ins Ausland zurückzuführen.19 Ihr natürliches Wachstum liegt lediglich bei 1,7 % per anno.20 Die arabischen Drusen, Angehörige einer vom schiitischen Islam abgespaltenen Gemeinde, leben überwiegend in ihren eigenen Dörfern getrennt von den anderen Religionsgemeinschaften in Galiläa. Ein kleiner Teil der Drusen bewohnt die 1967 von Israel annektierten Golanhöhen. Von ihnen besitzt die Mehrheit lediglich einen Aufenthaltsstatus, da sie sich weigern die israelische Staatsbürgerschaft anzunehmen.21 Der Anteil der Drusen an der arabischen Bevölkerung Israels beträgt heute annähernd 9 %. Anders als bei den Christen

15 Dieser relativ hohe Bevölkerungszuwachs wird nicht unerheblich durch das natürliche Wachstum der Beduinen von ca. 5,5 % per anno beeinflußt, Abu Saad (Anm. 11), S. 49. 16 Ca. 3,5 % zu 1,2 %, Central Bureau of Statistics, Statistical Abstract of Israel, No. 50, 1999, Summerytable 3,1. 17 Landau (Anm. 2), S. 28. 18 Vgl. Central Bureau of Statistics, Statistical Abstract of Israel, Nr. 50, Jerusalem 1999, Table 2.1 sowie Israel’s Population at 52, Central Bureau of Statistics, Mai 2000, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 09.05.2000, S. 1. 19 Landau (Anm. 2), S. 28, 29; siehe zur Problematik der zunehmenden Abwanderung von arabischen Christen aus Israel: Don Peretz/Maya Peretz, Israeli Palestinians and the Middle East Peace Process, Oktober 1998, in: Report of ittijah, http://www.ittijah.org/ research.htm, Stand: 17.07.2000, S. 13. 20 Bezüglich der schwierigen Situation der arabischen Christen vgl. Microcosm and Multiple Minorities: The Christian Community in Israel, Israel Yearbook and Almanac 1999, S. 28–42; Daten stammen von 1998, Central Bureau of Statistics, Statistical Abstract of Israel, No.50, 1999, Summerytable 3.1. 21 Natan Lerner, Israel’s International Obligations Concerning Minorities and Discrimination, in: Conference Papers, Journal of the International Center for Peace in the Middle East, Tel Aviv 1987, S. 4, 10; Landau (Anm. 2), S. 7.

A. Zusammensetzung der arabischen Bevölkerung

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und Muslimen ist ihr Bevölkerungsanteil seit 1949 konstant geblieben.22 Das jährliche Bevölkerungswachstum der Drusen liegt bei 2,3 %.23 Auch in sozialer und ökonomischer Hinsicht bestehen entscheidende Unterschiede zwischen der arabischen und jüdischen Bevölkerung. Obwohl die arabische Bevölkerung seit der Staatsgründung einen erheblichen Zuwachs verzeichnete, wurde seit 1948 keine neue Siedlung für diesen Teil der Bevölkerung bereitgestellt .24 Diese Vernachlässigung spiegelt sich in der Wohnraumdichte wieder. In der jüdischen Bevölkerung wird ein Raum von weniger als einer Person bewohnt, bei der arabischen Bevölkerung kommen 1,65 Personen auf einen Raum.25 Erhebliche Unterschiede bestehen ebenfalls im Einkommen. Der durchschnittliche Stundenlohn für eine arabische Frau liegt 28 % niedriger als der einer jüdischen Frau. Der durchschnittliche Stundenlohn für einen arabischen Mann ist 33 % geringer als der Lohn eines jüdischen Mannes.26 Entsprechend ist das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der arabischen Bevölkerung wesentlich niedriger als das der jüdischen.27 Dieser Effekt wird durch die höhere Geburtenrate unter der arabischen Bevölkerung noch verstärkt. Dank ihres hohen natürlichen Wachstums haben die Araber in Israel einen großen Anteil an junger Bevölkerung. Im Jahre 2020 wird die arabische Minderheit voraussichtlich ein Viertel der israelischen Bevölkerung ausmachen.28 Diese Statistiken machen deutlich, daß die arabische Minderheit einen erheblichen politischen Faktor für die israelische Gesellschaft verkörpert, dessen politische, wirtschaftliche und rechtliche Behandlung entscheidend sein wird für die zukünftige Beziehung zwischen Minderheit und Staat.

22 Central Bureau of Statistics (Anm. 24); Aharon Layish, Marriage, Divorce and Succession in the Druze Family, Leiden 1982, S. 15 ff. 23 Daten aus dem Jahr 1998, Central Bureau of Statistics, Statistical Abstract of Israel, No.50, 1999, Summerytable 3.1. 24 Adalah, Legal Violations of Arab Minority Rights in Israel, Report on Israel’s Implementation of the International Convention Against Racial Discrimination, Shfaram 1998, S. 59. 25 ACRI, The Association for Civil Rights in Israel, Comments on the Combined Initial and Second Periodic Report Concerning the Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR), Submitted to the United Nations Human Rights Committee, Jerusalem November 1998, S. 43. 26 Sikkuy, 1999–2000 (Anm. 11), S. 32. 27 In einer Spanne von 1968 bis 1993 lag das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen bei ca. 50 % von dem Pro-Kopf-Einkommen der jüdischen Bevölkerung, Matar (Anm. 7), S. 101. 28 Central Bureau of Statistics, Projections of Israel’s Population until 2020, http://www. cbs.gov.il, Stand v. 17.07.2000.

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Kap. 1: Die Geschichte der Araber in Israel

B. Geschichtliche Entwicklung Eine der schwierigsten Aufgaben ist sicherlich der Versuch, die geschichtliche Entwicklung der arabischen Minderheit in Israel sowie die historischen Hintergründe für ihren faktischen Minderheitenstatus annähernd objektiv darzustellen. Einer der Gründe für den immer noch anhaltenden arabisch-jüdischen Konflikt liegt in der fast vollständigen Abwesenheit einer gemeinsamen Sicht geschichtlicher Ereignisse, aus denen jede Seite dieses Konflikts ihre „legitimen“ Ansprüche ableitet. So ist der geschichtliche Diskurs gleichermaßen geprägt von Emotionen, Mythen, Verdrängung und Verherrlichung.29 Da ein Einblick in die Ursprünge des arabisch-jüdischen Konflikts jedoch erst ein Verständnis der aktuellen Situation der arabischen Minderheit ermöglicht, soll hier eine Zusammenfassung der politischen und sozio-ökonomischen Faktoren erfolgen, die die Entwicklung der arabischen Minderheit sowie ihr Verhältnis zur jüdischen Mehrheit beeinflußt haben. I. Das Osmanische Reich Palästina befand sich zwischen 636 bis 1099 unter arabischer Herrschaft. Es folgten die Kreuzritter und die Mamelucken bis schließlich die Türken 1517 für die nächsten 400 Jahre Palästina als Teil ihres osmanischen Reichs kontrollierten. Der Name „Palästina“ stammt noch aus römischer Zeit, damals „Palaestina“, und wurde während der arabischen Herrschaft zu „Filastin“.30 Zur Zeit der osmanischen Herrschaft über Palästina, noch vor der zunehmenden jüdischen Einwanderung Ende

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Seit Ende der achtziger Jahre gewinnt in Israel die Bewegung der sogenannten „neuen Historiker, Soziologen und Politikwissenschaftler“ zunehmend an Anerkennung für ihre Forschungen, die sich wesentlich kritischer mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen als ihre traditionellen, zionistischen Kollegen. Diese Forschung wurde insbesondere durch die Öffnung von Staatsarchiven und privaten Sammlungen mit politischen Dokumenten in Israel, Großbritannien und den USA ermöglicht. Siehe dazu exemplarisch Benny Morris, The Birth of the Palestinian Refugee Problem, 1947–1949, Cambridge, 1988; Anton Shammas, Arabesques, Arles 1988; Emile Habiby, The Secret Life of Saeed, The Pessoptimist, übersetzt von Salma Hkadra Jayyusi und Trevor LeGassick, London 1985; Ilan Pappe, The Making of the Arab-Israeli Conflict 1947–1951, London 1994; Baruch Kimmerling, Zionism & Territory: The Socio-Territorial Dimension of Zionist Politics, University of California 1983; dabei ist festzuhalten, daß die Erkenntnisse der „neuen Historiker“ sich in vielen Bereichen mit den Einsichten der „alten arabischen Historiker“ decken. Für die frühe palästinensische Sicht der Ereignisse siehe Zureik (Anm. 5); Sabri Jiryis, The Arabs in Israel 1948–1966, Beirut 1968; Nur Masalha, A Critique on Benny Morris, in: Ilan Pappe, The Israel/Palestine Question, London 1999, S. 211 ff. 30 Vgl. Michael Wolffsohn, Wem gehört das heilige Land?, aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, München 1997, S. 17, 207 ff.

B. Geschichtliche Entwicklung

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des vorletzten Jahrhunderts, lebten in Palästina ungefähr 400.000 Araber und etwa 24.000 vorwiegend sefardische Juden.31 Das osmanische Regime verhielt sich zu dieser Zeit noch relativ tolerant gegenüber der jüdischen Gemeinde. So genossen die verschiedenen religiösen Gemeinschaften Autonomie im Bereich ihrer religiösen Angelegenheiten sowie im Familienrecht. Die sefardischen Juden waren im wirtschaftlichen Bereich in den Städten verhältnismäßig gut in die Gesellschaft integriert.32 Die Araber arbeiteten in dieser durch Feudalismus geprägten Zeit überwiegend als Bauern.33 In den Städten lebten die Großgrundbesitzer, die Beamten, die Händler, die religiöse Führungsschicht sowie einige Tagelöhner und Kleinhändler.34 Seit der Entstehung der zionistischen Bewegung, eingeleitet durch Theodor Herzl auf dem Kongreß in Basel 1897, war das Verhältnis zwischen Juden und Arabern in Palästina durch ein Thema geprägt: den Kampf um Land. Das erklärte Ziel der Bewegung war es, in Palästina eine öffentlich-rechtliche Heimstätte für die in Europa und anderswo verfolgten Juden zu schaffen.35 Das Programm von Basel sowie die darauf folgenden zionistischen Programme zeichneten sich vor allem durch zwei Merkmale aus. Zum einen erklärten sie keine konkreten Endziele dieses Projekts, was unterschiedlichste geistige Strömungen und Interpretationen innerhalb der Bewegung produzierte. Zum anderen wurde die Frage nach der Beziehung zu der in Palästina bereits ansässigen arabischen Bevölkerung schlichtweg ignoriert.36 Die erste Einwanderungsbewegung (Aliya)37 fand zwischen 1882–1903 vor dem Hintergrund der Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung im zaristischen Rußland statt. Die arabische Bevölkerung wurde mit dem Eintreffen der ersten Einwanderer 31 Der Ausdruck sefardisch kommt von sfarad (Hebräisch für Spanien) und bezieht sich auf die im 15. Jahrhundert aus Spanien vertriebenen Juden, die in nordafrikanische und arabische Länder immigrierten. 32 Trotzdem gab es auch damals schon Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung ausgehend von Muslimen, vgl. Zureik (Anm. 5), S. 32. 33 Anderer Ansicht ist Zureik (Anm. 5), S. 43, der argumentiert, daß die Gesellschaftsstruktur in Palästina sich nicht als Feudalsystem beschreiben läßt, da sich die Prinzipien der Landnutzung von denen eines klassischen Feudalsystems erheblich unterschieden. 34 Adel El Sayed, Palästina in der Mandatszeit, Europäische Hochschulschriften, Bd. 310, Frankfurt a. M./Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1996, S. 50. 35 Vgl. dazu Theodor Herzl, „Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“, Altneuland/Der Judenstaat, in: Julius H. Schoeps (Hrsg.), 2. Aufl., Königstein/Ts 1985, S. 213; sowie das Programm des Basler Kongreß vom 23.08.1897, zitiert bei Bernhard Reich, Arab-Israeli Conflict and Conciliation, A Documentary History, Westport/London 1995, S. 18–19. 36 El Sayed (Anm. 34), S.28, 29. 37 Aliya stammt von dem hebräischen Verb la’alot und bedeutet hinaufgehen, hochgehen. Dies verdeutlicht in gewissem Sinne auch die emotionale Bedeutung der Einwanderung nach Israel, ha’aretz (das Land). Während man bei der Einwanderung nach Israel „hochgeht“, bewegt man sich bei Verlassen Israels herunter, lazet (heruntergehen).

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Kap. 1: Die Geschichte der Araber in Israel

aus Europa, der „Freunde Zions“, sowie dem verstärkten Aufkauf von Land zunehmend mißtrauischer gegenüber den Juden in Palästina und versuchte Druck auf die osmanischen Behörden auszuüben, einer weiteren Besiedlung des Landes entgegenzuwirken.38 Die türkische Verwaltung bemühte sich, zusätzliche Immigration zu verhindern, da man einen weiteren nationalen Konflikt innerhalb des ohnehin angeschlagenen osmanischen Reiches fürchtete. 39 Mit der nächsten Einwanderungswelle aus Osteuropa zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts kamen Siedler mit weitaus mehr ideologischer Motivation nach Palästina. Während die erste Aliya noch keine klaren nationalen Ziele verfolgte, legte die zweite Aliya den Grundstein für den sogenannten „Arbeiterzionismus“, der eine Kolonialisierung des Bodens anstrebte. Dieses Ziel wurde mit Hilfe verschiedener Institutionen in die Tat umgesetzt. Der fünfte Zionistische Kongress gründete 1901 den Jewish National Fund, um so den Kauf von Land zu forcieren.40 In der Satzung dieses Organs wurde bestimmt, daß einmal erworbenes Land sich auf Ewigkeit in jüdischem Eigentum befinde und nicht an Nichtjuden veräußert werden dürfe. Die Zionisten kauften Land überwiegend von Großgrundbesitzern auf, die teilweise nicht einmal in Palästina lebten, ein kleinerer Teil wurde von arabischen Kleinbauern erworben.41 Dies führte dazu, daß viele arabische Bauern, die diese Ländereien bewirtschaftet hatten, ihre Existenzgrundlage verloren und nun auf Lohnarbeit angewiesen waren. Solche Arbeit fanden sie zu Anfang noch teilweise in den jüdischen Landwirtschaftssiedlungen.42 Im Jahre 1920 wurde dann die Hebräische Arbeiter Union (Histadrut) gegründet, zu deren Zielen es gehörte, einen jüdischen Staat zu etablieren sowie die Rechte jüdischer Arbeiter zu fördern. So war eines ihrer Prinzipien der Ausschluß arabischer Arbeiter von Arbeitsplätzen auf jüdischem Land. Diese Haltung verdeutlicht die offizielle Einstellung der jüdischen Organisationen, welche eine Trennung der Bevölkerungen anstrebten.43 Obwohl es immer wieder bewundernswerte Ansätze von Juden und Arabern zur Kooperation gab44, scheiterten viele dieser Projekte an der Ideologie 38

Vgl. Morris, 1988 (Anm. 29), S. 49 f. Zureik (Anm. 5), S. S.32. 40 Zureik (Anm. 5), S. 34. 41 Vgl. für eine ausführliche Darstellung des Landerwerbs durch jüdische Organisationen, El Sayed (Anm. 34), S. 80 ff., insb. S. 85; Janett Abu-Lughod, in: Abu-Lughod (Anm. 5), S. 2 ff. 42 Baruch Kimmerling/Joel S. Migdal, Palestinians – the Making of a People, Nachdruck der 1. Aufl. v. 1993, Cambridge, Massachusetts 1998, S. 32–35; Dan Diner, Keine Zukunft auf den Gräbern der Palästinenser, Hamburg, 1982, S. 64 f.; Kenneth Stein, The Land Question in Palestine 1917–1939, Chappel Hill 1984. 43 Ronen Shamir, The Colonies of Law: Colonialism, Zionism and Law in Early Mandate Palestine?, Cambridge 2000, S. 14 ff. 44 So beispielsweise der Versuch, eine gemeinsame Landwirtschaftsschule für Araber und Juden zu gründen, A. L. Tibawi, Arab Education in Mandatory Palestine, A Study of Three Decades of British Administration, London, 1956, S. 122–127; Susan Lee Hattis, The 39

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der einflußreicheren unter den Zionisten, die von Anfang an einen bi-nationalen Charakter eines zukünftigen Staates ablehnten und die einheimische Bevölkerung bestenfalls als unterprivilegierte Zivilisation ansahen, die man nach und nach von ihrem Land trennen wollte.45 Aber auch die Einstellung der Araber war oft von Ablehnung geprägt. Die westliche Lebensweise der Juden, ihre Sprache, Kultur, Religion und ihre kommunistische Ideologie waren den Einheimischen fremd.46 Die palästinensische Elite war gegenüber den Neuankömmlingen gespalten. Einerseits waren sie als Großgrundbesitzer oft am Verkauf von Land zu überhöhten Preisen interessiert. Andererseits fürchteten sie den zunehmenden politischen Einfluß der Juden in Palästina.47 II. Die Kolonial- und Mandatsherrschaft Großbritanniens Durch den Ausbruch des zweiten Weltkriegs änderten sich schließlich auch die Machtverhältnisse in Palästina. Während die Briten den Arabern 1915 im Gegenzug für eine Revolte gegen das osmanische Reich noch ihre Unabhängigkeit versprachen, teilten Großbritannien und Frankreich 1916 den Nahen Osten unter sich auf, ohne dabei die Rechte der einheimischen Bevölkerung zu berücksichtigen.48 Nach dem endgültigen Zusammenbruch des osmanischen Reiches im Jahr 1917 und während der Kolonialherrschaft Großbritanniens über Palästina, kam es zunächst zu einer erneuten Einwanderungswelle aus Europa. Während dieser Zeit verfestigten und intensivierten sich die Pläne der zionistischen Bewegung mit dem Bi-National Idea in Palestine During Mandatory Times, Genf/Tel Aviv 1970; Morris, 1988 (Anm. 29), S. 57 ff.; für eine Darstellung der Vertreter einer bi-nationalen Lösung: El Sayed (Anm. 34), S. 150–164. 45 Tagebucheintrag von Herzl: „… the private lands in the territories granted to us we must gradually take out of the hands of the owners. The poorer amongst the population we try to transfer quietly outside our borders with providing them with work, in the transit property will join us. The transfer of land and the displacement of the poor must be done gently and carefully. Let the landowners believe they are exploiting us by overvalued prices. But no lands shall be sold back to the owners“, zit. in: Haim Hanegbi/Moshe Machover/ Akiva Orr, The Class Nature of Israeli Society, New Left Review 65 (1971), S. 7, 14; Morris, 1988 (Anm. 29), S. 42 ff. 46 Geoffrey Regan, Israel and the Arabs, akt. 3. Ausg., Cambridge 1990, S. 10; Morris, 1988 (Anm. 29), S. 45 f. 47 Diner (Anm. 42), S. 54 ff. Gegen die Annahme, daß Separation und Konflikt hauptsächlich durch Agitation der Effendi-Klasse geschürt wurde, sondern eher ein Aufstand arabischer Bauern angesichts des drohenden Verlusts großer Teile des Landes an jüdische Immigranten war, vgl. George Antonius, The Arab Awakening, Reprinted Edition, Beirut 1969, S. 390, 405–406; Tom Bowden, The Politics of Arab Rebellion in Palestine: 1936–1939, Middle Eastern Studies, 2/2 (1975), S. 168. 48 Vgl. zur Problematik des zwischen England und Frankreich geschlossenen SykesPicot-Abkommens v. 16.05.1916 Wolffsohn (Anm. 30), S. 247 f.; Antonius (Anm. 47), S. 311 f.

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erklärten Ziel, die technische, organisatorische und auch demographische Infrastruktur für einen zukünftigen jüdischen Staat zu schaffen. Bis zur Verabschiedung der UN-Teilungsresolution war das angestrebte Ziel, einen jüdischen Staat auf dem gesamten Territorium Palästinas49 zu errichten, auch wenn dieses Ziel aus diplomatischen Gründen auf zwischenstaatlicher Ebene nicht erklärt wurde.50 Die arabische Bevölkerung fand in dieser Ideologie keinen Platz und wurde zunächst völlig ignoriert. Palästina wurde wie ein Land ohne Einwohner behandelt, das nur darauf wartet besiedelt zu werden, nach der Devise: „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“.51 Im Gegensatz zur jüdisch nationalen Bewegung mit ihren weltweit operierenden Organisationen, staatsähnlichen Strukturen und politischem Einfluß auf internationaler Ebene, stand die nationale Bewegung der arabischen Palästinenser wesentlich unorganisierter und schwächer da. So basierte die arabische Nationalbewegung hauptsächlich auf dem Kampf einiger einflußreicher Familien, welche ihre Macht auf ein feudales Netzwerk kleinerer Clans und Großfamilien in den verschiedenen Dörfern stützten. Unterstützung fand die Bewegung auch in der Bourgeoisie der städtischen Zentren.52 Es fehlte jedoch an einer vereinigenden Organisation, die gegenüber der britischen Mandatsregierung und den zionistischen Organisationen hätte politisch Einfluß nehmen können.53 Schließlich versicherte die englische Regierung 1917 der zionistischen Bewegung in der Balfourdeklaration, daß sie die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina anerkennt, jedoch im Gegensatz zu dem Entwurf der Zionisten mit ausdrücklichem Hinweis auf die Wahrung der bürgerlichen und religiösen Rechte nichtjüdischer Gemeinschaften Palästinas.54 49 Dies beinhaltete damals das Territorium, welches heute die anerkannten israelischen Staatsgrenzen darstellt einschließlich des West- und Ostjordanlands und den Gazastreifen, Wolffsohn (Anm. 30), S. 252 ff. 50 1935 erklärt Ben Gurion: „A Jewish state in part of Palestine is not the end but the beginning. The establishment of such a Jewish State will serve as a means in our historical efforts to redeem the country in its entirety. We shall bring into the country all the Jews it can contain; we shall build a sound Jewish economy. We shall organise an sophisticated defence force – an elite army. I have no doubt that our army will be one of the best in the world. And then I am sure that we will not be prevented from settling in all other parts of the country, either through mutual understanding and agreement with our Arab neighbours or by other means“, zit. in: Regan (Anm. 46), S. 17. 51 Slogan von Israel Zwangwill, zitiert in: Landau (Anm. 2), S. 33. 52 Lustick (Anm. 5), S. 48; Diner (Anm. 42), S. 61 ff. 53 Wolffsohn (Anm. 30), S. 251; Rashid Khalidi, Palestinian Identity: The Construction of Modern National Consciousness, New York 1997, S. 25. 54 Lord Balfour schreibt an Lord Rotschild, Vorsitzenden der Zionistischen Föderation Großbritanniens: „His Majesties Government view with favour the establishment in Palestine of a national home for the Jewish people and will use their best endeavours to facilitate the achievement of this object, it being clearly understood that nothing shall be done which may prejudice the civil and religious rights of the existing non-Jewish communities

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Die britische Herrschaft wurde durch die Mandatserteilung des Völkerbunds im Jahre 1922 bestätigt. Das Mandat umfaßte unter anderem in Art. 2 den Aufbau einer jüdischen, nationalen Heimstätte sowie in Art. 4 die Anerkennung der Jewish Agency als öffentlich-rechtliche Person, die auch für die Schaffung einer nationalen Heimstätte der Juden in Palästina und der damit verbundenen Einwanderung und Besiedlung des Landes zuständig sein sollte.55 In diesen Dokumenten ist augenfällig, daß die einheimische Bevölkerung Palästinas lediglich als nicht-jüdische Gemeinschaften, nicht jedoch als Volksgruppe oder Nation bezeichnet wurde. Von den einstigen Versprechen der Engländer an die Araber war inzwischen keine Rede mehr.56 Im Rahmen der zunehmenden Spannungen zwischen beiden Gruppen kam es in den Jahren 1921 und 1929 erstmals zu Überfällen von Arabern auf jüdische Einwohner in den Städten des ganzen Landes. Die Araber verlangten von den Engländern die sofortige Unterbindung der jüdischen Einwanderung, die Einstellung des Bodenkaufs durch Juden, die Nichtigerklärung der Balfourdeklaration und die Errichtung eines unabhängigen arabisch palästinensischen Staates.57 Dem Aufstieg Adolf Hitlers und der durch seine Rassenpolitik ausgelösten nächsten Einwanderungswelle von Juden aus Europa folgten in den Jahren 1936 bis 1939 schließlich bewaffnete Aufstände der Palästinenser, die von den Engländern niedergeschlagen wurden und die palästinensische Führung so endgültig schwächten.58 Damit war nun immer deutlicher abzusehen, daß zwei nationale Bewegungen, die jüdische und die arabisch-palästinensische sich auf einem furchtbaren Kollisionskurs befanden.59 Trotzdem waren Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre immer wieder Forderungen nach „Parität für beide Völker in Palästina“, Binationalismus und Föderalismus von Teilen der jüdischen Führung zu hören. Diese Forderungen scheinen jedoch lediglich von einer kleinen liberalen Minderheit innerhalb der zionistischen Bewegung ernst gemeint gewesen zu sein, die sich mit ihrem Ansatz zur Versöhnung zwischen Juden und Arabern letztlich nicht durchin Palestine or the rights and political status enjoyed by Jews in any other country.“ Ruth Lapidoth/Moshe Hirsch (Hrsg.), The Arab-Israel Conflict and its Resolution: Selected Documents, Tel Aviv/Dordrecht 1992, S. 20; vgl. für die Umstände des Zustandekommens dieser Erklärung auch Lustick (Anm. 5), S. 30; Morris (Anm. 29), S. 73 ff. 55 Terms of the British Mandate for Palestine confirmed by the League of Nations, 24th July 1922, zit. in: Lapidoth/Hirsch (Hrsg.) (Anm. 54), S. 25 ff. 56 Dazu bemerkt Wolffsohn treffend: „Mehrfach hält besser, das war wohl die Devise der britischen Regierung. Denn am 2. November 1917 versprach sie auch den Zionisten das bereits vorher schon den Arabern angebotene und eigentlich stets sich selbst zugedachte Heilige Land.“, (Anm. 30), S. 248. 57 Vgl. El Sayed (Anm. 34), S. 62 ff.; Lustick (Anm. 5), S. 30. 58 Zu diesen Aufständen, welche die Identität der Araber als Palästinenser entscheidend mitbeeinflußten vgl. Kimmerling/Migdal (Anm. 42), S. 122 f.; Benny Morris, Righteous Victims, A History of the Zionist – Arab Conflict 1881–1999, New York 1999, S. 153 f.; Regan (Anm. 46), S. 15. 59 Landau (Anm. 2), S. 5.

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setzen konnte. Gegen Ende der dreißiger Jahre stieg die jüdische Einwanderung aus Deutschland und Europa vor dem Hintergrund der Verfolgung und Vernichtung von Millionen europäischer Juden durch die nationalsozialistische Diktatur weiter erheblich an.60 Angesichts dieses schrecklichen Höhepunkts zunehmenden Rassenhasses gegen die Juden wurden die Bestrebungen um eine Heimstätte des jüdischen Volkes, sprich einen unabhängigen Staat, immer dringlicher, insbesondere da viele andere Staaten Europas und Amerikas jüdische Flüchtlinge an ihren Grenzen zurückwiesen. Als die Pläne für einen unabhängigen Staat immer schärfere Formen annahmen, forderte die internationale Gemeinschaft Zusicherungen von der zionistischen Führung bezüglich der zukünftigen Rechte der Araber. So erklärte David BenGurion 1936 zwar, er erkenne die Araber in Palästina nicht als Nation an61, versicherte jedoch 1946 vor dem Anglo-American Committee of Inquiry in Palestine: „We will have to treat our Arabs and other non-Jewish neighbours on the basis of absolute equality as if they were Jews, but make every effort, that they should preserve their Arab characteristics, their language, their Arab culture, their Arab religion, their Arab way of life, while making every effort to make all the citizens of the country equal, civilly, socially, economically, politically, intellectually, and gradually raise the standard of life of everyone, Jews and others.“62

Ähnliche Zusagen wurden von der Jewish Agency vor dem UN Special Committee on Palestine wiederholt.63 Der daraufhin von den Vereinten Nationen entworfene Teilungsplan64 wurde schließlich von der jüdischen Führung anerkannt. Der Plan sah vor, im Gebiet von Palästina zwei getrennte unabhängige Staaten zu etablieren, einen jüdisch-israelischen und einen arabisch-palästinensischen.65 Die arabischen Staaten und die Palästinenser lehnten diesen Plan jedoch ab, wodurch die militärische Auseinandersetzung zwischen Arabern und Juden begann, welche die jüdische Bevölkerung in ihre Unabhängigkeit (HaZma’ut) führte, für die Araber Palästinas dagegen in der 60 Die britische Mandatsregierung versuchte diesen Strom von Flüchtlingen angesichts der Spannungen zwischen Arabern und Juden zu verhindern, was ihr in Anbetracht der Verzweiflung der Flüchtlinge, die mit allen Mitteln ins Land strömten, oft nicht gelang, vgl. Regan (Anm. 46), S. 15. 61 Zionist Archives, S. 25/1827, zit. in: Hattis (Anm. 44), S. 167. 62 Zitiert in: Lustick (Anm. 5), S. 37/38. 63 UNSCOP (UN Special Committee on Palestine), Report to the General Assembly 1947, S. 64. 64 Resolution 181(II) Adopted on the Report of the Adhoc-Commission on the Palestinian Question, Official Records of the Second Session of the General Assembly, 29.11.1947, Suppl. No. 11, Vol. I–IV, in: Dusan J. Djonovich (Hrsg.), United Nations Resolutions, Series I, Vol. I, 1946–48, New York 1974, S. 322–344. 65 Diese Lösung geht auf den sogenannten Peel-Report zurück, der nach der arabischen Revolte 1936–1939 von der Royal Commission entworfen wurde, vgl. Reich (Anm. 35), S. 45–53.

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Katastrophe (Nakba) endete.66 Die kriegerischen Geschehnisse lassen sich grob in zwei Phasen einteilen. Zunächst kam es in Palästina zu einem Bürgerkrieg zwischen Arabern und Juden in Form von Guerillakämpfen und Terroranschlägen zwischen palästinensischen und jüdischen Untergrundgruppierungen. Nach der Unabhängigkeitserklärung Israels am 15. Mai 1948 wurde Israel von sieben arabischen Staaten angegriffen.67 Im Verlauf dieser militärischen Auseinandersetzungen flohen ungefähr 700.000 Araber aus dem Gebiet, welches später zum Staatsgebiet Israels werden sollte, in angrenzende Gebiete unter arabischer Kontrolle.68 Diese Welle arabischer Flüchtlinge wurde später unter der Bezeichnung „Palästinensisches Flüchtlingsproblem“ bekannt.69 Heute leben immer noch circa vier Millionen Palästinenser einschließlich deren Nachkommen in Flüchtlingslagern der Vereinten Nationen im Libanon, Syrien und Jordanien, da sie sämtlichen UN-Resolutionen zum Trotz nicht nach Israel zurückkehren durften, und die arabischen Länder es auch nach über fünfzig Jahren nicht für nötig befinden, diese Flüchtlinge mit derselben Sprache und Kultur in ihre Gesellschaften zu integrieren.70 66

Friedrich Schreiber, Schalom Israel: Nachrichten aus einem friedlosen Land, München 1998, S. 103 f.; Nadim N. Rouhana, Palestinian Citizens in an Ethnic Jewish State: Identities in Conflict, New Haven/London/Yale University Press 1997, S. 80. 67 Syrien, Jordanien, Ägypten, Libanon, Irak, Yemen und Saudi Arabien, Morris, 1988 (Anm. 29), S. 191; Laurence Silberstein, Postzionism Debates, Knowledge and Power in Israeli Culture, New York/London 1999. 68 Die Ursache für die Flucht der Palästinenser ist immer noch unter Historikern und Politikern heftig umstritten. So behaupten Autoren auf israelischer Seite noch immer, daß die Araber Palästina freiwillig verlassen hätten aufgrund der Propaganda der arabischen Staaten, so beispielsweise, Joseph Schechtmann, The Arab Refugees, New York 1952, S. 6; Israelisches Außenministerium, Schriftenreihe, ‚Zeitprobleme‘, Nr. 13 Sept. 1966, S. 20; die extreme arabische Position hingegen sieht die Flucht in einer von den Zionisten von Anfang an geplanten Vertreibungspolitik begründet, Nakhleh 1991, Bd. I, S. 251; Whalid Khalidi, Why Did the Palestinians Leave?, London 1961, S. 1 ff. Angesichts verschiedenster UN Resolutionen zu diesem Thema ist die These des „freiwilligen Verlassens“ unglaubwürdig, vgl. Lex Takkenberg, The Status of Palestinian Refugees in International Law, Oxford 1998, S. 16 ff. Eine vermittelnde Position nehmen hier die „neuen Historiker“ ein, wobei ihre Sicht der Ereignisse relativ nah an die palästinensische herankommt. So geht aus vielen Dokumenten und Berichten hervor, daß ein großer Teil der Bevölkerung vor den jüdischen Truppen geflohen ist, insbesondere der Terror der IZL und LECHI sowie der damit verbundene Nervenkrieg hat viele dieser Fluchtbewegungen ausgelöst. Als zusätzliche Motivation zur Flucht kann die allgemeine gesellschaftliche und wirtschaftliche Verwirrung in dieser Zeit angesehen werden, die anfängliche Flucht der Eliten, sowie Auswirkungen der Propaganda der arabischen Staaten; vgl. zu diesem Thema Zureik (Anm. 5), S. 46 ff.; Morris, 1988 (Anm. 29); Pappe (Anm. 29), S. 87 ff., 102 ff.; zur Haltung der zionistischen Führung, die sich durch billigende Inkaufnahme der Vertreibung ausgezeichnet hat, vgl. Schreiber (Anm. 66), S. 102 ff. 69 Für eine ausführliche Darstellung der Flüchtlingsproblematik siehe Takkenberg (Anm. 68); Younes R. Altamemi, Die Palästinenserflüchtlinge und die Vereinten Nationen, in: Theodor Veiter (Hrsg.), Abhandlungen zu Flüchtlingsfragen, Bd. 4, Wien 1974, insbes. S. 48–54. 70 Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht Jordanien.

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III. Der Staat Israel Die zurückgebliebenen 160.000 Araber fanden sich über Nacht als Minderheit im jüdischen Staat wieder, abgetrennt von der arabischen Welt und oftmals von der eigenen Familie.71 Ihre Situation war in vielen Bereichen des Lebens von totalem Zusammenbruch gekennzeichnet. Ihre auf diesen Schock folgende Entwicklung in Israel läßt sich im wesentlichen in drei Phasen einteilen: Die Existenz unter Militärverwaltung bis zum Jahr 1966, das Erwachen des politischen Bewußtseins und der Stärkung palästinensischer Identität nach 1967 sowie die durch den Osloprozeß ausgelösten veränderten Beziehungen zwischen Israel und den Palästinensern. 1. Die Militärverwaltung Die Einstellung Israels gegenüber der arabischen Minderheit war schon immer von Ambivalenz geprägt. Auf der einen Seite gewährte der junge Staat den Arabern sofort die israelische Staatsbürgerschaft einschließlich des Wahlrechts und proklamiert in seiner Unabhängigkeitserklärung „complete equality of social and political rights to all its inhabitants irrespective of religion, race or sex“ 72. Auf der anderen Seite schrieb die Unabhängigkeitserklärung „The Establishment of a Jewish State in Eretz-Israel“ sowie „ingathering of the exiles“ als Staatsziel fest, mit anderen Worten einen ethnischen Staat mit gleichen bürgerlichen Rechten für alle.73 Dazu kommt, daß die Situation der Araber bis 1966 durch drakonische Militärgesetze gekennzeichnet war, die Freiheits- und Eigentumsrechte beschränkten.74 Nach dem von Israel gewonnenen Unabhängigkeitskrieg und dem Waffenstillstandsabkommen mit den arabischen Staaten befand sich Israel immer noch im Kriegszustand. Alle politischen Entscheidungen in dieser Zeit waren von zwei Zielsetzungen geprägt: Zum einen lag es in Israels Interesse, die Grenzen des Waffenstillstands gegen illegale Grenzüberschreitungen zu sichern, da man dank er71 Amina Minns/Nadja Hijab, Citizens Apart, A Portrait of Palestinians in Israel, London/New York 1990, S. 3 f.; Kanaaneh (Anm. 5). 72 Declaration of the Establishment of the State of Israel, LSI 1 (1948), 3, 4. 73 Inwieweit sich beide Staatszielbestimmungen vereinbaren lassen wird in einer Analyse des Gleichheitsprinzips gegenüber dem jüdischen Charakter des Staates in Kapitel 3, Abschnitt C. diskutiert. 74 David Kretzmer, The Legal Status of the Arabs in Israel, San Francisco/Oxford 1990, S. 4; für eine ausführliche Besprechung der Militärgesetzgebung in Israel, deren Wurzeln in der Mandatszeit liegen und die von jüdischen Juristen zu dieser Zeit noch vehement als „unparalleled in any civilised country“ verurteilt wurde, vgl. Jiryis (Anm. 29), S. 1–54, insbesondere S. 4 ff.

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heblicher arabischer Propaganda mit einem zweiten Angriff rechnen mußte.75 Zum anderen fand sich der neue Staat in chaotischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen wieder, mit Hilfe derer er die fast unmögliche Aufgabe erbringen sollte, hunderttausende Neueinwanderer aufzunehmen und zu integrieren. Angesichts dieser Situation wurden die verbliebenen Araber in Israel als „fünfte Kolonne“ beziehungsweise als potentiell mit dem Feind verbunden angesehen.76 Insbesondere die Tatsache, daß die meisten Araber sich nah an der „grünen Linie“77 befanden, wurde als Bedrohung für die Sicherheit der Grenzen empfunden. Als Reaktion auf diese Situation führte Israel die Militärverwaltung in den betreffenden Gegenden ein, das heißt, die Einwohner waren einer Militärregierung unterworfen, welche ihre fundamentalen bürgerlichen Rechte erheblich einschränkte.78 Gleichzeitig nutzte man die Abwesenheit der Flüchtlinge geschickt, um das von ihnen verlassene Land mittels verschiedener Verfahren zu verstaatlichen79 und dann der jüdischen Bevölkerung sowie den Neueinwanderern zu erschließen.80 Mangels geordneter judikativer und administrativer Strukturen in der Zeit nach dem Krieg fiel es verschiedenen zionistischen Organisationen umso leichter arabisches Land zu enteignen.81 Von dieser Enteignungswelle waren nicht nur die aus israelischem Gebiet geflüchteten Araber betroffen, sondern auch circa 50.000 der zurückgebliebenen Araber82, da sie ihr Eigentum während der kriegerischen Auseinandersetzungen 75

Morris, 1988 (Anm. 29), S. 261. Morris, 1999 (Anm. 58), S. 259; Walther Schwarz, The Arabs in Israel, London 1959, S. 61. 77 Mit „grüner Linie“ sind die Grenzen des Waffenstillstands gemeint. 78 Beispielsweise durch freies Ermessen bei Verhaftungen, Militärgerichtsbarkeit ohne Berufungsinstanz, Pressezensur, drastische Einschränkung der Bewegungs- und der Versammlungsfreiheit etc., vgl. dazu Jiryis (Anm. 29), S. 7 ff.; Schwarz (Anm. 76), S. 64 ff.; Kretzmer (Anm. 74), S. 123 ff., 300 Fn. 98. 79 So wurden Gegenden mit Hilfe des Art. 125 der Defense (Emergency) Regulations zu geschlossenen Militärzonen erklärt und später jüdischen Einwanderern zur Verfügung gestellt, Jiryis (Anm. 29), S. 47; siehe dazu auch das Schicksal der Einwohner von Ikrit und Birem, die von den Israelischen Verteidigungskräften aus ihren Dörfern entfernt worden waren und bis heute trotz eines Urteils des Supreme Court zu ihren Gunsten nicht zurückkehren durften, HCJ 51/64 Daud v. The Minister of Defense and others (unveröffentlicht); nützliche Hintergrundinformationen zu diesem Fall finden sich bei ACRI, ICCPR-Report (Anm. 8), S. 148 f.; hinsichtlich weiterer Gesetze, die eine Enteignung ermöglichten vgl. Adalah, Legal Violations of Arab Minority Rights in Israel (Anm. 24), S. 49 ff. 80 Vgl. Lustick (Anm. 5), S. 46–47; Schwarz (Anm. 76), S. 61. 81 Lustick (Anm. 5), S. 45; so blieb insbesondere das Verhältnis zwischen Staat und dem Jewish National Fund sowie der World Zionist Organisation problematisch, vgl. Kretzmer (Anm. 74), S. 60 ff., S. 96–98. 82 Auch als „interne Flüchtlinge“ oder unter der Bezeichnung „anwesende Abwesende“ bekannt; vgl. zu diesem Thema David Grossmann, Der geteilte Israeli: Über den Zwang seinen Nachbarn nicht zu verstehen, (dt. Ausgabe), Wien/München 1992, S. 75 ff.; Don 76

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verlassen hatten, um in andere Gegenden innerhalb der grünen Linie zu fliehen. Außerdem wurden während des Krieges etwa 250 arabische Dörfer auf dem Gebiet Israels zerstört, was entscheidend dazu beitrug, daß für die zurückgebliebenen Araber keine ausreichende Infrastruktur mehr bereitstand, geschweige denn eine Rückkehr der Flüchtlinge möglich gewesen wäre.83 Die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung hatte das Land verlassen. Vor allem die städtischen Zentren wirtschaftlicher, politischer und kultureller Aktivität waren über Nacht verwaist. Die einstige arabische Elite war komplett geflohen.84 Lediglich die untere Schicht einer überwiegend ländlichen, traditionellen Bevölkerung blieb zurück. Deren wirtschaftliche Basis, die Bearbeitung ihrer Felder, war durch Militärverwaltung und Enteignungen im großen Stil extrem eingeschränkt worden.85 So durften die Araber ohne spezielle Genehmigung von den Militärbehörden ihre Dörfer nicht verlassen, egal ob sie ihre Felder bewirtschaften, zur Arbeit oder zur Schule gehen wollten. Diese Bedingungen führten während der fünfziger Jahre mehr und mehr zu einer Proletarisierung und Arbeitslosigkeit der Araber, die dann als billige Arbeitskräfte von der jüdischen Landwirtschaft genutzt wurden.86 Auch eine politische und kulturelle Restrukturierung konnte nicht stattfinden, da alle dafür erforderlichen Aktivitäten vom israelischen Staat mittels der Militärverwaltung systematisch verhindert wurden.87 So blieben als einzige Führung die Ältesten (Mukhtars) der Dorfclans (Hamulas) übrig. Diese fällten für das jeweilige Dorf wichtige Entscheidungen und repräsentierten die Araber gegenüber der Regierung. Obwohl die arabische Minderheit unmittelbar nach dem Krieg das Wahlrecht erhielt, konnten die Araber diesen Status nur schwer zur Verbesserung ihrer Lage umsetzen, nicht zuletzt da sie mit dem politischen und rechtlichen System in Israel nicht vertraut und durch die Militärverwaltung von der israe-

Peretz/Maya Peretz, in: Ittijah 1998 (Anm. 19), S. 8; Jiryis (Anm. 29), S. 62 ff., insbes. S. 65; ACRI, ICCPR-Report (Anm. 8), S. 153–155. 83 Jiryis (Anm. 29), S. 56; insgesamt wurden im israelischen Herrschaftsgebiet 430 von 550 arabischen Dörfern zerstört, auf denen oft kurz danach jüdische Siedlungen errichtet wurden, Matar (Anm. 7), S. 35; zu ähnlichen Zahlen gelangt Nabila Espanioly, Palestinian Women in Israel – Herstory, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel, The Status of Palestinian Women Citizens of Israel, Report to the UN CEDAW Nazareth, Juli 1997, S. 18, 20. 84 Lustick (Anm. 5), S. 48. 85 Hinsichtlich einer rechtsgeschichtlichen Aufarbeitung der Enteignungspolitik Israels, siehe Jiryis (Anm. 29), S. 55–90. 86 Matar (Anm. 7), S. 41, 85 f., 91 f. 87 Binyamin Neuberger, Trends in the Political Organisation of the Arabs of Israel, in: Elie Rekhess (Hrsg.), Arab Politics in Israel at a Crossroads, Tel Aviv 1996, S. 27, 28; Lustick (Anm. 5), S. 126 f.; David Mark Neuhaus, Between Quiescence and Arousal: Political Function of Religion, A Case Study of the Arab Minority in Israel: 1948–1990, Dissertation, Jerusalem, 1991, S. 14.

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lischen Gesellschaft weitgehend isoliert waren.88 Zudem war ihnen der Beitritt zu den jüdischen Parteien, mit Ausnahme der Kommunistischen Partei89, die sich bereits vor der Staatsgründung für einen bi-nationalen Charakter des Staates ausgesprochen hatte, verwehrt. Die Repräsentation der arabischen Bevölkerung erfolgte daher mittels sogenannter „Minderheitenlisten“, welche von den größten jüdischen Parteien etabliert wurden und weder ein eigenes Programm noch eigene Strukturen beinhalteten.90 Auf diesen Listen waren einzelne angesehene arabische Bürger vertreten, die aufgrund der ihnen versprochenen Vorteile für sich oder ihr Dorf kandidierten.91 Der Al-Ard-Bewegung, einer der ersten politischen Organisationen, wurde nicht erlaubt eine Partei zu gründen. Dies wurde gerechtfertigt mit der israelfeindlichen Satzung der Organisation, die arabisch nationalistisch im Sinne eines Panarabismus à la Nasser, einer der Erzfeinde Israels, agierte.92 In der YadorEntscheidung von 1965 wurde schließlich auch vom Supreme Court Israels bestätigt, daß eine Liste nicht an den Wahlen teilnehmen darf, wenn sie in ihrem Programm den jüdischen Charakter des Staates nicht anerkennt.93 So läßt sich zusammenfassend feststellen, daß sich die Araber insbesondere in der ersten Phase nach dem Unabhängigkeitskrieg in einer totalen Abhängigkeit vom israelischen Staat befanden. 2. Wiederentdecken palästinensischer Identität Während die Araber in den ersten Jahren nach der Staatsgründung noch an die panarabische Propaganda glaubten und hofften, daß die anderen arabischen Staaten Palästina zurückerobern würden, war ihnen spätestens nach dem Sechs-Tage-Krieg und der israelischen Besetzung der Golanhöhen, Ostjerusalems und des Westjordanlandes klar, daß ihre Situation als Minderheit nun endgültig festgeschrieben war, und daß sie selbst für ihre Rechte in Israel kämpfen mußten.94 So läßt sich in der zweiten Phase nach Staatsgründung eine zunehmende Politisierung unter den Arabern feststellen. Als die Militärverwaltung der arabischen Gemeinden nach fast 88 Neuberger, in: Rekhess (Anm. 87), S. 27; Lustick (Anm. 5), S. 123; Rouhana (Anm. 66), S. 95. 89 Neuhaus (Anm. 87), S. 15. 90 Jiryis (Anm. 29), S. 122. 91 Vgl. Neuberger, in: Rekhess (Anm. 87), S. 27, 28; Minns/Hijab (Anm. 71), S. 7. 92 Minns/Hijab (Anm. 71), S. 6; Landau (Anm. 2), S. 100; HCJ Sabri Yirys v. District Commissioner, P.D. 18 II (1964), 340, 673, 677 ff. 93 Richter Agranat erklärte in dieser Entscheidung den in der Unabhängigkeitserklärung beschriebenen jüdischen Charakter des Staates zum Verfassungsprinzip und setzte eine Verleugnung dessen mit einer Verleugnung der Existenz Israels gleich, HCJ, Yardor v. Chairman of the Central Elections Committee for the Sixth Knesset, P.D. 19 III (1965), 365, 369–389. 94 Vgl. Rouhana (Anm. 66), S. 92.

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zwanzig Jahren 1966 endlich aufgehoben wurde, entwickelten sich wieder verstärkt politische und soziale Aktivitäten innerhalb der arabischen Gemeinschaft, obwohl weiterhin eine starke staatliche Kontrolle mit Hilfe der Emergency Regulations vor allem im Bereich der Pressefreiheit, Vereinigungsfreiheit und Bewegungsfreiheit stattfand.95 Dazu kam, daß der nach dem Sechs-Tage-Krieg wiederhergestellte Kontakt zu den Palästinensern in Gaza und im Westjordanland eine Wiederbelebung der palästinensischen Identität, des Zusammengehörigkeitsgefühls sowie der Solidarität bewirkte. Außerdem gewann die 1968 gegründete Palestinian Liberation Organisation (PLO) zunehmend an Einfluß, was auch auf das nationale Bewußtsein der Araber in Israel nicht ohne Auswirkungen blieb. Schließlich war die arabische Bevölkerung inzwischen demographisch stark angewachsen und verfügte dank einiger Modernisierungsprozesse über eine breitere gebildete Schicht, die auch der hebräischen Sprache mächtig war. All diese Faktoren trugen zu verstärktem politischen Bewußtsein und Aktionismus bei. So ging aus der Israelisch-Kommunistischen Partei 1965 die Rakah Partei hervor, welche sich bald zur Plattform des Kampfes der Araber gegen das jüdisch zionistische Establishment entwickelte.96 Dies geschah wohl weniger aus Überzeugung von den kommunistischen Ideen dieser Partei als vielmehr aufgrund Alternativlosigkeit. So wurde im Programm von Rakah unter anderem ein Ende der Diskriminierung der Araber gefordert. In der Rakah-Ära wurden auch verschiedene Follow-Up-Committees gegründet, die sich nach und nach de facto zu einer Art nationalen Führung der Araber in Israel entwickelten.97 Aber auch diese Partei wurde weitgehend von jüdischen Israelis kontrolliert.98 In den siebziger Jahren öffneten sich schließlich auch verschiedene andere jüdische Parteien der arabischen Bevölkerung, wie beispielsweise die Arbeitspartei. Vor dem Hintergrund der zunehmenden politischen Organisation der arabischen Minderheit einerseits und der Steigerung des Bedarfs an Ressourcen im Bereich Land, Arbeit, Infrastruktur und Bildung andererseits begann ein verstärkter Kampf gegen die Enteignung arabischen Landes, die weiterhin vom israelischen Staat oder jüdischen Organisationen betrieben wurde.99

95 Vgl. für eine ausführliche Analyse der Emergency Regulations einschließlich deren Wurzeln in der Mandatszeit sowie der Kritik jüdischer Juristen an dieser Gesetzgebung Kretzmer (Anm. 74), S. 141–151. 96 Neuberger, in: Reckhess (Anm. 87), S. 27, 30. 97 Minns/Hijab (Anm. 71), S. 14; Nabeel Badarneh, Die palästinensischen Araber in Israel: Institutionelle Autonomie und Identitätsbildung, Dissertation, Hannover 1997, S. 58. 98 Vgl. Rouhana (Anm. 66), S. 97. 99 Für eine ausführliche Analyse der Enteignungsgesetzgebung sowie den Status und die Rolle jüdischer Organisationen in diesem Zusammenhang, siehe u. a. Michael Dumper, Islam and Israel – Muslim Religious Endowments in the Jewish State, Washington 1994, Kapitel 2 und 3; Kretzmer (Anm. 74), S. 49–76.

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Vor diesem Hintergrund organisierten Rakah und das Komitee zur Verteidigung des Landes am 30. März 1976 Proteststreiks gegen die fortlaufenden Enteignungen, in deren Verlauf es zu blutigen Auseinandersetzungen kam. Sechs Araber wurden getötet. Dieser Tag wurde so zu einem Wendepunkt in der Entwicklung der arabischen Minderheit in Israel. Er wurde zum Symbol der Forderung nach Gleichbehandlung und wird jedes Jahr als „Tag des Landes“ durch Proteste oder Streiks erinnert.100 Durch dieses Ereignis verstärkte sich zum einen die Radikalisierung der Minderheit, zum anderen versuchten die israelischen Politiker die Araber nun stärker in die Gesellschaft einzubinden ohne ihre arabische Identität anzuerkennen. Gegen diese Politik wehrte sich das Regionale Komitee der arabischen Bürgermeister, welches Anerkennung der nationalen arabischen Identität forderte.101 Die Identifizierung der Araber in Israel mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten nahm in den achtziger Jahren weiter zu. Die kommunistische Rakah, später Demokratische Front, verlor durch den Krieg ihres kommunistischen Vorbilds „Sowjetunion“ im islamischen Afghanistan an Prestige. So wurden in dieser Zeit zwei vorwiegend arabisch national ausgerichtete Parteien als Alternative zu den Kommunisten gegründet: die PLP (Progressive List for Peace)102 und die ADP103 (Arab Democratic Party).104 Außerdem trugen außenpolitische Ereignisse zu einer Pluralisierung der Parteienlandschaft bei. In dem in Camp David zwischen Israel und Ägypten geschlossenen Friedensvertrag wurden die Palästinenser 1978 erstmals als Volk anerkannt und die Suche nach einer Lösung vereinbart.105 Mit diesem Friedensvertrag verlor so die Kultur der militaristischen Hegemonie im israelischen Staat nach und nach ihre Rechtfertigung, wodurch sich eine verstärkte Polarisierung in der israelischen Gesellschaft anbahnte. Am rechten Spektrum profilierten sich die Neomilitaristen, die mit Gewalt und rassistischen Überzeugungen für ein Großisrael kämpften.106 Am linken Rand etablierten sich dagegen die Postmilitaristen107, welche angesichts 100

Vgl. Rouhana (Anm. 66), S. 68, 100. Minns/Hijab (Anm. 71), S. 14. 102 Wurde gegründet von einem Mitglied der Al-Ard Bewegung und dem jüdischen ExGeneral Matti Peled, vgl. Minns/Hijab (Anm. 71), S. 16. 103 Entstand durch die Abspaltung von Abdel Wahab Darawshe von der Arbeitspartei aus Protest gegen das Verhalten israelischer Truppen in den besetzten Gebieten während der Intifada, vgl. Minns/Hijab (Anm. 71), S. 16. 104 Neuberger, in: Rekhess (Anm. 87), S. 33. 105 (A) A Framework for Peace in the Middle East Agreed at Camp David, 17.09.1978, in: Lapidoth/Hirsch (Hrsg.) (Anm. 54), S. 195–199. 106 So scheiterte der Versuch einer extremen Gruppe dieser Bewegung, den Tempelberg in die Luft zu sprengen, vgl. Schreiber (Anm. 66), S. 160 ff.; Richard Chaim Schneider, Israel am Wendepunkt, München 1998, S. 39. 107 Diese weigerten sich beispielsweise, in den besetzten Gebieten ihren Wehrdienst zu verrichten. 101

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des Friedens mit Ägypten für eine Trennung von Staat und Militär eintraten und an eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Juden und Arabern glaubten. Schließlich verschob der Krieg zwischen Israel und der PLO im Libanon 1982 den Konflikt zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten mehr und mehr auf die Ebene des Konflikts zwischen Juden und Palästinensern. Durch die Zerstörung der Infrastruktur der PLO im Libanon und dem folgenden Exil der palästinensischen Führung wurde Israel eine Bedrohung seiner Existenz los und gleichzeitig der Weg frei für verstärkte Siedlungsaktivitäten in den besetzten Gebieten. Diese schleichende Annexion des Westjordanlands und Gazas traf jedoch auf verstärkten Widerstand bei der palästinensischen Bevölkerung, der schließlich während der ersten Intifada108 zum Ende der achtziger Jahre seinen Höhepunkt erreichte. In dieser Situation solidarisierten sich die Araber in Israel stark mit den Palästinensern. Dies manifestierte sich in der Forderung „zwei Staaten für zwei Völker“ sowie in der Unterstützung der politischen Positionen der PLO, die sich nun langsam von ihren terroristischen Methoden trennte und mehr zu einem Verhandlungspartner hin entwickelte. Die Solidarität mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten fand jedoch nicht außerhalb des rechtlichen Systems statt. So kam es in Israel zu keinem Aufstand ähnlich der Intifada. Auf der anderen Seite gaben die verstärkten Siedlungsaktivitäten den rechten Kreisen, welche an ein Großisrael glaubten, weiteren Aufschwung. So trat die Kachbewegung, gegründet von Meir Kahane, öffentlich für einen „Bevölkerungstransfer“ der arabischen Staatsbürger ein. Die Kachbewegung zog mehrmals mit ihren rassistischen Forderungen in die Knesset ein, bis 1985 eine Gesetzesänderung des Basic Law: The Knesset den Ausschluß von rassistischen Parteien bestimmte.109 Während der zweiten Phase der Entwicklung änderte sich auch die Struktur der arabischen Gesellschaft zunehmend. Die arabische Minderheit entwickelte sich von einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft mit dem traditionell mächtigen Einfluß der Großfamilie immer mehr zur Arbeiterklasse. Dies zeigte sich durch die Beschäftigung in Bau und Industrie sowie in der zunehmenden Berufstätigkeit arabischer Frauen, vorwiegend in unterbezahlten Jobs in der Bekleidungsindustrie.110 Mit dieser Proletarisierung der arabischen Gesellschaft nahmen jedoch auch die Unterschiede von Löhnen und Lebensstandards zwischen der jüdischen und arabischen Bevölkerung zu. Der Kampf um Ressourcen wurde immer bedeutender. Auch hatte sich inzwischen eine gebildete arabische Elite entwickelt, deren Mitgliedern aber ein akade108

Was im Arabischen „abschütteln“ bedeutet. Vgl. History of the Kach Movement (Background), Information des Außenministeriums Israels vom 04.03.1994, http://www.mfa.gov.il, Stand v. 16.07.2000. 110 Rouhana (Anm. 66), S. 92. 109

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mischer Beruf trotz Universitätsausbildung oft aufgrund „sicherheitsbedingter“ Diskriminierung bei der Einstellung versagt blieb.111 So blieb als einzige Alternative oft nur der Beruf als Lehrer112 oder Angestellter in den arabischen Gemeinden. In dieser Phase der Entwicklung gewann eine weitere Strömung in der arabischen Gesellschaft an Einfluß: die islamische Bewegung. Gleich ihren Glaubensgenossen in den arabischen Ländern genoß die islamische Bewegung aufgrund ihres religiösen Charakters etwas mehr Bewegungsspielraum als rein politische Organisationen.113 Sie bot vor allem durch soziale Netzwerke wie Kindergärten, Arztpraxen, Kulturzentren und Armenfürsorge die scheinbar optimale Lösung für die bedrückende Situation der Araber nach dem Motto: „Islam is the answer“.114 Gleichzeitig begann mit dem ansteigenden Fundamentalismus bei einem Teil der arabischen Bevölkerung eine erneute Wendung zur konservativen, patriarchalisch geprägten Lebensweise einschließlich der Trennung zwischen den Geschlechtern in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen.115 Zusammenfassend läßt sich die zweite Phase der Entwicklung der arabischen Minderheit in Israel als eine Art politisches Erwachen beschreiben, welches durch Pluralisierung, ausgedrückt durch verschiedenste neue Parteien und Bewegungen, kommunistisch, national oder islamisch gekennzeichnet war.116 Grundkonsens der arabisch politischen Kräfte war dabei zunächst der Kampf um Gleichbehandlung innerhalb Israels. Später dehnte sich dieser Konsens aber immer mehr zur Forderung nach Anerkennung als „nationale Minderheit gleichberechtigt in einem Staat all seiner Bürger“ sowie der Forderung nach einem palästinensischen Staat neben Israel aus. 3. Die Auswirkungen des Osloprozesses Die dritte Phase der Entwicklung ist einerseits durch die veränderte Beziehung zwischen Israel und den Palästinensern vor dem Hintergrund des Friedensprozesses gekennzeichnet, andererseits von einer verstärkten Polarisierung innerhalb der israelischen Gesellschaft. So kam es Ende der achtziger, Anfang der neunziger 111

Rouhana (Anm. 66), S. 93 f.; Landau (Anm. 2), S. 15 ff. Selbst dies erweist sich aus „Sicherheitserwägungen“ heraus oft schwierig, was in Kapitel 3 noch näher zu erörtern sein wird. 113 Minns/Hijab (Anm. 71), S. 19 ff.; Neuhaus (Anm. 87), S. 190. 114 Muhammad Hassan Amara, The Nature of Islamic Fundamentalism in Israel, Terrorism and Political Violence, 8/2 (1996), S. 155, 162; Raphael Israeli, Muslim Fundamentalists as Social Revolutionaries: The Case of Israel, Terrorism and Political Violence 6/4 (1994), S. 462, 466 f. 115 Minns/Hijab (Anm. 71), S. 23. 116 Ozacky-Lazar/Ghanem, The Arab Vote in the Elections to the 14th Knesset, 29 May 1996, in: Moshe Dayan Center (Hrsg.), Data and Analysis 5 (1997), S. 5. 112

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Jahre zu einer nachhaltigen Diskussion zwischen Säkularen und Religiösen, Ashkenasim und Sefaradim, Juden und Arabern um den Charakter des Staates.117 Während der schrecklichen Auswüchse der Intifada, die gewaltpolitisch keine Seite weiter brachte, wurde der Führung der PLO und Israels klar, daß Verhandlungen die einzige Chance für eine Lösung des Konflikts darstellten.118 Ende 1988 erklärte der Palästinensische Nationalrat in Algier einen unabhängigen palästinensischen Staat.119 Kurz darauf erkannte Yassir Arafat vor den Vereinten Nationen Israels Recht auf Existenz an und schwor dem Terrorismus ab.120 Schließlich fanden 1991 in Madrid die ersten offiziellen Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern statt. Dieses Treffen war der erste Schritt hin zur Declaration of Principles vom 13. September 1993, in deren Rahmen die PLO die Existenz Israels und Israel die Existenz des palästinensischen Volkes vertreten durch die PLO anerkannte.121 Am 4. Mai 1994 folgte das Gaza-JerichoAbkommen, welches die weitere Implementierung des Friedensprozesses regelt.122 Diese Entwicklungen wurden von der arabisch-palästinensischen Minderheit Israels positiv aufgenommen, da mit der Anerkennung der PLO auch ihre Identität als palästinensische Araber123 eine gewisse Legitimation erhielt, obwohl sich die Anerkennung des palästinensischen Volkes durch Israel auf die Palästinenser in den besetzten Gebieten bezog. Der Friedensprozeß hatte jedoch für die Araber in Israel auch eine Kehrseite. So änderte sich im Laufe der Verhandlungen auch die Einstellung Arafats gegenüber den „arabischen Israelis“, die von ihm nun als Minderheit in Israel angesehen wurde, welche ihre nationalen Aspirationen nicht wie die anderen Palästinenser verwirklichen konnte. 124 Ein Grund für die Unterstützung des Friedensprozesses durch die arabische Minderheit war und ist die Hoffnung, nach Beendigung des Konflikts endlich volle 117

Zu den verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft vgl. Richard Chaim Schneider, Israel am Wendepunkt, Von der Demokratie zum Fundamentalismus?, München 1998, S. 16 ff.; Moshe Zimmermann, Wende in Israel, 1. Aufl., Berlin 1996, S. 124. 118 Vgl. dazu Schreiber (Anm. 66), S. 209, 216, 220 ff.; Morris, 1999 (Anm. 58), S. 561–610. 119 Political Communiqué and Declaration of Independence by Palestine National Council v. 15.11.1988, UN Doc. A/43/827; S/20278, 18.11.1988, zit. in: Lapidoth/Hirsch (Hrsg.), (Anm. 54), S. 344–356. 120 Reich (Anm. 35), S. 18. 121 Declaration of Principles, ILM 32 (1993), S. 1525; Briefe Arafats an Rabin und Rabins an Arafat während der noch geheimen Verhandlungen in Oslo, 09.09.1993, zit. in: Reich (Anm. 35), S. 229–230. 122 ILM 33 (1994), S. 622; Reich (Anm. 35), S. 262–263. 123 Dies ist nicht ganz unproblematisch im Hinblick auf Beduinen und Drusen in Israel wie in Kapitel 2 genauer analysiert wird. 124 Neuhaus (Anm. 87), S. 176.

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Gleichberechtigung in Israel zu erhalten.125 Diese Hoffnung wurde insbesondere durch die Regierung Rabins gestärkt, die in ihren Politikzielen ausdrücklich „the full integration of arab and druze citizens in all areas of public life in Israel, while respecting their religious and cultural singularity and ensuring equality among all citizens of the state“126 hervorhob. In einigen Bereichen konnten bereits positive Veränderungen festgestellt werden, wie beispielsweise die Angleichung von Budgets für arabische und jüdische Gemeinden.127 Zum ersten Mal gewann die arabische Minderheit tatsächlich politischen Einfluß in der Knesset. So unterstützten Hadash und die ADP als blockierende Fraktion die Minderheitsregierung von Rabin außerhalb seiner Koalition.128 Als Gegenbewegung zur Anerkennung des palästinensischen Volkes und gesteigerten Forderungen der Araber in Israel nach gleichberechtigtem Bürgerstatus entstanden auf der anderen Seite verstärkte Bemühungen, den Charakter Israels als jüdischen Staat verfassungsrechtlich festzuschreiben. Israel sollte kein arabischjüdischer Staat all seiner Bürger werden, wenn neben ihm ein „rein“ palästinensischer Staat entstehen würde. In diesem Sinne strebte man eine „Symmetrie“ zwischen dem jüdischen und dem zukünftigen palästinensischen Staat an.129 Dies bedeutet jedoch, daß die Araber in Israel ihre Vorstellungen von „gleichen Bürgern“ des israelischen Staates nie völlig verwirklichen könnten, abhängig von der Definition des jüdischen Charakters, ihr Bürgerstatus unter Umständen sogar sehr eingeschränkt bliebe. Ferner trafen die Oslovereinbarungen im Bereich des rechten bis rechtsextremen politischen Spektrums nicht auf Zustimmung. Im Gegenteil, die rechte Opposition steigerte sich zu einer krassen Polemik gegen Izhak Rabin und den von ihm eingeleiteten Friedensprozeß. Indem man Rabin mit Nazigrößen wie Adolf Eichmann in einem Atemzug nannte und mit Nazikollaborateuren von 1944 gleichsetzte130, wurde ein politisches Klima geschaffen, in dem ein religiöser Extremist wie Yigal 125 Adel Mana, Identities in Crisis: The Arabs in Israel and the Israel-PLO Agreement, in: Rekhess (Hrsg.), (Anm. 87), S. 79, 80. 126 Alouph Hareven/As’ad Ghanem (Hrsg.), Implementation of the Basic Guidelines of the Government, 1992–1996, in: Sikkuy, Retrospect and Prospects, Equality and Integration Progress by Government Ministries in 1992–1996 in Applying Basic Guidelines of the Government with Respect to Arab Citizens of Israel, The Main Objectives Towards the Year 2000, Jerusalem 1996, S. 14. 127 Ebenda, S. 10 ff.; vgl. auch Boaz Shapira, An Arab Minister in Israel: Past Borders and Future Constraints, in: Rekhess (Hrsg.), (Anm. 87), S. 49, 54–55. 128 Ozacky-Lazar/Ghanem (Anm. 116), S. 8. 129 Rephael Israeli, Proceedings of a Panel Discussion held at Tel-Aviv University, 31.10.1994, in: Elie Rekhess/Tamar Yegnes (Hrsg.), Jews and Arabs in Israel in an Era of Peace: Towards Accomodation or Alienation?, Schriften der Konrad Adenauer Stiftung, S. 14 und 18; Peretz/Peretz, in: Ittijah 1998 (Anm. 19), S. 8 ff. 130 Beispielsweise durch den heutigen Vorsitzenden der Likud-Partei Ariel Sharon, vgl. Morris, 1999 (Anm. 58), S. 34 f.

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Amir es als von extremen religiösen Kreisen abgesegnet erachten konnte, Rabin zu ermorden.131 Dieser Verlust der Führung und dem mit ihr verbundenen Verlust der Hoffnung auf Frieden war umso schmerzhafter, als während der anschließenden Regierung von Shimon Peres Israel von einer Welle von Terroranschlägen der Hamas, des islamischen Jihad und einiger Anschläge fundamentalistischer jüdischer Siedler überrollt wurde.132 Die Aufbruchstimmung für den Frieden war damit vorerst geschwächt und die alten Feindbilder gewannen neues Gewicht. Diese Stimmung in der Öffentlichkeit brachte schließlich Benyamin Netanyahu die Wahl zum Ministerpräsidenten Israels ein.133 Unter seiner Regierung wurden verschiedene Programme, die die Gleichberechtigung der arabischen Bevölkerung anstrebten, wieder rückgängig gemacht, und der Friedensprozeß mit den Palästinensern verzeichnete verschiedene Rückschläge.134 In den Wahlen 1999 kam es schließlich zu einer erneuten Wende. Ehud Barak wurde nicht zuletzt mit den Stimmen der arabischen Bürger mit überwältigendem Erfolg zum Ministerpräsidenten gewählt.135 Auch kandidierte bei dieser Wahl zum ersten Mal ein Araber für diesen Posten, Dr. Azmi Bishara.136 Diese Demonstration für einen Staat all seiner Bürger, in dem sich auch ein Araber für den Ministerpräsidentenposten bewarb, behagte vielen Israelis überhaupt nicht. Dies mag zum einen daran liegen, daß viele Israelis den Arabern keine volle Rechtsstellung im Staat einräumen möchten, da sie um die jüdische Identität und langfristig um ihre Mehrheitsstellung fürchten. Zum anderen hat Balad, die Partei Bisharas aus ihren nationalen Absichten bis hin zur Autonomie der Araber in Israel nie einen Hehl gemacht. Auf dem wirtschaftlichen Sektor läßt sich während des Friedensprozesses in Teilbereichen eine Besserung der arabischen Situation feststellen. In einer Gesamtwürdigung ist jedoch eine Vertiefung der Unterschiede zwischen der wirtschaftlichen Situation des arabischen und jüdischen Sektors festzustellen. Diese liegt

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Morris, 1999 (Anm. 58), S. 634 f. Morris, 1999 (Anm. 58), S. 636 ff. 133 Abraham Diskin, Voters Attitudes on the Arab-Israeli Conflict and the 1996 Elections, Davis Occassional Papers 66 (1999), (The Leonard David Institute, Jerusalem), S. 16 f. 134 Peretz/Peretz, in: Ittijah 1998 (Anm. 19), S. 9 und 12. 135 Er erhielt 56,1 % der Stimmen im Vergleich zu Netanyahu, der 43,9 % gewann. 95 % der arabischen Bürger wählten Barak; http://www.agora.stm.it/election/israel.htm, Stand v.12.07.2000. 136 Azmi Bishara gehört der „Balad Partei“ an, die in der Knesset vertreten ist wie auch die arabischen Parteien „United Arab List“ (UAL), ein Zusammenschluß aus verschiedenen kleinen Parteien, die vorwiegend der islamischen Bewegung angehören und die kommunistische „Democratic Front of Peace and Equality“ (Hadasha). 132

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einerseits an einem weiteren demographischen Anstieg der Minderheit137, der äußerst unzureichend in die Planungspolitik der Regierungen bei der Verteilung von Ressourcen einbezogen wurde. Andererseits konnte in den infrastrukturell unterentwickelten arabischen Gemeinden kaum ein wirtschaftlicher Aufschwung stattfinden, was sich erheblich auf Beschäftigung und Einkommen auswirkte. Diesen Ausgangsvoraussetzungen steht eine breite Schicht junger Araber mit Universitätsabschluß gegenüber, die aufgrund diskriminierender Einstellungspolitik und wirtschaftlich schwacher Lage ihres Sektors nur wenig Chancen in der israelischen Gesellschaft hat.138 Vor diesem sozialen und politischen Hintergrund nimmt auch in den neunziger Jahren der politische Aktionismus unter den Arabern in Israel weiter zu. So schließt sich seit dem Ende der Intifada eine weitere Bewegung dem Kampf um Gleichberechtigung an. Zunehmend werden non governmental organisations (ngo’s) etabliert, die durch Eigeninitiative versuchen die Lage vor Ort zu verbessern, indem sie Dienstleistungen anbieten, die der Staat vernachlässigt, indem sie politisches Bewußtsein in der israelischen und internationalen Öffentlichkeit für die Belange der arabischen Minderheit fördern und vor Israels Gerichten ihr Recht auf Gleichbehandlung einklagen.139 4. Die Al-Aqsa Intifada Eine dramatische Wende erfuhr die Beziehung zwischen Israel und den Palästinensern, aber auch die Beziehung zwischen Israel und seiner arabisch-palästinensischen Minderheit, durch die Ereignisse seit September 2000. Der Ausbruch der Al-Aqsa Intifada zerstörte den Friedensprozeß von Oslo, brachte in Israel eine rechtsgerichtete Regierung an die Macht und ließ die Region an den Abgrund des Krieges rücken. Am 28. September 2000 stattete Ariel Sharon trotz Vorwarnungen von palästinensischer und amerikanischer Seite auf dem Haram Al-Sharif/Tempelberg einen Besuch ab, wobei ihn zu seinem Schutz über 1000 Polizisten begleiteten. An diesem Donnerstag wurden während der Auseinandersetzungen auf dem Tempelberg 30 Palästinenser und israelische Polizisten leicht verletzt. Am Abend des 28. September schien die Lage zunächst unter Kontrolle. Erst am nächsten Tag kam es nach den Freitagsgebeten in Jerusalem140 und verschiedenen Orten in den 137 Das demographische Gewicht wird von der israelischen Regierung mittels einer massiven Einwanderungswelle aus der ehemaligen Sowjetunion ausbalanciert. Diese trägt jedoch leider angesichts der erheblichen Anzahl (ca. 1.000.000) und der häufig zu findenden Unwissenheit der jüdisch-russischen Einwanderer im Hinblick auf die geschichtlichen Wurzeln der Araber in Israel nicht gerade zu einer Verbesserung deren Stellung bei, vgl. Peretz/Peretz, in: Ittijah 1998 (Anm. 19), S. 20 f. 138 Rouhana (Anm. 66), S. 93 f. 139 Peretz/Peretz, in: Ittijah 1998 (Anm. 19), S. 11; siehe Badarneh (Anm. 97), S. 116, 127 ff. 140 Vom Haram Al-Sharif/Tempelberg wurden Steine auf an der Klagemauer betende Juden und Polizisten heruntergeworfen.

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Kap. 1: Die Geschichte der Araber in Israel

Autonomiegebieten zu schweren Feindseligkeiten zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern, die auch mit scharfer Munition zwischen beiden Seiten ausgetragen wurden. Dabei wurden sieben Palästinenser getötet. Am nächsten Tag geriet Jamal Al-Dhura mit seinem Sohn an der NetzarimKreuzung in den besetzten Gebieten in das Kreuzfeuer zwischen israelischen Truppen und bewaffneten Palästinensern. Sein Sohn Mohammed wurde in den Armen seines Vaters vor laufender Kamera erschossen. Niemand zweifelte an der Verantwortung der israelischen Armee für seinen Tod. Das Symbol für die zweite Intifada, der „Märtyrer“ Mohammed Al-Dhura war damit geboren. Ob sein Tod tatsächlich durch israelische Armee verursacht wurde, ist zumindest zweifelhaft141, aber für den Lauf der damaligen Ereignisse auch irrelevant, denn die Bilder seines Todes trugen dazu bei, daß sich die Gewalt in den nächsten Tagen an fast allen Orten im Westjordanland und im Gazastreifen ausbreitete. Auch auf der Seite der Araber in Israel hinterließen diese Bilder ihren Eindruck. Zudem wurde von den Muslimen unter ihnen, für die der Haram Al Sharif/Tempelberg einen besonderen Symbolcharakter hat, der Besuch Sharons als extreme Provokation gewertet. Zwischen dem 1. und 8. Oktober 2000 fanden zahlreiche Demonstrationen und Straßenblockaden im Norden des Landes statt, die sich gegen den israelischen Staat, vereinzelt aber auch gegen die benachbarte jüdische Bevölkerung richteten. Die Polizei setzte unter anderem Schußwaffen und Scharfschützen gegen die zum Teil gewalttätigen Demonstranten ein. Zwölf arabische Bürger starben durch die Schüsse, viele wurden verletzt.142 Infolge dieser Ereignisse kam es zu Straßenschlachten und Brandschatzungen verursacht von jüdischem und arabischem Mob. 143 Die Ausschreitungen in Israel selbst waren nicht nur ein Nebenprodukt der AlAqsa Intifada, sondern vor allem Zeichen einer allgemeinen Frustration in der arabischen Bevölkerung, die nicht zuletzt durch die völlig verfehlte Politik des ehemaligen Ministerpräsidenten Barak gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe verursacht wurde. Obwohl die arabische Bevölkerung ihm bei den Wahlen 1999 noch 95 % ihrer Stimmen gegeben hatte, nahm Barak ihre Anliegen überhaupt nicht ernst. Nach erheblichen öffentlichen Protesten gegen das Vorgehen der Sicherheitsorgane wurde eine unabhängige Untersuchungskommission, die Or-Kommission, 141

Vgl. dazu den Beitrag von Esther Shapira, Das rote Quadrat – drei Kugeln und ein totes Kind, Wer erschoß Mohammad Al-Dhura in Gaza?, ausgestrahlt in der ARD am 18.03.2002, 21:45. 142 Vgl. für eine umfassende Sammlung von Zeugenaussagen der betroffenen Araber, Adalah – The Legal Center for the Rights of the Arab Minority/The Association of Civil Rights in Israel/The Arab Human Rights Association, Fatal Force, A Report on the Circumstances Surrounding the Killing and Injury of Palestinian Citizens of Israel by the Police Forces, Nazareth 2001, http://www.arabhra.org. 143 A heavy hand against racism, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 11.10.2000.

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eingesetzt. Sie sollte den Verlauf der Ereignisse und die Ursachen, die zum Tod der arabischen Bürger führten, ermitteln.144 Die Kommission kommt in ihrem Abschlußbericht im wesentlichen zu dem Ergebnis, daß die Sicherheitsbeamten schlecht vorbereitet auf die Ausschreitungen bei den Demonstrationen reagiert und die Zuständigen in Polizei und Regierung ihrer Position nach unverantwortlich gehandelt haben. So habe die Polizei Mittel angewandt, die für die Auflösung von gewalttätigen Protesten ungeeignet seien, wie gummiummantelte Geschosse, scharfe Munition und Scharfschützen. Der Einsatz dieser Mittel sei rechtswidrig und nach den Umständen nicht zu rechtfertigen gewesen.145 Der Abschlußbericht kritisiert jedoch auch einige arabische Politiker. Diese seien ihrer Verantwortung, die von ihnen initiierten Proteste auch friedlich durchzuführen und gegebenenfalls zu beenden, nicht nachgekommen. Dabei sei die Grenze zwischen dem bewaffneten Kampf von Palästinensern gegen den Staat und dem Kampf arabischer Staatsbürger um mehr Rechte verwischt worden.146 Die Kommission sprach in ihrem Bericht eine Reihe von Empfehlungen aus, darunter Polizeipersonal zu entlassen, nicht zu befördern, teilweise auch strafrechtliche Ermittlungen gegen bestimmte Personen einzuleiten. Auch einer Reihe hochrangiger Beamter im Sicherheits- und Polizeibereich wurde eine weitgehende Verantwortung besonders hinsichtlich des Einsatzes von scharfer Munition angelastet. Trotzdem beschränkten sich die Empfehlungen für diese Personen darauf, ihnen lediglich den Zugang zu Leitungspositionen im Sicherheitsbereich zukünftig zu verwehren. Hinsichtlich der Verantwortung von Ex-Ministerpräsident Barak kam die Kommission trotz ihrer Kritik an seinem Verhalten zu keiner Empfehlung. Immerhin betonte der Bericht, daß die diskriminierende Politik gegenüber der arabischen Bevölkerung insbesondere im Bereich des Zugangs zu Ressourcen revidiert und die negative Einstellung von Polizisten gegenüber arabischen Staatsbürgern bekämpft werden müsse. Eine strafrechtliche Untersuchung und Aufarbeitung der einzelnen Todesfälle vom Oktober 2003 steht trotz der Ermittlungen der Kommission bis jetzt aus.147

144

Für eine Zusammenfassung der Sitzungen der Or-Kommission vgl. http://www2. haaretz.co.il/special/or-e/, v. 12.07.2001; http://www.adalah.org/commission.html. 145 The Official Summary of the Or Commission, abgedruckt in: Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 02.09.2003, Rn. 44 ff. 146 Ebenda, Rn. 30 f. 147 Zu Reaktionen und Kritik an den Ergebnissen der Or-Kommission vgl. ACRI, ACRI calls for full implementation of Or Commissions recommendations, http://www.acri.org; Marwan Dalal, The Commission indeed discriminated, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 13.10.2003, http://www.haaretzdaily.com; Adalah’s Official Position Regarding the Or Commission of Inquiry Report, Pressrelease v. 04.09.2003, http://www.adalah.org.

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Kap. 1: Die Geschichte der Araber in Israel

Während sich die Auseinandersetzungen in Israel nach einigen Tagen beruhigten, eskalierte die Gewalt in den besetzten Gebieten inzwischen täglich. Steine und Molotowcocktails wurden längst durch scharfe Munition und zunehmend auch Bomben ersetzt. Die israelische Armee antwortete mit gezielten „Exekutionen von Terroristen“, die Jassir Arafat bereits in den ersten Tagen der Intifada aus den Gefängnissen entlassen hatte und sich weigerte an Israel auszuliefern. Die Infrastruktur der palästinensischen Autonomiebehörde wurde systematisch zerstört und palästinensische Städte immer wieder belagert. Bei diesen Militäraktionen wurden nicht nur militante Palästinenser getötet, sondern auch viele Zivilisten. Die Spirale von Haß und Gewalt drehte sich immer weiter. Während die palästinensischen Bomben anfangs hauptsächlich auf israelische Ziele in den besetzten Gebieten gerichtet waren, wurden bald fast täglich israelische Zivilisten durch Selbstmordattentäter auf dem anerkannten Staatsgebiet Israels getötet. Allein im März 2002 starben über 130 Israelis durch Selbstmordanschläge auf Hotels, Kaffees, Busse, Hochzeiten und andere zivile Einrichtungen. Als Reaktion auf den Terror weitete die israelische Armee ihre Invasion auf palästinensisches Gebiet weiter aus, belagerte Jassir Arafats Regierungssitz wochenlang und besetzt immer noch weite Teile des Westjordanlands und Gazas.148 Seit dem 28. August 2000, dem Beginn der Intifada, sind über 500 Israelis und über 1000 Palästinenser getötet worden.149 Die Auswirkungen dieses Zeitabschnitts mit seinen dramatischen Veränderungen für beide Völker läßt sich insbesondere angesichts der fast kriegerischen Auseinandersetzungen nicht abschließend bewerten. Der Besuch Sharons war Auslöser, sicher aber nicht der Grund für die sich darauf entwickelnde „Al-Aqsa Intifada“. Ob dieses Ereignis Arafat den idealen Anlaß geliefert hat, seine Strategie gegenüber Israel nach den gescheiterten Verhandlungen von Camp David zu ändern, oder ob die „Al-Aqsa Intifada“ tatsächlich als spontaner Volksaufstand gegen die Besatzung entstanden ist, bleibt nach wie vor umstritten. Die Ergebnisse des Mitchell-Berichts150 und Aussagen des palästinensischen Kommunikations-

148 Palästinenserpräsident Arafat geriet zunehmend in den Verdacht, die sogenannnten Al-Aqsa Brigaden, welche sich zu vielen Selbstmordanschlägen bekannt haben, unterstützt und finanziert zu haben, vgl. Thomas Kleine Brockhoff/Bruno Schirra, Belohnt Jassir Arafat die Familien von Selbstmordattentätern mit Geld, das ihm die EU zur Förderung des Friedens bereitstellt?, Die Zeit v. 06.06.2002, S. 13 ff. 149 Die Zahlen für die palästinensischen Opfer schwanken nach den Angaben von zwei palästinensischen Menschenrechtsorganisationen zwischen 1.034 bis zum 3. Juli 2002 (www. betselem.org) und 1.441 bis zum 13. Juni 2002 (www.lawsociety.org). Die israelischen Opfer lagen laut israelischem Außenministerium Anfang Juli 2002 bei 563 (www. mfa.gov.il). 150 George J. Mitchell/Suleyman Demirel/Thorbjoern Jagland/Warren B. Rudman/Javier Solana, The Mitchell Report on Israeli-Palestinian Violence, http://www2.haaretz.col.il/ breaking-news/kuku/362927.stm v. 06.05.2001.

B. Geschichtliche Entwicklung

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ministers Imad Al Falouji151 sprechen dafür, daß die zweite Intifada nach den erfolglosen Verhandlungen in Camp David im Juli 2000 von der palästinensischen Führung geplant wurde. Der Besuch Ariel Sharons auf dem Tempelberg lieferte dann den willkommenen Anlaß für den Ausbruch der Gewalt. Klar ist, daß die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre auch das Verhältnis zwischen dem israelischen Staat und seinen arabischen Bürgern extrem zurückgeworfen haben. Aus Protest gegen die Arbeitspartei, unter deren Regierung zwölf arabische Bürger getötet wurden und von deren Politik man tief enttäuscht war, boykottierten fast alle Araber in Israel im Februar 2001 die Wahlen zum Ministerpräsidenten, die Wahl, die Ariel Sharon an die Macht brachte.152 Die Atmosphäre zwischen der jüdischen und arabischen Bevölkerung ist von Mißtrauen und Angst vor einander geprägt. Auf jüdischer Seite sieht man eine verstärkte Solidarisierung der Araber in Israel mit den Palästinensern. Die alten Feindbilder von der „fünften Kolonne“ leben wieder auf. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die israelfeindlichen Äußerungen einiger arabischer Politiker153 und der Tatsache, daß auch vereinzelt Araber aus Israel an Terrorangriffen beteiligt waren.154 Auf arabischer Seite fühlt man sich vom Staat betrogen, der so leicht auf seine arabischen Bürger schießen konnte und anschließend eine juristische Aufarbeitung nur zögerlich vorantrieb. Dazu kommt die schwierige Position der Araber in Israel, die einerseits selbst unter dem palästinensischen Terror zu leiden haben und andererseits oft von der jüdischen Bevölkerung und Polizei verdächtigt werden, selbst Attentäter zu sein. Schließlich sehen sich die Araber in Israel durch Diskussionen über eine Beschränkung ihrer bürgerlichen Rechte beziehungsweise über ihren „Transfer“ in einen zukünftigen palästinensischen Staat zunehmend bedroht.155

151

Dieser äußerte sich zur Vorbereitung der Intifada in der palästinensischen Zeitung AlAyyam v. 06.12.2000, vgl. www.mfa.gov.il. 152 Vgl. Elie Rekhess, The Arabs in Israel and the Election for the Prime Minister, Tel Aviv Notes 11 (07.02.2001), S. 1 f.; Ori Nir, The Arab Boycott, A resounding blow to the Labor Party, Ha’aretz (engl.Ausg.) v. 07.02.2001. 153 Zur Zeit läuft ein Verfahren wegen Unterstützung terroristischer Organisationen gegen den arabischen Knessetabgeordneten Azmi Bishara hinsichtlich seiner Äußerungen über die Hisbollah, State of Israel v. Azmi Bishara, Crim.File No. 4560/0; Nicole Krau, Police tentatively recommend indicting MK Bishara, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 13.02.2001. 154 Amos Harel/Jamal Banal, Hamas video confirms that Israeli-Arab was the culprit, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 11.09.2001. 155 Vgl. für die Diskussion unter rechten Politikern und Akademikern über die „demographische Gefahr“ der arabischen Bevölkerung für den jüdischen Staat, Ori Nir, Bomber reflects the growing despair among Israeli Arabs, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 11.09.2001; Avraham Tal, The angry Prophet from Haifa, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 11.12.2000; Yair Sheleg, The demographic problem, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 12.04.2001.

Kapitel 2

Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit Nach der Darstellung der Entwicklung der arabischen Bevölkerung in Israel ist nun zu erörtern, ob diese Bevölkerungsgruppe als Minderheit oder Minderheiten im Sinne des Völkerrechts einzuordnen ist. Anschließend ist zu klären, ob diese Zuordnung auch im israelischen Recht vorgenommen wird.

A. Zuordnung nach Völkerrecht Als Mitglied der Vereinten Nationen und Vertragspartner von verschiedenen internationalen Konventionen zum Menschenrechtsschutz hat sich Israel verpflichtet, internationale Standards dieses Menschenrechtsschutzes zu achten. Israel ist unter anderem Vertragspartner der Völkermordkonvention1, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte2, des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte3 und des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung4. Ferner sind die verschiedenen Deklarationen der UN, wie beispielsweise die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die UN Deklaration zur Religionsfreiheit von 19815 sowie die UN Deklaration zum Minderheitenschutz von 19926, soweit es sich dabei um Völkergewohnheitsrecht handelt, für Israel rechtlich bindend. Völkergewohnheitsrecht ist sogar unmittelbar im israelischen Rechtssystem anwendbar, wenn dem keine ausdrückliche Gesetzgebung entgegensteht.7 1

Vom 09.12.1948, BGBl. 1954 II, S. 30; UNTS Vol. 78, S. 277. Vom 19.12.1966, BGBl. 1973 II, S. 1534; ILM 6 (1967), S. 368, ratifiziert von Israel am 03.10.1991, http://www.il/mfa/go.asp?MFAHO24n0, im folgenden ICCPR. 3 Vom 19.12.1966, BGBl. 1973 II, S. 1570; ILM 6 (1967), S. 360, im folgenden ICESCR. 4 Vom 07.03.1966, BGBl. 1966 II, S. 961, ratifiziert von Israel am 02.02.1979, Ninth Periodic Report of States Parties due in 1996: Israel. 17/10/97. CERD/C/97/Add.1, para. 1, im folgenden CERD. 5 GA Res. 217 III, v. 10.12.1948, UN Doc.A/810, S. 71; UNGAOR, 36th Sess., Suppl. 51, S. 171 (1981); A736/684 (1981). 6 Vom 18.12.1992, GA Res. 47/137, ILM 32 (1993), S. 911. 7 Internationale Verträge bedürfen dagegen eines Zustimmungsgesetzes der Knesset, um innerstaatliche Wirkung zu entfalten, vgl. El Affu et al v. the IDF Commander, P.D. 42 II (1988), 4, 35; Abu Hilu et al v. State of Israel, P.D. 27 II (1973), 169, 177; Eyal Benvinisti, 2

A. Zuordnung nach Völkerrecht

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Auch völkerrechtliche Verträge, die bereits bestehendes Gewohnheitsrecht kodifizieren, genießen diese unmittelbare Anwendung.8 Da der Minderheitenschutz einen wesentlichen Bestandteil dieser Menschenrechte darstellt, ist Israel verpflichtet, den Angehörigen solcher Minderheiten je nach ihrem Charakter entsprechende Rechte zu gewähren. Um die Rechtsträger dieser Menschenrechte zu bestimmen, ist es zunächst nötig, eine Gruppe von Menschen mittels anerkannter Definition als Minderheit zu identifizieren.9 Aus völkerrechtlicher Perspektive kommt es dabei nach richtiger Auffassung nicht auf die Qualifikation einer Gruppe durch den betreffenden Staat an. Vielmehr ist bei der Definition auf völkerrechtliche Instrumente und Berichte zurückzugreifen.10 Nichtsdestotrotz bereitet die Einordnung in verschiedener Hinsicht Schwierigkeiten. Zum einen ist die Definition der verschiedenen Minderheiten völkerrechtlich umstritten. Zum anderen decken sich religiöse, ethnische und nationale Identitäten der Araber in Israel nur teilweise. Hinzu kommt, daß sich diese Identitäten aufgrund der politisch komplizierten Situation in einem ständigen Veränderungsprozeß befinden und teilweise auch gezielt aus politischen Gründen manipuliert werden.11

The Influence of International Human Rights Law on the Israeli Legal System: Present and Future, ILR 28 (1994), S. 136, 138 ff.; Ruth Lapidoth, International Law Within the Israeli Legal System, ILR 24 (1990), S. 451, 455; Natan Lerner, Israel’s International Obligations Concerning Minorities and Discrimination, in: Conference Papers, Journal of the International Center for Peace in the Middle East, Tel Aviv 1987, S. 4, 8. 8 So Richter Cohen im Hinblick auf den ICCPR 1966 in The American-European Beit El Mission v. Minister of Public Wellfare et al., P.D. 21 II (1967), 325, 333. 9 Ohne Definition wäre die Arbeit verschiedener UN Organe wie beispielsweise die Bearbeitung von Staatenberichten durch den Menschenrechtsausschuß unmöglich, ebd., S. 247, 287. 10 „The existence of a community is a question of fact, it is not a question of law.“, PCIJ, The Greco-Bulgarian „Communities“, Serie B, No. 17 (1930), 4, 19, 21 f., 33; Francesco Capotorti, Study on the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/384/Rev.1 (1979), Rn. 570; Manfred Nowak, The UN Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR-Commentary, Kehl/Strassburg/Arlington 1989, Art. 27 Rn. 21; anderer Ansicht waren diesbezüglich einige Staaten, die schlicht erklärten, daß es in ihren Staaten keine Minderheiten geben würde, da diese zu primitiv seien, Chile, UN Doc. A/C.3/SR.1103, S. 214, para. 21; Australien, UN Doc. A/C.3/SR.1103, S. 220, para. 26; Brasilien, UN Doc. A/C.3/SR.1104, S. 220, para. 19. 11 Vgl. zum Identitätsproblem, Nadim Rouhana, Palestinian Citizens in an Ethnic Jewish State: Identities in Conflict, New Haven/London/Yale University Press 1997, S. 111 ff.; Kais M. Firro, The Druzes in the Jewish State, Leiden, Boston, Köln 1999; Gad Barzilai, Community, Law and Identities among Israeli-Arab-Palestinians, Adalah Review 1 (1999), S. 9 ff.

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Kap. 2: Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit

I. Der Minderheitenbegriff im Völkerrecht Der OSZE-Hochkommissar für Nationale Minderheiten antwortete einst auf die Frage, nach welchen Kriterien er eine Minderheit erkennen würde, mit den Worten: „I know that it is a minority when I see one.“12 Diese Aussage verdeutlicht das Dilemma, daß keine festumrissene Definition einer Minderheit auf völkerrechtlicher Ebene existiert.13 Aufgrund der Vielseitigkeit der Minderheiten und der ausgeprägten Zurückhaltung vieler Staaten, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, liegt der Begriff im Rahmen völkerrechtlich bindender Verträge noch immer im Halbdunkeln.14 Gleichwohl haben sich schon seit der Zeit des Völkerbunds verschiedene Begriffsbestimmungen herausgebildet, die mittlerweile von Menschenrechtsanwälten, Staaten, Internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen gebraucht werden. Nach dem ersten Weltkrieg hatte sich ein System von Minderheitenverträgen etabliert,15 vor dessen Hintergrund der Ständige Internationale Gerichtshof im Fall der Greco-Bulgarischen Gemeinschaften 1932 eine Definition entwickelte. Nach dieser ist eine solche Gemeinschaft: „… a group of persons living in a given country of locality, having a race, religion, language and traditions of their own, and united by the identity of such race, religion, language and traditions in a sentiment of solidarity, with a view to preserving their traditions, maintaining their form of worship, securing the instruction and upbringing of their children in accordance with the spirit and traditions of their race and rendering mutually assisting one another.“16

Auch in der wenig später folgenden Entscheidung des StIGH zu den Minority Schools in Albania sind ähnliche Abgrenzungskriterien zu finden. Das Gericht bemerkte, daß es Ziel des Schutzes ist: „to secure for certain elements incorporated in a state, the population which differs from them in race, language or religion, the possibility of living peaceably alongside that population.“ 17

12 Max van der Stoel, Keynote Address to the OSCE Human Dimension Seminar on Case Studies on National Minority Issues: Positive Results v. 24.05.1993. 13 So steht zwar in Art. 27 ICCPR, daß „In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden …“. Abgesehen von den Merkmalen ethnisch, religiös oder sprachlich wird jedoch nicht bestimmt, wann diese vorliegen. 14 Geoff Gilbert, Religious Minorities and Their Rights: A Problem of Approach, IJMGR 5 (1997), S. 97, 104 f. 15 Vgl. dazu die Einführung, S. 19 f. 16 PCIJ, The Greco-Bulgarien „Communities“, Serie B, No. 17 (1930), 4, 33. 17 PCIJ, Minority Schools in Albania, Advisory Opinion, Serie A/B, No. 64 (1935), 4, 17.

A. Zuordnung nach Völkerrecht

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Schon damals wurden objektive Kriterien zur Abgrenzung von der Mehrheitsbevölkerung sowie der subjektive Wille zur Eigenständigkeit für eine Begriffsbestimmung herangezogen. Diese Kriterien flossen nach Jahren ergebnisloser Versuche, sich innerhalb der UN auf eine Definition zu einigen, in die Minderheitendefinition des ehemaligen Sonderberichterstatters der UN Sub-Commission, Francesco Capotorti, ein. Seine bis heute in der Praxis meist anerkannte Formulierung18 lautet: „A group numerically inferior to the rest of the population of the state, in a non-dominant position, whose members – being nationals of the state – possess ethnic, religious or linguistic characteristics differing from those of the rest of the population and show, if only implicitly, a sense of solidarity, directed towards preserving their culture, traditions, religion or language.“19

Obwohl Capotortis Definition grundsätzlich auf breiten Konsens stößt, sind einige Merkmale umstritten. II. Die völkerrechtlichen Kriterien und ihre Anwendung auf die arabische Bevölkerung 1. Numerische Unterlegenheit Zunächst muß die betreffende Gruppe der Mehrheitsbevölkerung numerisch unterlegen sein.20 Dabei kommt es auf ihren prozentualen Anteil an der gesamten Bevölkerung an. So kann eine Gruppe, die zwar innerhalb einer bestimmten Region in der Mehrzahl ist, trotzdem gesamtstaatlich eine Minderheit bilden. 21 Die arabischen Bürger Israels sind ein solches Beispiel. Sie stellen zwar in Galiläa, im Norden Israels, annähernd 60 % der Einwohner, im Vergleich zur gesamten Bevölkerung Israels sind sie jedoch mit 1,1 Millionen numerisch der jüdischen Bevölkerung von 6 Millionen unterlegen.22 18 Der Definition Capotortis folgte 1985 ein weiterer Vorschlag von Jules Deschenes. Dieser wurde jedoch aufgrund der überwiegenden Kritik nicht angenommen, UN Doc. E/CN.4/Sub.21985/31, S. 29 und UN Doc. E/CN.4/1986/43, S. 3. 19 Dabei wird betont, daß diese Definition für Art. 27 ICCPR entworfen wurde, Capotorti (Anm. 10), Rn. 568. 20 Bei einem Zusammenleben von zwei oder mehreren Bevölkerungsgruppen, bei dem keine dieser Gruppen eine Mehrheit bildet, sind alle als Minderheiten zu betrachten, vgl. Capotorti (Anm. 10), S. 96, Rn. 566; Patrick Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, Oxford 1991, S. 169; Yoram Dinstein, The Degree of Self-Rule of Minorities in Unitarian and Federal States, in: Catharine Brölmann/René Lefeber/Marjolene Zieck (Hrsg.), Peoples and Minorities in International Law, Dordrecht/Boston/London, 1993, S. 225 f. 21 Vgl. Johannes Niewerth, Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten im Völkerrecht, Berlin 1997, S. 32 f. m. w. N. 22 Vgl. Kapitel 1, A. Die Frage, ob eine regionale Minderheit, wie beispielsweise die jüdischen Einwohner Galiläas, ebenfalls als Minderheit anzusehen sind, wird kontrovers

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Kap. 2: Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit

Weiterhin muß eine Mindestzahl an Menschen vorliegen, damit von einer Minderheit gesprochen werden kann. Wann genau man eine Gruppe bereits als Minderheit definiert ist nicht klar. So spricht die UN Sub-Commission von einer „… sufficient number of persons to preserve by themselves their traditional characteristics.“23 Verschiedene Staaten verlangten während der Vorbereitungsarbeiten eine zum Selbsterhalt notwendige Mindestanzahl, ohne sich genau festzulegen.24 Dieses Kriterium ist erforderlich, um den Staat nicht mit der künstlichen Erhaltung von extrem kleinen Gruppen zu überfordern.25 Hinsichtlich der Araber in Israel bereitet dies keine Schwierigkeiten. Mit einem Bevölkerungsanteil von 1,1 Millionen Menschen besitzen sie in jedem Fall die zur Selbsterhaltung erforderliche Mindestanzahl.26 2. Keine überlegene Position Capotorti fordert außerdem, daß die Minderheit eine nicht dominante beziehungsweise schwächere Position im Staat einnimmt. Als Kriterien werden dabei politischer Einfluß als auch wirtschaftliche und soziale Stellung der Gruppe herangezogen.27 Dieses Merkmal könnte sich jedoch als problematisch erweisen. So könnte eine „Minderheit“ ihren besonderen Schutz als solche verlieren, wenn sie sich gerade in einer Phase befindet, in der ihre Position gegenüber der Mehrheit nicht schwächer ist. Aus diesem Grund wird teilweise ganz auf das Merkmal der Unterlegenheit verzichtet.28 diskutiert. Gegen eine Einbeziehung von „regionalen Minderheiten“ Christian Tomuschat, Protection of Minorities under Art. 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, in: Rudolf Bernhardt u. a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, FS für Hermann Mosler, Heidelberg 1983, S. 949, 957 f.; UN Human Rights Committee Decision v. 31.03.1993, McIntyre et al v. Canada, Comm. No. 359/1989, HRLJ 14 (1993), 171, 176. Für die Einbeziehung von regionalen Minderheiten Dinstein, in: Brölmann/Lefeber/Zieck (Hrsg.), (Anm. 20), S. 221, 230–231. 23 UN Doc. E/CN.4/703(1953), para. 200; ebenso der Vertreter der Niederlande, Capotorti (Anm. 10), S. 7, Rn. 31. 24 Vgl. Malcolm N. Shaw, The Definition of Minorities in International Law, in: Yoram Dinstein/Mala Tabory (Hrsg.), The Protection of Minorities and Human Rights, Dordrecht 1992, S. 1, 25. 25 Schweden schlug vor, daß eine Minderheit aus mindestens einhundert Personen bestehen sollte, vgl. Louis B. Sohn, The Rights of Minorities, in: Louis Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights, Boston 1981, 270–289, 280. 26 Problematischer ist dies hinsichtlich der sehr kleinen Minderheiten der Assyrer, Armenier und Kirkassen, welche hier nicht mit einbezogen werden. 27 Felix Ermacora, The Protection of Minorities Before the United Nations, RdC 182 (1983), S. 247, 292. 28 So die von Sonderberichterstatter der UN Sub-Commission, Asbjörn Eide, vorgeschlagene Definition: „For the purposes of this study, a minority is any group of persons resident

A. Zuordnung nach Völkerrecht

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Gegen einen Verzicht spricht indessen die Entstehungsgeschichte der Definition, bei der die Situation in Südafrika berücksichtigt wurde. Aus den Diskussionen geht hervor, daß man eine dominierende Minderheit, die die Mehrheit unterdrückt, nicht als Minderheit anerkennen wollte.29 Indem man die „schwächere Position“ als Kriterium heranzieht, verhindert man, daß der Minderheitenschutz von einer dominierenden Minderheit zu einem Instrument der Apartheid ausgenutzt werden kann.30 Bei relativ gleich starker Position zwischen Mehrheit und Minderheit, darf letztere ihren Minderheitenstatus jedoch nicht verlieren.31 Die arabische Bevölkerung nimmt in Israel im Vergleich zur jüdischen eine unterlegene Stellung ein. Zum einen ist ihr politisches Gewicht rein prozentual wesentlich geringer. Darüber hinaus wird es weiter marginalisiert, indem arabische Parteien und Abgeordnete systematisch bei der Bildung von Regierungskoalitionen ausgeschlossen werden.32 Selbst arabische Bürger, die in jüdischen Parteien Mitglieder sind, bekommen nur äußerst selten politisch einflußreiche Positionen. Verglichen mit ihrem Bevölkerungsanteil sind die Araber in politischen und administrativen Positionen extrem unterrepräsentiert.33 Auch wirtschaftlich sind sie der jüdischen Mehrheit unterlegen, was sich beispielsweise am Pro-Kopf-Einkommen, den Löhnen und der kommunalen Infrastruktur zeigt.34 Schließlich wird aufgrund der Betonung des jüdischen Charakters des Staates auch ihre soziale within a sovereign state which constitutes less than half of the population of the national society and whose members share common characteristics of an ethnic, religious or linguistic nature that distinguish them from the rest of the population.“, in: Protection of Minorities, Possible Ways of Facilitating the Peaceful and Constructive Solution of Problems Involving Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1993/34, S. 7. 29 Vgl. Capotorti (Anm. 10), S. 11, Rn. 55; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 22), S. 949, 957. Ermacora will sogar für den Fall der schwächeren Position einer Mehrheit auf das Kriterium der numerischen Unterlegenheit verzichten und dieser als unterdrückter Mehrheit Minderheitenschutz gewähren. Ermacora (Anm. 27), RdC 182 (1983), S. 247, 292 f.; ähnlich für religiöse Gruppen Yoram Dinstein, Freedom of Religion and the Protection of Minorities in International Law, in: ders./Mala Tabory, The Protection of Minorities and Human Rights, Dordrecht 1992, S. 145, 156. 30 Thornberry (Anm. 20), S. 169. Auch in einem Staat, der aus mehreren numerisch unterlegenen Gruppen zusammengesetzt ist, d. h. keine der Gruppen über 50 % der Bevölkerung stellt, ist bei der Qualifikation als Minderheit das Merkmal der „schwächeren Position“ entscheidend. Zur Situation in Bosnien Gilbert (Anm. 14), IJMGR 5 (1997), S. 97, 104. 31 Dazu Capotorti (Anm. 10), S. 96, Rn. 566. 32 Vgl. Kapitel 1, B. III. 1.–4. 33 So sind nur etwa 5,1 % der Beamten in Israel Araber, Sikkuy, Annual Report on Equality & Integration of Arab Citizens in Israel 1998–1999, Abstract Jerusalem 1999, S. 9. Es gibt keinen einzigen arabischen Minister. Die höchsten Positionen, die Araber in Israel erreicht haben sind die des Vizeaußenministers (Nawaf Masalha) sowie eine Ernennung zum Foreign Affairs and Defense Committee (Herr Mahameed), vgl. NAI, Barak Rejected Masalha’s Request to be in the Normalisation Team sowie Autonomy verses Integration, Magazine II 2000, http://www.nai.org.il, Stand Mai 2000. 34 Siehe Kapitel 1, B. III. 1. u. 2.

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Kap. 2: Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit

Position als Träger der arabischen Kultur ins Abseits gedrängt.35 An der schwächeren Position der Araber in Israel besteht daher kein Zweifel. 3. Staatsangehörigkeit und Kontinuität Ferner verlangt Capotorti, daß die Angehörigen der Gruppe die Nationalität des Staates besitzen müssen. Dieses Merkmal ist eines der fragwürdigsten. Zunächst ist klarzustellen, daß nationality wohl als citizenship, also Staatsangehörigkeit aufzufassen ist. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, da sich das Prinzip der Staatsbürgerschaft nicht in allen Staaten mit dem der Nationalität deckt.36 Die Formulierung Capotortis geht auf den Gebrauch des Begriffs Nation innerhalb des UN Systems zurück. So sind die Vereinten Nationen eigentlich weniger ein Bündnis von Nationen, sondern vielmehr von Staaten, die nicht immer aus nur einer Nation bestehen.37 „Being nationals of the state“ ist folglich als Besitz der Staatsangehörigkeit zu verstehen. Diese Auslegung wird auch durch den beabsichtigten Zweck der Einführung dieses Kriteriums deutlich. So wollte man dadurch verhindern, daß Flüchtlinge und Gastarbeiter in den Genuß von Minderheitenrechten gelangten, da diese schon durch die völkergewohnheitsrechtlichen und vertraglichen Normen des Fremden- und Flüchtlingsrechts geschützt seien.38 Als Minderheiten sollten eben nur die seit Generationen auf dem Territorium des Staates lebenden, traditionellen Gruppen anerkannt werden, die sich als loyale Bürger gegenüber dem betreffenden Staat verhalten hatten.39

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Zum Ausschluß der arabischen Bevölkerung vom Gemeinwesen der israelischen Gesellschaft vgl. Yohav Peled, Ethnic Democracy and the Legal Construction of Citizenship: Arab Citizens of the Jewish State, American Political Science Review 86, 2 (1992), S. 432, 435, 439 f. 36 Wie beispielsweise auch in der ehemaligen Sowjetunion, vgl. Kay Hailbronner, The Legal Status of Population Groups in a Multinational State under Public International Law, in: Yoram Dinstein/Mala Tabory (Hrsg.), The Protection of Minorities and Human Rights, Dordrecht 1992, S. 117, 119. 37 Vgl. Michael Walzer, the Moral Standing of States: A response to four critics, Philosophy and Public Affairs 9 (1980), S. 209, 210; David Miller, In Defense of Nationality, Journal of Applied Philosophy 10 (1993), S. 3, 9. 38 Vgl. UN Doc. E/CN.4/Sub.1/1985/31, S. 7 f.; Capotorti (Anm. 10), S. 12, Rn. 57; Hans Joachim Heintze, Selbstbestimmungsrecht und Minderheitenrechte im Völkerrecht: Herausforderungen an den globalen und regionalen Menschenrechtsschutz, Baden-Baden 1994, S. 126 f. 39 Vergleiche dazu die Einwände von Irak und Pakistan, UN Doc. A/C.3/SR1140, Rn. 7; Resolution F der Unterkommission, UN Doc. E/CN.4/703, para. 200; ebenso den von M. Deschenes der Unterkommission 1985 vorgeschlagenen Definitionsentwurf, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1985, 7 f.

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Diese Auffassung wird jedoch von UN-Organen und einem Teil der Literatur nicht geteilt.40 So verdeutlicht eine Interpretation nach den Auslegungsmethoden der Art. 31 und 32 der Wiener Vertragskonvention41 den Widersinn einer Begrenzung der Rechtsträger auf Staatsangehörige. Zum einen spricht gegen das Erfordernis der Staatsbürgerschaft der Wortlaut des Art. 27 ICCPR, der eben von „persons belonging to … minorities“ und nicht von „nationals“ spricht. Zum anderen ergibt sich auch aus der Systematik des ICCPR, der in Art. 2 Abs. 1 die Vertragsstaaten verpflichtet, allen Personen auf ihrem Staatsgebiet die Rechte des Paktes zu gewähren, daß diese Rechte nur unter ausdrücklicher Erwähnung auf Staatsbürger beschränkt werden können. Ausnahmen von der Regel des Art. 2 Abs. 1 ICCPR finden sich in Art. 13, der nur Ausländern ein Recht gewährt und in Art. 25, der Staatsbürgern Rechte verleiht.42 Auch weisen verschiedene Autoren darauf hin, daß der Sinn und Zweck des Art. 27 ICCPR der Schutz von Gruppen vor Zwangsassimilierung und dadurch verursachtem Identitätsverlust ist. Dieser Schutz müsse dann für alle Gruppen gelten, auch für zugewanderte Fremdarbeiter. 43 Eine vermittelnde Ansicht vertritt die Meinung, Art. 27 ICCPR spreche lediglich von „those states in which ethnic, religious or linguistic minorities exist“, jedoch weder von Nationalität noch von Staatsbürgerschaft.44 Daraus könne man ableiten, daß die Staatsbürgerschaft kein erforderliches Kriterium ist, der Begriff „exist“ 40 Shaw, in: Dinstein/Tabory (Hrsg.), (Anm. 24), S. 1, 26; so auch die Arbeitsgruppe der Unterkommission in ihrem General Comment Nr. 23 zu Art. 27 ICCPR, die selbst Fremdarbeiter oder Besucher unabhängig von ihrer Aufenthaltsdauer als Berechtigte ansieht, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.5, paras. 5.1, 5.2; dazu Bill Bowring, Multicultural Citizenship: A More Viable Framework for Minority Rights?, in: Deirdre Fottrell/Bill Bowring (Hrsg.), Minority and Group Rights in the New Millenium, The Hague/Boston/London 1999, S. 1, 6. 41 Vom 23. Mai 1969, UN Doc. A/CONF.39/11/Add.2; BGBl. 1985 II, S. 926; gem. Art. 31 und 32 der WVK werden völkerrechtliche Verträge nach ihrem Wortlaut, ihrer Systematik, dem Sinn und Zweck des Vertrags, unter Zuhilfenahme der vorbereitenden Arbeiten sowie nachfolgender Praxis und Vereinbarungen ausgelegt. Diese Auslegungsmethoden stellen eine Kodifizierung von bereits bestehendem Völkergewohnheitsrecht dar und können somit auch für die Auslegung des bereits 1966 geschlossenen ICCPRs hinzugezogen werden. Vgl. IGH, Asylum Case, ICJ-Reports 1950, S. 266, 276 f.; IGH, Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ-Reports 1951, S. 15, 24; IGH, Case Concerning Rights of Nationals of the United States of America in Marocco, ICJ-Reports 1952, S. 176, 200; IGH, North Sea Continental Shelf Case, ICJ-Report 1969, S. 3, 44; Jost Delbrück/Rüdiger Wolfrum, Völkerrecht, gegründet von Georg Dahm, Bd. I/1, Berlin 1989, S. 56 ff.; Robert Jennings/Arthur Watts, Oppenheim’s International Law, Bd. I/1, 9. Aufl., Harlow 1992, S. 27; Rudolf Bernhardt, Die Auslegung Völkerrechtlicher Verträge, Berlin 1963, S. 85 u. 89. 42 Shaw, in: Dinstein/Tabory (Hrsg.), (Anm. 24), S. 1, 26 f. 43 Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 10), Art. 27, Rn. 17. 44 Vgl. Heintze (Anm. 38), S. 126 f.; die Formulierung „exist“ geht auf einen Änderungsvorschlag Chiles zurück, UN Doc. E/CN.4/L.261; Capotorti (Anm. 10), S. 33, Rn. 176.

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jedoch darauf hinweise, daß die Gruppe sich schon eine längere Zeit im Staat aufhalten muß, sie also eine gewisse Kontinuität im Staat vorweisen kann. Dementsprechend schlagen einige Juristen vor, daß auch Ausländer, die bereits seit einem längeren Zeitraum in einem Land leben, Minderheitenstatus genießen.45 Diese Position ist vorzugswürdig. Für sie spricht vor allem die Mißbrauchsgefahr des Staatsbürgerschaftserfordernis durch die Staaten. So könnten Staaten versuchen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, indem sie bestimmten Gruppen die Staatsbürgerschaft aberkennen oder es Einwanderern und deren Nachkommen extrem erschweren, die Kriterien für eine Einbürgerung zu erfüllen. Bei einer solchen Auslegung würde der ICCPR dazu beitragen, daß diese Gruppen faktisch schlechter gestellt wären als vorher.46 Da Capotortis Definition ausdrücklich für Art. 27 ICCPR geschaffen wurde, dessen Sinn und Zweck es ist, Minderheiten vor Assimilation zu schützen, muß auf das Erfordernis der Staatsbürgerschaft verzichtet werden. Eine gewisse Kontinuität der Gruppe im Staat ist jedoch zu verlangen, da der Minderheitenschutz traditionell für Situationen entwickelt wurde, in denen sich Volksgruppen durch die Verschiebung von Grenzen oder der Gründung von Staaten als nicht-staatstragende Nation innerhalb eines Staates wiederfanden. Diese Gruppen unterscheiden sich gegenüber Einwanderern vor allem dadurch, daß sich letztere freiwillig in ein anderes Land mit unterschiedlicher Mehrheitskultur begeben haben.47 Jede Gruppe von Ausländern als Minderheit anzuerkennen, bedeutete eine Überforderung der Staaten. Auf diese Weise würde die Rechtsträgerschaft so extrem ausgeweitet, daß ein umfassender inhaltlicher Schutz, der neben negativen auch positive Rechte enthält, nicht zu erreichen wäre. Solch eine Rechtspolitik ginge dann auf Kosten traditioneller Minderheiten.48 Diese Argumentation schließt jedoch nicht aus, daß auch eine Gruppe von Einwanderern nach mehreren Generationen Minderheitenstatus erlangen kann.49 45

Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 10), Art. 27, Rn. 21; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 29), S. 949, 961. 46 Eine solche Situation drohte der russischen Minderheit durch die verschärften Staatsangehörigkeitskriterien in den baltischen Staaten. Diese Krise wurde erfolgreich vom Hohen Kommissar der OSZE für Nationale Minderheiten, Herr van der Stoel abgewendet, Jane Wright, The OSCE and the Protection of Minority Rights, HRQ 18(1996), S. 190, 203 f. 47 Vgl. Gudmundur Alfredson, Report on Equality and Non-Discrimination: Minority Rights, Council of Europe, Strassbourg 1990, S. 14. 48 Vgl. dazu auch Thornberry (Anm. 20), S. 171 f.; Niewerth (Anm. 21), S. 46, 48; a. A. Fernand de Varennes, Languages, Minorities and Human Rights, The Hague/Boston/ London 1996, S. 139 f. 49 Francesco Capotorti, The Protection of Minorities under Multinational Agreements on Human Rights, ItalianYIL 2 (1976), S. 3, 16; Mala Tabory, Language Rights as Human Rights, IYHR 10 (1980), S. 17–223, 182; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 29), S. 949, 961 ff.

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Hinsichtlich der arabischen Bevölkerung in Israel ist zunächst festzuhalten, daß sich diese Studie nur auf die Araber bezieht, die innerhalb der international anerkannten Staatsgrenzen Israels leben und entweder israelische Staatsbürger sind oder Wohnsitzstatus genießen. Der Anwendungsbereich des Art. 27 ICCPR gewährt zwar auch den Palästinensern in den von Israel besetzten Gebieten Rechte als Minderheit, da gemäß Art. 2 Abs. 1 ICCPR die Rechte des Paktes allen auf dem Staatsgebiet befindlichen sowie der Herrschaftsgewalt unterworfenen Personen gewährt werden müssen.50 Die Untersuchung bezieht sich indes nicht auf die Araber in den von Israel besetzten Gebieten, da diese mittlerweile zu einem großen Teil von der Palästinensischen Autonomiebehörde regiert werden und über die restlichen Gebiete verhandelt wird. Die Situation der in den besetzten Gebieten lebenden Palästinensern unterscheidet sich außerdem völkerrechtlich von den Arabern innerhalb Israels. Letztere leben auf dem anerkannten Staatsgebiet Israels und können aufgrund dieser Situation das Recht auf Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes, zumindest auf diesem Staatsgebiet nicht ausüben.51 Die Araber in den anerkannten Staatsgrenzen Israels erfüllen das erforderliche Kriterium der territorialen Kontinuität, da sie von den ursprünglichen Einwohnern Palästinas abstammen.52 Auch die Araber, welche aufgrund diverser Umstände keine israelische Staatsbürgerschaft besitzen53, aber dauerhaft im entsprechenden Staatsgebiet angesiedelt waren, müssen aus völkerrechtlicher Perspektive zu den Angehörigen der arabischen Minderheit gezählt werden.

50 „Innerhalb des Herrschaftsbereichs“ wird dabei allgemein anerkannt als tatsächliche, effektive Kontrolle verstanden. Dazu Thomas Buergenthal, State Obligations and Permissable Derogations, in: Louis Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights, New York 1981, S. 72, 74; Concluding Observations of the Committee on the Elimination of Racial Discrimination, Israel/30/03/98. CERD/C/304/Add.45. 51 Vgl. Manfred Mohr, Abgrenzung von Selbstbestimmungsrecht und Minderheitenschutz, in: Hans-Joachim Heintze (Hrsg.), Selbstbestimmungsrecht der Völker: Herausforderung für die Staatenwelt, Bonn 1997, S. 122, 128; a. A. Denise Brühl-Moser, Die Entwicklung des Selbstbestimmungsrechts der Völker unter besonderer Berücksichtigung seines innerstaatlich-demokratischen Aspekts und seiner Bedeutung für den Minderheitenschutz, Basel/Frankfurt a. M. 1994, S. 275 ff.; Otto Kimminich, Minderheiten und Selbstbestimmung, in: Felix Ermacora/Hannes Tretter/Axel Pelzl (Hrsg.), Volksgruppen im Spannungsfeld von Recht und Souveränität in Mittel- und Osteuropa, Wien 1993, S. 200 ff., die auch Minderheiten u. U. ein inneres Selbstbestimmungsrecht gewähren wollen. 52 Adalah, The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel, Legal Violations of Arab Minority Rights in Israel, Shfaram 1998, S. 6 ff. 53 Von den ca. 20 % der Araber in Israel besitzen ungefähr 17 % die israelische Staatsbürgerschaft, Moshe Arens, Unchecked Incitement, Ha’aretz (engl. Ausg.), v. 19.09.2000, http://www3.haaretz.co.il.

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4. Ethnische, religiöse und sprachliche Eigenständigkeit Durch Art. 27 ICCPR werden Personen geschützt, die einer ethnischen, sprachlichen oder religiösen Minderheit angehören. Eines der entscheidenden Merkmale für die Qualifizierung als Minderheit ist laut Capotorti die Unterscheidbarkeit der Gruppe vom Rest der Bevölkerung anhand objektiver Gesichtspunkte ethnischer, religiöser und sprachlicher Art. Diese Merkmale müssen mit dem Willen zur Erhaltung einer eigenständigen Identität verbunden sein. Dabei kann eine linguistische Minderheit zugleich eine ethnische sein, eine ethnische gleichzeitig eine religiöse. Die Einteilung in bestimmte Minderheitenkategorien erfolgt oft nur nach einem Charakteristikum, da es häufig zur Überlappung der einzelnen, interdependierenden Kriterien kommt. So haben religiöse Praktiken beispielsweise Einfluß auf die Entwicklung der Kultur, während Sprachen dem Erhalt und der Weitergabe von Kultur dienen.54 Aus diesem Grund nützt die pragmatische Zuordnung der Attribute ethnisch, religiös und sprachlich vor allem der Sicherung der Minderheitenrechte in dem Bereich, der am meisten von Zwangsassimilation bedroht ist.55 a) Ethnisch-linguistische Minderheit Unter „Ethnie“ versteht man im allgemeinen eine Gruppe von Menschen beziehungsweise einen Volksstamm mit einer einheitlichen Kultur.56 Folglich verbergen sich hinter diesem Begriff sowohl genetisch-biologische als auch historisch-kulturelle Elemente.57 Die Definition einer ethnischen Minderheit über den Begriff der Kultur wird durch das in Art. 27 ICCPR verankerte Recht „to enjoy their own culture“ bestätigt. Daß auch genetisch-biologische Elemente in der völkerrechtlichen Definition eingeschlossen sind, zeigt sich anhand der Entstehungsgeschichte des Art. 27 ICCPR. So wurde erst in der dritten Sitzung der Unterkommission der Begriff „racial minorities“ durch den der „ethnic minorities“ ersetzt.58 Damit wollte 54 Vgl. zur Entwicklungsfunktion von Religionen bei der Konstituierung von ethnischen und nationalen Gruppen, Natan Lerner, Religious Human Rights under the United Nations, in: Johan D. van der Vyver/John Witte (Hrsg.), Religious Human Rights in Global Perspective, Bd. I, The Hague/Boston/London 1999, S. 79, 105. 55 Jost Delbrück/Rüdiger Wolfrum, Völkerrecht begr. von Georg Dahm, Bd. I/2, Der Staat und andere Völkerrechtssubjekte. Räume unter internationaler Verwaltung, 2. völlig neu überarbeitete Aufl., Berlin 2002, S. 281. 56 Thornberry (Anm. 20), S. 159; Scherer-Leydecker, Minderheiten und sonstige ethnische Gruppen: Eine Studie zur kulturellen Identität im Völkerrecht, Mainz 1997, S. 296 m. w. Nw. 57 A. A. sind Ermacora (Anm. 27), RdC 182 (1983), S. 295, und Delbrück (Anm. 55), S. 280 f., die zwischen rassischen und ethnischen Minderheiten unterscheiden. 58 UN Doc. E/CN.4/Sub.2/SR.48/(1950); für eine Besprechung der Unterscheidbarkeit von „racial“ und „ethnic“ bei den Vorbereitungsarbeiten zu anderen Menschenrechtskonventionen vgl. Shaw, in: Dinstein/Talbory (Anm. 24), S. 1, 17 f.

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man zum einen eine breitere Definition der Minderheit erreichen. Zum anderen war man der Auffassung, daß eine Einteilung nach Rassen wegen der vielfachen Durchmischung infolge von Heirat und Evolution wissenschaftlich schlicht unmöglich ist.59 Ausgehend von dieser eher kulturbezogenen Bestimmung des Begriffs „Ethnie“ muß gefragt werden, was unter dem Merkmal der Kultur zu verstehen ist. Grundsätzlich ist eine sehr weite Definition anzuwenden, die alle Lebensbereiche einschließt und sich insbesondere durch gemeinsame Traditionen, Riten, Architekturund Wohnstile, Lebens- und Eßgewohnheiten sowie durch alle Arten der Kunst ausdrückt.60 Sehr häufig spielt die gemeinsame Sprache als Mittel der Auseinandersetzung und der Überlieferung des Kulturguts eine entscheidende Rolle für diese Minderheit.61 Einen ebenso wichtigen Bestandteil der Kultur nimmt die gemeinsame Geschichte ein, da sie durch ihren großen Symbolgehalt oft entscheidend zur Entwicklung und Festigung einer Identität beiträgt.62 In diesem Sinne könnte man eine ethnische Minderheit gem. Art. 27 ICCPR wie folgt definieren: „Ein Verband von Menschen mit eigener Sprache, Kultur und Geschichte, welcher sich als Gruppe bewußt ist, dessen Mitglieder ihre Besonderheiten bewahren möchten63.“ Dieser Verband kann darüber hinaus genetisch biologische Gemeinsamkeiten aufweisen.64 (1) Arabische Minderheit Die arabische Bevölkerung könnte als ethnische Minderheit zu qualifizieren sein, sofern sie die benannten Merkmale kultureller und/oder biologischer Art erfüllt.

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Capotorti (Anm. 10), S. 34, Rn. 196 f. Zu den einzelnen Kulturbegriffen Scherer-Leydecker (Anm. 56), S. 297–305. 61 ACRI, The Association for Civil Rights in Israel, Comments on the Combined Initial and Second Periodic Report Concerning the Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR), Submitted to the United Nations Human Rights Committee, Jerusalem November 1998, S. 75. 62 Scherer-Leydecker (Anm. 56), S. 304. 63 So die Definition von Ermacora (Anm. 27), RdC 182 (1983), S. 294 ff., der zwischen rassischen und ethnischen Minderheiten unterscheidet. 64 Hinsichtlich der Einbeziehung von „rassisch“ unter den Begriff der „ethnischen Minderheit“ während der travaux préparatoires zu Art. 27 vgl. Thornberry (Anm. 20), S. 157–163. 60

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(a) Biologische Merkmale Die Araber in Israel unterscheiden sich von der jüdischen Bevölkerung nach äußeren biologischen Merkmalen wie Haut-, Augen- und Haarbeschaffenheit nur teilweise. Dies liegt einerseits daran, daß viele Juden aus arabischen Ländern oft über ähnliche Merkmale verfügen.65 Abgesehen davon scheint eine Abgrenzung zur Mehrheitsbevölkerung anhand biologischer Merkmale auch unzuverlässig, da sich gerade im umkämpften Palästina, welches seit Jahrtausenden als Durchgangsland nach Asien diente und die Besitzer häufig wechselte, viele Volksstämme vermischt haben. Auch eine deutliche biologische Abgrenzung der jüdischen Mehrheit ist aussichtslos, da diese viele Generationen über die ganze Welt verstreut gelebt hat und in ihrem Äußeren entsprechend über wenig gemeinsame Merkmale verfügt. (b) Kulturelle Merkmale Deutliche Trennung besteht jedoch hinsichtlich der kulturellen Besonderheiten. Als großes verbindendes und kulturtragendes Merkmal sei hier deshalb zunächst die arabische Sprache und Literatur genannt, welche die Araber in Israel mit der arabischen Bevölkerung des Nahen Ostens und Nordafrikas verbindet.66 Darüber hinaus haben die Araber in Israel ihre eigene arabische Architektur, arabische Kunst, traditionelle Kleidung, eine eigene Küche, etc. Auch das Zusammenleben in der Gemeinschaft ist von Wertvorstellungen geprägt, die sich oft von der jüdischen Mehrheit unterscheiden. Zu erwähnen sind hier das Leben in der Großfamilie, sowie die Rolle der Frau. Die Wertvorstellungen der Araber Israels sind je nach Religion oder Weltanschauung unterschiedlich geprägt. Grundsätzlich leben die Araber jedoch in sehr patriarchalisch geprägten Strukturen, die sich eher durch Brauchtum und Tradition als durch Religion erklären lassen.67 Schließlich kommt der gemeinsamen Geschichte der Araber im Nahen Osten, von Dynastien und Kalifaten über Kolonialvölker bis hin zu Nationalstaaten eine verbindende Funktion zu.68

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David Grossmann, Der geteilte Israeli: Über den Zwang seinen Nachbarn nicht zu verstehen (dt. Ausgabe), Wien/München 1992. 66 Das „klassische Arabisch“ ist eine Schriftsprache. Das gesprochene Arabisch wird hingegen nicht geschrieben und wird auch infolge dessen in den verschiedenen arabischen Ländern in unterschiedlichen, teilweise stark abweichenden Dialekten praktiziert. 67 Vgl. Nabila Espanioly, Palestinian Women in Israel – Herstory, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel, Critique of Israel’s Combined Initial and Second Report to CEDAW, 17th Session, July 1997, S. 18, 21, 25; Suhad Bishara/Aida Toma Suliman, Personal Status and Family Laws, in: ebd., S. 66 f. 68 Vgl. zu den geschichtlichen Hintergründen Kapitel 1, B.

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(c) Wille zur Eigenständigkeit Des weiteren ist erforderlich, daß die Minderheit sich dieser Gemeinschaft auch bewußt ist und zeigt, daß sie ihre eigenständige Kultur bewahren möchte.69 Dieses subjektive Element der Minderheitendefinition ist nicht unumstritten. (aa) Theoretische Begründung Nach überwiegender Ansicht muß der Wille zur Bewahrung der Eigenständigkeit in irgendeiner Weise bekundet werden.70 So verlangt Capotorti in seiner Definition, daß dieses Solidaritätsgefühl zumindest implizit ausgedrückt wird71, andere wiederum lehnen dieses Erfordernis völlig ab.72 De Varennes verneint das Erfordernis des subjektiven Kriteriums und stützt seine Ansicht auf den Rechtsinhalt des Art. 27 ICCPR. Seiner Auffassung liegt die Überzeugung zugrunde, Art. 27 ICCPR fungiere als reines Abwehrrecht und begründe keinerlei positive Ansprüche an den Staat. Folglich brauche der Rechtsträgerkreis auch nicht durch Kriterien wie Dauerhaftigkeit, Staatsbürgerschaft oder Zugehörigkeits- und Bewahrungswille eingeschränkt werden, sondern könne auf alle Gruppen mit dem entsprechenden Merkmal der objektiven Unterscheidbarkeit ausgeweitet werden.73 Diese Argumentation ist jedoch in zweierlei Hinsicht problematisch. Der Entwurf von de Varennes paßt zum einen nicht in die theoretische Begründung des Art. 27 ICCPR. Sinn und Zweck des Art. 27 in Einklang mit der Zielsetzung des ganzen ICCPR ist es, die Menschenwürde des einzelnen zu schützen. Zu dieser gehört auch die Verwirklichung des einzelnen in der Gruppe, da sich der 69 Insoweit wird hier die Frage nach subjektiven Kriterien für eine Bestimmung der Minderheit mit der Frage nach der Mitgliedschaft des einzelnen verbunden. Vgl. Thornberry (Anm. 20), S. 174. 70 Vgl. John Packer, On the Content of Minority Rights, in: Juha Räikkä, Do We Need Minority Rights?, The Hague/Boston/London 1996, S. 121, 123; die Bedeutung des subjektiven Kriteriums wurde auch schon vom Ständigen Internationalen Gerichtshof hervorgehoben, PCIJ, The Greco-Bulgarien „Communities“, Serie B, No. 17 (1930), 4, 33; vgl. auch die Definition des OSZE Hochkommissars für nationale Minderheiten van der Stoel, der den Ausdruck des subjektiven Elements für wesentlich hält: „First of all a minority is a group with linguistic, ethnic or cultural characteristics which distinguish it from the majority. Secondly, a minority is a group which usually not only seeks to maintain its identity but also tries to give stronger expression to that identity.“ Max van der Stoel, „Keynote Address: Prevention of Minority Conflict“, in: Louis B. Sohn (Hrsg.), The CSCE and the Turbulent New Europe, Record of a Conference Organized by the International Rule of Law Institute of the George Washington University, Washington, D. C., 3–5 May 1993, S. 147, 148. 71 Capotorti (Anm. 10), Rn. 567, einige Staaten verlangen sogar einen explizit geäußerten Erhaltungswillen als Gruppe; vgl. für die Einwände Spaniens und Griechenlands, Capotorti, ebd. sowie (Anm. 10), S. 8, Rn. 36. 72 de Varennes (Anm. 48), S. 144 f., insbes. Fn. 48. 73 Ebda.

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Mensch nicht als isoliertes, sondern soziales Wesen entfaltet.74 Da die Selbstverwirklichung in einer Minderheitengruppe schwerer ist als in der Mehrheitskultur, bedarf es eines besonderen Schutzes vor Assimilierung. Aus diesem Grund wird den Minderheitenangehörigen die Möglichkeit gegeben, ihre Identität in der Gruppe zu bewahren und weiterzuentwickeln. Art. 27 ICCPR schützt jedoch nicht die Kulturen, Sprachen und Religionen – sobald sie unterscheidbar sind – per se vor Assimilierung, sondern nur den einzelnen vor erzwungener Anpassung. Dieser Schutzzweck setzt jedoch zweifelsohne einen Bewahrungswillen beim Rechtsträger voraus.75 Minderheitenschutz ist somit ein Angebot, die spezifische Identität zu erhalten, welches auf dem Ausübungs- und Bewahrungswillen des Mitglieds beruht. Dabei steht es dem einzelnen frei, sich zu assimilieren, wenn er es wünscht.76 Zudem wird die Funktion des Art. 27 ICCPR als reines Abwehrrecht dem Sinn und Zweck des Minderheitenschutzes nicht gerecht. Dies zeigt sich vor allem in den verschiedenen Verfahren des UN Menschenrechtsausschusses sowie den general comments zu Art. 27 ICCPR, die in gewissem Umfang auch positive Maßnahmen durch den Staat vorsehen.77 Aus diesen Gründen ist der Ansatz Capotortis vorzuziehen. Seine Anforderungen an das subjektive Kriterium sind auch insoweit angemessen, als daß sie keine explizite, öffentliche Erklärung des Willens zur Eigenständigkeit verlangen. Eine solche Forderung könnte in bestimmten Staaten direkte Verfolgung nach sich ziehen und unter Umständen zum Ausschluß bestimmter Minderheiten vom völkerrechtlichen Schutzsystem führen.78 Zu verlangen ist jedoch ein implizit ausgedrückter Bewahrungswille, beispielsweise durch das bewußte Sprechen und Fortentwikkeln der Sprache, Veranstaltung von und Teilnahme an kulturellen Aktivitäten, Praktizieren der Religion sowie der Fähigkeit der Gruppe, einen Willen zur eigen74 Vgl. Siegfried Wiesner, „Faces of Vulnerability: Protecting Individuals in Organic and Non-Organic Groups“, in: Alfredsson Gudmundur/Peter MacAlister-Smith (Hrsg.), The Living of Nations: Essays on Refugees, Minorities, Indigenous Peoples and the Human Rights of Other Vulnerable Groups, In Memory of Atle Grahl-Madsen, Kehl am Rhein 1996, S. 218, 225; Bill Bowring, Multicultural Citizenship: A More Viable Framework for Minority Rights?, in: Deirdre Fottrell/Bill Bowring (Hrsg.), Minority and Group Rights in the New Millennium, The Hague/Boston/London 1999, S. 1, 2 ff. 75 Ermacora (Anm. 27), RdC 182 (1983), S. 247, 300; Patrick Thornberry, The UN Declaration on the Rights of Persons Belonging to National or Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, in: Alan Phillips/Allan Rosas (Hrsg.), The UN Minority Rights Declaration, Turku (Abo) 1993, S. 11, 27. 76 Capotorti (Anm. 10), S. 12, Rn. 58; Bowring, in: Fottrell/Bowring (Hrsg.), (Anm. 74), S. 6 f. 77 General Comment No. 23 (50) Adopted by the Human Rights Committee under Art. 40, Paragraph 4 of the ICCPR, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.5; der positive Schutz des Art. 27 ICCPR wird im einzelnen in Kapitel 3 besprochen. 78 Vgl. Shaw, in: Dinstein/Talbory (Anm. 24), S. 1, 28, 30.

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ständigen Identität auszudrücken, wenn auch nicht offiziell gegenüber dem Staat.79 Ist dieser Wille zur eigenständigen Identität bei einigen Angehörigen der Minderheit nicht mehr festzustellen, so verlieren sie ihre Mitgliedschaft in der Gruppe. Falls dieser Bewahrungswille der ganzen Gruppe abhanden kommt, stellt sie keine geschützte Minderheit mehr dar.80 (bb) Indizien zur Ermittlung des Willens Die arabische Bevölkerung läßt einen Willen zur Bewahrung ihrer eigenständigen Identität erkennen. Zum einen zeigt sich dies schon durch die bewußte Pflege der objektiven Merkmale, welche in vielfältiger Weise und ausgeprägter Form feststellbar sind. So sprechen und schreiben die Araber weiterhin im Privatleben und in der Öffentlichkeit arabisch81, obwohl heute über 90 % von ihnen fließend hebräisch sprechen und schreiben.82 Daneben besitzen sie ihre eigene arabische Literatur, Kunst, Bauweise, Brauchtum und Wertvorstellungen, welche zwar durch den Modernisierungsprozeß teilweise nicht mehr identisch sind mit ihrer Lebensweise vor der Staatsgründung, dennoch eine in Teilbereichen von der jüdischen Mehrheitskultur83 stark abweichende eigene Kultur begründen.84 Die Tatsache der Ausübung und Weiterentwicklung dieser Traditionen weist darauf hin, daß sie ihre arabische Kultur bewahren möchten.

79 An Gruppen, die keine Verfolgung durch öffentliche Bekundung der Minderheitenidentität zu erwarten haben, können entsprechend höhere Anforderungen an den Ausdruck des Willens gestellt werden. 80 Ermacora (Anm. 27), RdC 182 (1983), S. 247, 299 f. 81 1988 sprachen 100 % fließend Arabisch und 88,7 % konnten fließend sprechen und schreiben, Sammy Smooha, Arabs and Jews in Israel, Bd. 2, Boulder/San Francisco/Oxford, 1992, S. 38 f. 82 So setzen sich verschiedene arabische Organisationen vehement dafür ein, daß das Arabische, welches nach dem Gesetz die zweite offizielle Sprache Israels ist, auch in der Öffentlichkeit auf Verkehrsschildern, offiziellen Dokumenten etc. berücksichtigt wird, vgl. Adalah, The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel, Legal Violations of Arab Minority Rights in Israel, Report on Israels Implementation of the International Convention Against Racial Discrimination, Shfaram 1998, S. 66 ff. 83 Eigentlich müßte man von jüdischen Mehrheitskulturen sprechen, da sich die jüdische Bevölkerung angesichts ihrer kulturellen und religiösen Unterschiede nur schwer in einer Einheit zusammenfassen läßt. 84 Natürlich läßt sich dies nicht verallgemeinern. So gibt es sehr traditionsbewußte arabische Familien, in denen bestimmte Wertvorstellungen und Brauchtum sich über Jahrzehnte nicht stark verändert haben. Dabei spielt zumeist auch der Grad der Religiosität eine entscheidende Rolle. Andererseits existieren auf beiden Seiten Familien, die sich hinsichtlich ihrer Kultur allenfalls durch ihre jeweilige Muttersprache und dem Bewußtsein einer unterschiedlichen Volkszugehörigkeit unterscheiden. Diese Konstellation wird eher bei der säkularen Bevölkerung zu finden sein.

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Ferner läßt sich bei der arabischen Bevölkerung ein bekundeter Wille zur Eigenständigkeit feststellen. Dieser kann vergleichsweise anhand verschiedener Umfragestudien ermittelt werden, wobei zu berücksichtigen ist, daß sich die Identität einer Person natürlich durch mehrere Ebenen auszeichnet. Die Identität der Araber im Nahen Osten war oft durch verschiedene Loyalitäten geprägt, ohne daß diese miteinander in Konflikt geraten wären.85 Das Modell des Nationalstaats wurde auch in dieser Region aus dem Westen importiert und paßte eigentlich wenig in die Gesellschaftsstruktur der Araber, welche sich durch Zugehörigkeit zu Familie und Stamm oder durch die Verbundenheit mit einem gewissen Territorium auszeichnet. Als „Überidentität“ war oft ihre arabische Abstammung mit entsprechender Kultur und Sprache sowie vor allem die gemeinsame Religion ausschlaggebend.86 Nadim Rouhana stellte bei einer systematischen Umfrage folgende Aufteilung bezüglich der kollektiven Selbstidentifikation unter der arabischen Bevölkerung fest87: 0,5 % der Befragten identifizierten sich mit der Kategorie Israeli, 18,2 % mit der Bezeichnung Israeli Arab, 6,9 % mit Arab, 57,0 % mit Palestinian Arab und 11 % mit Palestinian. Rouhana schloß allerdings bei dieser Umfrage die Drusen und Beduinen aufgrund ihrer komplexen Identität aus. Für die Drusen führte er eine getrennte Umfrage durch. Dabei bezeichneten sich 9,2 % der Drusen als Israeli, 14,5 % als Israeli Druze, 1,3 % als Palestinian Israeli, 22,4 % als Israeli Arab, 17,1 % als Arab, 5,3 % als Arab Druze, 23,7 % als Palestinian Arab, 6,6 % als sonstiges. Diese Studie verdeutlicht, daß auch von den Drusen 68,5 % Identifikationskategorien wählten, welche die Bezeichnung „Arab“ enthielten.88 Ebenso fiel bei einer Befragung von jugendlichen Beduinen 1998 auf, daß 74 % sich mit einer Kategorie identifizierten, die die Bezeichnung „Arab“ einschloß.89 Im Rahmen einer Umfrage von Sammy Smooha im Jahre 1988 ergaben sich hinsichtlich der nationalen Selbstidentifizierung folgende Ergebnisse: 5,3 % bezeichneten sich als Israeli, 21,1 % als Israeli Arab, 5,7 % als Arab, 11,7 % als 85

So sind auch die Identitäten von Religion und Volk im Nahen Osten weitaus mehr miteinander verwoben als im Westen, Dan Diner, Keine Zukunft auf den Gräbern der Palästinenser, Hamburg, 1982, S. 59 f. 86 Vgl. Rashid Khalidi, Palestinian Identity, The Construction of Modern National Consciousness, New York 1997, S. 19. 87 Nadim Rouhana, Palestinian Citizens in an Ethnic Jewish State: Identities in Conflict, New Haven/London/Yale University Press 1997, S. 121 ff. 88 Rouhana (Anm. 87), S. 266, Fn. 3. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu einigen Meinungen, die die Drusen nicht zur arabischen Minderheit zählen, sondern als eigenständiges Volk ansehen. Vgl. Gabriel Ben Dor, The Druzes in Israel: A Political Study, Jerusalem 1979, S. 171 ff.; zur Politik der israelischen Regierung bei der Erschaffung einer eigenen drusischen Nationalität siehe Jan Lustick, Arabs in the Jewish State, Austin/London 1980, S. 247 m. w. Nw.; Firro (Anm. 11), S. 169 ff., 174. 89 Vgl. Ismael Abu-Saad/Yossi Yonah/Avi Kaplan, Identity and Political Stability in an Ethnically Diverse State: A Study of Bedouin Arab Youth in Israel, Social Identities 6/1 (2000), S. 49, 55 f.

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Israeli Palestinian, 27,0 % als Palestinian Arab in Israel, 7,6 % als Palestinian und 21,6 % als Palestinian Arab.90 Trotz gewisser Unterschiede in der Art der Befragung ist ohne Zweifel zu ersehen, daß in allen Umfragen über 70 % der Befragten eine Bezeichnung für die Beschreibung ihrer kollektiven Identität wählten, die das Element „Araber“ enthielt.91 Aus diesen Untersuchungen läßt sich schließen, daß der Wille zur Bewahrung einer eigenständigen Identität als „arabische Minderheit“ bei einer großen Mehrheit dieser Bevölkerungsgruppe besteht. Des weiteren läßt sich der Gruppenwille anhand von Forderungen und Deklarationen arabischer Parteien sowie deren Wahlerfolge verdeutlichen. So erhielten beispielsweise arabische Parteien, welche in ihrem Programm die Anerkennung der Araber als nationale Minderheit forderten, 1996 über 60 % der Stimmen der arabischen Bevölkerung.92 Nach der Anwendung der verschiedenen objektiven und subjektiven Merkmale des Minderheitenbegriffs steht damit fest, daß die arabische Bevölkerung Israels einschließlich der Beduinen und Drusen nach dem Völkerrecht als ethnisch-linguistische arabische Minderheit zu qualifizieren ist. Es wird zu klären sein, ob innerhalb dieser Gruppe eventuell noch ethnische Untergruppierungen existieren, die neben der Zugehörigkeit zur arabischen Minderheit weitere, eigenständige Identitäten besitzen, die ebenfalls auf ethnischkulturellen Kriterien und einem entsprechenden Zusammengehörigkeitsgefühl beruhen.93 (2) Beduinen Die Beduinen, insbesondere die in der Negevwüste ansässigen, könnten als Untergruppe in diesem Sinne in Betracht kommen.94 Aus völkerrechtlicher Sicht 90

Smooha (Anm. 81 ), S. 80 f. Bei Smooha waren es 75,4 %, bei Rouhana 82,1 %. 92 Vgl. Sarah Ozacky-Lazar/As’ad Ghanem, The Arab Vote in the Elections of the 14th Knesset, 29 March 1996, Data and Analysis 5 (1997), S. 21 ff. 93 Hinsichtlich multipler Identitäten von Minderheiten stellt Geoff Gilbert zutreffend fest: „Once it is accepted that groups may have different aspects to their identity it is no longer enough to talk about the ‚protestant‘ minority or the „German“ minority. The group may be multi-faceted, but these several facets may also mean it is internally split: some of the national group may not share the religious identity.“ Gilbert (Anm. 14), IJMGR 5 (1997), S. 97, 106 ff. 94 Die Beduinen im Norden Israels haben sich seit mehreren Generationen weitgehend den Lebensgewohnheiten der anderen dort lebenden Bauern angepaßt, lediglich die Selbstbezeichnung als Beduine läßt noch eine Unterscheidung zu. Vgl. Emanuel Marx, The Bedouin of the Negev, New York/Washington 1967, S. 3. 91

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Kap. 2: Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit

ist zum einen zu überlegen, ob die Beduinen ein indigenes Volk sind95, zum anderen, ob sie Träger von Minderheitenrechten im Sinne des Art. 27 ICCPR sein können. Ob es sich bei den Beduinen in Israel um ein indigenes beziehungsweise autochthones Volk handelt96, kann in dieser Untersuchung dahingestellt bleiben97, da die Qualifikation als indigenes Volk den Schutz von Art. 27 ICCPR und anderen Minderheitenschutzbestimmungen nicht ausschließt, wenn die Gruppe auch die Merkmale einer Minderheit erfüllt.98 So wurden die Sami in Schweden und die Indianerstämme in Canada vom Menschenrechtsausschuß ausdrücklich auch als Minderheiten anerkannt.99 Die Beduinen müßten also eine numerisch unterlegene Gruppe sein, die sich in einer schwächeren Position befindet und sich aufgrund kultureller oder biologischer Merkmale von der Mehrheit unterscheidet, mit dem Willen, diese eigenständige Identität zu bewahren. 95

Nach Art. 1 Abs. 1 (b) und Abs. 2 der ILO-Convention Nr. 169 „Concerning Indigenous and Tribal Peoples in Independent Countries“ sind indigene Völker: „… peoples in independent countries who are regarded as indigenous on account of their descent from the populations which inhabited the country or a geographical region to which the country belongs, at the time of conquest or colonisation or the establishment of present state boundaries. Self-identification as indigenous or tribal shall be regarded as a fundamental criterion for determining the groups to which the provisions of this convention apply.“ ILOKonvention über den Schutz indigener Völker Nr. 169 v. 27.06.1989; Convention No. 107 v. 26.06.1957; siehe auch die von Martinez Cobo entwickelte Definition, UN Doc. E/CN.4/ Sub.2/1983/21/Add., para. 369, sowie die UN Draft Declaration on the Rights of Indigenous Peoples, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1983/21/Add.8, paras. 379 u. 381. 96 Für eine Besprechung des indigenen Charakters der Beduinen vgl. HRA, The Arab Association for Human Rights/Fiona McKay, The Palestinian Arab Minority in Israel, Economic, Social and Cultural Rights, Report Presented to the UN ICESCR Committee on Israel’s Implementation of the ICESCR, Genf 1998, S. 24. 97 Indigene Völker wollen nicht als Minderheit sondern als Volk verstanden werden, welches das Recht auf Selbstbestimmung nach Art. 1 ICCPR für sich beanspruchen kann. Vgl. Petra Williams-Vedder, Die Rechtsstellung der eingeborenen Völker in den USA und Kanada nach nationalem Recht und Völkerrecht, Frankfurt a. M. 1994, S. 166 f.; Kerrin Schillhorn, Kulturelle Rechte indigener Völker und Umweltrecht: Verhältnis und Vereinbarkeit, Berlin 1999, S. 60 ff. 98 Dies geht auch klar aus den General Comments des Menschenrechtsausschusses hervor: „With regard to the exercise of the cultural rights protected under article 27, the Committee observes that culture manifests itself in many forms, including a particular way of life associated with the use of land resources, especially in the case of indigenous peoples. That right may include such traditional activities as fishing or hunting and the right to live in reserves protected by law. The enjoyment of those rights may require positive legal measures of protection and measures to ensure the effective participation of members of minority communities in decisions which effect them.“ UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.5. 99 Communication No. 24/1977, § 14; Communication No. 197/1985, § 9.7; The Right of Self-Determination and Protection of Minorities in Central and Eastern Europe in Light of the Case-Law of the Human Rights Committee, IJMGR 1 (1993), S. 7, 11 ff.

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Die Negev-Beduinen waren ursprünglich Nomadenstämme, die in den Wüsten des Sinai, Palästinas und Transjordaniens umherzogen und dabei hauptsächlich von ihren Herden lebten.100 Im Gegensatz zu den fest ansässigen Arabern in Dörfern und Städten zogen sie es vor, in Zelten nahe bei ihren Tieren zu leben. Ihre sozialen Organisationseinheiten sind Stämme, in denen das Stammesoberhaupt, der Sheik, gleichzeitig die Funktion von Exekutive und Judikative erfüllt. Das Recht der muslimischen Beduinen basiert auf einem Jahrhunderte alten Gewohnheitsrecht. Durch ihre besondere Lebensweise unterscheiden sich die arabischen Beduinen von den anderen Arabern auch heute noch. Sie sprechen zwar die gleiche Sprache, wenn auch in einem eigenen Dialekt, und verwirklichen in vielen Bereichen arabische Kultur.101 Ihre Zivilisation ist im Gegensatz zu den anderen Arabern aber sehr stark von der Aufzucht ihrer Herden (Schafe, Ziegen und Kamele) und dem Leben in der Wüste geformt. Das Pflegen der Herde bedeutet nicht nur Existenzgrundlage, Reichtum und Stolz, sondern spielt auch in der Struktur des Haushalts sowie bei religiösen Riten und kulturellen Gebräuchen eine Rolle.102 Auf diese Weise unterscheiden sich die Beduinen in ihrer Identität von der jüdischen Mehrheit, aber in bestimmten Aspekten auch von den anderen Angehörigen der arabischen Minderheit. Die Beduinen befinden sich auch in einer schwächeren Position gegenüber dem Rest der Bevölkerung, da ihnen existentielle Versorgung vorenthalten bleibt.103 Die meisten von ihnen besitzen die israelische Staatsbürgerschaft und/oder weisen eine kontinuierliche Verbindung mit dem Land auf, da auch ein nomadischer Lebensstil, der auf ein bestimmtes Territorium begrenzt ist, eine solche Kontinuität begründen kann. Schließlich müßten die Beduinen den nötigen Willen besitzen, ihre eigenständige Kultur zu erhalten und zu bewahren. Israels Versuch, die Beduinen in neu gegründeten Städten in der Negev seßhaft zu machen, scheiterte zum größten Teil, weil sie es bevorzugten, in kleinen Siedlungen zusammen mit ihren Tieren zu leben.104 Da dieses Konzept nicht in die Landpolitik Israels paßt, werden ihre Siedlungen nicht anerkannt und entbehren so die nötigsten infrastrukturellen Vorausset100

ACRI, ICESCR-Report (Anm. 61), S. 50 ff. Marx (Anm. 94), S. 3 ff. 102 Vgl. Aref Abu-Rabia, The Negev Bedouin and Livestock Rearing, Oxford 1994, S. 2 ff. 103 Vgl. zur Situation Kapitel 1, A.; Staatenbericht Israels zur Implementierung des ICESCR, Initial Report: Israel.20/01/98. E/1990/5/Add.39(3), para. 851; Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), Equal Rights and Minority Rights for the Palestinian Arab Minority in Israel, A Report to the UN Human Rights Committee on Israel’s Implementation of Articles 26 & 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, Nazareth, July 1998, S. 63 f. 104 Ronen Shamir, Suspended in Space: Bedouins under the Law of Israel, Law and Society Review 30 (1996), S. 231, 232, 236; ACRI, ICESCR-Report (Anm. 61), S. 50 ff.; Abu-Rabia (Anm. 102), S. 7 ff. 101

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Kap. 2: Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit

zungen.105 Indes zeigt der Umstand, daß viele Beduinen es trotz ihrer schwierigen Situation vorzogen, in der Wüste zu leben anstatt in den ihnen angebotenen Städten, daß sie ihre traditionelle Lebensweise bewahren möchten. Auch die Entwicklung hin zu einem seßhafteren Leben ist eher auf äußere Einflüsse wie die Errichtung von „geschlossenen Zonen“ zurückzuführen als auf die Aufgabe ihrer Lebensweise.106 Die Beduinen besitzen also auch den nötigen Willen, ihre Lebensweise zu erhalten und sind deshalb als kulturelle Minderheit im Sinne von Art. 27 ICCPR zu qualifizieren. Damit steht ihnen über den Schutz, den sie als Angehörige der arabischen Minderheit in Israel genießen, auch der Schutz ihrer spezifischen Identität zu. b) Nationale Minderheit Nachdem festgestellt wurde, daß die Araber in Israel eine ethnisch-linguistische arabische Minderheit mit einer kulturellen Untergruppe konstituieren, stellt sich die Frage, ob die arabische Bevölkerung auch als nationale Minderheit angesehen werden kann. Dabei ist zunächst zu klären, ob eine nationale Minderheit von Art. 27 ICCPR umfaßt ist und durch welche Merkmale sie sich auszeichnet. Die Einbeziehung von nationalen Minderheiten in die für Art. 27 ICCPR relevante Definition war heftig umstritten, da viele Staaten mit dem Konzept der nationalen Minderheiten sofort einen Angriff auf ihre Souveränität argwöhnten.107 Während der travaux préparatoires für Art. 27 ICCPR schlug die Sowjetunion vor, den Begriff „national minority“ als Sammelbegriff für die fraglichen Minderheiten zu verwenden.108 Diese Gruppen wurden definiert als „historically formed community of people characterised by a common language, a common territory, a common economic life, and a common psychological structure manifesting itself in a common culture“.109 Dieser Entwurf wurde jedoch von den anderen Staaten mit dem Argument zurückgewiesen, daß diese Formulierung nicht weit genug sei, um alle schützens-

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ACRI, ICESCR-Report (Anm. 61), S. 52–55. Adalah, The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), (Anm. 103), S. 62–66, insbes. S. 65; Shamir (Anm. 104), Law and Society Review 30 (1996), S. 231, 232; Plan for the Development of Municipal Administration to the Unrecognised Arab Bedouin Villages in the Negev, Regional Council for Unrecognised Arab Villages/Jewish-Arab Center for Economical Development, Herzlya 2000, S. 5 ff. (Hebräisch). 107 Thornberry (Anm. 20), S. 960. 108 UN Doc. E/CN.4/L.222. 109 UN Doc. E/CN.4/SR.369, para. 16. 106

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werten Gruppen einzubeziehen.110 Die Formulierung in Art. 27 ICCPR wurde dann auf „ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten“ beschränkt. Nach dem bloßen Wortlaut des Art. 27 ICCPR sind nationale Minderheiten vom Schutzbereich ausgeschlossen. Aus den vorbereitenden Arbeiten geht jedoch hervor, daß man unter dem Begriff „ethnisch“ sowohl kulturelle, rassische und nationale Minderheiten zusammenfassen wollte.111 Den kontroversen Begriff der „national minority“ konnte man so vermeiden und gleichzeitig die Definition sehr umfassend gestalten.112 Einen weiteren Hinweis auf die gewollte Einbeziehung nationaler Minderheiten findet sich in der Minderheitendeklaration der UN Generalversammlung von 1992113, in deren Art. 2 Abs. 1 ebenfalls von Angehörigen nationaler Minderheiten gesprochen wird. Einen Anhaltspunkt für den Charakter der nationalen Minderheit bietet Art. 2 Abs. 5 der Minderheitendeklaration. Danach haben Minderheitenangehörige das Recht, freie und friedliche Kontakte über die Staatsgrenzen hinaus zu den Bürgern eines anderen Staates, „welche mit ihnen national, ethnisch, religiös oder sprachlich verbunden sind“, zu pflegen.114 Die Einbeziehung nationaler Minderheiten in den Schutz des Art. 27 ICCPR wird auch bestärkt durch den Umstand, daß die Minderheitendeklaration laut Präambel gerade zu einer effektiveren Implementierung des Art. 27 ICCPR beitragen sollte.115 Obwohl diese Resolution als soft law keine unmittelbar bindende Wirkung entfaltet, spricht ihr Deklarationscharakter gleichwohl für eine starke opinio iuris der Staaten und somit für die Existenz nationaler Minderheiten als eigenständiger Kategorie, die wie die rassischen Minderheiten in Art. 27 ICCPR unter dem Begriff „ethnische Minderheiten“ zusammengefaßt worden sind.116 Die Qualifizierung als nationale Minderheit ändert zwar 110 UN Doc. E/CN.4SR.368 (1953), 14; UN Doc. E/CN.4SR.369 (1953), 7; UN Doc. E/CN.4/SR.370 (1953), 8, 9; UN Doc. E/2447. 111 Das Verständnis von „nationaler Minderheit“ unterscheidet sich auf universal-völkerrechtlicher Ebene somit vom Minderheitenbegriff im regional-europäischen Völkerrecht, in dem „nationale Minderheit“ als Oberbegriff für ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Minderheiten verwendet wird, ohne daß eine Bestimmung über den Begriff „Ethnie“ oder Volkstum nötig wäre. Vgl. Art. 14 EMRK, BGBL. 1952 II, S. 685, 953; Art. 1, 3, 4 des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten, BGBl. 1997 II, S. 1408; dazu Dietrich Franke/Rainer Hofmann, Nationale Minderheiten – Ein Thema für das Grundgesetz?, EuGRZ 19 (1992), S. 401 f. 112 Vgl. Thornberry (Anm. 20), S. 159 ff.; a. A. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 22), S. 949, 960, der davon ausgeht, daß nationale Minderheiten nicht mit eingeschlossen sind. 113 Annex zu Res. 47/135 der UN GA, UN Doc. A/47/49 = A/RES/47/135, 211 f. 114 Art. 2 Abs. 5 Minderheitendeklaration 1992, ebda. 115 Vgl. Anm. 293. Siehe auch Art. 5 Abs. 1 (c) der UNESCO Convention against Discrimination in Education vom 22.05.1962, 429 UNTS, 93. 116 Vgl. zu den Rechtsquellen des Völkerrechts Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut, BGBl. 1973 II,

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nichts an der Völkerrechtssubjektivität der Minderheit, ist jedoch von Bedeutung für die Einforderung „spezifischer, den Interessen einer „nationalen“ Minderheit entsprechender Rechte“117. Problematisch bleibt dennoch, daß auf universal-völkerrechtlicher Ebene bis jetzt keine einheitliche Definition der nationalen Minderheit, die über die ethnische Prägung dieser Minderheit hinausgeht, gefunden wurde.118 Lediglich der Report von Elles, welcher die Stellung von Ausländern untersucht, gibt etwas Aufschluß über diese Frage. Danach sind nationale Minderheiten: „persons who belong to a group owing allegiance on account of nationality to a state other than the one in which they are residing and who are numerically less than the inhabitants of the state of residence.“119

Ermacora definiert ausgehend von der deutschen Staatslehre eine nationale Minderheit wie folgt: „A national minority … is a group of persons who besides the characteristics of an ethnic minority, has the will to exercise as a group these rights which leave minorities the possibility to take part in the policy-decision process within a given territory or even in a national context of a state without being on an equal footing with other ethnics in this state.“120

Im deutschen und osteuropäischen Sprachraum wird hingegen eher ein Begriff verwendet, der auf das Minderheitenschutzsystem der Völkerbundzeit zurückgeht. Danach sind nationale Minderheiten „solche Minderheiten, die – wie in Deutschland die Dänen – in einem anderen Staat die staatstragende Nation darstellen.“121 Diesen Definitionen folgend läßt sich auf völkerrechtlicher Ebene eine nationale Minderheit als „eine sich politisch bewußt gewordene Volksgruppe, die sich einer anderen als der in ihrem Staat staatstragenden Nation zugehörig fühlt“ beschreiben.122 Die Araber in Israel müßten danach eine Volksgruppe darstellen, die sich politisch bewußt ist und sich einer Nation zugehörig fühlt, die in ihrem Staat nicht die staatstragende bildet. Solch eine Nation könnte man in der GeS. 505; zum Rechtscharakter von Deklarationen siehe Robert Jennings/Arthur Watts, Oppenheim’s International Law, Bd. I/1, 9. Auflage, Harlow 1992, S. 45 ff., Fn. 1. 117 Delbrück (Anm. 55), S. 281. 118 Ebda., S. 27. 119 Report on International Provisions Protecting the Human Rights of Non-Citizens, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/392 Rev. 1 (1980), 25. 120 Ermacora (Anm. 27), RdC 182 (1983), S. 247, 295. 121 Franke/Hofmann (Anm. 111), EuGRZ 19 (1992), S. 401; ähnlich Inis L. Claude, National Minorities: An International Problem, Cambridge, Mass. 1955, S. 2. 122 Vgl. Natan Lerner, Religion, Believes and International Human Rights, New York 2000, S. 35; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 22), S. 949, 960. Unter Nation ist dabei jedes sich politisch bewußt gewordene Volk zu verstehen, Delbrück (Anm. 55), S. 281.

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samtheit der Araber sehen. Dieses Bild, welches zu Nassers Zeiten eines proklamierten Panarabismus sicher noch vorstellbar war, paßt hingegen in die heutige Wirklichkeit der verschiedenen Staatsvölker im Nahen Osten nicht mehr. Als zugehörige Nation kommt damit nur das in den besetzten Gebieten und anderen Staaten lebende Volk der Palästinenser in Frage. Die Palästinenser, Nachfahren der Einwohner Palästinas, erfüllen alle Kriterien eines Volkes im völkerrechtlichen Sinn123 und haben sich während dieses Jahrhunderts zu einem politisch bewußt gewordenen Volk, mithin zu einer Nation entwickelt, welche aufgrund historischer Ereignisse nicht die staatstragende in Israel darstellt.124 Dieser Nation müßten sich die Araber in Israel auch aufgrund gemeinsamer Charakteristika und einer gemeinsamen Identität zugehörig fühlen. Die Identität der Araber in Israel als Palästinenser ist indes nicht ganz unproblematisch. So teilen die Angehörigen der arabischen Minderheit in Israel zwar die ursprünglichen kulturell, ethnischen und sprachlichen Wurzeln sowie den gemeinsamen, geschichtlichen Kampf um Selbstbestimmung in ihrem Heimatland Palästina. Während jedoch die Palästinenser in den besetzten Gebieten unter israelischer Besatzungsmacht lebten, waren ihre Landsleute in Israel zu Staatsbürgern geworden und so auch bis zu einem gewissen Grad in die israelische Gesellschaft integriert, was nicht ohne Einfluß auf ihre Identität blieb. Dessenungeachtet hielt die Verbindung zwischen beiden Gruppen an und wurde insbesondere seit 1967 neu belebt. Dabei scheint die Identifikation der Araber in Israel als dem palästinensischen Volk zugehörig in den letzten zehn Jahren seit dem Osloprozeß und dem Ausbruch der Al-Aqsa Intifada stark zugenommen zu haben.125 Trotzdem identifizieren sich nicht alle Araber in Israel als Palästinenser. So liegt bei den Christen und den Muslimen beispielsweise eine viel stärkere Identifikation vor als bei den Drusen und den Beduinen. Deshalb wählten in Rouhanas Umfrage zur Identifikation nur 25 % der 123 Nach der Definition der International Commission of Jurists sind dies: „A common history, racial or ethnic ties, cultural or linguistic ties, religious or ideological ties, a common territory or geographical location, a common economic base, a sufficient number of people.“ Zitiert nach Rachel San Kronowitz/Joanne Lichtman/Steve Paul McSloy/Matthew G. Olson, Indian Nations, Harvard Civil Rights – Civil Liberties Law Review 22 (1987), S. 507, 598; vgl. auch die Definition des UN Berichterstatters Cristescu, „(a) The term people denotes a social entity possessing a clear entity and its own characteristics; (b) it implies a relationship with a territory, even when the people in question has been wrongfully expelled from it and artificially replaced by another population; (c) A people should not be confused with ethnic, religious or linguistic minorities, whose existence and rights are recognized in Art. 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights.“ Aureliu Cristescu, The Right to Selfdetermination: Historical and Current Development on the Basis of United Nations Instruments, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/404/Rev.1 (1981), 271. 124 Zur Flucht der Palästinenser und Besiedlung des Landes durch jüdische Einwanderer siehe Kapitel 1, B. I. u. II. 125 Vgl. Moshe Ahrens, Unchequed Incitement, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 19.09.2000, http://www3.haaretz.co.il; zu den Gründen siehe auch Kapitel 1, B. III. 3. u. 4.

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Kap. 2: Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit

arabischen Drusen eine Kategorie, die die Beschreibung Palästinenser enthielt126, im Gegensatz zu 74,4 % der arabischen Christen und Muslime.127 Vor diesem Hintergrund ist nach völkerrechtlichen Kriterien die Existenz einer arabisch-palästinensischen Minderheit in Israel festzustellen. Die Mitgliedschaft in dieser, insbesondere hinsichtlich des palästinensischen Elements, hängt jedoch von der freiwilligen Selbstidentifikation des einzelnen ab. c) Religiöse Minderheiten Neben der ethnischen und nationalen Identität spielt die religiöse Identität für viele arabische Bürger Israels eine große Rolle. Im Völkerrecht läßt sich eine religiöse Minderheit wie folgt definieren: „… a group of persons who manifest (profess) religious thoughts which differ from a state religion; differ from the religion manifested by the majority of a people, which is in opposition to an atheistic behaviour of the majority of the population in particular if there is not complete freedom of religious tolerance in a given country and if the members of the religious group want to uphold their religion.“128 Der Begriff Religion ist dabei weit zu verstehen, als Glauben an „erhabene oder überlegene Kräfte und Wesen“129. Im Gegensatz zu Art. 18 ICCPR sind atheistische Weltanschauungen nicht in den Religionsbegriff des Art. 27 ICCPR mit eingeschlossen.130 (1) Muslime Die Muslime sind die größte religiöse Gruppe innerhalb der arabischen Minderheit in Israel. Sie gehören mehrheitlich der sunnitischen Richtung des Islams an.131 Die völkerrechtlichen Kriterien werden von den Muslimen erfüllt, da sie ihre Religion in einem Staat ausüben, in dem die Mehrheitsbevölkerung den jüdischen Glauben praktiziert und der sich als jüdischer Staat versteht. Die meisten Muslime 126

Rouhana (Anm. 87), S. 266, auch Text bei FN 3 u. 4. Ebd., S. 121. 128 Zitiert nach Ermacora (Anm. 27), RdC 182 (1983), S. 247, 295. Vgl. auch Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 10), Art. 27, Rn. 22, sowie Heintze (Anm. 38), S. 132 ff., der darauf hinweist, daß dem subjektiven Element bei religiösen Minderheiten entscheidende Bedeutung zukommt, da es einfacher ist seine Religion zu wechseln als beispielsweise seine ethnische Identität. 129 Shaw, in: Dinstein/Tabory (Anm. 24), S. 1, 19. 130 Es wird lediglich von „religion“, nicht von „belief“ gesprochen, Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 10), Art. 18, Rn. 9; Dinstein, in: ders./Mala Tabory (Anm. 29), S. 145, 156. 131 David Mark Neuhaus, Between Quiescence and Arousal: Political Function of Religion, A Case Study of the Arab Minority in Israel: 1948–1990, Dissertation, Hebräische Universität Jerusalem, 1991, S. 11. 127

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wünschen auch ihre religiöse Identität gegenüber der Mehrheitsreligion, aber auch gegenüber den anderen Religionen in Israel zu bewahren. Ihre freiwillige Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft ist insofern problematisch, da in Israel keine Trennung zwischen Staat und Religion besteht. So werden auch Atheisten automatisch zu einer der Religionsgemeinschaften gezählt.132 (2) Christen Die Christen bilden dagegen eine relativ kleine religiöse Minderheit innerhalb der arabischen Minderheit. Zudem sind sie in 35 verschiedene Kirchen und Konfessionen unterteilt, welche jede für sich eine religiöse Minderheit nach der völkerrechtlichen Definition verkörpert.133 Da die Grundprinzipien dieser Konfessionen jedoch wesentliche theologische Gemeinsamkeiten wie den Glauben an Jesus Christus aufweisen und keine von ihnen die Mehrheitsreligion im Staat beansprucht, können sie in dieser Studie unter der Bezeichnung „christliche Minderheit“ zusammengefaßt werden. Die Angehörigen der arabischen Minderheit sind zum größten Teil innerhalb der katholischen Kirchen vertreten.134 (3) Drusen Etwas problematischer ist die Qualifizierung der Drusen als eigenständige religiöse Minderheit. Ihre Identität ist wie keine andere umstritten und Gegenstand von politischer Manipulation.135 Während verschiedene Wissenschaftler und Politiker die Drusen schlicht als Untergruppe der Muslime ähnlich der Aleviten ansehen136, wurden sie von Israel nicht nur als religiöse Minderheit, sondern sogar als eigenständige Nation behandelt.137 Beide Beschreibungen sind zweifelhaft. Es handelt 132 Vgl. dazu die Ausführungen zur negativen Religionsfreiheit in Kapitel 2, B. und Kapitel 4. 133 Gilbert (Anm. 14), IJMGR 5 (1997), S. 97, 107. 134 Asher Maoz, Religious Human Rights in the State of Israel, in: Johan D. van der Vyver/John Witte (Hrsg.), Religious Human Rights in Global Perspective, The Hague/ Boston/London 1999, S. 349, 353. 135 Rouhana (Anm. 87), S. 266, Text bei Anm. 3; Firro (Anm. 11), S. 1 ff., insbes. S. 9, 10. 136 Vgl. Abdelrahim Matar, Zu den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen bei der arabischen Minderheit Israels – Eine sozioökonomische Untersuchung, Dissertation, Bochum 1995, S. 64. Einige Drusen sehen sich als die wahren Muslime im Vergleich zur Mehrheit der islamischen Gläubigen, Ibn Zahadi, What is being Druze really about?, http://www. druzenet.com, 2.5.2000. 137 Dies geschah auf Initiative einiger Drusenführer, wurde dann aber allen Drusen aufgezwungen, Zeidan Atashi, The Druze Identity and Integration, in: Jerusalem Center for Public Affairs/Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), Israel’s Druze Community: Towards the 21st Century, Conference Proceedings, Jerusalem, June 1995, S. 71, 81; dazu kommentiert

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sich bei den Drusen vielmehr um Angehörige der arabischen Minderheit138, die jedoch über eine eigenständige religiöse Identität verfügen. Das Drusentum findet seinen Ursprung im Ismalismus, einer extremen Richtung des Schiismus, wendete sich jedoch im 11. Jahrhundert ganz vom Ismalismus ab und wurde zu einer eigenständigen gnostischen Religion, welche sich vom Islam trotz des gemeinsamen Ursprungs fundamental unterscheidet.139 Die Drusen sehen die Prophezeiungen Mohammeds nicht als endgültige Offenbarung an, sondern verehren vielmehr den Fatimiden Kalifen Al-Hakim (996–1021) als Träger der endgültigen Offenbarung Gottes.140 Für ihre Religion ist die Einheit Gottes und die Reinkarnation der Seele von entscheidender Bedeutung. Im Gegensatz zu den Muslimen glauben sie beispielsweise nicht an die fünf Säulen des Islam, sie beten nicht fünf Mal am Tag gegen Mekka gerichtet und fasten nicht während des Ramadans.141 Die Drusen wurden jahrhundertelang als Häretiker und Gnostiker verfolgt. Eine Konsequenz dieser Verfolgung ist der Charakter der drusischen Religion als Geheimreligion sowie der ausgeschlossenen Möglichkeit zu konvertieren. Deshalb haben die Drusen als Überlebensstrategie eine sehr diplomatische Einstellung gegenüber den jeweils Herrschenden entwickelt.142 Je weniger über die drusische Religion bekannt war, desto geringer war für sie das Risiko einer Verfolgung.143 Im ganzen Nahen Osten gibt es heute ungefähr eine Million Drusen verteilt auf den Libanon, Jordanien, Syrien und Israel.144 Ethnisch stammen die Drusen von den Arabern ab, welche ihre Ursprünge auf eine Mixtur von Stämmen und Völkern zurückführen. Die Drusen sprechen und beten arabisch und unterscheiden sich im Anton Shammas: „Israel is the only country in the world where being a Druse does not necessarily mean being an Arab.“, in: Elie Rekhess (Hrsg.), Arab Politics at a Crossroads, Tel Aviv 1996, S. 13, 16. 138 Vgl. die Umfrageergebnisse von Rouhana (Anm. 87), S. 266 bei Anm. 3, die ergaben, daß 68,3 % der befragten Drusen eine Kategorie wählten, die die Bezeichnung Arab enthielt. 139 Maoz, in: van der Vyver/Witte (Hrsg.), (Anm. 134), S. 349, 353. 140 Laila Parsons, The Druzes between Palestine and Israel, 1947–1949, London 2000, S. 1 ff.; Sheik Anwar F. Abi-Khazam, The Relation between the Druze Faith and Other Religions, http://cc.usu.edu/~slfqn/drouz.html, 27.11.2000. 141 Parsons (Anm. 140), S. 13 ff. 142 Diese Anpassungsfähigkeit nach außen (Taquiya) kann soweit gehen, daß die Drusen, wenn die Umstände sie dazu zwingen, nach außen eine andere Religion ausüben, ohne dabei ihren eigenen Glauben aufzugeben. Vgl. Ben Dor (Anm. 88), S. 57 ff., 109 ff. 143 Aharon Layish, The Druze Identity and Integration, in: Jerusalem Center for Public Affairs/Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), Israel’s Druze Community: Towards the 21st Century, Conference Proceedings, Jerusalem, June 1995, S. 1 ff. (Hebräisch). 144 Laila Parsons, The Palestinian Druze in the 1947–1949 Arab-Israeli War, in: Kirsten E. Schulze/Martin Stokes/Colm Campbell (Hrsg.), Nationalism, Minorities and Diaspora: Identities and Rights in the Middle East, London 1996, S. 144.

B. Minderheitenstatus nach israelischem Recht

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Gegensatz zu den arabischen Christen hinsichtlich ihrer Namen kaum von den arabischen Muslimen.145 Die Drusen in Israel verstehen sich selbst nicht als Muslime und werden auch von den Muslimen zumeist nicht als solche angesehen. Sie identifizieren sich vielmehr über ihre besondere Religion. 146 Nach völkerrechtlichen Kriterien sind sie damit eine Minderheit mit einer eigenständigen religiösen Identität, die auch den Willen besitzt, diese zu bewahren.

B. Minderheitenstatus nach israelischem Recht Die Anerkennung der Minderheitenidentitäten im israelischen Recht unterscheidet sich erheblich von der völkerrechtlichen Qualifizierung. I. Anerkennung der ethnisch-linguistischen Identität Eine explizite Anerkennung der Araber als ethnische Minderheit ist gesetzlich nicht gewährleistet. Zwar muß bis jetzt jeder Staatsbürger Israels gemäß Art. 2 a) (5) des Population Registry Law 1965 seine „Nationalität“ auf seinem Personalausweis angeben147, dies dient jedoch weniger der Anerkennung der arabischen Minderheit als vielmehr der Identifizierung möglicher nichtjüdischer „Sicherheitsrisiken“.148 Insofern verdeutlicht die Kategorie der „Nationalität“ den privilegierten Status der jüdischen Bürger im Staat des jüdischen Volkes.149 Offiziell wird in Israel von den „arabischen Israelis“ oder dem „arabischen Sektor“ gesprochen.150 Auch in den Staatenberichten Israels zur Implementierung des ICCPR wird vermie-

145

Parsons (Anm. 140), S. 12 f. Layish, in: Jerusalem Center for Public Affairs/Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), (Anm. 143), S. 78, 79 (Hebräisch); Gabriel Ben Dor, The Druze: Historical, Religious and Ideological Background, in: ebd., S. 53 f. (Hebräisch). 147 Art. 2 a) (5), Population Registry Law 1965, LSI 19 (1964/65), 288. 148 ACRI, The Association for Civil Rights in Israel, Comments on the Combined Initial and First Periodic Report Concerning the Implementation of the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), submitted to the United Nations Human Rights Committee, Jerusalem, Juli 1998, S. 123; David Kretzmer, The Legal Status of the Arabs in Israel, Boulder/San Francisco/Oxford 1990, S. 44. 149 Siehe Kapitel 3, C. 150 Lustick (Anm. 88), S. 67, 265. Dagegen sprach Richter Landau in seinem Urteil Sabry Jirys v. District Commissioner of Haifa im Zusammenhang mit der verweigerten Registrierung der Al-Ard-Bewegung als Gesellschaft unter anderem von den Rechten und Rechtsgrenzen der nationalen Minderheit, P.D. 18 IV (1964), 673, 679; Auszüge und Kommentierung des Urteils bei Ori Stendel, The Rights of the Arab Minority in Israel, IYHR 1 (1971), S. 134, 145 ff. 146

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Kap. 2: Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit

den, über die Araber als eigenständige ethnische Minderheit zu berichten.151 Nichtsdestotrotz gibt es in fast allen Regierungsministerien besondere Abteilungen für die arabische Bevölkerung, die jedoch in den entscheidenden Positionen meist nicht von Arabern besetzt sind.152 Im September 1999 wurde ein Ministerialkomitee zur Lage des arabischen Sektors etabliert, welches der Regierung „Richtlinien zu den Angelegenheiten der arabischen Bürger Israels“ erstellt.153 Auch hier wird jeder Hinweis auf eine „arabische Minderheit“ vermieden. Erst in der Regierung Sharons 2001 befand sich zum ersten Mal in der Geschichte Israels ein arabischer Minister, Salah Tarif, jedoch ohne Ministerium. Auf diese Weise wird eine Politik der Separation und Kontrolle betrieben, die zwar Assimilation ausschließt, aber auch keine Grundlage für eine tolerante, integrierte Gesellschaft schafft. Was für die Nichtanerkennung als arabische Minderheit gilt, trifft umso mehr für die Nichtanerkennung als palästinensische Minderheit zu. Obwohl Israel die Palästinenser als Volk anerkannt hat, werden die Angehörigen der arabisch-palästinensischen Minderheit offiziell nicht als Teil des palästinensischen Volkes eingestuft.154 Auch die Beduinen sind in Israel weder als indigenes Volk noch als kulturelle Minderheit anerkannt. Im Staatenbericht Israels zu Art. 27 ICCPR werden sie als Untergruppe innerhalb der muslimischen Minderheit behandelt, was in keiner Weise ihre besondere Lebensweise als eigenständige, kulturelle Minderheit widerspiegelt.155 Der linguistischen Identität der arabisch sprechenden Minderheit wurde hingegen im Gesetz Ausdruck verliehen. So ist das Arabische gemäß Art. 82 der Palestine Order in Council zumindest de iure neben dem Hebräischen offizielle Sprache in Israel und sollte damit sogar einen Rechtsstatus besitzen, der über die Stellung als 151 Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 863–864. Im Gegensatz zur offiziellen Haltung des Staates sind die Araber in der Literatur zunehmend als nationale Minderheit anerkannt. Vgl. Ori Stendel (Former Deputy Adviser to the Prime Minister of Israel on Arab Affairs), The Arabs of Israel Between Hammer and Anvil, IYHR 20 (1990), S. 287 ff.; vgl. auch Lerner, in: Conference Papers (Anm. 7), S. 4, 10; Dov Bar-Nir, The Israeli Arabs – A National Minority?, New Outlook 24, 6 (1982), S. 32 ff. 152 Vgl. Adalah, The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), (Anm. 103), S. 34 ff.; ACRI, ICCPR (Anm. 148), S. 137 f. 153 Gespräch mit Dr. Elie Rekhess am 04.03.2001, welcher dieser Kommission angehört. 154 Dies geht vor allem auf die Idee zurück, daß die Araber in den besetzten Gebieten und die Flüchtlinge erst durch die Etablierung der PLO ein Nationalbewußtsein entwickelt haben. Von diesem Nationsbildungsprozeß wären die Araber in Israel dann ausgeschlossen gewesen. Diese Annahme ist jedoch historisch unhaltbar. Siehe die historische Entwicklung in Kapitel 1, B. II. 155 Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 864.

B. Minderheitenstatus nach israelischem Recht

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Minderheitensprache hinausgeht.156 Indes ist Hebräisch de facto zweifellos die herrschende Sprache im Staat.157 II. Anerkennung der religiösen Identitäten Im Gegensatz zur ethnischen Identität sind die religiösen Identitäten der Muslime, Christen und Drusen anerkannt.158 Diese Rechtslage geht zurück auf die unter dem osmanischen Milletsystem159 und der britischen Mandatsherrschaft den verschiedenen Gemeinden gewährten Autonomierechte.160 So gewährleistet Art. 83 der Palestine Order in Council 1922 die Religionsfreiheit nicht nur dem einzelnen: „All persons in Palestine shall enjoy full liberty of conscience, and the free exercise of their forms of worship subjected only to the maintenance of public order and morals. Each religious community recognised by the government shall enjoy autonomy for the internal affairs of the community subject to the provisions of any ordinances or order issued by the High Commissioner.“161

Diese Bestimmung wurde gemäß Art. 11 der Law and Administration Ordinance 1948162 vom israelischen Staat beibehalten. Die Liste der unter diesem Gesetz anerkannten Gemeinden schließt Muslime und einige christliche Gemeinden mit ein. Die muslimische Gemeinde genießt entsprechend gewisse Autonomierechte, insbesondere eine eigene Gerichtsbarkeit hinsichtlich des Familien und Personenstandsrechts ihrer Mitglieder.163 Von der christlichen Minderheit in Israel, welche aus über 35 Kirchen und Konfessionen besteht, sind folgende Kirchen anerkannt: die Östlich-Orthodoxe, die Syrisch-Orthodoxe, die Römisch-Katholische, die Gregorianisch-Armenische, die Armenisch-Katholische, die Syrisch-Katholische, die Vereinte Chaldäische, die Griechisch-Katholisch-Melkitische, die Maronitische Kirche und seit 1970 auch die Ara156 Drayton, Laws of Palestine III (1933–47), S. 2569, 2589. Diese Bestimmung wurde auch nach der Staatsgründung nicht aufgehoben im Gegensatz zum Status der englischen Sprache, Art. 15 lit. b der Law and Government Ordinance 1948, LSI 1 (1948), 7 ff. 157 ACRI, ICCPR (Anm. 148), S. 171 f. 158 Ebd., Rn. 863–864. 159 Millet (Türkisch) bedeutet religiöse Gemeinde oder Volk. 160 Ruth Lapidoth, Freedom of Religion and Conscience in Israel, in: dies./Ora Ahimeir (Hrsg.), Freedom of Religion in Jerusalem, The Jerusalem Institute for Israel Studies Research Series 85 (1999), S. 3, 21; Maoz, in: van der Vyver/Witte (Hrsg.), (Anm. 134), S. 349, 354. 161 Palestine Order in Council 1922, Drayton, Laws of Palestine III (1933–47), 2569, 2588. 162 LSI 1 (1948), 5 ff. 163 Art. 51 Palestine Order in Council 1922, Drayton, Laws of Palestine III (1933–47), 2569, 2581.

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Kap. 2: Bestimmung der arabischen Bevölkerung als Minderheit

bisch-Evangelisch-Episkopale.164 Die meisten Mitglieder dieser Gemeinschaften sind Angehörige der arabischen Minderheit.165 Unter ihnen genießen die katholischen Gemeinden, vom Heiligen Stuhl als Kirchen sui iuris betrachtet, durch den Vertrag zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl von 1994166 einen bevorzugten Status hinsichtlich der Selbstverwaltung. Ihnen wurde 1997 in einem bilateralen Abkommen sogar Rechtspersönlichkeit in Israel versprochen, welche durch ein entsprechendes Knessetgesetz verliehen werden muß.167 Die Drusische Gemeinde genoß hingegen weder unter osmanischer noch unter britischer Herrschaft den Status einer Religionsgemeinschaft.168 Zwar gestand die britische Herrschaft den Drusen Autonomie im Bereich der Heirats- und Eheangelegenheiten zu, verweigerte ihnen jedoch die Registrierung als religiöse Gemeinde unter Art. 83 S. 2 Palestine Order in Council 1922. In Israel wurden die Drusen am 15. April 1957 als Religionsgemeinschaft gemäß der Religious Communities Regulations 1957169 i. V. m. Art. 2 der Religious Communities Organisation Ordinance 1926170 und 1963 auch unter Art. 83 der Palestine Order in Council 1922 anerkannt.171

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Art. 16 Second Schedule to the Palestine Order in Council, 1922–1947, Palestine Gazette 898 (1939), Suppl. 2, S. 459, 465; Christian Communities in Israel, Israeli Yearbook and Almanac 1999, S. 30, 32; nicht anerkannte Gemeinden sind beispielsweise die koptische, äthiopisch orthodoxe, protestantisch-lutheranische, baptistische und die QuäkerGemeinde. Diese könnten jedoch nach Art. 83 Palestine Order in Council 1922 i. V. m. Art. 2 der Religious Community Ordinance 1926 (geändert 1937) die Anerkennung beim Minister für Religionsangelegenheiten beantragen, Drayton, Laws of Palestine II (1933), rev. ed., 1292. 165 Maoz, in: van der Vyver/Witte (Hrsg.), (Anm. 134), S. 349, 353. Zur ausführlichen Besprechung der Selbstverwaltung und Jurisdiktion unter Art. 54 Palestine Order in Council 1922 vgl. Kapitel 4, B. 166 Fundamental Agreement between the State of Israel and the Holy See 1993, ILM 33 (1994), S. 153 ff. 167 Art. 2 (2) & 3 Agreement Between the State of Israel and the Holy See Pursuant to Art. 3 (3) of the Fundamental Agreement Between Israel and the Holy See, unterzeichnet in Jerusalem am 10.11.1997, http://www.mfa.gov.il/mfa/go.asp?MFAHOOvoO; Moussa Abu Ramadan, L’accord de 1997 entre Israèl et le Saint-Siège: Quelles incidences pour le Palestiniens et le statut de Jerusalem?, in: Monde arabe, Maghreb-Machrek, numéro spécial: La Palestine d’Oslo: les avatars d’une construction nationale, Nr. 161, juillet–septembre 1998, S. 116, 117 ff.; Deborah Perla, The Fundamental Agreement between the Holy See and Israel, ILR 33 (1994), 153 ff. 168 Lediglich der muslimischen, jüdischen und christlichen Gemeinde wurden Autonomierechte zugestanden, vgl. Art. 52–54 Palestine Order in Council 1922. 169 Kovetz HaTakanot 5717, 1280. 170 Vgl. Anm. 164. 171 Vgl. zum Status als Gemeinschaft auch Aharon Layish, Marriage, Divorce and Succession in the Druze Family, Leiden 1982, S. 1 f., sowie Firro (Anm. 11), S. 161–168.

C. Ergebnis

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C. Ergebnis Die Untersuchung des rechtlichen Status der arabischen Bevölkerung Israels ergibt damit folgende Einordnung: Nach Völkerrecht sind die Araber in Israel, einschließlich Beduinen und Drusen,172 als eine ethnisch-linguistische Minderheit zusammenzufassen, welche sich mehrheitlich, jedoch nicht geschlossen auch als nationale, palästinensische Minderheit versteht. Darüber hinaus besitzen die Mitglieder dieser Minderheit weitere Identitäten kultureller Natur, wie die Beduinen, und religiöser Natur, wie die Muslime, Christen und Drusen. Sie können sich je nach Zugehörigkeit damit neben dem Schutz ihrer ethnischen Identität auch auf ihre Rechte als religiöse Minderheit berufen.173 Wie bereits angedeutet, ist eine Kategorisierung insbesondere hinsichtlich der wichtigsten Aspekte der Bedrohung einer Minderheit vorzunehmen.174 In dieser Hinsicht wird noch zu zeigen sein, daß die ethnisch-nationale Identität der Araber in Israel weitaus größeren Problemen unterliegt als ihre religiösen Identitäten. Im israelischen Recht ist die arabische Bevölkerung als linguistische Minderheit implizit anerkannt sowie als muslimische, christliche und drusische Religionsgemeinschaften. Eine Anerkennung als ethnisch-nationale, arabisch-palästinensische Minderheit wird ihnen dagegen verwehrt. Die Beduinen werden weder als kulturelle Minderheit noch als indigenes Volk anerkannt, dagegen kreierte man für die religiöse Minderheit der Drusen sogar eine eigene Nationalität. Diese vom Völkerrecht abweichende Einordnung läßt sich überwiegend vor dem Hintergrund des Sicherheitsinteresses Israels erklären. Durch die Zersplitterung der Araber in kleine Minderheiten sind sie zum einen besser zu kontrollieren, zum anderen läßt sich ihre arabisch-palästinensische Identität, die für den jüdischen Staat als Bedrohung empfunden wird, besser neutralisieren.175 Im Gegensatz dazu konnte man die Drusen als Nation anerkennen, da Teile dieser Gruppe bereits während des Unabhängigkeitskrieges auf jüdischer Seite gekämpft hatten, und die Drusen bis auf wenige Verweigerer anschließend in den israelischen Verteidigungskräften dienten.176

172 Vgl. Reuven Paz, The Druze Identity and Integration, in: Jerusalem Center for Public Affairs/Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), (Anm. 143), S. 76 ff.; Rafi Israeli, in: ebd., S. 74 ff. (Hebräisch). 173 Vgl. Gilbert (Anm. 14),IJMGR 5 (1997), S. 97, 107. Scherer-Leydecker (Anm. 56), S. 308. 174 Siehe Kapitel 2, A. I. 4. 175 Lustick (Anm. 88), S. 82 ff. 176 Parsons, in: Schulze/Stokes/Campbell (Hrsg.), (Anm. 144), S. 144, 150–153; Firro (Anm. 11), S. 50–70.

Kapitel 3

Existenz- und Gleichheitsrechte Bevor die rechtliche Situation der arabischen Minderheit näher untersucht wird, ist es sinnvoll, einige Besonderheiten des israelischen Rechts- und Gesellschaftssystems zu erläutern.

A. Das israelische Rechts- und Gesellschaftssystem Israel ist eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung zwischen Regierung, Knesset und unabhängiger Justiz. Die Staatsbürger Israels bestimmen mittels Verhältniswahl die Zusammensetzung des Parlaments. Seit 1996 wird auch der Ministerpräsident direkt von den Bürgern gewählt.1 Israel ist politisch und rechtlich als demokratischer und jüdischer Staat definiert.2 Dieser Umstand führt zu sehr unterschiedlichen Ansichten hinsichtlich des demokratischen Charakters des Staates. Nach einer Ansicht ist Israel eine liberale Demokratie auf der Grundlage des Nationalstaats3, während eine andere Lehre Israel als ethnischen Staat mit formal demokratischen Verfahren betrachtet, der materiell das Demokratieprinzip der Souveränität des Staatsvolkes jedoch nicht verwirklicht.4 Überwiegend wird Israel als Archetyp „ethnische Demokratie“ eingeordnet, das heißt Souveränität des Staatsvolks mit bevorzugtem Status der jüdisch-ethnischen Mehrheit.5 Israel ist sowohl multinationaler Staat im Hinblick 1 Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 11–16. 2 Vgl. dazu: Declaration of the Establishment of the State of Israel, LSI 1 (1948), 3–5; Art. 1 A Basic Law: Human Dignity and Freedom, Sefer HaChukkim, Nr. 1391 des 20. Adar B. 5752 (25.03.1992), siehe http://www.mfa.gov.il v. 16.07.2000. 3 A. Pinkas, „Garrison Democracy: The Impact of the 1967 Occupation of Territories on Constitutional Democracy in Israel“, in: Edy Kaufmann/Shuri B. Abed/Robert L. Rothstein (Hrsg.), Democracy, Peace and the Israeli-Palestinian Conflict, Boulder 1993, S. 61 ff. 4 As’ad Ghanem/Nadim N. Rouhana/Oren Yiftachel, Questionning „Ethnic Democracy“: A Response to Sammy Smooha, Israel Studies 3/2 (1998), S. 253–267; Nadim Rouhana/ As’ad Ghanem, The Crisis of Minorities in Ethnic States: The Case of Palestinian Citizens in Israel, International Journal of Middle Eastern Studies 30 (1998), S. 321–346. 5 Sammy Smooha, „Ethnic Democracy: Israel as an Archetype“, Israel Studies 2/2 (1998), S. 198 ff.; Sarah Ozacky Lazar (Hrsg.), 7 Roads – Theoretical Options for the Status of the Arabs in Israel, Research Abstract, Givat Haviva 1999, S. 14.

A. Das israelische Rechts- und Gesellschaftssystem

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auf seine arabischen Bürger als auch ein polyethnischer Staat hinsichtlich seines Charakters als Einwanderungsland mit europäischen, orientalischen, äthiopischen und russischen Juden, welche aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen. I. Rechtsgeschichte und Rechtsquellen Das Rechtssystem Israels ist relativ schwer unter eines der gängigen Systeme einzuordnen. Es ist einerseits das Rechtssystem eines jungen Staates. Andererseits knüpft es an Traditionen des Jahrtausende alten mosaischen Rechts an, welches bei der Auslegung von Gesetzen herangezogen wird.6 So sieht Art. 46 des Foundations of Law Act vor, daß das Gericht Lücken im Gesetz, die sich nicht mit Analogien schließen lassen, im Lichte der aus Israels Erbe stammenden Prinzipien der „Freiheit, der Gerechtigkeit, der Gleichheit und des Friedens“ zu schließen hat.7 Ausgehend vom angelsächsischen Recht, welches während der britischen Mandatszeit in Palästina eingeführt wurde, übernahm Israel nach seiner Staatsgründung zunächst einen Teil des Mandatsrechts sowie das englische case law.8 Daran anknüpfend findet man im israelischen Recht das Prinzip des binding precedent, wodurch richterliche Entscheidungen zur bindenden Quelle des Rechts werden.9 Vor diesem Hintergrund hat sich in den letzten fünfzig Jahren ein israelisches Fallrecht entwickelt.10 Trotzdem gehört das israelische Rechtssystem nicht zur „Common-Law“-Familie, da es andererseits auch entscheidende Elemente des römisch-germanischen Rechts enthält. So sind während der Verabschiedung des geschriebenen Rechts kontinentale Rechtskonzepte wie beispielsweise Guter Glaube, Verbot des Rechtsmißbrauchs sowie Auslegung von Gesetzeslücken mittels der Analogie in das israelische Recht mit eingeflossen. Israelische Richter gehen bei ihren Entscheidungen auch eher nach der kontinentalen Subsumtionsmethode vor. Sie leiten ihre rechtlichen Schlußfolgerungen von allgemeinen Normen oder Prinzipien her, um sie dann in einem konkreten Fall in Rechte oder Pflichten umzusetzen11. Im englischen Recht wird dagegen eine abstrakte Norm erst von konkreten Entscheidungen abgeleitet. Ein weiterer Einfluß des kontinentalen Rechts läßt sich im Bereich

6

Siehe Alfredo Mordechai Rabello, European Legal Traditions and Israel: Essays on Legal History, Civil Law and Codification, European Law, Israeli Law, Jerusalem 1994. 7 Foundations of Law Act 1980. 8 Art. 11 der Law and Administration Ordinance 1948, LSI 1 (1948), 7–12. 9 Barak, The Tradition and Culture of the Israeli Legal System, Justice 13 (1997), S. 6, 7. 10 Zeev Segal, in: Amos Shapira/Keren C. Dewitt-Arar, Introduction to Israeli Law, The Hague 1995, S. 59. 11 Barak (Anm. 9), Justice 13 (1997), S. 6, 8.

86

Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

der Entwicklung der Basic Laws feststellen, die nach und nach zur Konstituierung einer Verfassung führen soll.12 Den größten Anteil an den Gesetzen hat das geschriebene Recht, welches neben seinem spezifischen Regelungscharakter auch als Quelle der Auslegung für andere Rechtsfragen dient.13 Damit kommt dem geschriebenen Recht Vorrang gegenüber den Prinzipien des Fallrechts zu. II. Gerichtssystem Der Gerichtsaufbau gleicht dem englischen Rechtssystem. Er ist pyramidenartig mit dem Supreme Court an der Spitze, welches in Israel zwei Funktionen erfüllt. Zum einen ist es Revisionsgericht (Supreme Court sitting as High Court of Civil or Criminal Appeal), zum anderen hat es die Funktion eines „Quasi-Verfassungsgerichts“ (High Court of Justice). Das Gerichtssystem in Israel läßt sich weiterhin grob in zwei Bereiche unterteilen. Es gibt allgemeine Gerichte, daneben existieren Tribunale mit eingeschränkter Zuständigkeit wie Militärgerichte14, Arbeitsgerichte15 und religiöse Gerichte16. Diese Tribunale sind für die Untersuchung von Minderheitenrechten von erheblicher Bedeutung. So unterstehen sie zwar der Aufsicht des Supreme Court, jedoch beschränkt sich dessen Kontrolle gerade bei den religiösen Gerichten auf eine Überprüfung deren Zuständigkeit, also auf Entscheidungen, die ultra vires Grundsätze verletzen könnten. 17 III. Verfassungsrecht Bis heute wurde in Israel keine Verfassung geschaffen. Obwohl die israelische Nationalversammlung 1948 in der Unabhängigkeitserklärung die Kodifizierung einer Verfassung durch eine vom Volk gewählte konstituierende Versammlung 12

David Kretzmer, Constitutional Law, in: Shapira/Dewitt-Arar (Anm. 10), S. 39, 57. Barak (Anm. 9), S. 6, 8. 14 Wurden etabliert durch das Military Justice Law, LSI 9 (1955), 184, und sind zuständig für Verfahren gegen Soldaten. Darüber hinaus haben die Militärgerichte Zuständigkeit unter Sec. 3 der Defence Emergency Regulations, welche beispielsweise von 1948 bis 1967 weite Bereiche des Lebens der arabischen Bevölkerung betrafen. 15 Labour Courts Law, LSI 23 (1969), 76. 16 Die Zuständigkeit der religiösen Gerichte für Angelegenheiten des Familienrechts ist in Art. 51 der Palestine Order in Council von 1922 geregelt, Drayton, Laws of Palestine III (1933–47), 2569. 17 Amos Shapira, Institutional Organisation, in: Shapira/Dewitt-Arar (Anm. 10), S. 31–35. 13

A. Das israelische Rechts- und Gesellschaftssystem

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proklamierte, kam diese aufgrund äußerer Umstände und innerer Widerstände von Seiten der Religiösen nicht zustande. Später wurde von der Knesset in der nach ihrem Urheber benannten Harari-Resolution festgelegt, daß Israels Verfassung graduell durch eine Serie von Basic Laws vom Verfassungs- und Rechtskomitee vorgeschlagen und durch die Knesset verabschiedet werden sollte.18 So wurden über die Jahre verschiedene Basic Laws geschaffen, bis 1992 jedoch kein Grundrechtskatalog. In Ermangelung einer solchen bill of rights erklärte das Supreme Court in einer Reihe von Urteilen bestimmte bürgerliche Rechte des einzelnen zu Rechtsprinzipien des israelischen Rechts, die bei der Interpretation von Gesetzen sowie der Ausübung verwaltungsrechtlichen Ermessens angewendet werden müssen.19 Eine Schwäche dieser Prinzipien bestand jedoch darin, daß sie die Knesset in ihrer Gesetzgebung nicht einschränken konnten.20 Auch die wenigen bereits verabschiedeten Basic Laws genossen bei einer Kollision mit anderen Knessetgesetzen grundsätzlich keinen Vorrang. Das Gericht hatte also keine Möglichkeit, einfache Knessetgesetze wegen einer materiellrechtlichen Verletzung von Basic Laws gerichtlich zu überprüfen.21 Lediglich das formell ordnungsgemäße Zustandekommen von Gesetzen konnte gerichtlich garantiert werden.22 Diese Gesetzeslage hat sich seit der Verabschiedung des Basic Law: Human Dignity and Freedom 199223 sowie des Basic Law: Freedom of Occupation 1992 und 199424 geändert, was das High Court of Justice in seiner richtungweisenden Entscheidung Misrahi Bank v. Migdal bestätigte. Seit dieser Entscheidung besteht die Rechtsauffassung, daß die Basic Laws Israels Verfassung bilden, daß die Knesset ermächtigt ist, diese zu konstituieren, und daß das Supreme Court Knesset-

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Yaffa Zilbershats, The Israeli Constitution after Mizrahi Bank v. Migdal (The Gal Amendment Decision), Justice 10 (1996), S. 22, 24–25. 19 HCJ, Kol Ha’am v. Minister of Interior, P.D. 7 I (1953) 871. 20 David Kretzmer, The New Basic Laws on Human Rights: A Mini Revolution in Israeli Constitutional Law?, in: Izhak Zamir/Allan Zysblat (Hrsg.), Public Law in Israel, Oxford 1996, S. 141, 143. 21 So weigerte sich das Gericht, Gesetze aufgrund eines Verstoßes gegen das Gleichheitsprinzip für nichtig zu erklären, vgl. Zilbershats (Anm. 18), Justice 10 (1996), S. 22, 24; zu den wenigen Ausnahmen, in denen das Supreme Court auch vor 1992 Knessetgesetze gerichtlich überprüfen konnte, siehe Kretzmer, in: Zamir/Zysblat (Hrsg.), (Anm. 20), S. 141, 146 f. 22 So erklärte das Gericht in der Vergangenheit Wahlgesetze für nichtig, wenn diese nicht gemäß den Vorschriften des Basic Law: The Knesset, http://www.mfa.gov.il Stand v. 16.07.2000, verabschiedet worden sind. 23 Basic Law: Human Dignity and Freedom (Anm. 2). 24 Basic Law: Freedom of Occupation 1992, Sefer HaChukkim, No. 1387 of 7th Adar B, 5752 (12. März 1992); 1994, Sefer HaChukkim No. 1454 of 27th Adar A, 5754 (10. März 1994).

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

gesetze, die mit Rechten der Basic Laws kollidieren, für nichtig erklären kann.25 Die Möglichkeit, Gesetze für nichtig zu erklären gilt gemäß Art. 10 des Basic Law: Human Dignity and Freedom 1992 jedoch nur für nach 1992 verabschiedete Gesetze und nicht für zum Zeitpunkt der Verabschiedung bereits bestehende.26 Insoweit wird die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung von Gesetzen und folglich die Funktion des Supreme Court als Beschützer der Grundrechte erheblich eingeschränkt. 27 Als Ausweg aus diesem Dilemma besteht aber immerhin die Möglichkeit, frühere Gesetze basic-law-konform auszulegen.28 Diese Methode ist jedoch, wie die gerichtliche Überprüfung von Knessetgesetzen an sich, höchst umstritten. Viele Juristen argumentieren für eine freiwillige Zurückhaltung des Supreme Court zugunsten der Knesset.29 Das Gericht vertritt in den Entscheidungen der letzten Jahre die Ansicht, daß ohne gerichtliche Überprüfung Menschenrechte nicht geschützt werden könnten und daher ein aktivistischer Ansatz, auch mittels basiclaw-konformer Auslegung, notwendig sei.30 Der Umstand, daß seit 1992 noch kein weiteres Basic Law verabschiedet wurde, obwohl verschiedenste Entwürfe31 existieren, zeigt, daß zumindest Teile der Knesset sich vehement gegen eine solche Beschränkung ihrer Macht wehren. Dieser Machtkampf zwischen Gericht und Knesset beziehungsweise zwischen Parlamentsgesetzen und Verfassung wird regelmäßig deutlich, wenn Gesetzesvorschläge eingebracht werden, die ausdrücklich auf die Umgehung von Supreme CourtUrteilen abzielen.32 25 HCJ, United Misrahi Bank Ltd. v. Migdal Cooperative Village, P.D. 49 IV (1995), 221; vgl. zur Darstellung der abweichenden Meinung Richter Cheshins, Zilbershats (Anm. 18), Justice 10 (1996), S. 22, 26 f. 26 Basic Law: Human Dignity and Freedom, Sefer HaChukkim, No. 1391 des 20. Adar B. 5752 (25.03.1992), siehe auch http://www.mfa.gov.il, Stand v. 16.07.2000. 27 In dieser Hinsicht wurde für das Basic Law: Freedom of Occupation 1992 und 1994 eine bessere Lösung gefunden. Dem Gesetzgeber wurde eine Übergangszeit zur Revision alter, nicht mit dem Gesetz zu vereinbarender, Gesetzgebung gewährt. Nach Art. 8 des Basic Law: Freedom of Occupation sind frühere Gesetze, die das Basic Law verletzen nur unter bestimmten Bedingungen und nur für einen Zeitraum von vier Jahren gültig. 28 Kretzmer, in: Zamir/Zysblat (Anm. 20), S. 141, 147; ders., Basic Laws as a Surrogate Bill of Rights: The Case of Israel, in: Philip Alston (Hrsg.), Promoting Human Rights through Bill of Rights: Comparative Perspectives, Oxford 1999, S. 74, 86. 29 Vgl. zu dieser Debatte, Ruth Gavison, The Role of Courts in Rifted Democracies, ILR 33 (1999), S. 216–258. 30 Aharon Barak, The Role of the Supreme Court in a Democracy, ILR 33 (1999), S. 1, 5. 31 Vgl. für die Basic-Law-Entwürfe zu den Kompetenzen der Judikative, der Meinungsfreiheit, der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie der Religionsfreiheit, Michael Mandel, Democracy and the New Constitutionalism in Israel, ILR 33 (1999), S. 259, 263. 32 So beispielweise der Gesetzesentwurf der National Religious Party als Reaktion auf das Klagemauerurteil des High Court of Justice. Danach sind Frauen, die an der Klagemauer laut beten mit sieben Jahren Gefängnis zu bestrafen, obwohl das Gericht ihnen in seiner

B. Das Recht auf Existenz

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B. Das Recht auf Existenz Das Recht auf Existenz der Gruppe ist wie die Gleichbehandlung und das Recht auf Wahrung der Identität eines der drei Grundprinzipien des Minderheitenschutzes. Das Existenzrecht bildet dabei das notwendige Fundament für den Minderheitenschutz.33 I. Völkerrechtliche Grundlagen Rechtliche Grundlage für den Schutz der Existenz der Minderheit ist die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes.34 Nach Art. II der Konvention bedeutet Völkermord die beabsichtigte teilweise oder ganze Zerstörung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe. Entgegen einigen Vorschlägen während der travaux préparatoires, auch den kulturellen Genozid einer Gruppe in die Konvention mit aufzunehmen35, beschränkt sich die Konvention auf den Schutz der physisch-biologischen Existenz der Gruppe.36 Die Zerstörung der kulturellen Existenz wurde vor allem aufgrund der Unbestimmtheit Entscheidung diese Praxis im Rahmen der Religionsfreiheit gewährte, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 22.05.2000. Ebenso wurde nach dem GSS-Methoden-Urteil, 5100/94, 4054/95, 6536/95, 5188/96, 563/97, 7628/97, 1043/99, welches „moderate physical pressure“ bei Verhören von Verdächtigen für unzulässig erklärte, ein Gesetzentwurf eingebracht, der gerade diese Methoden gestatten sollte. 33 John Packer, On the Content of Minority Rights, in: Juha Räikkä (Hrsg.), Do We Need Minority Rights?, The Hague/Boston/London 1996, S. 121, 151. 34 Vom 09.12.1948, BGBl. 1954 II, S. 730; UNTS 78, S. 277, Kitvei Amana 5, 67. 35 So beispielsweise die Draft Convention and Report of the Economic and Social Council, Report of the 6th Committee, 03.12.1948, UN Doc. A/760, 3; ausführlich zur Diskussion der Definition des Völkermords, Nehemiah Robinson, The Genocide Convention: A Commentary, New York 1960; Steven R. Ratner, Accountability for Human Rights Atrocities in International Law: Beyond the Nuremberg Legacy, Oxford 1997, 28 ff. 36 Eine beabsichtigte Zerstörung ist nach Art. II der Konvention gegeben bei: „(a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe; (b) Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe; (c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; (d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; (e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.“ Einige Autoren kritisieren diesen abschließenden Katalog für die Nichteinbeziehung von Deportationen und demographischen Veränderungen einer bestehenden Gegend, die nach ihrer Ansicht auch Völkermord darstellen können. Vgl. Felix Ermacora, The Protection of Minorities Before the United Nations, RdC 182 (1983), S. 247 ff., 314; P. N. Drost, The Crime of State, Book II, Genocide, Leiden 1959, S. 80 ff.; zu der Notwendigkeit einer umfassenderen Sanktion von Staatsverbrechen M. Cherif Bassiouni, Crimes against Humanity in International Law, 2nd rev. ed., The Hague/Boston/London 1999, S. 203 ff.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

dieses Konzepts nicht in den Vertrag einbezogen. Eine solche Ausweitung hätte die Bedeutung des Verbrechens des Völkermordes unerwünscht reduziert. Schließlich gelangte eine Mehrheit bei der Verabschiedung zu der Ansicht, daß die kulturelle Existenz einer Gruppe besser über die Menschenrechts- und Minderheiteninstrumente geschützt werden könne.37 Die Völkermordkonvention ist aus diesem Grund nur auf den physischen Erhalt der Gruppe gerichtet. Es besteht kein Zweifel, daß es sich gerade bei Minderheiten um schutzwürdige Gruppen handelt. Die Konvention gewährt diesen zwar nicht direkt ein Gruppenrecht, sondern sanktioniert vielmehr das Verbrechen an der Gruppe und verpflichtet die Staaten, Völkermord in ihren Rechtssystemen zu ächten und mit allen Mitteln zu verhindern. Daraus läßt sich im Umkehrschluß ableiten, daß Gruppen ein Recht auf physische Existenz geltend machen können. Es besteht ein echtes Gruppenrecht, welches auch Minderheiten zugute kommt.38 Das Verbot des Völkermords ist als kodifizierte Norm des Völkergewohnheitsrechts mit Ius-cogensCharakter anerkannt.39 II. Ausgestaltung in Israel Die physische Existenz der arabischen Minderheit ist in Israel zum einen durch das Basic Law: Human Dignity and Freedom 1992 geschützt, dessen Art. 2 proklamiert: „No injury may be caused to the life, person or dignity of a human being as a human being.“ Artikel 4 garantiert: „Every person has the right to protection of his life, his person and his dignity.“40

37 Theodor Veiter, Nationalitätenkonflikt und Volksgruppenrecht im ausgehenden 20. Jahrhundert – Entwicklungen, Rechtsprobleme, Schlußfolgerungen, 1. Aufl., 1977, S. 201 f.; Kay Hailbronner, The Legal Status of Population Groups in a Multinational State under Public International Law, in: Yoram Dinstein/Mala Tabory (Hrsg.), The Protection of Minorities and Human Rights, Dordrecht/Boston/London 1992, S. 117,137. 38 Vgl. für ein korrespondierendes Recht auf Existenz, Yoram Dinstein, Collective Human Rights of Peoples and Minorities, ICLQ 25 (1976), S. 102, 105, 120; Natan Lerner, From Protection of Minorities to Group Rights, IYHR 18 (1988), S. 101, 120; Delbrück, in: Jost Delbrück/Rüdiger Wolfrum, Völkerrecht, begründet von Georg Dahm, Bd. I/2, Der Staat und andere Völkerrechtssubjekte. Räume unter internationaler Verwaltung, 2. völlig neu überarbeitete Aufl., Berlin 2002, S. 290, der ein solches Recht aufgrund ungenügender Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung lediglich in statu nascendi versteht; ebenso Eibe Riedel, Gruppenrechte und kollektive Aspekte individueller Menschenrechte, BDGVR 33 (1993), S. 49, 79; ähnlich James Crawford, The Rights of Peoples: ‚Peoples‘ or ‚Governments‘?, in: ders. (Hrsg.), The Rights of Peoples, Oxford 1988, S. 55, 59 f. 39 Advisory Opinon des IGH Concerning Reservations to the Genocide Convention, ICJReports 1951, S. 4, 24 f.; IGH, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Judgement, ICJ-Reports 1970, S. 3, 32; Marjorie M. Whiteman, Jus Cogens in International Law, Ga J.Int.& Comp.L. 7 (1977), S. 609, 612. 40 Basic Law: Human Dignity and Freedom (Anm. 2).

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Damit kommt dem Staat eine Pflicht zu, das Leben der Angehörigen von Minderheiten entsprechend zu schützen. Vor der Verabschiedung des Basic Law beruhte das Recht auf Leben auf den vom Supreme Court angewandten Rechtsprinzipien.41 Auf individualrechtlicher Ebene ist die Tötung eines Menschen strafrechtlich in Sec. 298 ff. des Penal Law sanktioniert.42 Völkermord ist gesondert im Crime of Genocide Prevention and Punishment Law 195043 sowie im Nazi and Nazi Collaborators Punishment Law 1950 sanktioniert und als allgemeines Prinzip Bestandteil des israelischen Fallrechts.44 Das Existenzrecht der arabischen Minderheit als Gruppe ist damit nach israelischem Recht geschützt.45

C. Das Recht auf Gleichbehandlung Die zweite Säule des Minderheitenschutzes ist das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung. Da sich das Prinzip der Gleichheit durch alle völkerrechtlichen Instrumente wie ein roter Faden hindurchzieht, und gerade Angehörige von Minderheitengruppen häufig zu Opfern ungleicher, diskriminierender Behandlung werden, ist das Gleichheitsprinzip conditio sine qua non für den Schutz von Minderheiten.46 I. Völkerrechtliche Grundlagen In diesem Abschnitt sind zunächst die völkerrechtlichen Instrumente des Rechts auf Gleichbehandlung darzustellen. Dabei ist zu analysieren, wer Rechtsträger ist, welche Grundintention die völkerrechtlichen Instrumente gegen Diskriminierung verfolgen, und welche Stellung sie im Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen einnehmen. 41

HCJ, Kol Ha’am v. Minister of Interior, P.D. 7 I (1953), 871. Aryeh Greenfield, Ad Verbum Translation in English, Part II, S. 93 ff., Stand: August 1999. 43 Die Definition entspricht der Völkermordkonvention, LSI 4 (1950), 101. 44 Nazi and Nazi Collaborators Punishment Law, 1950, LSI 4 (1950), 154; dies bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Verbrechen der Nazis. Vgl. auch District Court of Jerusalem, Adolf Eichman, Criminal Case No. 40/61, Rn. 4 ff. (offizielle englische Übersetzung); Demanjuk v. State of Israel, P.D. 47 IV (1993), 485. 45 Eine andere Frage ist, ob das Recht auf Leben und Gesundheit der einzelnen Mitglieder in gleicher, nicht diskriminierender Weise durch den israelischen Staat geachtet und geschützt werden. Vgl. dazu die Ausführungen zur Gleichheit in Kapitel 3, C. II. 2. 46 Delbrück (Anm. 38), S. 290 f. 42

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

Anschließend sind die genauen Rechtsinhalte und Umfang der Rechts- und Schutzvorschriften zu untersuchen, um im nächsten Abschnitt die Umsetzung dieser Rechte im israelischen Rechtssystem beurteilen zu können. 1. Rechtsquellen Das Gleichheitsprinzip wurde während der Aufklärung in der Erkenntnis entwikkelt, daß alle Menschen von Natur aus frei und gleich sind, und daß die Freiheit jedes Menschen ohne Gleichbehandlung nicht zu verwirklichen ist.47 Während zur Zeit der französischen Revolution vor allem die Gleichheit vor dem Gesetz postuliert wurde, erhielt die Gleichheit durch das Gesetz 1868 Rechtscharakter in der Verfassung der Vereinigten Staaten. Im 20. Jahrhundert wurde schließlich auch der Schutz vor Diskriminierung in das Prinzip der Gleichheit integriert.48 Auf internationaler Ebene fand das Gleichheitsprinzip ausdrücklich seinen Niederschlag in den Art. 1 Abs. 3 und 55 lit. c der Charta der Vereinten Nationen49 sowie in den Art. 1 und 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die stark an die Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte erinnert: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Recht geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“50

Vor dem Hintergrund der Verbrechen der Nationalsozialisten machten die Vereinten Nationen von Anfang an den Schutz vor Diskriminierung zu einer ihrer dringendsten Aufgaben. Dabei spielte die Unterkommission zur Verhütung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten eine entscheidende Rolle. Sie erstellte seit ihrer Etablierung eine Reihe von Studien im Bereich der Rassendiskriminierung, Diskriminierung aufgrund von Religion, Sprache, Geschlecht und politischer Gesinnung.51 Das erste völkerrechtliche Instrument, welches sich maßgeblich mit dem Gleichheitsprinzip beschäftigt, ist die 1958 von der International Labour Organisation (ILO) verabschiedete Convention No. 111 Concerning Discrimination in Respect of Employment and Occupation52. Ihr folgte 1960 die UNESCO Convention 47 Immanuel Kant, The Moral Law: Kant’s Groundwork of the Methaphysic of Morals, in: H. J. Paton (Hrsg.), 3. Aufl., London 1956, §§ B–C. 48 Vgl. Manfred Nowak, The UN Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR-Commentary, Kehl/Straßburg/Arlington 1989, Art. 27, Rn. 1–5. 49 Vom 26.06.1945, United Nations Conference on International Organization Documents, Bd. XV (1945), 355. 50 Resolution 217 (III) v. 10.12.1948, General Assembly, Official Records, third Session (part I) Resolutions (Doc. A/810), 71. 51 ST/HR/2/Rev.2, 354 ff. 52 Vom 25.06.1958, in Kraft: 15.06.1960, UNTS 362, 31; von Israel ratifiziert am 12.01.1959, Kitvei Amana 10, No. 288, S. 27.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Against Discrimination in Education53, welche sich auch mit den Bildungsrechten von nationalen Minderheiten befaßt. Diesen speziellen Konventionen folgte 1963 schließlich eine allgemeine Deklaration der Generalversammlung on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination,54 deren Geist sich schließlich 1965 in der International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination (CERD)55 verfestigte. Diese Konvention fand wie keine andere die Unterstützung der Staaten der Weltgemeinschaft.56 Ihr Sinn und Zweck ist es, rassische Diskriminierung aufgrund von Kolonialismus und Apartheid zu verurteilen und die Vertragsstaaten zu verpflichten, jede Art von Diskriminierung zu unterlassen sowie den einzelnen vor dieser zu schützen. Durch die Ächtung jeglicher Rassentrennung in Art. 3 ff. sowie der ausdrücklichen Förderung multikultureller Organisationen und Bewegungen in Art. 2 Abs. 2 wird klar, daß der dogmatische Ansatz der CERD auf die Integration der verschiedenen Gruppen, also auch der Minderheiten gerichtet ist.57 Diese kann nur erreicht werden, wenn der einzelne nicht nur de iure Gleichbehandlung genießt, sondern auch gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. c de facto gleichbehandelt wird. Dabei ist eine erzwungene Assimilierung zu vermeiden.58 Die Prinzipien dieser Konvention wurden nicht zuletzt 1966 im International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR)59 sowie im International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR)60 bestätigt. Im ICCPR ist das Gleichheitsprinzip zum einen als akzessorisches Recht für den diskriminierungsfreien Genuß aller Rechte der Konvention in Art. 2 Abs. 1 niedergelegt. Des weiteren wurde in Art. 26 ICCPR eine eigenständige Norm geschaffen, die eine umfassende Ausgestaltung des Rechts auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung zum Inhalt hat.61 Diese ist für den Minderheitenschutz ebenso wie die Bestimmungen der CERD von zentraler Bedeutung. Während Art. 26 ICCPR dem einzelnen das Recht auf Gleichheit gewährt, ist die CERD auf der Grundlage von Staatenverpflichtungen, nicht von Einzelrechten, konzipiert. Nach Verabschiedung 53

Vom 22.05.1962, 429 UNTS, 93. GA Res. 1904 (XVIII) v. 20.11.1963, 1261st plenary meeting. 55 GA Res. 34/180 v. 18.12.1979, UN Doc. A/34/46. 56 Natan Lerner, The U.N. Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination, 2. Aufl., Alphen aan den Rijn 1980, S. 33; Patrick Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, Oxford 1991, S. 259. 57 Verschiedene Staatenberichte, die dies betonen, UN Doc. A/37/18, A/32/18. 58 Vgl. dazu die Interpretation der Konvention durch das Committee on the Elimination of Racial Discrimination insbesondere hinsichtlich der Verleugnung der Existenz unterschiedlicher Gruppen durch einige Staaten, UN Doc. A/36/18, para. 251; CERD/C/66/ Add.28; UN Doc. A/31/18, para. 126. 59 BGBl. 1973 II, S. 1534. 60 BGBl. 1973 II, S. 1570. 61 Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 48), Art. 26, Rn. 12 f. 54

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

der beiden Menschenrechtspakte wurden 1973 die International Convention on the Suppression and Punishment of the Crime of Apartheid62, 1979 die Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW)63 und 1981 die Declaration on the Elimination of All Forms of Religious Intolerance and Belief64 verabschiedet, welche ebenfalls Gleichheitsrechte enthalten, die gerade für Minderheiten bedeutend sind. Auch in der Minderheitendeklaration von 1992 wird die Ausübung bestimmter Rechte sowie staatlicher Verpflichtungen an das Prinzip der Nichtdiskriminierung geknüpft.65 Mittlerweile wird das Recht auf Gleichbehandlung als völkergewohnheitsrechtliche Norm beziehungsweise als Recht mit universaler Geltung angesehen.66 Die Rechte auf Freiheit von Apartheid und Rassendiskriminierung werden sogar als Ius-cogens-Normen betrachtet, die Erga-omnes-Wirkung entfalten.67 2. Rechtsinhalt Das Recht des einzelnen auf Gleichbehandlung, insbesondere in seiner umfassenden Ausgestaltung in Art. 26 ICCPR, enthält verschiedene Aspekte: „All persons are equal before the law and are entitled without any discrimination to the equal protection of the law. In this respect the law shall prohibit any discrimination and guarantee to all persons equal and effective protection against discrimination on any ground such as race, colour, sex, language, religion, political or other opinion, national or social origin, property, birth or other status.“

Die Gleichbehandlung ist zwar als einheitliches Konzept zu verstehen. Nichtsdestotrotz bietet es sich aus praktischen Erwägungen an, dieses sehr umfassende und viele Bereiche des Lebens abdeckende Prinzip je nach Schutzrichtung zu analysieren. Insbesondere eine Auslegung des Art. 26 ICCPR anhand des Wortlauts, der Systematik und des Zwecks unterstützt eine solche Einteilung.68 Es liegt 62

Conv. No. 3068 v. 30.11.1973, 2185th plenary meeting. Vom 18.12.1979, GA Res. 34/180. 64 GA Res. 36/55 v. 25.11.1981, UN GAOR, 36th Sess., Suppl. No. 51, UN Doc. A/36/51 (1981); ILM 21 (1982), S. 205. 65 Siehe Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 5, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 8 Abs. 3. 66 Vgl. B. G. Ramcharan, Equality and Nondiscrimination, in: Louis Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights: The Covenant on Civil and Political Rights, Boston 1981, S. 246, 249; Ian Brownlie, Principles of Public International Law, 5.Aufl., Oxford 1998, S. 602 f. m. w. Nw. 67 So der IGH in Barcelona Traction, Lights and Power Company, Limited, Judgement, ICJ-Reports 1970, S. 3, 32; vgl. auch Ermacora (Anm. 36), S. 247, 308 f. 68 Siehe dazu ausführlich Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 48), Art. 26, Rn. 14 ff.; Ermacora (Anm. 36), RdC 182 (1983), S. 247, 306; Johannes Niewerth, Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten im Völkerrecht, Berlin, 1997, S. 118 f.; a. A. Christian Tomuschat, Equality and Non-Discrimination under the International Covenant on Civil 63

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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daher nahe, drei Bereiche zu unterscheiden: das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf Gleichbehandlung durch das Gesetz sowie den Schutz vor Diskriminierung.69 Dabei ist die Gleichheit vor dem Gesetz als Auftrag an Exekutive und Judikative zu verstehen, das Recht auf alle Rechtssubjekte in gleicher Weise anzuwenden und keine willkürliche Rechtsdurchsetzung zu betreiben. Es gilt also das Prinzip, gleiche Sachverhalte gleich und ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln, es sei denn, es liegt ein vernünftiger Grund vor, der Unterscheidung, Ausschluß oder Bevorzugung rechtfertigen könnte. Problematisch ist der Nachweis, daß eine Behörde oder ein Gericht aufgrund sachfremder, unvernünftiger Kriterien entschieden hat, da diese Institutionen üblicherweise kaum sachfremde, subjektive Kriterien ausdrücklich in ihren Begründungen erwähnen werden.70 Das Recht auf Gleichheit durch das Gesetz ist der Auftrag an die Legislative, materielle Gleichheit in der Gesetzgebung zu gewährleisten. Das entspricht dem Verbot der Diskriminierung. Dabei bleibt zu klären, wann eine solche Diskriminierung vorliegt, und ob diese unter bestimmten Umständen als gerechtfertigt gelten kann. Art. 26 ICCPR bietet keine Definition der Diskriminierung. Sie läßt sich aber unter Zuhilfenahme von Art. 1 Abs. 1 CERD herleiten, der rassische Diskriminierung wie folgt bestimmt: „… any distinction, exclusion, restriction or preference based on race, colour, descent, national or ethnic origin which has the purpose or effect of nullifying or impairing the and Political Rights, in: Ingo v. Münch (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, FS für Hans-Jürgen Schlochauer, Berlin/New York 1981, S. 691–716, 705, der das Recht auf Gleichheit durch das Gesetz als Unterform des Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz begreift. 69 Auch die Konstruktion der Staatenverpflichtungen in Art. 2 Abs. 1 der CERD lassen eine solche Einteilung zu. Artikel 2 Abs. 1 lit. a und b enthalten Staatenverpflichtungen, welche mit der Gleichheit vor dem Gesetz korrespondieren: „(a) Each State Party undertakes to engage in no act or practice of racial discrimination against persons, groups of persons or institutions and to ensure that all public authorities and public institutions, national or local, shall act in conformity with this obligation. (b) Each State Party undertakes not to sponsor, defend or support racial discrimination by any persons or organisations.“ In Art. 2 Abs. 1 lit. c ist die Gleichheit durch das Gesetz festgeschrieben: „(c) Each State Party shall take effective measures to review governmental, national and local policies, and to amend, rescind or nullify any laws and regulations which have the effect of creating or perpetuating racial discrimination wherever it exists“. In Art. 2 Abs. 1 lit. d findet sich schließlich eine Verpflichtung zum Schutz vor Diskriminierung: „(d) Each State Party shall prohibit and bring to an end, by all appropriate means, including legislation as required by circumstances, racial discrimination by any persons, group or organisations“. Insofern gleichen sich Art. 26 ICCPR und Art. 2 Abs. 1 CERD. In der CERD ist jedoch die De-facto-Gleichheit als Schutzgut ausdrücklich genannt. 70 Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 48), Art. 26, Rn. 15.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte recognition, enjoyment or exercise, on an equal footing, of human rights and fundamental freedoms in the political, economic, social, cultural or any other field of public life.“71

Aus dieser Definition ist erkennbar, daß nicht jede Ungleichbehandlung das Gleichheitsprinzip verletzt. Eine Ungleichbehandlung ist vielmehr erst dann willkürlich, wenn sie aufgrund rassischer, ethnischer oder ähnlicher Unterschiede vorgenommen wird. Die Definition in der CERD ist dabei auf Kriterien wie Hautfarbe, Rasse, nationale Herkunft und ähnliches beschränkt. Art. 26 ICCPR ist hingegen weit und nicht abschließend formuliert. Damit werden auch Unterscheidungen aufgrund sachfremder Kriterien mit eingeschlossen, wie beispielsweise Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts, der politischen Meinung und der sozialen Stellung. Diese Deutung des Tatbestands der Diskriminierung wird auch durch die Entscheidung des Menschenrechtsausschusses in den Fällen Broeks und Zwaan-de Vries bestätigt.72 Der Ausschuß stellte in genannten Fällen eine Verletzung von Art. 26 ICCPR fest. Das Recht auf Gleichbehandlung durch das Gesetz verbiete jegliche rechtliche oder praktische Diskriminierung in allen durch die öffentliche Gewalt geregelten Bereichen. Trotzdem sei deshalb nicht jede ungleiche Behandlung diskriminierend. Vielmehr sei eine Unterscheidung aufgrund vernünftiger, objektiver Kriterien nicht als Verletzung des Diskriminierungsverbots i. S. des Art. 26 anzusehen.73 Das Recht auf Gleichheit durch das Gesetz (Diskriminierungsverbot) hat damit einen positiven und einen negativen Charakter. Es ist zum einen Abwehrrecht gegen diskriminierende Gesetze, zum anderen gewährt es dem einzelnen einen Anspruch, daß der Staat Gesetze erläßt, die sich nicht diskriminierend auswirken.74 Das Recht auf Schutz vor Diskriminierung75 bezieht sich hingegen zum einen auf die horizontale Ebene von Bürger zu Bürger und gewährt dem einzelnen einen Anspruch gegen den Staat, Diskriminierung durch Private zu verhindern. Dabei ist 71 Ähnliche Ansätze finden sich in der ILO Convention No. 111 Concerning Discrimination in Respect of Employment and Occupation, welche Diskriminierung beschreibt als „distinction, exclusion or preference“ aufgrund von „race, colour … national extraction … which has the effect of nullifying or impairing equality of opportunity or treatment in employment or occupation“, sowie in der UNESCO Convention Against Discrimination in Education, die Diskriminierung definiert als: „distinction, exclusion, limitation or preference“ basierend auf „race … colour, national origin … birth.“ 72 In diesen Fällen ging es um den Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld. Dabei sah die niederländische Gesetzgebung vor, daß verheiratete Frauen Arbeitslosengeld nur erhalten, wenn sie nachweisen konnten, daß sie „Brotverdiener“ waren, während verheiratete Männer diesen Nachweis nicht erbringen mußten. 73 Broeks, No. 172/1984, Zwaan-de Vries 182/1984, Zwart&Heringa, NJCM-bull. 377 (1987), 405, 480; 98 (1988); zur Definition in den europäischen Instrumenten Packer, in: Räikkä (Anm. 33), S. 120, 150. 74 Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 48), Art. 26, Rn. 17. 75 Art. 26 ICCPR: „in this respect, the law … and guarentee to all persons equal and effective protection against discrimination on any ground …“.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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zu berücksichtigen, in welchen Fällen diese staatliche Schutzpflicht nicht zum Tragen kommt.76 So kann der Staat einer Privatperson nicht vorschreiben, daß sie in ihrem engen, privaten Umfeld nicht diskriminieren darf, beispielsweise bei der Einladung zu einer privaten Veranstaltung. Handelt es sich jedoch um private Tätigkeiten mit einem Öffentlichkeitsbezug, ist der Staat verpflichtet, in diesen Bereichen Diskriminierung effektiv, das bedeutet wenn nötig auch durch Gesetze und Verordnungen etc. zu unterbinden. Dies gilt etwa für Schulen, Arbeitsplätze, Krankenhäuser, öffentliche Parks und Schwimmbäder, Verkehrsmittel oder Restaurants.77 Zum anderen ergibt eine Auslegung des Art. 26 ICCPR, daß der Schutz vor Diskriminierung auch einen Anspruch auf substantielle Gleichheit des einzelnen enthält.78 Um diese De-facto-Gleichheit im Unterschied zur formalen De-iureGleichheit zu garantieren, können Ansprüche auf positive Diskriminierung bestehen, solange diese Förderung nur bis zur Herstellung der De-facto-Gleichheit andauert.79 Die genaue Implementierung liegt im Ermessen des Staates, solange er effektive Maßnahmen ergreift.80 Schließlich fragt sich, ob Art. 26 ICCPR nur dem Individuum einen Anspruch auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung zugesteht oder auch Gruppen.

76 Der ICCPR enthält bereits in anderen Artikeln einige spezielle Vorschriften hinsichtlich horizontaler Diskriminierung. Vgl. Art. 20 Abs. 2 zum Aufruf zu nationalem, rassistischem oder religiösem Haß; Art. 3 und 23 Abs. 4 zur Gleichheit der Geschlechter; Art. 24 Abs. 1 zum Diskriminierungsschutz für Kinder. 77 Dies wird auch durch die Praxis des Menschenrechtsausschusses bestätigt, der im Rahmen des Staatenberichtsverfahrens regelmäßig Informationen über staatliche Maßnahmen gegen horizontale Diskriminierung einfordert. Vgl. Ramcharan, in: Henkin (Anm. 66), S. 248, 261 ff.; Tomuschat, in: FS Schlochauer (Anm. 68), S. 691, 710 f.; Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 48), Art. 26, Rn. 31. 78 Dieser Auffassung war schon der StIGH im Fall der Minority Schools in Albania: „… there must be equality in fact as well as ostensible legal equality in the sense of the absence of discrimination in the words of the law …. Equality in law precludes discrimination of any kind, whereas equality in fact may involve the necessity of different treatment in order to attain a result which establishes an equilibrium between different situations.“ Series A/B No. 64 (1935), 4, 19; so auch Packer, in: Räikkä (Anm. 33), S. 121, 150; im Hinblick auf die Staatenverplichtung zu Förderungsmaßnahmen, Natan Lerner, The U.N. Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination, 2. Aufl., Alphen aan den Rijn 1980, S. 39. 79 Vgl. dazu die Interpretation des Menschenrechtsausschusses sowie des Vertreters Schwedens, Report of the Human Rights Committee, GAOR, 34th Sess. Suppl. No. 40, para. 325; die Stellungnahme des Menschenrechtsausschuß im Stella Costa Fall, No. 198/1985; Thornberry (Anm. 56), S. 284 f.; generell zu den positiven Rechten des Art. 26 ICCPR Niewerth (Anm. 68), S. 118 ff.; vgl. zur „affirmative action“ auch Art. 1 Abs. 4 CERD sowie die Erläuterungen von Lerner, 1980 (Anm. 78), S. 32 ff., sowie Art. 4 CEDAW, BGBL. 1985 II, S. 648; GAOR, 34th Sess., Resolutions, S. 194. 80 Vgl. Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 48), Art. 26, Rn. 28 u. 29.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

Im Gegensatz zur Staatenverpflichtung des Art. 2 Abs. 1 CERD „… no acts of racial discrimination against persons, groups of persons or institutions“81, bezieht sich Art. 26 ICCPR tatsächlich nur auf den einzelnen.82 Damit ist klar, daß auch eine Minderheit bis jetzt noch kein Gruppenrecht auf Gleichbehandlung besitzt, sondern nur ihre Mitglieder als Individuen.83 II. Rechtliche Ausgestaltung in Israel Nachdem festgestellt wurde, daß das völkerrechtliche Prinzip der Gleichheit trotz seiner Konzeption als Individualrecht eine wesentliche Grundlage des Minderheitenschutzes darstellt, ist im folgenden das israelische Rechtssystem auf die Ausgestaltung dieses Rechts hin zu untersuchen. Wegen des Umfangs des Themas werden nur einige wesentliche Gesichtspunkte der Gleichheit diskutiert, um die Einstellung der Staatsgewalten gegenüber den arabischen Bürgern zu verdeutlichen. 1. Gleichheit durch das Gesetz Israel versteht sich gleichermaßen als Demokratie und Staat des jüdischen Volkes. Um die Auswirkungen dieses Spannungsverhältnisses auf die Gleichbehandlung der arabischen Bürger beurteilen zu können, bietet es sich an, zunächst die rechtlichen Grundlagen des Rechts auf Gleichheit durch das Gesetz zu untersuchen. a) Unabhängigkeitserklärung Die Gleichheit aller Staatsbürger, somit auch der arabischen, könnte zum einen durch die Unabhängigkeitserklärung vom 14. Mai 1948 gewährleistet sein. In ihr wird „The Establishment of a Jewish State in Eretz-Israel, to be known as the State of Israel“ erklärt und im weiteren versichert, daß „The State of Israel will be open for Jewish immigration and for the Ingathering of the Exiles; it will foster the development of the country for the benefit of all its inhabitants; 81

Vgl. Thornberry (Anm. 56), S. 268. Vgl. Delbrück (Anm. 38), S. 291; Niewerth (Anm. 68), S. 69. 83 So auch Art. 4 des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten v. 01.02.1995, BGBl. 1997 II, S. 1408. Verschiedene Autoren schlagen jedoch ein kollektives Recht auf Nichtdiskriminierung vor, vgl. Natan Lerner, Group Rights and Discrimination in International Law, Dordrecht/Boston/London, 1991, S. 35; zum kollektiven Aspekt des Rechts auf Gleichbehandlung in Verbindung mit dem Schutz der Identität siehe Kapitel 4. 82

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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it will be based on freedom, justice and peace as it is envisaged by the prophets of Israel, it will ensure complete equality of social and political rights of all its inhabitants irrespective of religion, race or sex …“.84 Der Rechtscharakter der Unabhängigkeitserklärung Israels ist jedoch nicht einfach zu beurteilen. Klarheit besteht dahingehend, daß es sich nicht um Israels Verfassung handelt, da eine solche von der konstituierenden Versammlung geschaffen werden sollte, was jedoch wie bereits erläutert nicht geschah.85 Von den Gerichten Israels wurde mehrfach bestätigt, daß die Unabhängigkeitserklärung zwar keine unmittelbaren Rechte verleiht, aber aufgrund ihres Charakters einer Staatszielbestimmung als Mittel zur Auslegung herangezogen werden kann.86 In seinem Gutachten betreffend einer rassistischen Koalitionsvereinbarung verschiedener Parteien des Stadtrats von Kiriyat Arba87 bestätigte der ehemalige Generalstaatsanwalt Yitzhak Zamir unter Bezugnahme auf die Unabhängigkeitserklärung und verschiedene Urteile des Supreme Court, daß das Gleichheitsprinzip in Israel eine tief verwurzelte, bindende Norm darstellt.88 Problem des Prinzipiencharakters der Gleichheit ist jedoch, daß sie die Knesset hinsichtlich ihrer Gesetzgebung nicht einschränken kann. So ist die Verwaltung bei der Ausübung ihres Ermessens zwar formal an die gleiche Anwendung der Gesetze gebunden und ihr Verwaltungshandeln kann auch gerichtlich überprüft werden. Wenn die Knesset dennoch Gesetze verabschiedet, die ausdrücklich gegen das Gleichheitsprinzip verstoßen, kann das Supreme Court diese aber nicht aufgrund des Gleichheitsprinzips der Unabhängigkeitserklärung für nichtig erklären. Damit garantiert das Gleichheitsprinzip der Unabhängigkeitserklärung im besten Fall Gleichbehandlung vor dem Gesetz, jedoch nicht durch das Gesetz. Ein weiteres Dilemma des Gleichheitsprinzips der Unabhängigkeitserklärung besteht in der Definition Israels als jüdischer Staat, dessen Zielsetzung unter anderem im „Ingathering of the Exiles“ besteht. Diese Formulierung wirft die Frage auf, 84

3 ff. 85

Declaration of the Establishment of the State of Israel v. 14. Mai 1948, LSI 1 (1948),

Vgl. Kapitel 3, A. III. Vgl. Kol Ha’am v. The Minister of Interior P.D. 7 I (1953), 871. 87 Die Vereinbarung sah vor, alle arabischen Arbeiter der Stadt zu entlassen und auch private Firmen dazu anzuhalten, keine Araber mehr zu beschäftigen. Die Koalitionsvereinbarungen sind zitiert bei Mala Tabory, Legislation Against Incitement to Racism in Israel, IYHR 17(1987), S. 270, 288 f. 88 Dazu stellte Zamir in seinem Gutachten vom 30.07.1985 fest: „Particularly grave is discrimination on grounds of race or national origin (leum) when it involves a strong moral element, especially in the case of the Jewish people, the victim of so much persecution.“ Zitiert bei Natan Lerner, Israel’s International Obligations Concerning Minorities and Discrimination, in: Conference Papers, Journal of the International Center for Peace in the Middle East, Tel Aviv 1987, S. 4, 8. 86

100

Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

was genau unter „jüdischem Staat“ zu verstehen ist, und inwieweit ein solcher Staat mit dem Prinzip der Gleichheit seiner Bürger zu vereinbaren ist. Die Definition des Begriffs „jüdischer Staat“, welcher äquivalent mit dem Begriff „Staat des jüdischen Volkes“ verwendet wird, ist höchst kontrovers. Die Auffassungen reichen von einem theokratischen Staat auf der Grundlage halachischen Gesetzes bis hin zu einem säkularen Staat, der in seiner Mehrheit jüdisch ist und Juden lediglich bevorzugte Einwanderung gewährt89. Eine Auslegung anhand des Wortlauts und der Systematik der Unabhängigkeitserklärung läßt keine eindeutigen Schlüsse auf den Charakter des Staates zu. Auf der einen Seite wird ‚Eretz-Israel‘ zur Geburtsstätte des jüdischen Volkes erklärt, in der seine geistige, religiöse und politische Identität geformt und die Bibel der Welt offenbart wurde. Dies könnte für einen eher religiösen, exklusiven Charakter des Staates sprechen. Auf der anderen Seite bezieht sich die Verkündung eines Jüdischen Staates auf die Teilungsresolution der Vereinten Nationen vom 29. November 1947 „calling for the establishment of a Jewish State in Eretz-Israel“. Die Vereinten Nationen forderten in ihrer Resolution die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat mit einem speziellen Regime für Jerusalem.90 Die Formulierung enthielt dagegen keinen Hinweis auf den ethnischen oder religiösen Charakter dieser Staaten, abgesehen davon, daß sie mehrheitlich aus jüdischer beziehungsweise arabischer Bevölkerung bestehen sollten.91 Wie Uri Avnery zutreffend feststellt, ließe sich bei letztgenannter Interpretation die Gleichheit der Staatsbürger mit dem jüdischen Charakter Israels durchaus vereinbaren.92 Tatsächlich ist die mehrheitliche Auffassung im Hinblick auf den jüdischen Charakter weit von dieser minimalistischen Interpretation entfernt. Sie hat sich über die Jahrzehnte zu einer exklusiven Auslegung des jüdischen Charakters, als Staat für seine jüdischen Bürger allein, entwickelt.93

89 Ben Shalom v. Central Election Committee, P.D. 43 IV (1988), 221 ff., für die englische Übersetzung siehe ILR 25 (1991), S. 219 ff. 90 Part I A.3., UN GA Res. 181 (II) on the Future Government in Palestine v. 29.11.1947, GAOR, 2nd Sess. 1947, S. 131–151. 91 Vgl. Uri Avneri, Israel’s Declaration of Independence: Squaring the Circle, PalestineIsrael Journal 5/2 (1998), S. 48, 51. 92 Auch die Entstehungsgeschichte spricht für eine solche minimalistische Auslegung, da die Gründungsväter Israels sehr säkular eingestellt waren, ebda, S. 50 f. 93 Vgl. für die Ansicht, daß das jüdische Recht Demokratieprinzipien und Minderheitenrechte bereits enthält, Menachem Elon, The Values of a Jewish and Democratic State: The Task of Reaching a Synthesis, in: Alfred E. Kellermann/Kurt Siehr/Talia Einhorn (Hrsg.), Israel Among the Nations: International and Comparative Perspectives on Israel’s 50th Anniversary, The Hague 1999, S. 177–226; für die Unvereinbarkeit Nadim N. Rouhana, Palestinian Citizens in an Ethnic Jewish State: Identities in Conflict, New Haven, London, 1997, S. 29 ff.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

101

Diese Spannung zwischen Gleichheit und jüdischem Charakter ist auch gerade im Rechtssystem feststellbar, wie noch zu zeigen sein wird. Nichtsdestotrotz beharrt der „liberale“ Teil der Rechtsprechung darauf, daß beide Prinzipien miteinander vereinbar seien. So wird argumentiert, daß das Prinzip der Gleichheit unter anderem auch aus dem jüdischen Charakter des Staates fließe, da die Gleichheit eine Grundnorm des halachischen Gesetzes sei, dessen Werte zumindest als Auslegungsmethoden für das israelische Recht anerkannt seien.94 So stellte Richter Shamgar in seiner Entscheidung Neiman v. Chairman of the Central Election Committee fest: „The Existence of the State of Israel as the state of the Jewish people does not deny its democratic nature, just as the Frenchness of France does not deny its democratic nature.“95

Im Gegensatz zu Israel ist es jedoch für einen Araber in Frankreich möglich, zur „Nation“ zu gehören, obwohl er Muslim, Christ oder Atheist ist. In Israel könnte er nur dann zur Nation gehören, wenn er zum Judentum konvertiert und dies auch anerkannt würde. Auf diese Weise wird die volle Mitgliedschaft eines arabischen Bürgers im souveränen Staatsvolk vereitelt. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß das Recht auf Gleichheit durch das Gesetz nicht mittels der Unabhängigkeitserklärung garantiert werden kann. Aufgrund der exklusiven Staatsdefinition Israels, als Staat des jüdischen Volkes allein, dessen Zugehörigkeit durch eine Mischung aus ius sanguinis und halachischem Gesetz bestimmt wird, ist die Gleichheit der Staatsbürger nicht ausreichend gewährleistet96.

94

So fuße des Gleichheitsprinzip auf der Erschaffung aller Menschen als Ebenbild Gottes sowie auf der Regel der Halacha (3. Buch, Kapitel 24, Satz 22): „Ein Gesetz werdet Ihr haben und ein Fremder wird sein wie ein Bürger.“ Vgl. Aharon Barak, Wenn die Kanonen sprechen, ist es den Musen verboten zu schweigen, Yediot Aharonot v. 27.10.2000, Magazine, S. 8, 9; siehe auch The Foundations of Law Act 1980, wonach Gesetzeslücken „in the light of principles of freedom, justice, equity and peace of Israel’s heritage“ zu füllen sind, LSI 34 (1979–1980), 181. 95 Richter Shamgar in Neiman II, Neiman v. Central Election Committee, P.D. 42 V (1988), 177 ff., dem folgend auch der Präsident des Supreme Court Aharon Barak, Interpretation in Law, Bd. III, Constitutional Interpretation, Jerusalem 1994, S. 332. 96 Nach Art. 4 B des Law of Return 1950 ist ein Jude „a person born to a Jewish mother or converted to Judaism and who is not a member of another Religion.“ Law of Return 1950 (as amended), in: Ruth Lapidoth/Moshe Hirsch, The Arab-Israel Conflict and its Resolution: Selected Documents, Dordrecht/Tel Aviv 1992, S. 108; zur Problematik auch Avneri (Anm. 91), Palestine-Israel Journal 5/2 8 (1998), S. 48, 52. Sehr erhellend zu dieser Auseinandersetzung ein Streitgespräch zwischen Yehoshua und Shammas, in: David Großmann, Der geteilte Israeli (dt. Ausgabe), Wien/München 1992, S. 146 ff.

102

Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

b) Basic Law: Human Dignity and Freedom Die Gleichheit durch das Gesetz könnte aber durch das Basic Law: Human Dignity and Freedom 1992 gewährleistet sein. Ausdrücklich wird das Recht auf Gleichbehandlung in diesem Basic Law nicht genannt. 97 Damit bleibt zu klären, ob das Recht auf Gleichbehandlung konkludent durch eine Auslegung der im Basic Law geschützten Menschenwürde abgeleitet werden kann. Diesen Ansatz lehnen viele israelische Juristen ab, da sie in dieser Frage eine Selbstbeschränkung des Gerichts zugunsten der Knesset für erstrebenswert halten. Diese Selbstbeschränkung wird vor allem mit der kontroversen Entstehungsgeschichte des Grundrechtekatalogs begründet.98 Während der Diskussion um die Verabschiedung des Basic Law: Human Dignity and Freedom sei vor allem die Religionsfreiheit sowie das Recht auf Gleichbehandlung in der Knesset aufs Äußerste umstritten gewesen. Dies habe maßgeblich zwei Gründe gehabt. Insbesondere fürchteten die religiösen und national-religiösen Parteien bei einer Kodifizierung der Religionsfreiheit um den privilegierten Status des orthodoxen Judentums in Israel. Die Aufnahme des Gleichheitsprinzips habe orthodoxe Positionen im Hinblick auf die Rolle der Frau in Gesellschaft und Religion in Bedrängnis gebracht. Schließlich argwöhnten die Orthodoxen auch, daß ihr Verständnis von Israel als jüdisch-religiöser Staat durch die Religionsfreiheit vereitelt und damit der Weg für eine vollständige Trennung von Staat und Religion frei würde.99 Der zweite Aspekt, der die Verabschiedung des Gleichheitsrechts verhinderte, sei die Erwägung gewesen, daß Israel seinen Charakter als Staat des jüdischen Volkes durch die Aufnahme des Rechts auf Gleichheit verlieren würde. Aufgrund dieses Widerstands seien selbst die Abgeordneten, die sich für ein Gleichheitsrecht eingesetzt hatten, am Ende gezwungen gewesen, für den Grundrechtskatalog ohne 97 Das einzige Basic Law, welches die Gleichheit erwähnt, ist das Basic Law: The Knesset, welches in Art. 4 die Gleichheit bei den Wahlen zur Knesset garantiert, http://www. mfa.gov.il/mfa/go.asp?MFAH00h80. 98 Siehe dazu die abweichende Meinung von Richter Cheshin in United Misrahi Bank Ltd. v. Migdal Cooperative Village, P.D. 49 IV (1995), 221, ILR 31 (1997), S. 764, 797 ff., der der Ansicht ist, daß das Basic Law mangels Kompetenz der Knesset keine Verfassung Israels darstellt und daß die Knesset ihre legislative Souveränität durch die Verabschiedung dieses Basic Law nicht beschränken durfte, da nur 54 von 120 Knessetabgeordneten zur Abstimmung anwesend waren. Engl. Zusammenfassung von Fania Domb, IYHR 28 (1998), S. 217, 231 ff.; für die Erörterung der abweichenden Meinung Richter Cheshins, Zilbershats (Anm. 18), Justice 10 (1996) S. 22, 27; Gavison (Anm. 29), ILR 33 (1999), S. 216–258. 99 Vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 823; Francis Raday, Religion, Multiculturalism and Equality, The Israeli Case, IYHR 25 (1995), S. 193, 211.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Gleichheit und Religionsfreiheit zu stimmen, da dieser sonst überhaupt nicht verabschiedet worden wäre.100 Vor diesem Hintergrund, so wird argumentiert, dürfe das Recht auf Gleichbehandlung aus Legitimationsgründen nicht konkludent durch eine Auslegung der Menschenwürde begründet werden. Ein Teil der Richter des High Court of Justice und einige Stimmen in der Rechtswissenschaft halten die Entstehungsgeschichte des Basic Law jedoch nicht für entscheidend. Sie vertreten vielmehr die Auffassung, daß das Gleichheitsrecht der Menschenwürde immanent ist und diese schließlich durch das Basic Law ausdrücklich geschützt wird.101 So ist in Art. 1 Abs. A das Ziel dieses Basic Law wie folgt benannt: „The object of this Basic Law is to protect human dignity and freedom, in order to entrench the values of the state of Israel as a Jewish and democratic State in a Basic Law.“ Die Menschenwürde werde außerdem als Abwehrrecht gegen den Staat in Art. 2 erwähnt102 und als positives Recht auf Schutz des einzelnen in Art. 4 des Basic Law: Human Dignity and Freedom103. Diese Verpflichtung, die Würde des einzelnen zu schützen, könne jedoch ohne das Recht auf Gleichheit nicht gewährleistet werden.104 So stelle insbesondere Diskriminierung aufgrund rassischer, nationaler oder sexueller Zugehörigkeit eine Diskriminierung dar, die die Menschenwürde verletzt.105 Der Präsident des Supreme Court, Aharon Barak, rechtfertigt diesen Ansatz zudem damit, daß das Prinzip der Menschenwürde nicht anhand der Zielvorstellungen des verabschiedenden Organs interpretiert werden muß, sondern anhand eines „objektiven Zwecks“, welcher mittels der Prinzipien des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes ermittelt werden kann.106 100

Divrei HaKnesset 1992, 1532. „The equality principle is incorporated in the Basic Law: Human Dignity and Freedom. This incorporation means that the principle of equality is raised to the level of a high normative constitutional right.“ Huppert v. „Yad Vashem“, P.D. 48 III (1992), 353; für eine Besprechung vgl. Kretzmer, in: Zamir/Zysblat (Hrsg.), (Anm. 20), S. 141, 149. 102 „No injury may be caused to the life, person or dignity of a human being as a human being.“ 103 „Everybody has the right to protection of his life, his person and his dignity.“ 104 Vgl. Richter Zamir zur Gleichheit von Mann und Frau, HCJ, Israel Women’s Network v. Government of Israel, P.D. 48 V (1994), 501, 535, 536; hinsichtlich Gleichbehandlung beim Gedenken der Opfer des Holocaust HCJ, Huppert v. „Yad Vashem“, P.D. 48 III (1992), 353, 362, 363; Richter Barak zur Gleichbehandlung von Homosexuellen HCJ, „ElAl“ Israel Airlines Ltd. v. Danilovitz, P.D. 48 V (1994), 749, 760. 105 Richterin Dorner, HCJ, Miller v. Minister of Defense, P.D. 49 IV (1994), 94, 131, 135 f.; kritisch gegenüber der Wirkung der „Grundrechtsrevolution“ Eyal M. Gross, The Politics of Rights in Israeli Constitutional Law, Israel Studies 3/2 (1998), S. 80, 101. 106 Barak, Interpretation in Law, Bd. III, Constitutional Interpretation, Jerusalem 1994, S. 149 ff.; siehe auch Barak, Wenn die Waffen sprechen, ist es den Musen verboten zu schweigen, Yediot Aharonot v. 27.10.2000, Magazine, S. 8, 9. 101

104

Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

Schließlich gewann das oberste Gericht 1994 ein weiteres Argument für seine Position. Das Basic Law: Human Dignity and Freedom wurde 1994 durch das Basic Law: Freedom of Occupation 1994107 um einen Artikel erweitert. Dieser besagt: „The fundamental rights of a person in Israel are grounded on the recognition of the value of human beings, on the sanctity of life and their freedom, and they will be honoured in the spirit of the principles set out in the Declaration of the Establishment of the State of Israel.“108

Durch diese Norm werde den Prinzipien der Unabhängigkeitserklärung, zu denen auch „complete equality of social and political rights“ gehört, durch Referenz Grundrechtscharakter verliehen.109 Die Auslegung des Basic Law durch einige der Richter des High Court of Justice steht in Übereinstimmung mit der theoretischen Begründung der Gleichheit im Völkerrecht sowie in anderen nationalen Rechtssystemen. Danach fließen aus der Menschenwürde bestimmte grundsätzliche, unveräußerliche Rechte. Unter diesen ist das Recht auf Gleichheit sicher eines der bedeutendsten,110 welches ohne die Möglichkeit des obersten Gerichts, im Kollisionsfall ein zuwiderlaufendes Gesetz für ungültig zu erklären, nur schwer verwirklicht werden kann. Ferner ist nach völkerrechtlich anerkannten Kriterien eine Norm nach ihrem objektiven Sinn und Zweck auszulegen und weniger nach der Intention des sie erschaffenden Organs. Letztere wird lediglich hilfsweise nach anderen Auslegungsmethoden berücksichtigt.111 Aufgrund des entgegenstehenden Willens einer Mehrheit der Knesset ist der Ansatz des Gerichts, insbesondere im Hinblick auf die Kompetenzen des Gerichts, nicht unproblematisch. So ist das Supreme Court nicht ausdrücklich durch dieses Basic Law ermächtigt worden, seine Einhaltung zu garantieren oder es großzügig auszulegen. Die normierten Kompetenzen des Gerichts ergeben sich aus dem Basic Law: Judicature 1984, das in Art. 15 (c) zwar die Zuständigkeit des High Court of Justice „in matters in which it deems necessary to grant relief for the sake of justice“ festlegt, in dem folgenden, abschließenden Kompetenzkatalog des 107

http://www.mfa.gov.il. Art. 1, Basic Law: Human Dignity and Freedom. 109 Das Gleichheitsprinzip folgt aus der Unabhängigkeitserklärung als „life breath of our entire constitutional regime“, HCJ, Bergman v. Minister of Finance, P.D. 23 I (1969), 693, 698, IYHR 2 (1972), S. 342; Raday (Anm. 99), IYHR 25 (1995), S. 193, 212 f. 110 Vgl. Ausführungen Kapitel 3, C. I. 1.; Ramcharan, in: Henkin (Anm. 66), S. 246, 24 ff. 111 Art. 31, Art. 32 Vienna Convention on the Law of Treaties v. 23.05.1969, BGBl. 1985 II, S. 926; UN Doc. A/CONF.39/11/Add.2 (1971) 287. 108

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Art. 15 (d) und (e) jedoch keine Kompetenz zur Nichtigerklärung von Gesetzen erwähnt.112 Diese Kompetenz könnte aber konkludent aus dem Basic Law: Human Dignity and Freedom folgen. In Art. 8 ist festgelegt: „The rights conferred by this Basic Law shall not be infringed save where provided by a law which accords with the values of the State of Israel, which was intended for a fitting purpose and only to the extent necessary, or by a law as aforesaid by virtue of an express authorisation therein.“ Weiterhin wird in Art. 10 jede staatliche Gewalt zur Einhaltung der Grundrechte verpflichtet und in Art. 12 eine Abweichung von diesen Rechten mittels Notstandsverordnungen verboten. Diese Bestimmungen lassen darauf schließen, daß das High Court of Justice, als oberste juristische Instanz Israels, die Einhaltung dieser Bestimmungen notfalls auch durch Nichtigerklärung von Gesetzen garantieren soll.113 Diese Schlußfolgerung wurde durch das Gericht in seiner Entscheidung Misrahi Bank v. Migdal bestätigt.114 Da diese Kompetenzen des High Court of Justice jedoch nicht ausdrücklich und abschließend in einem Basic Law festgelegt sind, wird es wohl auch in Zukunft zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen beiden Gewalten kommen, wenn das Gericht Knessetgesetze, die gegen das implizierte Recht auf Gleichbehandlung verstoßen, für nichtig erklären möchte. Dieser Fall ist bis jetzt noch nicht vorgekommen, auch deshalb, weil das High Court of Justice bei seinen Entscheidungen diesbezüglich sehr zurückhaltend verfährt.115 Aber selbst für den Fall, daß das Gericht verfassungswidrige Knessetgesetze für nichtig erklären sollte, kann es dies gemäß Art. 10 nur im Hinblick auf Gesetze, die im Zeitraum nach dem Basic Law: Human Dignity and Freedom 1992 verabschiedet wurden: „This Basic Law shall not derogate from the validity of any law existing on the eve of this Basic Law coming into force.“ Diese Regelung stellt eine erhebliche Einschränkung des Schutzes der Gleichheit durch das Gesetz dar, sofern das Gericht nicht von der Möglichkeit Gebrauch 112

Basic Law: Judicature 1984, LSI 38 (1983/84), 101 ff. Vgl. für die gerichtliche Überprüfung von Akten der Exekutive und Legislative im allgemeinen Meir Shamgar, Judicial Review of Knesset Decisions by the High Court of Justice, ILR 28 (1994), S. 43 ff., 55. 114 HCJ, United Misrahi Bank Ltd. v. Migdal Cooperative Village, P.D. 49 IV (1995), 221, ILR 31 (1997), S. 764, 785 ff.; vgl. zur Darstellung der abweichenden Meinung Richter Cheshins, Zilbershats (Anm. 18), Justice 10 (1996), S. 22, 26 f. 115 So erklärte das Gericht einen Teil eines Gesetzes für nichtig, welches gegen die Freiheit der Person verstieß in HCJ, Saguy Zemach v. Minister of Defense, noch nicht veröffentlicht, vgl. Eliahu Harnon, The Impact of the Basic Law: Human Dignity and Liberty on the Law of Criminal Procedure and Evidence, ILR 33 (1999), S. 679, 688. 113

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

macht, frühere Gesetze verfassungskonform auszulegen. In einigen Fällen hat das Gericht eine solche Vorgehensweise befürwortet.116 Eine weitere Einschränkung der Gleichheit durch das Gesetz könnte aufgrund der in Art. 1 A des Basic Law festgeschriebenen „Werte des Staates Israel als jüdischer und demokratischer Staat“ erfolgen. Wie bereits hinsichtlich der Unabhängigkeitserklärung erörtert, hängt die Vereinbarkeit beider Prinzipien von der Auslegung des Begriffs „jüdisch“ ab. Da dieser Begriff jedoch nicht in seiner minimalistischen Form verstanden wird, impliziert er, daß Israel nur der Staat der Juden ist und nicht ein Staat all seiner Staatsbürger, was an sich schon einen Verstoß gegen die Gleichheit darstellt.117 Über die Grundrechtsschranke des Art. 8: „The rights conferred by this Basic Law shall not be infringed save where provided by a law which accords to the values of the State of Israel …“ könnten auch Gesetze, welche der jüdischen Bevölkerung exklusive Privilegien oder Rechte verleihen, aber gegen die Gleichheit verstoßen, im Rahmen einer Abwägung mit dem Wert „jüdischer Staat“ als verfassungsgemäß anerkannt werden. Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß das Basic Law: Human Dignity and Freedom das Recht auf Gleichheit durch das Gesetz bei entsprechender Auslegung zwar umfassender als vor 1992, aufgrund der unsicheren Kompetenzen des High Court of Justice sowie des ungeklärten Konzepts des „jüdischen Staats“ nur unzureichend garantiert.118 c) Ausdrückliche Erwähnung des Gleichheitsprinzips im Statute Law Das Recht auf Gleichbehandlung ist ausdrücklich in einigen, wenigen Gesetzen verankert. Eines der ältesten Gesetze ist das Women Equal Rights Law 1951. Da 116 HCJ, Miller v. Minister of Defense, P.D. 49 IV (1994), 94, 131; HCJ, Ganimat v. State of Israel 1995, P.D. 49 III (1995), 355, P.D. 49 IV (1995), 589, ILR 31 (1997), S. 754, 761 f.; a. A. Richter Cheshin, ILR 31 (1997), S. 754, 761 f.; Shragay v. Military Prosecutor (Air Force), P.D. 51 II (1995), 686, 689; State of Israel v. Ramid et Benyamin Ltd., P.D. 49 IV (1991), 830; Bartella et al v. Military Prosecution, P.D. 49 V (1991), 64; vgl. auch Kapitel 3, A. III. 117 Vgl. Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), Equal Rights and Minority Rights for the Palestinian Arab Minority in Israel, A Report to the UN Human Rights Committee on Israel’s Implementation of Articles 26 & 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, Nazareth, July 1998, S. 12 ff.; ACRI, The Association for Civil Rights in Israel, Comments on the Combined Initial and First Periodic Report Concerning the Implementation of the International Covenant of Civil and Political Rights (ICCPR), submitted to the United Nations Human Rights Committee, Jerusalem, Juli 1998, S. 131 f. 118 Die Kompetenz des Gerichts zur Überprüfung von Knessetgesetzen bleibt jedoch weiterhin umstritten, da sie nach der Meinung einiger „… lacks strong political and public legitimacy.“ Mordechai Kremnitzer, Constitutionalization of Substantive Criminal Law: A Realistic View, ILR 33 (1999), S. 720, 721; siehe auch Kapitel 3, A. III.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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dieses Gesetz im Hinblick auf die Gleichheit der arabischen Minderheit erst im Rahmen der Kompetenz religiöser Gerichte relevant wird, soll es hier nicht besprochen werden. Einige ausdrückliche Gebote der Gleichbehandlung finden sich außerdem im Bereich des Arbeitsrechts: So wurde 1995 das Equal Employment Opportunities Law 1981 erweitert und verbietet nun auch jede Form der Diskriminierung durch private oder öffentliche Arbeitgeber aufgrund Rasse, Religion, Nationalität etc.119 Das Employment Service Law 1959 verbietet jede diskriminierende Stellenzuweisung durch das staatliche Arbeitsamt.120 In Art. 9 der Council for Higher Education Rules (Recognition of Institutions) 1964 ist die Diskriminierung von Studenten oder Akademikern bei der Einstellung aufgrund der Rasse, des Geschlechts, der Religion, der Nationalität oder des sozialen Status untersagt.121 Das Compulsory Education Law 1949 wurde 1991 erweitert und verbietet nun in Art. 3 Abs. B jede Diskriminierung von Schülern aufgrund ethnischer Zugehörigkeit.122 Kürzlich wurden der Knesset weitere Gesetzesvorschläge, die Diskriminierung ausdrücklich ächten, vorgelegt: Das Gesetz zur Verhütung von Diskriminierung bei der Bereitstellung von Dienstleistungen und Waren sowie das Gesetz für den diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Plätzen.123 Neben den erwähnten Gesetzen besteht eine Reihe weiterer auf die Gleichheit zwischen Mann und Frau gerichteter Vorschriften.124

119

LSI 35 (1981), 350, Art. 2 Abs. A in: Sefer HaChukkim 1998, 169; eine substantielle Verletzung dieser Vorschriften ist sogar strafrechtlich sanktioniert. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 834; trotz dieser Vorschrift wird die arabische Minderheit de facto immer noch stark im Bereich der Beschäftigung diskriminiert; neuere Zahlen der prozentualen Beschäftigung im öffentlichen Dienst, Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), (Anm. 117), S. 34 ff.; für Diskriminierung im öffentlichen und privaten Sektor ACRI, ICCPR-Report (Anm. 117), S. 136 ff.; Sikkuy, The Association for Advancement of Civic Equality, Sikkuy’s Report on the Equality and Integration of Arab Citizens in Israel 1999–2000, S. 26, 30, 37 f.; Ali Haider, Arab Citizens in the Civil Service, in: Sikkuy, The Association for Advancement of Civic Equality, Sikkuy’s Report on the Equality and Integration of Arab Citizens in Israel 2000–2001, S. 17 ff. 120 Art. 9 u. 42, LSI 13 (1959), 29. 121 Kovetz HaTakanot 1964, 634. 122 Sefer HaChukkim 1991, 156 (n. F.), vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, paras. 841 ff. 123 ACRI, The Association of Civil Rights in Israel, ACRI’s Annual Report: A Good Year for Human Rights in Israel – thanks to brave decisions by the Supeme Court and despite the attitude of the Israeli government (engl. Fassung), Jerusalem, July 2000, S. 3. 124 Verbesserung der De-facto-Gleichheit durch Gesetzesänderung zum Women Equal Rights Law 1951 v. 29.03.2000; zu weiteren Gesetzen vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 837 f.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

d) Direkte Diskriminierung durch Gesetze Neben diesen die Gleichheit schützenden Normen existieren eine Reihe von Gesetzen, welche das Recht auf Gleichbehandlung erheblich schwächen. (1) Basic Law: The Knesset Die m. E. nach bedenklichsten Normen sind dabei die Erweiterung des Basic Law: The Knesset von 1985 sowie The Law of Political Parties 1992. Die Angehörigen der arabischen Minderheit haben als Staatsbürger das Recht, an allen Wahlen aktiv und passiv teilzunehmen. In der Vergangenheit wurde bei verschiedenen Wahlen versucht, eine arabische Liste von den Wahlen auszuschließen mit der Begründung, daß deren Programm die Existenz des Staates Israels als jüdischer Staat verleugne. Nach gerichtlichen Auseinandersetzungen wurde in einem Fall eine arabische Liste aufgrund einer Entscheidung des Supreme Courts nicht zugelassen. Es handelte sich dabei um eine sozialistische Liste, welche den Mitgliedern der Al-Ard-Bewegung125 nahestand. Begründet wurde die Entscheidung mit den Zielen der Liste, welche die Zerstörung des Staates Israel sowie Verbindung zu ihren Feinden erstrebe.126 Diesem Fall folgten weitere Beschwerden vor dem Supreme Court, bei denen es um die Zulassung von arabischen Parteien oder jüdisch rechts-nationalen Parteien ging.127 Vor diesem Hintergrund wurde 1985 das Basic Law: The Knesset geändert, und ein Art. 7 (A) eingefügt, welcher besagt: „A list of candidates shall not participate in the elections for the Knesset if its aims or actions, expressly or by implication, point to one of the following: (1) denial of the existence of the state of Israel as the state of the Jewish people; (2) denial of the democratic nature of the state; (3) incitement to racism.“128

125

Einer national arabischen Bewegung zur Verteidigung des Landes vor Enteignungen. Yardor v. Central Election Committee for the Sixth Knesset, P.D. 19 III (1965), 365, 369 ff., 389, IYHR 4 (1964), S. 216 ff. 127 Welche aber mangels gesetzlicher Möglichkeiten beide zugelassen wurden, Election Appeal 2/84 Neiman et al v. Central Election Committee for the 11th Knesset, P.D. 39 II (1984), 225, IYHR 20 (1990), S. 380 ff. Vgl. zur Entscheidung David Kretzmer, The Legal Status of the Arabs in Israel, San Francisco/Oxford 1990, S. 26 ff. 128 The Basic Law: The Knesset erweitert 1985 (Gesetzesänderung Nr. 9), Sefer HaChukkim 1155, 196; für eine engl. Übersetzung siehe http://www.mfa.gov.il/mfa/go.asp? MFAH00h80. Eine ähnliche Formulierung wird im Law of Political Parties 1992 gebraucht, welches die Registrierung von Listen, die diese Kriterien erfüllen, verbietet. Vgl. Art. 5, Sefer HaChukim 1992, 190. 126

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Die Verabschiedung dieses Basic Law stieß auf erheblichen Widerstand bei den arabischen Abgeordneten, die alternative Entwürfe wie „the denial of the existence of the State of Israel“ oder „denial of the State of the Jewish people and its Arab citizens“ eingebracht hatten.129 Diese Vorschläge wurden jedoch zurückgewiesen.130 Vor den Knessetwahlen 1988 hatte das Gericht im Ben Shalom Fall darüber zu entscheiden, ob zwei Listen aufgrund des Art. 7 (A) des Basic Law: The Knesset disqualifiziert werden sollten.131 Eine Liste war die rechtsextreme Kachpartei von Meir Kahane, die neben der strafrechtlichen Sanktion von sexuellen Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden offen für einen „Transfer“ der arabischen Staatsbürger und der Palästinenser in den besetzten Gebieten eintrat.132 Bei der anderen Liste handelte es sich um die PLP (Progressive List for Peace), welche proklamierte: „The PLP will struggle for another Israel, an Israel that is for all its citizens.“ Das Gericht entschied, daß die Kachpartei an den Wahlen nicht teilnehmen durfte, während der PLP dies durch eine Mehrheit der Richter von 3 : 2 erlaubt wurde.133 Dieses Ergebnis spricht entscheidend für eine Abwägung bei der Mehrheit der Richter zugunsten des Demokratieprinzips und der Gleichheit der Staatsbürger. Das Urteil unterstützt eine minimalistische Auslegung von „Israel as the State of the Jewish people“ und damit die Vereinbarkeit zwischen jüdischem Staat und dem Kampf um Gleichberechtigung all seiner Bürger. Nach der Ratio dieses Urteils beinhaltet „jüdischer Staat“: „1) that the Jews form the majority in the state; 2) that the Jews are entitled to preferential treatment regarding the law of return; 129

Divrei HaKnesset 42, 3899–3900, 31.07.1985. Der arabische Knessetabgeordnete Tawfik Toubi kommentierte die Verabschiedung mit den Worten: „Heute im Gesetz festzulegen, daß der Staat Israel der Staat des jüdischen Volkes ist, bedeutet zu 16 % der Bürger des Staates Israels zu sagen, daß sie keinen Staat haben, daß sie staatenlos sind, daß der Staat Israel nur der Staat seiner jüdischen Einwohner ist, und daß die Araber, die in ihm leben, in Leid wohnen und leben ohne Rechte gleich den Rechten der jüdischen Bürger …. Verstehen diejenigen, die diesen Entwurf abgefaßt haben, denn nicht, daß sie mit dieser Definition den Staat Israel zu einem Apartheidstaat, einem rassistischen Staat degradieren?“ Ebda. 131 Ben Shalom v. Central Election Committee, P.D. 43 IV (1988), 221 ff., für die englische Zusammenfassung siehe ILR 25 (1991), S. 219 ff. 132 Vgl. Sprinzak, „Kach and Meir Kahane: The Emergence of a Jewish Quasi-Fascism I: Origins and Development“ und II: „Ideology and Politics“, Patterns of Prejudice 19/3 (1985), S. 15–21, 19/4 (1985), S. 3–13; Yoav Peled, Ethnic Democracy and the Legal Construction of Citizenship: Arab Citizens of the Jewish State, American Political Science Review 86/2 (1992), S. 432, 439; Adalah, Legal Violations of Arab Minority Rights in Israel, Report on Israels Implementation of the International Convention Against Racial Discrimination, Shfaram 1998, S. 104 f. 133 Ben Shalom v. Central Election Committee, P.D. 43 IV (1988), 221 ff., ILR 25 (1991), S. 219, 220, 221. 130

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

3) that a reciprocal relationship exists between the state and the Jews outside of Israel.“134

Aber auch diese Formulierung birgt einige Probleme, wie beispielsweise die Frage, ob eine Liste an den Wahlen teilnehmen darf, welche eben dieses Law of Return verändern möchte. Schließlich lassen die abweichenden Meinungen von zwei der fünf Richter in diesem Fall erhebliche Zweifel über die Vereinbarkeit von Gleichheit und jüdischem Staat aufkommen.135 Auch bei den Wahlen 2003 kam die Problematik dieses Gesetzes erneut zum Tragen. Das Gericht hatte über die Ablehnung einer arabischen Partei (Balad), zweier arabischer Kandidaten sowie über die Zulassung eines Mitglieds einer rechtsgerichteten Partei durch das Zentrale Wahlkomitee zu entscheiden. Art. 7 A des Basic Law: The Knesset war nach Ausbruch der zweiten Intifada um den Tatbestand „supports the armed struggle of an enemy state or of a terror organisation against the State of Israel“ erweitert worden. Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob die arabischen Kandidaten und die arabische Balad Partei, den jüdischen und demokratischen Charakter des Staates leugnen, darüber hinaus ob ihr Kandidat Azmi Bishara, Feindstaaten und Terrororganisationen unterstützt, und ob der rechte Kandidat Marzel den demokratischen Charakter Israels leugnet und zu Rassismus aufruft. Das Gericht ließ im Ergebnis die Kandidatur der Partei als auch aller Kandidaten zu, da es nicht ohne vernünftige Zweifel feststellen konnte, daß die Kandidaten den jeweiligen Disqualifizierungstatbestand erfüllen. Hinsichtlich des jüdischen und demokratischen Charakters des Staates führte das Gericht ähnlich seiner vorherigen Entscheidung aus, daß der Begriff „jüdisch“ auf ein Minimum zu reduzieren sei und die Forderung nach einem „Staat all seiner Bürger“ die Existenz Israels als Staat des jüdischen Volkes an sich nicht Frage stelle. Hinsichtlich der Vorwürfe gegen Bishara, durch verschiedene Reden unter anderem in Syrien unter Anwesenheit der Hizbollah, Feindstaaten beziehungsweise Terrororganisationen zu unterstützen, kam das Gericht zu dem Ergebnis, daß in einer Demokratie der Ausschluss von Kandidaten oder Listen von einer Wahl nur das allerletzte Mittel unter einer Reihe von Schutzmechanismen der Demokratie sein dürfe. Dieses Mittel könne entsprechend nur angewendet werden, wenn keine vernünftigen Zweifel an den Handlungen und Intentionen des Betroffenen bestehen 134 Ebda. Dieser Präzedenzfall dient auch zur Interpretation für Art. 5 (1) des Law of Political Parties 1992 hinsichtlich der Registrierung von Parteien, Yaseen v. Yamin Israel, P.D. 50 II (1995), 45; Isakson v. The Registrar of Parties, P.D. 50 II (1996), 529. 135 Richter D. Levine erklärte in seinem abweichenden Urteil, daß die Gleichheit der Bürger unter der vorliegenden Gesetzgebung nicht den Charakter des Staates als jüdischen Staat ändern darf, P.D. 43 IV (1988), 240; Richter Elon erklärte darüber hinaus, daß das Gleichheitsprinzip nicht die Essenz Israels als Staat des jüdischen Volkes verändern darf, da Israel eben kein bi-nationaler Staat ist, sondern der Staat für die Juden und das jüdische Volk allein, ebda, 272, ILR 25 (1991), S. 223.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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und sie den Staat unmittelbar gefährdeten. Im Fall Bisharas sei ein Ausschluß indes nicht möglich, da keine ausreichenden Beweise vorliegen, die diesen Kriterien gerecht werden.136 Die Kontroverse um Art. 7 Abs. A des Basic Law: The Knesset wird auch maßgebend im Zusammenhang mit der Geschäftsordnung der Knesset deutlich, die in Anlehnung an das Basic Law in Regel 134 feststellt, daß der Knessetpräsident einen Gesetzesvorschlag, der in seinem Kerngehalt rassistisch ist oder die Existenz Israels als Staat des jüdischen Volkes ablehnt, nicht zur Abstimmung zulassen darf.137 Während der Auseinandersetzung über einen Gesetzesvorschlag zu einem Basic Law: Equality for the Arab Population, der vom Knessetabgeordneten Mohammed Barakeh eingebracht wurde, entbrannte eine Debatte im Rechtsausschuß der Knesset, ob ein solcher Gesetzesvorschlag den jüdischen Charakter des Staates unterlaufen würde und ob dieser überhaupt zur Diskussion in der Knesset zugelassen werden darf. Der Vorschlag beinhaltete folgende Bestimmungen: „… the rights of the Arab citizens of Israel, and the commitment of Israeli society to these rights, are founded on the recognition of the principle of equality …“ sowie „this bill aims to protect the dignity and freedom of the Arab citizens of the state, as Israeli citizens and as a Palestinian national minority, in order to anchor in basic laws the values of the state of Israel as a democratic and multi-cultural state.“138 Der Rechtsberater der Knesset, Zvi Inbar, sowie der Berater des Verfassungsund Justizkomitees der Knesset, Shlomo Shoham, argumentierten, daß die Bezeichnung „multikultureller Staat“ den jüdischen Charakter Israels verletzen und somit gegen das Basic Law: The Knesset verstoßen würde und aus diesem Grund nicht zur Diskussion zugelassen werden dürfe.139 Letztendlich wurde der Vorschlag jedoch zur Abstimmung zugelassen und von der Knesset abgelehnt. Die Haltung des Rechtsausschusses zeigt deutlich, daß die Vereinbarkeit zwischen jüdischem Charakter und dem Recht auf Gleichheit trotz der liberalen Haltung einiger Richter des Supreme Court keinesfalls offenkundig ist. 136 Election Confirmation 11280/02 v. Ahmed Tibi; Election Confirmation 50/03 Central Election Committee v. Azmi Bishara; Election Appeal, 131/03 Balad v. Central Election Committee; Court lets Bishara, Tibi and Marzel run for Knesset, A just and wise decision, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 10.01.03, http://www.haaretzdaily.com; zu Bisharas Reden vgl. http://www.adalah.org. 137 Diese Regelung zielte auf die rassistischen Gesetzesvorschläge von Meir Kahane ab, wurde dann aber auf Gesetzesvorschläge, die den jüdischen Charakter des Staates nicht akzeptieren, erweitert, Protokoll der 11. Knesset, 2. Sitzung, 137. Versammlung, 13.11.1985, S. 16–50, Yalkut HaPirsumim 3271, 772. 138 Vgl. Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 29.11.1999, S. 2. 139 Ebda.; vgl. auch ACRI, The Association for Civil Rights in Israel, Program Report to the Ford Foundation, September 2000, S. 8.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

(2) Die Rechtsstellung der zionistischen Organisationen Dubios sind auch die Gesetze, die die Beziehung zwischen dem Staat Israel und den zionistischen, jüdischen Organisationen regeln sowie deren Kompetenzen festlegen. Es geht dabei um die WZO (World Zionist Organisation), die Jewish Agency und den JNF (Jewish National Fund). Die WZO war die erste internationale jüdische Organisation, die im Prozeß des sich entwickelnden jüdischen Staates die jüdischen Aktivitäten in Palästina und im Ausland koordinieren sollte. Die Jewish Agency entstand als Abspaltung von der WZO als eigenständiges Organ im Palästina der Mandatszeit und erfüllte die ihr vom Völkerbund gestellte Aufgabe, als öffentlich-rechtliche Person die Interessen der jüdischen Bevölkerung Palästinas bei der Entwicklung einer nationalen Heimstätte zu vertreten.140 Der Jewish National Fund wurde 1901 gegründet, um in Palästina Land für die jüdische Besiedlung aufzukaufen.141 Die Aufgabenstellung dieser Organisationen entsprach also praktisch staatlichen Funktionen. Problematisch ist, daß diese Organisationen auch heute noch quasi staatliche Funktionen ausüben und dies zum ausschließlichen Nutzen der jüdischen Bevölkerung Israels. Das Verhältnis zwischen Israel und der WZO/Jewish Agency wurde durch das Jewish Agency (Status) Law 1952142 geregelt und 1979 im Covenant between the Government and the WZO genauer definiert. Gemäß Art. 3 des WZO Law ist die Aufgabe der WZO: „… (to) take care as before of immigration and direct absorbtion and settlement projects in the State.“

und gemäß Art. 4 anerkennt Israel „the World Zionist Organisation as the authorized agency which will continue to operate in the State of Israel for the development and settlement of the country, the absorbtion of immigrants …“.

Nach dem Covenant hat die WZO unter anderem die Aufgabe, landwirtschaftliche Siedlungen und Land mit Hilfe der Fonds der WZO zu erwerben und zu entwickeln.143 Einer dieser Fonds ist der Jewish National Fund (Keren Kayemet 140

Art. 4 Terms of the British Mandate for Palestine confirmed by the League of Nations, 24 July 1922, zit. in: Lapidoth/Hirsch (Anm. 96), S. 25 f. Später wurden beide Organisationen wieder vereint und 1971 endgültig getrennt, vgl. zur Geschichte http://www. knesset.gov.il/asp/engframe.asp?content=/knesset/natlinks_eng.htm, Stand v. 01.11.2000. 141 Ebda.; vgl. Kapitel 1, B. II. 142 LSI 5–7 (1952), 3 ff. 143 Weitere Aufgaben bestehen in der Unterhaltung und Unterstützung von kulturellen, religiösen, wissenschaftlichen und erzieherischen Institutionen, Beteiligung an der Begründung und Förderung von Entwicklungsprojekten in Israel sowie die Unterstützung der Alten und Bedürftigen mit sozialen und anderen Dienstleistungen.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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LeIsrael), welcher 1961 mit dem israelischen Staat einen Pakt über seinen Status abschloß. Dieser Pakt legt fest, daß die Aktivitäten des JNF ausschließlich den jüdischen Bürgern zu gute kommen sollen.144 Begründet wird dies mit den von der WZO gesammelten Spenden von Juden aus aller Welt und deren Intention, die jüdische Bevölkerung zu unterstützen.145 Würde es sich bei der WZO und dem JNF lediglich um private Wohltätigkeitsvereine handeln, wäre dies auch sicher nicht zu beanstanden. Die Vertreter der WZO und des JNF haben aber durch ihre Repräsentation in staatlichen Gremien wie der Israel Land Authority (ILA) entscheidenden Einfluß auf staatliche Ziele und Funktionen146 beispielsweise bei der Planung und Entwicklung von neuen Siedlungen und der Industrialisierung von Agrarregionen.147 Die ILA ist eine staatliche Behörde, welche gemäß Art. 2 (a) des Israel Lands Administration Law 1960 für die Kontrolle von 93 % des Landes in Israel, darunter auch das vom JNF erworbene, verantwortlich ist. Gemäß Art. 4 des Covenant zwischen beiden Institutionen darf das von dem JNF erworbene Land nicht an Araber verkauft oder verpachtet werden. Nach Art. 2 des Covenant wird der Direktor der ILA nur nach Konsultation des JNF ernannt, gemäß Art. 9 besteht die Hälfte des Aufsichtsrats aus Mitgliedern des JNF.148 Dieser Einfluß wird zur Durchführung von Projekten genutzt, von denen ausschließlich jüdische Bürger profitieren.149 Der JNF war darüber hinaus in der Vergangenheit indirekt durch verschiedene Gesetze an der Enteignung von arabischem Land, das zum Teil auch den sogenannten „anwesenden Abwesenden“ gehörte, beteiligt. So wurde ein großer Teil des sogenannten „Absentee Property“ mittels des Development Authority (Transfer of Property) Law 1950 vom Custodian of Absentee Property über die Development

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Vgl. die Präambel des Covenant between the State of Israel and Keren Kayemet LeIsrael, sowie Art. 16, http://www.knesset.gov.il/engframe.asp?content=knesset/ natlinks_eng.htm; Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/ Add.13, Rn. 832. 145 Vgl. zur Rolle der WZO ausführlich Kretzmer (Anm. 127), S. 92 ff. 146 Für den Text siehe http://www.knesset.gov.il/engframe.asp?content=knesset/natlinks_ eng.htm, Stand v. 15.11.2000. 147 HRA, The Arab Association for Human Rights/Fiona McKay, The Palestinian Minority in Israel, Economic, Social and Cultural Rights, A Report Presented by the Arab Association for Human Rights to the UN CESCR Committee on Israel’s Implementation of the ICESCR, Genf 1998, S. 34 ff.; zur Kritik an der Involvierung des JNF in der Israel Land Authority siehe auch State Comptroller’s Report, No. 44 (1993), S. 221. 148 LSI 14 (1960), 50; Covenant (Anm. 144). 149 Seit 1948 wurde für die arabische Bevölkerung abgesehen von den Beduinenstädten in der Negev keine einzige neue Siedlung gebaut, ebda, S. 46 ff.; zur Kontrolle des Bodens Oren Yftachel/Michali D. Segal, Jews and Druze in Israel: State Control and Ethnic Resistance, Ethnic and Racial Studies 21 (1998), S. 476, 480 ff.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

Authority an den JNF übertragen, der dieses Land ausschließlich Juden zur Verfügung stellte.150 Die zionistischen Organisationen erfüllen also wesentliche, hoheitliche Aufgaben, ohne nach den entsprechenden Gesetzen an das Gleichheitsprinzip gebunden zu sein, ohne ausreichende staatliche Kontrolle und oft ohne parallele staatliche Aktivitäten, von denen alle Bürger profitieren könnten. Ein Vorschlag, die WZO-Gesetze wegen ihrer Diskriminierung der arabischen Bevölkerung zu annullieren, wurde von der Knesset abgelehnt.151 (3) Rückkehrgesetz und Staatsbürgerschaftsgesetz Schließlich stellt auch das Law of Return eine ungleiche Behandlung zwischen Juden und Arabern im Hinblick auf den Erwerb der israelischen Staatsbürgerschaft dar. Nach Art. 1 des Law of Return 1950 ist jeder Jude berechtigt, „… to come to this country as an oleh.“152 Dieses Recht gilt nach Art. 4 A (a) auch für „… the child and the grandchild of a Jew, to the spouse of a Jew, the spouse of the child or grandchild of a Jew …“.153 Nach Art. 2 des Nationality Law 1952 ist ein solcher oleh auch berechtigt, die israelische Staatsbürgerschaft sofort zu erwerben: „Every oleh under the Law of Return, will become an Israeli national.“154 Dieser erleichterte Erwerb der israelischen Staatsbürgerschaft gilt somit nur für Juden. Er geht auf das Grundkonzept Israels als nationale Heimstätte für die Juden nach zweitausendjähriger Verfolgung als Minderheit in der Diaspora zurück.155

150

ACRI, ICCPR-Report (Anm. 117), S. 153; ausführlich Sabri Jiryis, The Arabs in Israel 1948–1966, Beirut 1968, S. 47 ff., 55–90.; Elia T. Zureik, The Palestinians in Israel, A Study in Internal Colonialism, London/Boston/Henley 1979, S. 115 ff.; Kretzmer (Anm. 127), S. 49 ff., 61 ff.; Abdelrahim Matar, Zu den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen bei der arabischen Minderheit Israels – Eine sozioökonomische Untersuchung, Dissertation, Bochum 1995, S. 42 ff. 151 Vgl. Amnon Rubinstein, A Jewish National Fund of all its Citizens, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 13.10.1999, S. 5. 152 LSI 4 (1950), 114; oleh stammt von Aliya (Einwanderung von Juden), d. h. oleh ist ein nach Israel einwandernder Jude. 153 Dies gilt jedoch nur, falls er nicht freiwillig zu einer anderen Religion konvertiert ist, Rufeisen v. Minister of Interior, P.D. 16 (1962), 2428; für die englische Übersetzung siehe Selected Judgements 1962–1969, Special Volume, 1, 5. 154 LSI 6 (1952), 50 ff.; dabei ist zu beachten, daß „nationality“ hier im Sinne von Staatsbürgerschaft zu verstehen ist, nicht als Zugehörigkeit zur Nation. 155 Und war von Anfang an ein grundlegendes Konzept des jüdischen Staates, wie aus der Unabhängigkeitserklärung ersichtlich, Lustick, S. 37; Kapitel 1, B. I. u. II.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Für Araber ist es hingegen äußerst schwer, die israelische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Dies ist möglich, wenn ein Araber Israel während des Unabhängigkeitskriegs nicht „freiwillig“ verlassen hat156 oder in Israel geboren ist und ein Elternteil die israelische Staatsbürgerschaft besitzt,157 oder wenn ein Araber in Israel wohnt und ein kompliziertes und selten erfolgreiches Naturalisierungsverfahren durchläuft, an dessen Ende der Innenminister ihm kraft seines Ermessens die Staatsbürgerschaft verleiht.158 In all diesen Fällen, einschließlich dem der nicht-israelischen Ehepartner, werden jüdische Bewerber durch das Law of Return klar bevorzugt.159 (4) Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht Hinsichtlich der erörterten Gesetze läßt sich feststellen, daß gerade die Gesetze, die den jüdischen Charakter des Staates bewahren und fördern wollen, dies in einer Weise tun, die teilweise erheblich die arabische Bevölkerung diskriminiert und somit gegen die in Art. 26 ICCPR normierte Gleichheit durch das Gesetz verstößt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der politischen Repräsentation (Basic Law: The Knesset) sowie der exklusiven Nutzung von staatlichen Ressourcen wie Land, Wasser und Infrastruktur (Status der zionistischen Organi156

Art. 3 (a) des Nationality Law1952 (erweitert 1980) bestimmt: „A person born before the establishment of the state is entitled to Israeli citizenship if the following five conditions are met: 1. he did not become an Israeli citizen under any other provision of the law; 2. he was a Palestinian citizen before the establishment of the state; 3. on 14 July 1952 he was a resident of Israel registered in the Population Register; 4. on the day the amendment came into force he was a resident of Israel and registered in the Population Register; (in der alten Fassung vor 1980: „he was in Israel or in an area which became Israeli by this law comes into force, or he entered Israel legally during this period“). 5. he is not a citizen of a country listed in the Prevention of Infiltration Law.“ 157 Art. 3 (b): „A person born after the establishment of the state who is a resident of Israel on the day this law comes into force, and whose father or mother becomes an Israeli citizen under subsection (a), shall become an Israeli citizen effective from the day of his birth.“ 158 Vgl. Art. 5 (a) und 5 (b) des Citizenship Law; ausführlich zur Problematik Adalah, The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel, Legal Violations of Arab Minority Rights in Israel, A Report of Israel’s Implementation of the CERD, Shfaram 1998, S. 35 ff. 159 Weiterhin diskriminieren eine Reihe von anderen Gesetzen die arabischen Staatsbürger, die hier aus Gründen des Umfangs nicht alle besprochen werden können. Vgl. das Gesetz zur Entschädigung von Terroropfern, welches nur Opfer des gegen den Israelischen Staat gerichteten Terrors entschädigt, nicht aber Opfer jüdischen Terrors, Reparations for Victims of Hostilities Act 1970, Sefer HaChukim 1970, 126; ähnlich Property Tax and Compensation Fund Act 1961, Sefer HaChukkim 1961, 100. Für die Fälle, in denen arabische Opfer jüdischer Terroranschläge aufgrund dieses Gesetzes nicht entschädigt wurden, vgl. ACRI, ICCPR-Report (Anm. 117), S. 160 f.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

sationen).160 Diese Ungleichbehandlung basiert nicht auf vernünftigen Gründen oder auf einer gerechtfertigten temporären positiven Diskriminierung. Auch das Nationality Law behandelt die Araber ungleich, allerdings nicht als Staatsbürger, sondern hinsichtlich der Kriterien zur Erlangung der Staatsbürgerschaft. Es fragt sich jedoch, ob diese Ungleichbehandlung nach Völkerrecht gerechtfertigt ist. Für die Rechtmäßigkeit des Gesetzes werden vor allem drei Argumente angeführt: zum einen die Freiheit der Staaten, Einwanderungsgesetze und Staatsangehörigkeitserwerb frei zu regeln, zum anderen die bevorzugte Stellung von Juden hinsichtlich Einwanderung und Staatsbürgerschaftserwerb als positive Diskriminierung für historisch erlittene Nachteile anzusehen, zum dritten die Ähnlichkeit dieser Gesetze mit den Rückkehrgesetzen anderer Staaten.161 Bezüglich des ersten Arguments ist festzustellen, daß das Völkerrecht es grundsätzlich den Staaten überläßt, die Kriterien für Einwanderung und Erwerb der Staatsbürgerschaft festzulegen.162 Dieses Prinzip findet sich in der CERD wieder, die in Art. 1 Abs. 3 bestimmt, daß Unterscheidungen hinsichtlich der Gewährung von Staatsangehörigkeit vorgenommen werden dürfen, solange dabei nicht eine bestimmte Gruppe diskriminiert wird.163 Die Naturalisierungsgesetze gelten grundsätzlich für alle nichtjüdischen Bewerber gleichermaßen. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs von Art. 26 ICCPR gilt, daß Diskriminierung gegen alle Personen, die sich gemäß Art. 2 Abs. 1 unter der Herrschaftsgewalt und Jurisdiktion des Staates befinden, verboten ist. Im Umkehrschluß läßt sich dem entnehmen, daß Menschen, die sich nicht im Hoheitsbereich befinden, wie beispielsweise einwanderungsbereite Personen, diskriminiert werden dürfen. Artikel 26 i. V. m. Art. 2 ICCPR steht der völkerrechtlichen Regel der Entscheidungsfreiheit der Staaten, einen bestimmten Personenkreis zu bevorzugen, also grundsätzlich nicht entgegen.164

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Vgl. zu Art. 1 Abs. 2 ICESCR, Concluding Observations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Israel. 04/12/98. E/C.12/1/Add.27, Rn. 11, 35. 161 Ruth Lapidoth, Freedom of Religion and Conscious in Israel, in: dies./Ora Ahimeir, Freedom of Religion in Jerusalem, Jerusalem 1999, S. 3, 17 f.; Claude Klein, The Right of Return in Israeli Law, Tel Aviv University Studies 13 (1997), S. 53, 54 ff.; Jeroven van Pottelberge, The Right of Return in a Changing World Order, Tel Aviv University Studies 13 (1997), S. 311, 315 ff. 162 Robert Jennings/Arthur Watts, Oppenheim’s International Law, Bd. I, Teil 2–4, 9. Auflage, Harlow 1992, §§ 383 ff., insbes. S. 869, 875, 876; Natan Lerner, Equality of Rights under Israeli Law, Patterns of Prejudice 9/6 (1975), S. 1, 3. 163 Vgl. dazu Lerner, 1980 (Anm. 78), S. 30. 164 Hinsichtlich bereits rechtmäßig im Staat Lebender, gilt die Ermessensfreiheit des Staates jedoch nicht uneingeschränkt. Siehe Art. 15 Abs. 1 UDHR, der bestimmt, daß jeder ein Recht auf eine Nationalität hat, Art. 24 Abs. 3 ICCPR fordert dieses Recht für Kinder. Vgl. zu den Ausnahmen Jennings/Watts (Anm. 162), S. 869 ff., ACRI, ICCPR-Report (Anm. 117), S. 107 ff.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Zum zweiten Argument ist festzustellen, daß positive Diskriminierung nur solange gestattet ist, bis deren Zweck, die Revidierung historischer Nachteile, eingetreten ist.165 Daran, daß das Law of Return nach der Staatsgründung den Ausgleich furchtbarer erlittener Ungerechtigkeiten verfolgte und das Recht zur Selbstbestimmung des jüdischen Volkes garantieren wollte, ist nicht zu zweifeln. Nichtsdestotrotz fragt sich, ob das Gesetz diesen Zweck nicht längst erreicht hat und sich heute noch, in seiner jetzigen, weiten Form mit positiver Diskriminierung rechtfertigen läßt. Diese Frage ist negativ zu beantworten, da ein sehr großer Teil der heutigen Einwanderer nicht verfolgt wird oder nicht jüdisch ist, und Israel sein Recht auf Selbstbestimmung bereits realisiert hat.166 Ein Programm positiver Diskriminierung hinsichtlich verfolgter Personen ließe sich durchaus rechtfertigen. Dies müßte dann jedoch auch für die Angehörigen anderer ethnischer Gruppen Israels, wie beispielsweise die Drusen, gelten.167 Was das Argument ähnlicher Rückkehrgesetze in anderen Ländern betrifft, kann daraus kaum eine rechtliche Begründung erwachsen, solange es sich dabei nicht um eine allgemeine Staatenpraxis mit entsprechender Rechtsüberzeugung handelt.168 Im Ergebnis bleibt jedoch festzustellen, daß das Law of Return i. V. m. dem Nationality Law aus völkerrechtlicher Sicht grundsätzlich keine Diskriminierung gegen die Araber in Israel darstellt, da diese Gesetzgebung der ausschließlichen staatlichen Domäne überlassen bleibt.169 Diese Praxis läßt jedoch das Recht auf Rückkehr der 1948 geflohenen oder vertriebenen Palästinenser unbeschadet.170 Die Frage, ob es tatsächlich noch ein Primärrecht auf Rückkehr gibt oder le165

Vgl. Art. 1 Abs. 4 CERD. Asa Kasher, Justice and Affirmative Action: Naturalisation and the Law of Return, IYHR 15 (1985), S. 101, 108–112; die aktuelle Debatte um das Law of Return zeigt, daß es auch in streng jüdisch religiösen Kreisen in seiner jetzigen Fassung abgelehnt wird. Zu den Vorschlägen Yair Sheleg, A master plan for a new Israel, entworfen von Ruth Gavison und Rabbi Yaakov Meidan, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 26.09.00, http://www3.haaretz.co.il. 167 Kasher (Anm. 166), IYHR 15 (1985), S. 101, 109. 168 Welche friedensbedrohende Wirkung solche Gesetze gerade in anderen Staaten haben können, zeigt die Arbeit des OSZE High Commissioner on National Minorities, der glücklicherweise eine Auseinandersetzung zwischen den baltischen Staaten und Rußland um die erhebliche Diskriminierung der russischen Minderheit in den Staatsbürgerschaftsgesetzen dieser Staaten schlichten konnte, Jane Wright, The OSCE and the Protection of Minority Rights, HRQ 18 (1996), S. 190, 203 f. 169 Für die Ausnahmen vgl. Familienzusammenführung nach Art. 23 ICCPR. 170 Vgl. A/Res/194 III v. 11.12.1948; die Nichtanerkennung dieses Rechts auf Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge stellt für die Palästinenser, die in Israel/Palästina geboren sind, de facto eine Diskriminierung im Vergleich zu den jüdischen „Rückkehrern“ dar. Vgl. Concluding Observations of the Committee on the Elimination of Racial Discrimination: Israel. 30/03/98. CERD/C/304/Add.45, Rn. 18, sowie zu Art. 1 Abs. 2 ICESCR, Concluding Observations of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Israel. 04/12/98. E/C.12/1/Add.27, Rn. 13 u. 36. 166

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diglich ein Sekundärrecht auf Schadensersatz, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Diese Einschätzung des israelischen Staatsbürgerschaftsrechts könnte sich ändern durch ein im Juli 2003 verabschiedetes Gesetz „Nationality and Entry into Israel Law (Temporary Order)“, nach dem eine Einbürgerung von „Bewohnern der Region“, also Palästinensern aus den besetzten Gebieten, vorerst nicht mehr vorgenommen wird. Das auf ein Jahr begrenzte Gesetz mit der Möglichkeit der Verlängerung betrifft vor allem die arabische Minderheit, da Araber aus Israel teilweise Palästinenser aus den besetzten Gebieten heiraten. Das Gesetz hat problematische Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus ihrer palästinensischen Ehegatten in Israel und stellt eine Ungleichbehandlung einer bestimmten Gruppe dar. Es wurde eine Beschwerde beim High Court of Justice eingereicht, in der die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes gerügt wird.171 e) Indirekte Diskriminierung Eine Reihe von Anspruch gewährenden Gesetzen diskriminieren die arabische Bevölkerung indirekt, da sie Kriterien verwenden, die fast ausschließlich auf die jüdische Bevölkerung zutreffen.172 Eine besonders schwerwiegende indirekte Diskriminierung wird regelmäßig durch die Budgetlaws institutionalisiert. Diese verteilen in vielen Bereichen das Budget in einer Weise, daß die arabische Bevölkerung keinen, ihrem Verhältnis in der Bevölkerung auch nur annähernd entsprechenden Anteil erhält, geschweige denn einen am Bedarf orientierten Teil.173 Die jährlichen Haushaltsgesetze Israels leiden insbesondere unter mangelnder Transparenz und der Abwesenheit von klaren Kriterien hinsichtlich der Zugänglichkeit und Verteilung von Ressourcen. Darüber hinaus gewähren sie den Ministerien ein weites Ermessen hinsichtlich der genauen Verteilung, die diese mangels eindeutiger Kriterien oft in diskriminierender Weise umsetzen.174 Diese Praxis ist verwunderlich, da das Foundation of Budget Law 1985 gemäß Art. 3 Abs. A konkrete Kriterien für die Verteilung der Budgets durch die Ministerien vorschreibt.175 Erst kürzlich wurde vom High Court of Justice entschieden, daß der Haushalt des Religionsministeriums bei der Gelderverteilung für 171 Nationality and Entry into Israel Law (Temporary Order), 31.07.2003; ACRI Petitioned Supreme Court Against Amendment to Law of Citizenship, http://www.acri.org.il. 172 ACRI, ICCPR-Report (Anm. 117), S. 147 f.; Adalah, CERD-Report (Anm. 158), S. 90 ff. 173 Shlomo Swirski/Yaron Yecheskel (Adva Center), How the 2000 Israel State Budget Affects Arab Citizens, Tel Aviv 1999, S. 2 f., 5 f.; Sikkuy, 1999–2000 (Anm. 119), S. 11 f., 19 ff., 25, 33 f., 41 ff. 174 Vgl. zur bisherigen institutionalisierten Diskriminierung der Araber in Israel Kretzmer, 1990 (Anm. 127), S. 125 ff. 175 Sefer HaChukkim 60 (1985), 136, 201.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Friedhöfe Muslime diskriminiert. Richter Itzhak Zamir bestätigte in seinem Urteil: „… each state budget requires the passage of a specific law in our national legislature and thus enjoys the status and the immunity of a law. Furthermore every budget law determines what should be done with the state assets, which are also the assets of all its citizens.“176 Auch indirekte Diskriminierung stellt eine Verletzung der Rechte des Art. 26 ICCPR dar, da dieser ausdrücklich auf die De-facto-Gleichheit gerichtet ist.177 2. Gleichheit vor dem Gesetz Die Gleichheit durch das Gesetz macht jedoch nur Sinn, wenn sie auch vor dem Gesetz Durchsetzung findet, wenn also Exekutive und Judikative sich in ihrer Aufgabe dem Schutz der Gleichheit verpflichtet fühlen. a) Gleichheit im Schutz der Gleichheit Dabei ist entscheidendes Kriterium bei der Umsetzung dieses Rechts: die Gleichheit im Schutz der Gleichheit. Die israelischen Gerichte haben sich Jahrzehnte lang selten an diese Maxime gehalten.178 So wurden zwar häufig weitreichende Entscheidungen hinsichtlich der Gleichbehandlung von Frauen, Homosexuellen, Behinderten und anderen Gruppen getroffen.179 In verschiedenen Urteilen wurde auch immer wieder das Prinzip der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung als Prinzip des israelischen Rechts betont, jedoch ohne dieses Recht in einem Urteil gegenüber einem arabischen Staatsbürger ausdrücklich zu verteidigen, also entsprechende Diskriminierung festzustellen.180 Erst in den letzten Jahren veränderte das Gericht seine Einstellung zu diesem Problem. Vorher wurden die meisten Fälle, in denen Araber ihre Gleichbehandlung durchzusetzen suchten, mit der Begründung abgewiesen, daß es sich nur um eine gerechtfertigte Unterscheidung handele, nämlich ein Programm positiver Diskriminierung für die 176 Vgl. Shahar Ilan, A crying need for clarity, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 25.04.2000, S. 5; HCJ, Adalah v. Minister of Religion, v. 18.04.2000, P.D. 54 II (2000), 164 ff. Für eine englische Zusammenfassung siehe Adalah’s Case List, Status of Supreme Court Petitions, Shfaram 2000 sowie Adalah News v. 24.02.2000 einsehbar unter http://www. adalah.org. 177 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 3, C. I. 178 Problematisch ist ebenfalls die oft ungleiche Behandlung von arabischen Straftätern im Vergleich zu jüdischen, vgl. zu den Statistiken der Verurteilungen und Strafmaße Gideon Fishman/Arye Rattner, Justice for All? Jews and Arabs in the Israeli Criminal Justice System, Westport 1998. 179 Vgl. Text bei Anm. 77. 180 Vgl. Amos Shapira, Educational Liberty and Equality, in: Stephen Goldstein (Hrsg.), Law and Equality in Education, Jerusalem 1980, S. 153 f.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

jüdische Mehrheit, oder daß die Sache nicht der Kompetenz des Gerichts unterfalle und dieses zugunsten der Souveränität der Knesset in dieser Frage nicht entscheiden könne. Im Fall Wattad v. Minister of Finance versuchte ein arabischer Knessetabgeordneter eine diskriminierende Anwendung des Law for Released Soldiers 1949 sowie auf dessen Grundlage erlassene Richtlinien über Vergünstigungen für Soldaten und deren Familien zu ändern.181 Diese Richtlinien gewährten nach der Wehrpflicht entlassenen Soldaten finanzielle Vorteile. Da arabische Staatsbürger abgesehen von den meisten männlichen Drusen keinen Wehrdienst in Israel verrichten müssen, und dementsprechend nicht zwei beziehungsweise drei Jahre an Einkommens- und Ausbildungszeit verlieren, kommen sie nicht in den Genuß dieser Vergünstigungen, welche Nachteile durch den Militärdienst ausgleichen sollten. Das Finanzministerium gewährte auf Grundlage dieser Richtlinie jedoch auch Yeshiva-Studenten (Studenten der Torah) Vergünstigungen, obwohl diese ebenfalls vom Wehrdienst befreit sind. Der Beschwerdeführer argumentierte, daß diese Praxis einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung der arabischen Studenten konstituiere. Das Gericht war dagegen der Auffassung, daß Yeshiva-Studenten keine Vergleichsgruppe zu den arabischen Studenten darstellen, da das Torahstudium einen besonderen Platz in Israels Erbe genieße und deshalb eine unterschiedliche Behandlung rechtfertige.182 Eine ähnliche Argumentation verfolgte das Supreme Court im Fall Bourkan. Das Gericht entschied, daß ein arabischer Einwohner Jerusalems mit jordanischer Staatsbürgerschaft, der sich um den Kauf einer Wohnung im renovierten jüdischen Viertel der Altstadt in Jerusalem beworben hatte, abgelehnt werden kann. Begründet wurde diese Entscheidung zum einen mit der möglichen Diskriminierung von anderen Staatsangehörigen und mit der historischen Diskriminierung der Juden in Jerusalem, welche nun eine Etablierung getrennter religiöser Viertel rechtfertige.183

181 Wattad v. Minister of Finance, P.D. 38 III (1983), 113; Benefits for Soldiers and Families Act 1970 (geänd. 1983). 182 Ebda., 113, 115, 123; siehe zur Rechtfertigung dieses Urteils als „affirmative action“, Shimon Shetreet, Affirmative Action for Promoting Social Equality: The Israeli Experience in Positive Preference, IYHR 17 (1987), S. 241, 267. 183 Bourkan v. Cooperation for Reconstruction and Development of the Jewish Quarter in the Old City of Jerusalem, P.D. 32 II (1978), 800, 805 ff., englische Zusammenfassung IYHR 20 (1990), 374 ff. Das Gericht widerspricht sich etwas in seiner Begründung. Wenn es hier tatsächlich um die Bevorzugung eigener Staatsangehöriger ginge, hätte ein muslimischer oder christlicher Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft dort eine Wohnung erwerben können. Dies wäre dann jedoch kaum mit der Begründung von getrennten religiösen Vierteln zu vereinbaren gewesen. Darüber hinaus fragt sich, ob das Gericht auch so entschieden hätte hinsichtlich des Häuserkaufs von Juden im muslimischen Viertel.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Im Fall The Local Council of Dalyat El Carmel v. The Prime Minister versuchte der Rat der Gemeinde mittels Beschwerde, die gleichen staatlichen Budgetressourcen wie jüdische Gemeinden zu bekommen. Das Gericht stellte lediglich fest, daß der Prozeß, Lücken zwischen den verschiedenen Sektoren in der Bevölkerung zu schließen, von der Exekutive vorgenommen wird, welche an den von der Knesset verabschiedeten Haushalt gebunden ist.184 Die extreme Zurückhaltung des Gerichts, nicht in diskriminierende Haushaltsgesetze einzugreifen, wird besonders deutlich im Fall Adalah v. The Minister of Religious Affairs. Die Beschwerdeführer versuchten hier, eine Praxis des Religionsministeriums zu revidieren und vier Artikel des Haushalts für nichtig erklären zu lassen. In diesen Artikeln wurde den arabischen muslimischen, christlichen und drusischen Gemeinden lediglich 1,86 % des Haushalts zur Verfügung gestellt. Die Beschwerdeführer argumentierten mit dem prozentualen Anteil der arabischen Bevölkerung von nahezu 20 % und den Bedürfnissen der muslimischen, christlichen und drusischen Gemeinden. Das Gericht erkannte zwar an, daß der Haushalt diese Gemeinden prima facie diskriminiert, wies die Beschwerde jedoch mit der Begründung ab, daß keine ausreichenden Informationen hinsichtlich der Bedürfnisse jeder einzelnen Gemeinde vorgebracht worden seien. Das Gericht befand des weiteren, daß es ihm unmöglich sei, die betroffenen Artikel im Haushalt für nichtig zu erklären, da es sonst legislative Gewalt ausüben würde.185 Diese Einstellung des israelischen High Court of Justice änderte sich jedoch kürzlich in einigen Fällen. So entschied das Supreme Court in Beit HaChessed v. Ministry of Labour and Social Affairs, daß für religiöse Feste bestimmte Fonds allen bedürftigen Bürgern zur Verfügung stehen müssen und circa 20 % dieser Fonds für Bedürftige innerhalb muslimischer, christlicher und drusischer Gemeinden zu verwenden sind.186 In einem weiteren wegweisenden Urteil vom April 2000 entschied das Gericht, daß das Baubudget des Religionsministeriums muslimische Gemeinden diskriminiert und aufgrund seiner Undurchsichtigkeit gegen das Gesetz verstößt.187 Im April 2000 setzte das High Court of Justice einen ersten Meilenstein in seiner Rechtsprechung zur Gleichberechtigung der arabischen Staatsbürger im Fall

184 Vgl. Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), (Anm. 117), S. 19. 185 Das Gericht äußerte sich zum Bedauern der Beschwerdeführer im Gegensatz zu anderen Fällen nicht zu der Frage, ob die Gleichheit vom Basic Law: Human Dignity and Freedom 1992 erfaßt ist. HCJ, Adalah v. Minister of Religious Affairs, P.D. 54 V (2000), 167 ff., engl. Zusammenfassung, Adalah’s Review 1 (1999), S. 32; Adalah’s Case List, Status of Supreme Court Petitions Filed in 1997–1999; http://www.adalah.org. 186 HCJ 2422/98, Urteil 5/98, noch nicht veröffentlicht. 187 HCJ, Adalah v. Minister of Religious Affairs, P.D. 54 II (2000), 164, 168 ff.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

Kaadan v. Israeli Land Authority188. Die Beschwerdeführer, ein arabisches Ehepaar, wollten in Katzir, einer 1982 von der Jewish Agency zusammen mit der Katzir Cooperative Society errichteten Siedlung, ein Haus bauen. Die KatzirGesellschaft akzeptierte jedoch nur jüdische Mitglieder, obwohl die Siedlung auf Staatsland gebaut wurde. Das Gericht entschied zum einen, daß das Gleichheitsprinzip dem Staat verbietet, bei der Zuweisung von Boden zwischen Bürgern unterschiedlicher Religion oder nationaler Abstammung zu diskriminieren. Dieses Prinzip begründete das Gericht mit den Werten Israels als demokratischer und als jüdischer Staat. Weiterhin wurde ausgeführt, daß die Jewish Agency an den Gleichheitsgrundsatz gebunden ist, wenn ihr staatliches Land zugewiesen wird. Das bedeutet, die Jewish Agency muß auch Arabern Land anbieten, wenn es sich dabei um Staatsland handelt. Dies versäumte sie hier und verstieß somit gegen das Diskriminierungsverbot. 189 Allerdings machte das Gericht auch deutlich, daß es nur für den vorliegenden Fall und diese besondere Art von Siedlung entscheide, also kein Grundsatzurteil hinsichtlich sämtlicher Arten von Siedlungen fälle. Die Vorsicht des Gerichts angesichts der bisher unangefochtenen Freiheit der Jewish Agency, Land nach ihren Vorstellungen zuzuteilen, wird in der Wortwahl des Supreme Court deutlich: „Moreover, it is important to understand and remember that today we are taking the first step in a sensitive and difficult journey. It is wise to proceed slowly, so that we do not stumble and fall, and instead we will proceed cautiously at every stage, according to the circumstances of each case.“190

Dieses Urteil wird vor allem in der jüdischen Öffentlichkeit als erheblicher Fortschritt hinsichtlich des Schutzes der Gleichheit der arabischen Staatsbürger gewertet.191 Von anderen wird es auch kontrovers diskutiert. So sehen einige Juden in ihm das Ende des Zionismus oder gar des Staates Israels als jüdischer Staat eingeleitet.192 Auf arabischer Seite wird es dagegen von vielen angesichts des 188 HCJ, Kaadan v. Israeli Land Authority, P.D. 54 I (2000), 258 ff., englische Zusammenfassung unter http://www.court.gov.il/mishpat/html/eng, Stand v. 05.11.2000. 189 „A. We hold that the State of Israel was not permitted, by law, to allocate State land to the Jewish Agency for the purpose of establishing the communal settlement of Katzir on the basis of discrimination between Jews and Non-Jews. B. The State of Israel must consider the petitioners’ request to acquire land for themselves in the settlement of Katzir for the purpose of building their home. The State must make this Consideration based on the principle of equality, …“, ebda. 190 Ebda. 191 High Court rules for equality, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 09.03.2000, S. 5; Joseph Algazy, The Katzir Controversy, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 03.04.2000, S. 5. 192 Gideon Alon, Court Ruling outrages right, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 09.03.2000, S. 2; Dan Izenberg, Agency: Court Ruling threatens Israel’s hold on Galilee, Negev, Jerusalem Post v. 09.03.2000 (engl.Ausg.), S. 3; dagegen Ruth Gavison, Jewish and Democratic, Adalah’s Review 2 (2000), S. 32, 35.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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einzelfallbezogenen Charakters als nicht weitreichend genug empfunden.193 Als enttäuschend bewertet wird insbesondere, daß das Urteil mit seinem zukunftsbezogenen Grundton die vergangene Diskriminierung und Enteignung von arabischen Bürgern ebenso wie die unrühmliche Rolle des Jewish National Fund in Kooperation mit der Israel Land Authority außer Acht ließ.194 Wenn Zionismus gleichbedeutend ist mit Diskriminierung und der Vorenthaltung staatlicher Ressourcen gegenüber einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, dann hat diese Entscheidung dem Zionismus tatsächlich einen harten Schlag versetzt. Für die Gleichbehandlung der arabischen Minderheit war dies hingegen eine längst überfällige Entscheidung, die einen Bereich betrifft, in dem die meisten Spannungen zwischen Mehrheit und Minderheit bestehen: das Recht auf einen Anteil am Land, bei dem die arabische Minderheit seit der Staatsgründung immer mehr Abstriche machen mußte, bis hin zu unhaltbaren Wohn- und Lebensbedingungen, von Eigentumsrechten ganz zu schweigen.195 Angesichts der bereits beschriebenen schwierigen Stellung des High Court of Justice ist diese Entscheidung als erster vorsichtiger Schritt in die richtige Richtung begrüßenswert. Allerdings weigerten sich die Israel Land Authority, die Jewish Agency und die Siedlung Katzir bis jetzt vehement das Urteil umzusetzen, woraufhin eine neue Beschwerde eingereicht wurde. b) Gleichbehandlung bei Verwaltungsentscheidungen Die Verwaltung in Israel darf nur aufgrund einer speziellen Ermächtigungsgrundlage handeln. Ausnahme ist dabei die Regierung, welche durch die Generalklausel des Art. 29 Basic Law: The Government, ermächtigt ist zu: „any act, the doing of which is not enjoined by law upon another authority.“196 Überdies kann die Regierung Notstandsverordnungen erlassen, welche bestehende Gesetze, abgesehen von einigen Basic Laws, für einen begrenzten

193 Einige arabische Anwälte fürchten darüber hinaus, daß dieses Urteil „kollektive“ Eigentumsrechte der Araber am Boden in Israel vereiteln könnte, Adalah’s Comments on the Supreme Court’s Decision in the Kaadan Case, Adalah News v. 02.04.2000, www. adalah.org, S. 1–4; Moshe Cohen, Case Critique, Adalah’s Review 1 (1999), S. 37–39; Nina Gilbert, Arab, right-wing MKs at odds over ruling, Jerusalem Post v. 09.03.2000 (engl. Ausg.), S. 5. 194 Vgl. zur Kritik der Unzulänglichkeiten des Urteils Ronen Shamir, Zionism 2000: Past, Future and the Qa’adan Family, Adalah’s Review 2 (2000), S. 27 ff.; Marwan Delal, A Reading in the Unread in the Qa’adan Decision: The Guest, the House and the Judge, Adalah’s Review 2 (2000), S. 44, 45 ff. 195 Vgl. Kapitel 1, B. II.; Kapitel 3, C. II. 1. d) (2). 196 LSI 22 (1967–1968), 257, 262.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

Zeitraum einschränken beziehungsweise ändern können.197 Obwohl Israel weder über ein umfassend kodifiziertes Verwaltungsrecht noch Verwaltungsverfahrensrecht verfügt, bestehen Regeln für das verwaltungsrechtliche Verfahren, welche durch das Supreme Court entwickelt wurden.198 Die Verwaltung ist an rechtsstaatliche Prinzipien wie Anhöhrungsrecht, Handeln nach gutem Glauben und Verhältnismäßigkeit gebunden199, und es ist dem Gericht vorbehalten, alle öffentlichen Körperschaften auf die Einhaltung dieser Regeln hin zu überprüfen. Dies schließt auch die Anwendung von Notstandsverordnungen ein.200 Problematisch ist jedoch, daß die Rechtsdurchsetzung in Israel teilweise sehr partiell erfolgt, und selbst Urteile des Supreme Court von den anderen Gewalten nicht umgesetzt werden.201 Dies wirkt sich fatal auf die arabische Minderheit aus, und schwächt das Vertrauen in den Rechtsweg und die staatliche Gewalt. So verfolgte beispielsweise das Innenministerium jahrelang die Praxis, arabischen Bürgerinnen ihre israelische Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn sie einen Palästinenser aus den besetzten Gebieten heirateten und ihrem Ehemann nach islamischer Sitte an dessen Wohnort folgten, mit der Begründung, daß sie ihren Wohnsitz in Israel dann aufgäben. Merkwürdigerweise hat das Innenministerium noch nie die Staatsbürgerschaft einer jüdischen Israelin entzogen, die sich entschloß mit ihrem Ehemann in Amerika zu leben oder ihrem Mann in die Siedlungen in den besetzten Gebieten zu folgen. Nach einer Beschwerde beim Supreme Court stellte das Gericht fest, daß diese Praxis diskriminierend, verletzend und extrem roh sei, und die Staatsbürgerschaft der Frauen wieder herzustellen ist. Das Ministerium hat darauf hin bis jetzt in keinem Maße ausreichend reagiert.202

197

Art. 9 Law and Administration Ordinance 1948, LSI 1 (1948), 7 f.; vgl. dazu Asher Maoz, The System of Government in Israel, Tel Aviv University Studies in Law 8 (1988), S. 28, 29. 198 So beispielsweise das Prinzip des fairen Verfahrens, der sachgemäßen Entscheidungsgründe etc., Segal, in: Shapira/Dewitt-Arar (Anm. 10), S. 59, 62 ff. 199 HCJ, Bergmann v. Ministry of Finance, P.D. 24 I (1969), 693, 698, IYHR 2 (1972), S.236, 342 ff.; Initial Report of States Parties due in 1993: Israel. 09/04/98. CCPR/C/81/ Add.13, paras. (?) 824. 200 HCJ, Poraz v. Government of Israel, P.D. 44 III (1990), 317. 201 Eines der jüngsten Beispiele ist hier der Präzedenzfall Kaadan v. Israeli Land Authority (Anm. 188). Nach acht Monaten wurde der arabischen Familie immer noch kein Land für ihren Hausbau angeboten, woraufhin die Beschwerdeführer einen Antrag wegen Mißachtung des Gerichts stellten, vgl. Dan Izenberg, ACRI presses Court to act on Land Discrimination, Jerusalem Post v. 23.11.00, http://www.jerusalempost.com. 202 HCJ 2271/98 A’abed et al v. Minister of Interior et al, vgl. ACRI, ICCPR-Report (Anm. 117), S. 112, sowie Programm Report for the Ford Foundation, September 2000, S. 4.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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Auch die Urteile des Supreme Court hinsichtlich der Rückkehr der aus ihren Dörfern unrechtmäßig evakuierten Bewohner von El Gabsiya sowie Ikrit und Birem warten seit fünfzig Jahren auf ihre Umsetzung.203 c) Wirksamer Schutz vor Diskriminierung Der wirksame Schutz des einzelnen vor Diskriminierung ist in einigen Bereichen rechtlich ausdrücklich normiert, scheint aber von den staatlichen Organen häufig wenig ernst genommen zu werden. Dies zeigt sich beispielsweise an vielfacher Diskriminierung bei der Einstellung, Diskriminierung hinsichtlich des Zugangs zu öffentlichen Plätzen sowie in der laxen Behandlung von rassistischen Äußerungen gegen die arabische Minderheit. In verschiedenen Fällen wurde Arabern der Zutritt zu Einrichtungen mit Öffentlichkeitsbezug, wie beispielsweise Schwimmbädern oder Restaurants verwehrt. In den darauf erhobenen Schadensersatzklagen wurde jedoch durch die Gerichte eine Diskriminierung festgestellt und Kompensation für diese Behandlung gewährt.204 Inzwischen besteht ein Gesetzesvorschlag, der die Verweigerung von Zugang zu quasi-öffentlichen Einrichtungen ausdrücklich verbietet.205 Hinsichtlich der Einstellung von Bewerbern kommt es oft zu Diskriminierung gegen Araber, obwohl dies auch Privatpersonen durch das Equal Employment Opportunities Law 1988 (erweitert 1995) ausdrücklich untersagt ist.206 Neben direkter Diskriminierung von Arabern durch den jeweiligen Arbeitgeber, wird in Stellenanzeigen oft der Armeedienst als Qualifikationskriterium für Berufe gefordert, für welche dieser völlig irrelevant ist. Auf diese Weise werden arabische Bewerber, die zum größten Teil keinen Armeedienst leisten, ausgeschlossen.207 Das israelische Rechtssystem verbietet rassistische Hetze in Art. 144 A–D des Penal Law. Danach ist Rassismus „prosecution, humiliation, degradation, a display of enmity, hostility or violence, or causing violence against a public or parts 203 Vgl. zu El Gabsiya, HCJ, Asslan v. Military Commander, P.D. 5 III (1951), 1480; zu Birim und Ikrit, Dahod v. Minister of Defence (1951), P.D. 5 II (1951), 1117; Dahod v. The Military Committee of Appeals for the Galilee (1951), P.D. 6 I (1952), 229; zur Verzögerungstaktik der Regierung vgl. Globes, 27.06.2003, http://www.globes.co.il. 204 ACRI, Programm Report for the Ford Foundation (Anm. 139), S. 7. 205 ACRI, ACRI’s Annual Report (Anm. 123), S. 3. 206 Vgl. Text bei Anm. 94. 207 Vgl. ACRI, The Association for Civil Rights in Israel, Comments on the Combined Initial and Second Periodic Report Concerning the Implementation of the United Nations Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR), Jerusalem 1998, S. 28, ACRI, ICCPR-Report (Anm. 117), S. 139 f.; Adalah, Adalah Demands Compensation and Punitive Damages for Employment Discrimiation, Adalah News v. 13.07.2000, www. adalah.org.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

of the population, all because of their colour, racial affiliation or national ethnic origin.“ Die Publikation und der Besitz von rassistischen Äußerungen, in der Absicht begangen damit aufzuhetzen, werden mit Gefängnisstrafe geahndet. Art. 144 D enthält darüber hinaus eine Bestimmung, die den Strafrahmen einer Straftat verdoppelt, wenn diese aus rassistischen Motiven begangen wurde.208 Trotz dieser vor Rassismus schützenden Gesetze, werden die Vorschriften vom Generalstaatsanwalt kaum angewandt, wenn es um Haßrede gegen die arabische Minderheit geht. Auch die Gerichte waren bis jetzt sehr zurückhaltend mit der Verurteilung von Haßreden gegen die arabische Bevölkerung. So wurde beispielsweise Rabbi Ginsburg, der das in Hebron von Baruch Goldstein begangene Massaker als durch Gott geheiligt proklamierte, nicht wegen rassistischer Hetze verurteilt.209 Um die faktische Gleichheit der Araber insbesondere im sozio-ökonomischen Bereich zu verbessern, wurde verschiedene Male Anlauf genommen, positive Diskriminierung für die arabische Minderheit zu implementieren, insbesondere im Bereich der Erziehung, der Infrastruktur und des Budgets der arabischen Gemeinden.210 Das Prinzip der affirmative action wurde vom Supreme Court als legitimes Mittel zur Verwirklichung der faktischen Gleichheit anerkannt. Das Gericht bekräftigte dieses Prinzip bezüglich einer dem Bevölkerungsanteil entsprechenden Vertretung von Arabern im Israeli Lands Administration Council, einem Gremium der Israel Land Authority, die auch durch positive Diskriminierung erreicht werden müsse.211 Auch nach den blutigen Zusammenstößen zwischen arabischen, teilweise gewalttätigen Demonstranten und der israelischen Polizei im Herbst 2000, bei denen dreizehn arabische Staatsbürger erschossen wurden, nahm die Regierung wieder einmal ein affirmative action Programm in Angriff: den Entwicklungsplan für den arabischen Sektor. Dieser Plan wurde im Oktober 2002 verabschiedet und sieht vor, vier Milliarden NIS für Entwicklungen im Bereich Infrastruktur, Wirt-

208 Penal Law, Third Addition, Part I, including Amendment No. 52, Aryeh Greenfield (Hrsg.), August 1999, S. 59, für eine ausführliche Diskussion dieser und anderer Gesetze gegen Rassismus vgl. Tabory (Anm. 87), IYHR 17 (1987), S. 270, 275 ff. 209 Dies ging auf die Nachlässigkeit der Staatsanwaltschaft zurück, die eine Anklage nach Art. 144 Penal Code merkwürdigerweise vergaß, Rabbi Ginsburg v. The Minister of Defence P.D. 50 III (1996), 221; vgl. für weitere Beispiele Adalah, CERD-Report (Anm. 158), S. 95 ff. 210 Vgl. Druze leaders sign treasury agreement, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 24.09.00, www3.haaretz.co.il; dazu Sikkuy, The Association for Advancement of Civic Equality, 1999–2000 (Anm. 119), S. 26, 30, 37 f.; dies., Equality and Integration, Retrospect and Prospect 1992–1996, Jerusalem 1996, S. 9 ff., 29 ff., 32. 211 HCJ, Avitan v. Israel Land Administration et al, P.D. 43 IV (1989), 297, 299; ACRI, Fair Representation of Arabs on Israeli Lands Administration Council, v. 09.07.2001, http://www.acri.org.il.

C. Das Recht auf Gleichbehandlung

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schaft und Bildung auszugeben.212 Die Implementierung dieser Programme ist jedoch sehr unterschiedlich und kann eine gerechte, langfristige Planung sowie proportionale Kriterien im Haushalt nicht ersetzen. Im Bereich positiver Maßnahmen zum Ausgleich erlittener Diskriminierung läßt sich ein Fortschritt durch die Erweiterung des Civil Service (Appointment) Law und des Government Companies Law feststellen. Danach müssen alle Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und staatlicher Unternehmen einen angemessenen Anteil ihrer Beschäftigten bis hin zu Positionen in Aufsichtsräten aus der arabischen Bevölkerung, einschließlich der Drusen und Kirkassen, stellen. Dabei ist solange bevorzugt aus diesen Gruppen einzustellen, bis eine angemessene Repräsentation der Araber erreicht sein wird.213 Diese Gesetzesänderungen sind insbesondere deshalb von Bedeutung, da sie Arabern den Zugang zu entscheidungserheblichen Positionen und eine ausgeglichene Repräsentierung der arabischen Minderheit im politisch-staatlichen System ermöglichen.214 III. Bewertung der Gleichbehandlung nach Völkerrecht Das Recht auf Gleichbehandlung durch das Gesetz ist wie bereits dargestellt nicht ausreichend im israelischen Rechtssystem implementiert, welches durch verschiedene Gesetze direkt oder indirekt gegen die arabische Bevölkerung diskriminiert. Auch das 1992 verabschiedete Basic Law: Human Dignity and Freedom kann diesen Schutz angesichts der ungesicherten Kompetenzen des Supreme Court nicht konsequent garantieren. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist im Prinzip besser gewährleistet, leidet aber an der Einstellung der Verwaltung sowie dem eher zurückhaltenden Willen der Gerichte, die Gleichheit der Araber ebenso zu schützen wie beispielsweise die Gleichheit anderer benachteiligter Gruppen. Aus diesen Gründen sind die Rechte der arabischen Bürger nach Art. 26 S. 1 ICCPR verletzt. Auch wird Israel seinen Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 lit. a–c CERD nicht gerecht. Der Schutz vor Diskriminierung ist trotz entsprechender Gesetzgebung insbesondere auf horizontaler Ebene nicht ausreichend gewährleistet, was auf die Einstellung der Exekutive und Judikative bei der Durchsetzung der Gesetze sowie 212

Vgl. Partners with Equal Rights, Ha’aretz (engl.Ausg.) v. 13.12.00; Moshe Reinfeld, ACRI, Arab Lobby Demand State Spend Budgets for Arab Sector, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 29.12.2002, http://www. haaretzdaily.com. 213 Vgl. Art. 15 A Civil Service Law (Appointments) (Amendment No. 11), 5761-2000; Art. 18 Government Companies Law (Amendment No. 11), 5760-2000; englische Übersetzung, Sikkuy (Anm. 119), 2000–2001, S. 27 und 29. 214 Ein ähnlicher Gesetzesvorschlag wurde kürzlich für die generelle Einstellung von Beamten im öffentlichen Dienst eingebracht. Vgl. Gideon Alon, Bill to boost Arabs in civil service, Ha’aretz (engl.Ausg.) v. 06.11.2000, http://www3.haaretz.co.il.

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Kap. 3: Existenz- und Gleichheitsrechte

auf den mangelnden Willen, durch Aufklärung und Erziehung tief verwurzelte Vorurteile gegen die arabischen Bürger abzubauen, zurückzuführen ist.215 Die Maßnahmen des Staates erreichen damit nicht die geforderte Effektivität beim Schutz vor Diskriminierung. Andererseits sind beim Supreme Court verstärkte Bemühungen festzustellen, die Gleichheit verfassungsrechtlich umfassender zu schützen. Auch verschiedene Initiativen, Gesetze für die Verwirklichung faktischer Gleichheit zu erlassen, sind als Versuch zu sehen die in Art. 26 S. 2 Hs. 2 ICCPR und Art. 2 und 3 CERD festgelegten Verpflichtungen zu erfüllen. Die stärksten Verletzungen der Gleichheitsrechte verursacht die Exekutive, welche sich den Urteilen des obersten Gerichts nur teilweise verpflichtet fühlt und somit ihre Bereitschaft zur Rechtsstaatlichkeit beträchtlichen Zweifeln aussetzt.

215

Vgl. die Bildungsziele in israelischen Schulen, Kapitel 5, A. II. 1. b).

Kapitel 4

Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion Neben den Rechten auf Existenz und Gleichbehandlung ist das Recht einer Minderheit, ihre Identität als Gruppe zu bewahren, die dritte Säule des Minderheitenschutzes. Während das Recht auf Existenz den physischen Bestand der Gruppe sichern, das Recht auf Gleichbehandlung sie vor Diskriminierung schützen soll, verfolgt das Recht zur Bewahrung der eigenen Identität den Zweck, eine erzwungene Assimilierung von Minderheiten zu verhindern. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Rechten, die jeder für sich in Anspruch nehmen kann, erfordert der Schutz der Minderheitenidentität besondere, nur für bestimmte Rechtsträger geschaffene Ansprüche. Begründet werden diese speziellen Rechte mit der Schutzbedürftigkeit der Angehörigen von Minderheiten. Während Individuen und Gruppen, die sich mit der Mehrheit in einem Staat identifizieren, sich innerhalb dieser Mehrheit verwirklichen können, lastet auf Individuen, die sich mit einer Minderheit identifizieren, ein ungleicher Druck, sich anzupassen und die eigene Identität entsprechend zu ändern.1 Insbesondere gegenüber Minderheiten, die es sich nicht aussuchen konnten, unter einer anderen Mehrheitsbevölkerung zu leben, beschränkt der Assimilierungsdruck der Mehrheit so die freie Selbstbestimmung der Angehörigen solcher Gruppen. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt und erforderlich, Angehörigen von Minderheiten besonderen Schutz für den Erhalt ihrer Identität zukommen zu lassen. Aufgrund des im Gegensatz zum Völkerbund sehr individualrechtlichen Ansatzes der Vereinten Nationen erhielten die Anliegen von Minderheiten Jahrzehnte lang wenig Beachtung.2 So enthält die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (UDHR) auch keine Bestimmung für Minderheiten, obgleich vor ihrer Verabschiedung verschiedene Entwürfe dazu vorgebracht worden waren.3 Obwohl die Ge1 Klaus Dicke, VN-Deklaration zum Minderheitenschutz, Europa-Archiv 48 (1993), S. 107, 115; Felix Ermacora, The Protection of Minorities before the United Nations, RdC 182 (1983), S. 247, 323 f. 2 Vgl. zum Minderheitenschutzsystem im Völkerbund Jacob Robinson, From Protection of Minorities to Promotion of Human Rights, Jewish Yearbook of International Law 1 Jerusalem (1949), S. 115 ff.; Einleitung sowie Kapitel 2, A. 3 Johann Wolfgang Brügel, Internationaler Minderheitenschutz nach dem Zweiten Weltkrieg, EA (1972), S. 421, 423; Otto Kimminich, Minderheiten, Minderheitenschutz, in: Roman Herzog/Hermann Kunst/Klaus Schlaich/Wilhelm Schneemelder (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Bd. 1, 3. Aufl., Stuttgart 1987, S. 2146, 2149–2151.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

neralversammlung im Zusammenhang mit der Verabschiedung der UDHR erklärte, daß die Vereinten Nationen „… cannot remain indifferent to the fate of minorities“, dauerte es fast zwanzig Jahre, bis die Arbeit der Unterkommission in der Verabschiedung des Art. 27 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) fruchtete, der zentralen völkerrechtlichen Vertragsnorm zum Minderheitenschutz. In Art. 27 ICCPR werden insbesondere drei Bereiche der Identität geschützt: Religion, Kultur und Sprache: „In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.“

Der Kompromißcharakter des Art. 27 wird zum einen anhand der Rechtsträger dieser Norm deutlich. Es sind die Angehörigen von Minderheiten, nicht die Minderheiten selbst. Diese Formulierung wurde gewählt, da Minderheiten noch nicht als Völkerrechtssubjekte anerkannt sind.4 Gleichzeitig wurde der kollektive Charakter der Norm durch die Gewährung der „gemeinsamen Ausübung“ hervorgehoben. Der zweite Kompromiß liegt in der negativen Formulierung „darf Angehörigen … nicht das Recht vorenthalten werden“, mit dem der Ausschluß positiver Ansprüche gesichert werden sollte. Während im Europarat, der OSZE und der Europäischen Union inzwischen spezielle Konventionen sowie rechtliche und politische Mechanismen entstanden sind, um einen detaillierten Schutz von Minderheiten zu gewährleisten und Minderheitenkonflikte zu vermeiden5, versagten auf völkerrechtlicher Ebene bis jetzt die Versuche der Verabschiedung einer umfassenden Konvention, welche detail-

4 Rainer Hofmann, Minority Rights: Individual or Group Rights? A Comparative View on European Legal History, GYIL 41 (1998), S. 357, 378 ff.; Kay Hailbronner, The Legal Status of Population Groups in a Multinational State under Public International Law, in: Yoram Dinstein/Mala Tabory (Hrsg.), The Protection of Minorities and Human Rights, Dordrecht/Boston/London 1992, S. 117, 124; Yoram Dinstein, Freedom of Religion and the Protection of Religious Minorities, in: ders./Mala Tabory (Hrsg.), The Protection of Minorities and Human Rights, Dordrecht/Boston/London 1992, S. 145, 158. 5 Vgl. zum Diskriminierungsverbot gegen Angehörige von nationalen Minderheiten Art. 14 EMRK; das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, erkennt in Art. 5 an, daß wesentliche Bestandteile der Identität die gemeinsame Religion, Kultur und Sprache sind, BGBl. 1997 II, S. 1408; die Europäische Charta der Regionalund Minderheitensprachen v. 05.11.1992, ETS 148; Prinzip 7, Abs. 4 der KSZE Schlußakte von Helsinki v. 01.08.1975, http://www.osce.org/docs/german/1990-1999/ summits/helfa75g.htm; Prinzipien 18 und 19 des CSCE Vienna Concluding Document vom 04.11.1986–19.01.1989, http://www.osce.org/docs/english/1973-1990/follow_ups/ vienn89e.htm; Mandat des OSCE High Commissioner on National Minorities, CSCE Helsinki Summit v. 09.–10.07.1992, http://www.osce.org/docs/english/1990-1999/ summits/hels92e.htm; Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK sowie einer Autonomiekonvention, Christoph Pan/Beate Sibille Pfeil, Die Volksgruppen in Europa, Wien 2000, S. 263 ff.

A. Völkerrechtliche Grundlagen

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liert die Rechte und Pflichten von Minderheiten regelt.6 Im Jahr 1992 wurde von der Generalversammlung eine Deklaration zum Schutz von Minderheiten angenommen, welche insbesondere der Implementierung von Art. 27 ICCPR dienen soll und sich eingehender mit den drei Schutzbereichen – Kultur, Religion und Sprache – beschäftigt7. In diesem Kapitel soll zunächst die Wahrung der religiösen Identität von Minderheiten näher beleuchtet werden.

A. Völkerrechtliche Grundlagen Die Freiheit, seine Religion allein oder in Gemeinschaft mit anderen auszuüben, ist eines der ältesten und herausragendsten Menschenrechte, nicht zuletzt, da dieses Recht im Verlauf der Geschichte so ausdauernd wie kein anderes verletzt wurde.8 Im Namen der Religion wurden so viele Kriege geführt und Menschenrechte mißachtet wie kaum für irgendeine andere Sache.9 Erste Schutzbestimmungen für religiöse Minderheiten lassen sich bereits im Augsburger Religionsfrieden und im Westfälischen Frieden ausmachen, welche religiösen Minderheiten nach dem Grundsatz cuius regio eius religio eine Ausreiseoption gewährten, wenn ihr Glaube mit dem des herrschenden Fürsten nicht übereinstimmte.10 Die aus dem Naturrecht abgeleitete Religionsfreiheit wurde so zur Grundlage für die weitere Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten.11

6 Vgl. auch Berichte zu Minderheitenproblemen UN Docs. E/CN.4/Sub.2/1990/46; E/CN.4/Sub.2/1991/43, E/CN.4/Sub.2/1992/37, Add.1. 7 UN Doc. A/47/49 = A/Res/47/135, 211; vgl. Dicke (Anm. 1), Europa-Archiv 4 (1993), S. 107, 110. 8 Vgl. für die theoretischen Grundlagen der Sonderstellung der Religionsfreiheit Otto Kimminich, Religionsfreiheit als Menschenrecht, Mainz 1990, S. 78–81. 9 „It is regrettable that, at the end of the twentieth century, religious intolerance and bigotry should remain, as they have over centuries a prime cause of division between states. No topic has devided mankind more and it is unlikely that the United Nations will find acceptable solutions quickly.“ Warwick Alexander MacKean, Equality and Discrimination under International Law, Oxford 1983, S. 123; vgl. zum Hintergrund religiöser Intoleranz, Bahiyyih G. Tahzib, Freedom of Religion or Belief: Ensuring Effective International Legal Protection, The Hague 1996, S. 23 ff. 10 Zur Rechtsgeschichte des Minderheitenschutzes siehe Francesco Capotorti, Minderheiten, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Handbuch der Vereinten Nationen, 2. Aufl., München 1991, S. 596–608; Renate Oxenknecht, Der Schutz ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten in Art. 27 des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte v. 16. Dez. 1966, Frankfurt a. M. 1986, S. 6 ff.; Patrick Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, Oxford 1991, S. 25; Kimminich, in: Evangelisches Staatslexikon (Anm. 3), S. 2146, 2147. 11 Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., Bad Homburg v. d. H. 1959, S. 411.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

I. Rechtsquellen Die Religions- und Gewissensfreiheit ist heute in einer Vielzahl von völkerrechtlichen Instrumenten kodifiziert, welche zusammen mit den besonderen Bestimmungen für religiöse Minderheiten den Schutzumfang der Religionsfreiheit einer Minderheit bestimmen. Die Religionsfreiheit wird auf vertraglicher Ebene durch Art. 18 UDHR 194812, Art. 18 ICCPR 196613 sowie Art. 14 Übereinkommen über die Rechte des Kindes 198914 geschützt. Ähnlich der Anstrengungen um eine spezielle Konvention zum Schutz von Minderheiten, scheiterten trotz verschiedener Studien bis jetzt die Bemühungen, eine internationale Konvention zur religiösen Toleranz zu verabschieden.15 Stattdessen wurde die Declaration on the Elimination of All Forms of Religious Intolerance and of Discrimination Based on Religion or Belief 198116 verabschiedet, welche die Religionsfreiheit umfassend schützt und zur Auslegung der bestehenden Konventionen herangezogen werden kann.17 Darüber hinaus sind die Rechte religiöser Minderheiten in Art. 27 ICCPR sowie in den Artikeln 1 bis 4 der Minderheitendeklaration von 1992 normiert. Auch in den regionalen völkerrechtlichen Instrumenten finden sich zahlreiche Vorschriften zur Religionsfreiheit.18

12 Art. 18 UDHR: „Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden.“ 13 Art. 18 Abs. 1 S. 1 ICCPR: „Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.“ 14 Im folgenden Kinderkonvention; Art. 14 Abs. 1: „Die Vertragsstaaten achten das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.“ 15 Vgl. die Präambel and Twelve Articles of the Draft International Convention on the Elimination of All Forms of Religious Intolerance, von der Kommission angenommen am 09.03.1967, UN Doc. E/4322, E/CN.4/940 (1967), nachgedruckt UN Doc. E/4393 (1967), UN Doc. A/6660; Annex I (1967), Annex III (1970); UN Doc. A/8330, Annex III (1971). 16 UN GA Res. 36/55 v. 25.11.1981, ILM 21 (1982), S. 205; für die Quellen der anderen Konventionen vgl. Kapitel 3, C. I. 1. 17 Art.1: „Everyone shall have the right to freedom of thought, conscience and religion. This right shall include to have a religion or whatever belief of his choice, and freedom, either individually or in community with others and in public or private, to manifest his religion or belief in worship, observance, practice and teaching.“ 18 Art. 9 EMRK; Art. 5 bis 8 des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten, Art. 12 AMRK, AJIL 65 (1971), S. 679, 684; Art. 8 African Charter on Human and Peoples’ Rights, ILM 21 (1982); Prinzip VII der Schlußakte von Helsinki, ILM 14 (1975), S. 1292, 1295, sowie Prinzip 16.4 der Schlußakte von Wien 1989.

A. Völkerrechtliche Grundlagen

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II. Rechtsinhalt und Rechtscharakter Der Umfang des Schutzes der religiösen Identität einer Minderheit ergibt sich zunächst aus dem Rechtsumfang der Religionsfreiheit an sich, und zwar aus forum internum und forum externum. Nach der Erörterung dieser Inhalte ist zu klären, ob die Angehörigen einer religiösen Minderheit weiterreichende Rechte genießen, die in der Religions- und Gewissensfreiheit für „jedermann“ nicht enthalten sind. 1. Forum internum Das forum internum schützt den auf die eigene Person beschränkten Bereich der Religions- und Gewissensfreiheit, nämlich die Freiheit nach eigener Wahl eine Religion oder Weltanschauung zu besitzen oder anzunehmen.19 Dabei sind die Begriffe Religion und Weltanschauung sehr weit zu verstehen.20 Für den Zweck dieser Arbeit kann auf die Definition im General Comment der Menschenrechtskommission zu Art. 18 ICCPR zurückgegriffen werden, welcher ausführt: „Art. 18 protects theistic, non-theistic and atheistic beliefs, as well as the right not to profess any religion or belief. The terms belief and religion are to be broadly construed. Art. 18 is not limited in its application to traditional religions or to religions or beliefs with institutional characteristics or practices analogous to those of traditional religions.“21

Die Bestimmungen der Art. 18 Abs. 1 und Art. 27 ICCPR verpflichten die Staaten, von jeder Einmischung in die spirituelle Existenz des einzelnen durch Indoktrination oder Manipulation abzusehen, sowie den einzelnen vor Eingriffen Dritter in dieser Hinsicht zu schützen.22 Dieses Recht gilt uneingeschränkt.23 Die Grenze 19

Art. 18 Abs. 1CCPR: „Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfaßt die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen“; Art. 27 ICCPR: „in community with the other members … to profess … their own religion.“ 20 Vgl. dazu die Studie von Krishnaswami, in der die Formulierung „religion or belief“ benutzt wird, um zu verdeutlichen, daß auch andere Formen wie Agnostizismus, Atheismus und Rationalismus mit erfaßt sind, Arcot Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practice, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/Rev. 1 (1960), New York University Journal of International Law and Politics 11 (1978/79), S. 227, 247. 21 General Comment 22 (48) on Article 18/Freedom of thought v. 20.07.1993, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.4, HRLJ 15 (1994), S. 233 ff. 22 Jochen Abraham Frowein/Wolfgang Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention: EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl/Strassbourg/Arlington 1996, S. 212, 220; Manfred Nowak, The UN Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR-Commentary, Kehl/Straßburg/Arlington 1989, Art. 18, Rn. 10, 17. 23 General Comment Art. 18 (Anm. 21), Rn. 3.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

zwischen zulässiger und verbotener Einmischung ist dabei überschritten, wenn die Einmischung mit Zwang24 oder Täuschung vorgenommen wird.25 2. Forum externum Das forum externum ist auf die Ausübung der Religion gerichtet. Geschützt ist die Freiheit, das eigene Leben allein und in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen nach seinem Glauben auszurichten. Dabei sind in Art. 18 Abs. 1 S. 2 ICCPR vier Bereiche der Äußerung des Glaubens geschützt:26 „… seine Religion oder Weltanschauung allein oder in der Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden.“

Die gemeinschaftliche Ausübung des Glaubens von den Angehörigen einer religiösen Minderheit wird über Art. 27 ICCPR gesichert: „gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe … ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben, …“.

Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung durch Gottesdienst zu bekunden, schließt dabei die freie Wahl religiöser Gebete, die Gestaltung von Ritualen, den Austausch und die Publikation religiöser Meinungen sowie die öffentliche oder private Versammlung der Gläubigen mit ein.27 Außerdem ist der Bau und die Unterhaltung von Gebetshäusern davon umfaßt.28 Das Recht, religiöse Gebräuche zu befolgen, umfaßt unter anderem besondere Diätregeln, Haar- und Barttracht, Kleidung, das Heiligen bestimmter Ruhetage, das

24 Art. 18 Abs. 2: „… niemand darf einem Zwang ausgesetzt werden, der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde.“ 25 Dinstein, in: ders./Tabory (Hrsg.), (Anm. 4), S. 145, 149; Natan Lerner, Towards a Draft Declaration against Religious Intolerance and Discrimination, IYHR 11 (1981), S. 82, 93 f.; ders., Religion, Beliefs and International Human Rights, Meryknell N.Y. 2000, S. 15, über moralischen Druck und materielle Bevorzugung; Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 22), Art. 18, Rn. 10. 26 Für eine ausführliche Aufzählung und Besprechung der einzelnen Rechte der Ausübungsfreiheit vgl. auch Art. 5 des Entwurfs für eine Konvention zur Religionsfreiheit, Dinah Shelton/Alexandre Kiss, A Draft Model Law on Freedom of Religion, with Commentary, in: Johan D. van der Vyver/John Witte (Hrsg.), Religious Human Rights in Global Perspective, Bd. II, Legal Perspectives, The Hague/Boston/London 1996, S. 559, 563. 27 Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 22), Art. 18, Rn. 21–24. 28 Vgl. General Comment Art. 18, Rn. 4; Art. 6 Deklaration zur religiösen Toleranz (Anm. 37); vgl. auch ECHR, Manoussakis v. Greece, v. 26.09.1996 (59/1995/565/651), Reports 1996-IV, Rn. 47 ff.; Thazib (Anm. 9), S. 88 f.

A. Völkerrechtliche Grundlagen

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Feiern religiöser Feste, das Unternehmen von Prozessionen und anderen religiösen Riten wie beispielsweise Hochzeiten, Beerdigungen und Pilgerfahrten.29 Problematisch ist, ob die Beachtung religiöser Bräuche auch einen Anspruch auf eine religiöse Gerichtsbarkeit beinhaltet. Für ein solches Recht spricht der Umstand, daß eine religiöse Ausrichtung des Lebens oft auch religiöse Regeln hinsichtlich des Familien- und Personenstandsrechts einschließt. Teilweise wird argumentiert, daß die Anwendung religiösen Familienrechts von der Religionsfreiheit geschützt sei, soweit dieses im gesamtstaatlichen Recht inkorporiert sei und nicht gegen internationale Mindeststandards verstoße.30 In den völkerrechtlichen Instrumenten zur Religionsfreiheit läßt sich jedoch kein Hinweis auf ein solches Recht finden. Nach allgemeiner Ansicht besteht ein solches Recht nicht, vielmehr liegt es im Ermessen des Staates. Dieser kann zugunsten des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung eine solche Gerichtsbarkeit verweigern.31 Sollte sie einer Gruppe gewährt werden, ist zu berücksichtigen, daß andere religiöse Gruppen in dieser Hinsicht nicht diskriminiert werden dürfen. Die Jurisdiktion religiöser Gerichte ist gleichwohl nur bei freiwilliger Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft eröffnet und darf niemandem durch Entscheidung von Behörden oder religiösen Organen aufgedrängt werden. Andernfalls verstößt diese Praxis gegen die Wahlfreiheit des Art. 18 Abs. 1 ICCPR.32 29

Dinstein, in: ders./Tabory (Anm. 4), S. 145, 150; obwohl ein Recht auf Pilgerfahrten zu heiligen Stätten ausdrücklich in keinem internationalem Vertrag und keiner Deklaration erwähnt wird, ist die Pilgerfahrt doch zur Ausübungsfreiheit zu zählen, insbesondere dann, wenn diese Praxis eine für die Religion wesentliche Handlung darstellt, vgl. Krishnaswami (Anm. 20), New York University Journal of International Law and Politics 11 (1978/79), S. 227, 247; Christian Rumpf, Holy Places, in: Rudolf Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law 2, 2. Aufl., Amsterdam 1995, S. 863, 864 f.; Peter W. Mason, Pilgrimage to Religious Shrines: An Essential Element in The Human Right to Freedom of Thought, Conscience and Religion, Case Western Reserve Journal of International Law 25 (1993), S. 619–653, 638 ff.; vgl. auch Art. 5 des Entwurfs für eine Konvention zur Religionsfreiheit, der dieses Recht mit einschließt, Shelton/Kiss, in: van der Vyver/Witte (Anm. 26), S. 559, 563. 30 Natan Lerner, Religious Human Rights Under the United Nations, in: Johan D. van der Vyver/John Witte (Hrsg.), Religious Human Rights in Global Perspective, Legal Perspectives Bd. I, The Hague/Boston/London 1996, S. 79, 107; a. A. Shelton/Kiss, die selbst in ihrem umfassenden Entwurf für eine Konvention zur Religionsfreiheit deutlich feststellen, daß die Anwendung interner Gesetze sich nur auf die Verwaltung der Gemeinde beziehen. Art. 11: „Organisations formed on the basis of religion or believe may govern themselves according to their laws and doctrines, which shall have no civil law effect and shall not be enforced by the public authority or be applicable to non-members.“ Shelton/ Kiss, in: van der Vyver/Witte (Anm. 26), S. 559, 565. 31 Francesco Capotorti, Study on the Rights of Persons belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/384/Rev.1, Rn. 379–385, 596; Krishnaswami (Anm. 29), New York University Journal of International Law and Politics 11 (1978/79), S. 227, 253; a. A. Theodor Meron, Human Rights and Humanitarian Norms as Customary Law, Oxford 1989, S. 155 f. 32 Vgl. Donna J. Sullivan, Gender Equality and Religious Freedom: Toward A Framework For Conflict Resolution, New York University Journal of International Law and Politics 24 (1992), S. 795, 835 ff.; Capotorti (Anm. 31); Krishnaswami (Anm. 20), New

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

Aus der Freiheit, seine Religion zu unterrichten, folgt zum einen das Recht, religiöse Schulen und Seminare zu etablieren, Religion an öffentlichen Schulen zu lehren sowie anderweitige Aufklärungs- und Missionsarbeit zu betreiben. Außerdem haben Eltern gemäß Art. 18 Abs. 4 einen Anspruch darauf, ihre Kinder ihren Überzeugungen entsprechend zu erziehen.33 Das Recht auf religiöse Ausübung des Art. 18 ICCPR hat hingegen die Funktion eines Auffangtatbestands für alle Handlungen, die mit dem Praktizieren der Religion in notwendigem Zusammenhang stehen, nach Krishnaswami „the freedom to comply with what is prescribed or authorized by a religion or belief.“34 Die oben beschriebenen, speziellen Ausübungsformen der Religionsfreiheit verdeutlichen, daß viele dieser Handlungen wie Unterrichtung oder Gottesdienst nur mittels einer gewissen Organisationsstruktur durchführbar sind.35 Das Recht zu einer solchen Organisation kann aus der Formulierung „in Gemeinschaft mit anderen“ des Art. 18 herausgelesen werden und gewährt in Verbindung mit der Vereinigungsfreiheit des Art. 21 ICCPR36 einen Anspruch auf eine den Bedürfnissen der Gemeinde entsprechende Institutionsform. Diese Auslegung wird bestärkt durch Art. 6 der Deklaration zur Religiösen Toleranz, in der u. a. die Errichtung und der Erhalt von notwendigen Gebäuden und Wohlfahrtseinrichtungen, die Herstellung und Herausgabe von Publikationen sowie die Ausbildung, Wahl und Ernennung von religiösen Führern als zur Sicherung der Religionsfreiheit notwendig erachtet wird.37 All diese Handlungen erfordern die Fähigkeit, Eigentum zu York University Journal of International Law and Politics 11 (1978/79), S. 227, 253; Concluding Observations of the Commission on the Elimination of Discrimination against Women: Israel. 21/07/97. A/52/38/Rev.1, Part II, 7th sess., 7.–25. Juli 1997, Rn. 172–174. 33 „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Freiheit der Eltern und gegebenenfalls des Vormunds oder Pflegers zu achten, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen.“ 34 Krishnaswami (Anm. 20), New York University Journal of International Law and Politics 11 (1978/79) S. 227, 245. Dabei ist zu beachten, daß dieses Recht im Sinne von Art. 5 ICCPR nicht für jedwede Handlung mißbraucht wird, die in irgendeinem entfernten Zusammenhang mit der Religionsfreiheit steht, sonst würde Art.18 zum Supermenschenrecht ausarten. Vgl. Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 22), Art. 18, Rn. 2 u. 25. 35 Vgl. Krishnaswami (Anm. 20), New York University Journal of International Law and Politics 11 (1978/79) S. 227, 236; für die unzureichende Einbeziehung des Verhältnisses von Kirche und Staat in die Religionsfreiheit, Kimminich (Anm. 8), S. 76 f. 36 Art. 21 ICCPR: „Das Recht, sich friedlich zu versammeln wird anerkannt. Die Ausübung dieses Rechts darf keinen anderen als den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen oder öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), zum Schutz der Volksgesundheit, der öffentlichen Sittlichkeit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.“ Siehe auch General Comment zu Art. 18 (Anm. 21), Rn. 4. 37 Art. 6 lit. a der Deklaration zur religiösen Toleranz: „In accordance with Article 1 of the present Declaration … the right to freedom of thought, conscience, religion or belief shall include, inter alia, the following freedoms:

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erwerben, Verträge zu schließen und die entsprechenden Rechte vor Gericht durchsetzen zu können. Eine Auslegung nach Sinn und Zweck des Art. 18 ICCPR unter Berücksichtigung der opinio iuris der Staaten, wie sie sich in der Deklaration zur Religiösen Toleranz widerspiegelt, ergibt somit zumindest einen Anspruch auf locus standi im nationalen Recht.38 Die erörterten Einzelrechte sind vordringlich als Abwehranspruch gegen den Staat zu verstehen. Im systematischen Zusammenhang mit Art. 18 Abs. 2 ICCPR interpretiert, der die Freiheit von religiösem Zwang garantiert, bekommen sie jedoch auch einen positiven Charakter. Auch Art. 2 Abs. 1 ICCPR, der die Staaten verpflichtet, die Rechte des Pakts jedem zu gewährleisten, spricht dafür, daß die Rechte des Art. 18 ICCPR zugleich als positiver Anspruch des einzelnen gegen den Staat zu verstehen sind, ihn gegen Eingriffe Dritter zu schützen.39 Ein positiver Anspruch auf Förderung religiöser Aktivitäten wird hingegen nicht gewährt. Sollte der Staat jedoch religiöse Aktivitäten einer bestimmten Religion finanziell oder anderweitig unterstützen, besteht für die anderen religiösen Gemeinschaften ein Anspruch auf Förderung im Sinne der Nichtdiskriminierung gemäß Art. 18 i. V. m. Art. 26 ICCPR.40 Der besondere Wert der Religions- und Weltanschauungsfreiheit wird deutlich durch die Bestimmung in Art. 4 Abs. 2 ICCPR, welcher Art. 18 zu den Rechten

(1) To worship or assemble in connection with a religion or belief, and to establish and maintain places for these purposes; (2) To establish and maintain appropriate charitable or humanitarian institutions; (3) To make, acquire and use to an adequate extent the necessary articles and materials related to the rites and customs of a religion or belief; (4) To write, issue and disseminate relevant publications in these areas; (5) To teach a religion or belief in places suitable for these purposes; (6) To solicit and receive voluntary financial and other contributions from individuals and institutions; (7) To train, appoint, elect or designate by succession appropriate leaders called for by the requirement and standards of any religion or belief.“ 38 So auch die Auffassung des ECHR bezüglich einer Verletzung der Religionsfreiheit i. V. m. dem Diskriminierungsverbot im Fall Canea Catholic Church v. Greece v. 16.12.1997, 143/1996/762/963, Reports VIII (1997), Rn. 48 f.; zur Verweigerung der Registrierung als Gemeinde, E/CN.4/1995/91, S. 20; ausführlich Cole Durham, Freedom of Religion or Believe: Laws Affecting the Structuring of Religious Communities, in: OSZE Review Conference, September 1999, ODIHR Background Paper 4 (1994), Rn. 2.3. 39 Vgl. dazu auch Art. 1 der Deklaration von 1981 (Anm. 16). 40 Ausführliche Bestimmungen zur Eliminierung von religiöser Diskriminierung finden sich in den General Comments zu Art. 18 (Anm. 21), Rn. 9–10, sowie in der Deklaration von 1981, in deren Art. 4 und 5 Staaten verpflichtet sind, effektive Maßnahmen zur Eliminierung jeglicher (also auch privater) Diskriminierung zu ergreifen (Anm. 16).

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zählt, die auch im Fall eines Staatsnotstands nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen. Dies spricht für einen Ius-cogens-Charakter der Religionsfreiheit.41 Das forum externum der Religionsfreiheit kann jedoch nach Art. 18 Abs. 3 eingeschränkt werden: „die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekunden, darf nur den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit oder der Grundrechte und Freiheiten anderer erforderlich sind.“42

3. Zusätzliche Rechte Schließlich ist zu klären, ob Art. 27 ICCPR religiösen Minderheiten im Bereich der Religionsfreiheit ein Mehr an Rechten im Vergleich zu Art. 18 ICCPR gewährt.43 Der Diskurs über weiterreichende Rechte des Art. 27 ICCPR wird hauptsächlich in drei Bereichen geführt: im Rahmen der Schranken von Art. 27 ICCPR, im Zusammenhang mit positiven Rechten sowie im Kontext kollektiver Rechte. Teilweise wird angenommen, daß die Rechte einer religiösen Minderheit in Art. 27 mit denen einer religiösen Gruppe in Art. 18 übereinstimmen und keine weiterreichenden Ansprüche einräumen. Hauptargument dieser Ansicht ist der Wortlaut des Art. 27, welcher fast mit der Formulierung in Art. 18 Abs. 1 übereinstimme.44 Andere sehen den Rechtsumfang für Minderheitenangehörige erweitert, da Art. 27 keine Beschränkung der gemeinsamen Bekundung der eigenen Religion vorsieht. Demnach sei die Religionsfreiheit für Minderheiten nur durch dem Pakt immanente Rechte anderer eingeschränkt, nicht aber durch die Schranken in 41 Vgl. Lauri Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, Helsinki 1988, S. 478–482; Jochen Frowein, Jus Cogens, in: EPIL 7, Amsterdam 1987, S. 327; Mason (Anm. 29), Case Western Reserve Journal of International Law 25 (1993), S. 619, 653. 42 Vgl. Für eine Besprechung dieser Voraussetzungen Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 22), Art. 18, Rn. 31–45. 43 Vgl. für weiterreichende Rechte Geoff Gilbert, der vorschlägt, den Rechtsumfang auch anhand historischer und politischer Umstände der Minderheit festzulegen, Religious Minorities and Their Rights: A Problem of Approach, IJMGR 5 (1997), S. 97, 110 ff.; Dinstein, in: ders./Tabory (Anm. 4), S. 145, 157 ff.; Lerner, in: van der Vyver/Witte (Anm. 30), S. 112 f.; a. A. Christian Tomuschat, Protection of Minorities under Art. 27 ICCPR, in: Rudolf Bernhardt u. a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, Festschrift für Hermann Mosler, Heidelberg 1983, S. 949, 968 ff. 44 Vgl. Tomuschat, ebda., S. 976; Dinstein, in: ders/Tabory (Anm. 4), S. 145, 160; ebenso John Packer, On the Content of Minority Rights, in: Julia Räikkä (Hrsg.), Do We Need Minority Rights?, The Hague/Boston/London 1996, S. 121, 156.

A. Völkerrechtliche Grundlagen

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Art. 18 Abs. 3.45 Begründet wird dieser Ansatz mit einer systematischen Interpretation, welche im Vergleich zu den anderen Normen des ICCPR zeige, daß Art. 27 als lex specialis zu Art. 18 wenig Sinn habe, wenn diese Vorschrift der Minderheit nicht über Art. 18 hinausgehende Rechte gewähre.46 Die letztere Ansicht ist einerseits überzeugend, weil Art. 27 ICCPR Angehörige von Minderheiten gerade im Vergleich zu „jedermann“ privilegieren will. Außerdem unterliegt jedes Recht des ICCPR den Einschränkungen der Mißbrauchsklausel in Art. 5.47 Auch der Menschenrechtsausschuß hat in seinem General Comment angemerkt, daß „none of the rights protected under Art. 27 of the Covenant may be legitimately exercised in a manner or to an extent inconsistent with the other provisions of the Covenant."48. Diese Formulierung spricht ausgeprägt für paktimmanente Schranken. Zudem ist nicht einzusehen, warum die religiöse Ausübung anderen Schranken unterliegen sollte als beispielsweise die Pflege des kulturellen Lebens des Art. 27 ICCPR. Die Diskussion um positive Rechte zielt vor allem auf die effektive Umsetzung der Rechte des Art. 27 ab, deren Ziel und Zweck es ist, der Minderheit die Wahrung ihrer Identität zu ermöglichen.49 Diese Zielsetzung wird auch durch die Minderheitendeklaration von 1992 deutlich, welche zur Auslegung des Art. 27 ICCPR herangezogen werden kann.50 In Art. 1 der Deklaration werden die Staaten dazu verpflichtet, die Existenz und Identität der Minderheiten auf ihrem Staatsgebiet zu schützen und zu fördern. Diese Vorschrift steht in ihrer Form als Staatenverpflichtung als eine Art Zielbestimmung vor den einzelnen Rechten der Angehörigen von Minderheiten, welche die Realisierung dieser Rechte garantieren soll. 45 Vgl. Erich H. Pircher, Der vertragliche Schutz ethnischer, sprachlicher und religiöser Minderheiten im Völkerrecht, Bern 1979, S. 221; Alan Fenet, Peuples et Etats du Tiers Monde (1978), S. 123; Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 22), Art. 27, Rn. 39, 47 f. 46 Vgl. Capotorti (Anm. 31), Rn. 390; Alexandre Charles Kiss, Permissable Limitations on Rights, in: Louis Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights: The Covenant on Civil and Political Rights, Boston 1981, S. 290, 291 f.; Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 22), Art. 27, Rn. 39. 47 Art. 5 Abs. 1: „Keine Bestimmung dieses Paktes darf dahingehend ausgelegt werden, daß sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der in diesem Pakt anerkannten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in dem Pakt vorgesehen, hinzielt.“ Vgl. Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 22), Art. 5, Rn. 8 ff. 48 General Comment No. 23 (50) (art. 27), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.5, Rn. 8. 49 Ebda., Rn. 9: „The Committee concludes that Art. 27 relates to those rights whose protection imposes specific obligations on states parties. The protecion of these rights is directed to ensure the survival and continued development of the cultural, religious and social identity of the minorities concerned, thus enriching the fabric of society as a whole.“ 50 Vgl. In diesem Sinne Dicke (Anm. 1), Europa-Archiv 4 (1993), S. 107, 109 ff.; Kiss, in: Henkin (Anm. 46), S. 291, 295.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

Aus diesem Grund muß eine Auslegung der spezifischen Rechte von Minderheitenangehörigen nach Art. 27 immer im Licht der Wahrung der Identität erfolgen. In Verbindung mit dieser Zielbestimmung muß das Recht, seine Religion in Gemeinschaft mit anderen zu bekunden, notwendigerweise einen kollektiven Anspruch auf die Gründung und Unterhaltung entsprechender Einrichtungen und Institutionen beinhalten, da gemeinsames religiöses Leben solche Institutionen voraussetzt, ohne die schon aus praktischen Gründen die religiöse Identität nicht gewahrt werden kann. Die Struktur und Hierarchie solcher Institutionen sind oft sogar immanente Bestandteile des Glaubens an sich.51 Dies bedeutet, aus dem originären Anspruch des Individuums seine religiöse oder kulturelle Identität in der Gruppe zu gestalten und auszuüben, ergibt sich ein derivativer Anspruch des Kollektivs, die nötigen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit das Individuum seine „gemeinschaftlich auszuübenden Rechte“ überhaupt genießen kann.52 Der einzelne bleibt somit originäres Völkerrechtssubjekt und Anspruchsinhaber des Minderheitenschutzes.53 Die Minderheitenangehörigen in der Vielzahl können aber kollektiv Institutionen schaffen zum effektiven Genuß ihrer Rechte. Der Staat muß das Recht garantieren, auf diese Weise kollektiv handeln zu können. Damit wird das Problem des Rechtsstatus der Minderheit aufgeworfen. Der Staat ist im Hinblick auf die Zielbestimmung des Identitätsschutzes verpflichtet, der Minderheit eine Organisationsform zu ermöglichen, das heißt, gesetzliche Voraussetzungen zu schaffen, die diese Organisation im innerstaatlichen Recht 51 Durham (Anm. 38), ODIHR Background Paper 4 (1994), Rn. 2.4.2; ein gutes Beispiel für eine solche Manifestation sind die Drusen, in deren Glauben nur ein kleiner Zirkel von Eingeweihten die wahre Einsicht in die Geheimnisse der drusischen Religion genießt. 52 Von einigen Autoren wird Art. 27 trotz seiner individualrechtlichen Formulierung als direkte Volksgruppenvorschrift verstanden, die der Minderheit selbst unmittelbare Rechte verleiht, Fritz Münch, Volksgruppenrecht und Menschenrechte, in: Theodor Veiter (Hrsg.), System eines internationalen Volksgruppenrechts, Bd. 3, Teil 1, Wien/Stuttgart 1978, S. 102 ff.; Yoram Dinstein, Cultural Rights, IYHR 9 (1979), S. 58, 69; den kollektiven Charakter völlig ablehnend Jack Donnelly, Third Generation Rights, in: Catherine Brölmann/René Lefeber/Marjoleine Zieck (Hrsg.), Peoples and Minorities in International Law, Dordrecht/Bosten/London 1993, S. 119, 131 ff.; für die vermittelnden Ansichten, vgl. Capotorti, der auf die Notwendigkeit von entsprechenden religiösen und erzieherischen Institutionen für die Minderheit hinweist (Anm. 31), Rn. 421 ff.; Kimminich (Anm. 8), S. 113; Felix Ermacora, Der Minderheitenschutz im Rahmen der Vereinten Nationen, Wien 1988, S. 68; Hofmann (Anm. 4), GYIL 41 (1998), S. 357, 379; Eibe Riedel, Gruppenrechte und kollektive Aspekte individueller Menschenrechte, BDGVR 33 (1993), S. 49, 68; Johannes Niewerth, Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten im Völkerrecht, Berlin 1997, S. 101 ff. 53 Vgl. zur Völkerrechtssubjektivität des einzelnen Louis LeFur, Précis de droit international public, Paris 1937, S. 69, Rn. 6; Marek St. Krowicz, The Problem of International Personality of Individuals, AJIL 50 (1956), S. 533, 534; Gerasimos Fourlanos, Subjectivity in International Law and the Position of the Individual, NorTIR 1984, S. 9, 21; P. K. Menon, The Subjects of Modern International Law, Hague YIL 3 (1990), S. 30, 85.

A. Völkerrechtliche Grundlagen

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ermöglichen.54 Diese Pflicht ergibt sich, ebenso wie bei religiösen Gruppen, in Verbindung mit der Vereinigungsfreiheit. Handelt es sich nicht nur um eine religiöse Gruppe, sondern um eine religiöse Minderheit, gilt dieser Anspruch um so stärker. Der Schutz der Identität setzt dann außerdem zwingend die Anerkennung der Gruppe als spezifische Minderheit voraus.55 Wie der Staat dieser Pflicht nachkommt, kann variieren. Ein Anspruch auf Anerkennung als Rechtspersöhnlichkeit durch den Staat und die internationale Gemeinschaft besteht bis jetzt noch nicht.56 Auch muß nicht notwendigerweise eine verfassungsrechtliche Anerkennung bestehen. Wichtig ist, daß der Minderheit ihr Gruppencharakter nicht abgesprochen wird, da sie sonst auch ihre Rechte aus Art. 27 ICCPR nicht wird ausüben können. Des weiteren muß der Staat die Minderheitenidentität vor Eingriffen und Zwang Dritter schützen, damit der einzelne seine Rechte aus Art. 27 ICCPR effektiv genießen kann.57 Minimalessenz der Pflicht zum Schutz der Identität ist eine Garantie des Bestands der Minderheit. Der Schutz der Minderheitenidentität entspricht der seit der Lubicon-Lake-Band-Entscheidung oft angeführten Garantie des kulturellen Überlebens der Gruppe, da diese nicht primär auf die physische Existenz gerichtet ist, sondern auf die Existenz als eigenständige Einheit. Schutz und Wahrung der Minderheitenidentität bedeutet notwendigerweise Bestandsschutz im Sinne einer Pflicht, kulturellen Genozid zu verhindern. So interpretiert, ist der 54 Kay Hailbronner, in: Der Schutz der Minderheiten im Völkerrecht. Zum Problem besonderer politischer Repräsentationsrechte von Minderheiten, in: Walter Haller/Alfred Kölz/Georg Müller/Daniel Thürer (Hrsg.), Im Dienst an der Gemeinschaft, Festschrift für Dietrich Schindler, Frankfurt am Main/Basel 1989, S. 75, 83; Louis B. Sohn, Rights of Minorities, in: Louis Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights: The Covenant on Civil and Political Rights, Boston 1981, S. 270, 275; vgl. Prinzipien 32.2, 32.6 sowie 35 des Copenhagen Document on the Human Dimension, welches sogar Selbstverwaltung in Teilbereichen vorschlägt, v. 05.06.–29.07.1990, http://www.osce.org/docs/english/19901999/hd/cope90e.htm. 55 Vgl. Art. 6 des Rahmenübereinkommens, welcher die „Förderung der gegenseitigen Achtung … zwischen allen Menschen unabhängig von deren … Identität …“ proklamiert. 56 Bis jetzt wurde lediglich von der Menschenrechtskommission anerkannt, daß eine ähnlich betroffene Gruppe von Individuen eine kollektive Beschwerde einreichen kann, Lubicon Lake Band v. Canada, Communication No. 167/1984, HRLJ 11 (1990), S. 305; IGH, Western Sahara Case, ICJ-Reports 1975, S. 12, 63; für eine Rechtspersöhnlichkeit siehe Art. 13.2 e der Draft-Convention, Right of Nationalities and Protection of Minorities: Draft of an International Convention and of an European Protocol, in: Internationales Institut für Nationalitätenrecht und Regionalismus (Hrsg.), 2. Aufl., München 1984; Capotorti (Anm. 31), S. 72 ff.; Natan Lerner, Group Rights and Discrimination in International Law, Dordrecht/Boston/London 1991, S. 35 ff.; ders., Minority Rights and the New Political Entities in International Law, in: Amos Shapira/Mala Talbory (Hrsg.), New Political Entities in Public and Privat International Law: with special reference to the Palestinian Entity, The Hague 1999, S. 247, 261. 57 General Comment No. 23 (50) (art. 27), (Anm. 48), Rn. 6.1; Niewerth (Anm. 52), S. 129 ff.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

kollektive Anspruch auf Anerkennung und Schutz der Identität kein positives Gegenstück der Völkermordkonvention, sondern vielmehr eine Verpflichtung aus Art. 27 ICCPR.58 Schließlich ist zu erörtern, unter welchen Umständen der negativ formulierte Art. 27 ICCPR zu positiven Ansprüchen auf Förderung führen kann. Teilweise wird argumentiert, daß Art. 27 ICCPR Minderheiten privilegieren will, um historische Nachteile auszugleichen und deshalb trotz seiner negativen Formulierung de facto Gleichheit anstrebe, welche nur durch Förderungsmaßnahmen der Staaten zu erreichen sei.59 Diese Schlußfolgerung ist nicht nur problematisch aufgrund der entgegenstehenden Auslegung des Wortlauts, der Systematik sowie der traveaux préparatoires60, vielmehr auch angesichts der praktischen Umsetzung positiver Förderung bei der Vielzahl von Minderheiten. Wenn man indes wieder den Sinn und Zweck der Vorschrift, sprich den Schutz der Identität als Auslegungsimperativ zugrundelegt, muß man zwingenderweise zu dem Ergebnis gelangen, daß ein positiver Anspruch gegeben ist, wenn der Bestand der Minderheit mangels eigener Mittel gefährdet ist61, oder wenn eine Förderung die Ausübung der Rechte des Art. 27 ICCPR erst gewährleistet. Die Schaffung günstiger Bedingungen für den Erhalt der Minderheitenidentität ist in der Minderheitendeklaration von 1992 vorgesehen.62 Diese wurde einstimmig angenommen, was ihre Bedeutung für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht erhöht. Darüber hinaus bezieht sie sich in der Präambel eindeutig auf Art. 27 ICCPR.63 Auch in verschiedenen regionalvölkerrechtlichen Instrumenten sind positive Maßnahmen vorgesehen.64 Dies läßt darauf schließen, daß 58 Comm. No. 167/1984, HRLJ 11 (1990), S. 305, 311; a. A. Ermacora (Anm. 1), RdC 182 (1983), S. 247, 324, der die Schutzpflicht des Staates, den Bestand der Minderheit zu garantieren, als Korrelat zur Völkermordkonvention betrachtet. 59 Packer, in: Räikkä (Anm. 44) S. 121, 155 ff.; Hailbronner, in: Dinstein/Tabory (Anm. 4), S. 117, 134. 60 Die Formulierung „darf … das Recht … .nicht vorenthalten werden“ steht im Kontrast zu der Formulierung positiver Rechte im ICCPR wie bspw. Art. 18, 19, 21, 22 und spiegelt die Ablehnung eines von der Sowjetunion vorgebrachten Entwurfs wider, der eine positive Verpflichtung vorsah, UN Doc. E/CN.4/L.222 (ESCOR 16th Sess., Suppl. 8, Annex 3, S. 55, Rn. 13). 61 Vgl. General Comments Art. 27 (Anm. 48), Rn. 6.2; Ermacora (Anm. 1), RdC 182 (1983), S. 247, 324; a. A. Tomuschat, der positive Förderung in solchen Fällen nur kulturellen oder sprachlichen Minderheiten zukommen lassen will, da er Art. 18 ICCPR für den Schutz religiöser Minderheiten für ausreichend erachtet, in: FS Mosler (Anm. 43), S. 949, 970. 62 Art. 4 Abs. 2 der Minderheitendeklaration: „States shall take measures to create favourable conditions to enable persons belonging to minorities to express and develop their … religion.“ 63 Vgl. Dicke (Anm. 1), S. 109. 64 Art. 5 der Rahmenkonvention enthält eine generelle Förderungspflicht, Prinzipien 31 und 35 des Copenhagen Documents (Anm. 54).

A. Völkerrechtliche Grundlagen

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sich das Völkergewohnheitsrecht in Richtung Förderungsmaßnahmen entwickelt und, soweit finanzielle Ressourcen vorhanden sind, die Staaten jetzt schon zu einer weitergehenden Förderung verpflichtet. Unterstützende Maßnahmen sind dann nicht nur in den Fällen zu fordern, in denen sie für den Bestand der Minderheit zwingend nötig sind. Vielmehr ist die Wahrung der spezifischen Identität generell durch Schaffung günstiger Bedingungen für die gemeinschaftliche Ausübung zu ermöglichen. Abgesehen von diesem Fall gewährt Art. 27 ICCPR auch dann Ansprüche auf Förderung, wenn der Staat beispielsweise die Mehrheit oder andere Minderheiten hinsichtlich religiöser, sprachlicher oder kultureller Aktivitäten fördert. Die Angehörigen der Minderheit haben dann einen Anspruch aus Art. 27 i. V. m. Art. 26 sowie Art. 2 Abs. 2 ICCPR auf Gleichbehandlung.65 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß religiöse Minderheiten neben den Rechten des Art. 18 ICCPR ein kollektives Recht auf Anerkennung und Wahrung ihrer Identität besitzen.66 Für die religiöse Identität grundbedeutende Ausübungspraktiken können bei Angehörigen einer Minderheit seltener eingeschränkt werden als die Religionsausübungsfreiheit von jedermann, da eine Beschränkung nur mittels der dem Pakt immanenten Schranken möglich ist, und eine Einschränkung immer auch die Bedeutung der Ausübung für die religiöse Identität beachten muß. Bei einer Kollision muß dann eine Abwägung zwischen den Rechtsgütern unter Berücksichtigung der größtmöglichen Freiheit für die gesamte Gesellschaft vorgenommen werden. Dabei sind Bedeutung der Rechtsgüter sowie die Stärke des jeweiligen Eingriffs einzubeziehen.67 Wenn der Bestand der Minderheit gefährdet oder die Rechtsausübung bedroht ist68, muß diese auch positiv vom Staat gefördert werden. Ein Anspruch auf Förderung besteht auch für den Fall, daß anderen religiösen Gruppen staatliche Unterstützung gewährt wird. Zunehmend läßt sich eine Tendenz im Völkerrecht erkennen, daß generell günstige Bedingungen für die Minderheit geschaffen werden müssen, soweit dem Staat dies finanziell zuzumuten ist.

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Für die Auslegung eines Vertrags als ganzes siehe Competence of the ILO to Regulate Agricultural Labour, Advisory Opinion, PCIJ, Ser. B, No. 2, 3 (1922), S. 23; Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 43), S. 949, 970. 66 Für Minderheitenrechte als zwingende Normen des Völkerrechts Opinion No. 2 of the Arbitration Commission v. 11.01.1992, Conference on Yugoslavia, International Law Reports 92 (1991), S. 167, 168. 67 Vgl. Krishnaswami (Anm. 29), New York University Journal of International Law and Politics 11 (1978/79), S. 227, 281. 68 Beispielsweise wenn eine religiöse Minderheit keine Mittel hätte, einen Versammlungsraum zu unterhalten.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

Der Anspruch auf Nichtdiskriminierung und der Bestandsschutz sind Normen mit Ius-cogens-Charakter.69 Ob die übrigen Rechte von Minderheiten nach Art. 27 ICCPR schon Ius-cogens-Stärke erreicht haben, ist ungeklärt.70

B. Ausgestaltung in Israel Israel, welches von drei monotheistischen Religionen als heiliges Land betrachtet wird und nicht nur in der Vergangenheit schwer umkämpft wurde, ist hinsichtlich der Verwirklichung der Religionsfreiheit durch eine Reihe von gegensätzlichen theoretischen Konzepten geprägt: individuelle und kollektive Rechte, religiöse Freiheit und religiöser Zwang, Gleichbehandlung und Bevorzugung religiöser Gemeinden, Trennung und Verflechtung von Staat und Religion. Bei der Erörterung der Religionsfreiheit ist es daher unerläßlich, den historischen Hintergrund bestimmter Gesetze und Arrangements zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften im Blick zu behalten. I. Allgemeine Rechtsquellen Zunächst sind die allgemeinen Rechtsquellen zu untersuchen, welche die Religionsfreiheit aller Bürger gleichermaßen schützen. 1. Unabhängigkeitserklärung und Basic Law: Human Dignity and Freedom Bei der Untersuchung der Unabhängigkeitserklärung sind zwei Prinzipien von Bedeutung. Zum einen sind die positive und negative Religionsfreiheit sowie die Gewissensfreiheit dort niedergelegt: „… (the State of Israel) will guarantee freedom of religion, conscience, language, education and culture; it will safeguard the Holy Places of all religions …“. Gleichzeitig wird ein jüdischer Staat ausgerufen, „… based on freedom, justice and peace as envisaged by the prophets of Israel …“.71 Diese Formulierung gibt theoretisch genügend Raum für eine bevorzugte Stellung der jüdischen Religion, insbesondere da es schwer fallen wird, die Visionen 69 IGH, Barcelona Traction, ICJ-Reports 1970, S. 32; Wolf von der Wense, Der UNMenschenrechtsausschuß und sein Beitrag zum universellen Schutz der Menschenrechte, Berlin u. a. 1999, S. 22 ff. 70 Vgl. für eine Einschätzung von Minderheitenrechten als Ius-cogens-Normen, Opinion No. 1 of the Arbitration Commission v. 29.11.1991, Conference on Yugoslavia, International Law Reports 92 (1991), S. 162, 165, sowie Opinion No. 2 v. 11.01.1992 (ebda.), S. 167, 168. 71 Declaration of the Establishment of the State of Israel, LSI 1 (1948), 3.

B. Ausgestaltung in Israel

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der israelischen Propheten mit der Gleichbehandlung aller Religionen zu vereinbaren.72 Wie bereits erörtert ist der Begriff „jüdischer Staat“ äußerst umstritten, was seine Exklusivität sowie seinen religiösen Gehalt betrifft.73 Während für viele der jüdische Charakter eng an die jüdische Religion geknüpft ist74, sind andere der Auffassung, daß jüdischer Charakter seit der Entstehung des Zionismus eher als säkularer, nationaler Wert zu verstehen ist.75 Problematisch ist besonders, daß eine breite Zustimmung zur Unabhängigkeitserklärung des Staates nur durch einen Status-quo-Brief der Jewish Agency an Agudat Israel (ultra-orthodoxe, politische Bewegung) vom 19. Juni 1947 zustande kam. In diesem Brief wurde zwischen säkularen Zionisten und den ultra-orthodoxen Juden vereinbart, daß Kosher-Regeln für öffentliche Institutionen eingeführt werden, für eine Einhaltung der Schabbath-Ruhe gesorgt, ausschließlich religiöse Heirat geduldet und religiöse, jüdische Erziehung garantiert wird.76 Als Konsequenz dieser Vereinbarung wurde ein Teil der Bevölkerung zum Zweck des Torahstudiums vom Armeedienst gänzlich befreit. Das Supreme Court erklärte diese Regelung mittlerweile für rechtswidrig. Aus politischen Gründen wurde aber bis jetzt nichts daran geändert. Dieser Brief hat zwar formal keinen Rechtscharakter und bindet nur die unterzeichnenden Personen, stellt aber nichtsdestotrotz eine Art Sozialpakt dar, auf den sich die Religiösen immer wieder berufen und dessen Verletzung zugunsten der Grundrechte anderer zu erheblichen innerstaatlichen Spannungen führt.77 Die Verflechtung von Staat und Religion ist vor allem sichtbar durch die gesetzliche Anerkennung des Rabbinats sowie religiöser, kommunaler Institutionen als Staatsorgane, deren Organisation gesetzlich

72 Vgl. Zalman Abramov, Perpetual Dilemma, Jewish Religion in the Jewish State, Ruherford/London u. a. 1976, S. 127 ff.; Uri Avneri, Israel’s Declaration of Independence: Squaring the Circle, Palestine-Israel Journal on Politics, Economics and Culture 5/2 (1998), S. 48, 49 f.; Izhak Englard, Law and Religion in Israel, American Journal of Comparative Law 35 (1987), S. 185, 190 f. 73 Vgl. Kapitel 3, C. II. 1. d) (4). 74 Religiöse Juden lehnten jede andere Verfassung außer der Torah ab, Abramov (Anm. 72), S. 139; w. Nw. bei Shaul Lubetski, Religion and State, New York University Journal of International Law and Politics 26 (1993/1994), S. 331, 355 ff. 75 Vgl. Haim Cohen, Religious Freedom and Religious Coercion in the State of Israel, in: Alfred E. Kellermann/Kurt Siehr/Talia Einhorn (Hrsg.), Israel Among the Nations: International and Comparative Perspectives on Israel’s 50th Anniversary, The Hague 1999, S. 79, 93; Ruth Gavison, Jewish and Democratic? A Rejoinder to the „Ethnic Democracy“ Debate, Israel Studies 4/1 (1999), S. 44 ff., 51. 76 Abramov (Anm. 2), S. 127 ff. 77 Michael Scott Feeley, State Aid to Sectarian Schools in the United States and Israel: A Comparative Historical Analysis, in: Menachem Mor (Hrsg.), International Perspectives on Church and State, Omaha, Neb. 1993, S. 149, 153; Francis Raday, Religion, Multiculturalism and Equality, The Israeli Case, IYHR 25 (1995), S. 193, 211.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

geregelt ist und welche staatliche Ressourcen erhalten.78 Noch weitreichender ist die Anerkennung der Zuständigkeit religiöser Gerichte einer bestimmten dogmatischen Richtung in Angelegenheiten des Familien- und Personenstandsrechts. Diese üben ihre Gerichtsbarkeit über die Mitglieder der religiösen Gemeinschaft aus, obwohl die Mitglieder oft Atheisten oder Anhänger einer anderen dogmatischen Richtung sind. Schließlich spricht die Einrichtung eines Ministeriums für Religionsangelegenheiten, welches Gelder des allgemeinen Haushalts, nicht etwa Gelder einer „religiösen Steuer“ an religiöse Einrichtungen verteilt, für eine starke Verflechtung von Staat und Religion. Andererseits unterliegen die religiösen Einrichtungen auf diese Weise auch bis zu einem gewissen Grad der staatlichen Kontrolle. Das bedeutet, Regierung und Parlament nehmen Einfluß auf Kompetenzen und Budgets religiöser Institutionen, und die Gerichte können Kompetenzüberschreitungen entsprechend rechtlich überprüfen.79 Trotz dieser Vermengung von Staat und Religion ist davon auszugehen, daß der Begriff „jüdischer Staat“ nur von einer Minderheit als mit der jüdischen Religion identisch angesehen wird. Nach säkularer Interpretation sollte der „jüdische Charakter“ die Religionsfreiheit grundsätzlich nicht einschränken.80 Inwieweit dies im Einzelfall einer Prüfung stand hält, wird im Rahmen der Besprechung wichtiger Gesetze und Urteile zu klären sein. Die Unabhängigkeitserklärung, welche wegen ihrer Funktion als „Credo des jüdischen Volkes“81 bis jetzt nur zu Auslegungszwecken herangezogen wurde, ist für sich genommen noch keine verbindliche Normierung der Religionsfreiheit, da ein ausdrückliches Knessetgesetz von dem dort verankerten Prinzip der Religionsfreiheit abweichen kann.82 Die Balance zwischen Religionsfreiheit und jüdischem Staat wurde 1992 zugunsten des jüdischen Charakters verschoben. Das Prinzip des jüdischen und demokratischen Staates wurde als Zielbestimmung mit in das Basic Law: Human Dignity and Freedom aufgenommen und ihm somit Verfassungsstatus verliehen. Die in der Unabhängigkeitserklärung verankerte Religionsfreiheit fand keinen Eintritt in Israels werdende Verfassung.83 Ähnlich wie bei dem Recht auf Gleichbehandlung 78 Vgl. allgemein Izhak Englard, The Conflict between State and Religion in Israel: Its Ideological Background, in: Mor (Hrsg.), (Anm. 77), S. 219, 230 ff. 79 Zu den historischen Wurzeln dieser Verflechtung vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 546 ff.; Englard (Anm. 72), American Journal of Comparative Law 35 (1987), S. 185, 186 ff. 80 Cohen, in: Kellermann/Siehr/Einhorn (Hrsg.), (Anm. 75), S. 79, 80. 81 HCJ, Kol Ha’am v. Minister of Interior, P.D. 7 I (1953), 871. 82 C.A., Rogzinski v. State of Israel, P.D. 26 I (1970), 129–40. 83 Art. 1 später 1 A: „The object of this Basic Law is to protect human dignity and freedom, in order to entrench the values of the State of Israel as a Jewish and democratic State in a Basic Law.“ Vgl. zum Charakter der Unabhängigkeitserklärung C.A., Rogizinsky v. The State of Israel, P.D. 26 I (1972), 129, 13.; Kapitel 3, C. II. 1. a).

B. Ausgestaltung in Israel

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stellt sich aber auch hier die Frage, ob die Religionsfreiheit mittels Auslegung doch noch in den Schutzbereich des Basic Law einbezogen werden kann. Nach einer Auffassung ist dies insbesondere vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte dieses Basic Law abzulehnen.84 Nach mehrheitlicher Auffassung, insbesondere einiger Richter des Supreme Court, schützt das Basic Law: Human Dignity and Freedom auch die Religionsfreiheit. Begründet wird diese Ansicht unterschiedlich. Einige gelangen zu diesem Ergebnis durch eine Auslegung des Prinzips der Menschenwürde, andere sehen in der Zielbestimmung „to entrench the values of the State of Israel as a Jewish and democratic state in a Basic Law“ ausreichende Legitimation für einen Verfassungsrang, da sich die Religionsfreiheit sowohl aus dem Demokratieprinzip als auch aus den Prinzipien jüdischen Rechts ergebe.85 Ob halachische Rechtsgrundsätze tatsächlich die Religionsfreiheit, insbesondere auch die negative schützen, bleibt dagegen sehr fragwürdig. Schließlich betrachten viele Rechtswissenschaftler den 1994 in das Basic Law eingefügten Verweis auf die Unabhängigkeitserklärung als Aufwertung der dort verankerten Prinzipien.86 Auf diese Weise, so wird argumentiert, erlange die in der Unabhängigkeitserklärung garantierte Religionsfreiheit Verfassungsrang.87 Problematisch bleibt jedoch der Umstand, daß das Gericht bis jetzt noch keine seiner Entscheidungen zugunsten der Religionsfreiheit explizit auf eine Inkorporierung dieser im Basic Law: Human Dignity and Freedom gestützt hat. Angesichts der Kontroversität der Rolle der Religion in Israel mit ihrem enormen Potential zu erbitterter gesellschaftlicher Auseinandersetzung ist es sehr unwahrscheinlich, daß das Gericht ein Gesetz für nichtig erklären würde, daß gegen diese, im Basic Law inkorporierte Religionsfreiheit verstößt. Insbesondere die Rechtfertigungsklausel des Art. 8 des Basic Law läßt genügend Raum, einen Eingriff in die Religionsfreiheit mit dem jüdischen Charakter zu rechtfertigen.88 84

Siehe zur Entstehungsgeschichte Kapitel 3, C. II. 1. b). Vgl. ausführlich Rotem M. Giladi, Freedom of Religion and the „Constitutional Revolution“, in: Ruth Lapidoth/Ora Ahimeir (Hrsg.), Freedom of Religion in Jerusalem, The Jerusalem Institute for Israel Studies Research Series 85 (1999), S. 61, 65, Fn. 25 und 26 m. w. Nw. 86 Art. 1: „The fundamental rights of a person in Israel are grounded on the recognition of the value of human beings, … and they will be honoured in the spirit of the principles set out in the Declaration of the Establishment of the State of Israel.“ 87 Vgl. Maning v. Minister of Justice, P.D. 47 III (1993), 282, Mona Jabarin v. the Minister of Education et al, P.D. 48 V (1994), 199, 203; Asher Maoz, Religious Human Rights in the State of Israel, in: Johan D. van der Vyver/John Witte (Hrsg.), Religious Human Rights in Global Perspective, Bd. I, Religious Perspectives, The Hague/Boston/ London 1996, S. 349, 359. 88 Art. 8: „The Rights conferred by this Basic Law shall not be infringed save where provided by a law which accords with the values of the State of Israel, which was intended 85

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

Diese Erwägungen sind um so gewichtiger, wenn man die ungeklärten Kompetenzen des High Court of Justice berücksichtigt.89 Selbst wenn das Gericht die Religionsfreiheit mit allen Konsequenzen in das Basic Law mit einbezieht, besteht immer noch die Schwierigkeit, daß Gesetze, die vor dem Basic Law verabschiedet wurden, gemäß Art.10 Basic Law nicht für nichtig erklärt, sondern lediglich grundgesetzkonform ausgelegt werden können. Abschließend ist anzumerken, daß in der Knesset verstärkte Anstrengungen bestehen, ein Basic Law: Freedom of Religion zu verabschieden, welches bereits in erster Lesung angenommen wurde.90 2. Richterliche Rechtsfortbildung Da sich der Umfang der Religionsfreiheit nicht durch das Basic Law: Human Dignity and Freedom feststellen läßt91, sind die Entwicklung der Religionsfreiheit durch die Rechtsprechung sowie die Auslegung und Abgrenzung dieses Rechts gegenüber anderen Grundrechten heranzuziehen. Die Religionsfreiheit ist als Rechtsprinzip im israelischen Fallrecht schon lange verankert. Dieses Prinzip verpflichtet die Exekutive zu entsprechender Achtung, das heißt, sie hat bei der Ausführung ihrer Aufgaben jedes religiöse oder areligiöse Anliegen gleich zu behandeln.92 Einer der bedeutendsten Fälle ist in diesem Zusammenhang Peretz v. Head of Local Council of Kfar Shmaryahu. Das Gericht bestätigte ausdrücklich, zur Religionsfreiheit gehöre auch die Freiheit, seinen Glauben auszuüben.93 Auch for a fitting purpose, and only to the extent necessary, or by a law as aforesaid by virtue of an express authorization therein.“ 89 Vgl. Kapitel 3, C. II. 1. b); zur schwierigen Rolle des Supreme Court hinsichtlich der „Verfassungsrevolution“ in Israel siehe auch Giladi, in: Lapidoth/Ahimeir (Hrsg.), (Anm. 85), S. 61, 71 ff. 90 Vgl. Gideon Alon, Freedom of Religion Bill passed for now, Ha’aretz (engl.Ausg.) v. 14.12.00: „The freedom of religion, belief and conscience of every person is guaranteed,“ states the bill. „No person can be forced to belong to a religion, a religious community or a religious (group) of any kind. Freedom of religious practice and the preservation of individual or public religious beliefs are protected.“ Vor einigen Jahren wurde von einer Gruppe von Professoren der Universität Tel Aviv ein umfassender Entwurf zur Religionsfreiheit vorgelegt, der den Besonderheiten der israelischen Gesellschaft angepaßt ist. Der Text ist abgedruckt bei Asher Maoz, State and Religion in Israel, in: Menachem Mor (Hrsg.), International Perspectives on Church and State, Omaha, Neb. 1993, S. 239, 245. 91 Vgl. Giladi, in: Lapidoth/Ahimeir (Hrsg.), (Anm. 85), S. 61, 69. 92 Vgl. Cohen, in: Kellermann/Siehr/Einhorn (Hrsg.), (Anm. 75), S. 79, 81. 93 HCJ, Peretz v. Head of Local Council of Kvar Shmaryahu, P.D. 16 (1962), 2101. In diesem Fall veweigerte eine Gemeinde der Reformbewegung des Judentums eine Stadthalle zum Zweck der Religionsausübung zu vermieten. Das Gericht sah in dieser Praxis einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit.

B. Ausgestaltung in Israel

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im Fall Faithful of the Temple Mount v. The Jerusalem District Police Commander berief sich das Gericht auf das Prinzip der Religions- und Gewissensfreiheit: „Everyone in Israel enjoys freedom of conscience, faith, religion and worship. This freedom is guaranteed to every person in every enlightened democratic regime, and therefore it is guaranteed to every person in Israel ….“94

Gegründet wird dieses Prinzip auf die einfachgesetzliche Regelung in Art. 83 der Palestine Order in Council, hauptsächlich jedoch auf den demokratischen Charakter des Staates Israels sowie auf Völkergewohnheitsrecht.95 Im Gegensatz zur positiven Religionsfreiheit ist die negative Religionsfreiheit im israelischen Recht weniger geschützt.96 Das liegt zum einen an der Auffassung der orthodoxen Juden, für die die Freiheit von Religion gegen die Grundsätze ihres Glaubens verstößt. Zudem ist diese Situation auf die historischen Wurzeln der religiösen Gesetzgebung unter osmanischer und britischer Herrschaft sowie auf den Kompromiß zwischen Religiösen und Säkularen bei der Staatsgründung Israels zurückzuführen.97 So hat das Supreme Court beispielsweise bis heute die Gültigkeit einer zivilen, in Israel vorgenommenen Heiratszeremonie nicht anerkannt.98 Weitere Problembereiche der negativen Religionsfreiheit betreffen den Import von nicht koscherem Fleisch99, das Verbot der Schweinezüchtung, die Nichtexistenz ziviler Friedhöfe und ziviler Begräbniszeremonien, die Privilegien für den orthodoxen Teil der Bevölkerung hinsichtlich Erziehung, Militärdienst und anderer Subventionen, das Schließen von Straßen und die Einstellung des Busverkehrs während des Schabbats und jüdischer Festtage sowie die automatische Unterwerfung unter die Jurisdiktion der religiösen Gerichte in Familienangelegenheiten.100 94 HCJ, Templemount Faithful v. Jerusalem District Police Commander, P.D. 38 II (1984), 449, 454; für englische Zusammenfassung mit Auszügen siehe IYHR 15 (1985), S. 292, 293 ff. 95 Ebda., American-European Beit El Mission v. Minister of Social Welfare, P.D. 21 II (1967), 325, 333; Shimon Shetreet, Freedom of Religion and Freedom from Religion: A Dialogue, IYHR 4 (1974), S. 194, 196 ff.; Cohen, in: Kellermann/Siehr/Einhorn (Anm. 75), S. 79, 81. 96 Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 532; teilweise wird sogar argumentiert, daß die negative Religionsfreiheit gerade nicht zur Religionsfreiheit gehört sondern nur zur Gewissensfreiheit und dementsprechend hinsichtlich ihres Schutzes nicht die gleiche Rangstellung einnehmen kann. 97 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4, A. II. 1. a). 98 Segev v. Rabinical Court, P.D. 21 II (1967), 505; im Ausland durchgeführte zivile Eheschließungen werden hingegen anerkannt; vgl. Cohen, in: Kellermann/Siehr/Einhorn (Anm. 75), S. 79, 93 ff. 99 HCJ, Mitral Ltd. v. Knesset, P.D. 50 V (1996), 15. 100 Natan Lerner, The Politics of Compromise: Religion and State in Israel, Interdisciplinary Center Herzliya Israel, S. 1, 4 ff.; Raday (Anm. 77), IYHR 25 (1995), S. 193, 218 ff.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

Ein erster Schritt zur Stärkung der negativen Religionsfreiheit wurde im Fall Horev v. Minister of Transportation unternommen. In seinem Urteil erklärte der Präsident des Supreme Court, Barak, hinsichtlich der Sperrung einer Hauptverkehrsstraße am Shabat: „freedom of religion includes freedom from religion“.101 Abgesehen von der unzureichenden Garantie der negativen Religionsfreiheit kann die Religionsfreiheit auch durch Knessetgesetze ausdrücklich eingeschränkt werden, ohne der Rechtfertigungsklausel des Art. 8 des Basic Law zu unterliegen. Das Gericht nahm bis jetzt bei Konflikten zwischen Religionsfreiheit und anderen Rechtsgütern eine Abwägung vor, welche teils zugunsten einer Verflechtung von Religion und Staat, teils dagegen ausfiel.102 So wird teilweise die Verletzung „religiöser Gefühle“ gegen die Verletzung von Menschenrechten abgewogen, auch wenn diese Gefühle oder deren Verletzung noch nicht den Grad einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erreicht haben. Barak verwendet dabei als Abgrenzungskriterium das „Erschüttern der gegenseitigen Toleranzbasis“.103 3. Artikel 83 Palestine Order in Council Einfachgesetzlich ist die Religionsfreiheit durch eine aus der britischen Mandatsherrschaft stammende Vorschrift geregelt. In Art. 83 Palestine Order in Council (POC) sind sowohl die Religions- und Gewissensfreiheit des einzelnen als auch die kollektiven Rechte der religiösen Gemeinschaften normiert: „All persons in Palestine shall enjoy full liberty of conscience and the free exercise of their form of worship subject only to the maintenance of public order and morals.104

Auffällig ist, daß nicht zwischen Religions- und Gewissensfreiheit unterschieden wird, sondern zwischen Gewissensfreiheit („liberty of conscience“) und gottesdienstlicher Ausübungsfreiheit („exercise of worship“). Eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift muß aber notwendigerweise zu dem Ergebnis führen, daß der Begriff „Gewissensfreiheit“ sowohl das Recht eine Religion zu haben, als auch das Recht keine Religion zu haben, umfaßt.105 Ohne das forum internum wäre 101 HCJ, Horev v. Minister of Transportation, P.D. 51 IV (1997), 1, 184; Auszüge siehe Justice 14 (1997), S. 34 ff.; Aharon Barak ist der Ansicht, daß die Freiheit der Religionsausübung direkt von dem Basic Law: Human Dignity and Freedom abgeleitet werden kann, Interpretation in Law, Teil III, Jerusalem 1994, S. 225, 303, 430. 102 Vgl. Giladi, in: Lapidoth/Ahimeir (Hrsg.), (Anm. 85), S. 61, 69. 103 Horev v. Minister of Transportation, P.D. 51 IV (1997), 1, Justice 14 (1997), S. 34, 37–40. 104 Palestine Order in Council 1922, Sir Edward Drayton, Laws of Palestine III (1933), Rules, Orders, Acts, S. 2569 ff. 105 So auch das Gericht, C.A., Rogozinski v. State of Israel, P.D. 26 I (1970), 129, 134; siehe auch Haim Cohen, in: Kellermann/Siehr/Einhorn (Hrsg.), (Anm. 75), S. 79, 80.

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schließlich die Ausübungsfreiheit sinnlos. Die israelischen Gerichte haben ferner entschieden, daß diese Norm den Wechsel der eigenen Religion ebenfalls einschließt.106 Die Formulierung „exercise of all forms of worship“ ist großzügig als Ausübungsfreiheit, nicht lediglich als „Freiheit des Gottesdienstes“, zu verstehen. Sie umfaßt vielmehr die Durchführung von Gottesdiensten, das Befolgen von religiösen Geboten, religiöse Unterrichtung und Ähnliches. In Art. 17 POC wurden die Legislative und Exekutive verpflichtet, die Religionsfreiheit zu achten und sie nur unter bestimmten Umständen zu beschränken: „… no ordinance shall be passed which shall restrict complete freedom of conscience and the free exercise of all forms of worship, save in so far as for the maintenance of public order and morals; or which shall tend to discriminate in any way between the inhabitants of Palestine on the ground of race, religion or language.107

Diese Einschränkung entspricht im wesentlichen der Schrankenklausel des Art. 18 Abs. 3 ICCPR mit dem Unterschied, daß auch das forum internum theoretisch eingeschränkt werden kann. Die noch zu Mandatszeiten kodifizierte Religionsfreiheit wurde nach der Staatsgründung durch Art. 11 der Law and Administration Ordinance 1948 als Bestandteil des israelischen Rechts bestätigt, soweit sie nicht zu späterer Gesetzgebung im Widerspruch steht.108 Aufgrund dieser Einschränkung gelangt man wieder zu dem Ergebnis, daß die Exekutive zwar an die Beschreibung der Religionsfreiheit gebunden ist, die Knesset diese jedoch mit einer einfachen Mehrheit ändern kann.109 II. Spezielle Rechtsquellen Erst die Untersuchung verschiedener Spezialgesetze kann den wirklichen Umfang der Religionsfreiheit in Israel aufzeigen.

106 In der Entscheidung des HCJ, Pessaro Goldstein v. Minister of Interior, P.D. 49 IV (1995), 661, 685, schrieb Richter Shamgar: „Die Freiheit, seine Religion zu wechseln, ist in der Glaubens- und Gewissensfreiheit verankert … die verschiedenen Behörden werden nicht in diese Autonomie des einzelnen eingreifen … die Entscheidung über die Aufnahme einer Person in eine Religionsgemeinschaft, der er beitreten möchte … ist frei von jeder Einmischung von Seiten des Staates.“ 107 Ebda. 108 Art. 11 Law and Administration Ordinance, LSI 1 (1948), 4: „The law which existed in Palestine on the 5th Iyar, 5708 (14th May, 1948) shall remain in force, insofar as there is nothing therein repugnant to this ordinance or to the other laws which may be enacted by or on behalf the Provisional Council of State, and subject to such modifications as may result from the establishment of the state and its authorities.“ 109 Vgl. auch Giladi, in: Lapidoth/Ahimeir (Anm. 85), S. 61, 62.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

1. Gottesdienst Das Recht der gemeinschaftlichen Ausübung ist neben Art. 83 POC in verschiedenen Vorschriften einfachrechtlich weiter ausgestaltet. Ein wesentlicher Aspekt der Freiheit, seine Religion mit anderen zu bekunden, ist die ungestörte Durchführung des Gottesdienstes. Dabei spielt der Zugang zu den heiligen Stätten sowie deren Erhalt die zentralste Rolle. Aus diesem Grund bestehen einige Schutzvorschriften, die jene Rechte garantieren sowie den interreligiösen Frieden wahren sollen. a) Zugang zu den heiligen Stätten Besonders heikel ist das Recht auf Zugang zu den heiligen Orten mit der Intention, dort die eigene Religion zu bekunden. Insbesondere der Zutritt zu den heiligen Stätten in Jerusalem und dort vornehmlich zum Tempelberg/Haram alSharif führt immer wieder zu erheblichen Problemen, da das Betreten einer Stätte durch die Angehörigen einer Religion von der anderen Religion oft schon als Verletzung ihrer bestehenden Rechte betrachtet wird. Im Gegensatz zum internationalen Recht, welches Jerusalem noch als „Corpus separatum“ betrachtet110, ist Jerusalem nach israelischem Recht Bestandteil des Staatsgebiets Israels. Im Basic Law: Jerusalem Capital of Israel 1980 wird das gesamte, vereinte Jerusalem zur Hauptstadt Israels erklärt. Damit ist das israelische Recht auf die heiligen Orte Jerusalems anzuwenden.111 Die Rechte in und über die heiligen Stätten werden durch drei Prinzipien bestimmt: den status quo, den freien Zugang sowie die eingeschränkte Jurisdiktion der israelischen Gerichte, was substantielle Rechte an diesen Orten betrifft.112

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Vgl. Partition Resolution 181 (II) der Generalversammlung der Vereinten Nationen v. 29.11.1947, Part III, Jerusalem Art. A, nach der Jerusalem ein „corpus separatum“ ist, zit. in: Ruth Lapidoth/Moshe Hirsch, The Arab-Israeli Conflict and its Resolutions, Selected Documents, Tel Aviv/Dordrecht 1992, S. 33 ff.; Res. 2253 (ES-V) und 2254, UN GAOR, 5th Emergency Special Sess, Supp. No. 1, 4, UN Doc. A/6798 (1967); S. C. Res.252, UN SCOR, 23rd Sess, 9 f., UN Doc. S/INF/23/Rev.1 (1970); S. C. Res. 26, UN SCOR, 24th Sess., 3 f., UN Doc. S/INF/24/Rev.1 (1970); S. C. Res. 698, UN SCOR 26th Sess., 6, UN Doc. S/INF/27 (1971), die die Legalität der israelischen Besatzung in Ostjerusalem ablehnen. Ausführlich zur Annexion Ostjerusalems durch Israel Asher Maoz, On the Legal Status of the Golan Heights: Application of Israeli Law or Annexation, Brooklyn Journal of International Law 20 (1992), S. 355, 359 ff.; siehe auch Eliahu Lauterpacht, Jerusalem and the Holy Places, London 1968, der lediglich von einer funktionellen im Gegensatz zu einer rechtlichen Internationalisierung Jerusalems ausgeht, S. 34 ff. 111 Vgl. HCJ, Temple Mount Faithful v. Attorney-General et al, P.D. 47 V (1993), 222 ff.; für eine engl. Zusammenfassung des Urteils siehe Justice 9 (1996), S. 43, 47. 112 Siehe dazu ausführlich Izhak Englard, The Legal Status of the Holy Places in Jerusalem, ILR 28 (1994), S. 589, 591 ff.

B. Ausgestaltung in Israel

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Seit der Dekrete des Sultans von 1757 besteht ein sogenannter status quo für die heiligen Orte, d. h. bestehende Rechte an Eigentum und Zugang zu heiligen Plätzen dürfen nicht geändert werden. Dieses Prinzip diente ursprünglich dazu, Dispute unter den christlichen Kirchen über die verschiedenen Heiligtümer in Jerusalem zu vermeiden. Der Status-quo-Grundsatz wurde 1852 auch in Form eines Firmans, 1878 im Vertrag von Berlin113 und schließlich auch während der britischen Mandatszeit in Palästina bestätigt.114 Artikel 14 des Völkerbundmandats sah die Ernennung einer besonderen Kommission vor, welche die einzelnen Rechtsansprüche und gottesdienstlichen Riten in jedem der Orte erforschen sollte. Die Kommission kam jedoch nie zustande. Die einzelnen Ansprüche wurden dann detailliert im sogenannten Cust-Report niedergelegt, der bis heute für die meisten Stätten als verbindlich erachtet wird.115 Das Prinzip des status quo ist indes nicht unangefochten, da einige Parteien geltend machen, bezüglich ihrer historischen Ansprüche in der Vergangenheit ungerecht behandelt worden zu sein.116 So streiten sich die koptische und die äthiopische Kirche um das Eigentum an der Kapelle im Deir-el-Sultan-Kloster nahe der Grabeskirche.117 Besondere Brisanz erfährt der status quo dort, wo mehr als eine Religion eine Stätte als heilig betrachtet. Nach dem status quo ist es beispielsweise Christen verboten, in dem auch Muslimen heiligen Coenaculum118 zu beten. Sie dürfen es aber besuchen.119 Der status quo für muslimische und jüdische heilige Stätten wurde nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 zugunsten der Juden verändert, da sowohl während der Mandatszeit als auch unter jordanischer Herrschaft das Besuchsrecht der Juden sehr eingeschränkt worden war.120

113 Art. LXII: „that no alteration can be made in the status quo in the Holy Places“, zit. in: Walter Zander, Jurisdiction and Holiness: Reflection on the Coptic-Ethiopian Case, ILR 17 (1982), S. 245. 114 Art. 2 und 3 der Palestine (Holy Places) Order in Council 1924, Drayton, The Laws of Palestine III, London, rev. ed. 1934, 2625. 115 Lionel Georg Arthur Cust, The Status Quo in the Holy Places, Jerusalem 1980. 116 So wurden z. B. jüdische Friedhöfe und Synagogen unter jordanischer Herrschaft über Jerusalem beschädigt oder zerstört. Die Katholiken gaben beispielsweise an, daß der Firman von 1747 ihre Rechte aus dem Vertrag von 1740 durch die Erneuerung der Vormachtstellung der Orthodoxen Kirche verletzt. 117 Vgl. The Coptic Patriarchate v. The Minister of Police, P.D. 25 I (1971), 225; The Coptic Patriarchate v. The Government of Israel, P.D. 33 I (1979), 225; ausführlich dazu Zander (Anm. 113), ILR 17 (1982), S. 245, 248 ff.–252. 118 Abendmahlssaal auf dem Zionsberg. 119 Muslimen und Christen ist auch die Grabeskirche Marias und die Himmelfahrtskapelle heilig. 120 Amnon Ramon, Freedom of Religion and the Status of Christians in Jerusalem 1967–1997, in: Ruth Lapidoth/Ora Ahimeir (Hrsg.), Freedom of Religion in Jerusalem, Jerusalem 1999, S. 81, 90; Englard (Anm. 112), ILR 28 (1994), S. 589, 592 f.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

Jede Veränderung des status quo bringt enorme Risiken für den interreligiösen Frieden mit sich. Dies trifft umso mehr zu für die Orte, die hinsichtlich ihrer „Heiligkeit“ historisch äußerst umstritten sind. Ansprüche beruhen auf reinem Glauben oder jahrelanger Praxis, also rational unzugänglichen Begründungen. Außerdem werden religiöse Stätten teilweise auf sehr fragwürdiger Grundlage beansprucht. Unter dem Vorwand der Religion wird versucht, politische Kontrolle über Teile des Landes zu gewinnen und die historischen Ansprüche anderer auszuradieren. Diese Praxis ist bei der Beschlagnahme islamischer Shayk Gräber und deren Inanspruchnahme als Gräber jüdischer Patriarchen durch radikal jüdische Gruppen zu beobachten.121 Aber auch zwischen Christen und Muslimen kommt es aus diesem Grund häufiger zu Auseinandersetzungen, wie beispielsweise durch die geplante Etablierung einer Moschee auf dem Platz neben der Basilika der Verkündigung in Nazareth durch die islamische Bewegung.122 Das Deklarieren von Ruinen oder Steinen zu heiligen Orten nimmt teilweise solche Ausmaße an, daß vom Recht der Religionsausübung nicht mehr gesprochen werden kann. Vielmehr wird ein krasser Rechtsmißbrauch betrieben, um zwecks Ausübung der Herrschaftsgewalt über ein bestimmtes Gebiet vollendete Tatsachen zu schaffen. Diese Versuche wurden und werden leider von allen Religionen betrieben. So ist der Tempelberg das traurigste Beispiel, wie in der Geschichte immer wieder versucht wurde, durch Zerstörung und Überbauung die jeweils andere Religion auszulöschen. Ein weiterer Grundsatz, welcher die Ausübungsfreiheit regelt, ist der freie Zugang zu den religiösen Stätten, wie er im Protection of Holy Places Law 1967 und in Art. 3 Basic Law: Jerusalem verankert ist: „The holy places shall be protected from desecration and any other violaton and from anything likely to violate the freedom of access of the members of the different religions to the places sacred to them or their feelings with regard to these places.“123

Der freie Zugang erfährt jedoch durch das Konzept des status quo erhebliche Einschränkungen, insbesondere da, wo der freie Zugang einer Religion von einer anderen schon als Entweihung empfunden wird. Die israelischen Gerichte haben einen modus vivendi gefunden, den Zugang an sich zu gestatten, religiöse Zeremonien aber nicht allen zu erlauben. So ist es nach dem status quo an bestimmten Orten nur einer Religionsgemeinschaft gestattet, ihre Religion mit entsprechenden Gebetsutensilien zu bekunden. Die anderen genießen freien Zugang zu bestimmten Zeiten, dürfen jedoch nicht überall ihre Religion öffentlich ausüben.

121 Vgl. Muslim Tombs grabbed for Jewish prayer sites, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 11.02.2000, S. 1. 122 Vgl. Waiting for the Next Millenium, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 17.03.2000, S. B4; Playing with Dynamite, ebda. v. 24.09.1999, S. B4; Muslim Activists Flex Political Muscle, ebda. v. 06.03.2000, S. 5; für weitere Beispiele vgl. Israel Yearbook and Almanac 1999, S. 214 f. 123 LSI 21 (1966/67), 76.

B. Ausgestaltung in Israel

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Das dritte Prinzip, welches hinsichtlich der heiligen Stätten eine Rolle spielt, ist die eingeschränkte Zuständigkeit der Gerichte, Beschwerden bezüglich substantieller Rechte an religiösen Stätten entgegenzunehmen.124 Zurückgehend auf Art. 2 Palestine (Holy Places) Order in Council 1924 darf das Gericht keine Fälle anhören, in denen Rechte eines heiligen Ortes betroffen sind.125 Nach der Auffassung des Supreme Court darf das Gericht nicht über die substantiellen Rechte entscheiden, wie beispielsweise über Eigentumsfragen und über das Recht auf Abhaltung von Gottesdienst. Über das Schicksal dieser Ansprüche hat die Exekutive zu entscheiden. Das Gericht darf jedoch eingreifen, wenn der status quo verletzt, das Recht auf Zugang verweigert oder eine Straftat an einem heiligen Ort verübt wurde. Auf diese Weise wird der reine Zugang vom substantiellen Recht auf Ausübung von Gottesdienst unterschieden.126 Explosivster Streitpunkt in Jerusalem ist der Tempelberg/Haram al-Sharif, welcher als Ort des ersten und zweiten Tempels die heiligste Stätte der Juden ist und durch den dort errichteten Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee die drittheiligste der Muslime.127 Als Israel Ostjerusalem von Jordanien 1967 eroberte, wurde den Muslimen weiterhin das Recht gesichert, an dieser heiligen Stätte ihre Religion zu bekunden, während dies den Juden de facto verweigert wurde und wird. Im Gegensatz zur Mandatszeit und zur jordanischen Herrschaft über Jerusalem wurde den Juden seit 1967 wieder gestattet, an der Klagemauer (Westmauer des einstigen Tempels) mit allen entsprechenden Gebetsutensilien ihre Religion zu bekunden.128 Die Verwaltung des Tempelbergs obliegt dem Waqf, einer muslimischen Treuhand.129 Der Zugang zum Berg wird jedoch von Israel geregelt. Verschiedene Male wurden Beschwerden von Juden an das Supreme Court gerichtet, mit dem Ziel, daß auch Juden auf dem Tempelberg beten dürfen. Das Gericht erkannte daraufhin das 124 Art. 2 POC 1924: „Notwithstanding anything to the contrary in the Palestine Order in Council 1922 or in any ordinance or law in Palestine, no cause or matter in connection with the holy places or religious buildings or sites in Palestine or the rights or claims relating to the different religious communities in Palestine shall be heard or determined by any court in Palestine.“ Ausführlich dazu Shmuel Berkowitz, The Holy Places in Jerusalem: Legal Aspects (Part Two), Justice 12 (1997), S. 17–21. 125 Art. 2 und 3 der Palestine (Holy Places) Order in Council 1924, Drayton, The Laws of Palestine III, London, rev. ed. 1934, 2625, welche durch die Administration Ordinance 1948 und deren Änderung Nr. 11 auch weiterhin in Israel einschließlich Jerusalem zur Anwendung kommt, LSI 22 (1948/49), 75. 126 Temple Mount Case, HCJ, National Circles v. Minister of Interior, P.D. 24 II (1970), 141, dazu auch Claude Klein, The Temple Mount Case, ILR 6 (1971), 257 ff.; Berkowitz (Anm. 124), Justice 12 (1997), S. 17–21. 127 Nach muslimischem Glauben stieg Mohammad von dort zum Himmel auf; der Hufabdruck seines Pferdes soll sich auf einem Stein im Felsendom befinden. 128 HCJ, National Circles v. Minister of Police, P.D. 24 II (1968), 141, 207, IYHR 20 (1990), S. 376, 377 ff. 129 Vgl. Maoz, in: van der Vyver/Witte (Anm. 87), S. 349, 383.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

Recht der Juden, gemeinschaftliche Gebete auf dem Tempelberg/Haram al-Sharif abzuhalten, im Prinzip an, überließ jedoch die Implementierung gemäß Art. 2 der Palestine (Holy Places) Order in Council 1924 der Exekutive, welche aus Gründen der öffentlichen Sicherheit die Umsetzung bis jetzt ablehnt.130 Aufrechterhalten wird unter normalen Umständen jedoch das Recht der Juden, außerhalb der muslimischen Gebetszeiten den Tempelberg zu besuchen.131 Welch furchtbare Auseinandersetzungen allein das Besuchsrecht auslösen kann, wurde durch den Aufenthalt Ariel Sharons auf dem Tempelberg Ende September 2000 deutlich. Seit dem Ausbruch der „Al-Aqsa Intifada“ wurde das Recht der Muslime auf Zugang zum Tempelberg stark eingeschränkt. So durften von den männlichen Besuchern zeitweise nur Personen über 40 Jahre den Tempelberg betreten.132 Diese Einschränkung der Religionsausübungsfreiheit wird gerechtfertigt mit der Gefahr für Leib und Leben anderer. Da Muslime verschiedene Male nach den Freitagsgebeten Steine vom Tempelberg auf an der Klagemauer betende Juden und die israelische Polizei geworfen hatten, mußte der Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit hier der Religionsfreiheit vorgehen. Fraglich ist jedoch, warum eine solche Abwägung nicht auch hinsichtlich Sharons Besuch auf dem Tempelberg vorgenommen wurde, dessen Recht auf Zugang nicht zugunsten eines Schutzes wichtigerer Rechtsgüter eingeschränkt wurde, obwohl deutliche Warnungen vor Unruhen vorlagen.133 b) Schutz des Gottesdienstes und seiner Stätten Außer dem Recht auf Zugang existieren verschiedene Vorschriften, die auf den Schutz und Erhalt religiöser Stätten sowie das ungestörte Abhalten von Gottesdiensten abzielen. In Art. 7 des Penal Law sind „Offences Against Religious Sentiment and Tradition“ aufgeführt. In den Sektionen 170 bis 173 ist die Beleidigung der Religion,134

130 HCJ, National Circles v. Minister of Police, P.D. 24 II (1968), 141, IYHR 20 (1990), S. 376, 377 f.; HCJ, Templemount Faithful v. Jerusalem District Police Commander, P.D. 38 II (1983), 449, IYHR 15 (1985), S. 292, 294 f.; The Templemount Association v. The Mayor of Jerusalem, P.D.47 V (1993), 222 ff.; Kach Movement v. Minister of Religious Affairs, P.D. 47 II (1993), 1. 131 National Circles v. Minister of Police, P.D. 24 II (1970), 141, IYHR 20 (1990), S. 376, 377 f. 132 Vgl. Baruch Kra, Police may limit prayers on mount, Ha’aretz (engl.Ausg.) v. 06.10.2000. 133 Vgl. Storm over Sharon’a plan to visit Mount, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 28.09.2000; Danny Rubinstein, The green line does not apply at Al-Aqsa, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 02.10.2000. 134 Sec. 170: „If a person destroys, damages or desecrates a place of worship or any object which is held sacred by a group of persons with the intention of reviling their religion“.

B. Ausgestaltung in Israel

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die Störung des Gottesdienstes,135 unbefugtes Betreten gottesdienstlicher Stätten oder Friedhöfe136 sowie die Verletzung religiöser Gefühle strafrechtlich sanktioniert.137 Religiöse Stätten werden weiterhin durch Art. 1 des Protection of Holy Places Law 1967 geschützt.138 Dieses Gesetz enthält in Art. 2 außerdem eine Sanktion bei Entweihung oder Beschädigung einer Stätte und für den Fall, daß der Zugangs zu dieser gestört wird.139 Der physische Bestand religiöser Stätten ist zusätzlich im Antiquities Law140, in der Mining Ordinance 1925141 und im Drainage and Flood Control Law 1958142 geschützt. Die heiligen Stätten Jerusalems sind gesondert durch Art. 3 des Basic Law: Jerusalem, Capital of Israel 1980 gesichert.143 Problematisch bleibt allerdings, welche Stätten unter den Anwendungsbereich dieser Schutzvorschriften fallen. Der Religionsminister ist in Art. 4 des Protection of Holy Places Law 1967 ermächtigt, bestimmte Verordnungen zur Umsetzung dieses Gesetzes zu erlassen. Dies ist mit Blick auf die jüdischen Religionsstätten geschehen.144 Sie sind in einer Liste einzeln aufgeführt, und somit ist sichergestellt, daß sie unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. 135 Sec. 171: „If a person maliciously disturbs a meeting of persons lawfully assembled for religious worship, or if he maliciously assaults a person who officiates at a said meeting … he is liable to three years imprisonment.“ 136 Sec. 172: „If a person without permission enters a place of worship or burial …, or if he deals disrespectfully with the a human corpse or causes disturbance to persons assembled for a funeral … all with the intention of hurting a person’s feeling or reviling his religion … he is liable to three years imprisonment.“ 137 Vgl. Aryeh Greenfield, Penal Law 1977, 3rd ed., August 1999, S. 65. 138 Vgl. Text bei Anm. 123. 139 Art. 2 (a): „Whosoever desecrates or otherwise violates a Holy Place shall be liable to imprisonment for a term of seven years.“ Im Jahr 2000 sind verschiedene Male Reformsynagogen und Versammlungshäuser messianischer Juden Opfer von Attacken orthodoxer Fanatiker geworden, U.S. State Department, Bureau of Democracy, Human Rights and Labour, 2000 Annual Report on International Religious Freedom: Israel, 05.09.2000; im Zuge der gewalttätigen Auseinandersetzungen der Al-Aqsa Intifada und der teilweisen Zerstörung des Josephgrabs in den besetzten Gebieten, wurden von jüdischen und arabischen Randalierern Moscheen bzw. Synagogen innerhalb der Staatsgrenzen Israels durch Brandanschläge beschädigt, IDF: PA planning mosque at Joseph’s Tomb Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 11.10.00, Weekend of sporadic clashes between Arabs, Jews, 15.10.00. Art. 2 (b): „Whosoever does anything likely to violate the freedom of access … shall be liable to imprisonment for a term of four years.“ 140 Vgl. Art. 29 u. 32 Antiquities Law 1978, LSI 32 (1977–78), 93 ff. 141 Art. 8 (1) (a), Drayton, Laws of Palestine II, 953 ff. 142 Art. 22 a, LSI 12 (1957/58), 5. 143 Vgl. Justice 3 (1994), S. 14. 144 Protection of Jewish Holy Sites Regulations 1981, Kovetz HaTakanot 1981, 12, 12; Anträge an das Religionsministerium, auch islamischen, christlichen und drusischen heiligen Stätten auf diese Weise Anerkennung zu verschaffen, wurden bis jetzt nicht berücksichtigt.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

Merkwürdigerweise besteht eine solche Verordnung nicht für die religiösen Stätten anderer Religionen. Dies schließt die Achtung und den Erhalt anderer heiliger Stätten freilich nicht aus, läßt aber Zweifel an der Einstellung des Religionsministerium hinsichtlich deren Erhalt aufkommen, welches sich leider auch im völlig unzureichenden Budget für die religiösen Orte anderer Religionen widerspiegelt.145 Insbesondere in den sogenannten „Abwesenden Dörfern“, welche mittels verschiedener Gesetze zu illegalen Wohnorten gemacht wurden146, ist es immer wieder zu Entweihung und Verfall von heiligen Stätten gekommen. So wurden verschiedene Male Straßen und Parkplätze über islamische Friedhöfe gebaut und verfallene Moscheen als Viehstall zweckentfremdet.147 Die Nichtanerkennung dieser Dörfer führt unvermeidbar auch zur Nichtanerkennung der heiligen Stätten, da sie in keiner Verordnung aufgelistet sind. So konnte auch eine Beschwerde beim Supreme Court nicht verhindern, daß in einem nicht anerkannten Dorf die von den Einwohnern gebaute Moschee, abgerissen wurde.148 2. Einhaltung religiöser Gebote Die Freiheit, religiöse Gebote und Gebräuche einzuhalten, ist ebenfalls durch spezielle Gesetze detaillierter geregelt. Zum einen ist in Art.1 der Days of Rest Ordinance 1948 bestimmt: „The Sabbath and the Jewish festivals, … shall be the prescribed days of rest in the State of Israel. Non Jews shall have the right to observe their own Sabbath and festivals as days of rest.“149 Im Hours of Work and Rest Law 1951 wird jedem Arbeiter ein wöchentlicher Feiertag von nicht weniger als 36 Stunden zugesichert. Nichtjuden können gemäß Art. 7 lit. b Abs. 2 des Gesetzes zu ihrem Feiertag den Freitag, Sonnabend 145 Adalah v. Minister of Religion, hinsichtlich des Budgets zur Erhaltung religiöser Friedhöfe, P.D. 54 II (2000), 164 ff., 180; für eine englische Zusammenfassung siehe Adalah’s Case List, Status of Supreme Court Petitions, Shfaram 2000 sowie Adalah News v. 24.02.2000, einsehbar unter http://www.adalah.org. 146 Vgl. Kapitel 1, B. III. 1. und Kapitel 3, C. II. 1. d) (2); Gespräch mit Fr. Dr. George Khoury, Präsident des griechisch-katholischen (melkitischen) Gerichts am 21.03.01. 147 Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), Equal Rights and Minority Rights for the Palestinian Arab Minority in Israel, A Report to the UN Human Rights Committee on Israel’s Implementation of Articles 26 & 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, Nazareth, July 1998, S. 77; zum Abriß der Moschee im Hefer Tal, Umwandlung des Friedhofs in einen Park, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 06.02.2000, S. 2, sowie v. 24.02.2000, S. 3; siehe auch den Fall der zerstörten Moschee von Umm al-Faraj, HCJ, Wakim Wakim v. Israeli Police, Takdin Elion 1999 (I), 412. 148 Mosque in the Unrecognised Arab Village of Husseniya, HC, Kaman Saweed v. Magistrate Court of Akko, 1878/00; 1631/00 nicht veröffentlicht, vgl. Adalah News v. 02.03.2000, www.adalah.org. 149 Days of Rest Ordinance 1948, LSI 1 (1948), 18.

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oder Sonntag wählen.150 Arbeitgeber müssen den Arbeitsplan dementsprechend ausrichten und dürfen eine Einstellung aufgrund der Wahl eines bestimmten Feiertags nicht verweigern. Diese Bestimmungen gelten nicht für Beschäftigte in Unternehmen in den Bereichen staatliche Sicherheit, Gesundheitswesen oder für die Anbieter essentieller Versorgung, wie Hotels oder Elektrizitätsunternehmen.151 Auch das Employment Service Law 1959 enthält eine Schutzvorschrift für die Angehörigen anderer Religionen, die es dem Arbeitsamt verbietet, bei der Arbeitsvermittlung aufgrund der Religion in irgendeiner Art und Weise zu diskriminieren.152 Die Freiheit, religiöse Gebräuche im Bereich des Familienrechts einzuhalten, werden später im Rahmen der kollektiven Rechte untersucht.153 Ein weiterer Aspekt im Rahmen der Ausübungsfreiheit ist das Recht der arabischen Bürger, zwecks Pilgerfahrt das Land zu verlassen. Erst seit 1977 ist es israelischen Muslimen erlaubt, sich auf die Hajj, die Pilgerfahrt nach Mecca, zu begeben. Verschiedene Male wurde dieses Recht aufgrund von Sicherheitsbedenken der israelischen Behörden nicht gestattet, was das High Court of Justice auch fast immer für gerechtfertigt hielt.154 Ein weiterer Punkt im Rahmen der Ausübungsfreiheit ist die Missionierung Andersgläubiger, die gerade für die Christen wichtiger Bestandteil ihres Glaubens ist. Die Bekehrung Andersgläubiger ist grundsätzlich im Rahmen der Religionsfreiheit gestattet, allerdings nicht uneingeschränkt.155 So hat jeder das Recht, seine Religion zu ändern, aber nur solange diese Wandlung nicht aufgrund eines materiellen Vorteils erfolgt. In den Sec. 174 A und 174 B des Penal Law ist das Versprechen und die Annahme eines materiellen Vorteils als Gegenleistung für die Konvertierung zu einer anderen Religion unter Strafe gestellt.156 Insbesondere sogenannte Missionsschulen 150

Hours of Work and Rest Law, 1951, LSI 5 (1950/51), 125. Vgl. ausführlich auch für die Auswirkungen dieser Gesetze auf die säkulare Bevölkerung Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 562; Shetreet (Anm. 95), IYHR 4 (1974), S. 194, 207 ff.; Raday (Anm. 77), IYHR 25 (1995), S. 193, 218 ff. 152 Art. 42, LSI 13 (1958/59), 29. 153 Vgl. Kapitel 4, B. IV.–VI. 154 Vgl. dazu HCJ, Baranassi v. The Director of Visa and Citizenship Department, P.D. 37 III (1983), 722; engl. Zusammenfassung ILR 20 (1985), S. 497 ff.; in anderen Fällen wurde Pilgern nach ihrer Rückkehr die Auszahlung von Sozialhilfe verweigert, vgl. Jalal Bana, Pilgrimage to Mecca jeopardizes national insurance benefits, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 22.01.01. 155 HCJ, Pessaro Goldstein v. Minister of Interior, P.D. 49 IV (1995), 661, 665. 156 Vgl. Aryeh Greenfield, Penal Law 1977, 3rd ed., August 1999, S. 65 f. Diese Vorschrift sollte vor allem die teilweise exzessive Missionsarbeit bestimmter christlicher Gemeinden auf ein vernünftiges Maß reduzieren. 151

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waren in der Vergangenheit Schikanen durch jüdische Extremisten ausgesetzt, da sie früher auch jüdische Kinder unterrichteten.157 Als Reaktion auf die Zusendung von Missionsmaterial an eine halbe Million Haushalte in Israel wurde ein Gesetzesvorschlag eingebracht, die missionarische Arbeit weiter einzuschränken.158 Dieser hat bis jetzt jedoch nie eine Mehrheit gefunden. Damit ist auch die Missionierung als Teil der Ausübungsfreiheit in Israel grundsätzlich geschützt.159 III. Zwischenergebnis Die Freiheit, eine Religion anzunehmen, zu haben, zu wechseln und zu bekunden wird in Israel prinzipiell geachtet, obwohl bis jetzt noch keine sichere verfassungsrechtliche Basis für dieses Recht besteht, sondern nur einfachgesetzliche Regelungen und richterrechtlich entwickelte Prinzipien. Verletzungen der Religionsfreiheit lassen sich jedoch in einigen Teilbereichen der Ausübungsfreiheit feststellen. Während der Zugang zu den heiligen Stätten trotz der ungeheuer fragilen Beziehung der verschiedenen Religionen untereinander grundsätzlich gewährleistet wird, finden Verletzungen bezüglich des Baus und besonders des Erhalts von heiligen Stätten und Gebetshäusern in sogenannten „Abwesenden Dörfern“ statt. Die starke Verflechtung von Staat und Religion mit privilegierter Stellung der jüdischen Religion führt öfters zu Verletzungen der Religionsfreiheit i. V. m. dem Gleichheitsgrundsatz, wie beispielsweise beim Erhalt von religiösen Gebäuden. Die negative Religionsfreiheit ist weder für Israelis mit jüdischer, muslimischer, christlicher oder drusischer Herkunft garantiert. IV. Rechtsstatus der muslimischen Minderheit Der Status der islamischen Minderheit in Israel ist stark durch die historischen Gegebenheiten in Palästina geprägt. Unter osmanischer Herrschaft stellte der Islam die Staatsreligion in Palästina. Das Familien- und Personenstandsrecht wurde in das osmanische Rechtssystems eingegliedert, welches zum größten Teil durch das Recht der Shari’a bestimmt wurde.160 157

Vgl. Orit Ichilov/André Elias Mazawi, Between Church and State, Life-History of a French-Catholic School in Jaffa, Frankfurt a. M. 1996, S. 129 ff. 158 Ruth Lapidoth, Freedom of Religion and of Conscience in Israel, in: dies./Ahimeir (Anm. 85), S. 3, 20. 159 Lediglich die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage hat einen Vertrag mit Israel, keine Konvertierungen vorzunehmen, vgl. U.S. Department of State, Bureau of Democracy, Human Rights and Labour, 2000 Annual Report on International Religious Freedom: Israel, 05.09.2000. 160 Eduardo Vitta, The Conflict of Laws in Matters of Personal Status in Palestine, Tel Aviv 1947, S. 2 ff., 103 ff.

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Hinsichtlich der nichtmuslimischen Bevölkerung unterschied das islamische Recht zwischen Heiden und Angehörigen einer Religion des „Buches“, wie Christen und Juden.161 Für letztere richtete der Sultan ein System von millets ein, welches ihnen auf Antrag institutionelle Autonomie sowie eine eigene Jurisdiktion im Bereich des Familienrechts gewährte.162 Die Würdenträger der einzelnen Gemeinden waren dem Sultan gegenüber verantwortlich. Während der britischen Mandatszeit wurde diese Struktur weitgehend beibehalten. Die alten Shari’a-Gerichte blieben bestehen, trotz der Trennung der Gerichte von der Shayk ul Islam (höchste religiöse Autorität im osmanischen Reich) in Istanbul und dem damit einhergehenden Verlust der Stellung als Staatsreligion.163 Auch unter israelischer Herrschaft wurde das Milletsystem in seinen Grundzügen erhalten.164 So sieht Art. 83 S. 2 POC vor: „Each religious community recognised by the government shall enjoy autonomy for the internal affairs of the community subject to the provisions of any ordinance or Order issued by the High Commissioner.“165

1. Religiöser Rat Zentrales Organ der islamischen Gemeinde während der Mandatszeit war der Supreme Council for Muslim Affairs. Dieser wurde von der britischen Mandatsregierung mittels Order vom 20. Dezember 1921166 etabliert und durch ein Elektorat nach osmanischem Recht gewählt. Später, während der arabischen Aufstände von 1936–39, wurde der Rat von der Mandatsregierung ernannt.167 Der Verantwortungsbereich des Supreme Muslim Council lag in der Verwaltung und Aufsicht über sämtliche für die islamische Gemeinde relevanten Institutionen. Dazu gehörte auch die Organisation der Shari’a-Gerichte, deren Richter (Qadis) und Angestellte vom Council ernannt wurden. Außerdem oblag ihm die Aufsicht über den muslimischen Waqf, eine Institution, die das mächtige 161 Said Amir Arjomand, Religious Human Rights and the Principle of Legal Pluralism in the Middle East, in: van der Vyver/Witte (Hrsg.), Legal Perspectives, S. 331, 335–347. 162 „Millet“ (Türkisch) bedeutet religiöse Gemeinde oder Volk; Frederic M. Goadby, International and Interreligious Private Law in Palestine, Jerusalem 1926, S. 113 ff.; Vitta (Anm. 160), S. 2 ff., 105 ff. 163 Vgl. Michael Dumper, Islam and Israel – Muslim Religious Endowments and the Jewish State, Washington D. C. 1994, S. 18 f. 164 Maoz, in: van der Vyver/Witte (Anm. 87), S. 349, 354; Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 533; Lapidoth, in: dies./Ahimeir (Anm. 158), S. 10 ff. 165 Palestine Order in Council 1922 (Anm. 104), S. 2569 ff. 166 Palestine Gazette 58 (1922), S. 2 ff. 167 Vgl. Kapitel 1, B. II.

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Eigentum der islamischen Gemeinde an Immobilien, Mobilien und Vermögenswerten treuhänderisch verwaltet. Der Council war darüber hinaus zuständig für die Festlegung des jährlichen Waqf-Budgets, von dem alle Bediensteten der Gerichte sowie Imams und Muezzins bezahlt und viele Aktivitäten der Gemeinde finanziert wurden.168 Zu Beginn der britischen Herrschaft spielte der Council auch eine Vermittlerrolle zwischen der islamischen Gemeinde und der britischen Mandatsregierung, wurde später jedoch zunehmend zur nationalen Dachorganisation der Palästinenser im Kampf gegen Landkäufe des Jewish National Fund und somit auch nach und nach zum Opponenten der Briten.169 Während des Unabhängigkeitskriegs 1947–49 flohen alle Mitglieder des Supreme Muslim Council, alle Richter bis auf einen Qadi und viele Waqf-Angestellte. Dies führte zu einem Kollaps der organisatorischen Strukturen des Council, der Gerichte und der Waqf-Verwaltung.170 Ein neuer Council wurde später weder von der israelischen Regierung ernannt, die an so einer Institution angesichts der nationalen Rolle des vorherigen Councils kein Interesse hatte, noch durch Wahl der zurückgebliebenen Gemeinde etabliert.171 Viele religiöse Institutionen sind mittlerweile „verstaatlicht“. Damit liegt die Finanzierung und Verwaltung bei besonderen Abteilungen im Religionsministerium, welches zum Teil die Gehälter der Kleriker sowie die Durchführung der Gottesdienste finanziert.172 Bis heute zeichnet sich die muslimische Minderheit in Israel durch eine starke Desorganisation aus, die teils auf der Kontrollpolitik Israels beruht, teils auf der inneren Zersplitterung der islamischen Gemeinde. Immerhin wurde im Jahr 2002 erstmals ein muslimischer Rechtswissenschaftler zum Dirketor der muslimischen Abteilung im Religionsministerium ernannt.173 Unter der Regierung Rabins von 1992 bis 1994 plante der damalige Religionsminister Shimon Shetreet einen neuen Muslim Council zu etablieren, um eine zentrale Verwaltung sowie einen Ansprechpartner für die islamische Minderheit zu gewinnen. Diese Pläne wurden gleichwohl nicht umgesetzt und teilweise auch stark 168

Dumper (Anm. 163), S. 19. Robert H. Eisenmann, Islamic Law in Mandate Palestine and Modern Israel, Ph.D, Columbia University 1971, S. 95; Yehoshua Porath, The Emergence of the PalestinianArab National Movement, 1918–1929, London 1974. 170 Dumper (Anm. 163), S. 25 f. 171 Im Gegensatz zur jüdischen Gemeinde, die durch das Chief Rabinate of Israel Law 1980, die Wahl, Funktionen und Kompetenzen des Chief Rabinate Council kodifizierte, LSI 34 (1980), 97. 172 Vgl. Maoz, in: van der Vyver/Witte (Anm. 87), S. 349, 366 ff.; zur Bürokratisierung von religiösen Institutionen und deren Auswirkungen auf die Autonomie der Gemeinden vgl. David Mark Neuhaus, Between Quiescence and Arousal: Political Function of Religion, A Case Study of the Arab Minority in Israel: 1948–1990, Hebräische Universität Jerusalem, 1991, S. 32 ff. 173 Haim Shapiro, First Muslim Named to Head Religious Affairs Ministry’s Muslim Department, Jerusalem Post v. 26.07.2002, S. 1. 169

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von den Muslimen kritisiert, da dieses Organ durch den Minister ernannt worden wäre.174 Seit Mitte der achtziger Jahre scheint das organisatorische Vakuum mehr und mehr von der islamischen Bewegung gefüllt zu werden, welche in den letzten Jahren neben ihrem politischen Engagement in den einzelnen Gemeinden auch in der Knesset eine nicht zu übersehende politische Macht geworden ist.175 2. Shari’a-Gerichte Im Gegensatz zum Supreme Muslim Council wurde die Institution der Shari’aGerichte 1953 offiziell durch das Shari’a Courts Law reetabliert176, welches bestimmt: „In this law, ‚Sharia Court‘ means a moslem religious court within the meaning of Art. 52 of the Palestine Order in Council, 1922–1947.“ (Art. 1) „The Shari’a Courts which operated before the coming into force of this law and which are specified in the first schedule thereto shall be deemed duly constituted ….“ (Art. 2)177

a) Organisation Die Gerichte operieren jedoch nicht autonom, sondern werden staatlich verwaltet. Der Religionsminister hat beispielsweise das Recht, Direktoren für die Shari’a-Gerichte zu ernennen. Außerdem werden die Qadis (religiöse Richter) und Gerichtsangestellten vom Religionsministerium bezahlt. Die Ernennung der Qadis wurde 1961 durch das Qadis Law geregelt, welches ein Ernennungsverfahren ähn-

174 Vgl. Sikkuy, Retrospect and Prospects, Equality and Integration, Progress by Government Ministries in 1992–1996 in Applying the Basic Guidelines of the Government with Respect to the Arab Citizens of Israel, and main Objectives toward the Year 2000, Jerusalem 1996, S. 49 f.; Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 545. 175 Vgl. zur Entwicklung und Bedeutung der islamischen Bewegung für die islamische Minderheit Muhammad Hasan Amara, The Nature of Islamic Fundamentalism in Israel, Terrorism and Political Violence 8/7 (1996), S. 155, 157 ff.; Rachel J. Rosenberg, The Islamic Movement in Israel: The Islamization of a Muslim Community in a Non-Muslim State, M.A. Thesis, Tel Aviv 1995, S. 30 ff. Die Bewegung besteht aus zwei Flügeln, dem recht radikalen Nordflügel in Um ElFahem und dem gemäßigteren Südflügel in Kafr Kana. 176 Zuvor waren bereits unter der Zusammenarbeit von Religionsministerium und Militärverwaltung in Nazareth, Acre, Jaffa und al-Tayyibah Shari’a-Gerichte etabliert und Qadis ernannt worden. Dieser Prozeß begann nicht sofort nach der Staatsgründung, da außer Shayk Tahir al-Tabari alle Qadis 1948 Israel verlassen hatten, vgl. Neuhaus (Anm. 172), S. 34 ff.; Dumper (Anm. 163), S. 28. 177 Sharia Courts (Validation of Appointments) Law 1953, LSI 8 (1953), 42.

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lich dem der Rabbinischen Gerichte für Familienrecht vorsieht.178 Dabei übt die islamische Minderheit recht wenig Einfluß aus. Vielmehr werden die Richter vom Religionsminister auf Empfehlung eines Komitees ernannt. Dieses besteht aus neun Mitgliedern: Zwei Qadis, dem Religionsminister, einem weiteren Minister, drei Knessetabgeordneten (davon mindestens zwei Muslime) und zwei Anwälten (davon mindestens ein Muslim).179 Die zu ernennenden Richter müssen zwar nach Art. 2 Abs. 1 des Qadis Law über eine angemessene Schulung im Shari’a-Recht verfügen, eine allgemeine rechtswissenschaftliche Ausbildung wird jedoch nicht verlangt, was durchaus nachteilhaft ist, da das anzuwendende Shari’a-Recht in einigen Bereichen durch säkulares israelisches Recht ergänzt oder modifiziert wird.180 Abgesehen von dieser Bürokratisierung der Gerichte ist ihre Funktion aufgrund einer unzureichenden Finanzierung des Gerichtsbetriebs von Seiten des Religionsministeriums oft nicht gesichert.181 Die Richter sind extrem überlastet, da für sieben erstinstanzliche Shari’a-Gerichte und ein Berufungsgericht nur 5 Richter ernannt worden sind.182 Die Qadis sind alle männlich, obwohl es der Hanafi-Schule grundsätzlich nicht widerspricht, daß auch Frauen Qadis sein können. Erst seit kurzem gibt es für Frauen die Möglichkeit, sich in Shari’a-Recht ausbilden zu lassen, um später einmal als Rechtsbeistand vor dem Shari’a-Gericht auftreten zu können.183 b) Prozessuales und materielles Recht Grundlage der Zuständigkeit der Shari’a-Gerichte ist immer noch Art. 52 S. 1 der POC 1922, welche ihre Jurisdiktion wie folgt beschreibt: „Moslem Religious Courts shall have exclusive jurisdiction in matters of personal status of Moslems in accordance with the provisions of the Law of Procedure of the Moslem Religious Courts of the 25th October 1333, A. H., as amended by any Ordinance or Rules.“184 178

Vgl. Qadis Law, LSI 15 (1960–61), 123. Vgl. Art. 4 Qadis Law 1961, ebda. Trotz dieser Zusammensetzung wurden meistens Kandidaten erwählt, die den Vorstellungen der israelischen Behörden entsprachen, da die Knessetabgeordneten regelmäßig aus jüdischen Parteien kamen; Neuhaus (Anm. 172), S. 36. 180 Die Dienstzeit eines Qadis endet gemäß Art. 11 ff. Qadis Law mit dem 70. Lebensjahr, dem Rücktritt oder der Entlassung. 181 Vgl. dazu ausführlich Kapitel 4, B. IV. 4. 182 Vgl. Suhad Bishara/Aida Toma Suliman, Personal Status and Family Laws, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel, The Status of Palestinian Women in Citizens of Israel, Submitted to the UN Committee on the Elimination of Discrimination Against Women, 17th Sess., Nazareth, July 1997, S. 66, 67 f. 183 Allerdings nur in Fällen, in denen ihr nach Shariarecht erlaubt ist, als Zeugin aufzutreten; Gespräch mit Dr. Moussa Abu Ramadan, Dozent für islamisches Recht an der Universität Haifa am 15.03.01. 184 Vgl. Anm. 104, S. 2581; die Zuständigkeit gem. S. 2 „They shall also have, subject to the provision of any ordinance or of the Order of the 20th December 1921, establishing 179

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Nach Art. 7 dieses muslimischen Prozeßrechts sind die Shari’a-Gerichte zuständig in Angelegenheiten des Sorgerechts, des Erbrechts, für Klagen wegen Ehebruchs, für die Ernennung eines Vormunds, für Klagen hinsichtlich Heirat und Scheidung, bei Streitigkeiten bezüglich der Morgengabe oder des Unterhalts für die Ehefrau sowie für die Testamentsvollstreckung.185 „Matters of personal status“ sind jedoch auch in Art. 51 POC definiert und umfassen dort „suits regarding marriage and divorce, alimony, maintenance, guardianship, legitimation and adoption of minors, inhibition from dealing with property of persons who are legally incompetent, successions, wills and legacies, and the administration of the property of absent persons.“ Nach einhelliger Auffassung geht die Zuständigkeit nach dem muslimischen Prozeßrecht jedoch Art. 51 POC vor. Diese bevorzugte Stellung geht darauf zurück, daß die Shari’a-Gerichte vor der britischen Herrschaft in Palästina als staatliche Gerichte für alle Einwohner zuständig waren und deshalb nicht als religiöse Gerichte mit besonderer Familienrechtszuständigkeit betrachtet wurden.186 Die Entscheidung über Verteilung des ehelichen Zugewinns bei einer Scheidung liegt allerdings nicht beim Shari’a-Gericht, welches dieses Rechtsinstitut nicht kennt, sondern beim Familiengericht, soweit ein Antrag bei diesem von einer Seite gestellt wird.187 Genauso werden Angelegenheiten des Erbrechts mittlerweile nach Art. 155 Inheritance Law nur dann vor dem Shari’a-Gericht behandelt, wenn alle Parteien dem zugestimmt haben.188 Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebung der Shari’a-Gerichte sind somit Verlobung, Morgengabe, Eheschließung und Scheidung, Sorgerecht, Vormundschaft, Unterhalt, Rechte aus Ehevertrag sowie eheliche Rechte und Pflichten. Die muslimischen Gerichte genießen hinsichtlich des Familienrechts damit die umfangreichste Zuständigkeit, während die christlichen und drusischen Familiengerichte in vielen Bereichen nur konkurrierende oder bedingte Zuständigkeit a Supreme Council for Muslim Religious Affairs, or of any orders amending the same, exclusive jurisdiction in cases of the constitution or internal administration of a Wakf constituted for the benefit of Moslems before a Moslem Religious court.“ ist weggefallen; Kapitel 4, B. IV. 3. 185 1333 ist das muslimische Jahr und entspricht 1917, für den Text auf Hebräisch siehe S. D. Goiten/Ben A. Shemesch, Muslim Law in Israel, Jerusalem 1957, 275 ff., die Übersetzung übernahm freundlicherweise Rechtsanwalt Ran Ben Shahar; zur Zuständigkeit der religiösen Gerichte allg. Dov Levin (Hrsg.), Yohel Sussmann, Zivilprozeß, 7. Ausg., Jerusalem 1995, S. 24, Rn. 20 ff. 186 Abu Anjela v. Population Registry’s Officer, P.D. 17 IV (1963), 2751, 2758. 187 Vgl. HCJ, Klil v. Matoah, P.D. 44 IV (1990), 197; die Shariagerichte üben auch Jurisdiktion über Personen aus, die nicht die israelische Staatsbürgerschaft besitzen, Ariel Rosen-Zvi, Family and Inheritance Law, in: Amos Shapira/Keren C. Dewitt-Arar (Hrsg.), Introducion to the Law of Israel, The Hague 1995, S. 75, 100. 188 Vgl. zum Erbrecht Aharon Layish, Women and Islamic Law in a Non-Muslim State, New York/Toronto/Jerusalem 1975, S. 280 ff.

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innehaben. Dies wirkt sich oft nachteilig auf die Rechtsstellung der muslimischen Frau aus. Verschiedene Male wurden in der Knesset bereits Gesetzesvorschläge eingebracht, um diese Situation zu ändern, bis jetzt jedoch ohne Erfolg.189 Das weitere prozessuale Recht einschließlich des Beweisrechts richtet sich ebenfalls nach dem bereits erwähnten Law of Procedure for the Muslim Religious Courts 1333.190 Grundlage des materiellen Rechts ist das Ottoman Family Law 1917191, welches auf der hanafitischen Schule basiert.192 Die erste Kodifizierung islamischen Rechts entstand durch die Ottomanen 1869–1876 in der sogenannten Mejelle. Sie basierte auf der in Palästina üblichen Hanafi Schule und ist der erste Zivilcode eines islamischen Landes.193 Im Jahre 1917 wurde schließlich das Ottoman Family Law geschaffen, welches auf der Hanafi-Schule und islamischer Rechtstheorie beruht. Dieses von den Richtern anzuwendende islamische Recht unterliegt jedoch einigen Einschränkungen durch säkulare israelische Gesetze, die von den Shari’a-Gerichten beachtet werden müssen. Das Supreme Court greift nur dann in die Entscheidungen der religiösen Gerichte ein, wenn sie ultra vires handeln oder willkürlich urteilen. Als Überschreitung der Jurisdiktion wird auch die Nichtanwendung säkularer Gesetze betrachtet, sofern diese auch für die religiösen Gerichte bindend sind.194 Da die Urteile religiöser Gerichte durch staatliche Vollstreckungsbeamte durchgesetzt werden, kann die Vollstreckung eines Urteils aufgrund Überschreitung der Zuständigkeit des Richters verweigert werden.195 So ist beispielsweise das Women Equal Rights Law 1950 von den Shari’aGerichten zu beachten, auch wenn es religiösem Recht widerspricht.196 Artikel 1 189 Vgl. den Vorschlag vom Knessetabgeordneten Massalcha, Bericht des Knesset-Komitees für die Rechte der Frau v. Februar 1999, S. 56 (Hebräisch). 190 Vgl. dazu auch Rosen-Zwi, in: Shapira/Dewitt-Arar (Hrsg.), (Anm. 187), S. 75, 81. 191 Für den Text auf Hebräisch siehe Goiten/Shemesch (Anm. 185), 214 ff. Vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 538, Layish (Anm. 188), S. 3. 192 Im Shariarecht bestehen mindestens vier verschiedene Schulen, die Hanafi, die Maliki, Shafi’i und Hanbali Schule, Dawoud S. El Alami, The Marriage Contract in Islamic Law, London 1992, S. 2 ff.; Francis Robinson, Der Islam, Augsburg 1998, S. 29 ff. 193 Joseph Schacht, An Introduction to Islamic Law, Oxford 1982, S. 92. 194 HCJ, Barriya v. the Qadi of the Shari’a Muslim Court, P.D. 9 (1954), 1193, Selected Judgements of the Supreme Court of Israel 2, 429, 436; allgemein auch Lapidoth, in: dies./Ahimeir (Anm. 158), S. 3, 22. 195 Vgl. zur Durchsetzung ausführlich Asher Maoz, Enforcement of Religious Courts’ Judgements Under Israeli Law, Journal of Church and State 23/2 (1991), S. 473, 479 ff. 196 Barriya v. the Qadi of the Shari’a Muslim Court (Anm. 194), S. 429, 434; Art. 7 lit. b Women Equal Rights Law: „Alle Gerichte handeln im Einklang mit diesem Gesetz. Ein Gericht, welches zuständig ist für Angelegenheiten des Personenstandsrechts handelt ebenfalls in Einklang mit diesem Gesetz, es sei denn alle volljährigen Parteien haben aus freiem

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Abs. 1 des Women Equal Rights Law bestimmt: „A man and a woman shall have equal status with regard to any legal proceedings; any provision of law which discriminates, with regard to any legal proceedings, against a woman as woman, shall be of no effect.“ Artikel 1 Abs. 2 des Gesetzes legt fest, daß es bei der Qualifizierung einer Entscheidung irrelevant ist, ob Beweggründe oder Ergebnis des Verfahrens eine Diskriminierung darstellen. Bedauerlicherweise enthält dieses Gesetz jedoch in Art. 5 eine Ausnahmevorschrift, daß es nicht auf Heirat und Scheidung anzuwenden ist.197 Außerdem befindet sich in Art. 7 lit. c eine Einschränkung der Nichtdiskriminierung, wenn es um die Ernennung zu religiösen Ämtern geht, einschließlich Richtern und Rabbinern.198 Dies bedeutet, daß Frauen in entscheidenden Bereichen diskriminierend behandelt werden dürfen zugunsten der Aufrechterhaltung des Gesetzes ihrer religiösen Gemeinschaft. (1) Eheschluß Nach islamischem Recht, hier Sec. 35 des Ottoman Family Law 1917, ist die Eheschließung kein Sakrament, sondern ein Vertrag, der auf Angebot und Annahme beruht.199 Das bedeutet, daß Frau oder Mann grundsätzlich in diesem Vertrag jede Bedingung festlegen können, die sie wünschen. So kann die Frau beispielsweise festlegen, daß der Mann keine anderen Frauen haben darf. Wenn er eine andere Frau nimmt, kann sie sich scheiden lassen und Schadensersatz verlangen. Dies kommt jedoch nur äußerst selten vor, da Tradition und sozialer Druck es Frauen praktisch unmöglich machen, ihre Rechte aus dem Koran wahrzunehmen.200 Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, daß die Interpretation des Willen vor dem Gericht vereinbart, daß ihr Fall nach dem Recht ihrer Gemeinschaft behandelt werden soll.“ 197 Art. 5: „The Law shall not effect any legal prohibition or permission relating to marriage and divorce.“ LSI 5 (1950/51), 171. 198 Die Ernennung zum religiösen Rat der Gemeinden muß jedoch unter Beachtung des Women Equal Rights Law erfolgen, da diese Körperschaften keine Befugnis zur Setzung religiösen Rechts haben, sondern lediglich religiöse Dienstleistungen zur Verfügung stellen, HCJ, Poratz v. Mayor of Tel Aviv, P.D. 42 II (1988), 309; HCJ, Shakdiel v. Minister of Religious Affairs, P.D. 42 II (1988), 221, 236, 240. 199 Ibrahim Shaaban, Roundtable Discussion: Religious Laws of Personal Status in a Democratic State, in: Israel Palestine Center for Research and Information (IPCRI), The Evolution and Development of Democracy in Israel and Palestine, Jerusalem 1998, S. 12, 14. 200 Vgl. Dalal Salameh zur palästinensischen Gesellschaft, Roundtable Discussion: Women’s Rights in a Religious and Democratic Society, in: IPCRI (Anm. 199), S. 146, 147: „What governs our lives now is not Islam …. It is not the rules of Islam that put women in such a bad situation. Rather it is tradition and customs.“

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Korans immer nur von Männern vorgenommen wurde und somit viele Vorschriften zum Nachteil der Frau ausgelegt werden.201 Stellt die Frau im Ehevertrag keine solche Bedingung, wird dies als Einverständnis zu weiteren Frauen gewertet.202 Die Eheschließung nach islamischem Recht ist hauptsächlich in drei Bereichen problematisch: hinsichtlich der Freiwilligkeit, des heiratsfähigen Alters und bezüglich der Polygamie. Nach Shari’a-Recht können auch Minderjährige heiraten, für die dann meist der Vater den Heiratsvertrag unterzeichnet, so daß die freie Wahl des Ehemannes oder der Ehefrau eingeschränkt ist.203 Diese Situation sollte in Israel durch das Age of Marriage Law 1950 revidiert werden, welches vorsieht, daß Mädchen erst ab 17 heiraten dürfen.204 Für Verstöße gegen dieses Gesetz wird nach Art. 2 Strafe angedroht. Sowohl die Minderjährigen als auch deren Eltern haben das Recht nach Art. 3 die Aufhebung der Ehe nach religiösem Recht zu beantragen.205 Soweit das religiöse Recht einen solchen Aufhebungsgrund nicht vorsieht oder eine Scheidung nur mit Einverständnis des Mannes möglich ist, wie im islamischen Recht der Fall, bleibt die Ehe zivilrechtlich bestehen. Das Gesetz erklärt also die unter seiner Verletzung geschlossene Ehe nicht für ungültig.206 Das 201 Ebda. „The real problem is due to the absence of people who can interpret the rules in the Koran and the prophet’s words. We are lacking the people who can provide a good interpretation, in accordance with the times in which we live.“ Verschiedene Schulen gehen davon aus, daß der Koran bei entsprechender Auslegung Frau und Mann gleich behandelt. Vgl. dazu Riffat Hassan, Rights of Women within Islamic Communities, in: Johan D. van der Vyver/John Witte (Hrsg.), Religious Human Rights in Global Perspective, Bd. I, Religious Perspective, The Hague/Boston/London 1996, S. 361, 382; Asghar Ali Engineer, The Rights of Women in Islam, New York 1992, S. 41, 43, 49, 53 ff. 202 Vgl. Sec. 35 des Ottoman Family Law sowie den Kommentar bei Goiten/Shemesh (Anm. 185), S. 218 f. (Hebräisch). 203 Sec. 4 bis 7 des Ottoman Family Law bestimmen, daß auch nicht mündige Jungen und Mädchen heiraten können, soweit sie physische und geistige Reife besitzen. Lediglich Kinder im Alter unter 9 bzw. 12 Jahren dürfen nicht heiraten.Vgl. zu dem Phänomen des „Verkaufs“ der Töchter durch ihre Väter Bishara/Suliman, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel (Anm. 182), S. 69. 204 LSI 4 (1949/50), 158; nur in außergewöhnlichen Umständen kann eine Erlaubnis zur Heirat unter dieser Altersgrenze von einem Gericht erteilt werden. Marriage Age Amendment Law 1960, LSI 14 (1960), 52. 205 Art. 2: „A person who a) marries a woman under marriage age; or b) celebrates or in any capacity assists at or in connection with the celebration of, a marriage of a woman under marriage age; or c) gives away in marriage a minor who is his daughter or his son who are under his guardianship, must be sentenced to two years imprisonment or fine according to section 61 a) 3. Penal Law 1977.“ (geändert 1998). 206 Art. 3 lit. A: „Where a marriage which according to the law applicable to matters of personal status of the parties is valid, has been celebrated in contravention of section 2, the fact of its having been so celebrated shall be a ground for an action for its dissolution by way of letter of divorce (get), annulment or in any other manner, as the law applicable to

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führt dazu, daß die Heiratszertifikate meist solange aufgehoben werden, bis die Frau 18 Jahre alt ist und erst dann eine Registrierung beim Innenministerium stattfindet. Das Innenministerium unternimmt keine weiteren Untersuchungen, um eine Minderjährigenheirat auszuschließen. Das Verbot wird infolgedessen so gut wie nicht implementiert mit der Konsequenz, daß diese Praxis weiterhin existiert.207 Eine weitere Ungleichheit besteht, wenn der Partner kein Muslim ist. So darf ein muslimischer Mann zwar nach der Shari’a eine „monotheistische“ Frau heiraten (keine Heidin), eine muslimische Frau genießt dieses Recht jedoch nicht. Für diese Diskriminierung bietet das säkulare israelische Gesetz keine Abhilfe, da es in Israel keine Möglichkeit gibt, zivil zu heiraten.208 Diese Rechtslage ist vor dem Hintergrund des halb zivilen, halb religiösen Charakters des Staates zu sehen, der es auch der Mehrheit der Bevölkerung nach halachischem Gesetz nicht gestattet, einen andersgläubigen oder atheistischen Partner in Israel zu heiraten.209 Eine weitere Kollision zwischen religiösem Familienrecht und säkularem israelischem Recht existiert hinsichtlich des Verbots der Polygamie. Während Art. 38 des Ottoman Family Law dem Mann nach dem Koran gestattet, bis zu vier Frauen zu ehelichen210, ist diese Praxis in Sec. 176 des Penal Law unter Strafe gestellt: „If a married man marries another women, and if a married women marries another man, then they are liable to five years imprisonment.“ Dieses Verbot wurde verschiedentlich unter Berufung auf die Religionsfreiheit angefochten. In dem wohl bekanntesten Fall Milchem v. Shari’a Court entschied das High Court of Justice, das Verbot der Polygamie aufrechtzuerhalten. Das Argument, daß dieses Verbot die religiöse Ausübungsfreiheit verletzt, verwarf das Gericht. So sei Inhalt der Religionsfreiheit nicht alles, was die Religion erlaube, sondern nur das, was die Religion unbedingt gebiete.211 Da matters of personal status of the parties may provide.“ Vgl. auch Eisenmann (Anm. 169), S. 357. 207 Vgl. Bishara/Suliman, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel (Anm. 182), S. 66, 71. 208 Baruch Bracha, Personal Status of Persons Belonging to No Recognised Religious Community, IYHR 5 (1975), S. 88, 100 ff., 117; Pinkas Shifman, Religious Affiliation in Israeli Interreligious Law, ILR 15 (1980), S. 1, 32. 209 Vgl. Claude Klein, Le charactère juif, de l’Etat d’Israel, Paris 1977, S. 122 ff.; Amnon Rubinstein, The Right to Marriage, IYHR 3 (1973), S. 233, 240. 210 Nach der Einschätzung vieler Muslime war die Polygamie jedoch als Schutz für Waisen und Witwen gedacht und nicht als Damoklesschwert für die muslimische Frau, Hassan, in: van der Vyver/Witte (Anm. 201), S. 361, 382; zur unterschiedlichen Einstellung der Qadis zur Polygamie vgl. Layish (Anm. 188), S. 80 ff. Einige interpretieren den Koran zugunsten der Monogamie, andere sind der Meinung, daß die Polygamie ein Rechtsmittel des Mannes gegen den Ungehorsam und die Rebellion der Frau darstellt. 211 HCJ, Milchem v. Shari’a Court, P.D. 8 (1954), 910, 911; a. A. Jacob Meron, Die Polygamie der Muslime und die Verfassungsmäßigkeit ihres Verbots, Mishpatim 3 (1972), S. 59–76 (Hebräisch), der argumentiert, daß Vielehe unter gewissen Umständen eine Ver-

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nach Auffassung des Gerichts der Islam das Ehelichen von vier Frauen lediglich gestatte aber nicht vorschreibe, liege bei einem Verbot keine Verletzung der Religionsfreiheit vor. Diese Argumentation ist jedoch sehr fragwürdig. Vielehe gehört an sich in den Schutzbereich der Religionsausübungsfreiheit, da sie nach islamischem Recht unter Umständen ein religiöses Gebot darstellt.212 Ihre Beschränkung ist vielmehr gerechtfertigt durch eine Abwägung der kollidierenden Rechte: das Recht der Frau auf Gleichbehandlung gegenüber dem Recht des Mannes auf Religionsausübung.213 Eine weitere Unterscheidung besteht zwischen Juden und Nichtjuden, da gemäß Art. 179 des Penal Law ein jüdischer Mann nicht wegen Polygamie bestraft werden kann, wenn ein rabbinisches Gericht ihm im letztinstanzlichen Urteil die Erlaubnis erteilt hat, wieder zu heiraten, obwohl er noch nicht geschieden ist.214 Dies konstituiert jedoch keine Diskriminierung der islamischen Männer, da es keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht geben kann. Die Erlaubnis für einen jüdischen Mann, unter bestimmten Umständen eine zweite Frau zu heiraten, diskriminiert die jüdische Frau. Dieses Unrecht kann anschließend nicht von anderen Gruppen als Recht im Sinne der Gleichbehandlung eingefordert werden.215 Auch das Gesetz gegen Polygamie leidet stark an mangelnder Durchsetzung. Viele Frauen trauen sich nicht, eine Vielehe anzuzeigen. Von den vereinzelten Fällen, in denen eine Beschwerde eingeht, werden nur wenige bestraft.216 Problematisch ist auch hier, daß die Vielehe zwar strafbar ist, zivilrechtlich dennoch wirksam bleibt. pflichtung für den gläubigen Muslim ist; Layish (Anm. 188), S. 81, FN 61; vgl. dazu auch Cohen, in: Kellermann/Siehr/Einhorn (Anm. 75), S. 79, 81 f.; Maoz, in: van der Vyver/ Witte, Legal Perspectives (Anm. 87), S. 349, 360. 212 Ariel Rosen-Zvi, Freedom of Religion: The Israeli Experience, ZaöRV 46 (1986), S. 213, 222. 213 Vgl. zur Einschränkung der kollektiven Religionsausübungsfreiheit zugunsten der Gleichbehandlung, Notes, Reinterpreting the Religion Clauses: Constitutional Construction and the Conception of the Self, HarvLR 97 (1983–84), S. 1468, 1479–1486. Wäre es der Frau ebenfalls gestattet, vier Männer zu heiraten, gäbe es keinen Konflikt zwischen Religionsausübung und Gleichbehandlung. Dieses Recht könnte dann nur aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses, wie beispielsweise einer einheitlichen Rechtsordnung bezüglich der Ehe, eingeschränkt werden. 214 Ein solcher Fall besteht, wenn die Frau eine Scheidung verweigert. Eine jüdische Frau kann hingegen die Scheidung nicht durch rabbinisches Urteil gegen den Willen ihres Mannes erreichen. Vgl. Raday (Anm. 77), IYHR 25 (1995), S. 193, 230. 215 Vgl. zu dieser Rechtslage Rosen-Zvi, in: Shapira (Anm. 187), S. 77, 85 ff.; Rosen-Zvi (Anm. 212), ZaöRV 46 (1986), S. 213, 219 ff. 216 Vgl. Bishara/Suliman, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel (Anm. 182), S. 66, 69; Layish (Anm. 188), S. 73 ff.

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(2) Rechte und Pflichten in der Ehe Die Beziehung der Ehepartner im islamischen Recht zeichnet sich nach der bisher üblichen Interpretation dadurch aus, daß der Mann für den Unterhalt der Frau einschließlich der Ausstattung des Hauses zu sorgen hat217 und die Frau dem Mann im Gegenzug Gehorsam schuldet, einschließlich der Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten wie beispielsweise der Kindererziehung. Sie ist auch verpflichtet, in das Haus des Mannes zu ziehen und darf dieses nach islamischem Recht auch nur mit seinem Einverständnis verlassen.218 Kommt die Frau diesen Verpflichtungen nicht nach, verliert sie als „rebellische Frau“ ihr Recht auf Unterhalt.219 Die Einhaltung ihres Gehorsams, Rückkehr ins Haus etc., kann jedoch in Israel nicht rechtlich durchgesetzt werden, da dies Art. 1 des Women Equal Rights Law widersprechen würde. (3) Scheidung, Unterhalt und Sorgerecht Nach Shari’a-Recht kann der Ehemann sich einseitig ohne besonderen Grund von seiner Frau scheiden, wenn er sie dreimal verstößt (Talaq). Für die Frau besteht diese Möglichkeit hingegen nicht. Die Talaq-Scheidung bringt enorm harte Konsequenzen für die Frau mit sich. Sie verliert ihren Anteil am Familieneigentum220 sowie das Sorgerecht für ihre Kinder, wenn sie das entsprechende Alter erreicht haben. Das Women Equal Rights Law hat die Auflösung der Ehe gegen den Willen der Frau durch eine Erweiterung von Sec. 181 des Panel Law unter Strafe gestellt.221 Problematisch ist hier jedoch wieder, daß diese strafrechtliche Sanktion ohne entsprechende zivilrechtliche Konsequenzen relativ erfolglos ist, wenn der Familienstatus nach islamischem Recht bestehen bleibt.222 217

Dieser kann mittels Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Abgesehen von Besuchen bei den Eltern und des Gottesdienstes, vgl. Sec. 69–73 des Ottoman Family Law 1917; Jamal N. Nasir, The Status of Women Under Islamic Law, 2. Ausg., London 1994, S. 41 ff. 219 Sec. 101 Ottoman Family Law 1917; dazu auch Layish (Anm. 188), 91 ff., Nasir (Anm. 218), S. 44. 220 Theoretisch soll die Frau im Fall einer Scheidung durch die sogenannte Morgengabe (Geschenk des Mannes bei Eheschließung) abgesichert sein. In der Praxis funktioniert dies jedoch oft nicht, da entweder die Väter der Töchter diese Summe kassieren oder der Ehemann sie später aufbraucht. Ebda., S. 40 ff. 221 Sec. 181: „If a man dissolved the marriage bond against the wife’s will in the absence of the final judgement of the civil Court or the competent religious Tribunal to make that dissolution binding on the wife, then he is liable to five years imprisonment.“ 222 Diese Situation wollte Uri Avneri durch seinen Entwurf „Dower Prohibition Bill“ ändern, Private Members Bill No. 26, sec. 8, KP, 4th meeting, 22.06.1966. Danach sollten einseitige Scheidungen auch familienrechtlich ungültig sein. 218

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Normalerweise erfolgt die Scheidung jedoch mit Einverständnis des Shari’aGerichts, welches vor allem den Ungehorsam der Frau, die Verletzung der Ehre des Mannes oder der Ehre der Frau, Kinderlosigkeit oder das Gebären von ausschließlich Mädchen als Gründe für eine Scheidung anerkennt. Hat der Mann eine Talaq-Scheidung vorgenommen und kann dies beweisen, erkennt das Shari’aGericht die Scheidung trotz Sec. 181 Penal Law an, was die Sanktion sinnlos werden läßt. Eine Frau hat die Möglichkeit, sich scheiden zu lassen, wenn sie in ihrem Ehevertrag eine entsprechende Bedingung festgelegt hat,223 was jedoch aufgrund sozialen Drucks nur selten vorkommt. Selbst wenn eine Minderjährige sich scheiden lassen möchte, kann sie dies nicht, da die Shari’a einen solchen Grund nicht vorsieht und Art. 5 des Women Equal Rights Law aufgrund der Ausnahmeklausel für Heirat und Scheidung nicht eingeklagt werden kann. Auch das Age of Marriage Law sieht nur Scheidungsgründe nach dem jeweiligen religiösen Recht vor.224 Die Frau kann aber eine Scheidung durch einen Qadi verlangen, wenn der Mann nicht zeugungsfähig ist, unter geistigen oder bestimmten körperlichen Krankheiten oder Behinderungen leidet und der Frau dies nicht bekannt war, oder wenn er sie über ein Jahr ohne Unterhalt zurückläßt, verschwunden oder in Kriegsgefangenschaft ist.225 Hinsichtlich der Vermögensaufteilung nach erfolgter Scheidung muß das Shari’a-Gericht das Spouses (Property Relations) Law 1973 beachten, welches in Art. 5 vorsieht, daß bei einer Scheidung jeder Ehepartner den hälftigen Anteil des in der Zugewinngemeinschaft erworbenen Vermögens erhält.226 Die Shari’a sieht dagegen für die Frau lediglich Unterhaltszahlungen in der dreimonatigen Warteperiode nach der Scheidung und keinen Anteil am Zugewinn vor.227 Eine der kritischen Folgen der Scheidung im islamischen Familienrecht ist das Sorge- und Vormundschaftsrecht für die Kinder. In der Shari’a wird zwischen Vormundschaft („wilaya“) und Sorge- beziehungsweise Aufsichtsrecht („hahana“) unterschieden. Die Mutter bekommt zunächst das Sorgerecht („hahana“) über die Kinder, aber nur unter der Voraussetzung, daß sie nicht wieder heiratet.228 Im Alter von 7 Jahren (Mädchen) beziehungsweise 9 Jahren (Jungen) geht dieses Sorgerecht 223 Entweder muß sie eine Bedingung erfüllen, um sich scheiden zu lassen, oder der Ehemann hat eine Bedingung nicht erfüllt, die zur Scheidung führt. Folge ist ein Scheidungsrecht, Layish (Anm. 188) S. 154, 155. 224 Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 699; vgl. Text bei Anm. 206. 225 Sec. 118 ff. Ottoman Family Law. 226 Aryeh Greenfield, Spouse (Property Relations) Law 1973, Februar 1997, S. 4. 227 Sec. 150 Ottoman Family Law. 228 Vgl. Asaf A. A. Fyzee, Outlines of Mohammadan Law, 2. Aufl., Oxford 1992, S. 198; Layish (Anm. 188), S. 246 ff.

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automatisch auf den Vater über, der prinzipiell die Vormundschaft über die Kinder erhält.229 Diese Rechtslage wurde durch Art. 3 des Women Equal Rights Law 1952 sowie durch das Art. 14 des Capacity and Guardianship Law 1962230 geändert, welche bestimmen, daß beide Eltern die Vormundschaft ausüben. Diese schließt gemäß Art. 15 das Sorgerecht mit ein. Wenn die Eltern getrennt leben, bekommt die Mutter das Sorgerecht bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes. Wenn die Eltern danach keine Einigung hinsichtlich des Vormundschafts- und Sorgerechts erzielen, hat das Gericht gemäß Art. 25 eine Entscheidung im besten Interesse des Kindes zu treffen.231 Die Shari’a-Gerichte sind gesetzlich verpflichtet, bei ihrer Urteilsfindung diese Gesetze anzuwenden. Viele Frauen berufen sich vor den Shari’a-Gerichten auch auf diese Gesetze. Bei Nichtanwendung durch die Qadis kann eine Beschwerde beim Supreme Court eingereicht werden. Im Fall Barriya v. The Qadi of the Muslim Court, stellte das High Court of Justice fest, daß es nur eingreifen werde, wenn das Shari’a-Gericht seine Zuständigkeit überschreite. Dies liege unter anderem vor, wenn die entsprechenden zivilen Gesetze nicht beachtet würden.232 c) Völkerrechtliche Einschätzung Die Zuständigkeit der religiösen Gerichte im Bereich des Familienrechts ist völkerrechtlich in dreifacher Hinsicht problematisch. Zum einen ist fraglich, ob die Intervention säkularer Gesetze in den Bereich des Familien- und Personenstandsrechts, welcher religiösen Gerichten untersteht, in die Freiheit der gemeinschaftlichen Ausübung und Wahrung der religiösen Identität eingreift. Ferner sind die Garantie der negativen Religionsfreiheit sowie der Rechte der Frau zweifelhaft. So sind die Gerichte gezwungen, in verschiedenen Bereichen säkulare Gesetze anzuwenden, welche die Balance zwischen Rechten und Pflichten nach religiösem Recht durcheinanderbringen, mit der Folge, daß die Ergebnisse dieser Rechtsprechung den Überzeugungen gläubiger Muslime oft widersprechen. Die israelische Rechtsordnung gewährt den religiösen Minderheiten also eine Art imperfekte Autonomie, ein kollektives Recht auf das eigene Familienrecht mit gewissen Einschränkungen. Diese kollektiven Rechte gehen über den im Völkerrecht für Minderheiten geforderten Schutz sogar hinaus, da die Gewährung eines eigenen religiösen Personenstandsrechts nicht im Schutzbereich der gemein229

Ebda., S. 265 ff.; Nasir (Anm. 218), S. 144 ff. LSI 16 (1960/61), 106. 231 Vgl. HCJ, Barriya v. the Qadi of the Shari’a Muslim Court, P.D. 9 (1954), 1193, Selected Judgements of the Supreme Court of Israel 2, 429, 432 ff. 232 Ebda., in diesem Fall lehnte das Gericht ein Eingreifen ab, da es nicht als erwiesen ansah, daß der Qadi das Women Equal Rights Law nicht anwenden wollte. 230

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schaftlichen Ausübung des Art. 18 Abs. 1 S. 2 sowie des Art. 27 ICCPR enthalten ist. Wenn eine solche juristische Autonomie gewährt wird, darf sie zugunsten der Einheit der Rechtsordnung eingeschränkt werden.233 Die säkularen Gesetze Israels beeinträchtigen die Religionsfreiheit unter diesem Aspekt nicht. Anders steht es im Bereich der negativen Religionsfreiheit. Die Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinschaft entsteht meist durch Registrierung bei der Geburt. Sie kann später auch geändert werden. Eine Konvertierung ist zulässig, soweit es die Regeln der jeweiligen Gemeinde erlauben.234 Auch eine atheistische Weltanschauung ist möglich. Diese bleibt im Bereich des Familienrechts aber theoretisch, da für die Eheschließung und Scheidung in Israel überhaupt keine zivilrechtliche Alternative besteht, und die Shari’a-Gerichte für Muslime auch in den meisten anderen Bereichen des Familienrechts ausschließliche Jurisdiktion genießen. Ob jemand Muslim ist und damit der Zuständigkeit der Shari’a-Gerichte unterfällt, richtet sich nicht nach seiner freien Wahl, sondern wird durch religiöses Recht bestimmt.235 Wenn jedoch im Rahmen einer so entscheidenden Institution wie des Familienrechts der einzelne zugunsten einer bestimmten kollektiven Religionsausübung seine anderen Menschenrechte zum Teil aufgeben muß, ist Mindestvoraussetzung, daß er vorher en detail über dieses Verfahren informiert wird und im Bewußtsein dessen freiwillig einwilligt. Solch eine Einwilligung könnte beispielsweise gegeben sein, wenn ein Paar eine religiöse Hochzeit der zivilrechtlichen vorzieht und sich damit dem religiösen Familienrecht unterwirft. Diese müßte aber auch selbst dann gewissen menschenrechtlichen Mindeststandards entsprechen.236 Dies ist in Israel jedoch nicht der Fall, da eine freie Entscheidung durch Wahl der Heiratszeremonie in Israel unmöglich ist.237 Diese Beschränkung der Wahlfreiheit verstößt deshalb auch gegen die in Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 des ICCPR 233 Vgl. Ausführungen zum forum externum Kapitel 4, A. II. 2. u. 3. Selbst wenn man einen Anspruch auf religiöses Familienrecht als durch die Religionsfreiheit geschützt betrachtet, so ist eine Beschränkung dieses Anspruchs zugunsten des kollidierenden Rechts der Frau auf Nichtdiskriminierung gerechtfertigt. 234 Registration of Inhabitants Ordinance 1949, LSI 2 (1949), 103. 235 Ebenso bei den Juden, Christen und Drusen, vgl. Izhak Englard, Religious Law in the Israeli Legal System, Jerusalem 1975, S. 59, FN 10; HCJ, Rufeisen v. Minister of Interior, P.D. 16 (1962), 2428, 2437, für die englische Übersetzung siehe Selected Judgements 1962–1969, Special Volume, 1, 5. 236 Vgl. zur Sittenwidrigkeit von sogenannten statusschwächenden „freiwilligen“ Einwilligungen im Bereich religiöser, traditioneller Praktiken am Beispiel der Genitalverstümmelung, Dagmar Richter, Relativierung universeller Menschenrechte durch Religionsfreiheit?, in: Rainer Grote/Thilo Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, Berlin u. a. 2001, S. 89, 195 ff. 237 Die einzige Möglichkeit, anders zu heiraten, besteht durch eine Hochzeit im Ausland, welche auf Antrag in Israel registriert werden kann. Vgl. HCJ, Funk v. Minister of Interior, P.D. 1 (1948), 225; Rubinstein (Anm. 209), IYHR 3 (193), S. 233, 242 ff.

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normierte negative Religionsfreiheit sowie gegen die Freiheit, seinen Glauben anders als die dogmatisch vorherrschende Richtung auszuüben. Darüber hinaus könnte Israel seine Verpflichtungen bezüglich der Rechte der Frau durch diese ambivalente Rechtsordnung verletzen. Die partikuläre Autonomie im Familienrecht führt oft zu einer Mißachtung der Rechte der Frau auf Gleichbehandlung. Zum einen entsteht die absurde Situation, daß die Ergebnisse strafrechtlich sanktionierter Handlungen wie der Minderjährigenheirat, der Polygamie und der einseitigen Scheidung zivilrechtlich ihre Gültigkeit behalten. Zum anderen ist die Stellung der Frau hinsichtlich ihrer Wahlmöglichkeiten bei Heirat, Ehe und Scheidung ungleich der des Mannes. Diese Gesetzeslage verstößt gegen Art. 3 und 26 des ICCPR. Ein Verstoß liegt insbesondere auch gegen Art. 23 ICCPR sowie gegen Art. 16 CEDAW vor238, welche die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe regeln. Zu klären ist, ob Israel seine Vertragsverpflichtungen aufgrund der eingebrachten Vorbehalte hinsichtlich dieser Vorschriften trotzdem nicht verletzt: „With reference to Article 23 of the Covenant, and any other provision thereof to which the present reservation may be relevant, matters of personal status are governed in Israel by the religious law of the parties concerned. To the extent that such law is inconsistent with its obligations under the Covenant, Israel reserves the right to apply that law.“239

Dieser Vorbehalt ist jedoch ungültig, wenn er gemäß Art. 19 lit. c der Wiener Vertragskonvention mit Ziel und Zweck des Vertrages unvereinbar ist.240 Bei der Überprüfung, ob ein Vorbehalt zulässig ist, muß zwischen wirtschaftlichen Verträgen und Menschenrechtsverträgen unterschieden werden. Letztere enthalten Rechte mit Erga-omnes-Wirkung.241 Aus diesem Grunde unterliegen Vorbehalte zu Menschenrechtsverträgen besonders strengen Anforderungen. Für Verträge mit 238 Art. 23 ICCPR „(2) Das Recht von Mann und Frau, im heiratsfähigen Alter eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, wird anerkannt. (3) Eine Ehe darf nur im freien und vollen Einverständnis der künftigen Ehegatten geschlossen werden. (4) Die Vertragsstaaten werden durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, daß die Ehegatten gleiche Rechte und Pflichten bei der Eheschließung, während der Ehe und bei der Auflösung der Ehe haben“. 239 Zu den Vorbehalten: Art. 23 ICCPR siehe http://www.unhchr.ch/htmlmenu3/b/ treaty5_asp.htm, Stand v. 08.08.2000; zu Art. 16 und Art. 7 (b) CEDAW, Declarations, reservations, objections and notifications of withdrawal of reservations relating to the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women: 08/02/96. CEDAW/SP/1996/2, S. 21. 240 So hat auch die Menschenrechtskommission in ihren zusammenfassenden Bemerkungen zum Staatenbericht Israels ihre Sorge hinsichtlich dieser Situation ausgedrückt, Concluding Observations of the Human Rights Committee: Israel, 18/08/98. CCPR/C/79/ Add.93, Rn. 29 (63rd sess.). 241 Theodor Meron, On a Hierachy of International Human Rights, AJIL 80 (1986), S. 1, 7, 12–23.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

humanitärem Charakter sind beispielsweise Vorschriften zur Beendigung und Suspendierung gemäß Art. 60 Abs. 5 WVK völlig unzulässig.242 Vorbehalte zu anderen Menschenrechtsverträgen sind nur gestattet, wenn sie bestimmt und begründet genug sind, und wenn es sich im Vergleich zum gesamten Vertragszweck um einen eher marginalen Bereich handelt.243 Überdies muß im Vorbehalt das innerstaatliche Gesetz, aufgrund dessen der Vorbehalt besteht, angegeben werden. Zusätzlich bedarf es eines Zeitplans für dessen Änderung oder Gründe, warum dieses nicht geändert werden kann.244 Der Vorbehalt Israels ist zum einen sehr weit formuliert. Es werden keine bestimmten Sachverhalte angegeben. Ferner ist der Einwand so abgefaßt, daß nicht nur Art. 23 davon betroffen wäre, sondern pauschal jedes Menschenrecht, das den religiösen Gesetzen im Bereich des Familienrechts unterliegt, wie beispielsweise die Religions- und Gewissensfreiheit in Art. 18 ICCPR. Zudem werden weder das innerstaatliche Gesetz bezeichnet noch Gründe angegeben, warum dieses nicht geändert werden kann. Der Vorbehalt Israels ist daher in seiner bestehenden Form ungültig, und die Vertragsverpflichtungen bleiben verletzt. 3. Eigentum der islamischen Gemeinde Während osmanischer und britischer Herrschaft waren die Shari’a-Gerichte neben Angelegenheiten des Familien- und Personenstandsrechts auch für Streitigkeiten, die den Waqf betrafen, zuständig. Der Waqf der islamischen Gemeinden ist eine Art religiöse Stiftung. Er entstand in Form von Schenkungen an Individuen oder Institutionen, um dem Begünstigten ein dauerhaftes Einkommen zu gewährleisten. Der islamische Waqf wird gegründet und genährt durch Schenkungen an die islamische Gemeinde. Obwohl nicht ausdrücklich im Koran erwähnt, hat der islamische Waqf einen äußerst religiösen Charakter und wird als 242 IGH, Advisory Opinion on the Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ-Reports 1951, S. 15; Wolf von der Wense, Der UN Menschenrechtsausschuß und sein Beitrag zum universellen Schutz der Menschenrechte, Berlin u. a. 1999, S. 86. 243 General Comment No. 24 (52) des Menschenrechtsausschusses, UN Doc. CCPR/C/ 21/Rev.1/Add.6, Rn. 19, HRLJ 15 (1994), S. 464; vgl. für die gleiche Problematik bzgl. Vorbehalten zur CEDAW Rebecca Cook, Reservations to the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, Virg.JIL 30 (1990), S. 643, 646–55, 703 f. 244 Vgl. Thomas Giegerich, Treaties, Reservation, in: EPIL 4 (2000), S. 965, 971, 976 f.; Belinda Clark, The Vienna Convention Reservations Regime and the Convention Against Discrimination against Women, AJIL 85 (1991), S. 281 ff.–321; Sullivan (Anm. 32), New York University Journal of International Law and Politics 2 (1992), S. 795, 835 ff.; Einwand der schwedischen Regierung gegen den Vorbehalt Iraks, Multilateral treaties deposited with the Secretary General: Status as UN Doc. ST/LEG/SER.E/10, UN Sales No. E.92.V.4; Comment No. 12, 8th Sess.

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heilige Institution betrachtet, da seine Ursprünge auf den Propheten Mohammed sowie den Kalifen Umar zurückgeführt werden.245 Die Einkünfte aus dem Waqf dienten unter anderem dem Bau und dem Erhalt religiöser Stätten, der Gründung von Schulen und Krankenhäusern, dem Unterhalt religiöser Prediger und Gelehrter, der Versorgung der Armen, aber auch der Ausstattung von „Glaubenskriegern“ mit Waffen.246 Das Vermögen des Waqf in Palästina bestand aus Immobilien, Mobilien und anderen Vermögenswerten, mit dessen Einkommen ein enormes soziales Netzwerk aufrechterhalten wurde. Religiöses Grundprinzip des Waqf-Eigentums ist seine Unveräußerlichkeit. Die Hüter des Waqf, der Supreme Muslim Council, die Ma’murs (Verwalter) sowie die meisten Qadis waren während des Unabhängigkeitskriegs 1947–48 geflohen oder vertrieben worden und konnten anschließend nicht mehr zurückkehren.247 Die verbliebene arabische Minderheit befand sich unter der rigiden Kontrolle der Militärverwaltung248, welche eine Wiederherstellung der muslimischen Institutionen verhinderte. Obwohl die Regierung in den ersten Wochen nach Ende des Krieges Gelder für die Durchführung des islamischen Gottesdienstes zur Verfügung stellte, hörte das gesamte Dienstleistungssystem des Waqf auf zu existieren. Für die israelische Regierung wurde schnell klar, daß das riesige Waqf-Eigentum, mit einer Gesamtfläche von zehn bis zwanzig Prozent des kultivierten Landes, zu islamisch kontrollierten Enklaven innerhalb Israels werden könnte. Da sich 1948 nur 10 Prozent des Staatsgebietes in jüdischem Eigentum befand, forcierte Israel mit einer Reihe von raffinierten Gesetzen die „Überführung“ des Restlandes in staatliches Eigentum, welches dann für die Entwicklung des Staatsgebiets und besonders für die Neueinwanderer zur Verfügung gestellt wurde.249 Das erste Gesetz, welches die Voraussetzungen schaffte, daß Israel sich weite Teile des Waqf aneignen konnte, war das Absentee Property Law 1950.250 Durch dieses Gesetz wurde die Institution des „Wächters des Abwesendeneigentums“ geschaffen. Angesichts der Funktion dieser Einrichtung eine mehr als euphemistische Bezeichnung. Nach Art. 1 des Gesetzes war Abwesender praktisch jeder

245

Vgl. Fyzee (Anm. 228), S. 274 ff. Gregory C. Koslowski, Changing Political and Social Contexts of Muslim Endowments, in: Randi Deguilhem/André Raymond, Le waqf dans L’espace islamique outil de pouvoir socio-politique, Damas 1995, S. 277–291, 279 ff.; zu Definition und Zweck auch Randi, Présentation, in: ebda., S. 15–26, 19 f. 247 Vgl. Eisenmann (Anm. 169), S. 408. 248 Vgl. Kapitel 1, B. III. 1. 249 Vgl. dazu Dumper (Anm. 163), S. 29 ff.; zur Landgewinnung bei Staatsgründung Kapitel 1, B. II. u. III. 250 LSI 5 (1949/50), 68. 246

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Eigentümer, der seinen Wohnort zwischen dem 29. November 1947 und dem 19. Mai 1948, wenn auch nur für kurze Zeit, verlassen hatte.251 Obwohl der Waqf nicht ausdrücklich im Gesetz genannt wurde und die muslimische Gemeinde, die Begünstigte des Waqf, sich noch immer, wenn auch nicht mehr so zahlreich, in Israel befand, wurde dem „Wächter“ ein erheblicher Teil des Waqf zur Verwaltung übertragen. Begründet wurde dieser Schritt mit dem Umstand, daß die Immobilien des Waqf auf die Namen der obersten Mitglieder des Muslim Council und auf die Namen der Verwalter registriert waren.252 Da diese fast alle geflohen oder ausgewiesen worden waren, waren sie als „Abwesende“ zu qualifizieren und das Waqf-Eigentum, welches auf ihren Namen registriert war, als Abwesendeneigentum einzustufen. Diese Argumentation ist angesichts des religiösen Charakters des Waqf, welcher als Eigentum Gottes verstanden wird und deshalb unveräußerlich ist, nicht überzeugend.253 Der Waqf wurde dann von Israel in „religiösen“ und „säkularen“ Waqf kategorisiert. Für den religiösen Waqf, der aus Moscheen, Friedhöfen und Schreinen bestand, war fortan der Religionsminister als Vertreter des „Wächters des Abwesendeneigentums“ zuständig. Der weit größere Teil des Waqf, der hauptsächlich aus Agrarland sowie Geschäfts- und Wohnungsimmobilien bestand, blieb unter der Kontrolle des „Wächters“. Problematisch wurden dessen Kompetenzen vor allem deshalb, da der „Wächter“ das Abwesendeneigentum an jede andere Körperschaft übertragen konnte. Ein großer Teil des Waqf wurde so durch verschiedene Prozesse in exklusiv jüdischen Besitz gebracht. Um diesen Prozeß keinen Anschein von Enteignung zu geben, wurde zunächst die Development Authority per Knesset251

Art. 1 b definiert einen Abwesenden als: „(1) a person who, at any time during the period between the 29 November 1947 and the day on which the declaration is published, under section 9 (d) of the Law and Administration Ordinance 1948, that the state of emergency declared by the Provisional Council of State on the 19th May 1948 has ceased to exist, was the legal owner of any property situated in the area of Israel, enjoyed or held it, whether by himself or through another, and who at any time during the said period (i) was a national or citizen of Lebanon, Egypt, Syria, Saudi Arabia, Trans-Jordan, Iraq or the Yemen, or (ii) was in one of these countries or in any part of Palestine outside the area of Israel, or (iii) was a Palestinian citizen and left his ordinary place of residence in Palestine a) for a place outside Palestine before the 1st September 1948, or b) for a place in Palestine held at the time by forces which thought to prevent the establishment of the State of Israel or which fought against it after its establishment; (2) a body of persons which, at any time …“. 252 Vgl. Eisenmann (Anm. 169), S. 410. 253 Vgl. Fyzee (Anm. 228), S. 288; Sabri Jyris, The Arabs in Israel, New York 1976, S. 63 f. Die islamische Minderheit gab auch ihren Protest gegen die De-facto-Enteignung des Waqf nie auf.

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gesetz gegründet.254 Der „Wächter“ verkaufte dann große Teile des Waqf an die Development Authority255, welche wiederum gesetzlich verpflichtet war, auf diesem Wege erworbenes Land ausschließlich an den Staat, den Jewish National Fund sowie an Gemeinden zu verkaufen.256 Die Übertragung des Waqf an die Development Authority wurde schließlich rückwirkend durch das Land Acquisition (Variation of Act and Compensation) Law 1953257 „legalisiert“ und somit den Erwerbern das Eigentum verschafft. Die muslimische Minderheit unternahm mehrere erfolglose rechtliche Versuche, dem „Wächter“ die Verwaltung des Waqf zu entreißen und den Qadis der Shari’aGerichte zu übertragen.258 Schließlich wurde 1965 die dritte Änderung zum Absentee Property Law erlassen. In Art. 4 lit. a (1) des geänderten Gesetzes wurde festgestellt, daß nun auch das Eigentum der Abwesenden hinsichtlich des verbliebenen religiösen Waqf auf den „Wächter“ übertragen wird, und zwar gemäß Art. 4 lit. b, rückwirkend seit dem Inkrafttreten des Absentee Property Law 1950. Dieser wurde außerdem in Art. 29 lit. a ermächtigt, den Waqf an die „Begünstigten“ herauszugeben und ihnen das Eigentum zu verschaffen.259 Begünstigte des Waqf der islamischen Gemeinde ist nach Art. 29 lit. b nicht die Gemeinde selbst, sondern ein von der Regierung ernannter Treuhandausschuß.260 Diesem wurde in der Folgezeit das Eigentum übertragen. Nach den Bestimmungen der Art. 29 lit. b ff. sind die Treuhandausschüsse jeweils nur für ein bestimmtes Gebiet zuständig. Sie sind unter anderem ermächtigt, alle Werte des Waqf abgesehen von Immobilien, auf denen sich Moscheen befinden, zu veräußern. Das Einkommen aus dem Waqf ist für Armenfürsorge, Gesundheit, religiösen Unterricht sowie Gottesdienste und ähnliches in dem bestimmten Gebiet zu verwenden. Einkommen aus der Ver-

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Development Authority (Transfer of Property) Law 1950, LSI 4 (1949/50), 151. Da keine Aufzeichnungen hinsichtlich dieser Transaktionen zugänglich sind, kann nur auf Schätzungen zurückgegriffen werden. Diese besagen, daß ca. 75–90 % des Waqf durch die Development Authority und andere Transaktionen in die Hände der ILA sowie des Jewish National Fund transferiert wurde, vgl. Ian Lustick, Arabs in the Jewish State, Austin/London 1981, S. 189; Dumper (Anm. 163), S. 34 f. 256 Art. 3 Abs. 1 bis 4 Development Authority (Transfer of Property) Law 1950, LSI 4 (1949/50), 151; zur Problematik der Zusammenarbeit von Jewish National Fund und der Israeli Land Administration vgl. Kapitel 3, C. II. 1. d) (2). 257 Art. 2 lit. a–d Acquisition (Validation of Act and Compensation) Law 1953, LSI 7 (1952/53), 43; Art. 3 gewährt Schadensersatz, siehe dazu auch Usama Halabi, Israeli Law as a Tool of Confiscation, Planning, and Settlement Policy, Adalah’s Review 2 (2000), S. 7 ff. 258 El Sarouji v. Minister of Religion and Muslim Comittee of Acre, P.D. 17 I (1964), 188 ff.; Dumper (Anm. 163), S. 141; Eisenmann (Anm. 169), S. 412 ff.; Jyris (Anm. 253), S. 63 ff. 259 Absentee Property (Amendment No. 3) (Release and Use of Endowment Property) Law 1965, LSI 19 (1964/65), 55. 260 Lustick (Anm. 255), S. 208. 255

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äußerung von Waqf ist beispielsweise zur Etablierung von Waisenhäusern, Schulen, Kliniken und Moscheen bereitzustellen. Dieses Gesetz war in verschiedener Hinsicht eine weitere Stufe der Enteignung der muslimischen Gemeinde. Zum einen wurde der Treuhandausschuß durch die Regierung ernannt und nicht durch die islamische Gemeinde. Über diese Ernennungen entschied de facto der Berater des Ministerpräsidenten für arabische Angelegenheiten, welcher sich durch die Wahl von feudalistischen, traditionellen Arabern, die Loyalität der Treuhandausschüsse sicherte. Damit war und wird die Loyalität der Ausschußmitglieder, die noch nicht einmal Muslime sein müssen, gegenüber dem Staat gewährleistet. Der vom Ausschuß verwaltete Waqf kann nur vor Ort eingesetzt werden und nicht für übergreifende oder größere Projekte.261 Das an den Treuhandausschuß herausgegebene WaqfVermögen besteht zumeist aus städtischen, im Unterhalt aufwendigen Immobilien, deren Kosten nicht wie früher durch Einnahmen aus landwirtschaftlichem Waqf ausgeglichen werden können.262 Aus diesen Gründen sind die Treuhandausschüsse und demzufolge die islamische Minderheit weitgehend von einer staatlichen Finanzierung abhängig. Zu diesen strukturellen Mängeln kommt hinzu, daß nach islamischem Recht der Waqf nicht veräußert werden soll, um gerade ein regelmäßiges Einkommen zu garantieren. Dieses Prinzip wurde völlig ignoriert. Durch den „Wächter“ und später die Mitglieder der Treuhandausschüsse wurden selbst Immobilien mit einer religiösen Weihung teilweise gegen Bestechungsgelder an israelische Entwicklungsfirmen veräußert oder verpachtet.263 Inzwischen wurden schon mehrfach Vorschläge gemacht, diese Situation zu ändern und den Mitgliedern der islamischen Minderheit ein größeres Mitspracherecht einzuräumen.264 Diese Versuche blieben aber bis jetzt erfolglos. Diese Behandlung der Institution des muslimischen Waqf ist eine Verletzung der gemeinschaftlichen Religionsausübung, da das Etablieren von Stiftungen zur Finanzierung gemeindlicher Institutionen für religiösen Dienst und Wohlfahrtseinrichtungen ausdrücklich im Rahmen der Ausübungsfreiheit gemäß Art. 18 und 27 ICCPR geschützt ist.265 Da es sich bei den muslimischen Arabern in Israel um eine 261 Viele muslimische Kinder besuchen christlich-arabische Privatschulen, vgl. Sami Mar’i, Arab Education in Israel, Syracuse 1978, S. 61 f.; Ichilov/Mazawi (Anm. 157), S. 58, 131. 262 Das Agrarland des Waqf wurde vorher an andere Institutionen transferiert. 263 So steht beispielsweise heute in Tel Aviv auf einem muslimischen Friedhof das Hilton und in verschiedenen alten Moscheen wurden Synagogen, Nachtclubs oder Restaurants etabliert, vgl. Dumper (Anm. 163), S. 54 ff. 264 So sahen die Richtlinien der Rabin-Regierung vor, die Verwaltung des Waqf in muslimische Hände zu übertragen, Sikkuy, Retrospect and Prospects (Anm. 174), S. 49; Maoz, in: van der Vyver/Witte (Anm. 87), S. 349, 367 f. 265 Vgl. Kapitel 4, A. II. 2. u. 3.

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Minderheit handelt, hat diese erst recht einen Anspruch, ihre Institutionen selbst zu verwalten. Die Überführung der Waqf Ländereien in staatlichen beziehungsweise jüdischen Besitz, welche de facto eine Enteignung ist, verletzt die Rechte der islamischen Minderheit als eigentliche Begünstigte des Waqf. Ein Staat kann bei überwiegenden öffentlichen Interessen Immobilien enteignen, aber nur, wenn dies einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält und eine angemessene Entschädigung erfolgt.266 Israel hat ohne Zweifel ein erhebliches öffentliches Interesse daran gehabt, Ländereien für Neueinwanderer zu erschließen und große, fremdverwaltete Enklaven auf seinem Staatsgebiet zu verhindern. Statt in verhältnismäßigem Umfang Land zu enteignen und es angemessen zu entschädigen, hat Israel es vorgezogen, durch eine Reihe von verschleiernden Gesetzen die muslimische Gemeinde um so weite Teile ihrer Besitztümer zu bringen, daß sie finanziell nun fast völlig von staatlicher Finanzierung und ausländischen Spenden abhängig ist. Insbesondere in dem Verkauf und der Entweihung muslimischer Moscheen und Friedhöfe gegen den Protest der islamischen Minderheit liegt eine Verletzung der gemeinschaftlichen Ausübungsfreiheit des Art. 18 ICCPR sowie des Art. 27 ICCPR. 4. Finanzierung der islamischen Gemeinden Die Finanzierung der islamischen Gemeinde mittels eigener Ressourcen ist aufgrund der beschriebenen Behandlung des Waqf nicht mehr möglich. Im Gegensatz zu einigen christlichen Kirchen verfügt die islamische Minderheit auch nicht über Mutterinstitutionen im Ausland, die sie umfangreich finanziell unterstützen. Einige religiöse Dienste können zwar von den Gemeindemitgliedern in den einzelnen Orten getragen werden,267 nichtsdestotrotz bleibt die islamische Gemeinde aber weitgehend von der Finanzierung der islamischen Abteilung im Religionsministerium abhängig, was wiederum eine Bürokratisierung ihrer Institutionen ermöglicht.268 Die Finanzierung ist vor allem im Vergleich zu der jüdischen Gemeinden völlig unzureichend und unverhältnismäßig. So entsprach das Budget der christlichen, muslimischen und drusischen Gemeinden 1998 zusammen nur 1,86 % des Haus266 Rudolf Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, Berlin/Heidelberg/New York 1985, S. 80 ff.; S. Friedmann, Expropriation in International Law, London 1953, S. 211 ff. 267 Vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 540. 268 Vgl. Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), (Anm. 147), S. 75 f.

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halts des Religionsministeriums.269 Bei einem Bevölkerungsanteil von annähernd 20 % ist diese Zuwendung lächerlich gering. Sie steht im krassen Gegensatz zu den Zuwendungen an jüdische Gemeinden, welche ihre Finanzierung auf das Jewish Religious Service Law 1971 stützen können.270 Dieses legt die Etablierung von religiösen Räten fest, welche den Einwohnern alle religiösen Dienste zur Verfügung stellen. Finanziert werden die Räte gemäß Art. 3 des Gesetzes zu 45 % aus dem Budget des Religionsministeriums, zu 45 % aus dem gemeindlichen Budget und zu 10 % aus den Quellen des örtlichen Rabbinats. Eine ähnliche gesetzliche Grundlage für Muslime, Christen oder Drusen existiert nicht. In verschiedenen Fällen wurde versucht, dieser diskriminierenden Verteilung des Budgets des Religionsministeriums durch Klagen abzuhelfen. Im Fall Adalah v. Minister of Religious Affairs versuchte eine arabische Nichtregierungsorganisation ohne Erfolg, diese Praxis zu revidieren. Das Gericht stellte damals eine prima facie Diskriminierung fest, wies die Klage aber wegen Unbestimmtheit der Forderung ab.271 Erst in der Beschwerde Adalah v. Minister of Religious Affairs im Jahre 2000, welche die ungleiche Finanzierung von arabischen Friedhöfen im Vergleich zu jüdischen rügte, wurde die Verteilung des Budgets durch das Religionsministerium für rechtswidrig erklärt und das Ministerium angewiesen, die Gelder nach dem Gleichheitsprinzip und den Grundsätzen des Budgetary Principles Law 1985272 zu verteilen: „The resources of the State, whether land or money, or other resources as well, belong to all its citizens and all citizens are entitled to enjoy (them) according to the principle of equality without discrimination based on religion, race, sex ….“ „We learn from the petition about the immense neglect of Arab cemeteries … and it does not dignify the living or the dead.“273

Die unausgeglichene Verteilung von Ressourcen für religiöse Dienste und Einrichtungen ist eine Verletzung der Art. 18 und 27 i. V. m. Art. 2 und 26 ICCPR und verstößt gegen die Verpflichtungen Israels nach Art. 1 CERD. 269 Zu dem prozentualen Anteil am Budget des Religionsministeriums für arabische Gemeinden (0,64–2 %) zwischen 1990 und 1998 vgl. Tabelle bei Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), (Anm. 147), S. 77. 270 Consolidated Version, LSI 25 (1970/71), 125. 271 Vgl. ausführlich Kapitel 3, C. II. 2., HCJ 240/98 v. 03.12.1998, P.D. 54 V (2000), 167 ff., Zusammenfassung in Adalah’s Review 1 (1999), S. 32 ff.; Kritik zur Entscheidung, S. 37 ff. 272 Vgl. Art. 3 a (4) des Budgetery Principles Law 1985 sieht die Vergabe von Geldern an Institutionen nach gleichen Kriterien vor. 273 Adalah v. Minister of Religious Affairs, P.D. 54 II (2000), 164 ff.; Zusammenfassung und Auszüge bei Adalah, The Supreme Court of Israel Rules in a Precedent Setting Judgement: The State is not allowed to discriminate against the Arab Community in Allocating the Religious Ministry’s Budget for Cemeteries – 4/17/2000, Adalah News, http://www. adalah.org.

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V. Rechtsstatus der christlichen Minderheit Die über 35 verschiedenen christlichen Kirchen und Konfessionen genießen in Israel einen unterschiedlichen Grad an Autonomie hinsichtlich ihrer eigenen Angelegenheiten.274 Im Vergleich zur muslimischen und drusischen Minderheit ist ihre Unabhängigkeit vom israelischen Staat am weitreichendsten. Auch ihr Status ist auf das Milletsystem des Osmanischen Reiches zurückzuführen, welches von Briten und Israelis zum größten Teil beibehalten wurde, unter anderem auch, um die Einführung einer zivilen Heirat in Israel zu vermeiden.275

1. Selbstverwaltung Was den Grad der Selbstverwaltung betrifft, ist zwischen den nicht anerkannten Kirchen276, den unter Art. 82 POC i. V. m. der Religious Community (Organisation) Ordinance anerkannten Kirchen277 sowie der Sonderstellung der Katholischen Kirche einschließlich ihrer Kirchen sui iuris zu unterscheiden. Die arabische Minderheit ist hauptsächlich in der römisch-katholischen, der griechisch-katholischen und der griechisch-orthodoxen Kirche vertreten.278 Verwaltet werden alle Kirchen durch Patriarchen beziehungsweise Bischöfe, die zum einen den religiösen Gremien der jeweiligen Kirche im Ausland verantwortlich sind und zum anderen als Ansprechpartner für den israelischen Staat fungieren. Die religiösen Oberhäupter einiger Kirchen befinden sich in arabischen Staaten, mit denen Israel noch kein Friedensabkommen geschlossen hat. Trotzdem interveniert Israel nicht in die Verwaltung dieser Gemeinden und gestattet grenzüberschreitende Besuche der religiösen Oberhäupter.279 274 Vgl. für Hintergrundinformationen über die verschiedenen Kirchen Saul P. Colbi, Christianity in the Holy Land, Tel Aviv 1969, S. 131 ff.; Ch. Wardi/Ministry of Religious Affairs (Hrsg.), Christians in Israel: A Survey, Jerusalem 1950, S. 31 ff.; Yishai Eldar, The Christian Communities of Israel, Ministry of Foreign Affairs, http://www.mfa.gov.il/ go.asp?MFAH00n00. 275 Vgl. Kapitel 2, A. II. 4. c) (2) sowie B. II.; vgl. zum Verhältnis von Christen und Juden in Israel Salim J. Munayer, Relations between Religions in Historic Palestine and the Future Prospects: Christians and Jews, in: Michael Prior/William Taylor (Hrsg.), Christians in the Holy Land, London 1994, S. 143, 146 ff. 276 Wie beispielsweise die protestantischen Kirchen und die äthiopische Kirche. 277 Die östlich-orthodoxe, die syrisch-orthodoxe, die römisch-katholische, die gregorianisch-armenische, die armenisch-katholische, die syrisch-katholische, die vereinte chaldäische, die griechisch-katholisch-melkitische, die maronitische Kirche und seit 1970 auch die arabisch-evangelisch-episkopale Kirche, vgl. Kapitel 2, B. II., Text bei Anm. 164 und 165. 278 Die griechisch-katholische Kirche (melkitische) hat ca. 65.000 Mitglieder, die griechisch-orthodoxe ca. 40.000 und die römisch-katholische ca. 12.000. 279 Vgl. HCJ, Fakhry Kamel Jiday v. The Chief Execution Officer Haifa District Court and Claire Hanna Sweidan, Selected Judgements of Israel 2, 401, 408 ff.; während der Al-

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Die Regeln der internen Verwaltung sind Angelegenheit der Kirchen und dementsprechend nicht durch israelische Gesetze bestimmt, obwohl eine Gemeinde die gesetzliche Festlegung ihrer organisatorischen Struktur beantragen kann.280 Das Verhältnis zwischen Kirchen und israelischem Staat ist eher durch Gentlemans Agreements, Ad-hoc-Vereinbarungen, historischen Übereinkünften und Verhandlungen zwischen dem Staat Israel und anderen ausländischen Staaten geregelt als durch Parlamentsgesetze. Im Religionsministerium existiert eine spezielle Abteilung für die christliche Minderheit. Im Gegensatz zu den Abteilungen für Drusen und Muslime ist ihre Aufgabe aber auf eine unterstützende, beratende und koordinierende Funktion beschränkt. Jede Art der Einmischung wird möglichst vermieden. So werden beispielsweise die christlichen Kleriker nicht etwa vom israelischen Staat bezahlt.281 Der Unterschied zwischen anerkannten und nicht anerkannten Kirchen besteht lediglich bezüglich der Einrichtung von religiösen Gerichten, welche für das Familien- und Personenstandsrecht zuständig sind.282 Die nicht anerkannten Kirchen haben dieses Privileg nicht, und ihre Angehörigen können infolge dessen teilweise nicht in Israel heiraten.283 Aber selbst die Anerkennung der Kirche verleiht der Gemeinde im israelischen Recht noch keine Rechtssubjektivität per se. Die katholische Gemeinde, einschließlich ihrer Kirchen sui iuris genießt seit den mit Israel 1994 und 1997 geschlossenen bilateralen Verträgen zwischen dem Völkerrechtssubjekt Heiliger Stuhl und dem Staat Israel eine besondere Stellung.284 In Art. 3 Abs. 1 des Fundamental Agreement 1994 zwischen dem Heiligen Stuhl, dem Vertreter der gesamten katholischen Kirche, und dem Staat Israel bestätigen beide Vertragsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Funktionen. Der Staat Israel anerkennt in Art. 3 Abs. 2 S. 1: „… the right of the Catholic Church to carry out its religious, moral, educational and charitable functions, and to have its own insti-

Aqsa Intifada kam es jedoch öfters zu Behinderungen von Kirchenvertretern bei der Einreise nach Israel. 280 Religious Communities (Organisation) Ordinance 1926, geändert 1937, Robert Harry Drayton, The Laws of Palestine III, rev. ed. 1933, 1292; dazu auch Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 541. 281 Ebda.; Colbi (Anm. 274), S. 126. 282 Microcosm and Multiple Minorities: The Christian Communities in Israel, ChurchState Relations, Israeli Yearbook and Almanac 1999, S. 28, 30–42. 283 Es bestehen jedoch Ausnahmen, so werden Heiraten zwischen Protestanten von den Regierungsbehörden anerkannt. Vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 541. 284 Zur Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls Hygeninus Eugene, The Holy See and the International Order, London 1976; Jost Delbrück/Rüdiger Wolfrum, Völkerrecht, begr. von Georg Dahm, Bd. I/2, 2. völlig neu überarbeitete Aufl., Berlin 2002, S. 317; Robert Jennings/Arthur Watts, Oppenheim’s International Law, Bd. I: Peace, Harlow 1992, S. 325–327.

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tutions for the said functions of these ends.“285 Durch ein weiteres Abkommen aus dem Jahre 1997 verpflichtete sich der israelische Staat in Art. 2 und 3, der katholischen Kirche und ihren Institutionen volle Rechtspersönlichkeit im israelischen Recht unter Wahrung ihres kanonischen Status zu gewähren.286 Dieses Abkommen ist inzwischen ratifiziert und von großer Bedeutung, da die Kirchen nun alle ihre Angelegenheiten auch offiziell auf der Grundlage kanonischen Rechts regeln können.287 2. Kirchliches Eigentum und Finanzierung Im Gegensatz zur muslimischen Gemeinde litten die christlichen weniger unter den Auswirkungen des Absentee Property Law 1950. Dies hatte zwei Gründe. Zum einen war das Eigentum der christlichen Gemeinden teilweise auf den Namen einer Diözese oder auf den Namen eines Patriarchen registriert, die während des Unabhängigkeitskriegs nicht das Land verließen und somit nicht als „Abwesende“ qualifiziert wurden. Dies betraf jedoch nur einen Teil. Andere Kirchenoberhäupter verließen Israel und wurden Abwesende, wie beispielsweise der Patriarch der griechisch-katholischen Kirche. Trotzdem wurde das Eigentum nach dessen Rückkehr herausgegeben, obwohl er rechtlich gesehen Abwesender war.288 Auch im Hinblick auf das Eigentum der Griechisch-Orthodoxen Kirche war der „Wächter des Abwesendeneigentums“ in der Lage, sein Ermessen so auszuüben, daß eine Ausnahme gewährt wurde, obwohl das Eigentum als Abwesendeneigentum hätte qualifiziert werden müssen.289 285

Abgedruckt in: Justice 1 (1994), S. 18 ff.; siehe auch Comments on the Fundamental Agreement between the Holy See and the State of Israel, Interview mit Adv. Eitan Margalit, Berater des Außenministers in interreligiösen Angelegenheiten, ebda., S. 24–28. 286 Art. 2: „Recalling that the Holy See is the Sovereign Authority of the Catholic Church, the State of Israel agrees to assure full effect in Israeli law to the legal personality of the Catholic Church itself.“ Art. 3 Abs. 1 i: „The State of Israel agrees to assure full effect in Israeli law, in accordance with the provisions of this agreement, to the legal personality of the following: i. These Eastern Catholic Patriarchates: the Greek Melkite Catholic, the Syrian Catholic, the Maronite, the Chaldean, the Armenian Catholic …. ii. the Latin Patriarchate of Jerusalem, id est Latin Patriarchal Diocese of Jerusalem iii. the present Dioceses of the Eastern Catholic Patiarchates“. Für das Agreement between the State of Israel and the Holy See, Pursuant to Art. 3 (3) of the Fundamental Agreement between the State of Israel and the Holy See (Legal Personality Agreement) sowie Informationen zum rechtlichen Hintergrund, siehe http://www. gov.il.go.asp?MFAH00vo0. 287 Zur Bedeutung vgl. Moussa Abu Ramadan, L’accord de 1997 entre Israel et le SaintSiège: Quelles incidences pour les Palestiniens et le statut de Jerusalem?, Monde arabe, Maghreb-Machrek, numéro spéciale: La Palestine d’Oslo: les avatars d’une construction nationale, 161 juillet–septembre 1998, S. 116 ff., Deborah Perla, The Fundamental Agreement between the Holy See and Israel, ILR 28 (1994), 707, 713 ff. 288 Vgl. Dumper (Anm. 163), S. 40; Maoz, in: van der Vyver/Witte (Anm. 87), S. 349, 367. 289 Aharon Layish, The Muslim Waqf in Israel, Asian and African Studies 2 (1966), S. 41, 59 f.

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Eine Abweichung von dieser Praxis erfuhr das Eigentum der arabisch-evangelisch-episkopalen Kirche, welche vor 1972 nicht als Gemeinde anerkannt war. Ihr Eigentum war registriert auf den Namen osmanischer Gesellschaften oder Priester und wurde vom „Wächter des Abwesendeneigentum“ übernommen. Erst nach langen Verhandlungen wurde das Eigentum, so wie beim muslimischen Waqf, an einen Treuhandausschuß herausgegeben, der von der Regierung mit Zustimmung des anglikanischen Bischofs von Jerusalem ernannt wurde.290 Viele christliche Kirchen werden von ihrer Mutterkirche im Ausland unterstützt. Der israelische Staat finanziert nur einen äußerst marginalen Teil für die Reparatur von Kirchen, Friedhöfen und anderen religiösen Stätten, hauptsächlich solcher, die für die Tourismusindustrie interessant sind.291 Anfragen der christlichen Gerichte, eine staatliche Finanzierung ähnlich der drusischen und muslimischen Gerichte zu erhalten, wurden bis jetzt abgelehnt.292 Eine indirekte Unterstützung genossen viele christliche Gemeinden jedoch durch verschiedene Arten von Steuerbefreiungen. Einige Steuerbefreiungen gelten für alle religiösen Gemeinden gleichermaßen, wie die Ausnahme von der Eigentumssteuer für Immobilien mit karitativen oder religiösem Zweck,293 oder die Befreiung von der Einkommenssteuer, sofern das Einkommen für religiöse Zwecke verwendet wird.294 Ferner erhalten einige christliche Gemeinden Steuerbefreiungen aufgrund von alten Übereinkünften, die ihnen einen quasi diplomatischen Status gewähren, welcher mit israelischem Recht eigentlich nicht zu vereinbaren ist. So müssen sie keine Zölle und Steuern auf importierte Güter bezahlen.295 Diese verworrene Lage von verschiedenen Arrangements wurde unter anderem durch das Fundamental Agreement between the Holy See and the State of Israel geregelt, welches in Art. 5 die Eigentumsrechte der Katholischen Kirche bestätigt und Ver290 Änderung zum Absentee Property Law 1967, Sefer HaChukkim 1967, 137; vgl. auch Neuhaus (Anm. 172), S. 40; teilweise wurde von einigen Patriarchen Eigentum gegen den Willen der Gemeinde an israelische Investoren verkauft, woraufhin Gemeinden beim Vatikan Klagen gegen ihre eigenen Patriarchen und Bischöfe einreichten, vgl. Josef Algazy, Jaffa community want Vatican to try Patriarch, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 19.02.2001. 291 Maoz, in: van der Vyver/Witte (Anm. 87), S. 349, 368. 292 Gespräch mit Fr. Dr. George Khoury, Präsident des griechisch-katholischen (melkitischen) Gerichts am 21.03.01. 293 Eliahu Vinograd, Kommunalrecht, Teil 2, 5. Ausg., Ramat HaSharon 1998, S. 586 (Hebräisch). 294 Sec. 61 ff. Eigentumssteuergesetz 1963, Sefer HaChukkim 1963, 156; sec. 46 Einkommenssteuerverordnung 1985, Sefer HaChukkim 62, 60; vgl. dazu auch Maoz, in: van der Vyver/Witte (Anm. 87), S. 349, 372. 295 Beispielsweise sind auch die Automobile der Patriarchen und Bischöfe von der Steuer ausgenommen, ebda.; Microcosm and Multiple Minorities: The Christian Communities in Israel, Church-State Relations, Israeli Yearbook and Almanac 1999, S. 28, 35, für finanzielle Unterstützung von christlichen Institutionen in Jerusalem durch die israelische Regierung vgl. Ramon, in: Lapidoth/Ahimeir (Anm. 120), S. 81, 89 f.

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handlungen über steuerrechtliche Angelegenheiten vereinbart.296 Diese Verhandlungen betreffen auch Eigentumsrechte an dem christlichen Waqf. 3. Kirchliche Gerichte Im Gegensatz zu den Gerichten der Muslime und Drusen existiert für die verschiedenen kirchlichen Gerichte kein israelisches Gesetz, welches ihre Organisation oder die Ernennung der Richter regelt. Die Richter werden auf der Grundlage des internen Gemeinderechts ernannt, in der katholischen Kirchen auf der Grundlage kanonischen Rechts. Der Staat hat lediglich die Befugnis, falls keine Richter zur Verfügung stehen, die Gemeinde zu verpflichten, Richter einzusetzen.297 Die Richter der ersten Instanz kommen gewöhnlich aus der Geistlichkeit der Gemeinden. Die Richter der zweiten Instanz werden hingegen von der Synode gestellt.298 Sie sind in ihrem jeweiligen Code geschult und müssen über entsprechende persönliche Fähigkeiten verfügen. Eine juristische Ausbildung wird jedoch auch bei den Christen nicht verlangt.299 Dabei kommt es vor, daß Geistliche aus einer Kirche zu Richtern für das Gericht einer anderen Kirche ernannt werden.300 Die Jurisdiktion der christlichen Gerichte ist hingegen durch israelische Gesetze festgelegt. Artikel 54 Abs. 1 i. V. m. Art. 51 POC gewährt den christlichen Gerichten ausschließliche Zuständigkeit in Angelegenheiten des Heirats- und Scheidungsrechts, des Unterhaltsrechts sowie des Erbrechts. In allen anderen Bereichen des Familien- und Personenstandsrechts bedarf es gemäß Art. 54 Abs. 2 POC des Einverständnisses beider Parteien, um die Jurisdiktion der christlichen Gerichte zu eröffnen.301 Besteht dieses Einverständnis nicht, werden Bereiche wie Sorgerecht und Unterhaltszahlungen für das Kind vor dem staatlichen Familiengericht verhandelt.302 Eine Änderung der POC erfolgte im Bereich des Erbrechts. Nach Art. 151 296 Art. 10 Abs. 2 a: „The Holy See and Israel will negotiate in good faith a comprehensive agreement, containing solutions acceptable to both parties, on unclear, unsettled and disputed issues, concerning property, economic and fiscal matters relating to the Catholic Church generally or specific to Catholic Communities or Institutions.“ Vgl. Anm. 285. 297 Gespräch mit Fr. Dr. George Khoury, Präsident des griechisch-katholischen (melkitischen) Gerichts am 21.03.01. 298 Wardi/Ministry of Religious Affairs (Anm. 274), S. 32. 299 Gespräch mit Fr. Dr. George Khoury, Präsident des griechisch-katholischen (melkitischen) Gerichts am 21.03.01. 300 Diese Praxis besteht beispielsweise innerhalb der verschiedenen katholischen Kirchen nach Sec. 71 i. V. m. 38 des katholischen Code für die orientalische Kirche, Fakhry Kamel Jiday v. The Chief Execution Officer Haifa District Court and Claire Hanna Sweidan, selected Judgements of Israel 2, 401, 402. 301 Vgl. Anm. 104. 302 Dieses wurde 1995 etabliert; Bishara/Toma Suliman, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel (Anm. 182), S. 66 f.

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des Inheritance Law 1965 ist das Familiengericht zuständig, es sei denn, es liegt das Einverständnis aller Parteien gemäß Art. 155 lit. a vor, daß die Angelegenheit vor einem religiösen Gericht gehört werden soll.303 Neben dem Familienrecht sind die kirchlichen Gerichte nach Art. 54 Abs. 3 POC auch für die Entscheidung von Streitigkeiten im Bereich der Waqf-Verwaltung verantwortlich.304 Das Prozeßrecht und das materielle Recht folgt den internen Gesetzen der verschiedenen Kirchen, wobei diese gleich den Shari’a-Gerichten die israelische Gesetzgebung, wie das Women Equal Rights Law 1951, das Spouses (Property Relations) Law 1973 und Succession Law etc. beachten müssen, da sie sonst ultra vires handeln.305 Das Recht der griechisch-orthodoxen Kirche basiert auf byzantinischem Recht, einem Code geschrieben von Meltius Preficorus306. Das Recht der römisch-katholischen gründet sich auf den 1983 durch Papst Johannes Paul II. geänderten codex juris canonici307. Das Recht der griechisch-katholischen Kirche ist der Code of Canon for the Eastern Churches von 1990 und wird durch ein spezielles Recht für die melkitische und maronitische Kirche in Israel ergänzt.308 Der Eheschluß ist für die christliche Minderheit, abgesehen von der anglikanischen Kirche, ein Sakrament und insbesondere nach dem Recht der katholischen Kirchen nach der Vollziehung auch unwiderruflich.309 Heiraten können Mädchen mit 14 und Jungen mit 16 Jahren, solange sie über die entsprechende Reife der Entscheidung verfügen und dies den zivilrechtlichen Anforderungen an das Heiratsalter nicht entgegensteht.310 Eine Kollision mit dem Age of Marriage Law 1950 303 Inheritance Law 1965, Aryeh Greenfield, 3rd ed., 1995; vgl. näher auch Sussmann (Anm. 185), S. 24, Rn. 22; so auch das HCJ in Hanzalis v. Greek Orthodox Patriarchate Religious Court, P.D. 23 I (1969), 260, 269; ILR 5 (1970), S. 120, 122 ff. 304 Art. 54: „The Courts of the several christian communities shall have … exclusive jurisdiction over any case concerning the constitution or internal administration of a waqf or religious endowment constituted before the Religious Court according to the religious law of the community, if such exists.“ 305 Vgl. ausführliche Diskussion dieser Gesetze unter Kapitel 4, B. IV. 2. 306 Ibrahim Kandalaft, in: Israel Palestine Center for Research and Information (IPCRI), (Anm. 199), S. 8, 9. 307 James A. Coridan/Thomas J. Green/Donald E. Heintschel (Hrsg.), The Code of Canon Law, Text and Commentary, New York/Mahwah 1985. 308 Hanzalis v. Greek Orthodox Patriarchate Religious Court, P.D. 23 I (1969), 260, 269, ILR 5 (1970), 120, 124, Gespräch mit Fr. Dr. George Khoury, Präsid. d. griechisch-katholischen (melkitischen) Gerichts am 21.03.01. 309 Vgl. cc. 1055 f., 1141 Code of Canon Law (Anm. 307); Georg May, Kirchliche Gerichtsbarkeit, in: Herzog/Kunst/Schlaich (Anm. 3), S. 1083, 1090 f. 310 Cc. 1071, § 1.

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liegt somit nicht vor. Die Einwilligung zur Heirat muß auch willensfehlerfrei erfolgen.311 Während der Ehe haben die Partner gleiche Rechte und Pflichten.312 Das katholische Recht sieht keine Scheidung vor. Nur eine nicht vollzogene Heirat kann unter bestimmten Umständen vom römischen Papst annulliert werden.313 Eine zeitweilige oder dauerhafte Trennung a mensa et thoro (von Tisch und Bett) ist aber bei Vorliegen eines gerechten Grundes wie Ehebruch oder ernster Gefahr für Körper oder Geist des Ehepartners oder der Kinder möglich.314 Im Gegensatz dazu erlaubt die griechisch Orthodoxe Kirche unter bestimmten Umständen eine Scheidung. Ein Mann kann sich von seiner Frau scheiden lassen, wenn sie keine Jungfrau mehr war, wenn die Frau einen Freund hat, wenn sie erwiesenermaßen ihren Ehemann betrügt, wenn sie die Nacht ohne Wissen und Einverständnis des Ehemannes außerhalb des Hauses verbringt, wenn sie die Anordnung ihres Mannes, mit ihm zusammen zu leben, nicht befolgt und inzwischen drei Jahre verstrichen sind. Eine Frau kann sich von ihrem Mann scheiden lassen, wenn er zeugungsunfähig ist, er sie betrügt oder eine Freundin hat, wenn er sie dazu anstiftet, Ehebruch zu begehen oder er sie für drei aufeinanderfolgende Jahre verläßt, ohne sie zu unterstützen.315 Die Gesetze gegen Polygamie und einseitige Scheidungserklärungen sind für die christliche Minderheit nicht relevant, da ihr Recht den zivilen Gesetzen ohnehin nicht widerspricht. Aufgrund der eingeschränkteren Jurisdiktion sind auch Fälle von Sorge- und Vormundschaftsrecht weniger problematisch, da sie nur bei Einverständnis beider Seiten der Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte unterfallen. Die kollektiven Rechte der christlichen Gemeinden kollidieren deshalb im Vergleich zu den islamischen weniger mit den Individualrechten ihrer Mitglieder. Eine entscheidende Beschränkung individueller Rechte besteht jedoch hinsichtlich der Scheidung beziehungsweise erneuter Heirat. Obwohl diese Einschränkung Frauen und Männer gleichermaßen betrifft, hat sie auf Frauen oft schwerere Auswirkungen, wenn sie sich etwa von einem gewalttätigen Ehemann trennen wollen.316 311

Cc. 1095 ff., ebda. Cc. 1135: „Each of the spouses has equal obligations and rights to those things which pertain to the partnership of conjugal life.“ Ebda. 313 Cc. 1142, ebda. 314 Cc. 1152 u. 1153, ebda.; siehe dazu auch Vitta (Anm. 160), S. 162. 315 Kandalaft (Anm. 306) S. 10 f. 316 Vgl. Sullivan (Anm. 32), New York University Journal of International Law and Politics 2 (1992), S. 795, 836 f.; vgl. für die Debatte um ein Recht zur Scheidung bzw. Wiederheirat unter der EMRK (Art. 12) Kathleen M. Dillon, Divorce and Remarriage as Human Rights: The Irish Constitution and the European Convention of Human Rights at odds in Johnston v. Ireland, Cornell International Law Journal 22 (1989), S. 63–90, 72 f. 85 f. 312

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Ob es ein Recht auf Scheidung beziehungsweise Wiederheirat gibt, ist völkerrechtlich umstritten. Während der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil im Johnston-Fall entschied, daß das absolute Scheidungsverbot der irischen Verfassung keine Verletzung des Rechts auf Ehe und Familie des Art. 12 EMRK begründet317, ist diese Bewertung nicht auf Art. 23 ICCPR und Art. 16 UDHR übertragbar, da diese universalrechtlichen Instrumente im Gegensatz zu Art. 12 EMRK nicht nur von gleichen Rechten bei der Eheschließung, sondern auch bei deren Auflösung sprechen.318 Gleiche Rechte bei der Auflösung begründen an sich zwar noch kein Recht auf Scheidung, als Scheidungsverbot können sie aber ebenfalls nicht aufgefaßt werden. Da weder Art. 16 UDHR noch Art. 23 ICCPR von einer einmaligen Heirat sprechen, muß nach Sinn und Zweck der Vorschrift davon ausgegangen werden, daß generell das Recht zu Heiraten, also auch erneut zu heiraten, geschützt ist. In Staaten, in denen eine Wiederheirat ohne Scheidung nicht möglich ist, muß folglich auch eine Scheidung gestattet sein.319 Dementsprechend müßte es in Israel allen Bürgern erlaubt sein, nach einer Scheidung erneut zu heiraten. Für die Mitglieder der katholischen Kirchen besteht diese Möglichkeit jedoch nicht. 4. Christliche Schulen und andere Institutionen Für die Bevölkerung existieren in Israel zum einen staatliche Schulen, staatliche Religionsschulen sowie unabhängige Privatschulen (religiös und säkular), welche alle auf verschiedenste Weise vom Staat unterstützt werden. Die christliche Minderheit genießt neben der Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten und der Jurisdiktion im Bereich des Familienrechts auch eine relativ weite Autonomie, was ihre Schulen betrifft. In den meisten Gegenden, wo Christen wohnen, existieren christliche Privatschulen. Viele von ihnen sind inzwischen als unabhängige Schulen nach dem State Education Law 1953 anerkannt und erhalten Fördermittel durch das Bildungsministerium. Diese Förderung ist jedoch in keinem Maße mit der Förderung jüdischer Religionsschulen zu vergleichen.320 Die christlichen Schulen werden von den verschiedenen Kirchen verwaltet, welche auch über Organisation und Einstellung des Personals entscheiden. Die Lehr317

Art. 12 EMRK: „Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“ 318 Art. 16 Abs. 1 UDHR: „Heiratsfähige Männer und Frauen haben ohne Beschränkung durch Rasse, Staatsbürgerschaft oder Religion das Recht, eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen. Sie haben bei der Eheschließung, während der Ehe und bei deren Auflösung gleiche Rechte.“ 319 Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 22), Art. 23, Rn. 19 ff. 320 Vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 840–843; Maoz, in: van der Vyver/Witte (Anm. 87), S. 349, 375.

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pläne werden weitgehend von den verschiedenen Kirchen festgelegt, müssen aber bestimmten Standards des Bildungsministeriums entsprechen, wenn die Schulen staatliche Förderung erhalten und ihre Abschlüsse anerkannt werden sollen. Die christlichen Privatschulen werden häufig auch von Muslimen besucht, die diese den staatlichen arabischen Schulen teilweise vorziehen.321 Die weitgehende Autonomie dieser Schulen wurde im Fall Jabareen gegen den Minister für Bildung deutlich. Die von einer muslimischen Schülerin eingereichte Klage wendete sich gegen die einheitliche Kleiderordnung der St.-Josephs-Schule in Nazareth, welche aus erzieherischen Gründen das Tragen von Kopftüchern oder speziellen Kleidern für den Sport- und Schwimmunterricht nicht vorsah. Nach Auffassung der Klägerin verstößt diese Ordnung gegen ihre Religionsfreiheit.322 Das Gericht stellte zunächst fest, daß es sich bei der christlichen Schule nicht um eine staatliche Schule handele und sie damit auch nur bedingt der Aufsicht des Bildungsministeriums unterliege. Das Ministerium sei nicht ermächtigt, Änderungen im Lehrplan oder der internen Verwaltung der Schule vorzunehmen. Anschließend nahm das Gericht eine Abwägung zwischen der Religionsfreiheit der Schülerin und dem kollektiven Recht der christlichen Gemeinde vor, eine Schule nach ihren Glaubensvorstellungen zu führen. Dabei wurde zum einen berücksichtigt, daß die Muslimin die christliche Schule freiwillig als Bildungsinstitution gewählt hatte, und zum anderen das Interesse der Schule, es ihren Schülern mit unterschiedlichen Konfessionen und Religionen durch eine einheitliche Kleiderordnung zu ermöglichen, an allen Aktivitäten der Schule gleichermaßen teilzunehmen. Das Gericht kam zu dem Schluß, daß das Interesse der Schule durch die ihrer Gemeinde in Art. 51 POC i. V. m. der Religious Community (Organisation) Ordinance gewährten Autonomie geschützt ist.323 Letztlich geht es in diesem Fall um eine Abwägung zwischen kollektiver und individueller Religionsfreiheit, welche hier zugunsten der kollektiven Religionsfreiheit der griechisch-melkitischen Gemeinde und ihrer Schule vorgenommen wurde. Dieser Fall hebt zugleich auch die schwierige Position hervor, die die christliche Gemeinde als Minderheit innerhalb der arabischen Minderheit einnimmt und verdeutlicht, welche Schwierigkeiten sie hat, ihre Identität in einer von muslimischen Traditionen beherrschten Gesellschaft zu bewahren.324 Die arabische NGO Adalah 321 Vgl. Ichilov/Mazawi (Anm. 157), S. 139; Andrea Pacini, Christian Communities in the Arab Middle East: The Challenge of the Future, Oxford 1998, S. 278. 322 Jabareen v. Minister of Education, P.D. 48 V (1994), 199, Rn. 6 ff. 323 HCJ, Jabareen v. Minister of Education, P.D. 48 V (1994), 199 ff. 324 Zu den Konflikten zwischen Christen und Muslimen siehe Judith Sudilovky, Islands of Faith, Jerusalem Post Magazine v. 14.02.1997, S. 2 ff.; Graham Usher, Seeking Sanctuary, The „Church“ v. „Mosque“ Dispute in Nazareth, Middle Eastern Report 30/1 (2000), S. 2 ff.

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lehnte es ab, eine muslimische Klägerin in einem ähnlichen Fall zu vertreten, da sie befürchtete, daß dies zu einer Beschränkung der Autonomie der christlichen Schulen führen könnte.325 In Orten, in denen keine christlichen Schulen existieren, wurde in den staatlichen Schulen christlicher Religionsunterricht durch Katecheten für christliche Schüler eingerichtet.326 Neben den christlichen Schulen bestehen außerdem verschiedene Bibel- und Archäologieinstitute, Seminare sowie zahlreiche wohltätige Institutionen wie Waisenhäuser und Krankenhäuser.327 Die Rechte der katholischen Kirchen, erzieherische und wohltätige Einrichtungen zu etablieren und zu unterhalten, ist darüber hinaus ausdrücklich in den Art. 6 und 9 des Fundamental Agreement 1994 festgelegt.328 Das Recht auf religiöse Unterrichtung und das Recht, eigene Institutionen zu diesem Zweck zu etablieren, ist in Israel grundsätzlich gewahrt. Die kollektive Ausübung ist auch im Bereich der Unterrichtung durch weitreichende Autonomie gesichert. Eine Bewahrung der religiösen Identität der Minderheit kann somit garantiert werden. Eine Rechtsverletzung liegt dagegen im Bereich der Gleichbehandlung im Vergleich zur Finanzierung jüdischer religiöser Bildungsinstitutionen vor. Da nicht für alle religiösen Privatschulen gleiche Kriterien hinsichtlich der Finanzierung angewendet werden, sind die christlichen Schulen benachteiligt.

VI. Rechtsstatus der drusischen Minderheit Auch die Drusen genießen seit ihrer Anerkennung 1957329 im Hinblick auf ihre eigenen Angelegenheiten ein hohes Maß an Autonomie. Da sich die Drusen traditionell loyal gegenüber dem israelischen Staat verhalten haben, wurde ihre Position als eigenständige Minderheit im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut, welches

325 Vortrag von Jamil Dakwar, Adalah, Arab Education Rights in Israel: Legal Challenges and Dilemmas, Association for Israel Studies, 16th Annual Meeting (Multiple Perspectives on Israel), Book of Abstracts, Tel Aviv University, June 25–27, 2000, S. 45. 326 Vgl. S. P. Colbi, Christian Churches in Israel, Jerusalem 1969, S. 22. 327 Ebda, S. 22 f.; Maoz, in: van der Vyver/Witte (Anm. 87), S. 349, 376 f. 328 Art. 6: „The Holy See and the State of Israel jointly reaffirm the right of the Catholic Church to establish, maintain and direct schools and institutes of study at al levels; this right being exercised in harmony with the rights of the State in the field of education.“ Art. 9: „The Holy See and the State of Israel jointly reaffirm the right of the Catholic Church to carry out its charitable functions through its health care and social welfare institutions, this right being exercised in harmony with the rights of the State in this field.“ 329 Vgl. Kapitel 2, B. II.

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von der drusischen Minderheit hinsichtlich ihrer Identität mit gemischten Gefühlen betrachtet wird.330 1. Drusenrat Im Gegensatz zu den Muslimen verfügt die drusische Minderheit seit ihrer Anerkennung über einen religiösen Rat, der durch den Religionsminister 1961 per Verordnung ernannt wurde. De facto existierte eine religiöse Führung schon lange vorher, die ihre Autorität auf die Normen der traditionellen drusischen Gesellschaft zurückführte.331 Die Ernennung des Rates wurde von vielen Drusen kritisiert, welche dies als Einmischung in ihre internen Angelegenheiten empfanden und lieber selbst eine drusische Führung gewählt hätten.332 Die Organisation der drusischen Gemeinde ist durch Ministerverordnung auf der Grundlage der Religious Communities (Organisation) Ordinance 1937333 geregelt, welche den Religionsminister ermächtigt, die Struktur der anerkannten Gemeinden näher zu bestimmen. In der Regulation of Religious Communities Organisation (the Druze Community) 1996 sind Zusammensetzung334, Organisation und Versammlung des Rats sowie seine Kompetenzen näher beschrieben. Nach Art. 10 der Regulation ist der Druze Religious Council die höchste religiöse Autorität der Drusen und somit ermächtigt, sich um jeden Gegenstand religiöser Art zu kümmern, die drusische Gemeinde gegenüber den Behörden zu vertreten, sich um religiöse Erziehung sowie den Bau und Erhalt von gemeindlichen Institutionen zu sorgen.335 Der Rat verteilt auch die finanziellen staatlichen Ressourcen, die für die Drusen bestimmt sind, entscheidet über wichtige dogmatische Fragen und besitzt die Kompetenz, Regeln für die Verwaltung des drusischen Waqf zu 330 „They wanted our history to start from 1948, and rewrote all the textbooks. For instance, in the early days of the state president Ben Zvi announced that we are three quarter Jewish and spoke Arabic only because we lived among Arabs.“ Salman Natour, zit. in: The Druze who refuse to be Israeli, The Middle East, July 1982, S. 19; Kais M. Firro, The Druzes in the Jewish State, Leiden/Boston/Köln 1999, S. 151 ff.; vgl. Kapitel 2, A. I. 3. a) (1) (c) (bb). 331 Vgl. Neuhaus (Anm. 172), S. 35 f.; Aharon Layish, Marriage, Divorce and Succession in the Druze Family, Leiden 1982, S. 12 ff. 332 Vgl. zum Konflikt über die Anpassungspolitik Israels innerhalb der drusischen Minderheit Firro (Anm. 330), S. 172 ff. 333 Religious Communities Ordinance 1926, geändert 1937 (Anm. 280). 334 Der Council besteht nach Art. 2 aus 60 religiösen Drusen, 30 Sayassi (Kleriker), 15 Mitgliedern der drusischen Gemeinderäte und 15 Drusen, die der Minister auf Empfehlung der Sayassi hin ernennt. 335 Regulation of Religious Communities Organisation (the Druze Community) 1996, Kovetz HaTakanot, 127, 309, 772.

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erlassen. Auf Anfrage erstellt er außerdem rechtliche Gutachten und beeinflußt die Weiterentwicklung des drusischen Gewohnheitsrechts.336 2. Drusische Gerichte Da die Anerkennung der Drusen allein noch keine feste rechtliche Grundlage für juristische Autonomie enthielt, wurde 1962 das Druze Religious Court Law verabschiedet.337 Durch dieses Gesetz wurden drusische Gerichte erster Instanz sowie ein Berufungsgericht eingerichtet.338 Die drusischen Richter, Qadi Madhhab, werden wie alle Richter in Israel durch den Staatspräsidenten auf Vorschlag eines Komitees ernannt. Die acht Mitglieder des Komitees bestehen nach Art. 10 des Druze Religious Court Law aus dem Religionsminister, dem Justizminister, dem Vorsitzenden des drusischen Rats, dem Präsidenten des drusischen Berufungsgerichts, zwei Qadi Madhhab, einem drusischen Knessetabgeordneten sowie einem von der Rechtsanwaltskammer gewählten drusischen Anwalt.339 Sechs von acht Mitgliedern sind damit notwendigerweise Drusen im Gegensatz zum Wahlkomitee der muslimischen Qadis, wo nur fünf von neun Mitgliedern Muslime sein müssen. Aufgrund dieser Konstellation haben die Drusen mehr Einfluß als die Muslime auf die Wahl ihrer Qadis. Diese relative Unabhängigkeit wird verstärkt durch die Mitgliedschaft des Vorsitzenden des Drusenrats im Wahlkomitee. Im Gegensatz zu den Knessetabgeordneten stammt er aus der traditionellen drusischen Führung und nicht aus der staatlichen Bürokratie.340 Ebenso wie bei den muslimischen Qadis müssen die Qadi Madhhab nicht über eine allgemeine juristische, sondern nur über eine religiöse Ausbildung verfügen.341 Dies wird von Frauenorganisationen und auch aus den Reihen der Qadis selbst kritisiert, da diese auch israelisches Recht in ihre Entscheidungen mit einbeziehen müssen.342

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Layish (Anm. 331), S. 13. LSI 17 (1962), 27. 338 Zur Zeit sitzen die drusischen Gerichte in Acre und in den Golanhöhen. 339 Ebda., das von der Anwaltskammer gewählte Mitglied muß seit 1984 ein drusischer Anwalt sein, Neuhaus (Anm. 172), S. 36. 340 Vgl. für die parteipolitischen Hintergründe der Mitglieder dieses Komitees Neuhaus (Anm. 172), S. 36–38. 341 Art. 9: „There shall be eligible to be appointed as quadi madhhab any Druze – (1) who has had suitable training in Druze religious law, and (2) whose way of life and character benefits the status of a quadi madhab in the state of Israel; and (3) who is at least thirty years of age and is married or has been married.“ 342 Vgl. „Druze Religious Courts Do not Intervene in Social Life but Modernization has its Repercussions“, Conversation with Qadi Naim Henou, Justice 17 (1998), S. 23, 24; Bishara/Toma Suliman, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel (Anm. 182), S. 66, 68. 337

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Der Umfang der Jurisdiktion der drusischen Gerichte ist denen der christlichen ähnlich. Nach Art. 4 des Druze Religious Court Law genießt das Gericht ausschließliche Jurisdiktion in Angelegenheiten von Heirat und Scheidung von Drusen israelischer Staatsangehörigkeit oder mit Wohnsitz in Israel sowie ausschließliche Zuständigkeit in Angelegenheiten, die den drusischen Waqf betreffen. In allen anderen Bereichen des Familien- und Personenstandsrechts ist das Gericht zuständig, wenn alle Parteien dem zustimmen.343 Im Gegensatz zu den Muslimen und Christen verfügten die Drusen in Israel nicht über eine schriftliche Version ihres Familienrechts. Ein drusisches Familienrecht wurde erstmals durch die Drusen im Libanon kodifiziert und 1948 durch das libanesische Parlament verabschiedet. Der drusische Rat und die Qadi Madhhab in Israel übernahmen dieses libanesische Familienrecht fast vollständig. Neben dem libanesischen Code spielen Tradition, Gewohnheitsrecht und Präzedenzfälle weiterhin eine nicht unerhebliche Rolle bei der Rechtsfindung.344 Einige Änderungen wurden vorgenommen, um das Familienrecht zwingenden israelischen Vorschriften anzugleichen. Eine der Modifikationen betraf das Heiratsalter von Mädchen, welches nach Art. 3 des libanesischem Rechts schon bei 15 Jahren liegen kann.345 Diese Vorschrift wurde zugunsten des israelischen Heiratsalters von 17 Jahren geändert.346 Dies ist in der Tat überraschend und wurde so weder von der christlichen noch der muslimischen Minderheit praktiziert. Im Gegensatz zur Shari’a verbietet das drusische Recht auch die Bigamie und Polygamie. Ein Druse darf nur eine Frau heiraten, die Scheidung von ihr ist endgültig, eine erneute Ehe unmöglich.347 Die Freiwilligkeit der Heirat, welche durch einen Vertrag geschlossen wird, ist insofern problematisch, als auch die drusische Religion die Zahlung einer Morgengabe an die Braut vorsieht. Dieses Instrument, eigentlich als Absicherung der Frau für eine eventuelle zukünftige Scheidung gedacht, hat in der Praxis jedoch oft zu exzessiven Forderungen durch die Familie der Braut geführt, was ihre Wahl eines Ehepartners erheblich beschränkt hat. Häufig kam die Gabe auch nicht der Braut sondern ihrer Familie zugute. Die drusischen Qadi Madhhab haben diese traditionelle Praxis zwar nicht 343 Vgl. Anm. 303; Erbrechtssachen unterfallen wie bei den Muslimen und Christen nur bei Einverständnis der Parteien der Zuständigkeit des drusischen Gerichts, vgl. auch Sussman (Anm. 185), Rn. 23. 344 Conversation with Qadi Naim Henou (Anm. 342), Justice 1(1998), S. 23. 345 Law of 24 Shabat 1948 Pertaining to Personal Status for the Druze Sect, übersetzt und zit. in: Dawoud El Alami/Doreen Hinchcliff (Hrsg.), Islamic Marriage and Divorce Laws of the Arab World, Kapitel „The codified Law: Lebanon“, London/The Hague/Boston 1996, S. 171. 346 Layish (Anm. 331), S. 47. 347 Art. 9 bis 11 Law of 24 Shabat 1948 Pertaining to Personal Status for the Druze Sect, in: El Alami/Hinchcliff (Hrsg.), (Anm. 345), S. 173.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

verboten, jedoch die Höhe der Morgengabe beschränkt, um die Wahlfreiheit zu erleichtern.348 Interreligiöse Heirat ist in der drusischen Religion strikt verboten und führt zur Verbannung aus dem Dorf, was wiederum die freie Wahl des Ehepartners einschränkt.349 Die Beziehung von Mann und Frau während der Ehe ist bei den Drusen durch widersprüchliche Prinzipien geprägt. So besteht weder eine klare Hierarchie wie bei den Muslimen noch eine eindeutige Gleichstellung der Ehepartner wie bei den Christen. Nach Art. 23 des drusisch-libanesischen Codes ist der Ehemann „obliged to live in harmonious community with his wife and to treat her equally to himself and the wife is obliged to obey her husband in all lawful matrimonial rights.“350 Nach drusischem Recht können sich Frau und Mann vor einem Qadi Madhhab aus jedwedem Grund scheiden lassen. Liegt kein nach drusischer Religion gerechtfertigter Grund vor und erfolgt die Scheidung gegen den Willen eines Ehepartners, erhält dieser Schadensersatz von dem Ehepartner, der die Scheidung eingeleitet hat. Gerechtfertigte Gründe sind beispielsweise Gewalt, Alkoholabhängigkeit, Ehebruch oder ähnliches. Der Ehemann hat daneben, ähnlich wie bei den Muslimen, das Recht der einseitigen Scheidung (Talaq), obwohl eine Scheidung eigentlich nur vor einem Qadi Madhhab erfolgen soll.351 Wie bereits erwähnt, wird diese Praxis unter israelischem Recht strafrechtlich sanktioniert, bleibt aber zivilrechtlich gültig. Die Qadi Madhhab versuchen, die Ausübung von Talaq insoweit einzuschränken, als daß sie die Änderung im Familienstatus erst registrieren, wenn die Frau angemessene Kompensation erhalten hat.352 Nur im Fall einer begründeten Scheidung wurde früher das während und vor der Ehe gewonnene Eigentum zwischen den Partnern hälftig geteilt. Das Spouses Property Relations Law 1973 änderte für die Drusen die Rechtslage insofern, als daß nun beiden Partnern auch bei einer unbegründeten Scheidung, die Hälfte des während der Ehe erworbenen Eigentums zuzusprechen ist.353 Die Regelungen des Sorgerechts nach einer Scheidung gleichen dem islamischen Recht. Die Kinder bleiben bis zum Alter von sieben beziehungsweise neun 348 Martin Edelmann, The Druze Courts in the Political System of Israel, Middle Eastern Review 19 (1987), S. 54, 57 f. 349 Vgl. Conversation with Qadi Naim Henou (Anm. 342), Justice 1 (1998), S. 23, 25. Dieses extrem rigide Konzept beruht auf dem Glauben der Drusen an Reinkarnation. Druse ist nur, wer von einem drusischen Vater und einer drusischen Mutter geboren wird. Nach seinem Tod wird er dann erneut in eine drusische Familie wiedergeboren. Konvertierung zum drusischen Glauben ist unmöglich. 350 Anm. 345. 351 Vgl. Art 3 bis 49 des Law of 24 Shabat 1948 Pertaining to Personal Status for the Druze Sect, in: El Alami/Hinchcliff (Hrsg.), (Anm. 345), S. 177 ff. 352 Eine strafrechtliche Anzeige wurde jedoch nie vorgenommen, ebda., S. 54, 59. 353 Aryeh Greenfield, Spouse (Property Relations) Law 1973, Februar 1997, S. 4.

B. Ausgestaltung in Israel

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Jahren bei der Mutter und kommen anschließend zum Vater. Die Qadi Madhhab beachten trotzdem das Kindeswohl und übertragen das Sorgerecht nicht notwendigerweise nach Erreichen dieses Alters dem Vater, wenn dieser für ihre Sorge ungeeignet ist. Sollte die Mutter jedoch erneut einen anderen Mann heiraten, halten sie sich an das drusische Gesetz, daß der Vater die Kinder bekommt, was dann dem israelischen widerspricht.354 Das drusische Familienrecht ist im Vergleich zum islamischen und im Rahmen der Scheidung auch gegenüber dem christlichen Recht etwas liberaler. Gleichwohl werden auch hier individuelle Rechte zugunsten der kollektiven Praxis verletzt, wie beispielsweise das Recht nach Art. 23 Abs. 2 und 3 ICCPR, seinen Ehegatten frei zu wählen355 sowie das Recht auf Gleichstellung in der Ehe und bei der Auflösung der Ehe. Im Bereich des Sorgerechts werden die Rechte des Kindes auf Schutz nach Art. 23 Abs. 4 S. 2 ICCPR dann verletzt, wenn eine geschiedene Frau erneut heiratet und dadurch das Sorgerecht für ihre Kinder verliert. Eine Entscheidung nach dem Kindeswohl findet in diesem Fall nicht statt. Anders wird verfahren, wenn der geschiedene Mann erneut heiratet. Er verliert das Sorgerecht dann nicht. Damit wird die geschiedene Frau im Rahmen des Sorgerechts gegenüber ihrem ExMann diskriminiert. Nach Art. 23 Abs. 4 S. 1 ICCPR ist dies eine Verletzung ihres Rechts, auch bei der Auflösung der Ehe gleich behandelt zu werden.356 3. Eigentum und Finanzierung Das Waqf-Eigentum der Drusen wurde im Gegensatz zum muslimischen Waqf nur teilweise dem Wächter des Abwesendeneigentums unterstellt. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Drusen während des Unabhängigkeitskriegs ihre Dörfer kaum verlassen und einige von ihnen sogar auf jüdischer Seite gekämpft haben. Der drusische Waqf, welcher unter die Kontrolle des „Wächters“ gestellt worden war, wurde nach der Etablierung des drusischen Waqf-Komitees 1959 herausgegeben.357 Die Drusen werden zu einem großen Teil vom Religionsministerium finanziert. Die Gelder werden jedoch vom religiösen Rat verteilt und drusische Kleriker im Gegensatz zu islamischen nicht direkt vom Religionsministerium bestellt, sondern 354 Layish (Anm. 331), S. 263; Conversation with Qadi Naim Henou (Anm. 342), Justice 1 (1998), S. 23, 26. 355 Art. 6 des Drusischen Rechts (Libanon) sieht die freie Wahl eines Ehegatten durch die Frau nur vor, wenn ihr (männlicher) Vormund nicht innerhalb einer Frist von 15 Tagen Einwände erhebt, das Einverständnis des Shayks oder Qadis wird nach Art. 4 immer vorausgesetzt, vgl. Anm. 345. 356 Vgl. zur Bewertung angesichts des Vorbehalts Israels zu Art. 23 ICCPR Kapitel 4, B. IV. 2. c). 357 Vgl. Neuhaus (Anm. 172), S. 40; Dumper (Anm. 163), S. 40.

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Kap. 4: Bewahrung der Minderheitenidentität: Religion

vielmehr von den drusischen Uqual358 gewählt und vom Rat bezahlt. Trotz ihrer Loyalität zum israelischen Staat und der Ableistung von Militärdienst wird die drusische Minderheit hinsichtlich des Budgets ebenso wie die Christen und Muslime diskriminiert.359 VII. Bewertung der kollektiven Religionsfreiheit Die gewährte Autonomie im Bereich der Selbstverwaltung und des Personenstandsrechts geht vor allem im Hinblick auf letzteres über die Rechte hinaus, die religiösen Minderheiten nach Völkerrecht zustehen. Diese kollektiven Rechte sind gerade unter dem Aspekt der Wahrung der Minderheitenidentität grundsätzlich positiv zu bewerten. Problematisch ist jedoch die sehr unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Selbstverwaltung. Während die Christen und weitgehend auch die Drusen einen relativ hohen Grad an Unabhängigkeit genießen, ist die Verwaltung der Muslime weitgehend staatlich bürokratisiert. Das Recht der Muslime, ihre eigenen Führer zu bestimmen, wird verletzt. Auch die Verwaltung der Drusen ist stark durch israelische Gesetze geregelt. Trotzdem haben sie mehr Einfluß auf ihre eigene Organisation, da sie im Gegensatz zu den Muslimen über ein zentrales Gremium verfügen. Die Christen genießen aufgrund ihrer traditionellen Verbindungen zu ausländischen Staaten oder anderen Völkerrechtssubjekten wie dem Heiligen Stuhl die weitgehendste Autonomie. Ferner deutet die sehr unterschiedliche Behandlung des Waqf christlicher und drusischer Gemeinden gegenüber der muslimischen darauf hin, daß das Absentee Property Law und der Ermessensspielraum des „Wächters“ als Instrumente genutzt wurden, um große Teile des Waqf in jüdisches Eigentum zu verwandeln und somit nicht zuletzt auch Organisation und Macht der islamischen Minderheit zu schwächen, um sie von staatlichen Ressourcen abhängig zu machen. Abgesehen von der Ungleichbehandlung der Gemeinden ist auch die Beziehung zwischen kollektiven und individuellen Rechten der Mitglieder problematisch, da deren Unterwerfung unter das religiöse Recht in vielen Bereichen unfreiwillig und ohne zivilrechtliche Alternative erfolgt. Wenn man kollektive Menschenrechte mit der Menschenwürde des einzelnen begründet und nicht lediglich mit der Aufrechterhaltung einer kulturellen oder religiösen Lebensweise per se, dann ist dieses Verhältnis zwischen kollektiven und individuellen Rechten weder für den Minderheitenschutz erstrebenswert noch mit dem System der Menschenrechte der Vereinten Nationen vereinbar. Kollektive Rechte, wie sie in Israel praktiziert wer358 359

Auserwählte, die die heiligen Bücher lesen dürfen. Vgl. Kapitel 4, B. VI. 1.

B. Ausgestaltung in Israel

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den, können nur dann als Modell für einen besseren Minderheitenschutz dienen, wenn erstens die kollektiven Rechte der verschiedenen Minderheiten einigermaßen gleich gestaltet sind, auch gegenüber Privilegien der Mehrheit in diesem Bereich, und wenn zweitens eine zivilrechtliche Alternative für das gesamte Familienrecht existiert, die den Rechten jedes Bürgers auf Heirat, Nichtdiskriminierung und Religionsfreiheit Rechnung trägt. Erst dann genießt der einzelne volle Rechte als Staatsbürger und kann wirklich frei bestimmen, ob er einer religiösen Minderheit oder religiösen Gruppe angehören möchte oder nicht. Schließlich kann eine Ungleichbehandlung gegenüber den untersuchten Minderheiten im Vergleich zu jüdischen religiösen Institutionen nicht durch erhebliche Autonomierechte im Bereich des Familienrechts ausgeglichen werden.

Kapitel 5

Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache A. Die Pflege des kulturellen Lebens Neben der Religionsfreiheit gehört das Recht, seine eigene Kultur allein und in Gemeinschaft mit anderen zu pflegen, zum Schutz der Identität von Minderheiten. Die Araber in Israel besitzen nicht nur eine religiöse Identität, sondern auch eine ethnisch nationale, welche sie mit allen Arabern und insbesondere mit den Palästinensern verbindet. Daher ist das Recht auf Pflege der eigenen Kultur für sie von großer Bedeutung. Insbesondere das Selbstverständnis Israels als jüdischer Staat auf ethnisch-religiöser Grundlage läßt für viele Araber einerseits wenig Raum, sich in irgendeiner Hinsicht mit der Mehrheit zu identifizieren. Andererseits trägt dieser Umstand dazu bei, daß die Pflege ihrer eigenen Kultur für die Minderheit eine um so bedeutendere Rolle spielt.1 I. Völkerrechtliche Grundlagen Kulturelle Rechte befinden sich auf der Rangliste der Menschenrechtsverträge nicht an oberster Stelle. Das Konzept der kulturellen Rechte läßt sich weitgehend auf die sozialistische Völkerrechtslehre zurückführen, die im Gegensatz zu den klassischen Abwehrrechten die sogenannten „Rechte der zweiten Generation“, sprich soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte, zu ihrer Agenda machte.2 Erst im Rahmen der wieder entfachten Diskussion um die Rechte von Minderheiten sowie der zunehmenden Globalisierung rückten diese Rechte weiter in den Mittelpunkt des völkerrechtlichen und politischen Diskurs. Die Auseinandersetzung um den Schutz kultureller Identität ist dabei ein Bestandteil der Debatte um individuelle und kollektive Rechte sowie um Globalisierung und zunehmende Ethnisierung.3

1

Vgl. dazu Kapitel 1, B. 3. u. 4. Vgl. Imre Szabó, Cultural Rights, Leiden 1974, S. 43 ff. 3 Mathew Horsman/Andrew Marshall, After the Nation-State: Citizens, Tribalism and the New World Disorder, London 1994, S. 185 ff. 2

A. Die Pflege des kulturellen Lebens

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1. Rechtsquellen Völkerrechtlich wird das Recht, seine Kultur zu pflegen, in vier Bereichen geschützt. Artikel 27 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte4 und Art. 15 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte5 sichern das Recht des einzelnen, am kulturellen Leben der Gemeinschaft teilzunehmen.6 Daneben sind die Rechte auf wissenschaftliche und schöpferische Tätigkeit sowie Urheberrechte in Art. 15 ICESCR und Art. 27 UDHR geschützt. Für Minderheitenangehörige ist die Pflege des kulturellen Lebens allgemein in Art. 27 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte geregelt.7 Eine wesentliche Rolle bei der Förderung und Verbreitung von Kultur spielt die UNESCO, deren Aufgabe es ist, die Zusammenarbeit der Staaten in den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Erziehung voranzutreiben.8 Das wichtigste Gebiet, auf dem die Bewahrung der Kultur von Anfang an eine entscheidende Rolle spielte, ist das Recht auf Bildung. Dieses wird ausführlich in Art. 26 UDHR, in den Art. 28 und 29 der Kinderkonvention sowie in der UNESCO Convention against Discrimination in Education behandelt.9 Spezifische Schutzvorschriften für die Kultur von Minderheiten befinden sich vor allem in den letzten beiden Konventionen. Artikel 30 der Kinderkonvention gewährt Kindern von Minderheitenangehörigen oder Ureinwohnern allgemein das Recht, ihre Kultur zu pflegen.10 In Art. 5 lit. c der UNESCO Convention wird das Recht von Minderheitenangehörigen anerkannt, ihre eigenen Bildungseinrichtungen zu unterhalten.11 Auch die Minderheitendeklaration von 1992 bezieht sich auf die Bildung von Minderheiten- und Mehrheitsangehörigen und verpflichtet die Staaten nach Art. 4 Abs. 4, die Aneignung von Wissen über Geschichte, Traditionen, Sprache und Kultur der Minderheit zu ermutigen.12 4 Resolution 217 (III) v. 10.12.1948, General Assembly, Official Records, third Session (part I) Resolutions (Doc. A/810), 71, im folgenden UDHR. 5 Vom 19.12.1966, BGBl. 1973 II, S. 1570, im folgenden ICESCR. 6 Szabo (Anm. 2), S. 45 f. 7 Vom 19.12.1966, BGBl. 1973 II, S. 1534, im folgenden ICCPR. 8 Jost Delbrück, The Right to Education as an International Human Right, GYIL 35 (1992), S. 92 ff.; Walter Gehlhoff, Krise und Wandel der UNESCO, Europa-Archiv 47 (1992), S. 557 ff. 9 Vom 22.05.1962, 429 UNTS, 93, im folgenden UNESCO Convention; Übereinkommen über die Rechte des Kindes v. 20.11.1989, BGBl. 1992 II, S. 122, GAOR 44th Sess., Resolutions, No. 25 v. 05.12.1989. 10 Ebda. 11 „It is essential to recognize the right of members of national minorities to carry on their own educational activities, including the maintenance of schools …“. 12 UN Doc. A/47/49 = A/RES/47/135, 211 ff.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

2. Rechtsinhalt und Rechtscharakter Kultur ist ein sehr umfassender Begriff, der von der UNESCO auf der Konferenz von Mexiko als ein „Bündel einzigartiger und unersetzbarer, kreativer Werte“ beschrieben wurde, durch die ein Volk seine Existenz manifestiert. Diese Formulierung weist darauf hin, daß im heutigen völkerrechtlichen Verständnis jede Eigenständigkeit einer Gruppe eine Kultur darstellen kann, und dieser Begriff nicht nur sogenannten zivilisierten Kulturen vorbehalten ist.13 Kultur im Sinne des Art. 27 ICCPR läßt sich wie folgt beschreiben: „Culture is a way of being, thinking and feeling. It is a driving force animating a significant group of people united by a common tongue, and sharing the same customs, habits, and experiences. Culture is the sum of the characteristics particular to a group and common to its members.“14

Das Recht von Minderheitenangehörigen nach Art. 27 ICCPR, ihr kulturelles Leben zu pflegen, muß notwendigerweise die Erhaltung und Weiterentwicklung dieser besonderen Charakteristiken beinhalten: Gebräuche, Wertvorstellungen, Traditionen, Rituale, Architektur, Eßgewohnheiten, alle Arten der Kunst, wie Musik, Literatur, Tanz, Malerei und Bildhauerei. Diese Besonderheiten können nicht nur privat gepflegt werden, sondern leben zu einem großen Teil von gemeinschaftlichen Aktivitäten, wie Kulturzentren, Theatern, Museen, Büchereien und Veranstaltungen in diesem Bereich.15 Wenn Minderheiten eine besondere Beziehung zu einem bestimmten Territorium haben und ihre Lebensweise davon abhängt, stellt die Verweigerung des Zugangs und der Nutzung dieses Landes auch eine Verletzung ihrer kulturellen Rechte aus Art. 27 ICCPR dar.16

13 Vgl. für die verschiedenen Kulturbegriffe Christian Scherer-Leydecker, Minderheiten und sonstige ethnische Gruppen: Eine Studie zur kulturellen Identität im Völkerrecht, Mainz 1997, S. 117–119 ff. 14 Die Definition stammt von Dalia Opekokew/Alan Pratt, The Treaty Right to Education in Saskatchewan, Windsor Yearbook of Access to Justice 12 (1992), S. 3, 10. 15 Vgl. Scherer-Leydecker (Anm. 13), S. 297–305; Patric Thornberry, International Law and Minorities, Oxford 1991, S. 41; Johannes Niewerth, Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten im Völkerrecht, Berlin 1997, S. 136; auch Kapitel 2, A. II. 3. a) (1) (b). 16 Communication No. 24/1977, Rn. 15; Lubicon Lake Band v. Canada (1990), Comm. No. 16/1984, UN Doc. A/45/40, vol. II (1990), HRLJ 11 (1990), S. 305, 311, Rn. 33; General Comment No. 23 (50) zu Art. 27, Rn. 3.2, 1314th Meeting of the Committee, 6.4.1994, UN Doc. CCPRC/21/Rev.Add.5.

A. Die Pflege des kulturellen Lebens

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Während Art. 27 UDHR17 und Art. 15 ICESCR18 jedermann, also auch Angehörigen von Minderheiten, das Recht auf Teilnahme an Kultur und Wissenschaft der Mehrheit sichern soll,19 ist Art. 27 ICCPR darauf gerichtet, die typische Minderheitenkultur gegen den Assimilierungsdruck der Mehrheit zu bewahren.20 Beide Aspekte kultureller Rechte werden in der Minderheitenerklärung von 1992 zum Ausdruck gebracht. So wird in Art. 2 Abs. 2 erklärt: „Persons belonging to minorities have the right to participate effectively in cultural, religious, social, economic and public life.“

Art. 4 Abs. 2 geht über dieses Recht hinaus und verpflichtet die Staaten: „… to create favourable conditions to enable persons belonging to minorities to express their characteristics and to develop their culture, language, religion, traditions and customs, except where specific practices are in violation of national law and contrary to international standards.“

Besagte Vorschriften sprechen dafür, daß Minderheiten nicht nur ein negatives Recht haben, ihre Kultur zu genießen und weiterzuentwickeln, sondern daß der Staat auch positive Unterstützung für entsprechende kulturelle Organisationen und Veranstaltungen gewähren muß, damit dieses Recht effektiv ausgeübt werden kann. Solche Unterstützung bedeutet nicht nur gleicher finanzieller Beistand im Rahmen der Nichtdiskriminierung zu anderen Gruppen, sondern auch weiterreichende Förderung, wenn diese notwendig ist, um den Angehörigen von Minderheiten die Ausübung dieses Rechts erst zu ermöglichen.21 Ferner ist der Staat verpflichtet, ihre kulturellen Rechte gegen Eingriffe Dritter zu schützen.22 Ein wesentlicher Träger und Ausdruck der Kultur einer Gruppe ist die Bildung. Ohne sie ist Teilhabe und Weiterentwicklung von kulturellem Leben nicht vorstellbar. So auch die Einschätzung von Francesco Capotorti in seiner Studie zu den Rechten von Minderheiten23:

17

Art. 27 Abs. 1 UDHR: „1. Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Wohltaten teilzuhaben.“ 18 Art. 15 Abs. 1 ICESCR: „die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden an, a) am kulturellen Leben teilzunehmen.“ 19 Vgl. Yoram Dinstein, Cultural Rights, IYHR 9 (1979), S. 58, 78. 20 Ähnliche Formulierungen finden sich in Art. 30 der Kinderkonvention: „seine eigene Kultur zu pflegen“. 21 Vgl. Kay Hailbronner, The Legal Status of Population Groups in A Multinational State Under Public International Law, in: Yoram Dinstein/Mala Tabory (Hrsg.), The Protection of Minorities and Human Rights, Dordrecht/Boston/London 1992, S. 117, 134. 22 John Packer, On The Content of Minority Rights, in: Juha Räikkä (Hrsg.), Do We Need Minority Rights, The Hague/Boston/London 1996, S. 121, 156 f. 23 Francesco Capotorti, Study on the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/384/Rev.1 (1979), S. 60, Rn. 342.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

„There can be no possible development of the culture of any group if members of that group are denied the right to education or treated in a discriminatory manner in the field of education. Educational policy is therefore a key element in evaluating the situation of persons belonging to minority groups as regards their right to enjoy their own culture.“

Die Erziehung für Minderheitenangehörige muß dabei von der Überlegung geleitet sein, die Identität der Minderheit gemäß der Zielsetzung des Art. 27 ICCPR zu bewahren. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen folgende Schwerpunkte im Bildungssystem beachtet werden: strikte Gleichbehandlung, pluralistische Lehrpläne, Minderheitensprache in der Ausbildung, Einfluß der Minderheit auf Kontrolle und Verwaltung der Schulen sowie eigene Bildungsinstitutionen für Minderheiten. a) Lehrpläne Die zentralste Minderheitenvorschrift, Art. 27 ICCPR, schweigt zum Thema Lehrpläne. In anderen internationalen Instrumenten lassen sich jedoch Hinweise auf den gewünschten Charakter der Lehrpläne für Minderheitenangehörige finden. So werden die Staaten in Art. 4 Abs. 4 der Minderheitendeklaration aufgefordert: „… (to) take measures in the field of education, in order to encourage knowledge of the history, traditions, language and culture of the minorities existing within their territory. Persons belonging to minorities should have adequate opportunities to gain knowledge of the society as a whole.“

Auch in Art. 29 Abs. 1 lit. c der Kinderkonvention werden die Vertragsstaaten hinsichtlich der Bildungsziele verpflichtet: „… dem Kind Achtung vor seinen Eltern, seiner kulturellen Identität, seiner Sprache und seinen kulturellen Werten, den nationalen Werten des Landes, in dem es lebt, und gegebenenfalls des Landes, aus dem es stammt, sowie vor anderen Kulturen als der eigenen zu vermitteln;“24

Artikel 5 Abs. 1 lit. a der UNESCO Convention betont besonders den pluralistischen Charakter der Erziehung: „Education … shall promote understanding, tolerance and friendship among all nations, racial or religious groups …“.25

Das Recht der Eltern, ihre Kinder den eigenen religiösen und kulturellen Überzeugungen entsprechend zu erziehen, ist ebenfalls in verschiedenen internationalen Verträgen anerkannt.26 24

Vgl. Anm. 9. Vgl. Anm. 9. 26 Art. 5 Abs. 1 lit. b der UNESCO Convention; Art. 13 ICESCR. 25

A. Die Pflege des kulturellen Lebens

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Diese und andere internationale Dokumente der OSZE27 und des Europarats28 weisen darauf hin, daß die gemeinsame Geschichte der Minderheit einen Platz in den Lehrplänen haben und diese auch aus der Sicht der Minderheit und nicht nur aus der Mehrheitsperspektive unterrichtet werden muß. Auch in Fächern wie Sozialkunde, Geographie, Sprache und Literatur ist es wichtig, daß nicht nur die Errungenschaften der Mehrheit, sondern auch der Beitrag der Minderheit zum Charakter der Gesellschaft dargestellt werden.29 Besonders heikel sind dabei oft die Beziehungen zwischen Minderheit und Mutterstaat. Bei solchen Themen ist es oft hilfreich, wenn bilaterale Verträge existieren, auf deren Grundlage gemeinsame Ausschüsse an den Richtlinien für die Erziehung der Minderheit im jeweils anderen Staat arbeiten.30 Zu beachten ist, daß Rechte der Minderheit mit dem reziproken Interesse des Staates und der Gesellschaft als Ganzes in Einklang gebracht werden. Die Minderheit muß also auch die Geschichte, Kultur und Sprache der Mehrheit erlernen und darf nicht in ethnisch fundamentalistische Tendenzen verfallen, die die Integrität des Staates gefährden könnten.31 Schutz der Minderheitenkultur ist auf keinen Fall mit kultureller Ghettobildung zu verwechseln. Entscheidend für die ausgewogenen Inhalte der Lehrpläne und des Unterrichts ist eine aktive Beteiligung von Repräsentanten der Minderheit an deren Gestaltung. Im Völkerrecht läßt sich unmittelbar dazu keine internationale Vorschrift finden, allerdings beinhaltet Art. 2 Abs. 3 der Minderheitendeklaration ein generelles Partizipationsrecht, wonach „persons belonging to minorities have the right to participate effectively in decisions on the national and where appropriate regional level concerning the minority to which they belong or the regions in which they live, in a manner not incompatible with national legislation.“32 27 Prinzip 34 Abs. 2 des Copenhagen Document of the Human Dimension: „In the context of the teaching of history and culture in educational establishments, they will also take account of the history and culture of national minorities“, v. 05.06.–29.07.1990, http:// www.osce.org/docs/english/1990-1999/hd/cope90e.htm. 28 Wie beispielsweise Art. 7 Abs. 3 der Europäischen Sprachenkonvention: „In determining their policy with regard to regional or minority languages, the Parties shall take into consideration the needs and wishes expressed by the groups which use such languages. They are encouraged to establish bodies, if necessary, for the purpose of advising the authorities on all matters pertaining to regional or minority language.“ 29 Patrick Thornberry/Dianne Gibbons, Education and Minority Rights: A Short Survey on International Standards, IJMGR 4 (1997), S. 115, 141 ff.; Dinstein (Anm. 19), IYHR 9 (1979), S. 58, 61. 30 Vgl. Basic Treaty between Hungary and Romania, Art. 15 (10). 31 Vgl. Art. 20 Rahmenübereinkommen: „Bei der Ausübung der Rechte und Freiheiten … haben Angehörige einer nationalen Minderheit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Rechte anderer, insbesondere diejenigen von Angehörigen der Mehrheit und anderer nationaler Minderheiten, zu achten.“ Thornberry/Gibbons (Anm. 29), IJMGR 4 (1997), S. 115, 132. 32 Vgl. auch die überarbeiteten Empfehlungen der UNESCO Concerning Technical and Vocational Education (1974), welche die Beteiligung von Repräsentanten aller Gesell-

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

Dieses Teilnahmerecht betrifft auch Entscheidungen in einem so wichtigen Bereich wie dem Bildungssektor.33 In welcher Weise ein Einfluß auf Entscheidungen über Einstellung von Personal, Lehrplänen und Ähnlichem gewährt wird, ist dem Staat überlassen, solange er eine effektive Einflußnahme sicher stellt. Von einer effektiven Teilnahme an Entscheidungen kann jedoch dann nicht gesprochen werden, wenn der Wille der Minderheit, ihre spezifische Identität zu wahren, im Bildungssystem völlig unberücksichtigt bleibt. b) Sprachenunterricht Die Unterrichtung in der Minderheitensprache wird als wesentliche Voraussetzung für das Überleben und die Weiterentwicklung von Kultur angesehen.34 Artikel 27 ICCPR ist in diesem Zusammenhang wieder sehr allgemein formuliert, indem er Minderheitenangehörigen das Recht gewährt, „gemeinsam mit anderen Angehörigen der Gruppe … sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen“. Die Anwendung der Sprache setzt jedoch voraus, daß man in der Lage ist, diese zu sprechen. Diese Bedingung wurde in Art. 4 Abs. 3 der Minderheitendeklaration aufgegriffen: „States should take the appropriate measures so that, where ever possible, persons belonging to minorities may have adequate opportunities to learn their mother tongue or to have instruction in their mother tongue.“

Auch in Art. 5 der World Declaration on Education for All 1990 wird die Bedeutung des Erlernens der Muttersprache herausgestellt: „Literacy in the mother tongue strengthens cultural identity and heritage.“35 Im Rahmen des Europarats wurde sogar eine besondere Sprachencharta für Minderheitensprachen verabschiedet, welche detaillierte Regelungen zur Unterrichtung der Minderheitensprache vorsieht.36 Auch die Europäische Rahmenkonvention enthält in Art. 14 eine Vorschrift, die eine Verpflichtung der Vertragsstaaten vorsieht, das Recht auf Erlernen schaftsgruppen an der Formulierung von Bildungspolitik vorsehen; Manfred Nowak, the Right to Education, in: Asbjorn Eide/Caterina Krause/Allan Rosas (Hrsg.), Economic, Social and Cultural Rights, Dordrecht/Boston/London 1995, S. 189, 206 f.; Patrick Thornberry, International Standards, in: A Minority Rights Group Report, Education Rights and Minorities, London 1994, S. 10, 13. 33 Im Bereich der OSZE wurden mit solchen Repräsentanten sehr gute Erfahrungen gemacht, CSCE Meeting, 19.07.1991; Douglas Hodgson, The Human Right to Education, Aldershot/Brookfield, USA/Singapore/Sydney 1998, S. 103, 114; Graham Brown, The Role of the Curriculum (Anm. 32), in: A Minority Rights Group Report (Anm. 32), S. 29 f. 34 So auch Capotorti: „The language of a minority group being an essential element of its culture, its capacity to survive as a cultural group is in jeopardy if no instruction is given in that language.“ (Anm. 23), S. 84, Rn. 493; Opekokew/Pratt (Anm. 13), Windsor Yearbook of Access to Justice 12 (1992), S. 3, 11; Will Kymlicka, Multicultural Citizenship, Oxford 1995, S. 78 ff., 111. 35 Vgl. Hodgson (Anm. 33), S. 103, 112. 36 European Treaty Series 148 (1992).

A. Die Pflege des kulturellen Lebens

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der Minderheitensprache anzuerkennen und progressiv Möglichkeiten zu schaffen, das Erlernen und die Unterrichtung zu garantieren.37 Weitere Beispiele finden sich in anderen regionalen Verträgen sowie in vielen bilateralen Abkommen,38 was für eine starke opinio iuris zugunsten der Unterrichtung in der Muttersprache spricht. Nichtsdestotrotz ist festzustellen, daß auf universal-völkerrechtlicher Ebene im Gegensatz zum europäischen Völkerrecht noch kein hard law besteht, welches Staaten grundsätzlich verpflichtet, Unterricht in der Muttersprache zu erteilen. Sollte die Minderheit jedoch aus eigenen Mitteln nicht im Stande sein, die Weitergabe der Sprache zu sichern und somit ihr kulturelles Überleben zu gewährleisten, entsteht eine Verpflichtung des Staates aus dem Recht auf Bestandsschutz, Muttersprachenunterricht gegebenenfalls durch die Bereitstellung von finanziellen Ressourcen zu garantieren.39 Das setzt natürlich voraus, daß dem jeweiligen Staat eine Förderung finanziell zugemutet werden kann. Darüber hinaus besteht ein eindeutiger Trend hin zu einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel, daß Staaten in Gegenden, in denen überwiegend Minderheiten leben, auch die Minderheitensprache unterrichten müssen.40 c) Eigene Bildungsinstitutionen Neben der Berücksichtigung minderheitenrelevanter Themen innerhalb staatlicher Schulen ist es unerläßlich, daß Minderheiten ihre eigenen Schulen etablieren können. Das Recht auf eigene Bildungsinstitutionen wird besonders in Art. 5 Abs. 1 lit. c der UNESCO Convention hervorgehoben: „The State Parties to this Convention agree that: … it is essential to recognise the right of members of national minorities to carry on their own educational activities, including the maintenance of schools, and depending on the educational policy of each State, the use or teaching of their own language provided however: 37 Art. 14: „(1) Die Vertragsparteien verpflichten sich anzuerkennen, daß jede Person, die einer nationalen Minderheit angehört, das Recht hat, ihre Minderheitensprache zu erlernen. (2) In Gebieten, die von Angehörigen nationaler Minderheiten traditionell oder in beträchtlicher Zahl bewohnt werden, bemühen sich die Vertragsparteien, wenn ausreichende Nachfrage besteht, soweit wie möglich und im Rahmen ihres Bildungssystems sicherzustellen, daß Angehörige dieser Minderheiten angemessene Möglichkeiten haben, die Minderheitensprache zu erlernen oder in dieser Sprache unterrichtet zu werden.“ 38 Rainer Hofmann, Minderheitenschutz in Europa, Völker- und staatsrechtliche Lage im Überblick, Berlin 1995, S. 67 ff. 39 Vgl. Capotorti (Anm. 23), S. 100, Rn. 599. 40 Vgl. Capotorti (Anm. 23), S. 100, Rn. 598; zum Schutz vor Assimilierung im Bereich der Erziehung, Kay Hailbronner, Der Schutz der Minderheiten im Völkerrecht, in: Walter Haller/Alfred Kölz/Georg Müller/Daniel Thürer (Hrsg.), Im Dienst an der Gemeinschaft, FS Dietrich Schindler, Basel/Frankfurt a. M. 1989, S. 75, 93; Thornberry/Gibbons (Anm. 29), IJMGR 4 (1997), S. 115, 144 f.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

(i) that this right is not exercised in a manner which prevents the members of these minorities from understanding the culture and language of the community as a whole and from participating in its activities, or which prejudices national sovereignty; (ii) That the standard of education is not lower than the general standard … (iii) That attendance at such schools is optional.“

Eingeschränkt ist Art. 5 der UNESCO Convention insoweit, als daß er nur für nationale Minderheiten ein solches Recht gewährt, nicht aber für rein sprachliche oder religiöse Minderheiten. Im vorliegenden Fall ist dies unproblematisch, da es sich bei den Palästinensern in Israel auch um eine nationale Minderheit handelt.41 Auch Art. 27 ICCPR kann für ein Recht auf eigene Institutionen herangezogen werden, da er das gemeinschaftliche Praktizieren von Kultur und Sprache schützt, welches i. V. m. Art. 22 ICCPR auch ein Recht auf kulturelle Vereinigungen gewährt. Diese Auslegung wird gleichfalls von Art. 2 Abs. 4 der Minderheitendeklaration unterstützt, der Minderheiten das Recht gewährt, eigene Vereine zu etablieren und zu unterhalten.42 Das Recht auf Gründung privater Schulen ist damit völkerrechtlich gesichert.43 Der Staat wird in den völkerrechtlichen Instrumenten allerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, für die Unterhaltung der privaten Minderheitenschulen aufzukommen.44 Dieser Grundsatz unterliegt jedoch wieder der Einschränkung der Nichtdiskriminierung im Vergleich zu anderen privaten Schulen sowie der Einschränkung durch den Bestandsschutzgedanken. Ist die Minderheit finanziell nicht in der Lage, eigene Schulen zu unterhalten, und unterrichten die staatlichen Schulen nicht auf einer pluralistischen, die Bedürfnisse der Minderheit berücksichtigenden Basis, entsteht unter Umständen sogar ein Anspruch auf positive Förderung von privaten Minderheitenschulen.45 41

Vgl. Kapitel 2, A. II. 3. b). Da in Abs. 1 desselben Artikels unter anderem auch die kulturellen Rechte geschützt sind, ist bei systematischer Auslegung anzunehmen, daß sich die Vereine des Abs. 4 auch auf das Ausüben der Kultur beziehen. 43 Vgl. PCIJ, Minority Schools in Albania, Advisory Opinion, Serie A/B No. 64 (1935), 4; Louis B. Sohn, The Rights of Minorities, in: Louis Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights: The Covenant on Civil and Political Rights, Boston 1981, S. 270, 284; siehe zum Recht auf eigene Bildungseinrichtungen auch Art. 13 der Rahmenkonvention; a. A. Christian Tomuschat, der die Entscheidung den Staaten überläßt, sofern sie die Minderheitenkultur bereits in staatlichen Schulen unterrichten, Protection of Minorities under Art. 27 ICCPR, in: Rudolf Bernhardt u. a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte, FS Hermann Mosler, Heidelberg 1983, S. 949, 957 f., 972 f. 44 Vgl. Art. 13 Abs. 2 des Europäischen Rahmenübereinkommens: „Die Ausübung dieses Rechts (auf eigene Bildungsinstitutionen) bringt für die Vertragsparteien keine finanziellen Verpflichtungen mit sich.“ Vgl. zur Umsetzung Rainer Hofmann, Implementing States Obligations under the Council of Europe Framework Convention for the Protection of National Minorities, Europa Ethnica 56 (1999), S. 1 ff. 45 Dinstein (Anm. 19), IYHR 9 (1979), S. 58, 72 f. 42

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Obwohl Art. 27 ICCPR, wie auch die anderen internationalen Verträge, von den Rechten der Minderheitenangehörigen und nicht von denen der Minderheiten selbst spricht, entsteht hier ebenso wie bei der gemeinschaftlichen Religionsausübung, aus den kollektiven Rechten der einzelnen Angehörigen ein derivatives Recht der Minderheit selbst, Institutionen wie Kulturzentren, Schulen und Vereine zu schaffen, die dem einzelnen erst die Pflege seiner Kultur ermöglichen.46 Eingeschränkt wird das Recht, die eigene Kultur zu pflegen, durch die in Art. 5 Abs. 1 ICCPR niedergelegte Regel, daß die anderen Rechte des Paktes nicht abgeschafft oder weitgehend eingeschränkt werden dürfen.47 II. Ausgestaltung in Israel Die Untersuchung der kulturellen Rechte der Araber in Israel weist zahlreiche Facetten auf, so daß eine umfassende Behandlung den eng gesteckten Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt der folgenden Untersuchung auf dem Bildungssystem der arabischen Minderheit. Auf diese Weise soll versucht werden, ein Schlüsselelement zur Bewahrung der Kultur näher zu analysieren. Weitere Bereiche kulturellen Lebens werden anschließend lediglich im Überblick besprochen. 1. Bildungssystem Das Bildungssystem in Israel ist hinsichtlich der Vorschulen, Grundschulen und weiterführenden Schulen in verschiedene Sektoren unterteilt. Die Mehrheit der israelischen Schüler besucht staatliche Schulen und circa 20 % sogenannte staatliche Religionsschulen, welche eine jüdisch-religiöse Erziehung anbieten und hinsichtlich Pädagogik und Lehrplan Unabhängigkeit genießen. Daneben existieren 46 Vgl. Lubicon Lake Band v. Canada (1990), Comm. No. 16/1984, UN Doc. A/45/40, Vol. II (1990), HRLJ, 11 (1990), S. 305 ff., in der der Ausschuß eine Verletzung der Kultur und Lebensweise des Stammes feststellte; zum kollektiven Charakter von kulturellen Rechten auch Szabo (Anm. 2), S. 110; Natan Lerner, Group Rights and Discrimination in International Law, Dordrecht/Boston/London 1991, S. 34 ff. 47 Art. 5 Abs. 1 ICCPR: „Keine Bestimmung dieses Paktes darf dahingehend ausgelegt werden, daß sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben, die auf die Abschaffung der in diesem Pakt anerkannten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkung dieser Rechte und Freiheiten, als in dem Pakt vorgesehen, hinzielt.“ Vgl. dazu Alexandre Charles Kiss, Permissable Limitations on Rights, in: Louis Henkin (Hrsg.), The International Bill of Rights: The Covenant on Civil and Political Rights, Boston 1981, S. 290, 308; Landinelli Silva Case, Communication No. 34/1978: Uruguay. 08/04/81. CCPR/C/12/D/34/1978, Rn. 7 ff.; Human Rights Committee, General Comment 4/13, 5th Report of the Human Right Committee, GAOR 36th Sess., Supp. 40, S. 130, 133, Rn. 8.4.

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autonome Bildungsinstitutionen, wie die ultra-orthodoxen Schulen, die christlichen Privatschulen und die Schulen der Kibbuzbewegung.48 Diese sind als gemeinnützige Unternehmen49 organisiert, genießen ebenfalls eine weitgehende Selbstbestimmung in pädagogischen Angelegenheiten, werden aber trotzdem überwiegend vom Staat finanziert. Für die arabische Minderheit sind zwei dieser Schularten relevant: die staatlichen Schulen und die christlichen Privatschulen. Die staatlichen Schulen zeichnen sich durch ein System der Trennung zwischen arabischen und jüdischen Schülern aus. In den jüdischen Staatsschulen ist die Unterrichtssprache Hebräisch, in den Staatsschulen für die arabische Bevölkerung Arabisch. Während man die Isolierung orientalischer und europäischer Juden in den Schulen durch besondere Integrationsprogramme zu überwinden suchte, wurde ein solcher Vorstoß für die arabischen Schüler nie ernsthaft unternommen. Dieser Umstand ist jedoch auf mangelnde Motivation von beiden Seiten zurückzuführen.50 Für beide Bildungssektoren existieren deshalb getrennte Lehrpläne und Institutionen. Die generelle Aufsicht obliegt dem Bildungsministerium in Jerusalem, welches für die arabischen Schulen eine spezielle Abteilung unterhält. Zeitweise gab es dort sogar noch eine dritte Abteilung für die Drusen.51 Durch das Compulsory Education Law 1949, welches die allgemeine Schulpflicht vom fünften bis zum elften Lebensjahr einführte und graduell bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres erhöhte52, erreichte Israel eine bemerkenswerte Steigerung der Schulbildung in der Bevölkerung, einschließlich der arabischen Minderheit.53 So gab es beispielsweise 1949 nur 46 arabische Schulen im Vergleich zu 556 im Jahre 1998/99, eine Steigerung um Faktor zwölf im Vergleich zur Steigerung der arabischen Bevölkerung um Faktor sieben in derselben Zeit.54 Nichtsdestotrotz bestimmte der jüdische Charakter des Staates eine Politik, welche jüdische Schulen strukturell und finanziell bevorzugte und gleichzeitig die Ver48

Vgl. Yaacov Iram/Mirjam Schmida, The Educational System in Israel, Westport, Conn./London 1998, S. 6; Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Art. 26, Rn. 840. 49 Sogenannte Amuta (Hebräisch). 50 Shlomo Swirski, Politics and Education in Israel, New York/London 1999, S. 118, 164. 51 Vgl. zu Geschichte und Hintergrund dieser separaten Abteilungen Sami Khalil Mar’i, Arab Education in Israel, Syracuse 1978, S. 55 ff.; Jan Lustick, Arabs in the Jewish States, Austin/London 1980, S. 205 f. 52 Art. 2 lit. a Compulsory Education Law 1949, LSI III (1949), 125, geändert 1978, LSI 32 (1977/78), 156. 53 Nach Art. 6 Compulsory Education Law ist der Besuch staatlicher Schulen für Kinder zwischen 5 und 18 Jahren gebührenfrei. 54 Statistical Abstract of Israel 51 (2000), Schools, Teaching Posts and Pupils, Central Bureau of Statistics, Tabelle 22.7, http://www.cbs.gov.il, v. 18.06.2000; vgl. Kapitel 1, A. für die demographischen Daten.

A. Die Pflege des kulturellen Lebens

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waltung arabischer Schulen als Mittel zur Kontrolle der Minderheit benutzte. Diese Einstellung des Staates führte insbesondere in den ersten drei Jahrzehnten zu einer extremen Chancenungleichheit zwischen jüdischen und arabischen Schülern sowie zur Verleugnung ihrer arabisch-palästinensischen Identität.55 Seit Anfang der achtziger Jahre wurde letzterer mehr Beachtung geschenkt und seit den Neunzigern versuchte man, die strukturellen Ungleichheiten zwischen beiden Bildungssystemen auszugleichen.56 Beides geschah sowohl mit sehr gemischtem Willen als auch Erfolg. a) Schulverwaltung und Kontrolle des Bildungswesens Die Aufsicht über die von arabischen Schülern besuchten Schulen wird generell vom Bildungsministerium vorgenommen. Die Kontrolle und Verwaltung des staatlichen Bildungssystems ist hauptsächlich durch das Inspection of Schools Law 1969 geregelt. Danach ist der Bildungsminister für Gesundheit, Hygiene, Sicherheit und physische Struktur der staatlichen Schulen zuständig. Außerdem ist er für die Lehrpläne verantwortlich sowie für die pädagogische Ausbildung und Qualifizierung der Lehrer. Der Generaldirektor des Ministeriums erteilt einer Schule nur dann eine Unterrichtungsgenehmigung nach Art. 9 des Inspection of Schools Law, wenn diese Bereiche den Standards des Bildungsministeriums entsprechen. Der Generaldirektor trifft außerdem nach Art. 16 die Entscheidung, welcher Lehrer eine Unterrichtungserlaubnis erhält. Nach Art. 34 Abs. 1 des State Education Law 1953 kann der Minister Verordnungen für die Ernennung von Direktoren, Inspektoren und Lehrern an staatlichen Bildungsinstitutionen erlassen.57 Die Regulations of Public Education (Inspection) 1956 regeln beispielsweise die Ernennung von Lehrern und Direktoren für Grund- und Mittelschulen. Nach Art. 18 lit.a und Art. 19 dieser Verordnung ist der Generaldirektor verpflichtet, verschiedene Gremien zu konsultieren, bevor er letztlich seine Entscheidung über die Einstellung trifft. Diese Gremien bestehen aus Komitees mit Vertretern des Pädagogischen Sekretariats des Ministeriums, Gemeindevertretern, Schulinspektoren sowie Vertretern der Lehrergewerkschaft.58

55

Vgl. Majid Al-Haj, Education, Empowerment and Control: The Case of the Arabs in Israel, New York 1995, S. 120 ff.; Nadim Rouhana, Palestinian Citizens in an Ethnic Jewish State: Identities in Conflict, New Haven/London, Yale University Press 1997, S. 86 ff.; Hala Espanioly Hazzan/Arabiya Mansur/A’reen Hawari, Education, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel (Hrsg.), The Status of Palestinian Women in Citizens of Israel, Submitted to the UN Committee on the Elimination of Discrimination Against Women, 17th Sess., Nazareth, July 1997, S. 33 ff. 56 Al-Haj (Anm. 55), S. 144. 57 LSI 5–7 (1953), 113. 58 Kovetz HaTakanot 1957, 116.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

Die Einstellung der Lehrer über das Bildungsministerium war vor allem in der Vergangenheit äußerst problematisch. So diente sie als Mittel der Kontrolle der arabischen Minderheit.59 Bis 1994 mußten alle arabischen Bewerber einen persönlichen Fragebogen ausfüllen, der mit ihren professionellen Qualifikationen nichts zu tun hatte, sondern vielmehr der Erforschung politischer Tätigkeiten diente. Die Ergebnisse dieser Befragung sowie Sicherheitsklassifikationen entschieden de facto, ob ein Lehrer eingestellt wurde oder nicht.60 Auch heute noch werden ausschließlich arabische Lehrkräfte regelmäßig durch den israelischen Sicherheitsdienst Shin Bet, der mit dem Bildungsministerium zusammenarbeitet, überprüft.61 Im Hinblick auf die Anstellung des Lehrpersonals der Oberschulen hat die arabische Minderheit bessere Einflußmöglichkeit. Sie wird durch Art. 23 des Local Councils Decree (Employment Enrolment Procedure) 1977 festgelegt, welcher vorsieht, daß der Bürgermeister das Lehrpersonal nach entsprechender Ausschreibung und auf Vorschlag eines Komitees aus Vertretern der Gemeinde, des Bildungsministeriums, der Angestelltenverwaltung, der Lehrergewerkschaft und der Öffentlichkeit ernennt.62 Der Unterschied dieses Verfahrens besteht darin, daß die Kriterien des besagten Komitees im Gegensatz zu den Kriterien des Komitees für Grund- und Mittelschulen für die Einstellung ausschlaggebend sind und nicht nur beratenden Charakter haben.63 In einer Vielzahl von Fällen kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, insbesondere um die Ernennung von Direktoren. Bei einem Teil dieser Fälle wurden Vorschläge der Komitees überhaupt nicht beachtet oder verfälscht. Es wurden später Argumente gegen Kandidaten angebracht, ohne daß ihnen zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, mit dem Ergebnis, daß die politisch angenehmsten, nicht aber die geeignetsten Kandidaten ernannt wurden.64 Dabei kamen oft Bewerber zum Zuge, die überhaupt nicht auf der Kandidatenliste des Komitees vorhanden waren. In einigen Fällen, welche Schulen in Nazareth betrafen, wurde ein Machtkampf zwischen der Gemeinde und dem Bildungsministerium um die

59

Vgl. Mar’i (Anm. 51), S. 64; Rouhana (Anm. 55), S. 86. Mar’i (Anm. 51), S. 65; Ninth Periodic Report of States Parties due in 1996: Israel. 17/10/97. CERD/C/294/Add.1, Rn. 105; Majid Al-Haj, Arab Education: Development versus Control, in: Yaacov Iram/Mirjam Schmida (Hrsg.), The Educational System in Israel, Westport Conn./London 1998, S. 91, 96 f. Erst 1994 wurde die geforderte Sicherheitsüberprüfung abgeschafft, Rouhana (Anm. 55), S. 86. 61 Adalah Demands an End to the Shin Bet’s Involvement in the Selection of Arab Educators, News Update v. 12.12.2001, www.adalah.org. 62 Vgl. zur Problematik der Vetternwirtschaft bei der Einstellung von Lehrern durch die Gemeinden, Al-Haj, in: Iram/Schmida (Anm. 60), S. 91, 97. 63 Vgl. Sec. 34 lit.b Decree, Kovetz HaTakanot 1977, 1932. 64 Vgl. HCJ, Omri Mahmoud v. Generaldirektor des Ministeriums für Bildung und Kultur, P.D. 33 I (1979), 767–784; HCJ, Hala Espanioli Hazzan v. Generaldirektor des Ministeriums für Bildung und Kultur, P.D. 40 II (1985), 488–491. 60

A. Die Pflege des kulturellen Lebens

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Kontrolle dieser Positionen deutlich.65 Das Supreme Court rügte zwar diese Praxis der Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Regeln, entschied jedoch nie zugunsten des Klägers auf Einstellung.66 Die Schulen, welche von einer religiösen Gemeinde gegründet und erhalten werden, fallen dagegen nicht unter den Anwendungsbereich des Inspection of Schools Law 1969. Ihre Kontrolle wird vielmehr durch die Education Ordinance (New Version) 1978 geregelt, welche eine Registrierung jeder Schule vorsieht. Nach Art. 1 der Verordnung ist eine Gemeindeschule „… a school the proprietor of which is a community organised under the Religious Community (Organisation) Ordinance or exercising jurisdiction under Art. 51 of the Palestine Order in Council, 1922, or the committee of such a community.“ Der Minister hat zwar bezüglich der sanitären Situation der Schule nach Art. 5 und 6 sowie im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und integeren Verwaltung nach Art. 6 lit. c gewisse Inspektionsrechte. Er kann auch die Entlassung eines Lehrers nach Art. 8 unter schwerwiegenden Umständen verlangen und eine Schule gegebenenfalls schließen. Die allgemeine Verwaltung der Schule und die Einstellung von Lehrpersonal, soweit dieses über eine Lehrbefugnis nach Art. 7 der Ordinance verfügt, obliegen jedoch der ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinde selbst.67 Der erhebliche Unterschied in der Kontrolle der Schulen verdeutlicht, daß trotz des getrennten Schulsystems der arabischen Minderheit nur recht eingeschränkte Möglichkeiten zur Verfügung stehen, auf Verwaltung und Kontrolle des Bildungssystems Einfluß zu nehmen. Dadurch wird auch die freie Weiterentwicklung ihrer Kultur in mancher Hinsicht beeinträchtigt. Dementsprechend existieren Vorschläge des Follow-Up Committee on Arab Education, einer arabischen NGO, ein separates arabisches Schulsystems einzurichten, das ähnliche Kompetenzen wie die staatlichen, jüdischen Religionsschulen hätte.68

65 Siehe für eine ausführliche Analyse dieser und ähnlicher Fälle André Elias Mazawi, Patterns of Competition over School-Management Positions And the Mediation of Social Inequalities: A Case Study of High Court of Justice Petitions against the Appointment of Principals in Public Arab Schools in Israel, Israel Social Science Research 11/1 (1996), S. 87 ff., 106 ff. 66 Mazawi (Anm. 65), Israel Social Science Research 11/1 (1996), S. 87, 92. 67 Education Ordinance (New Version) 1978, LSI 3 (1978), 94; vgl. zur weitreichenden Autonomie der Schulen christlicher Gemeinden HCJ, Jabareen v. Bildungsminister, P.D. 48 V (1994), 199 ff., sowie Orit Ichilov/André Elias Mazawi, Church and State, Life-History of a French-Catholic School in Jaffa, Frankfurt a. M. 1996. 68 Vgl. André Mazawi, Kultur und Nationalismus in den Lehrplänen für Araber in Israel: über Dimensionen und Grenzen politischer Auseinandersetzung, Mifneh 32 (1997), S. 32 ff., für die Übersetzung aus dem Hebräischen Dank an Herrn R. Ben Shahar, Advocate.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

b) Lehrpläne Auch die Lehrpläne der staatlichen Schulen werden nach Art. 4 des State Education Law durch den Minister bestimmt, der sie in der Regel auf Empfehlung des Pädagogischen Sekretariats hin erläßt.69 Das Ziel der Lehrpläne nach Art. 2 dieses Gesetzes war bis zum Jahr 2000 lediglich an jüdische Schüler gerichtet: „The object of State education is to base elementary education in the state on the values of Jewish culture and the achievement of science, on love of the homeland and loyalty to the State and the Jewish people, on consciousness of the memory of the Holocaust and Heroism, on practice on agricultural work and handicraft, on chalutzic (pioneer) training, and on striving for a society built on freedom, equality, tolerance, mutual assistance and love of mankind.“

Einziger Aufschluß über die Lehrziele für Araber bot insofern Art. 4, der dem Minister ein weites Ermessen hinsichtlich des Lehrplans einräumte: „The minister shall prescribe the curriculum of every official educational institution; in non-Jewish educational institutions, the curriculum shall be adapted to the special conditions thereof.“

Die Minister nutzten dennoch dieses Ermessen jahrzehntelang nicht, um allgemeine Bildungsziele zu formulieren.70 Dieser Umstand läßt sich vor allen Dingen durch die schwierige Position erklären, in der die Araber sich befanden. Als Minderheit in einem Staat, der sich im Kern ethnisch- religiös definiert, wurde die arabische Minderheit nicht nur von den gemeinsamen gesellschaftlichen Grundlagen ausgeschlossen, sie wurde insbesondere in den ersten Jahrzehnten auch angesichts des Kriegszustandes mit den arabischen Staaten als ständiges Sicherheitsrisiko betrachtet.71 Erzieherische Zielsetzung war konfrontiert mit dem Verlangen nach absoluter Loyalität gegenüber dem jüdischen Staat einerseits und der Identität der arabischen Minderheit als Araber und Teil des palästinensischen Volkes andererseits. Wie es der Ex-Direktor des Bildungsministeriums Emanuel Kopilievitch einmal ausdrückte, bestand die grundsätzliche Frage, ob die israelischen Araber zu „Israelis“, zu „Arabern“ oder zu „israelischen Arabern“ erzogen werden sollten.72 Schließlich wurden in den siebziger Jahren vom Peled Komitee zum ersten Mal folgende Bildungsziele für arabische Schüler ausgearbeitet: 69 Der stellvertretene Vorsitzende dieses Sekretariats für jüdische und arabische Schüler ist momentan Herr Ali Assadi, Leiter der Abteilung für arabische Bildung im Ministerium für Bildung, Kultur und Sport. 70 Joseph S. Bentwich, Education in Israel, London 1965, S. 180 ff. 71 Vgl. Mar’i (Anm. 51), S. 51 ff.; Sammy Smooha, Arabs and Jews in Israel, Bd. 2, Boulder/San Francisco/Oxford, 1992, S. 94; Yoav Peled, Ethnic Democracy and the Legal Construction of Citizenship: Arab Citizens of the Jewish State, American Political Science Review 86/2 (1992), S. 432, 436; Kapitel 1, B. III. 1. 72 Emanuel Kupilievitch, Erziehung im Arabischen Sektor: Fakten und Probleme, in: Haim Urimian (Hrsg.), Die Erziehung in Israel, Jerusalem, Ministerium für Bildung, Kultur und Sport 1973, S. 323, 325 (Hebräisch).

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„To base education on the foundations of Arab culture, scientific achievements, the desire for peace between Israel and its neighbours, the love of the land (shared by all its citizens) and the loyalty to the State of Israel by emphasising common interests and by emphasising the uniqueness of the Arabs in Israel, on a recognition of Jewish culture, on respect for creative work and the desire for a society based on freedom, equality, mutual assistance and love of humanity.“73

Man könnte in der „uniqueness“ der Araber eine konkludente Anerkennung ihres Minderheitenstatus sehen. Angesichts der fehlenden Anerkennung ihrer kollektiven Identität ist jedoch davon auszugehen, daß mit „uniqueness“ eher die besondere Stellung der Araber als israelische Staatsbürger gemeint ist und eben nicht ihre Zugehörigkeit zu den anderen Arabern oder Palästinensern.74 Im Jahr 2000 wurden schließlich die Bildungsziele des State Eduction Law grundsätzlich reformiert, so daß sich inzwischen verschiedentlich Hinweise auf die arabische Minderheit finden lassen. Nach Art. 2 Abs. 1 sind die Ziele für alle Schüler nunmehr: „… den Menschen dazu zu erziehen, andere Völker zu lieben, seine Nation zu lieben, sein Heimatland zu lieben, ein treuer Staatsbürger des Staates Israels zu sein, seine Eltern, sein Erbe, seine kulturelle Identität und seine Sprache zu achten.“

In Absatz zwei wird dann eine Erziehung nach den Prinzipien der Unabhängigkeitserklärung gefordert, das heißt nach den Werten Israels als jüdischer und demokratischer Staat. Es wird Respekt für die „Überzeugung und Kultur des anderen“ erwartet und für „Frieden und Toleranz in den Beziehungen zwischen Völkern und Nationen“ geworben. Die Absätze drei und vier beschäftigen sich mit der Unterrichtung der Geschichte des Landes Israel (Eretz Israel) und des Staates Israel sowie mit Thorastudien, jüdischen Traditionen und der Erinnerung an den Holocaust. In den Absätzen fünf bis sieben wird die Entwicklung genereller Fähigkeiten der Persönlichkeit, wie Kreativität, Talente, Kritikfähigkeit und wissenschaftliches Denken bestimmt. Absatz acht enthält schließlich eine Verpflichtung, allen Schülern Chancengleichheit zu gewähren. Die Absätze neun und zehn fordern zur Erziehung zur sozialen Gerechtigkeit, Gemeinschaftssinn und Umweltbewußtsein auf. Besondere Bedeutung hat Absatz elf, dessen Unterrichtsziel es ist: „… die Sprache, die Kultur, die Geschichte, das Erbe sowie die einzigartige Tradition der arabischen Bevölkerung und anderer Gruppen im Staat Israel zu kennen und die gleichen Rechte aller Bürger des Staates Israels zu respektieren.“

Die geänderten Bildungsziele unterscheiden sich deutlich von denen aus dem Jahre 1953. Die Unterrichtung ist nicht mehr fast ausschließlich auf die Vermitt73 Ziele des Peled Komitees, Ministry of Education and Culture 1975b, zit. bei Mar’i (Anm. 51), S. 53 f., diese wurden im März 1975 vom Minister bestätigt, im September 1976 wurde die Formulierung „shared by all its citizens“ gestrichen, Al-Haj (Anm. 55), S. 142 f.; Sa'ed Zarzur, Arabische Erziehung, in: Walther Ackermann/Arye Carmon/David Zucker (Hrsg.), Erziehung in Israel II, Stuttgart 1982, S. 129, 158. 74 Vgl. Al-Haj (Anm. 55), S. 141.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

lung jüdischer Geschichte und Werte ausgerichtet, sondern zeichnet sich nun in weiten Bereichen durch einen pluralistischen Ansatz aus. Die kulturelle Eigenständigkeit und Sprache der Araber wird gefördert, ihre Gleichstellung als Staatsbürger propagiert und Wissen über ihre Geschichte, Kultur und Traditionen unterstützt. Trotzdem bleiben auch hier Widersprüche bestehen. Das Konzept eines demokratischen Staates, dessen Bürger gleichberechtigt sind, läßt sich schwer mit dem Charakter Israels als Staat des jüdischen Volkes allein vereinbaren. Auffällig ist weiterhin, daß nicht von der arabisch-palästinensischen Minderheit gesprochen wird, sondern lediglich von der arabischen Bevölkerung und anderen Gruppen. Hinsichtlich der Unterrichtung von Geschichte wird vom Land Israel und vom Staat Israel gesprochen, als ob dieses Gebiet zu keiner Zeit in der Geschichte allgemein als Palästina bezeichnet worden wäre. Immerhin wird in Art. 2 Abs. 11 auch Wissen über die Geschichte der arabischen Bevölkerung verlangt. (1) Geschichte Trotz des anfänglichen Mangels einer allgemeinen Zielsetzung mußten für die einzelnen Fächer notgedrungen schon früher Bildungsziele beschrieben werden. Um die Entwicklung und die Einstellung des Staates gegenüber der arabischen Minderheit zu verdeutlichen, bietet es sich an, die Ziele des Geschichtslehrplans als Indikator heranzuziehen. Vor den generellen Änderungen im Lehrplan 1982 waren die Ziele für arabische und jüdische Studenten wie folgt formuliert (s. Tabelle auf gegenüberliegender Seite).75 Auffällig an diesem Lehrplan ist zunächst, daß das Nationalbewußtsein der jüdischen Schüler entwickelt und ihre Loyalität und ihr Einsatz für den Staat Israel und das jüdische Volk sehr stark betont wurde.76 Während die Araber ebenfalls zu dieser Loyalität gegenüber dem Staat des jüdischen Volks erzogen wurden, wurde in nicht einem Bildungsziel ihre Stellung als arabische Minderheit erwähnt, ganz zu schweigen von ihrer Verbindung zum Land und zum Volk der Palästinenser.77 Augenfällig sind die Ansätze zur bi- beziehungsweise multikulturellen Erziehung der Araber, ohne das ein ähnliches Ziel für jüdische Schüler erwähnt wurde. Das Ministerium für Bildung gab 1976 einen neuen Geschichtslehrplan für Grund- und Mittelschulen und 1982 einen neuen Lehrplan für fortführende Schulen des „arabischen Sektors“ heraus sowie die allgemeinen Unterrichtsziele für Geschichte. Die Ziele hinsichtlich der zu vermittelnden Werte lauten wie folgt: 75

Die Übersetzung wurde entnommen von Mar’i (Anm. 51), S. 71 f. Vgl. zur jüdisch-national orentierten Ausbildung Aryeh Carmon, Political Education in the Midst of a National Identity Crisis: The Compatibility of Judaism and Democracy, in: Ehud Sprinzak/Larry Diamond (Hrsg.), Israeli Democracy Under Stress, Boulder/London 1993, S. 293, 299 ff. 77 Vgl. hinsichtlich dieser Diskrepanz Al-Haj (Anm. 55), S. 128 ff. 76

A. Die Pflege des kulturellen Lebens

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Arabische Schulen

Jüdische Schulen

1. To instruct the students to consider the culture of mankind as the shared efforts of the world’s nations throughout the generations; to value correctly the part played by the Jewish and Arab, and other nations in creating this culture, to strengthen the recognition of cooperation, and to develop the will of common action towards peace and goodwill among nations.

1. To instruct the students to consider the culture of mankind as the shared efforts of the Jewish People and world’s nations throughout the generations, to value correctly our share and that of other peoples in the creation of this culture, to strengthen the cooperation, and to develop the will of common action towards peace and goodwill among nations.

2. non

2. To instill a Jewish national consciousness in the students; to reinforce the feeling of a common Jewish destiny; to instill in their hearts a love for the Jewish People both in their country and throughout the world, and to reinforce their spirit with the nation as a whole.

3. To instill an awareness in the students of the importance of the state of Israel for the Jewish people throughout the ages, to develop a sense of a common fate of the two peoples, Jewish and Arab, in past and present, in order to develop their sense of personal commitment to the State and to instill the wish and readiness to serve the state in all ways.

3. To instill an awareness in the students of the importance of the State of Israel as the means of ensuring the physical as well as the historical existence of the Jewish people; to instill in them a sense of personal commitment for the consolidation and development of the state, to instill the wish and readiness to serve the state in all ways.

4. To develop the character of the students after the deeds of the great men of the world and in particular, the Jews and the Arabs.

4. To develop the character of the students after the great men of our people and of the world’s people.

5. same

5. To train and to accustom him to deliberate and conclude in general concepts when dealing with social problems and to attempt solving them through independent critical thinking.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

„developing skills for judging historical events according to general human values, engraving a spirit of tolerance and understanding of the feelings, traditions, and lifestyles of other individuals and peoples, and developing the sense of identification with the Arab nation and its culture and with the State of Israel and all its inhabitants.“78

Während diese Ziele zum ersten Mal klar die Identifikation und Zugehörigkeit zur arabischen Nation neben der Identifikation mit Israel hervorheben, wird auch hier die Erwähnung der Palästinenser ausgelassen. Die Verteilung der Pflichtstundenzahl, in der arabische Geschichte unterrichtet wird (22.2), ist immer noch recht gering im Vergleich zur Unterrichtung jüdischer Geschichte (22.2) und allgemeiner Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts (22.2) und des Nahen Osten (33.4). Der Anteil an neuerer arabischer Geschichte wurde aber graduell gesteigert, so daß heute auch die Geschichte der arabisch-palästinensischen Gesellschaft beispielsweise im Abschlußexamen geprüft werden kann. Problematisch ist, daß moderne arabische Geschichte sowie die Entwicklung der arabischen Nationalbewegung nur als Wahlfächer unterrichtet werden und somit nur Schüler des Wahlfachs über den israelisch-palästinensischen Konflikt informiert werden.79 Bis zu welchem Grad eine starke Betonung der Identifikation mit nationalen Bewegungen und Selbstfindung durch ethnisches Bewußtsein im Gegensatz zur gleichberechtigten Mitgliedschaft in multikulturellen und demokratischen Gesellschaften wünschenswert ist, sei hier dahingestellt.80 Die Tatsache, daß jüdische Schüler eine explizit zionistische, nationale Schulung erhalten, weckt natürlich auf der Seite der arabischen Minderheit das Bedürfnis, auch ihre Nationszugehörigkeit verstärkt in den Vordergrund zu stellen. Vor diesem Hintergrund hat das Follow-Up Committee on Arab Education verschiedene Male Vorschläge eingebracht, um die Inhalte in den Lehrplänen der Identität der arabisch-palästinensischen Minderheit entsprechend anzupassen.81 So wurde angeregt, die Erziehung in arabischen Schulen auf „… values of Palestinian, Arab and human culture; on the special connection with the members of the Palestinian people; on strengthening Palestinian historical memory; on the brotherhood of the nations; on the right to citizenship and equality with the 78

Zit. bei Al-Haj (Anm. 55), S. 144 f. Gespräch mit Sâid Barghouthy, Chefinspektor für Geschichte und Sozialkunde in arabischen Schulen, v. 01.04.2001; vgl. zur Entwicklung auch Al-Haj (Anm. 55), S. 145. 80 In verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen wird immer wieder betont, wie wichtig eine multikulturelle Erziehung ist. Dies setzt jedoch voraus, daß sich die Bildungsziele der Mehrheit auf ähnlicher Grundlage befinden, was in Israel angesichts des betont ethnischreligiösen Charakters des Staates nicht gegeben ist. 81 Es handelt sich um eine Nichtregierungsorganisation, welche unter der Aufsicht des Follow-Up Comittee of the Head of the Local Arab Councils, einer Art arabischer Dachorganisation, agiert. 79

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Jewish people in Israel, on the basis of equality and mutual respect“ zu basieren.82 Dieser Vorschlag wurde jedoch abgelehnt. Von diesem Komitee wurde in einem Testversuch in verschiedenen arabischen Oberschulen in Galiläa versucht, durch ein extracurriculares „Programm für Identität“ diese Mängel auszugleichen.83 Das Programm sieht beispielsweise die Unterrichtung über die nakba (die palästinensische Katastrophe 1948) vor sowie die Auseinandersetzung mit dem Massaker in Kvar Kassem84, dem Sechs-Tage-Krieg, der Geschichte der „Abwesenden Dörfer“ Ikrit und Biram85 und dem Libanonkrieg. Im Bereich Literatur werden Werke moderner palästinensischer Nationalschriftsteller wie Tajoufik Sayad, Samich Al Quassem, Machmoud Darwish86 und Hanah Abu Hanah unterrichtet, deren Prosa und Gedichte sich zu einem großen Teil mit den Erlebnissen der Palästinenser in den letzten 50 Jahren beschäftigen, wie auch mit Vertreibung, Flüchtlingslagern, Exil und Militärbesatzung.87 Seit dem Beginn des Schuljahres 2001 wird ein neuer Geschichtslehrplan in Oberschulen unterrichtet, der den Anteil an moderner arabischer Geschichte, wie beispielsweise die arabische Nationalbewegung, erhöht und auch die Geschichte der arabisch-palästinensischen Gesellschaft im Gegensatz zur bloßen Entwicklung des Landes erläutert. Die Ziele dieses Lehrplans sehen unter anderem vor, „das Gefühl der Zugehörigkeit des Schülers zur palästinensisch-arabischen Nation und ihrer Kultur zu stärken“.88

82 Zit. in: ACRI, The Association for Civil Rights in Israel, Comments on the Combined Initial and Second Periodic Report Concerning the Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR), submitted to the Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Jerusalem, November 1998, S. 72. 83 Follow-Up Committee on Arab Education, Gespräch mit Areen Hawari am 01.03.2001. 84 Das Massaker wurde im Jahr 2000 zum ersten Mal in jüdischen Schulen besprochen, vgl. „hands off the history books“, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 03.12.2000. 85 Vgl. Kapitel 3, B. II. 2. b). 86 Nach dem Vorschlag des Ex-Bildungsministers Jossi Sarid zur Unterrichtung von Machmoud Darwish in jüdischen Schulen entstand eine heftige Debatte, vgl. Gideon Alon, Sarid defends Darwish decision, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 09.03.2000, S. 3; sowie ders., Likud: Inclusion of Palestinian poet in curriculum ‚scandalous‘, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 05.03.00, S. 2. 87 Vgl. Tomar Sarchin, Programm für palästinensische Identität in den arabischen Schulen Israels: Gelangt der Lehrplan des Bildungsministeriums der Palästinensischen Autonomiebehörde durch die Hintertür in die Arabischen Schulen in Israel?, Yediot Acharonot v. 24.07.2000, http://www.ynet.co.il/articles/1,7340,L-36917,ff.html (Hebräisch). 88 Gespräch mit Sâid Barghouthy, Chef-Inspektor für Geschichtsunterricht und Sozialkunde in Arabischen Schulen, am 01.04.2001.

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(2) Arabisch, Sozialkunde und Religion Die neuen Lehrziele für den Arabischunterricht sind ebenso ausgeweitet worden und erwähnen nun auch „(the) pride of the pupil in the Arabic language as his national language and central component of his personality“. Die anderen Ausbildungsziele sind hauptsächlich auf die Stärkung des klassischen Arabisch ausgelegt, wie die Fähigkeit, arabische Literatur zu lesen und zu verstehen, sich entsprechend auszudrücken sowie die Aneignung von universellen Werten durch arabische Literatur.89 Auch im Rahmen der Unterrichtung moderner arabischer Autoren wurden Fortschritte erzielt. Es werden sogar einige palästinensische Schriftsteller besprochen, allerdings unter Auslassung deren national relevanter Werke. Dies betrifft die bereits erwähnten Schriftsteller wie Machmoud Darwisch, Samich AlQuassem, Shaqiq Jachshan.90 Unzureichend war auch lange Zeit die Stundenanzahl für arabische Sprache, vor allem für arabische Literatur, welche in sechs Jahren Mittelschule und Oberschule nur zehn Prozent des arabischen Sprachunterrichts ausmachte. So wurden arabische Schüler extensiv mit der hebräischen Sprache und sämtlichen jüdischen Schriftstellern und Nationaldichtern vertraut gemacht, während die arabische Literatur zu kurz kam.91 Diese Situation soll durch einen Fünfjahresplan des Bildungsministerium revidiert werden, der vier zusätzliche Stunden Arabisch für Schüler der ersten und zweiten Klasse vorsieht, jedoch nur für 14 % dieser Klassen umgesetzt wird.92 Bedauerlich ist auch, daß in jüdischen Schulen nur ungefähr 5 % der Schüler der 12. Klasse jemals Arabisch gelernt haben, obwohl Israel eine recht große arabische Minderheit hat und von arabischen Staaten umgeben ist.93 Im Jahr 1984 wurde auch ein neuer Lehrplan für die Unterrichtung von Sozialkunde entworfen, der erstmals die Diskussion ideologischer Strömungen vorsieht „which can assist in understanding the characteristics of Israel as a Jewish-democratic State that includes other national minorities“. Dieser Lehrplan betont auch „linkages between the Arab citizens in Israel and the Arab peoples“. Für den Unterricht wurde auch ein neues Lehrbuch für die Oberstufe herausgegeben, in dem zum ersten Mal die Araber in Israel als integraler Teil des palästinensischen Volkes bezeichnet und heikle Themen wie Landenteignung, Menschen- und Staats-

89

Al-Haj, in: Iram/Schmida (Anm. 60), S. 91, 103 f. ACRI, The Association for Civil Rights in Israel, Comments on the Combined Initial and First Periodic Report Concerning the Implementation of the International Covenant of Civil and Political Rights (ICCPR), submitted to the United Nations Human Rights Committee, Jerusalem, Juli 1998, S. 166. 91 Al-Haj (Anm. 55), S. 148.; Zarsur (Anm. 73), S. 160 ff. 92 Shlomo Swirski/Yaron Yeheskel, How the 2000 Israel State Budget Affects Arab Citizens, Education, in: Adva Center (Hrsg.), http://www.adva.org, Tel Aviv, Dezember 1999. 93 Vgl. ACRI, ICESCR-Report (Anm. 82), S. 73; Swirski (Anm. 50), S. 167. 90

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bürgerrechte diskutiert werden.94 Schließlich entstand 1996 ein einheitlicher Lehrplan im Fach Sozialkunde für jüdische und arabische Schüler, welcher Staatsbürgerbewußtsein und Werte wie Demokratie und Gleichheit stärken soll.95 So wird unter dem Abschnitt Grundlagen des Staates „die Verpflichtung zur Gleichbehandlung von Juden und Nichtjuden“ erwähnt, „eingeschlossen der Rechte jüdischer und nichtjüdischer Bürger, welche meist der arabisch-palästinensischen Nation angehören, ihr Erbe, ihre Kultur, ihre Religion und ihre Nation zu fördern.“96 In den Bildungszielen zur Gleichheit der Bürger wird darüber hinaus gefordert, Stereotypen über Araber entgegenzuwirken und die Gemeinsamkeiten der hebräischen und arabischen Sprache herauszustellen. Seit 1987 arbeitet ein besonderes Komitee, welches unter anderem aus Qadis und arabischen Erziehern besteht, an der Erstellung eines Lehrplans für die Unterrichtung von islamischer Religion in Grund- und Oberschulen. Die neunzehn verschiedenen Ziele sind hauptsächlich auf die Entwicklung der Persönlichkeit des Schülers als sozial verantwortungsvolles Wesen gerichtet, auf die Liebe zur Menschheit und Respekt vor anderen Religionen sowie auf die Kenntnis der wesentlichen Lehren des Propheten Mohammed. Unter diesen Zielen befindet sich auch „the development … of a sense of national-religious belonging of the student; in terms of religion, history and culture“ sowie die Ausformung „of muslim personality for the student oriented to be balanced, complete and open to civilisation and science“.97 Trotz dieser positiver Entwicklungen, die Lehrpläne für arabische Schüler mit mehr kulturellen und religiösen Inhalten zu füllen, ist die Anerkennung des palästinensischen Elements der Identität dieser Schüler bis jetzt nur in den Zielen des Sozialkundelehrplans zu finden. Die palästinensische Betrachtungsweise der Geschichte, ihr ebenfalls gegebener Anspruch auf das Land werden so gut wie möglich vermieden. Die bisherige Handhabung hing zu einem großen Teil vom jeweiligen Bildungsminister ab. Während Jossi Sarid sich in seiner Amtszeit für eine Stärkung der kulturellen Identität der arabischen Schüler aussprach und das Wissen der jüdischen Schüler über die arabisch palästinensische Geschichte und Kultur zu erweitern suchte98, zieht seine Nachfolgerin Limor Livnat es vor, post-zionistische Literatur zur verbannen und die Lehrpläne auf jüdische, zionistisch nationale Ziele 94

Al-Haj, in: Iram/Schmida (Anm. 60), S. 105 f. Der Staat Israel, Ministerium für Bildung, Kultur und Sport (Hrsg.), Staatsbürger sein, Jerusalem 1996, S. 10; herzlichen Dank an R. Ben Shahar (Adv.) für die Übersetzung. 96 Ebda., S. 11, Prinzip 1. 97 Al-Haj (Anm. 55), S. 151 f. 98 „Arab pupils must first learn Arab culture, which is their national culture, and it is also appropriate for Jewish pupils to learn the culture of their Arab neighbours.“, zit. in: Relly Sa’ar, Rubinstein tries to reverse Haredi bill requiring Arabs to study Torah, Ha’aretz (engl.Ausg.) v. 24.02.00, S. 3. 95

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zu konzentrieren.99 Es bleibt äußerst fraglich, ob sich diese Einstellung vor der Gründung eines von Israel anerkannten palästinensischen Staates und vor der Erklärung des Endes des Konflikts zwischen beiden Völkern ändern wird. (3) Lehrpläne in drusischen und christlichen Schulen Während anerkannte christliche Schulen theoretisch weitgehende Autonomie bei der Gestaltung ihrer Lehrpläne genießen, benutzen sie in der Praxis überwiegend die staatlichen Lehrpläne, da deren Inhalte für das allgemein gültige Abschlußexamen am Ende der zwölften Klasse unverzichtbar sind.100 Die christlichen Schulen unterrichten zusätzlich eigene Inhalte und sind für ihren vielseitigen Fremdsprachenunterricht bekannt. Einige von ihnen bieten als Unterrichtssprache beispielsweise Französisch oder Englisch an.101 Die Schulen in den drusischen Dörfern gehörten, anders als die christlichen, immer zu den staatlichen Schulen des arabischen Sektors.102 Seit 1983 wurde jedoch im Rahmen der von der Regierung und einigen drusischen Führern betriebenen „drusischen Nationalisierung“ ein getrennter Lehrplan mit anderen Bildungszielen eingeführt. Diese „Entarabisierung“ der Drusen half Israel, deren Loyalität gegenüber dem Staat weiter auszubauen und diente den Drusen, sich ein gutes Verhältnis zu staatlichen Organen zu sichern. Dementsprechend wurden folgende Bildungsziele von einem Komitee des Bildungsministeriums formuliert: „… to build the foundations of Druze education on the values of the Druze and Arab Culture, on the aspiration for peace between Israel and its neighbours, on the love to the homeland as common to all the state’s citizens and on the loyalty to the state of Israel, on the cooperation to build and defend Israel while stressing the specific and common interests of all its inhabitants, on developing the unique ties between the Jews and the Druzes, on an understanding of Jewish culture, on fostering Israeli-Druze consciousness, on planting the Druze youth firmly within the Druze heritage, and on the common destiny between the members of the Druze community in all countries it resides.“103

Interessant ist an dieser Formulierung, daß Israel ausdrücklich als gemeinsames Heimatland der Drusen und der Juden angesehen wird, anders als bei den Bildungszielen für die christlichen und muslimischen Araber.104 Auch wird die Ver99

Vgl. Relly Sa’ar, Livnat believes she has something to teach the Education Ministry, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 08.03.01. 100 Vgl. Jabareen v. Minister of Education (Anm. 67); Mar’i (Anm. 51), S. 62 ff.; Zarsur, in: Ackermann/Carmon/Zucker (Anm. 3), S. 145, 147. 101 Vgl. Ichilov/Mazawi (Anm. 67), S. 129 f.; Zarsur, ebda. 102 Kais M. Firro, The Druzes in the Jewish State, Leiden/Boston/Köln 1999, S. 225–227. 103 Zit. bei Firro (Anm. 102), S. 234. 104 Vgl. Text bei Anm. 426.

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bindung zu den Drusen in anderen Ländern besonders hervorgehoben, was man hinsichtlich der Verbindung der Araber zum palästinensischen Volk nicht sagen kann. Schließlich wird eine Stärkung des drusisch-jüdischen Pakts angestrebt. Das für den Lehrplan zuständige Komitee entwickelte darüber hinaus auch neue Lehrbücher für Geschichte, Arabisch, Hebräisch, Sozialkunde und drusische Tradition, welche darauf zielten, jede Art von Traditionen und kulturellen Gebräuchen, die die Drusen mit den Arabern des restlichen Nahen Ostens teilen, als typisch drusische Traditionen darzustellen. Ebenso wurden neue Feiertage erfunden oder Feiertage, die die Drusen mit den sunnitischen Muslimen gemeinsam hatten, umbenannt.105 Diese neuen Textbücher und Lehrpläne waren von schlechter Qualität, was eine Revidierung des Projekts nach sich zog. Mittlerweile werden auch in den drusischen Schulen wieder die Lehrpläne der arabischen Schulen gelehrt. Die einzige Abweichung besteht in der zusätzlichen Unterrichtung von drusischer Geschichte. Religion wird nicht unterrichtet, da dies die Geheimnisse der drusischen Religion offenlegen könnte.106 c) Chancengleichheit/Finanzierung Das zweite große Problem innerhalb des arabischen Bildungssystems ist die Unterfinanzierung des arabischen Bildungssektors im Vergleich zum jüdischen.107 Infolgedessen haben die Araber wesentlich geringere Chancen im Hinblick auf universitäre Ausbildung und Beschäftigung, was indirekt auch ihre Befähigung zur Weiterentwicklung der eigenen Kultur hemmt.108 Ungleiche Chancen für arabische Schüler und Absolventen sind vor allem auf Unterschiede im Bereich der Anwesenheitsraten, der Dauer der Schulbildung, der Größe der Klassen, der Unterrichtsstunden pro Schüler sowie der pro Schüler bereitgestellten finanziellen Mittel zurückzuführen.109 Schon in den Kindergärten und -krippen zeigt sich eine Diskrepanz. Während 89 % der dreijährigen und vierjährigen jüdischen Kinder einen Kindergarten besuchen, sind es nur 54 % beziehungsweise 59 % bei den arabischen. Immerhin hat 105

Firro (Anm. 102), S. 335 ff. Gespräch mit Ali Assadi, Leiter der Abteilung für arabische Bildung im Ministerium für Bildung, Kultur und Sport, am 19.03.2001. 107 Innerhalb dieses Systems bestehen auch immer noch gravierende Unterschiede zwischen Ashkenazi und Sepharadi (europäischen und orientalischen Juden); zur schwierigen Position der orientalischen Schüler vergleiche ausführlich Swirski (Anm. 50), S. 219 ff. 108 Vgl. für den engen Zusammenhang zwischen Entwicklung von Kultur und sozio-ökonomischen Rechten Capotorti (Anm. 23), S. 59, Rn. 337 ff. 109 Vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Art. 24, Rn. 788. 106

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sich die Anzahl arabischer Kindergartenkinder in den letzten Jahren fast verdoppelt.110 In arabischen Gemeinden wurde bis jetzt nur eine Hand voll staatlicher Vorschulen etabliert, was diese Altersgruppe völlig von privaten Kindergärten abhängig machte.111 Dieser Trend setzt sich bei den Anwesenheitsraten der Oberschüler und dem relativ hohen Prozentsatz an Schulabbrechern fort. Während 1995/96 von den 14- bis 17-Jährigen 99,8 % der jüdischen Schüler die Schule besuchten, waren es nur 72,2 % der arabischen.112 Bei den jüdischen Schülern brachen im Schuljahr 2000/2001 nur 6 % die Schule in den Klassen 9 bis 12 ab, bei den arabischen waren es unterdessen 12 %.113 In einer jüdischen Klasse lernten im Jahr 2000 im Durchschnitt 26 Schüler, in einer arabischen 30.114 Im Jahr 1999 absolvierten 53 % der 17-jährigen jüdischen Schüler im Vergleich zu 17 % der arabischen Jugend gleichen Alters das Abschlußexamen der Oberschule.115 Dieses Examen verschafft unter der Bedingung, daß das Ergebnis in bestimmten Fächern gewisse Anforderungen erfüllt, die Befähigung, an einer Hochschule zu studieren. Von den jüdischen Absolventen erfüllten 89,2 % diese Kriterien, von den arabisch-christlichen und muslimischen Studenten lediglich 69,8 %, von den arabisch-drusischen 67 % und von den arabischen Beduinen nur 47,5 %.116 Die staatlichen Schulen werden grundsätzlich durch zwei Quellen finanziert: Das Bildungsministerium finanziert durch die „Arabische Abteilung“ die Gehälter der Lehrer sowie spezielle Förderungsprogramme, während die Kommunen für die 110 Central Bureau of Statistics, Statistical Abstract of Israel 2002, Tabelle 8.10; Al-Haj, in: Iram/Schmida (Anm. 60), S. 91, 93. 111 Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), Equal Rights and Minority Rights for the Palestinian Arab Minority in Israel, A Report to the UN Human Rights Committee on Israel’s Implementation of Articles 26 & 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, Nazareth, July 1998, S. 58. 112 The State of Israel, Ministry of Education, Culture and Sport, Facts and Figures about Education and Culture in Israel, Jerusalem 1998, S. 82. 113 Central Bureau of Statistics, Statistical Abstract of Israel 2002, Tabelle 8.18. 114 Classes in the Educational System, Statistical Abstract of Israel 51 (2000), Tabelle 22.9, http://www.cbs.gov.il. 115 Von denjenigen Schülern, die die 12. Klasse erreichten, schafften 1999 sogar 67 % der arabischen gegenüber 60 % der jüdischen das Examen, während 1998 nur 24 % der Araber in der 12. Klasse gegenüber 57 der Juden das Examen bestanden. Vgl. Tabelle 1, Matriculation Certificates Obtained by Locality, 1997–1999, in: Shlomo Swirski, Students Passing Matriculation Exams in 1999, Adva Center, Tel Aviv, Mai 2000, http://www. adva.org. 116 Proportion of high school graduates with matriculation certificates who also meet minimal requirements for admission to university, by selected groups 1996–1999, in: Shlomo Swirski/Adva Center (Hrsg.), Students Passing Matriculation Exams in 1999, Tel Aviv, Mai 2000, http://www.adva.org.

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Unterhaltung und Ausstattung der Schulgebäude aufkommen.117 Da die arabischen Kommunen mit dem niedrigsten Steueraufkommen und Benachteiligungen beim Zugang zu kommunalen Förderungsprojekten zu den ärmsten in ganz Israel gehören, wirkt sich dies auch auf die Infrastruktur der Schulen aus.118 Eine Untersuchung im Jahre 1995 bestätigte die desolate Situation der Schulen. Danach mangelt es vor allem an angemessenen Unterrichtsräumen, Laboratorien und Bibliotheken. Die Untersuchung ergab, daß 8.434 neue Klassenräume bis zum Jahre 2000 benötigt werden.119 Besonders problematisch ist die Situation bei den Beduinen in der Negev. Dort gibt es in den meisten Dörfern keine Schulen, weil diese vom Staat als nicht anerkannte Siedlungen betrachtet werden. Die Schüler müssen deshalb extrem weite Schulwege zurücklegen, die sie oft zu Schulen bringen, deren Infrastruktur vielleicht gerade den Mindeststandards eines Dritte-Welt-Staates gerecht wird. Erst nach einer Beschwerde beim Supreme Court haben die zuständigen Behörden zugestimmt, diese Situation zu revidieren.120 Angesichts der langjährigen Vernachlässigung und Diskriminierung der Beduinen gehen nur 12 % der Kinder in eine Vorschule, die Abbruchrate bis zur 12. Klasse liegt bei 60 %.121 Besonders niedrig sind die Ausbildungsjahre für Mädchen, was zum Teil auf die patriarchalische Struktur der Beduinengesellschaft zurückzuführen ist. Aber auch die weiten Schulwege zwischen 6 und 50 km tragen zu diesem Ergebnis bei. Da es als anstößig erachtet wird, wenn sich Mädchen ohne Begleitung vom Dorf entfernen, wird es ihnen häufig nicht gestattet, eine relativ entfernte Schule zu besuchen oder ihre Bildung nach Beendigung der Grundschule fortzusetzen. Eine Studie von 1997 ergab, daß nur 45 % der schulfähigen Beduinenmädchen die Schule besuchen.122

117 Haim Gaziel, Politics and Policy-Making in Israel’s Education System, Brighton/ Portland, Oregon 1996, S. 97 f.; Gespräch mit Ali Assadi (Anm. 106). 118 Zur Kritik an der klaren Bevorteilung überwiegend jüdischer Kommunen bei der Verteilung von staatlichen Ressourcen siehe State Comptroller Report für 2000, Teil 2. 119 Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), (Anm. 111), S. 55. 120 HCJ, Abu Farich v. Bedouin Education Administration in the Negev, Takdin Elion 1998 (III), 459. 121 Vgl. HRA, The Arab Association for Human Rights/Fiona McKay, The Palestinian Arab Minority in Israel – Economic, Social and Cultural Rights, Report Presented to The UN CESCR Committee on Israel’s Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, Nazareth 1998, S. 95 f.; zu den politischen und rechtlichen Ursachen für die desolate Infrastruktur siehe auch, Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), (Anm. 111), S. 62 ff. 122 1999 waren 43 % der Frauen zwischen 15 und 65 Analphabeten und lediglich 4,5 % hatten einen Oberschulabschluß, Arab Association for Human Rights, Factsheet No. 5, Nazareth 2000, S. 2.

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Das Compulsory Education Law wird für Beduinen aus den geschilderten Gründen nur völlig unzureichend durchgesetzt.123 Eine besonders gravierende Ungleichbehandlung ist hinsichtlich der Bereitstellung von sogenannten Bereicherungsprogrammen festzustellen, welche Bildungslücken bei schwachen Schülern ausgleichen, Schulabbruch verhindern und eine Verbesserung des Notenspiegels erreichen sollen. Obwohl die arabischen Schüler neben einigen Neueinwanderern und sepharadischen Schülern zu den bedürftigsten in dieser Hinsicht zählen, wurden die 1970 etablierten Programme ihnen nicht angeboten.124 Erst nach einer Beschwerde beim Supreme Court 1997 hat das Bildungsministerium die Diskriminierung arabischer Schüler anerkannt und Schritte eingeleitet, arabischen Schülern über einen Zeitraum von mehreren Jahren 20 % des Budgets dieser Programme zur Verfügung zu stellen.125 Nach diesen Zugeständnissen des Ministeriums wies das Gericht die Beschwerde ab, ohne sich mit der Frage nach den tatsächlichen Bedürfnissen der fast 30 Jahre von diesen Programmen ausgeschlossenen Schüler auseinanderzusetzen.126 Ebenso verhält es sich mit Schulen für lernbehinderte Kinder, für die keine besonderen Einrichtungen mit arabischer Unterrichtssprache vorhanden sind.127 Ein weiteres Problem der arabischen Schulen ist der Mangel an qualifizierten, pädagogisch geschulten Lehrern. Da der Lehrerberuf eine der wenigen Möglichkeiten für arabische Akademiker bietet, eine adäquate Anstellung zu finden, enden viele arabische Akademiker ohne Kenntnisse in Psychologie und Pädagogik im Lehrerberuf.128 Das Bildungsministerium hat in den letzten Jahren versucht, insbesondere die strukturellen Mängel der arabischen Schulen durch ein Fünfjahresprogramm auszugleichen. Dieses Programm, welches über einen Zeitraum von fünf Jahren circa 70 Mill. EUR bereitstellen soll, verfolgt insbesondere das Ziel, die Erfolgsrate bei

123

Espanioly Hazzan/Mansur/Hawari, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel (Anm. 55), S. 33, 37 f. 124 Vgl. Aharon F. Kleinberger, Society, Schools and Progress in Israel, Oxford, London u. a. 1969, S. 311 f. 125 HCJ, Follow-Up Committee on Arab Education v. Ministry of Education, Culture and Sport, P.D. 54 III (2000), 233, 234, 237 f., für eine engl. Übersetzung siehe http://www. adalah.org, Stand v. 22.01.2001, Rn. 1, 6, 7. 126 Ebda.; zur Kritik des Urteils Samera Esmeir, On Legal Space, Political Forces and Social Justice, Adalah’s Review 2 (2000), S. 56 ff. 127 Vgl. Tamar Rotem, Special Education for Arab Children is only available in Hebew, Ha’aretz (engl.Ausg.) v. 16.07.2000, S. 4. 128 Espanioly/Mansur/Hawari, in: The Working Group on the Status of Palestinian Women in Israel (Anm. 55), S. 33, 36; Zarsur, in: Ackermann/Carmon/Zucker (Anm. 73), S. 174 f.

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den Abschlußexamina zu steigern und somit den Abstand zwischen arabischem und jüdischem Bildungssektor zu beseitigen.129 Es bleibt zweifelhaft, ob dieses Programm die erhebliche Diskrepanz zwischen jüdischen und arabischen Schulen langfristig und auf breiter Ebene eliminieren kann, ohne Budgetprinzipien, welche auf dem tatsächlichen Bedarf und proportionalen Schüleranteil basieren, dauerhaft mit einzubeziehen.130 d) Hochschulsystem Die ungleichen Chancen während der Schulausbildung spiegeln sich auch in der geringen Anzahl an arabischen Hochschulabsolventen wieder. Im Jahr 1998/99 waren lediglich 5,7 % der Graduierten des ersten Universitätsabschlusses Araber. Unter den Studenten, die einen zweiten Abschluß erhielten, befanden sich nur circa 2,4 % Araber.131 Dies ist ein sehr kleiner Prozentsatz, wenn man bedenkt, daß 22 % der 20- bis 24-jährigen Israelis arabische Bürger sind. In der Vergangenheit haben viele Araber versucht, wegen ihrer geringen Chancen, an einer Universität in Israel angenommen zu werden, im Ausland einen Abschluß zu erlangen.132 Oft ist ein Studium für Araber aber auch nicht attraktiv, weil ihre Chancen, später als Freiberufler oder Angestellter in Staat oder Industrie einen entsprechenden Job auszufüllen, wegen der immer noch herrschenden Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt wesentlich geringer sind.133 129 HCJ, Follow-Up Committee on Arab Education v. Ministry of Education, Culture and Sport, P.D. 54 III (2000), 233, 238, für eine engl. Übersetzung siehe http://www.adalah.org, Stand v. 22.01.2001, para. 7; vgl. zu den Nachteilen dieses Plans, welcher nur einer geringen Anzahl von Schüler helfen wird, Shlomo Swirski/Yaron Yeheskel, How the 2000 Israel State Budget Afects Arab Citizens, Education, Adva Center, http://www.adva.org, Tel Aviv 1999. 130 Shlomo Swirski/Yaron Yeheskel, How the 2001 Israel State Budget Effects Arab Citizens, Ministry of Education, Adva Center, http://www.adva.org, Tel Aviv Dezember 2000. 131 Diese Zahlen beziehen sich allgemein auf Nichtjuden, dadurch kann der Prozentsatz der Araber sogar noch etwas geringer sein, Statistical Abstract of Israel 51 (2000), Central Bureau of Statistics, Students in Universities by Degree, Field of Study, Sex, Age, Religion and Origin, Tabelle 22.34, http://www.cbs.gov.il. 132 Während nur 11,9 % der Studienbewerber Araber sind, betreffen 30,6 % der Ablehnungen diese Gruppe, vgl. Shlomo Swirski/Barabara Swirski, Higher Education in Israel, The Israel Equality Monitor 5 (1998), S. 1, 20, 21. Israelische Studenten werden auch hinsichtlich der Gewährung von Krediten von Studiengebühren und Wohnheimplätzen bevorzugt, wenn sie den Armeedienst geleistet haben. Dies würde jedoch nur dann eine diskriminierende Behandlung darstellen, wenn die arabischen Studenten, die diesen ebenfalls geleistet haben, wie die meisten Drusen, diese Vergünstigungen nicht bekommen würden. 133 Vgl. André Elias Mazawi, University Education, Credentialism and Social Stratification among Palestinian Arabs in Israel, Higher Education 29 (1995), S. 351–368, 362 f.; Swirski (Anm. 50), S. 220; Rouhana (Anm. 55), S. 88.

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Schließlich kommt auch die Möglichkeit der wenigen arabischen Studenten, ihre Identität zu bewahren und für die Weiterentwicklung ihrer Kultur und Sprache auch an den Hochschulen zu sorgen, zu kurz. So wurde erstmals 2003 eine Arabische Universität in Ibilin, in Galilea eröffnet, welche allen israelischen Studenten offen steht.134 Bisher mussten selbst Studenten der arabischen Literatur ihr Fach auf Hebräisch studieren.135 e) Völkerrechtliche Einschätzung des Bildungssystems Das Recht der arabisch-palästinensischen Minderheit, ihre Kultur gemäß Art. 27 ICCPR zu pflegen, ist insofern geschützt, als daß kaum mehr versucht wird, sie kulturell an die jüdische Mehrheit anzupassen. Im Bereich des Schulwesens zeigt sich dies vor allem durch getrennte arabische und hebräische Schulen. So ist für die Bewahrung der kulturellen Identität positiv zu bewerten, daß die arabische Sprache als Unterrichtssprache dient und ein so wesentlicher Träger von Kultur auf diese Weise bewahrt und entwickelt wird. Gleichzeitig sind jedoch andere Bereiche problematisch. Vor allem durch die Inhalte der Lehrpläne wurde in der Vergangenheit stark versucht, die arabische und palästinensische Identität zu verleugnen. Arabische Schüler sollten vorrangig zu Loyalität gegenüber dem jüdischen Staat erzogen werden. Diese Haltung ist zwar angesichts der menschenverachtenden Propaganda gegen Juden in den Lehrplänen der palästinensischen Autonomiebehörde erklärbar, kann jedoch keine Rechtfertigung für einen demokratischen Staat sein, die Identität einer ethnischen Gruppe zu verdrängen. Die arabische Identität wurde auch nicht zugunsten einer gemeinsamen zivilen und nicht-ethnischen israelischen Identität unterdrückt.136 Vielmehr wurde erwartet, daß die Araber in Israel eine zivile Identität ohne nationale Inhalte entwickeln. Zur gleichen Zeit haben die jüdischen Bürger eine ethnisch-religiöse Identität, welche mit der des Staates identisch ist, von der die Araber jedoch ausgeschlossen werden. Die für die Araber vorgesehene zivile Identität bleibt somit größtenteils eine leere Hülle. In den letzten beiden Jahrzehnten wurde zumindest die arabisch-kulturelle Identität anerkannt und auch in Teilbereichen in die Lehrpläne aufgenommen. Die palästinensische Identität, insbesondere die neuere palästinensische Geschichte, wird weiterhin aufgrund ihres heiklen Charakters ausgespart. Sie wirft unangeneh134 First Arab University Opens in Israel, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 22.10.2003, http:// www.haaretzdaily.com. 135 Vgl. Bernhard Spolsky/Elana Shohamy, The Languages of Israel: Policy, Ideology and Practice, Clevedon, Buffalo/Toronto/Sydney 1999, S. 144. 136 Zu dieser negativen Entwicklung nach den hoffnungsvollen Änderungen der RabinRegierung, Adalah, The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel, Legal Violations of Arab Minority Rights in Israel, Shfaram 1998, S. 96 ff.

A. Die Pflege des kulturellen Lebens

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me Fragen über das Existenzrecht Israels als jüdischer Staat in seiner jetzigen Form, ohne feste Grenzen und im Konflikt mit dem palästinensischen Volk und seinen Führern, auf. Die arabisch-palästinensische Minderheit hat jedoch das Recht, im Umfang des Art. 27 ICCPR auch ihre Geschichte zu erlernen und ihre Schriftsteller zu lesen. Ein wesentliches Ziel von Menschenrechtsverträgen ist es, im Bildungsbereich eine Balance zwischen Erziehung zu Respekt und Liebe zur eigenen Kultur und Identität sowie der Förderung von Verständnis, Toleranz und Freundschaft zu allen Völkern und Kulturen zu finden. Dabei ist die Unterrichtung von Menschenrechten und Erziehung gegen Rassismus insbesondere in Ländern mit Konfliktsituationen von elementarer Bedeutung.137 Diese Balance zwischen arabischer Kultur und palästinensischem Nationalgefühl auf der einen Seite und der Erziehung zu Toleranz und Verständnis für die jüdische Mehrheit auf der anderen Seite spiegelte sich bis jetzt nicht ausreichend in den arabischen Lehrplänen wieder. In den Lehrplänen der jüdischen Schulen kam hingegen die Kenntnis der Minderheitenkultur sowie die Erziehung zu Toleranz und Ablehnung von Rassismus zu kurz.138 Es bleibt abzuwarten, ob die im Jahr 2001 eingeführten Bildungsziele die Situation in dieser Hinsicht klar verbessern. 2. Andere Bereiche kulturellen Lebens Trotz des jüdischen Charakters des Staates Israel, welcher sich in den Staatssymbolen auf Flaggen, Briefmarken und staatlichen Feiertagen widerspiegelt139, steht es der arabischen Minderheit grundsätzlich frei, eigene kulturelle Institutionen wie Bibliotheken, Museen, Theater und Verlage auf privater Basis zu etablieren. Nach Angaben des Ministeriums für Bildung, Kultur und Sport, welches 1988 eine Abteilung für arabische Kultur einrichtete140, gibt es momentan sechs arabische Orchester, sechs Theater für Erwachsene und Kinder, 51 Büchereien im arabischen Sektor sowie 64 Tanzgruppen. Im Vergleich dazu befinden sich in ganz Israel 17 Orchester, 21 Theater, 1.050 Büchereien sowie 60 Tanzgruppen.141 Einige 137 Vgl. Art. 29 (1): The Aims of Education: .0802/2001. CRC General Comment 1. (General Comments), Rn. 4, 11, 16. 138 In einer Umfrage von 1998 wurde festgestellt, daß nur 32 % der jüdischen Schüler der Meinung waren, daß Araber gleiche Rechte in Israel erhalten sollen, 24 % knüpften diese Rechte an Dienst in der Armee, der Rest war der Meinung, daß Araber keine oder weniger Rechte als Juden haben sollten, Ha’aretz v. 20.01.1998. 139 LSI 1 (1948), 13 ff. 140 Die seit 1992 von einem Araber geleitet wird. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 881 ff. 141 The State of Israel, Ministry of Education, Culture and Sport, Facts and Figures about Education and Culture in Israel, Jerusalem 1998, S. 103 ff., 105, drusische Institutionen

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

Gesetze werden gleich für alle Bevölkerungsgruppen angewendet, wie das Public Library Law 1975142 und das Museum Law 1983143, welche Voraussetzungen für Eröffnung und Förderung bestimmen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang wieder die unterschiedliche Einstellung des Staates hinsichtlich der Förderung und der gesetzlichen Anerkennung arabischer Einrichtungen im Vergleich zu jüdisch kulturellen Institutionen. So wurde für die Weiterentwicklung und Förderung der hebräischen Sprache das High Institution for Hebrew Language Law 1953 verabschiedet. Ein ähnliches Gesetze existiert für die arabische Sprache nicht, obwohl diese nach Art. 82 der Palestine Order in Council als offizielle Sprache in Israel geführt wird.144 Im Mikve Israel Agricultural School Law 1976 wurden besondere jüdische Bildungsinstitutionen anerkannt und ihre kulturellen und erzieherischen Ziele formuliert.145 Ebenso verhält es sich mit dem National Authority for Yiddish Culture Law 1996 und dem National Authority for Ladino Culture Law 1996.146 Diese beiden Gesetze anerkennen besagte Sprachen und Kulturen und fördern ihre Weiterentwicklung und Verbreitung durch finanzielle Unterstützung künstlerischer und literarischer Arbeiten. Für arabische Institutionen existiert eine ähnliche Förderung auf gesetzlicher Grundlage leider nicht.147 Die Verteilung der Budgets zwischen jüdischer Mehrheit und arabischer Minderheit festzustellen, ist fast unmöglich, da keine vergleichenden Zahlen hinsichtlich der finanziellen Unterstützung für beide Bereiche existieren. Im Fall Music Festival in Abu Gosh v. The Ministry of Education versuchte eine kulturelle arabische Gruppe, sich um finanzielle Unterstützung für ein Musikfestival zu bewerben. Das Ministerium wies den Antrag mit der Begründung zurück, daß das Festival auch christliche Musik, somit überwiegend religiöse und keine kulturellen Elemente enthalte. Eine Beschwerde beim Supreme Court führte ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Mehrheit der Richter erklärte, daß das Ministerium nicht verpflichtet sei, christliche Musik zu unterstützen.148 In seiner abweichenden Meinung stellte werden in diesem Bericht getrennt behandelt. Es gibt zwei professionelle drusische Theater, vier Musikzentren, zwei Gesangsgruppen, fünf Tanzgruppen und eine Bücherei in jedem drusischen Dorf. Zur Kritik dieser erst kürzlich geschaffenen Institutionen im Rahmen der „Drusiierungpolitik“ der Regierung, Firro (Anm. 102), S. 236 ff. 142 LSI 29 (1974/75), 307. 143 LSI 37 (1982/83), 132. 144 Palestine Order in Council 1922, Sir Edward Drayton, Laws of Palestine III (1933), Rules, Orders, Acts, S. 2569 ff.; im folgenden POC. 145 LSI 30 (1975/76), 219. 146 Sefer HaChukkim 1996, 182 und 185; Ladino-Kultur meint jüdisch-spanische (sepharadische) Kultur. 147 Vgl. Adalah, The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel (Anm. 136), S. 65. 148 Richter Kister, Music Festival in Abu Gosh v. The Ministry of Education P.D. 25 II (1971), 821, IYHR 2 (1972), S. 336 ff.

A. Die Pflege des kulturellen Lebens

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Richter Cohn J. dazu fest, daß der Inhalt des Musikfestivals kein Kriterium für eine Entscheidung über die Finanzierung sei, sondern vielmehr künstlerische Qualität, Art und Umfang der Bedürftigkeit der Institution, die Lokalität der Veranstaltung und vor allem das öffentliche Interesse im Vergleich zu anderen kulturellen Prioritäten. Aus diesem Grunde sollte seiner Meinung nach die Bewerbung erneut geprüft werden.149 3. Beduinen Eine Gruppe innerhalb der arabischen Minderheit ist besonders gefährdet, ihr kulturelles Erbe zu verlieren. Wie bereits erörtert, sind die Beduinen abgesehen von ihren indigenen Merkmalen aufgrund ihrer besonderen Lebensweise auch als kulturelle Minderheit zu behandeln und genießen deshalb den Schutz der Minderheitenangehörigen unter Art. 27 ICCPR sowie unter den anderen völkerrechtlichen Bestimmungen. Ungefähr 110.000 der Beduinen leben in Siedlungen in der Negevwüste, 50.000 von ihnen in nicht anerkannten Siedlungen.150 Der größte Streitpunkt zwischen Staat und Beduinen ist der Anspruch auf Land in der Negev. Das Interesse des israelischen Staates ist darauf ausgerichtet, die Landressourcen der Negev soweit wie möglich in staatliche Hände zu bringen.151 Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen wird die Wüste als Landressource für kommende jüdische Generationen angesehen, da der Rest Israels zu einem großen Teil schon äußerst dicht besiedelt ist. Weite Gebiete der Negev werden außerdem als wichtiges militärisches Trainingsgebiet von der israelischen Armee genutzt und werden angesichts mangelnder Friedensverträge mit den arabischen Staaten auch in der Zukunft als essentiell für Israels Existenz betrachtet. Diese Interessenlage kollidiert mit den Interessen der Beduinen, in kleinen, nicht-konzentrierten Siedlungen in der Wüste zu leben und ihre Herden je nach Bedarf in verschiedenen Gebieten zu weiden. Seit der Staatsgründung hat Israel durch verschiedene Projekte und Gesetze versucht, den Lebensraum der Beduinen auf so wenig Land wie möglich zu reduzieren und einen Großteil dieser Bevölkerung in sieben eigens für sie geschaffenen Städten anzusiedeln.152 Diese Politik ging völlig an den Realitäten und Bedürfnis149

Ebda., S. 336, 339. Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), Equal Rights and Minority Rights for the Palestinian Arab Minority in Israel (Anm. 111), S. 62 f. 151 Usama Halabi, Israeli Law as a Tool of Confiscation, Planning, and Settlement Policy, Adalah’s Review 2 (2000), S. 7, 8. 152 Ronen Shamir, Suspended in Space: Bedouins under the Law of Israel, Law and Society Review 30 (1996), S. 231, 232; Ismael Abu-Saad/Yossi Yonah/Avi Kaplan, Identity and Political Stability in an Ethnical Diverse State: A Study of Beduine Arab Youth in Israel, Social Identities 6/1 (2000), S. 49, 53 ff. 150

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

sen dieser Kultur vorbei und endete entsprechend oft in humanitär katastrophalen Lebensbedingungen für die Beduinen, was sich wiederum in hohen Geburtenraten, niedriger Bildung und teilweise höheren Kriminalitätsraten niederschlägt und somit die Entfremdung zwischen Staat und Beduinen vergrößert.153 Die Zwangsauferlegung eines städtischen Lebens und die Nichtanerkennung des ländlichen Lebensstils der Beduinen wurde durch eine Reihe verschiedener Gesetze ermöglicht. Zu Beginn des Staates wurden die zwölf Beduinenstämme aus Sicherheitsgründen in einer sogenannten geschlossenen Zone konzentriert und somit von ihrem ursprünglich bewohnten Land getrennt.154 In dieser Zeit, 1953, wurde das Land Acquisition Law erlassen, welches in Art. 87 vorsah, daß Land, welches im April 1958 von seinen Eigentümern nicht bewohnt war, zu Staatsland wird.155 Dieser Zeitraum entsprach der Zwangsumsiedlung der Beduinen in geschlossene Zonen. Die einzige Möglichkeit, die Registrierung ihres Landes als Staatsland zu verhindern, wurde 1969 durch die Israeli Land (Settlement of Title) Ordinance 1972156 eröffnet, welche gemäß Art. 87 einen Einspruch gegen die Registrierung innerhalb einer gewissen Frist vorsah.157 Die Beduinen wurden von diesem Gesetz jedoch nicht rechtzeitig benachrichtigt, was israelische Gerichte später damit rechtfertigten, daß auf den entsprechenden Ländereien niemand zwecks Benachrichtigung angetroffen wurde. Aufgrund der vorher erfolgten Zwangsumsiedlung konnten aber auf dem umstrittenen Land keine Beduinen zwecks Benachrichtigung angetroffen werden. Der Zwangsaufenthalt der Beduinen in geschlossenen Zonen wurde von den Gerichten dabei nicht berücksichtigt. Auf diese Weise drehte man sich die Tatbestandsvoraussetzungen der Land (Settlement of Title) Ordinance entsprechend zurecht, so daß der Staat Eigentümer des Gebietes wurde.158 Nach Ende der Militärherrschaft versprach der israelische Staat den Beduinen, eine Lösung zu finden und bot ihnen an, auf Teile ihres alten Landes als Pächter zurückzukehren. Dies hätte freilich eine Aufgabe ihrer Eigentumsansprüche bedeutet. Folge dieser „Rechtslage“ ist es, daß ein großer Teil der Beduinen sich illegal auf dem Land in der Negev aufhält. Die dort von den Beduinen gebauten Siedlungen sind somit unrechtmäßig, da sie nicht nach dem Planning and Construction Law 1965 in staatlichen Bebauungsplänen eingetragen sind. Jede Art der Bebau153

ACRI, ICCPR-Report (Anm. 90), S. 177 f. Vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 853; Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), Equal Rights and Minority Rights for the Palestinian Arab Minority in Israel (Anm. 111) S. 63. 155 LSI 7 (1952/53), 43. 156 LSI 2 (1972), 41 (New Version-Ordinances). 157 Sefer HaChukkim 58, 293. 158 Abu-Solb v. Israeli Land Authority, Civil Appeal, P.D. 42 IV (1986), 518, 521; vgl. dazu auch Shamir (Anm. 152), Law and Society Review 30 (1996), 231, 244 f. 154

B. Sprache

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ung, eingeschlossen der Reparatur von bestehenden Bauten, ist verboten. Die Einwohner leben unter der ständigen Bedrohung des Abriß. Nach Art. 157 A des Planning and Construction Law dürfen nicht anerkannte Siedlungen weder an Wasser noch Elektrizität angeschlossen werden. Während für jüdische Bürger auch kleinere landwirtschaftliche Siedlungen in der Negev geplant und gebaut wurden, ist dies den Beduinen bis jetzt verweigert worden, obwohl dieser Lebensstil ihrer Kultur entspricht.159 Erst kürzlich wurde durch eine Nichtregierungsorganisation versucht, diese Situation durch das Erarbeiten eines alternativen Bebauungsplans zu revidieren. Dieser sieht die Anerkennung eines Teils der Beduinensiedlungen als Dörfer vor und ist mittlerweile von der staatlichen Planungsbehörde angenommen worden.160 Die dargestellte rechtliche und politische Behandlung der Beduinen verstößt massiv gegen ihre Rechte aus Art. 27 ICCPR, der so ausgelegt werden muß, daß „the right … to enjoy a particular culture may consist in a particular way of life which is closely associated with territory and use of its resources. This may particularly be true of members of indigenous communities constituting a minority.“161 Großflächige Enteignungen verstoßen somit gegen Art. 27 ICCPR, insofern Minderheiten eine besondere Beziehung zum Land haben.162 Das bedeutet nicht, daß sämtliche Gebiete, auf denen die Beduinen jemals ihre Herden geweidet haben, zurückgegeben werden müssen. Ein Staat kann aus wichtigen öffentlichen Interessen Land in proportional angemessenem Umfang enteignen. Die Enteignung ohne angemessene Entschädigung und der Ausschluß der Beduinensiedlungen aus Bebauungsplänen stellen jedoch erhebliche Rechtsverletzungen dar.

B. Sprache Die wohl umfassendste Identität der Araber in Israel ist ihre Verbindung über die arabische Sprache. Sie ermöglicht erst soziales Leben und ist entscheidender Träger der gemeinsamen Kultur der Araber in Israel. Die Sprache spielt außerdem für Muslime, Drusen und auch für arabische Christen eine entscheidende Rolle für die Überlieferung und das Praktizieren ihrer Religion. Außerdem garantiert sie eine starke Verbindung zu den arabischen Ländern in der Region. 159

Aref Abu-Rabia, The Negev Bedouin and Livestock Rearing, Oxford 1994, S. 2 ff. Regional Council for Unrecognised Arab Villages/Jewish-Arab Center for Economical Development, Plan for the Development of Municipal Administration to the Unrecognised Arab Bedouin Villages in the Negev, Herzlya 2000, S. 5 ff. 161 General Comment No. 23 (50) zu Art. 27, Rn. 3.2, 1314th Meeting of the Committee, 6.4.1994, UN Doc. CCPRC/21/Rev.Add.5, Rn. 3.2. 162 Communication No. 167/184, Rn. 33. 160

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

I. Völkerrechtliche Grundlagen Während die Meinungsfreiheit schon früh im UN-System eine wichtige Rolle einnahm, wurde das Recht, sich der eigenen Sprache zu bedienen, lange Zeit wenig beachtet. Besonders im letzten Jahrzehnt hat diese Rechtslage Veränderungen erfahren. Die Existenz einer Sprache wird allgemein dann angenommen, wenn eine sprachliche Geschichte vorhanden ist, Literatur, umfangreiches Vokabular sowie ein grammatikalisches System.163 Dialekte sind von dieser Definition ausgeschlossen.164 1. Rechtsquellen Schutzvorschriften für Minderheitensprachen im Rahmen der Vereinten Nationen waren anfänglich hauptsächlich vom Nichtdiskriminierungsgedanken geprägt. So sieht Art. 2 Abs. 1 der UDHR vor, daß jeder Mensch die Rechte der Deklaration genießt „ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache“. Diese Vorschrift wird allgemein als Deklaration bestehenden Völkergewohnheitsrechts angesehen und entspricht den in Art. 1 Abs. 2 der UN Charta niedergelegten, bindenden Zielen der Vereinten Nationen.165 Vergleichbare Vorschriften finden sich in Art. 2 Abs. 2 des ICESCR sowie in Art. 2 Abs. 1 des ICCPR. Trotz einiger Vorschläge des Menschenrechtsausschusses, ein über das Diskriminierungsverbot hinaus gehendes Sprachenrecht zu gewähren166, wurde erst 1966 in Art. 27 ICCPR Minderheitenangehörigen das Recht zugestanden, „gemeinsam 163

Travaux préparatoires des ICCPR. Zur Problematik, ob Dialekte ebenfalls im Sinne von Sprache geschützt sind, vgl. Mala Tabory, Language Rights as Human Rights, IYHR 10 (1980), S. 167, 188 ff., die sich für eine Differenzierung an Hand linguistischer Kriterien ausspricht; Manfred Nowak, The UN Covenant on Civil an Political Rights, ICCPR-Commentary, Kehl/Sraßburg/Arlington 1989, S. 491, Rn. 22; so auch Art. 1 a ii der European Charta for Regional or Minority Languages, European Treaty Series 148, i. f. Europäische Sprachencharta; Heinz Kloss, Grundfragen der Ethnopolitik im 20. Jahrhundert: Die Sprachgemeinschaft zwischen Recht und Gewalt, Wien 1969, S. 74–77; Riccardo Petrella, Languages et Société, Europ.YB 24 (1976), S. 72, 82, 94, der den Unterschied zwischen Sprache und Dialekt als Relikt zwischen Sieger und Besiegtem betrachtet, wobei der Eroberer sein Idiom den Besiegten aufdrängt. 165 Art. 1 Abs. 3 UNC: „… eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen“. 166 „… persons belonging to racial, linguistic and religious minorities shall have the right as far as compatible with public order to establish and maintain their schools and cultural or religious institutions and to use their language in the press, in public assembly and before the courts and other authorities.“ UNYB on Human Rights for 1947, S. 499, 503. 164

B. Sprache

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mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe … sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.“ Dieses Recht wurde auch durch die UN Minderheitendeklaration 1992 bestätigt und genauer bestimmt.167 Das Recht, die Minderheitensprache zu erlernen, findet sich in Art. 5 Abs. 1 lit. c der UNESCO Convention sowie in Art. 29 Abs. 1 lit. c der Kinderkonvention.168 Der Bedeutung von Sprachenrechten für Minderheiten ist besonders im europäischen Raum durch eine Reihe neuer Instrumente Rechnung getragen worden. Dabei lassen sich oft Anlehnungen an das Minderheitenvertragssystem des Völkerbunds feststellen, welches detaillierte Regelungen hinsichtlich Schulen für Minderheiten sowie dem Gebrauch der Minderheitensprache vor staatlichen Einrichtungen kannte.169 So finden sich in der Europäischen Rahmenkonvention und insbesondere der Europäischen Sprachencharta umfangreiche und detaillierte Bestimmungen für den privaten und öffentlichen Gebrauch von Minderheitensprachen.170 Auch innerhalb der OSZE wurden Sprachenrechte für Minderheitenangehörige verstärkt durch das Dokument von Kopenhagen 1990 und durch die Oslo-Empfehlungen über die Sprachenrechte von nationalen Minderheiten 1998 mit einbezogen.171 2. Rechtsinhalte und Rechtscharakter Für eine Untersuchung der Rechtsinhalte auf universal-völkerrechtlicher Ebene ist wieder als Ausgangspunkt Art. 27 ICCPR heranzuziehen, der jedoch durch seinen allgemein gehaltenen Wortlaut wenig Aufschluß darüber gibt, wie weit das Recht für Minderheitenangehörige, sich ihrer Sprache zu bedienen, reicht. Dabei sind vier Teilbereiche zu unterscheiden: der öffentliche und private Gebrauch der 167 Art. 2 Abs. 1: „and to use their own language, in private and in public, freely without any interference or any form of discrimination.“ 168 Art. 29 Abs. 1 lit. C Kinderkonvention: „Die Vertragsstaaten stimmen darin überein, daß die Bildung des Kindes darauf gerichtet sein muß, dem Kind Achtung vor … seiner kulturellen Identität, seiner Sprache und seinen kulturellen Werten, den nationalen Werten des Landes, in dem es lebt, und gegebenenfalls des Landes aus dem es stammt … zu vermitteln“. Art. 5 Abs. 1 lit. c UNESCO Convention: „It is essential to recognize the right of members of national minorities to carry on their own educational activities, … the use or teaching of their own language“. 169 Vgl. bei Tabory (Anm. 164), IYHR 10 (1980), S. 167, 168 ff. 170 Im Rahmen des Europarats stehen diese Instrumente auch Nichtmitgliedern zum Beitritt frei. 171 Vgl. besonders Prinzipien 25.4, 32, 32.1, 34 des Copenhagen Document on the Human Dimension v. 05.06.–29.07.1990, OSCE, http://www.osce.org/docs/english/19901999/hd/cope90e.htm; The Oslo Recommendations Regarding the Linguistic Rights of National Minorities & Explanatory Note, February 1998, http://www.osce.org/hcnm/ documents/oslo/osleng.html., im folgenden Oslo-Empfehlungen; Asbjorn Eide, The Oslo Recommendations Regarding the Linguistic Rights of National Minorities: An Overview, IJMGR 6 (1999), S. 319 ff.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

Minderheitensprache, Möglichkeiten zum Erlernen der Minderheitensprache172, Verbreitung der Minderheitensprache durch die Medien und der Gebrauch der Minderheitensprache vor öffentlichen Institutionen. a) Privater und öffentlicher Gebrauch Aus der negativen Formulierung „… darf Angehörigen nicht das Recht vorenthalten werden … gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe … sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen“, folgt zunächst, daß Minderheitenangehörige ein Recht darauf haben, daß der Staat ihnen nicht verbietet, privat oder in der Öffentlichkeit mit anderen Mitgliedern ihre Sprache mündlich oder schriftlich zu benutzen. Wäre nur der mündliche Gebrauch gemeint gewesen, hätte man anstatt der Formulierung „sich bedienen“ den Begriff „sprechen“ in den Wortlaut aufnehmen können. Die Schriftsprache ist insbesondere auch aus Sinn- und Zweck-Erwägungen einzubeziehen, da der zukünftige Gebrauch einer Sprache nicht gesichert ist, wenn diese nicht durch Schriftzeichen festgehalten und deren Stilistik und Grammatik weiterentwickelt wird.173 Der gemeinsame Gebrauch der Sprache schließt selbstverständlich deren Benutzung zu religiösen, liturgischen und kulturellen Zwecken sowie den Gebrauch in jeder Institution oder Vereinigung der Minderheit und im Wirtschaftsleben ein.174 Ein weiterer wichtiger Bereich ist in diesem Zusammenhang die Namengebung. Vornamen und Familiennamen sind von außergewöhnlicher Bedeutung für die Identität eines Menschen, da er von anderen Menschen durch sie adressiert wird, und der Name auch Zeichen seiner familiären Geschichte ist.175 Der Wortlaut „sich bedienen“ schließt auch die Annahme und das Geben eines Namens durch Minderheitenangehörige nicht aus.176 Trotz der negativen Formulierung des Wortlauts muß auch die Registrierung des Namens in der Minderheitensprache durch den Staat als erfaßt betrachtet werden, da der Sinn und Zweck des Art. 27 ICCPR, 172 Vgl. zur Entwicklung der Sprache und dem Fortbestand sprachlicher Identität, Kapitel 5, A. I. 2. b) und c), A. II. 1. b) (2). 173 Fernand de Varennes, Languages, Minorities and Human Rights, The Hague/Boston/ London 1996, S. 163; Niewerth (Anm. 15), S. 143 f. 174 Vgl. „The observance and practice of religion may include … the use of a particular language customarily spoken by a group …“, General Comment 22 (48) on Article 18/Freedom of Thought v. 20.07.1993, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.4, HRLJ 15 (1994), S. 233, Rn. 4; vgl. auch Capotorti (Anm. 23), S. 76, Rn. 436 ff. 175 Charles Taylor, Human Agency and Language-Philosophical Papers I, Cambridge 1985, S. 237. 176 Dieses Recht ist in einigen Staaten erheblich mißachtet worden, wie beispielsweise in Bulgarien, wo man versuchte, die Namen der türkischen Minderheit in bulgarische Namen zu ändern, John Packer/Kristian Myntti, The Protection of Ethnic and Lingusitic Minorities in Europe, Abo 1993, S. 71 f.

B. Sprache

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sprachliche Assimilierung zu verhindern, sonst gefährdet wäre.177 Problematischer ist die Namengebung in der Minderheitensprache für Orte, soweit dies den Bereich staatlicher Aufgaben und Funktionen betrifft und nicht lediglich gemeinschaftliche Zwecke der Minderheit.178 Ein Recht auf öffentliche Ortsschilder179 in der Minderheitensprache ist daher auf universal-völkerrechtlicher Ebene noch nicht entstanden. Der Trend geht aber dahin, in Regionen, in denen Minderheitenangehörige zahlreich angesiedelt sind, die Toponomie auch in der Minderheitensprache zu schreiben. Dies wird in vielen neueren Verträgen im europäischen Völkerrechtsraum sowie durch eine sich verbreitende Staatenpraxis deutlich.180 Abschließend stellt sich die Frage nach dem Gebrauch der Minderheitensprache im Wirtschaftsleben des Staates, wenn auch Angehörige der Mehrheit beteiligt sind. Der Wortlaut des Art. 27 ICCPR „gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe … sich der eigenen Sprache zu bedienen“ könnte dafür sprechen, daß im Wirtschaftsverkehr, der auch die Mehrheitsbevölkerung betrifft, dieses Recht nicht ohne weiteres gilt. Eine solche Auslegung würde jedoch den Bestimmungen zur Meinungsfreiheit in Art. 19 Abs. 2 ICCPR widersprechen, welche auch das Mittel der Kommunikation, nicht nur deren Inhalte schützen. Die Systematik zu anderen Normen macht somit deutlich, daß Art. 27 in diesem Bereich nicht restriktiv zu verstehen ist.181 Ungeachtet dessen kann der Staat jedoch verlangen, daß im Wirtschaftsverkehr zusätzlich die offizielle Sprache, beziehungsweise alle offiziellen Sprachen angewandt werden. Dies folgt aus den Rechten Dritter, welche insbesondere in den Bereichen Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Verbraucherschutz, Arbeitnehmer-Arbeitgeberbeziehungen, Besteuerung und Buchhaltung nicht benachteiligt werden dürfen.182 177 Eine Registrierung in der jeweiligen Schriftsprache kann jedoch nur verlangt werden, wenn die Praktikabilität gewahrt und die Kosten hierfür proportional sind. 178 Vgl. Tabory (Anm. 164), IYHR 10 (1980), S. 167, 182 f. 179 Private Schilder müssen aber gestattet sein. 180 de Varennes weist darauf hin, daß ein völliges Ignorieren der Toponomie in der Minderheitensprache zumindest in Gegenden, welche überwiegend durch die Minderheit besiedelt sind, Diskriminierung darstellen könnte (Anm. 173), S. 162; Ansätze eines Rechts in Art. 11 Abs. 3 des Rahmenübereinkommens; Art. 10 Abs. 2 lit. g der Europäischen Sprachencharta; Entwürfe für ein Zusatzprotokoll zur EMRK, Art. 6 Abs. 7 (Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen), Art. 6 Abs. 4 (Parlamentarische Versammlung des Europarats), zit. in: Christoph Pan/Beate Sibille Pfeil, Die Volksgruppen in Europa, Wien 2000, S. 263 ff. 181 So auch Prinzip 12 der Oslo-Empfehlungen (Anm. 171): „All persons, including persons belonging to national minorities, have the right to operate private enterprises in the language or languages of their choice. The State may require the additional use of the official language or languages of the State only where a legitimate public interest can be demonstrated, such as interests relating to the protection of workers or consumers, or in dealings between the enterprise and governmental authorities.“ 182 Kommentar zu den Oslo-Empfehlungen, Rn. 12 (Anm. 171); vgl. auch Art. 13 der Sprachencharta, der unter anderem eine Verpflichtung enthält, gesetzliche Verbote bezüg-

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

b) Medien Artikel 27 ICCPR schützt auch die Herstellung und Veröffentlichung von privaten Medien und Publikationen in der Minderheitensprache. Ein staatliches Verbot, private Radio- oder Fersehsender sowie Zeitungen in der Minderheitensprache zu etablieren, würde den Angehörigen das Recht, sich ihrer Sprache zu bedienen, verweigern und somit gegen Art. 27 ICCPR verstoßen.183 Dies ist im Hinblick auf die Printmedien auch relativ leicht zu gewährleisten, wenn sie nur den allgemeinen Pressegesetzen des Staates unterliegen. Etwas problematischer sind Radio und Fernsehen, da der Staat die Frequenzen als öffentliche Ressourcen kontrolliert und die Betreiber eines Senders für ihre Benutzung eine entsprechende Lizenz benötigen. Fraglich ist, ob Art. 27 ICCPR in diesem Sinne auch ein Recht gewährt, solche Frequenzen vom Staat für die Ausstrahlung in der Minderheitensprache zu erlangen. Teilweise wird dies aufgrund der negativen Formulierung des Art. 27 ICCPR abgelehnt.184 Die grundsätzliche Verweigerung von Sendelizenzen für die Ausstrahlung in der Minderheitensprache würde jedoch eine verbotene Diskriminierung aufgrund der Sprache im Sinne des Art. 26 ICCPR darstellen.185 Die Nichtdiskriminierung von Minderheiten hinsichtlich des Zugangs zu Frequenzen wird auch in Art. 9 des Rahmenübereinkommens186, in Art. 11 der Europäischen Sprachencharta187 sowie in den Prinzipien 8 bis 11 der Oslo-Empfehlungen für die sprachlichen Rechte von Minderheiten betont.188 Daraus läßt sich zwar nicht schließen, daß der Staat verpflichtet ist, Minderheiten Frequenzen für private Sender bereitzustellen. Falls er ihnen keine Frequenz zuteilt, muß er dann aber dafür Sorge tragen, daß in den staatlichen Sendern auch Programme in der lich des Gebrauchs der Minderheitensprache im wirtschaftlichen und sozialen Leben abzuschaffen. 183 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 43), S. 949, 972; Capotorti (Anm. 23), S. 82, Rn. 480 ff. 184 Nowak schließt lediglich Printmedien in den Schutzbereich ein, ICCPR-Commentary (Anm. 164), S. 501, Rn. 41. 185 de Varennes (Anm. 173), S. 164. 186 Art. 9 Abs. 1 S. 2: „Die Vertragsparteien stellen im Rahmen ihrer Rechtsordnung sicher, daß Angehörige einer nationalen Minderheit in bezug auf ihren Zugang zu den Medien nicht diskriminiert werden.“ Art. 9 Abs. 3: „Die Vertragsparteien hindern Angehörige nationaler Minderheiten nicht daran, Printmedien zu schaffen und zu nutzen. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens für Hörfunk und Fernsehen stellen sie soweit wie möglich und unter Berücksichtigung des Absatzes 1 sicher, daß Angehörigen nationaler Minderheiten die Möglichkeit gewährt wird, eigene Medien zu schaffen und zu nutzen.“ 187 Art. 11 enthält unter anderem eine Auswahl an Maßnahmen, Minderheiten zu gestatten, eigene Sender zu etablieren oder die regelmäßige Ausstrahlung von Programmen in der Minderheitensprache zu sichern, ETS 148. 188 Vgl. Council of Europe, The Oslo Recommendations Regarding the Linguistic Rights of National Minorities & Explanatory Note (Anm. 171).

B. Sprache

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Minderheitensprache ausgestrahlt werden. In letzterem Fall ist dann fraglich, inwieweit Minderheitenangehörigen ein Einfluß auf die Gestaltung der Programme zu gewähren ist. Einen Hinweis könnte auch hier Art. 2 Abs. 2 und 3 der Minderheitendeklaration 1992 geben, welcher eine effektive Beteiligung der Minderheitenangehörigen am kulturellen Leben sowie an sie betreffende Entscheidungsprozesse vorsieht.189 Die Ausstrahlung in der Minderheitensprache allein, ohne Inhalte, die ihre Identität widerspiegeln und ihre Belange ansprechen, würde das Recht, sich der eigenen Sprache zu bedienen, sinnentleeren und widerspräche damit dem Sinn und Zweck des Art. 27 ICCPR, die Minderheitenidentität zu schützen. Dieser Trend wird auch deutlich in den Oslo-Empfehlungen für Sprachenrechte nationaler Minderheiten.190 Ein Einfluß auf die Inhalte der Ausstrahlung ist um so entscheidender, wenn die sprachliche Minderheit zugleich eine nationale, ethnische oder kulturelle Minderheit ist, deren Sprache als entscheidender Träger der weiteren Identitätsmerkmale dient. c) Gebrauch vor staatlichen Institutionen Ein weiterer wichtiger Aspekt der Minderheitensprache ist ihr Gebrauch vor Gerichten und Verwaltungsbehörden. Während dieses Recht im Völkerbundsystem einen wesentlichen Bestandteil der Rechte nationaler Minderheiten ausmachte, ist es zweifelhaft, ob der grundsätzlich negativ formulierte Art. 27 ICCPR ein solches Recht gewährt.191 Die Benutzung der Minderheitensprache vor Gerichten und staatlichen Behörden ist mit einem enormen Aufwand an Übersetzern, Dolmetschern und zusätzlichen Schriftstücken verbunden. Dieser Aufwand wäre zu rechtfertigen, wenn ohne ihn der Bestand der sprachlichen Identität gefährdet wäre. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß der Bestand der Sprache oder ihre Weiterentwicklung gerade von ihrem Gebrauch vor gerichtlichen Institutionen abhängt. 189 Art. 2 Abs. 2: „Persons belonging to minorities have the right to participate effectively in cultural, religious, social, economic and public life.“ Art. 2 Abs. 3: „Persons belonging to minorities have the right to participate effectively in decisions on the national and, where appropriate, on the regional level concerning the minority to which they belong or the regions in which they live, in a matter not incompatible with national legislation.“ 190 Prinzip 10: „The independent nature of the programming of public and private media in the language(s) of national minorities shall be safeguarded. Public media editorial boards overseeing the content and orientation of programming should be independent and should include persons belonging to national minorities serving in their independent capacity.“ 191 Dagegen Erika-Irene A. Daes, Protection of Minorities Under the International Bill of Human Rights and the Genocide Convention, in: Festschrift für Pan. J. Zepos, Band 2, Athen/Freiburg/Köln 1973, S. 35, 63; Nowak, ICCPR-Commentary (Anm. 164), S. 501, Rn. 41; für den Gebrauch der Minderheitensprache Sohn, in: Henkin (Anm. 43), S. 270, 284.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

Einen Anspruch auf positive Förderung durch den Staat in diesem Bereich ergibt sich vielmehr aus dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz des Art. 26 ICCPR, nach dem Minderheitenangehörige nicht aufgrund ihrer Sprachfähigkeiten ungleich vor Verwaltungsbehörden und Gerichten behandelt werden dürfen. In Fällen, in denen das Ergebnis eines Verwaltungsprozesses oder Gerichtsurteils negativ beeinflußt werden könnte, weil der Beteiligte die Sprache nicht oder nicht ausreichend versteht und entsprechend nicht kommunizieren kann, muß adäquate Übersetzung auf Kosten des Staates gewährleistet sein.192 Dieses Prinzip ist in Art. 14 Abs. 1 lit. f ICCPR für Angeklagte im Strafverfahren193 ausdrücklich verankert und gilt auch für das Zivilverfahren nach dem Grundsatz des „fair trial“ nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 ICCPR.194 In den neueren europäischen Instrumenten sowie im Rahmen der OSZE wurde dieser Problematik durch explizite Bestimmungen Rechnung getragen.195 d) Rechtscharakter Verschiedentlich wird argumentiert, das Recht sich seiner Sprache zu bedienen, sei von seinem Charakter her ein kollektives Recht, da es nur für ein Kollektiv, nicht jedoch für einen einzelnen bestehen könnte. So sei beispielsweise der Anspruch auf Erlernen der Minderheitensprache nur gegeben, wenn eine substanzielle Anzahl an Schülern die Unterrichtung in dieser Sprache wünsche. Außerdem setze Kommunikation immer mehr als ein Individuum voraus. Das Überleben einer Sprache durch einen einzelnen sei daher schlicht unmöglich.196 Diese Argumentation, 192 Vgl. de Varennes (Anm. 173), S. 181 ff.; Entwürfe für ein Zusatzprotokoll zur EMRK, Art. 6 Abs. 5 (Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen), Art. 6 Abs. 3 (Parlamentarische Versammlung des Europarats), Anm. 180. 193 So auch Art. 6 Abs. 2 lit.e EMRK und Art. 10 Abs. 3 des Rahmenübereinkommens. 194 Vgl. Tomuschat, in: FS Mosler (Anm. 43), S. 949, 974, der dafür das Beispiel von Landenteignungsverfahren anführt, bei denen indigene Völker dem Prozeß aufgrund von Sprachschwierigkeiten nicht folgen konnten. 195 Art. 10 Abs. 2 Rahmenübereinkommen: „In Gebieten, die von Angehörigen nationaler Minderheiten traditionell oder in beträchtlicher Zahl bewohnt werden, bemühen sich die Vertragsparteien, sofern die Angehörigen der Minderheit dies verlangen und dieses Anliegen einem tatsächlichen Bedarf entspricht, soweit wie möglich die Voraussetzungen dafür sicher zu stellen, daß im Verkehr zwischen den Angehörigen dieser Minderheiten und den Verwaltungsbehörden die Minderheitensprache gebraucht werden kann.“ Art. 9 der Sprachencharta gewährt wahlweise das Recht auf Benutzung der Minderheitensprache in Straf- und Zivilverfahren oder das kostenlose Dolmetschen; Art. 10 sieht den Gebrauch der Minderheitensprache in Regionen vor, in denen ein tatsächlicher Bedarf besteht; Prinzipien 13–15 und 17–19 der Oslo-Empfehlungen sehen ebenfalls grundsätzlich den Gebrauch in Strafverfahren vor, in zivil- und verwaltungsrechtlichen Verfahren dann, wenn in bestimmten Regionen ein Bedürfnis besteht. 196 Vgl. Dinstein (Anm. 19), IYHR 9 (1979), S. 58, 71; Tabory (Anm. 164), IYHR 10 (1980), S. 167, 214 f.

B. Sprache

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welche darauf hinweist, daß die Ausübung von Sprachenrechten nur in der Gemeinschaft Sinn macht, liefert jedoch noch keine Begründung für einen Ausschluß der Rechtsträgerschaft des Individuums. Vielmehr gewährt Art. 27 ICCPR dem einzelnen ein Recht, die Sprache auszuüben und der Gruppe ein derivatives Recht, entsprechende Institutionen für den Genuß dieses Rechtes zu schaffen, um ein Überleben der Sprache zu sichern. Wenn der einzelne nicht Rechtsträger ist, könnte er sich beispielsweise nicht gegen den willkürlichen Ausschluß aus der Gemeinschaft wehren und würde seine Rechte, Kultur und Sprache in der Gemeinschaft mit anderen zu genießen, verlieren.197 Den Rechten des einzelnen ist jedoch unter Berücksichtigung von Art. 27 ICCPR selbst gegen die Interessen der gesamten Minderheit auf Wahrung ihrer Identität vom Menschenrechtsausschuß in verschiedenen Fällen der Vorzug gegeben worden.198 Dies spricht stark gegen eine Auslegung, daß einzelne Rechte des Art. 27 ICCPR ausschließlich Gruppen als Rechtsträger haben können. II. Ausgestaltung in Israel Die arabische Sprache genießt in Israel offiziell den Status einer Amtssprache basierend auf Art. 82 Palestine Order in Council 1922: „All Ordinances, official notes and official forms of the Government and all official notices of local authorities and municipalities in areas to be prescribed by the orders of the High Commissioner, shall be published in English, Arabic and Hebrew. The three languages may be used in discussions in the Legislative Council, and, subject to any regulations to be made from time to time, in the Government offices and the Law Courts.“199

Diese Vorschrift wurde im Staat Israel beibehalten, abgesehen vom Status der englischen Sprache, welcher durch Art. 15 lit. b der Law and Administration Ordinance 1948 aufgehoben wurde.200 Leider reflektiert der de facto Status der arabischen Sprache nicht seine offizielle, gesetzliche Stellung. Die hebräische Sprache ist nicht nur die dominante Sprache in Israel, weil die Mehrheit der Bevölkerung diese spricht. Vielmehr ist ihre überlegene Stellung Teil einer Ideologie wie Ilana Shohami, Professorin für Erziehungswissenschaften, es beschreibt: „Officially Israel is a bilingual state: Hebrew and Arabic. In practice, however, only the Hebrew language is promoted, while Arabic serves only the Arab citizens of Israel. The 197 Vgl. de Varennes (Anm. 173), S. 169, zum potentiellen Ausschluß von Kindern gemischter Ehen aus Minderheitenschulen, in denen sie die Minderheitensprache erlernen könnten. 198 Vgl. Lovelace v. Canada, Communication No. 24/1977: Canada. 30/07/81. CCPR/C/ 13/D/24/1977. 199 Vgl. Anm. 144. 200 Art. 15 lit. a: „Any provision in the law requiring the use of the English language is repealed.“ LSI I (1948), 7.

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

official two-language policy is adhered to only in the most restricted manner. Israel is de facto a mono-lingual state, and the ideology held by the majority of the population is ‚one nation, one language‘.“201

Diese Einstellung zeigt sich beispielsweise an der Gründung einer öffentlich rechtlichen Körperschaft zur Entwicklung der hebräischen Sprache durch das Supreme Hebrew Language Institute Law 1953202. Diese Einrichtung wird nach Art. 11 durch das Bildungsministerium finanziell gefördert und hat gemäß Art. 2 „die Entwicklung der hebräischen Sprache auf der Grundlage der Erforschung der Sprache und ihrer verschiedenen Perioden und Zweige zu lenken.“ Eine ähnliche Einrichtung wurde für die arabische Sprache bis jetzt nicht geschaffen. Da bis jetzt auch keine arabische Universität in Israel bestand, war die Fortentwicklung der arabischen Sprache zumindest in Israel gerade im Bereich der Wissenschaften nicht gesichert.203 Des weiteren sehen verschiedene Gesetze die ausschließliche Beherrschung oder Anwendung der hebräischen Sprache ohne eine Erwähnung des Arabischen vor204, was ebenfalls seinem Status als Amtssprache nicht gerecht wird. Im folgenden werden verschiedene Gebiete der Sprachanwendung in den für Minderheiten relevanten Bereichen untersucht. Eine Bewertung muß anschließend an Hand zweier Maßstäbe erfolgen: einmal hinsichtlich der Verwirklichung von Sprachenrechten nach Völkerrecht und zum anderen bezüglich des Status als Amtssprache neben dem Hebräischen. Dies erfordert eine Einschätzung unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes. Die Anwendung der arabischen Sprache ist vor allem in drei Bereichen problematisch: dem öffentlichen Gebrauch, den Medien sowie bei der Verwendung vor staatlichen Institutionen. Im Gegensatz dazu ist das Erlernen der arabischen Sprache an sich gesichert.205 1. Privater und öffentlicher Gebrauch Der private Gebrauch der arabischen Sprache ist in Israel gesichert. Ebenso ist der öffentliche Gebrauch grundsätzlich geschützt. Die Namengebung für Mitglieder der arabischen Minderheit wird problemlos auf Arabisch vorgenommen.206 201

Ha’aretz v. 18. 9. 1995. LSI 7 (1952/53), 140. 203 Vgl. ACRI, ICCPR-Report (Anm. 90), S. 172. 204 Vgl. Art. 5 lit. b des Nationality Law hinsichtlich der Beantragung der Staatsbürgerschaft; Art. 38 lit. b Law for the Israeli Bar Association, Sefer HaChukkim 1961, 178, hinsichtlich der Zulassung als Rechtsanwalt sowie Art. 17 Consumer Protection Law, Sefer HaChukkim 1981, 248, bezüglich der Etikettierung von importierten Gütern. 205 Vgl. zu vereinzelten Problemen des Bildungssystems, Kapitel 5, A. II. 1. 206 Grundsätzlich bestimmen die Eltern den Namen ihres Kindes, vgl. Art. 3 Names Law 1956, LSI 10 (1955/56), 95. 202

B. Sprache

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Problematisch ist hingegen die Namengebung im Rahmen der Toponomie. Nach der Gründung des Staates wurden viele arabische Ortsnamen in hebräische Namen umbenannt. Einwohner von nicht anerkannten „Abwesenden Dörfern“ ist es bis jetzt versagt, die Ortsnamen ihrer Dörfer als Adresse anzugeben. Erst nach einer erfolgreichen Beschwerde beim Supreme Court wurde der Status eines dieser Dörfer (Husseinya) geändert und den Einwohnern erlaubt, den Namen als Anschrift zu führen.207 Trotz des offiziellen Status des Arabischen ist der weit überwiegende Teil der Straßenschilder in Israel Hebräisch und Englisch beschriftet, nicht Arabisch. Seit einer Beschwerde beim Supreme Court hat die Regierung zugesagt, innerhalb von fünf Jahren Straßenschilder auch in arabischer Sprache im ganzen Land aufzustellen.208 Dies ist bis jetzt nur zum Teil geschehen.209 Selbst in den Gegenden, in denen sich viele arabische Siedlungen befinden, oder in sogenannten gemischten Städten wie Akko und Haifa fand sich oft keine arabische Beschriftung von Straßen- und Ortsschildern. Alte arabische Namen wurden durch hebräische Namen von jüdischen oder zionistischen Persönlichkeiten ersetzt. In einer Beschwerde beim Supreme Court im Juni 1999 gegen die Gemeinden Tel Aviv-Jaffa, Ramle, Lod, Nazareth Illit und Akko rügten zwei Menschenrechtsorganisationen den mangelhaften Gebrauch von arabischer Beschriftung in diesen Städten mit einem hohen Anteil an arabischer Bevölkerung.210 Das Gericht sah die Beschwerde als begründet an und urteilte, daß diese Städte und Gemeinden Schilder in beiden Sprachen bereitstellen müssen. Dabei berief sich die Mehrheit der Richter auf das Recht an der eigenen Sprache sowie den offiziellen Status des Arabischen.211 Ebenso verlangte die Nichtregierungsorganisation Adalah von der Flughafenbehörde in Israel, die Beschriftung an den Flughäfen entsprechend auf Arabisch zu ergänzen. Die Behörde lehnte dies zunächst ab und reagierte erst unter der „Drohung“ einer Beschwerde beim Supreme Court positiv auf den Vorschlag.212 Diese Fälle zeigen, daß die Verwaltungsorgane sich zwar oft gegen den Gebrauch des Arabischen im Bereich der Toponomie wehren, die Gerichte jedoch bereit sind, den Status der arabischen Sprache als Sprache einer bedeutenden Minderheit anzuerkennen. Schwierigkeiten haben Angehörige der arabischen Minderheit in bezug auf ihre Sprache häufig im Wirtschaftsleben. Des öfteren ist es vorgekommen, daß Ange207

HCJ 3607/97, Mohammed Sawahed v. Minister of the Interior. HCJ 4438/97, Adalah v. The Minister of Infrastructure, Petitions to the Supreme Court of Israel, http://www.adalah.org. 209 Vgl. ACRI, ICCPR-Report (Anm. 90), S. 172. 210 HCJ 4112/99, ACRI, Adalah v. Municipalities of Tel Aviv and Jaffa, Urteil v. 25.07.2002, http://www.adalah.org. 211 ACRI, Arabic is an Official Language in the State of Israel, v. 28.07.2002, http:// www.acri.org.il. 212 Vgl. Joseph Algazy, Airports to install signs in Arabic, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 23.03.2000, S. 3. 208

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

stellten verboten wurde, untereinander oder mit Kunden auf arabisch zu sprechen oder sich mit ihren arabischen Namen anzusprechen.213 Ferner wurde es Geschäftsleuten untersagt, Werbung an gemeindlichen Aushängetafeln nur in Arabisch anzubringen, obwohl diese arabische Kundschaft anziehen sollte. Im Fall Re’em Contracting Engineers Ltd. v. The Municipality of Nazareth Illit entschied das Gericht, daß Werbung auf Arabisch zu gestatten ist. Es begründete seine Entscheidung jedoch nicht mit dem offiziellen Status der arabischen Sprache, sondern mit der Meinungsfreiheit, die auch das Recht beinhalte, sich in seiner eigenen Sprache auszudrücken, und mit der Bedeutung der Sprache für die Minderheit.214 Vor dem Hintergrund der Sprachenrechte von Minderheiten läßt sich damit feststellen, daß Israel dem Recht, die Minderheitensprache privat und öffentlich zu benutzen, weitgehend gerecht wird. Handlungsbedarf besteht jedoch im Hinblick auf den Anspruch der Araber auf Schutz ihrer Rechte vor der Verletzung durch Private wie beispielsweise in der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung. Was den Status des Arabischen als Amtssprache betrifft, ist dieser nicht ausreichend umgesetzt und wird auch von den Gerichten vernachlässigt.

2. Medien Die arabische Minderheit hat in Israel das Recht, Medien in ihrer Sprache zu verbreiten und zu empfangen. Dieser Anspruch unterliegt lediglich den allgemeinen Gesetzen, welche allerdings im Bereich der Presse aufgrund der erforderlichen Lizenzierung von Zeitungen und generalklauselartiger Grundlagen für die Militärzensur nicht gerade ein Beispiel an Liberalität leisten.215 Trotzdem werden in Israel ungefähr vierzig privat publizierte Zeitungen auf Arabisch herausgegeben. Es existieren ein lizenzierter lokaler, arabischer Radiosender sowie verschiedene Radio-

213 HRA, The Arab Association for Human Rights, Preventing arab workers to use their mother tongue, Press Review v. 19.02.2001, http://www.arabhra.org; Jalal Bana, Restaurant Chain orders workers to stop speaking Arabic near customers, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 21.11.2000, http://www3.haaretz.co.il. 214 HCJ, Re’em Contracting Engineers Ltd. v. The Municipality of Nazareth Illit, P.D. 47 II (1992), 189; engl. Auszüge, in: Ninth periodic report of States parties due in 1996: Israel. 17/10/97. CERD/C/294/Add.1, Rn. 27. 215 Vgl. dazu Haim J. Zadok, What constitutes a Fair Press Law in a Democratic Society?, in: Israel Palestine Center for Research and Information (IPCRI), (Hrsg.), The Evolution and Development of Democracy in Israel and Palestine, Jerusalem 1998, S. 29 ff.; Aharon Barak, Freedom of Expression and its Limitations, in: Raphael Cohen-Almagor (Hrsg.), Challenges to Democracy: Essays in Honour of Isaiah Berlin, Aldershot 2000, S. 167, 178 ff.

B. Sprache

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sender ohne Lizenz, die die arabische Bevölkerung mit Programmen in arabischer Sprache versorgen.216 Ein arabischer Fernsehsender wurde bis jetzt noch nicht etabliert. Die zwei öffentlich rechtlichen Sender strahlen zwar Programme in arabischer Sprache aus. Die Sendezeiten sowie Quantität und Qualität dieser Programme sind jedoch nicht zufriedenstellend.217 Dazu kommt, daß der Einfluß von Arabern auf die Gestaltung des Programms sehr gering ausfällt. In der Produktions- und Leitungsebene der arabischen Programme sind zumeist Juden beschäftigt, die ursprünglich aus arabischen Ländern gekommen sind, oder Mitglieder der als besonders loyal geltenden drusischen Araber. Die Programme sind oft veraltet und wenig originell. Die Produzenten werden häufig zensiert, ihre Identität als Angehörige der palästinensischen Minderheit durch Einschränkungen in der Wortwahl und den Inhalten der Programme unterdrückt.218 Diese Haltung gegenüber arabischen Angestellten und Publikum spiegelt sich auch im Broadcasting Authority Law 1965 wieder, welches in seinen Funktionen gemäß Art. 3 sehr unterschiedliche Ziele für die jüdische und arabische Bevölkerung verfolgt. Während die jüdische Kultur in Israel und der Diaspora eine entscheidende Rolle spielt219, wird die Ausstrahlung von Programmen für die Araber nur im Sinne von generellen Anforderungen erwähnt: „(3) … to operate broadcast in Arabic language for the requirements of the Arabic-speaking population and broadcast for the promotion of understanding and peace with the neighbouring states in accordance with the basic tendencies of the State“. 216 Vgl. Initial Report of States Parties due in 1993: Israel 09/04/98. CCPR/C/81/Add.13, Rn. 877. 217 Adalah, Legal Violations of Arab Minority Rights in Israel (Anm. 136), S. 69. 218 Vgl. Atallah Mansour, An Arab ‚Ghetto‘ in the Israeli Media, Palestine-Israel Journal of Politics, Economics and Culture 5/4.3 (1998), S. 54 ff.; so kündigte eine arabische Produzentin, da sie ihre journalistische Freiheit extrem eingeschränkt und ihre Identität unterdrückt sah, HRA, Arab Association for Human Rights, The Broadcaster Maram Massarwe Resigns from Channel 1, Weekly Press Review v. 27.03.2001. 219 LSI 19 (1965), 103: „3.(1) to broadcast educational, entertainment and informational programmes in the fields of politics, social life, economics, culture, science and art with a view to (a) reflecting the life, struggle, creative effort and achievements of the state; (b) fostering good citizenship, (c) strengthening the ties with, and deepening the knowledge of, the Jewish heritage and its values; (d) reflecting the life and the cultural assets of all sections of the (Jewish) people from their different countries of origin; (e) broadening education and disseminating knowledge; (f) reflecting life of the Diaspora Jewry; (g) furthering the aims of State education as formulated in the State Education Law 1953; (2) to promote Hebrew and Israeli creative endeavour; (4) to operate broadcast to Diaspora Jewry (5) to operate broadcasts to foreign countries.“

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Kap. 5: Bewahrung der Minderheitenidentität: Kultur und Sprache

Diese Funktionen lassen Zweifel daran aufkommen, daß der Kultur und Sprache der arabischen Minderheit ausreichend Rechnung getragen wird.220 3. Gebrauch vor staatlichen Institutionen Nach ihrem offiziellen Status zu urteilen, müßte die arabische Sprache in weitem Umfang gegenüber staatlichen Institutionen angewendet werden können. So fordert Art. 82 Palestine Order in Council: „All Ordinances, official notes and official forms of the Government and all official notices of local authorities and municipalities in areas to be prescribed by the orders of the High Commissioner, shall be published in (English), Arabic and Hebrew. The three languages may be used in discussions in the Legislative Council, and, subject to any regulation to be made from time to time, in the Government offices and the Law Courts.“

Die Praxis sieht dagegen oft anders aus. Allgemein werden Urteile, Gesetze, Verordnungen und offizielle Dokumente nur äußerst selten und mit enormer Verzögerung ins Arabische übersetzt.221 Der Gebrauch der arabischen Sprache in gerichtlichen Verfahren ist nur für Strafverfahren ausreichend gewährleistet. In Verwaltungsverfahren und Zivilrechtsstreitigkeiten fehlt hingegen oft ein professionelles Übersetzungssystem für arabische Prozeßparteien.222 In einigen Bereichen wird die Benutzung der arabischen Sprache aber besonders gesichert. So kann beispielsweise nach Art. 11 der Patent Regulations 1968223 ein Patent auch auf Arabisch beantragt werden. Das Planning and Building Law 1965224 sieht vor, daß in lokalen Bebauungsplänen auch eine arabische Version angefertigt werden muß, wenn mindestens 10 % der Bevölkerung Araber sind. Die Verordnung 21.556A des Generalstaatsanwalts sieht vor, dass die Übersetzung arabischer Dokumente ins Hebräische dann nicht verlangt werden darf, wenn diese von einer offiziellen Behörde Israels ausgestellt wurden.225 Auch ist es arabischen Knessetabgeordneten erlaubt, auf arabisch zu sprechen, wenn sie dies rechtzeitig vorher anmelden, damit für entsprechende Übersetzung 220

Der Empfang von Sendern arabischer Staaten ist jedoch möglich. Adalah: The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel/The Arab Association for Human Rights (HRA), (Anm. 111), S. 69 ff. 222 Vgl. den Fall H. C. 79202/02, Adalah v. The Director of the Courts, in dem Adalah eine Anweisung des Gerichtsmanagers Arbel für rechtswidrig erklären lassen wollte, in der die Kosten für arabisch-hebräische Übersetzungen im Zivilprozeß nunmehr der entsprechenden Partei auferlegt werden sollten. Die Anweisung wurde aufgrund der Beschwerde geändert. 223 Kovetz HaTakanot 1968, 1104. 224 Sefer HaChukkim 1965, 307. 225 The State of Israel, Second Periodic Report Concerning the Implementation of the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), Rn. 291. 221

B. Sprache

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gesorgt werden kann. Ein regelmäßiges, gewohnheitsmäßiges Dolmetschen ist allerdings nicht vorgesehen.226 III. Völkerrechtliche Einschätzung der Umsetzung der Sprachenrechte Die völkerrechtlichen Anforderungen, den Gebrauch der Minderheitensprache zu ermöglichen, sind in Israel weitgehend erfüllt. So ist es der Minderheit gestattet, ihre Sprache privat und öffentlich zu benutzen, sie zu erlernen und weiterzuentwickeln. Probleme bestehen zum einen, wenn im Wirtschaftsleben des Staates insbesondere durch Private versucht wird, das Arabische zu untersagen. Bei einer derartigen Rechtsverletzung durch Dritte ist Israel als Staat verpflichtet, die Sprachenrechte der Araber durch Gesetze und entsprechende Rechtsdurchsetzung zu schützen. Gleichzeitig kann der Staat von der Minderheit verlangen, dort, wo Interessen der Mehrheit berührt sind, neben dem Arabischen auch die hebräische Sprache im Wirtschaftsleben zu benutzen. Umgekehrt kann es von der Mehrheit nicht verlangt werden, im Wirtschaftsleben gleichzeitig auch immer die arabische Sprache zu benutzen. Auf der anderen Seite muß der israelische Staat hinsichtlich seiner Aufgaben und Leistungen dann auch die arabische Sprache berücksichtigen, wenn die Mitglieder dieser Minderheit sonst im Einzelfall unzumutbar benachteiligt werden. Dies betrifft sowohl den Bereich der Toponomie in überwiegend arabisch besiedelten Gegenden als auch Anteil und Inhalt von arabischen TV Programmen. Vor allem der Gebrauch des Arabischen vor den Gerichten muß garantiert werden, da sonst Art. 27 ICCPR i. V. m. den Grundsätzen des „fairen Verfahrens“ verletzt ist. Eine generelle Pflicht, sämtliche Urteile, Gesetze, Richtlinien und sonstige staatliche Schriftstücke zu übersetzen, ergibt sich aus dem Völkerrecht nicht. Eine Verletzung der Sprachenrechte ist damit insoweit nicht festzustellen, auch wenn das Arabische eine offizielle Sprache ist. Die mangelnde Übersetzung von öffentlichen Schriftstücken ins Arabische verstößt jedoch gegen die innerstaatliche Normen, hier Art. 82 POC, der eine solche Übersetzung ausdrücklich vorsieht. So ist auch die zwiespältige Haltung israelischer Gerichte, welche in verschiedenen Verfahren noch nicht einmal den offiziellen Status des Arabischen erwähnten, erneuter Ausdruck des Konflikts zwischen dem Charakter Israels als jüdischer Staat und rechtsstaatlicher Demokratie.

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Vgl. Spolsky/Shohamy (Anm. 135), S. 119.

Ergebnis: Thesen zur Rechtsstellung der arabischen Minderheit 1. Über die völkerrechtliche Definition von Minderheiten besteht nach wie vor keine Einigkeit. In Anlehnung an die Definition Capotortis wird der Begriff Minderheit in dieser Untersuchung wie folgt definiert: Eine Minderheit ist eine dem Rest der Bevölkerung numerisch unterlegene Gruppe in einer schwächeren Position, die traditionell mit dem Territorium des Staates verbunden ist, deren Mitglieder über ethnische, religiöse oder sprachliche Eigenschaften verfügen, welche sie vom Rest der Bevölkerung unterscheiden. Zudem lassen sie solidarisch den Willen erkennen, diese ihre Eigenständigkeit begründenden Merkmale zu bewahren. Diese Definition schließt unter dem Begriff „ethnisch“ sowohl kulturelle als auch nationale Minderheiten ein. Letztere sind Volksgruppen mit politischem Bewußtsein, die sich einer anderen als der staatstragenden Nation zugehörig fühlen. Eine solche Gruppe kann mehrere Identitäten haben, also gleichzeitig ethnische, sprachliche und religiöse Minderheit sein. Sie kann auch aus weiteren Untergruppen, beispielsweise mit unterschiedlichen Konfessionen bestehen. 2. Die arabische Bevölkerung in Israel ist eine ethnisch-linguistische, arabische Minderheit, welche sich mehrheitlich, jedoch nicht geschlossen auch als nationale palästinensische Minderheit versteht. Innerhalb dieser Gruppe existieren die Muslime, Christen und Drusen als religiöse Minderheitengruppen und die Beduinen mit ihrer indigenen Lebensform als kulturelle Minderheit. 3. Nach israelischem Recht ist die arabische Bevölkerung konkludent als linguistische Minderheit anerkannt sowie jeweils als muslimische, christliche oder drusische Religionsgemeinschaft. Eine Anerkennung als ethnisch-nationale, arabisch-palästinensische Minderheit wird ihr verwehrt. Im Gegensatz dazu kreierte man für die Drusen sogar eine eigene Nationalität. Die Beduinen werden weder als kulturelle Minderheit noch als indigenes Volk anerkannt. 4. Die drei wesentlichen Pfeiler des Minderheitenschutzes sind das physische Recht auf Existenz, das Recht auf Gleichbehandlung und das Recht auf Wahrung der kulturellen, religiösen und sprachlichen Identität.

Ergebnis: Thesen zur Rechtsstellung der arabischen Minderheit

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5. Das Recht auf physische Existenz der arabischen Minderheit in Israel ist durch das israelische Rechtssystem geschützt. 6. Innerhalb des Gleichheitsprinzips können drei Bereiche unterschieden werden: Die Gleichheit durch das Gesetz ist der Auftrag an die Legislative, für materielle Gleichheit in den Gesetzen zu sorgen. Die Gleichheit vor dem Gesetz gebietet der Exekutive und den Gerichten, das Recht nicht willkürlich und in diskriminierender Art anzuwenden. Der Schutz vor Diskriminierung begründet einerseits eine Schutzpflicht des Staates, Diskriminierung auch auf horizontaler Ebene zu verhindern. Zum anderen hat der Staat substantielle Gleichheit der Bürger, gegebenenfalls auch durch positive Diskriminierung sicherzustellen. 7. Das Recht der arabischen Bürger auf Gleichbehandlung ist in Israel nur teilweise gewährleistet. Im Basic Law: Human Dignity and Freedom ist die Gleichbehandlung nicht ausdrücklich erwähnt. Obgleich eine Tendenz vorhanden ist, diese von der dort verankerten Menschenwürde und den Prinzipien der Unabhängigkeitserklärung abzuleiten, bietet diese Konstruktion angesichts der nicht gesicherten Kompetenzen des Supreme Court keinen zufriedenstellenden Schutz. Zudem ist das in der Unabhängigkeitserklärung und den Basic Laws verankerte Prinzip, daß Israel der Staat des jüdischen Volkes ist, für die arabischen Bürger problematisch. Aufgrund der ethnisch-religiösen Komponente, die dieser Definition anhaftet, bleiben die Araber Israels definitorisch vom Gemeinwohl (common good) ausgeschlossen. Diesen Zwiespalt vermögen auch die formal demokratischen Strukturen in Israel nicht zu beseitigen. So hilft das Wahlrecht der Araber nicht über die Tatsache hinweg, daß Vertreter der Minderheit nur äußerst selten in entscheidungserheblichen Positionen oder gar Regierungen zu finden sind. Obwohl in den letzten zehn Jahren durch einige einfache Gesetze versucht wurde, die Gleichbehandlung der Araber voranzutreiben, werden sie weiterhin insbesondere hinsichtlich des Zugangs zu Land- und Budgetressourcen diskriminiert. Das Supreme Court in Israel hat in jüngeren Entscheidungen diese Diskriminierung in „kleinen Schritten“ für rechtswidrig erklärt. Die Exekutive weigert sich jedoch in einigen Fällen beharrlich, diese Urteile umzusetzen, was die Stellung des Gerichts im Machtverhältnis der Gewalten schwächt. Damit wird auch die Situation der arabischen Bürger erschwert. Es besteht die Gefahr, daß ihr Vertrauen, im Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung auf rechtsstaatliche Mittel zu setzen, nach und nach verloren geht. 8. Der Art. 27 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte gewährt den Angehörigen von Minderheiten Rechte zur Wahrung ihrer religiö-

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Ergebnis: Thesen zur Rechtsstellung der arabischen Minderheit

sen, kulturellen oder sprachlichen Identität. Diese originären, individuellen Rechte der Mitglieder können dann abgeleitete kollektive Rechte begründen, wenn ein kollektiver Anspruch nötig ist, um dem einzelnen den Genuß seiner Minderheitenrechte zu ermöglichen. So ist Mindeststandard des individuellen Rechts auf Wahrung der Identität der kollektive Schutz des Bestands der Minderheit als eigenständige Gruppe. Weitere kollektive Rechte bestehen hinsichtlich der Anerkennung der Minderheit sowie im Hinblick auf die Einrichtung entsprechender Institutionen für die Organisation der Minderheit. Der Anspruch, die jeweilige Identität zu wahren, ist nicht nur Abwehrrecht, sondern begründet im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot oder mit dem Bestandsschutz auch ein Recht auf Förderung. Ein genereller Anspruch auf Schaffung günstiger Bedingungen durch den Staat besteht insoweit, als dies dem Staat zumutbar ist. Der einzelne kann seine individuellen Menschenrechte in mancher Hinsicht zugunsten einer bestimmten kulturellen oder religiösen Lebensform freiwillig aufgeben. Dies gilt jedoch nicht für wesentliche Menschenrechte wie die Menschenwürde und körperliche Unversertheit. Der einzelne hat jederzeit ein Recht auf Austritt aus der Minderheit. 9. Die religiöse Identität von Minderheiten wird zunächst durch die allgemeine Religionsfreiheit mit forum internum und externum geschützt. Daneben gewährt Art. 27 CCPR religiösen Minderheiten weitergehende Rechte. Die in Art. 27 CCPR beschriebene Bekenntnis- und Ausübungsfreiheit unterliegt zum einen nur den immanenten Schranken des CCPR. Ferner genießen die Minderheiten die oben beschriebenen kollektiven und positiven Rechte. Im Fall von religiösen Minderheiten ist insbesondere die Gewährung von locus standi bedeutend. 10. Die positive Religionsfreiheit ist in Israel, wenn auch nicht in den Basic Laws, so doch gewohnheitsrechtlich geschützt. Dabei geht Israel im Bereich der kollektiven Rechte über den Standard des Völkerrechts hinaus und gewährt religiösen Minderheiten eingeschränkte Autonomierechte. Die einzelnen Minderheiten werden jedoch in bezug auf den Grad ihrer Selbstverwaltungsrechte ungleich behandelt und bei der Verteilung von Ressourcen gegenüber der Mehrheitsreligion diskriminiert. In der Vergangenheit wurden vor allem gegenüber der muslimischen Minderheit massive Enteignungen vorgenommen. Im Bereich des Familien- und Personenstandsrechts haben die religiösen Minderheiten eine eigene Gerichtsbarkeit. Diese Autonomie verletzt im Familienrecht jedoch mangels zivilrechtlicher Alternative oft die negative Religionsfreiheit sowie das Recht, keiner religiösen Minderheit anzugehören. Auch die Rechte der Frau auf Nichtdiskriminierung werden in diesem Zusammenhang nicht selten verletzt.

Ergebnis: Thesen zur Rechtsstellung der arabischen Minderheit

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Da Staat und Religion in Israel in vielfacher Weise verflochten sind, ist die negative Religionsfreiheit auch in anderen Bereichen nur eingeschränkt verwirklicht. 11. Das Beispiel der Religionsfreiheit in Israel läßt wichtige Rückschlüsse zu, wie das Verhältnis zwischen den Rechten der Minderheit und den Rechten ihrer Mitglieder idealerweise aussehen sollte. Aus der Perspektive des Menschenrechtsschutzes ist entscheidend, daß der Anspruch einer religiösen Minderheit auf Schutz ihres Bestands kein „Supergrundrecht“ zur Entstehung bringt, in dessen Namen andere Menschenrechte der Mitglieder beliebig und unverhältnismäßig beschnitten werden können. In der Hierarchie der Menschen und Minderheitenrechte haben die individuellen Menschenrechte grundsätzlich einen höheren Stellenwert, da alle kollektiven Rechte letztlich von den originären, individuellen Menschenrechten abgeleitet werden. Im Einzelfall muß durch eine umfassende Abwägung der Bedeutung des Rechtsguts und der Schwere des Eingriffs eine Entscheidung zugunsten des kollektiven Rechts oder des Individualrechts vorgenommen werden. 12. Minderheitenangehörige haben das Recht, ihre Kultur zu pflegen. Dafür können sie auch im oben geschilderten Rahmen des Art. 27 CCPR staatliche Unterstützung beanspruchen. Ein wesentlicher Bestandteil bei der Pflege der Kultur ist die Bildung. Dabei haben Angehörige von Minderheiten das Recht, neben den Werten der Mehrheitsgesellschaft, auch die Werte und Traditionen ihrer eigenen Kultur zu erlernen und zu vermitteln. In den Lehrplänen muß ihre geschichtliche Entwicklung, Sprache, Kunst und Kultur ebenso berücksichtigt werden. Dies kann nur dann garantiert werden, wenn Vertreter der Minderheit Einfluß auf Lehrpläne und administrative Entscheidungen haben. Auch das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen gehört zur Bewahrung ihrer Kultur dazu. 13. Positiv ist zu vermerken, daß die Araber in Israel durch getrennte Schulen die Möglichkeit haben, in ihrer Muttersprache unterrichtet zu werden. Auch ihrer kulturellen Identität wurde in den letzten zwei Jahrzehnten mehr Anerkennung verschafft. Die Bildungsziele haben sich im Jahr 2000 erheblich verbessert. An der Kontrolle der arabischen Schulen und der Gestaltung der Lehrpläne werden Vertreter der Minderheit hingegen immer noch zu wenig beteiligt. Der palästinensische Aspekt ihrer Identität wird weiterhin unterdrückt. Eigene Bildungsinstitutionen unterhalten aus finanziellen Gründen fast ausschließlich die christlichen Araber. Das Recht der Beduinen, ihre traditionelle Lebensweise aufrecht zu erhalten, wird ihnen verweigert. Bis jetzt sind erst wenige Versuche erkennbar, dieser Gruppe zumindest in begrenztem Umfang Wohnmöglichkeiten in kleinen Siedlungen zu gewähren.

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Ergebnis: Thesen zur Rechtsstellung der arabischen Minderheit

Auch im Bereich der kulturellen Rechte ist eine Diskriminierung der Araber gegenüber der jüdischen Mehrheit im Hinblick auf Budget- und Landressourcen festzustellen. 14. Die Sprachenrechte von Minderheitenangehörigen umfassen zunächst den privaten und den öffentlichen Gebrauch der Sprache. In Regionen, die überwiegend von Minderheitenangehörigen bewohnt werden, zeichnet sich eine Tendenz ab, auch Rechte im Bereich der Toponomie zu gewähren. Weiterhin sind das Erlernen und das Unterrichten sowie die Herstellung und Veröffentlichung von Medien in der Minderheitensprache geschützt. Dabei haben die Mitglieder der Minderheit das Recht, auf die Inhalte dieser Medien Einfluß zu nehmen. Schließlich ist der Gebrauch der Minderheitensprache vor staatlichen Institutionen im Rahmen der Nichtdiskriminierung sicherzustellen. 15. Die arabische Sprache ist neben dem Hebräischen offizielle Amtssprache in Israel. Im Bereich der Vermittlung und des Erlernens ist die arabische Sprache umfassend geschützt. Auch der private und öffentliche Gebrauch wird weitgehend gewährt. Probleme bestehen im Bereich der Toponomie. Allerdings sind hier Fortschritte zu erkennen, seit das Supreme Court in einigen neueren Fällen zugunsten der arabischen Minderheit entschieden hat. Auf horizontaler Ebene werden arabisch sprechende Bürger zum Teil von Dritten diskriminiert. Der Gebrauch des Arabischen vor staatlichen Institutionen ist trotz des Status dieser Sprache als Amtssprache nur eingeschränkt garantiert. Da das Arabische jedoch unter dem Aspekt des „fair trial“ benutzt werden kann, sind die Sprachenrechte aus völkerrechtlicher Sicht nicht verletzt.

Ausblick Das Verhältnis zwischen arabischer Minderheit und jüdischer Mehrheit wurde einst charakterisiert als das einer Minderheit mit der Mentalität einer Mehrheit, die im Staat einer Mehrheit lebt, welche über die Mentalität einer Minderheit verfügt. Die Beziehungen zwischen Mehrheit und Minderheit wird in den folgenden Jahren entscheidend von zwei Faktoren abhängen: zum einen von der Diskussion um den Charakter des Staates Israels, zum anderen von der Entwicklung der Beziehungen zwischen Israel und den Palästinensern im Westjordanland und Gaza. In einem Staat, der sich selbst als Staat des jüdischen Volkes definiert, wird sich die arabische Minderheit immer vom Gemeinwohl ausgeschlossen und als Staatsbürger zweiter Klasse fühlen. Eine Definition, welche auch die Araber ausdrücklich als Bürger dieses Staates mit einschließt und daneben eine wirkliche „israelische Identität“ unabhängig von ethnischer und religiöser Zugehörigkeit schafft, könnte das Fundament für einen Pakt zwischen Minderheit und Mehrheit werden. Auf der Grundlage eines solchen „Vertrags“ müssen die Araber in Israel wirkliche Gleichberechtigung erlangen und in der Lage sein, ebenso wie die Mehrheit ihre religiöse, kulturelle und sprachliche Identität pflegen zu können. Ansätze für eine solche Entwicklung sind erkennbar. So wird weiterhin an einem Basic Law: Equality und einem Basic Law: Freedom of Religion gearbeitet. Am 5. Februar 2002 wurde ein Gesetzesvorschlag des Verfassungs- und Rechtsausschusses der Knesset zur Gleichheit der Araber in erster Lesung angenommen. Der Gesetzesvorschlag, welcher ursprünglich als Basic Law geplant war, lautet: „Die Grundrechte der arabischen Minderheit, welche auf der Anerkennung der menschlichen Würde und Freiheit beruhen, werden geachtet im Geist der Unabhängigkeitserklärung Israels und der Prinzipien der Gerechtigkeit sowie im Geist der internationalen Verträge, denen Israel zugestimmt hat.“1

Daneben gibt es verstärkte Bemühungen zwischen arabischen und jüdischen Akademikern, eine Staatsdefinition zu entwickeln, mit der sich beide Seiten identifizieren können. Beide Projekte sind höchst schwierig angesichts der angespannten Lage seit dem Ausbruch der Al-Aqsa Intifada, in deren Verlauf auch dreizehn arabische Staatsbürger erschossen worden sind. Aber auch ohne diese Erschütterung des Verhält1

Gideon Alon, Equal rights for Arabs bill passes first reading, Ha’aretz (engl. Ausg.) v. 06.02.02.

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Ausblick

nisses zwischen Juden und Arabern in Israel und ohne die kriegerische Auseinandersetzung mit den Palästinensern sähen sich diese Vorhaben extremen Angriffen von Nationalisten auf beiden Seiten ausgesetzt. Denn der Diskurs um Staatsdefinition und Grundrechte berührt nicht nur das Verhältnis zwischen Juden und Arabern, sondern auch das zwischen Nationalisten und Liberalen, Religiösen und Säkularen, israelischen Staatsbürgern und Neueinwanderern. Eine weitere Grundlage eines zukünftigen Vertrages muß die Verpflichtung der arabischen Minderheit sein, sich gegenüber den Gesetzen des Staates Israels sowie seiner territorialen Integrität loyal zu verhalten. Dies schränkt jedoch das Recht der Minderheit, Gesetze, die sie für ungerecht erachtet, mit legalen Mitteln zu bekämpfen, nicht ein. In Europa wurde in vielen Ländern das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit zum einen in der Verfassung festgeschrieben als auch durch Nachbarschaftsverträge ratifiziert. Letztere haben den Vorteil, daß der „Mutterstaat“ für die Angehörigen der Minderheit auf diese Weise bestimmte Rechte sichern kann. Im Gegenzug erhält der Aufenthaltsstaat Garantien, daß seine Souveränität und territoriale Integrität nicht durch negative Einflußnahme des „Mutterstaats“ auf die Minderheit gefährdet wird. Eine weitere Nationalisierung und Ausgrenzungskampagne gegenüber den Arabern könnte die Situation dagegen drastisch verschlechtern. Sie würde zu einer noch stärkeren Nationalisierung auf arabischer Seite führen und Forderungen selbst nach territorialer Autonomie lauter werden lassen. Abgesehen davon, daß solche Forderungen sich im Gegensatz zu den Minderheitenrechten nicht auf völkerrechtliche Ansprüche stützen können, würde dies zu einer gefährlichen Verschlechterung der Beziehungen führen. Auch die in letzter Zeit in rechten Kreisen wieder aufgekommenen Ideen eines „Bevölkerungstransfers“, mit anderen Worten einer ethnischen Säuberung, stellt eine erhebliche Gefahr für die friedliche Entwicklung des ohnehin beschädigten Verhältnisses zwischen Minderheit und Mehrheit dar. Nur eine rechtsstaatlich glaubhafte Aufarbeitung der Todesfälle vom Oktober 2000 und eine wirkliche Gleichberechtigung der Araber sowie ein Dialog auf allen Ebenen der Gesellschaft, kann auf Dauer ein friedliches Miteinander in Israel garantieren. Dabei wäre eine eindeutige Definition des Staates Israels, die Kodifizierung der fundamentalen Rechte seiner Bürger und die Beschreibung genauer Kompetenzen der drei Gewalten in einer Verfassung wünschenswert.

Anhang 1

Basic Law A. Human Dignity and Liberty1 Purpose

1. The purpose of this Basic Law is to protect human dignity and liberty, in order to establish in a Basic Law the values of the State of Israel as a Jewish and democratic state.

Preservation of life, body and dignity

2. There shall be no violation of the life, body or dignity of any person as such.

Protection of property

3. There shall be no violation of the property of a person.

Protection of life, body and dignity

4. All persons are entitled to protection of their life, body and dignity.

Personal liberty

5. There shall be no deprivation or restriction of the liberty of a person by imprisonment, arrest, extradition or otherwise.

Leaving and entering Israel

6. (a) All persons are free to leave Israel. (b) Every Israel national has the right of entry into Israel from abroad.

Privacy

7. (a) All persons have the right to privacy and to intimacy. (b) There shall be no entry into the private premises of a person who has not consented thereto. (c) No search shall be conducted on the private premises of a person, nor in the body or personal effects. (d) There shall be no violation of the confidentiality of conversation, or of the writings or records of a person.

Violation of rights

8. There shall be no violation of rights under this Basic Law except by a law befitting the values of the State of Israel, enacted for a proper purpose, and to an extent no greater than is required.

Reservation regarding security forces

9. There shall be no restriction of rights under this Basic Law held by persons serving in the Israel Defence Forces, the Israel Police, the Prisons Service and other security organizations of the State, nor shall such rights be subject to conditions, except by virtue of a law, or by regulation enacted by virtue of a law, and to an extent no greater than is required by the nature and character of the service.

1 Passed by the Knesset on the 12th Adar Bet, 5752 (17th March, 1992) and published in Sefer Ha-Chukkim No. 1391 of the 20th Adar Bet, 5752 (25th March, 1992); the Bill and an Explanatory Note were published in Hatza'ot Chok, No. 2086 of 5752, p. 60.

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Anhang 1: Basic Law

Validity of laws

10. This Basic Law shall not affect the validity of any law (din) in force prior to the commencement of the Basic Law.

Application

11. All governmental authorities are bound to respect the rights under this Basic Law.

Stability

12. This Basic Law cannot be varied, suspended or made subject to conditions by emergency regulations; notwithstanding, when a state of emergency exists, by virtue of a declaration under section 9 of the Law and Administration Ordinance, 5708-1948, emergency regulations may be enacted by virtue of said section to deny or restrict rights under this Basic Law, provided the denial or restriction shall be for a proper purpose and for a period and extent no greater than is required.

Yitzhak Shamir Prime Minister

Chaim Herzog President of the State

Dov Shilansky Speaker of the Knesset

B. Human Dignity and Liberty-Amendment2 In the Basic Law: Human Dignity and Liberty (5752-1992): Amendment of section 1

Yitzhak Rabin Prime Minister

(1) Section 1 shall be designated 1(a) and shall be preceded by the following section: Basic principles 1. Fundamental human rights in Israel are founded upon recognition of the value of the human being, the sanctity of human life, and the principle that all persons are free; these rights shall be upheld in the spirit of the principles set forth in the Declaration of the Establishment of the State of Israel. (2) At the end of section 8, the following shall be added: „or by regulation enacted by virtue of express authorization in such law.“ Ezer Weizman President

Shevah Weiss Knesset Speaker

2 Passed by the Knesset on the 21st Adar, 5754 (9th March, 1994) and published in Sefer Ha-Chukkim No. 1454 of the 27th Adar 5754 (10th March, 1994), p. 90; the Bill and an Explanatory Note were published in Hatza'ot Chok No. 2250 of 5754, p. 289.

Anhang 2

The Declaration of the Establishment of the State of Israel1 May 14, 1948 Eretz-Israel [(Hebrew) – the Land of Israel, Palestine] was the birthplace of the Jewish people. Here their spiritual, religious and political identity was shaped. Here they first attained to statehood, created cultural values of national and universal significance and gave to the world the eternal Book of Books. After being forcibly exiled from their land, the people kept faith with it throughout their Dispersion and never ceased to pray and hope for their return to it and for the restoration in it of their political freedom. Impelled by this historic and traditional attachment, Jews strove in every successive generation to re-establish themselves in their ancient homeland. In recent decades they returned in their masses. Pioneers, ma’pilim [(Hebrew) – immigrants coming to Eretz-Israel in defiance of restrictive legislation] and defenders, they made deserts bloom, revived the Hebrew language, built villages and towns, and created a thriving community controlling its own economy and culture, loving peace but knowing how to defend itself, bringing the blessings of progress to all the country’s inhabitants, and aspiring towards independent nationhood. In the year 5657 (1897), at the summons of the spiritual father of the Jewish State, Theodore Herzl, the First Zionist Congress convened and proclaimed the right of the Jewish people to national rebirth in its own country. This right was recognized in the Balfour Declaration of the 2nd November, 1917, and reaffirmed in the Mandate of the League of Nations which, in particular, gave international sanction to the historic connection between the Jewish people and Eretz-Israel and to the right of the Jewish people to rebuild its National Home. The catastrophe which recently befell the Jewish people – the massacre of millions of Jews in Europe – was another clear demonstration of the urgency of solving the problem of its homelessness by re-establishing in Eretz-Israel the Jewish State, which would open the gates of the homeland wide to every Jew and confer upon the Jewish people the status of a fully privileged member of the comity of nations. Survivors of the Nazi holocaust in Europe, as well as Jews from other parts of the world, continued to migrate to Eretz-Israel, undaunted by difficulties, restrictions and dangers, and never ceased to assert their right to a life of dignity, freedom and honest toil in their national homeland. 1

Published in the Official Gazette, No. 1 of the 5th, Iyar, 5708 (14th May, 1948).

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Anhang 2: Declaration of the Establishment of the State of Israel

In the Second World War, the Jewish community of this country contributed its full share to the struggle of the freedom- and peace-loving nations against the forces of Nazi wickedness and, by the blood of its soldiers and its war effort, gained the right to be reckoned among the peoples who founded the United Nations. On the 29th November, 1947, the United Nations General Assembly passed a resolution calling for the establishment of a Jewish State in Eretz-Israel; the General Assembly required the inhabitants of Eretz-Israel to take such steps as were necessary on their part for the implementation of that resolution. This recognition by the United Nations of the right of the Jewish people to establish their State is irrevocable. This right is the natural right of the Jewish people to be masters of their own fate, like all other nations, in their own sovereign State. Accordingly we, members of the People’s Council, representatives of the Jewish community of Eretz-Israel and of the Zionist movement, are here assembled on the day of the termination of the British mandate over Eretz-Israel and, by virtue of our natural and historic right and on the strength of the Resolution of the United Nations General Assembly, hereby declare the establishment of a Jewish State in Eretz-Israel, to be known as the State of Israel. We declare that, with effect from the moment of the termination of the Mandate being tonight, the eve of Sabbath, the 6th Iyar, 5708 (15th May, 1948), until the establishment of the elected, regular authorities of the State in accordance with the Constitution which shall be adopted by the Elected Constituent Assembly not later than the 1st October 1948, the People’s Council shall act as a Provisional Council of State, and its executive organ, the People's Administration, shall be the Provisional Government of the Jewish State, to be called „Israel“. The State of Israel will be open for Jewish immigration and for the Ingathering of the Exiles; it will foster the development of the country for the benefit of all its inhabitants; it will be based on freedom, justice and peace as envisaged by the prophets of Israel; it will ensure complete equality of social and political rights to all its inhabitants irrespective of religion, race or sex; it will guarantee freedom of religion, conscience, language, education and culture; it will safeguard the Holy Places of all religions; and it will be faithful to the principles of the Charter of the United Nations. The State of Israel is prepared to cooperate with the agencies and representatives of the United Nations in implementing the resolution of the General Assembly of the 29th November, 1947, and will take steps to bring about the economic union of the whole of Eretz-Israel. We appeal to the United Nations to assist the Jewish people in the building-up of its State and to receive the State of Israel into the comity of nations. We appeal – in the very midst of the onslaught launched against us now for months – to the Arab inhabitants of the State of Israel to preserve peace and participate in the upbuilding of the State on the basis of full and equal citizenship and due representation in all its provisional and permanent institutions. We extend our hand to all neighbouring states and their peoples in an offer of peace and good neighbourliness, and appeal to them to establish bonds of cooperation and mutual help with the sovereign Jewish people settled in its own land. The State of Israel is prepared to do its share in a common effort for the advancement of the entire Middle East. We appeal to the Jewish people throughout the Diaspora to rally round the Jews of Eretz-Israel in the tasks of immigration and upbuilding and to stand by them in the great struggle for the realization of the age-old dream – the redemption of Israel.

Anhang 2: Declaration of the Establishment of the State of Israel

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Placing our trust in the almighty, we affix our signatures to this Proclamation at this Session of the Provisional Council of State, on the soil of the homeland, in the City of TelAviv, on this sabbath eve, the 5th day of iyar, 5708 (14th May, 1948). David Ben-Gurion Daniel Auster Mordekhai Bentov Yitzchak Ben Zvi Eliyahu Berligne Fritz Bernstein Rabbi Wolf Gold Meir Grabovsky Yitzchak Gruenbaum Dr. Abraham Granovsky Eliyahu Dobkin Meir Wilner-Kovner Zerach Wahrhaftig Herzl Vardi

Rachel Cohen Rabbi Kalman Kahana Saadia Kobashi Rabbi Yitzchak Meir Levin Meir David Loewenstein Zvi Luria Golda Myerson Nachum Nir Zvi Segal Rabbi Yehuda Leib Hacohen Fishman David Zvi Pinkas

Aharon Zisling Moshe Kolodny Eliezer Kaplan Abraham Katznelson Felix Rosenblueth David Remez Berl Repetur Mordekhai Shattner Ben Zion Sternberg Bekhor Shitreet Moshe Shapira Moshe Shertok

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Sachwortverzeichnis Abwesende 114 ff., 158, 160, 177 ff., 185 f., Gruppenrechte 21 ff., 90, 98, 203, 216 197, 243 Identität 23, 53, 59 ff., 66, 75 ff., 89, 100, Basic Law 87 ff. 129 ff., 173 ff., 191, 193 ff., 214 ff, 218, – Human Dignity and Freedom 85 ff., 221 ff., 228 ff. 102 ff., 120 ff., 144 ff., 198 ff. Intifada 42 ff., 47 ff., 75, 110, 156, 185 – Judicature 104 Jerusalem 25, 39, 47, 120, 149 ff., 157 ff., – The Knesset 108 ff., 115 186 Beduine 25 ff., 44, 68 ff., 80, 83, 113, 224 ff., 231 Bildung 40, 57, 93, 120, 127, 201 ff., Katzir 122 Kinder 43, 97, 117, 132 ff., 147 ff., 160, 210 ff. 171 ff., 196 ff., 201, 235 ff. Demokratie 84, 99, 110,131, 147 ff., 215 ff., Kirche 77, 81 ff., 153 f., 161, 181 ff. 228, 247 Knesset 45, 51, 62, 82 ff., 100 ff., 104, Diskriminierung 40 ff., 53 ff., 91 ff., 121 ff., 108 ff., 120 ff., 178, 194 127 ff., 137, 144, 167 ff., 182, 199, Kultur 20 ff., 41 ff., 52, 58, 60, 83, 85, 225 ff., 234, 238 89 ff., 130 ff., 139 ff., 198, 209 ff. Einwanderung 26 ff., 33 ff., 47, 85, 100, Land 29 ff., 48, 64, 71, 75, 112 ff., 122, 114 ff. 144, 154, 162, 168, 178 ff., 202 Enteignung 37 ff., 109, 114, 123, 178 ff., Lehrplan 191, 209 ff., 216 ff. 181 Finanzierung 120, 162, 182 ff., 223 ff., 231 Moschee 154 ff., 178 ff., 182 Flüchtling 34 ff., 58, 80, 117 Frau 64, 88, 102, 107, 119, 124, 164 ff., Nakba 35, 58 ff., 74, 85, 112 ff., 219 ff. 174 ff., 189 f., 194 ff., 225 Nation/national 21, 35, 39 ff., 43 ff., 83 Frieden 1, 9, 41 ff., 85, 131, 183, 215, 231 Osloprozess 43, 75 Gemeinde 81 ff, 121 ff., 127 ff., 136, 144, Osmanisches Reich 28 ff., 149, 160 ff., 176, 161 ff., 174 ff. 183 Gerichte 47, 54, 81, 86 ff., 95, 99, 102 ff., 120, 146, 150, 160 ff., 184 ff., 187 ff., Palästinenser 23, 31 ff., 58 ff., 83, 109, 194 ff. 117 f., 124, 162, 208 ff. Gleichheit 41 ff., 90 ff., 129, 143 ff., 170 ff., Palestine Order in Council 80 ff., 149 ff., 192, 198, 215 ff., 221 ff., 242 163, 230, 241 Gottesdienst 134, 136, 151, 177 Partei 16, 39 ff., 51, 57, 69, 99, 103, 108 ff. Grundgesetz (s. Basic Law) Polizei 48 ff., 126, 156

Sachwortverzeichnis Rechte, kollektive 68 f., 124, 170 ff., 189 ff., 196 ff., 201, 209, 215, 240 f. Religion 26, 31 ff., 52 ff., 76 ff., 93, 99, 102 ff., 107 ff., 119 ff., 129 ff., 210, 220 ff., 234 – Christen 25 ff., 77 ff., 153 ff., 183 ff., 195 ff., 222 ff. – Drusen 24 ff., 77 ff., 127, 184, 192 ff., 210, 222 ff. – Juden 29 ff., 42 ff., 85, 100, 106 ff., 121, 123, 208 ff., 217 ff., 245 – Muslime 25 ff., 48, 76 f., 119, 160 ff., 221, 223 Rückkehr 35 ff., 114 ff., 125, 171, 177, 185

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Staatsbürgerschaft 25 f., 36, 58 ff., 71, 215, 220 ff. Teilungsplan 34 Tempelberg 47 ff., 152 ff. Terror 35, 42 ff., 110, 115 Unabhängigkeitserklärung 31 ff., 83, 87, 98 ff., 115, 144 ff., 162 Universität 43, 47, 224, 227, 242

Vereinte Nationen 5, 22 ff., 34, 44, 58, 91, 100 f., 130, 198, 234 Verfassung 45, 92, 99, 105 ff., 118, 128, 146 ff., 160, 202, 214 ff., 220, 229 Völkerbund 33, 54, 74, 112, 129, 153, 235, 239 Schule 38, 43, 97, 136, 160, 180, 190 f., 204, 208 ff. Volk 32 ff., 45, 50 ff., 60 ff., 84, 99 ff., 111, 117, 146, 162 Selbstverwaltung 82, 183 ff., 198 Shari’a 160 ff., 170 ff., 188 ff., 195, 222 Wahlen 39, 46, 48 ff., 84, 108 ff. Siedlung 25 ff., 42, 71, 112 ff., 122 ff., 225, Waqf 155, 161 ff., 176 ff., 180 ff. 243 Sprache 31 ff., 40, 62 ff., 68, 71, 73 ff., 92, Zionismus 30 ff., 40 ff., 112 ff., 122 f., 145, 130 f., 215 ff., 223 ff. 218 ff., 243