Das System der Konkordatsehe in Italien: Entwicklung und aktuelle Probleme der Kooperation zwischen Staat und katholischer Kirche [1 ed.] 9783428512324, 9783428112326

In Italien führt die kirchliche Trauung regelmäßig zu einer zivilrechtlich gültigen Ehe. Insbesondere beim Scheitern der

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Das System der Konkordatsehe in Italien: Entwicklung und aktuelle Probleme der Kooperation zwischen Staat und katholischer Kirche [1 ed.]
 9783428512324, 9783428112326

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MARCUS WALDMANN

Das System der Konkordatsehe in Italien

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen flerausgegeben von Otto Depenheuer· Alexander flollerbach . Josef Isensee Joseph List! . Wolfgang Loschelder . flans Maier· Paul Mikat Stefan Muckel . Wolfgang Rüfner . Christian Starck

Band 41

Das System der Konkordatsehe in Italien Entwicklung und aktuelle Probleme der Kooperation zwischen Staat und katholischer Kirche

Von

Marcus Waldmann

Duncker & Humblot . Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

05 Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7247 ISBN 3-428-11232-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 €)

Vorwort Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einem durchaus nicht alltäglichen Rechtsproblem der italienischen Jurisprudenz. In Italien führt die kirchliche Trauung noch heute regelmäßig zu einer zivilrechtlich gültigen Ehe. Insbesondere beim Scheitern der Ehe führt das Nebeneinander der kanonischen und der staatlichen Rechtsordnung zu partiellen Friktionen, da dem kanonischen Recht und vor allem der kirchlichen Gerichtsbarkeit durch die Konkordate von 1929 und 1984 im Bereich des Eherechts ein nicht unwesentlicher Einfluß zuerkannt worden ist. Eine entscheidende Frage hierbei ist, wie weit die Zuständigkeiten der kirchlichen und staatlichen Gerichte bei der Frage der Nichtigkeit solcher Ehen reichen und wie sie voneinander abzugrenzen sind. Dieser und anderen hiermit im Zusammenhang auftretenden Fragen geht die Arbeit in ihren zentralen Teilen nach. Die Arbeit wurde in der vorliegenden Fassung im Februar 2002 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Die Affinität des Verfassers zum italienischen Recht geht zurück auf ein Seminar zum italienischen Familienrecht im Rahmen eines Auslandssemesters an der Universität Siena im Jahre 1994. Die dortigen Erfahrungen konnten einige Zeit später in Bonn anläßlich eines Seminars zu Fragen des nichtehelichen Zusammenlebens in Italien bei meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Robert Battes, vertieft werden. Zu danken habe ich daher an erster Stelle ihm, Herrn Prof. Dr. Robert Battes, der die vorliegende Arbeit angeregt, ihre Verwirklichung mit zahlreichen wertvollen Ratschlägen begleitet und das Erstvotum erstellt hat. Mein Dank gilt zudem Herrn Prof. Dr. Dr. Christoph Grabenwarter für die Erstellung des Zweitvotums sowie den Herren Prof. Dr. Wolfgang Rüfner und Prof. Dr. Josef Isensee für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Staatskirchenrechtlichen Abhandlungen. Zahlreiche Anregungen verdanke ich ferner Dr. Monica Callegari, Rechtsanwältin in Mailand, die mir die Augen für viele Besonderheiten des italienischen Rechtssystems geöffnet hat. Danken möchte ich auch den Bibliotheken der Universitäten in Siena und Köln sowie dem Kölner Maternushaus, in deren Archiven ich den Großteil der für die Untersuchung verwendeten Dokumente finden konnte.

Vorwort

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Mein Dank gilt schließlich meiner Mutter, Mechthild Waldmann, sowie Dipl.-Ing. Dorothe Eilers, Ute Pleger, Dr. Amd Haller und Burkhard Jakob, die allesamt durch ihre Unterstützung wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Hamburg, im Juli 2003

Marcus Waldmann

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Erstes Kapitel

Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts I. Die Ehe als Gegenstand rechtlicher Ordnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien. . . .. 1. Das Imperium Romanum und die Anfänge des Christentums. . . . . . . . .. 2. Entwicklung von der ausgehenden Antike bis zum Ende des Mittelalters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. 3. Die Entwicklung des neuzeitlichen Eherechts bis zum Jahre 1929 ..... a) Italien unter Napoleon. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Der Codice civile deI Regno d'ltalia von 1865 ....... . . . . . . . . . . . . c) Der Codex Iuris Canonici von 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Die Lateranverträge von 1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Art. 34 des Konkordats von 1929 .............................. b) Das Gesetz über die akatholischen Religionsgemeinschaften. . . . . . .. 5. Die Entwicklung des staatlichen und kirchlichen Rechts seit 1929 . . . .. a) Die Änderungen des Codice civile von 1939, die neue italienische Verfassung von 1948 und das 2. Vatikanische Konzil. . .. . . . . .. . . .. b) Das Scheidungsgesetz von 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Die Familienrechtsreform von 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Der neue Codex Iuris Canonici von 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6. Der Weg zur Revision des Konkordats ............................. a) Entscheidungen der 70er Jahre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Revisionsentwürfe der 70er und 80er Jahre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Entscheidungen der Corte costituzionale aus dem Jahre 1982....... d) Weitere Revisionsentwürfe und endgültige Fassung ............... e) Art. 8 des revidierten Konkordats von 1984 ..................... 7. Die Entwicklung des Eherechts seit 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Vereinbarungen mit anderen Religionsgemeinschaften . . . . . . . . . . . .. b) Die Novellierung des Scheidungsgesetzes im Jahre 1987........... c) Die Entscheidungen des Jahres 1993 ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. d) Das Gesetz über die Reform des italienischen IPR aus dem Jahre 1995.........................................................

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Inhaltsverzeichnis

III. Das geltende Eherecht Italiens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Möglichkeiten der Eheschließung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Wahlzivilehe nach den Art. 93 ff. c.c. .......................... b) Akatholische Eheschließung nach Art. 83 c.c. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Eheschließung nach den Vereinbarungen gemäß Art. 8 Cost. . . . . . .. d) Die Konkordatsehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Nur kanonische Ehen nach dem CIC . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. 2. Möglichkeiten der Auflösung im weiteren Sinne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Ehetrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Kanonisches Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Staatliches Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Ehescheidung................................................. 3. Nichtigkeit der Ehe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Nichtigkeitsregelungen des kanonischen Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Nichtigkeitsregelungen des staatlichen Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Nichtigkeit der Konkordatsehe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Besonderheiten im Rahmen der Eheschließungen nach den Vereinbarungen gemäß Art. 8 Cost. und der weiteren anerkannten Religionsgemeinschaften ..........................................

47 47 47 48 48 48 49 49 49 50 50 51 52 52 52 53

IV. Zusammenfassung...................................................

54

54

Zweites Kapitel

Das System der Konkordatsehe I. Einführung.........................................................

56

H. Das System der Konkordatsehe von 1929. . . . . . . .. . .. . . . .. . . . .. . . . . . . .. 1. Die Eheschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Ehevorbereitung und Ehevoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Kanonische Ehehindernisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Aufgebot und "Nulla osta" . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Konsenserklärung und mögliche Mängel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Die Transkription. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Transkriptionshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Sofortige und verspätete Transkription. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Transkriptionsanfechtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Sonderformen der Eheschließung und Möglichkeiten der Transkription . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Im Ausland geschlossene kanonische Ehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Beendigung der Konkordatsehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Regelungen über die Auflösung der Ehe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Unauflösbarkeit einer vollzogenen Ehe zwischen Getauften. . .. bb) Auflösung nichtvollzogener Ehen zwischen Getauften. . . . . . . ..

57 57 58 58 60 62 63 64 65 67 67 68 69 69 70 70

Inhaltsverzeichnis

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cc) Auflösung von Ehen Ungetaufter . . . .. . . . . . . . . . .. .. . ... . . . .. b) Die persönliche Trennung der Ehegatten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Die Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe. . 3. Die Nichtigkeit der Konkordatsehe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die Zuständigkeit der Kirchengerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Verfahren bei Nichtigerklärung der Ehe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Das kanonische Ehenichtigkeitsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Anerkennung durch das staatliche Gericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Zivilrechtliche Behandlung der "retractatio" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Zur Anerkennung ausländischer Nichtigkeitsurteile. . . . . . . . . . . . . . ..

70 71 73 75 76 77 77 78 80 81

III. Das System nach der Revision des Konkordats von 1984 . . . . . . . . . . . . . . .. 82 1. Änderungen im Bereich der Eheschließung ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 83 a) Ehevorbereitung und Ehevoraussetztungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 84 b) Konsenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 85 c) Transkriptionsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 86 aa) Zu den Transkriptionshindernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 87 bb) Zur verspäteten Transkription. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 89 cc) Transkriptionsanfechtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 90 d) Sonderformen der Eheschließung und Möglichkeiten der Transkription sowie im Ausland geschlossene kanonischen Ehen. . . . . . . . . . .. 90 2. Änderungen bei der Beendigung der Konkordatsehe. . .. . . . . . . . . . . . . .. 91 a) Auflösung der Konkordatsehe . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 91 b) Persönliche Trennung und Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen.......................................................... 92 3. Änderungen betreffend die Nichtigkeit von Konkordatsehen. . . . . . . . . .. 93 a) Die Zuständigkeitsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 93 b) Verfahren bei Nichtigerklärung der Ehe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 94 aa) Neuerungen im kanonischen Ehenichtigkeitsverfahren . . . . . . . .. 94 bb) Anerkennung durch das staatliche Gericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 95 c) Weitere Kompetenzen der Zivilgerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 96 IV. Zusammenfassung...................................................

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Drittes Kapitel

Zur Frage der Zuständigkeit I. Einführung.........................................................

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1I. Die Zuständigkeitsregelungen in den Konkordaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 100 III. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage nach der Revision des Konkordats ............................................................ 102 1. Die These vom Weiterbestehen der ausschließlichen Gerichtsbarkeit der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103 a) Argumente der grammatischen Auslegung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103

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Inhaltsverzeichnis aa) "Der" zuständige Richter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hinweis auf die "Besonderheit des kanonischen Rechts" . . . . . . . b) Argumente der systematischen Auslegung ........................ aa) Keine stillschweigende Änderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Zur Delibation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zum Verbot der Nachprüfung in der Sache ................... c) Argumente der teleologischen Auslegung ........................ d) Übergeordnete Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Zwischenergebnis ............................................. 2. Die These der konkurrierenden Gerichtsbarkeit von Staat und Kirche .. a) Argumente der grammatischen Auslegung ....................... aa) "Der" zuständige Richter. .................................. bb) Zur "Besonderheit des kanonischen Rechts" .................. b) Argumente der systematischen Auslegung ..................... . .. aa) Art. 13 des revidierten Konkordats ............. . ........... bb) Zur Delibation .................................. . ......... cc) Zum Verbot der Nachprüfung in der Sache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur Historie der Revisionsentwürfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Argumente der teleologischen Auslegung ........................ d) Übergeordnete Prinzipien ...................................... aa) Rechtsprechungsmonopol des Staates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Schutz der Religionsfreiheit der Nichtkatholiken .............. cc) Rechtsschutzgarantie des Art. 24 Cost. ..................... . e) Zwischenergebnis ............................................. 3. Vermittelnde Ansätze .............................................

104 104 105 105 106 106 107 108 110 110 110 110 111 111 111 112 113 113 114 115 115 115 116 116 116

IV. Die Entscheidungen der Corte di Cassazione und der Corte costituzionale aus dem Jahre 1993 und ihre Folgen .................................. 1. Die Entscheidung 1824/1993 der Corte di Cassazione. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reaktionen der Literatur. ......................................... 3. Die Entscheidung 421/1993 der Corte costituzionale ................. 4. Reaktionen der Literatur .......................................... 5. Die Rechtsprechung nach den Entscheidungen von 1993 ..............

118 118 121 121 123 123

V. Probleme im Rahmen der Konkurrenzlösung ........................... 1. Die Bestimmung der konkreten Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Anwendbares Recht bei originärer Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ........................................................... 3. Konkurrenzlösung aus Sicht des Kirchenrechts ......................

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VI. Eigene Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zu den Argumenten der grammatischen Auslegung .................. 2. Zu den Argumenten der systematischen Auslegung .................. a) Zum Schweigen des Textes und zu Art. 13 des revidierten Konkordats .........................................................

128 128 129

126 128

129

Inhaltsverzeichnis

11

b) Zur Delibation . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . .. .. . c) Zum Verbot der Nachprüfung in der Sache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zur Historie der Revisionsentwürfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zu den Argumenten der teleologischen Auslegung ................... 4. Zu den Argumenten im Rahmen der übergeordneten Prinzipien ...... . 5. Lösungsvorschlag ................................................

130 131 131 131 132 133

VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Viertes Kapitel Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

I. Einführung........................................................ . 136 11. Allgemeine Voraussetzungen der staatlichen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . .. 1. Anwendbarkeit der Art. 64 ff. des IPR-Gesetzes .................... 2. Voraussetzungen für die Anerkennung gemäß Art. 64 des IPR-Gesetzes a) Art. 64 Nr. la) des IPR-Gesetzes und Art. 8 Nr. 2a) .............. b) Art. 64 Nr. Ib) und c) des IPR-Gesetzes sowie Art. 8 Nr. 2b) ..... c) Art. 64 Nr. Id) des IPR-Gesetzes und Art. 4 b) Nr. 2 des Zusatzprotokolls .................................................... d) Art. 64 Nr. le), f) und g) des IPR-Gesetzes .....................

136 137 138 138 139

III. Staatliche Anerkennung und Grenzen des ordre public ................... 1. Konkretisierung des ordre public-Vorbehalts ......................... 2. Auswirkungen auf die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nichtigkeit aufgrund einseitiger Simulation des Konsenses ............ a) Vorrang des Gutglaubensschutzes ............................... b) Bedeutung des ehelichen Zusammenlebens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachweis der Nichtkenntnis der Simulation ......................

140 141

IV. Zur Konkurrenz kirchlicher und staatlicher Urteile und Verfahren ......... 1. Einführung...................................................... 2. Art. 64 Nr. le) des IPR-Gesetzes ................................. a) Verhältnis von kanonischer Nichigkeitsfeststellung und Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen ................................. aa) Zur Relevanz dieses Verhältnisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Behandlung dieser Fallkonstellation ......................... cc) Neue Linie des Kassationshofes ............................. b) Weitere Fälle des Art. 64 Nr. le) des IPR-Gesetzes ............... 3. Art. 64 Nr. If) des IPR-Gesetzes - Anerkennungsverfahren und Anhängigkeit eines Verfahrens vor staatlichen Gerichten ................... 4. Verhältnis kirchlicher und staatlicher Verfahren zueinander ............

140 140

142 144 144 145 146 147 147 148 148 148 150 152 154 155 157

V. Weitere Probleme im Rahmen der staatlichen Anerkennung .............. 158 1. Behandlung der "retractatio" ...................................... 158

12

Inhaltsverzeichnis 2. Möglichkeiten der inzidenten Anerkennung der kirchlichen Entscheidungen ......................................................... 158

VI. Zusammenfassung ................................................... 159 Fünftes Kapitel Ausblick auf die weitere Entwicklung

161

I. Ein neues Ehegesetz ................................................. 162 H. Verbindliche Entscheidung der Corte costituzionale ..................... 163 III. Schlußbetrachtung ................................................... 163 Anhang ............................................................... Art. 34 des Konkordats vom 11. Februar 1929 ......................... Art. 8 der Vereinbarung vom 18. Februar 1984 ......................... Art. 4 a) und b) des Zusatzprotokolls - in Bezug auf Art. 8 ............. Art. 64 des Gesetzes über die Reform des italienischen Systems des internationalen Privatrechts vom 31. Mai 1995 .............................

165 165 165 167 167

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Sachwortregister ...................................................... 183

Abkürzungsverzeichnis AAS Abs. Anm. App. Aufl. Art. Bd. c.lcc. Cass. c.c. CIC Corte cost. Cost. C.p.c. ders.ldies. DEuFamR Dir.eccl. Dir.fam. Diss. ebda. f./ff. FamRZ Fn. Foro it. FS FuR Giur.cost. Giust.civ. G.U. Guir.it. HdbStKR lus eccl. IPR IPRax JBI JbitalR

Acta Apostolicae Sedis Absatz Anmerkung Corte di Appello Auflage Artikel Band Canon, Canones Corte di Cassazione Codice civile Codex luris Canonici Corte costituzionale Cositituzione della Repubblica Italiana Codice di procedura civile derselbe/dieselben Deutsches und Europäisches Familienrecht 11 diritto ecclesiastico 11 diritto di famiglia e delle persone Dissertation ebenda folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote 11 Foro italiano Festschrift Familie und Recht Giurisprudenza costituzionale Giustizia civile Gazzetta Ufficiale della Repubblica Italiana Giurisprudenza italiana Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland lus ecclesiae Internationales Privatrecht Zeitschrift für internationales Privat- und Verfahrensrecht Juristische Blätter Jahrbuch für italienisches Recht

14 JböffR KuR n. Nr. Nuova giur.civ.comm. Nuove Leggi civ.comm. prel. Quad.dir. pol.eccl. RabelsZ Riv.dir.civ. Riv.dir.proc. Riv.trim.dir.proc.civ. sez. unite

S.

sog. StAZ suppl. ord. ThQ Trib. u.a. Verf. vgl.

Abkürzungsverzeichnis Jahrbuch für öffentliches Recht Kirche und Recht numero Nummer La nuova giurisprudenza civile commentata Le nuove leggi civile commentate disposizioni preliminari Quaderni di diritto e politica ecclesiastica Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rivista di diritto civile Ri vista di diritto processuale Rivista trimestrale di diritto e procedura civile sezioni unite Seite sogenannte/r Das Standesamt supplemento ordinario Theologische Quartalsschrift Tribunale unter anderem Verfasser vergleiche

Einleitung Das Eherecht der meisten westeuropäischen Staaten zeichnet sich heute durch die Besonderheit aus, daß neben dem staatlichen Eherecht verschiedene religiöse Eherechte existieren, welche zum Teil vom staatlichen Recht abweichende Regelungen enthalten 1. Entsprechend dem umfassenden Kompetenzanspruch des modemen Staates erkennen einige der staatlichen Rechtsordnungen Westeuropas heute jedoch allein den nach staatlichem Eherecht geschlossenen Ehen die volle bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit zu 2 • Zu diesen Staaten mit dem System der obligatorischen Zivilehe zählen neben Deutschland und Frankreich die Benelux-Länder sowie Österreich, die Schweiz und Liechtenstein3 .

In den meisten übrigen Staaten Westeuropas können sowohl staatliche als auch religiöse Eheschließungen bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit erlangen4 , wobei es innerhalb dieses Systems der fakultativen Zivilehe wiederum zwei grundverschiedene Varianten gibt5 . So besteht in den überwiegend protestantischen Staaten Skandinaviens und im anglikanischen Großbritannien eine Wahlmöglichkeit allein hinsichtlich der - religiösen oder zivilen - Form der Eheschließung. Das materielle staatliche Recht gilt hier in jedem Fa1l6 . In einigen westeuropäischen Staaten mit überwiegend kathoI Umfassende systematische Darstellungen der religiösen Eherechte finden sich bei Prader, Das religiöse Eherecht, S. 9 ff. sowie bei Schejtelowitz, Das religiöse Eherecht im Staat, S. 5 ff. 2 Vgl. hierzu grundlegend CoesteriCoester-Waltjen, Formation of marriage, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Volume IV, Chapter 3, S. 3 ff., 95 ff.; Puza, Katholisches Kirchenrecht, S. 322. 3 Vgl. zur Rechtslage in diesen Staaten Mantuano, Rilevanza dei matrimonio religioso negli stati delI 'unione europea. Parte Prima: Sistemi matrimoniali a confronto: matrimonio civile obbligatorio e facoltativo, S. 89 ff. 4 Anders ist die Situation nur noch in Andorra und in der Vatikanstadt, welche gemessen an der Zahl der Eheschließungen jedoch kaum ins Gewicht fallen. In beiden Staaten gilt ausschließlich das kanonische Eherecht. 5 Vgl. Neuhaus, Ehe und Kindschaft in rechtsvergleichender Sicht, S. 55 f., der Autor unterscheidet einen englischen und einen römischen Typus; Prader, Il matrimonio nel mondo, S. 9, spricht von einem "tipo anglosassone" und einem "ti po matrimonio cattolico concordatario". 6 Vgl. Mantuano, Rilevanza dei matrimonio religioso negli stati dell'unione europea. Parte Prima: Sistemi matrimoniali a confronto: matrimonio civile obbligatorio e facoltativo, S. 189 ff.; Prader, Il matrimonio nel mondo, S. 9 ff.

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Einleitung

lischer Bevölkerung, namentlich in Spanien, Portugal und Italien dagegen umfaßt das System der fakultativen Zivilehe mehr als nur die Wahl der Eheschließungsform. In diesen Ländern konnte sich das kanonische Recht bis heute mit seinem Anspruch behaupten, zumindest Teile des vom staatlichen Recht abweichenden materiellen und prozessualen Eherechts des Codex Iuris Canonici als auch für die jeweilige staatliche Rechtsordnung verbindlich festzuschreiben 7 . In Italien, dessen Verhältnis zum kanonischen Eherecht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, hatte man sich - nach mehr als einem Jahrhundert intensiver Kompetenzkonflikte zwischen Staat und Kirche 8 - im Konkordat des Jahres 1929 auf die Einführung der fakultativen Zivilehe verständigt, wobei der Vatikan dem italienischen Staat weitreichende Konzessionen abringen konnte 9 . So hatte Italien im Konkordat von 1929 nicht nur dem "vom kanonischen Recht geordneten Sakrament der Ehe" die zivilrechtlichen Wirkungen zuerkannt, sondern den kirchlichen Gerichten auch die Rechtsprechungsgewalt über die Gültigkeit der kanonischen Ehen eingeräumt lO . Das Zugeständnis einer eigenständigen Gerichtsbarkeit erwies sich später als einer der problematischen Aspekte des Konkordats, da die kirchlichen Gerichte im Rahmen der durch das Konkordat vorgeschriebenen Gültigkeitsprüfung allein die Bestimmungen des kanonischen Rechts zugrunde zu legen hatten, welche durchaus nicht in allen Punkten mit den entsprechenden Regelungen des staatlichen italienischen Rechts übereinstimmten und die staatliche Anerkennung dieser kirchlichen Entscheidungen ohne eine eingehende Überprüfung erfolgte. Im Jahre 1982 erklärte denn auch die Corte costituzionale - unter anderem aus dem eben angesprochenen Grunde - wesentliche Teile des Konkordats von 1929 für verfassungswidrig ll . Im Zuge der damit notwendig gewordenen Revision kam es im Jahre 1984 auch zu einer Neufassung des die kirchliche Rechtsprechung betreffenden Passus 12. 7 Hierzu ist allerdings anzumerken, daß die katholische Kirche im Laufe der letzten Jahrzehnte auf dem Gebiet des Eherechts auch in den drei genannten Ländern an Einfluß verloren hat. Zur heutigen Situation in Spanien vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. X, S. 9 ff., zu Portugal ebda., Bd. IX, S. 8 ff. 8 Vgl. zur historischen Entwicklung des Eherechts 1. Kapitel, 11. 9 Das gesamte Konkordat von 1929 ist - in italienischer und deutscher Sprache abgedruckt bei Schöppe, Konkordate seit 1800, S. 172 ff. 10 Vgl. hierzu Art. 34 des Konkordats von 1929, eine deutsche Übersetzung findet sich im Anhang dieser Arbeit. 11 Vgl. Carte cast. 2 febbraio 1982 n. 17 und 18, DirJam. 1982, 326 ff. 12 Das neue Konkordat regelt diese und alle anderen eherechtlichen Fragen in Art. 8, eine deutsche Übersetzung dieses Artikels findet sich im Anhang dieser Arbeit.

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Da im revidierten Konkordat nicht mehr explizit von einer ausschließlichen Gerichtsbarkeit der Kirche in Fragen der Nichtigkeit der Ehe die Rede ist, entstand nun eine neue Kontroverse um die Frage, ob eine solche überhaupt noch bestehe oder ob nicht vielmehr von einer konkurrierenden Gerichtsbarkeit des italienischen Staates auszugehen sei\3. Diese nach der Konkordatsrevision von 1984 entbrannte und durch gegensätzliche Entscheidungen der beiden obersten italienischen Gerichte 14, der Corte Suprema di Cassazione 15 und der Corte costituzionale1 6 aus dem Jahre 1993 zugespitzte und bis zum heutigen Tage fortbestehende Kontroverse um die Zuständigkeit für die Beurteilung der Gültigkeit der nach den Regelungen des Konkordats geschlossenen Ehen, die daraus unmittelbar resultierenden Folgeprobleme sowie ein möglicher Lösungsansatz bilden den Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Einen weiteren, von der Frage der Zuständigkeit unabhängigen Schwerpunkt bilden zwei Problemfelder, die durch die im Rahmen der Konkordatsrevision erfolgte drastische Verschärfung der staatlichen Anerkennungsvoraussetzungen für die kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen wesentlich an Bedeutung gewonnen haben 17. Es handelt sich dabei zum einen um die Frage nach Reichweite und Grenzen des italienischen ordre public bei der staatlichen Anerkennung der kirchlichen Entscheidungen, zum anderen um das Problem der Konkurrenz kirchlicher und staatlicher Urteile und Verfahren in konkordatären Eheangelegenheiten im allgemeinen. Alle drei Kontroversen sind symptomatisch für den bis heute fortdauernden Konflikt des italienischen Staates einerseits und der katholischen Kirche andererseits um Reichweite und Grenzen der dem anderen zugestandenen Kompetenzen auf dem Gebiet des Eherechts, welcher seinen Ursprung im Zusammentreffen des frühen Christentums mit dem Römischen Reich findet und seither zu allen Zeiten mit relativ konstanter Intensität ausgetragen worden ist. Die herausragende Bedeutung der Regelungen über die Konkordatsehe im Rahmen des italienischen Eherechts ergibt sich aus der schlichten Tatsache, daß wegen der historisch begründeten tiefen Verankerung des Katho13 Vgl. BatteslKorenke, Entwicklungstendenzen des Familienrechts im Ausland zu einem Jahresbericht, FuR 1996, 196. 14 Vgl. zur italienischen Gerichtsorganisation Kindler, Einführung in das italienische Recht, S. 61 ff. 15 Es handelt sich um die Entscheidung Cass. 13 febbraio 1993 n. 1824, Dir.fam. 1993, 109 ff. 16 Hierbei handelt es sich um die Entscheidung Corte cost. 1 dicembre 1993 n. 421, Dir.fam. 1993,960 ff. 17 Vgl. zu den Anerkennungsvoraussetzungen im einzelnen die deutsche Fassung des Art. 8 des revidierten Konkordats im Anhang dieser Arbeit. 2 Waldmann

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lizismus in Italien noch heute etwa achtzig Prozent aller Ehen nach den Vorschriften des Konkordats geschlossen werden 18 . Wenn auch die Einführung der fakultativen Zivilehe in Deutschland kaum zu erwarten ist 19 , so können sich aus den Erfahrungen des italienischen Nachbarn im Umgang mit dem Recht der katholischen Kirche und mit ihren Mitgliedern jedenfalls wertvolle Anhaltspunkte für eine Lösung der auch hierzulande bestehenden Ungereimtheiten im Verhältnis zwischen zivilem und kirchlichem Eherecht ergeben2o • Hierbei ist insbesondere an die Problematik der Anerkennung religiöser Entscheidungen durch staatliche Gerichte zu denken21 • Vor allem aber wird die fortschreitende europäische Einigung auch das Verhältnis von Staat und Kirche in weiten Teilen dieses Kontinents beeinflussen 22 . So wird etwa in Italien schon seit längerem ein vergleichendes Staatskirchenrecht betrieben, welches sich mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der europäischen Regelungen auf diesem Gebiet befaßt. Erkennbar ist dabei die Tendenz, die Verhältnisse im Wege der Kooperation, durch Verträge und Vereinbarungen mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften zu ordnen. Hierfür bietet das italienische Recht ein anschauliches Beispiel23 . An geeigneter Stelle sollen daher auch Hinweise auf die Vereinbarungen gegeben werden, welche der italienische Staat neben den beiden Konkordaten mit der katholischen Kirche in jüngerer Zeit mit zahlreichen anderen Religionsgemeinschaften geschlossen hat. Die Darstellung beginnt mit einigen grundlegenden Erörterungen zum italienischen Eherecht. Neben einer knappen Skizzierung der historischen Ent18 Nach den Angaben des Annuario Statistico Italiano 1998 wurden im Jahre 1996 in Italien 272.049 Ehen geschlossen, 210.671 dieser Ehen nach religiösem Recht, wobei in diesem Bereich die Konkordatsehe die mit weitem Abstand wichtigste Form der Eheschließung darstellt. 19 Vgl. hierzu Grandpierre, Die Kontrolle der materiellen Eheschließungsvoraussetzungen durch das formelle Eheschließungsrecht, S. 151 ff. 20 Vgl. zu diesem Aspekt Bosch, Staatliches und kirchliches Eherecht, bei welchem im Vorwort von einem "teilweise ganz und gar unbefriedigenden Zustand der deutschen Eherechtsgesetzgebung" die Rede ist, sowie S. 84, wo es heißt, daß "Italien (... ) weithin als Vorbild für andere Länder angesehen werden kann, was insbesondere das Verhältnis zwischen zivilem und kirchlichem Eherecht anbetrifft". 21 Vgl. hierzu Jayme, Religiöses Recht vor staatlichen Gerichten, S. 14 ff. sowie die Besprechung bei Battes, DEuFamR 2000, 191. 22 Vgl. zu dieser Entwicklung ausführlich Puza/Kustermann, Staatliches Religionsrecht im europäischen Vergleich, S. 7 ff. sowie Turowski, Staatskirchenrecht der Europäischen Union?, KuR 1995, 140 ff. Zum "Übereinkommen der Europäischen Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ehesachen" vom 28. Mai 1998 vgl. Jayme/Kohler, Europäisches Kollisionsrecht 1998: Kulturelle Unterschiede und Parallelaktionen, IPRax 1998,419 f. 23 Vgl. Puza, Europa ohne Grenzen - und die Kirche?, ThQ (173) 1993,9 ff.

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wicklung und einer Schilderung des derzeit in Italien geltenden Eheschließungs- und -aufhebungsrechts soll dabei vor allem ein Überblick über die Entstehung und heutige Struktur des Systems der Konkordatsehe gegeben werden 24 • Im Hauptteil der Arbeit werden sodann zum einen die unterschiedlichen Positionen bezüglich der oben beschriebenen Zuständigkeitsfrage, zum zweiten die Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen sowie zum dritten die Konkurrenzproblematik eingehend untersucht und die aus ihnen folgenden Konsequenzen erörtert. Dabei sollen - soweit möglich - Wege zur Regelung der Konflikte aufgezeigt werden, welche die jeweils zu den Problemen vertretenen unterschiedlichen Positionen angemessen berücksichtigen.

24 Einen relativ aktuellen allgemeinen Überblick über das italienische Eherecht bieten neben der bereits älteren Darstellung von Grunsky, Italienisches Familienrecht (1978) der Abschnitt Familienrecht bei Kindler, Einführung in das italienische Recht (1993), S. 105 ff. sowie Luther, Italienisches Familienrecht, JbitalR, Bd. 7 (1994), S. 3 ff. 2*

Erstes Kapitel

Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts I. Die Ehe als Gegenstand rechtlicher Ordnungen In ihren Anfängen war die Ehe zunächst eher ein gesellschaftliches Faktum als ein Gegenstand bewußter Rechtsgestaltung l . Da diese Art der Verbindung aber von Beginn an eine rechtliche Anerkennung erfuhr, sind Ehe und Recht seit jeher als untrennbar miteinander verbunden anzusehen 2 .

Aufgrund der Tatsache, daß zu Beginn der Entwicklung erster rechtlicher Strukturen für den Bereich der Ehe staatliche und religiöse Autoritäten noch nicht klar voneinander zu unterscheiden waren, müssen die Wurzeln der normativen Elemente der Ehe sowohl im kirchlichen als auch im staatlichen Bereich vermutet werden 3 . Seitdem werden Rechtsvorschriften zur Ordnung der Ehe als ein zentrales Element der menschlichen Gesellschaftsund Sozialordnung sowohl von staatlichen als auch von religiösen Gesetzgebern erlassen4 . Da weltliche und kirchliche Autoritäten im Verlauf der Geschichte durchaus unterschiedliche Vorstellungen von der rechtlichen Ausgestaltung des Instituts der Ehe entwickelten, kam es für deren jeweilige Durchsetzbarkeit maßgeblich auf das tatsächliche Kräfteverhältnis zwischen Staat und Kirche ans. Die Frage, wer von beiden in welchem Umfang berechtigterweise die Kompetenz zur Regelung des Eherechts und insbesondere zur Jursidiktion über dieses Rechtsverhältnis für sich beanspruchen kann, ist in Italien auch heute noch umstritten. Sie bildet den Ausgangspunkt für die im Laufe die1 Vgl. hierzu Kaser, Das Römische Privatrecht, Erster Abschnitt: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht, S. 71 ff. 2 Der Begriff "Ehe" bedeutete im Althochdeutschen soviel wie "Gesetz" und "Bund", vgl. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer I, S. 578 ff.; zum ursprünglichen Verhältnis von Ehe und Recht vgl. Müller-Freienjels, Ehe und Recht, S. 1 ff. 3 Vgl. Pirson, Staatliches und kirchliches Eherecht, HdbStKR Bd. I, S. 788; Hillmann, Die Entwicklung christlicher Ehestrukturen, Concilium 1970, S. 315 f. 4 Zur Entwicklung des religiösen Eherechts in der Staatengeschichte allgemein vgl. ScheJtelowitz, Das religiöse Eherecht im Staat, S. 63 ff. 5 Vgl. hierzu Landau, Die Bedeutung des kanonischen Rechts für die Entwicklung einheitlicher Rechtsprinzipien, in: Scholler, Die Bedeutung des kanonischen Rechts für die Entwicklung einheitlicher Rechtsprinzipien, S. 23 ff.

11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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ser Arbeit zu untersuchende Zuständigkeits- und Anerkennungsproblematik. Da die gesamte Thematik nur unter Beachtung der historischen Zusammenhänge sinnvoll erörtert werden kann, soll die Entwicklung des weltlichen und kirchlichen Eherechts in Italien6 im folgenden grob skizziert werden 7 .

11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien 1. Das Imperium Romanum und die Anfänge des Christentums

Um die Mitte des 3. Jahrhunderts vor Christi Geburt stand ganz Mittelund Unteritalien unter der Herrschaft Roms 8 . Zu dieser Zeit war die Ehe nach römischer Anschauung eher ein "tatsächliches Verhältnis mit rechtlichen Rückwirkungen,,9 als ein echtes Rechtsverhältnis. Ihre Anerkennung setzte lediglich den Willen der Partner zu einer lebenslangen, monogamen und in häuslichem Zusammenleben verwirklichten Gemeinschaft voraus 10. Gemäß dem Wesen der Ehe als faktischem, privatem Vorgang war eine förmliche Bestätigung dieses Willens nicht erforderlich. Eine Scheidung war beim Wegfall des nötigen Willens durchaus möglich und weder an rechtliche Gründe oder Formen gebunden noch gerichtlicher Nachprüfung unterworfen 11 . Neben diese römische Eheauffassung traten in der ausgehenden Antike die ersten christlichen Vorstellungen, ohne daß zu dieser Zeit schon ein systematisches kirchliches Eherecht bestanden hätte 12. Während es im Bereich der Eheschließung keine größeren Differenzen gab, da auch die Christen den Konsens der Partner als wesentliche Voraussetzung für die Einge6 Der Name "Italia" bezeichnete ursprünglich nur den Südwesten der Halbinsel, also das heutige Kalabrien, später dann das gesamte Gebiet bis zu den Alpen, vgl. hierzu DulckeitlSchwarz, Römische Rechtsgeschichte, S. 18. Den Vorläufer der heutigen Republik Italien bildete das im Jahre 1861 durch Victor Emanuel 11. ausgerufene Königreich Italien, zu dem 1866 Venetien und 1870 Rom und die Reste des Kirchenstaates hinzukamen. 7 Zur Notwendigkeit der Berücksichtigung der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung vgl. Schwind, Studien zum Eherecht, JBl 1946, 285. 8 Vgl. zur Frühzeit Roms DulckeitlSchwarz, Römische Rechtsgeschichte, S. 19 f. 9 Zum "matrimonium liberum" des klassischen Rom vgl. Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 4 ff.; Kaser, Römisches Privatrecht, S. 259. 10 Vgl. Kaser, Römisches Privatrecht, S. 257. II Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht, Erster Abschnitt: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht, S. 81 ff. 12 Vgl. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. I, S. 89, zur theologischen Bedeutung der Ehe vgl. Neumann, Grundriß des katholischen Kirchenrechts, S. 279.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

hung einer Ehe ansahen 13 , unterschieden sich die römische und die christliche Auffassung hinsichtlich der Beendigung der Ehe grundlegend: eines der wesentlichen Kennzeichen der christlichen Ehe war nämlich von Beginn an deren prinzipielle Unauflöslichkeit, die in krassem Widerspruch zu der beschriebenen römischen Auffassung stand 14 . Bevor aber an eine Konkurrenz der kirchlichen mit den römischen Regelungen zu denken war, sahen sich die Christen zunächst zahlreichen Verfolgungen seitens der römischen Machthaber ausgesetzt, welche erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts nach Christi Geburt ein Ende fanden 15 . 2. Entwicklung von der ausgehenden Antike bis zum Ende des Mittelalters Mit der Bekehrung Kaiser Konstantins I. 16 zum Christentum im Jahre 312 und dem anschließenden Erlaß des Toleranzedikts von Mailand im Februar des Jahres 313 begann der Aufstieg des Christentums 17 , welcher mit der Erhebung zur Reichsreligion durch Kaiser Theodosius 18 im Jahre 380 einen ersten Höhepunkt fand 19. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Kirche zur weltlichen Herrschaft war die Publikation der Konstantinischen Schenkung im 9. Jahrhundert. Die Urkunde besagte, daß Kaiser Konstantin I. bei der Verlegung seiner Residenz nach Konstantinopel im Jahre 330 dem römischen Bischof Silvester und dessen Nachfolgern als Dank für die Spendung der Taufe und die Heilung vom Aussatz zum einen die kaiserliche Gewalt, kaiserliche Würde und die kaiserlichen Insignien verliehen, zum anderen die Herrschaft über Rom, Italien und das ganze Abendland überlassen habe 2o . Daß es sich bei dieser Urkunde in Wirklichkeit um eine zwischen 750 und 850 entstandene Fälschung handelte, blieb lange Zeit unentdeckt und tat der kalkulierten Wirkung, nämlich der Legitimation des weltlichen Herrschaftsanspruchs der Kirche, keinerlei Abbruch 21 . Vgl. Neumann, Grundriß des katholischen Kirchenrechts, S. 276. Vgl. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. I, S. 90. Zum prägenden Einfluß der christlichen Lehre auf die römische Eheauffassung im allgemeinen Kaser, Das Römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt: Die nachklassischen Entwicklungen, S. 158 ff., insbesondere zur Eheauflösung, S. 174 ff. 15 Vgl. hierzu Hauschild, Der römische Staat und die frühe Kirche, S. 37 ff. sowie Moreau, Die Christenverfolgung im römischen Reich, S. 26 ff. 16 Konstantin 1., der Große - römischer Kaiser von 30&--337. 17 Vgl. Ziegler, Religion, Kirche und Staat in Geschichte und Gegenwart, S. 124 ff. 18 Theodosius I, der Große - römischer Kaiser von 379-395. 19 Vgl. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. I, S. 118. 20 Vgl. Ziegler, Religion, Kirche und Staat in Geschichte und Gegenwart, S. 209 ff. 13

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11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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Der starke kirchliche Einfluß auf das weltliche Eherecht setzte etwa ein Jahrhundert später mit den Pseudo-Isidorischen Dekretalen ein - einer Sammlung echter und zum Teil wiederum gefälschter rechtlicher Bestimmungen 22 , mit denen das Übergewicht der kirchlichen über die weltliche Macht vollends durchgesetzt werden sollte23 . Zunächst begann die katholische Kirche, die staatliche Autorität im Bereich der Gerichtsbarkeit in Ehesachen zu verdrängen 24 . Hierbei stützte sie sich vor allem auf den nach ihrer Überlieferung sakramentalen Charakter der Ehe 25 . Durch die damit einhergehende Qualifizierung der Ehe als geistliche Angelegenheit wurde die entscheidende Legitimationsgrundlage für die Zuständigkeit der Kirche in diesem Bereich gelegt 26 • Ab dem Beginn des 12. Jahrhunderts kam es dann zu einer völlig eigenständigen kirchlichen Ehegesetzgebung27 , deren Grundpfeiler zunächst das Decretum Gratiani (um 1140), später dann die aus sechs Büchern bestehende Dekretalensammlung des Corpus Iuris Canonici darstellten 28 . In dieser Zeit wurde zum einen die aus dem germanischen Rechtsraum stammende Voraussetzung der copula camalis das zweite konstitutive Element der legitimen christlichen Ehe29 . Zum anderen versuchte man nunmehr in verstärktem 21 Nach ersten Zweifeln an der Echtheit der Urkunde wurde diese bis ins 15. Jahrhundert nicht mehr in Frage gestellt. Dann allerdings konnte die Unechtheit durch historisch-philologische Untersuchungen bewiesen werden. 22 Darunter befand sich auch die Konstantinische Schenkung. 23 Vgl. Ziegler, Religion, Kirche und Staat in Geschichte und Gegenwart, S. 210; Schwind, Studien zum Eherecht, JBl 1946, 287; Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. I, S. 399. 24 Vgl. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. I, S. 399. 25 Das Prinzip der Sakramentalität ist - wie auch das der Unauflösbarkeit - bereits in den Evangelien angelegt, vgl. etwa das Evangelium nach Lukas 16, 18, Markus 10, 9 sowie Matthäus 5, 32 und 19, 9 (Die Verweise beziehen sich auf die im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Luxemburg, von Lüttich und von Bozen-Brixen herausgegebene Einheitsübersetzung der Bibel). Ausdrücklich als eines der sieben Sakramente wurde die Ehe allerdings erst seit dem 11. Konzil von Lyon von 1274 bezeichnet, vgl. zur Sakramentalität der Ehe grundlegend Joyce, Die christliche Ehe. Eine geistes geschichtliche und dogmatische Studie, S. 139 ff. 26 Vgl. hierzu Giesen, Familienrecht, S. 26 f. 27 Vgl. Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 11, S. 305. 28 Neben dem Decretum Gratiani enthielt die Sammlung die Dekretalen Gregors IX. aus dem Jahre 1234, das Liber Sextus Bonifatius' VIII. aus dem Jahre 1298, die Clementinen von 1314, die Extravaganten Johannes' XXII. und die Extravagantes Communes, vgl. hierzu KühnlWeier, Kirchenrecht, S. 37 f.; einen prägnanten Gesamtüberblick über die Geschichte der kirchlichen Rechtsquellen bietet Schwendenwein, Das neue Kirchenrecht, S. 37 ff. 29 Vgl. Neumann, Grundriß des katholischen Kirchenrechts, S. 277 sowie Delhaye, Dogmatische Fixierung der mittelalterlichen Theologie - Sakrament, viculum, ratum et consummatum, in: Concilium 1970, S. 341 f.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

Maße, zu einer öffentlichen und fönnlichen Eheschließung zu kommen, um dem Mißbrauch und der Rechtsunsicherheit entgegenzuwirken, welche durch die zahlreichen heimlichen - also durch den nichtöffentlichen Konsensaustausch der Partner geschlossenen - Ehen entstanden waren 30 . Schwieriger als die Eingehung der Ehe gestaltete sich nach dem kirchlichen Recht ihre vorzeitige Auflösung. Dieser stand ein zweites - oben bereits erwähntes - Grundprinzip der christlichen Ehe entgegen, nämlich das der Unauflösbarkeit des Ehebandes. Neben der Möglichkeit einer faktischen Trennung der Ehegatten bei bleibendem Eheband31 wurden die Folgen dieses Prinzips allerdings bald durch die Einführung einer Vielzahl von Nichtigkeitsgründen abgemildert, bei deren Vorliegen das Nichtbestehen der Ehe festgestellt werden konnte 32 . Der im 12. und 13. Jahrhundert forcierte Ausbau der geistlichen Gerichtsbarkeit führte schließlich im Zusammenhang mit den beiden genannten Grundprinzipien zur vollständigen Vorherrschaft der Kirche auf dem Gebiet des Eherechts, da auf diese Weise die bis dato noch konkurrierende weltliche Rechtsprechung und Gesetzgebung endgültig verdrängt wurden 33 . Rechtlich fixiert wurden die oben genannten Grundzüge des kirchlichen Eherechts erst auf dem Konzil von Trient (1545-1563), in dessen Verlauf die verschiedenen innerkirchlichen Auffassungen, die sich während des beschriebenen Entwicklungsprozesses ergeben hatten, umfassend diskutiert und schließlich einer einheitlichen Lösung zugeführt wurden. So wurde insbesondere mit dem Dekret "Tarnetsi" vom 11. November 1563 erstmals eine bestimmte Fonn der Eheschließung vorgeschrieben, nach welcher der Konsens vor dem Pfarrer und zwei Zeugen ausgetauscht werden mußte 34 . 30 Der Mißbrauch bestand vor allem im Eingehen mehrerer Ehen, der sog. Doppelehen, und dem Eheabschluß trotz des Vorliegens von Ehehindernissen, vgl. Puza, Katholisches Kirchenrecht, S. 344; ausführlich hierzu auch Conrad, Das tridentinische Konzil und die Entwicklung des kirchlichen und weltlichen Eherechts, in: Schreiber, Das Weltkonzil von Trient, Bd. 1, S. 304 f. 31 Vgl. zu den einzelnen Trennungsgründen Plöchl, Geschichte "des Kirchenrechts, Bd. I, S. 401 ff. 32 Vgl. zu den Nichtigkeitsgründen des mittelalterlichen Kirchenrechts ausführlich Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. I, S. 402 f. und Bd. II, S. 312 ff. 33 V gl. Giesen, Familienrecht, S. 26 ff. 34 Die Schwäche des Dekrets bestand jedoch zum einen darin, daß nicht wirklich die Einhaltung der Form verlangt wurde, sondern vielmehr die Nichteinhaltung fortan "lediglich" als trennendes Ehehindernis galt und daß es zudem nur dort Wirksamkeit erlangen sollte, wo es zuvor öffentlich verkündet worden war - was vielerorts aber zunächst nicht geschah. Dennoch erlangte das Dekret im weiteren Verlauf der Entwicklung des Eherechts maßgebende Bedeutung, vgl. Conrad, Das tridentinische Konzil und die Entwicklung des kirchlichen und weltlichen Eherechts, in: Schreiber, Das Weltkonzil von Trient, Bd. 1, S. 306 ff. sowie Große-Boymann, Heiratsalter und Eheschließungsrecht, S. 180 ff.

11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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Mit dem Konzil war der Höhepunkt der Vorherrschaft des kanonischen Eherechts jedoch bereits überschritten, da durch die Reformation sowohl die sakramentale Natur der christlichen Ehe als auch ihre Unauflöslichkeit in Frage gestellt und somit die Grundfesten des oben dargestellten Systems erschüttert waren 35 . 3. Die Entwicklung des neuzeitlichen Eherechts bis zum Jahre 1929 Nachdem es im ausgehenden Mittelalter staatlicherseits zunächst nur zaghafte Bemühungen gegeben hatte, den kirchlichen Einfluß auf das Eherecht zurückzudrängen, kam es zu Beginn der Neuzeit in weiten Teilen Europas zu einer völligen Neubestimmung des Verhältnisses von kirchlichem und weltlichem Eherecht36 . Als Folge der Reformation und des allgemeinen Souveränitätsstrebens der europäischen Staaten wurde das Ehewesen in vielen Ländern nunmehr gänzlich dem weltlichen Bereich zugeordnet. In den Niederlanden etwa wurde die Zivilehe bereits im Jahre 1580 eingeführt, in England gab es sie zunächst nur von 1653 bis 1660, dann folgten 1783 Österreich und schließlich im Jahre 1792 Frankreich37 • Bestrebungen zur Einführung der Zivilehe gab es auch in den zahlreichen Fürstentümern, welche zu jener Zeit auf dem Gebiet des heutigen Italien existierten38 . Die Einzelstaaten waren jedoch noch zu schwach, um die hier nach wie vor dominierende Stellung des kanonischen Eherechts zu gefährden, welche sich neben den historisch gewachsenen Strukturen nunmehr vor allem darauf gründete, daß - im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten - die einheitlichen Regelungen des Konzils von Trient nahezu überall in Kraft getreten waren 39 . Aus diesem Grunde ging die katholische Kirche auf dem Gebiet des heutigen Italien zunächst sogar gestärkt aus der beschriebenen Entwicklung hervor und konnte ihre Dominanz im Bereich des Eherechts über weitere zwei Jahrhunderte behaupten. Vgl. Giesen, Familienrecht, S. 35 f. Vgl. hierzu Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. IV, S. 191 ff. 37 Vgl. Conrad, Das tridentinische Konzil und die Entwicklung des kirchlichen und weltlichen Eherechts, in: Schreiber, Das Weltkonzil von Trient, Bd. 1, S. 311 f.; Pirson, Staatliches und kirchliches Eherecht, S. 793 ff. 38 Vgl. zu den verschiedenen Regelungen der Einzelstaaten Spinelli, Le legislazioni matrimoniali degli stati italiani preunitari con riferimento al sistema concordatario, in: Studi urbinati, 1950--1951, S. 190 ff. 39 Vgl. Woopen, Die Zivilehe und der Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe in der Entwicklung des italienischen Zivilrechts, S. 7 ff. 35

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l. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

a) Italien unter Napoleon 4o Erst im Zuge der Besetzung Italiens durch die französischen Truppen unter Napoleon sollte dieser Zustand auch in Italien jäh beendet werden41 . In Frankreich selbst nämlich hatte sich im Zuge der Aufklärung eine differenzierende Betrachtungsweise bezüglich des Rechtsinstituts der Ehe durchgesetzt: man unterschied zwischen dem allein von der katholischen Kirche zu regelnden Ehesakrament einerseits und einem bürgerlich-rechtlichen Ehevertrag andererseits, dessen Regelung dem staatlichen Gesetzgeber oblag42 . Folgerichtig hatte man dort, wie eben erwähnt, im Jahre 1792 die Zivilehe eingeführt und die bisher bei der Kirche geführten Standesregister verstaatlicht. Dabei blieb das Verhältnis von kirchlicher und ziviler Ehe zunächst ungeklärt. Daß es sich um eine obligatorische Zivilehe handelte, wurde erst einige Jahre später mit dem Verbot der kirchlichen Voraustrauung klargestellt43 . In Italien gingen die französischen Besatzer nun ähnlich vor: im Jahre 1797 wurden auch dort zunächst das Zivilstandsregister und die Zivilehe eingeführt, und bereits neun Jahre später, nämlich am 1. April des Jahres 1806 traten mit dem ins Italienische übertragenen Code civil die Regelungen über die obligatorische Zivilehe und die Möglichkeit der Ehescheidung in Kraft44 . Beide Institute stießen jedoch auf eine so große Ablehnung bei der italienischen Bevölkerung, daß sie sich in der Praxis nicht durchsetzen konnten45 • Aus diesem Grunde gelang es der katholischen Kirche in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts nach Beendigung der französischen Okkupation in einigen italienischen Teilstaaten nochmals, einen gewissen Einfluß auf das Ehewesen zurückzugewinnen, welcher jedoch nicht von großer Dauer sein sollte46 . 40 V gl. zum gesamten Abschnitt die ausführlichen Darstellungen von Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 22 ff. sowie Woopen, Die Zivilehe und der Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe in der Entwicklung des italienischen Zivilrechts, S. 7 ff. 41 Vgl. Woopen, Die Zivilehe und der Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe in der Entwicklung des italienischen Zivilrechts, S. 7 ff. 42 V gl. Holbäck, Die Zivilehe - Die staatliche Ehegesetzgebung und die Kirche, S. 28 ff. 43 Das Verbot war in Art. 54 der Organischen Artikel enthalten, welche von Napoleon aus Anlaß des Konkordats zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl aus dem Jahre 1802 erlassen worden waren, vgl. Conrad, Das tridentinische Konzil und die Entwicklung des kirchlichen und weltlichen Eherechts, in: Schreiber, Das Weltkonzil von Trient, Bd. I, S. 317 f. 44 Vgl. Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 12. 45 Vgl. Woopen, Die Zivilehe und der Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe in der Entwicklung des italienischen Zivilrechts, S. 11 sowie ausführlich zu den Auswirkungen dieser Regelungen Pene Vidari, Famiglia e diritto di farniglia di fronte al "Code civil", in: Bracco, Ville de Turin 1798-1814, S. 63 ff.

11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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b) Der Codice civile dei Regno d'ltalia von 1865 Im Zuge der von bürgerlichen, nationalliberalen Kräften herbeigeführten italienischen Einigung nämlich kam es in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts zur Ausarbeitung des ersten einheitlichen Zivilgesetzbuches Italiens, welches als "Codice civile deI Regno d'ltalia" am 1. Januar 1866 in Kraft trat. Das Gesetzbuch, welches weitgehend dem französischen Vorbild entsprach, enthielt auch eine umfassende Regelung des Eherechts 47 mit Bestimmungen über die Ehevoraussetzungen48 , die Eheschließung49 , die Möglichkeiten der Trennung der Ehegatten50 sowie über ihre weiteren Rechte und Ptlichten51 . Vor allem aber hatte man die Zivilehe auch in Italien gegen den entschiedenen Widerstand der Kirche - als obligatorisch vorgeschrieben52 . Der obligatorische Charakter der Zivilehe ergab sich aus dem Wortlaut des Art. 93 c.c.: "Die Eheschließung muß im Rathaus und öffentlich vor dem Standesbeamten der Gemeinde, in welcher einer der Eheschließenden seinen Wohnsitz hat, geschlossen werden. ,,53

Damit hatte nun zwar auch der italienische Staat die Regelung des gesamten Eherechts an sich gezogen und die katholische Kirche aus ihrer über viele Jahrhunderte währenden Vormachtstellung verdrängt. Das italienische Recht enthielt allerdings zwei grundlegende Abweichungen von der französischen Vorlage, in denen ein relativ weitgehendes Entgegenkommen des Staates bezüglich der Position der katholischen Kirche deutlich wird: es gab weder eine Scheidungsmöglichkeit noch ein Verbot der kirchlichen Voraustrauung. Letzteres führte in Verbindung mit dem in Italien seit jeher tief verwurzelten Katholizismus zu einer weiterhin sehr großen Zahl nur kirchlich geschlossener Ehen54 , welche nach staatlichem Recht jedoch keinerlei Gültigkeit mehr besaßen. Eine derartige Unklarheit konnte nicht auf Ausführlich hierzu Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 12 ff. Das Eherecht findet sich im ersten Buch "Delle persone", Titel V "Dei matrimonio", Art. 53 ff. c.c. (1865). 48 Art. 55 ff. c.c. (1865). 49 Art. 93 ff. c.c. (1865). 50 Art. 148 ff. c.c. (1865). 51 Art. 130 ff. c.c. (1865). 52 Vgl. hierzu FerrarilZanotti, Familie und Familienrecht im Konflikt zwischen Staat und Kirche, in: Lill/Tranelli, Der Kulturkampf in Italien und den deutschsprachigen Ländern, S. 329 ff. 53 Übersetzung und Hervorhebung des Verf.; zu weiteren Einzelheiten der Regelung des Art. 93 c.c. (1865) vgl. die Kommentierung bei Arabia, Codice civile dei Regno D'ltalia, S. 119 ff. 54 Vgl. Woopen, Die Zivilehe und der Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe in der Entwicklung des italienischen Zivilrechts, S. 47. 46 47

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

Dauer bestehen bleiben, und so suchte man schon bald nach einer grundsätzlich neuen Lösung. Diese Suche gestaltete sich äußerst schwierig, da es zwei völlig entgegengesetzte Strömungen gab. Während die einen auf eine Verschärfung der neuen staatlichen Dominanz abzielten, etwa durch die nachträgliche Einführung des Verbots der kirchlichen Voraustrauung, wollten die anderen - den tatsächlichen Verhältnissen in Italien mit seiner langen Tradition des kanonischen Eherechts und den Wünschen des überwiegenden Teils der Bevölkerung Rechnung tragend - eine zivilrechtliche Anerkennung der kirchlich geschlossenen Ehen erreichen55 . Mit der Annexion des restlichen Kirchenstaates durch Italien im Jahre 1870 rückte eine Einigung in dieser Frage jedoch zunächst in weite Feme56 . Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen italienischem Staat und katholischer Kirche und damit die Möglichkeit zur Klärung der offenen Fragen sollte erst wieder nach dem Ende des ersten Weltkrieges eintreten57 . c) Der Codex Iuris Canonici von 1917

Noch vor den ersten Bemühungen um eine Lösung des Problems kam es im Jahre 1917 zur Promulgation des ersten unversalkirchlich verbindlichen Gesetzbuches der katholischen Kirche, des Codex Iuris Canonici58 . Das Gesetzbuch war in mehr als zehnjähriger Arbeit mit der Prämisse entstanden 59 , das gesamte katholische Kirchenrecht in einer Kodifikation zusammenzufassen und zu systematisieren. 55 Einzelheiten hierzu finden sich bei Woopen, Die Zivilehe und der Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe in der Entwicklung des italienischen Zivilrechts, S. 48 ff. 56 So wurden die vom italienischen Staat im Jahre 1871 erlassenen "Garantiegesetze", welche dem Papst unter anderem die königlichen Ehrenrechte zuerkannten und ihm eine jährliche Schenkung aus dem Staatshaushalt zusicherten, von Papst Pius IX umgehend zurückgewiesen, vgl. Musselli, Kirche und Staat in Italien. Grundlinien ihres bisherigen Verhältnisses und neuere Entwicklungstendenzen, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (15), S. 148 ff. 57 Vgl. Musselli, Kirche und Staat in Italien. Grundlinien ihres bisherigen Verhältnisses und neuere Entwicklungstendenzen, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (15), S. 148. 58 Italienischer Text in AAS, Bd. IX (1917), Teil 11, S. 1 ff. Die Promulgation erfolgte am 28. Juni 1917 durch Papst Benedikt XIV, der Codex trat fast ein Jahr später am 19. Mai 1918 in Kraft, vgl. Puza, Katholisches Kirchenrecht, S. 46. Eine private deutsche Übersetzung - offizielle Übersetzungen waren nicht gestattet - sowie eine Kommentierung finden sich bei Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 231 ff. Einen Gesamtüberblick bietet Neumann, Grundriß des katholischen Kirchenrechts, S. 275 ff. 59 Der Auftrag zur Schaffung des Gesetzbuches stammte aus dem Jahre 1904, also aus der Zeit des Pontifikats von Papst Pius X, vgl. Puza, Katholisches Kirchenrecht, S. 45.

H. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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Der Codex Iuris Canonici enthielt in seinem dritten Buch in den cc. 1012 bis 1143 eine umfassende Regelung des kirchlichen Eherechts, welche an die bisherige Tradition anknüpfte 60 • Danach kam die Ehe durch einen Vertrag zwischen den Ehegatten zustande6 !, welcher zwischen Getauften zugleich ein Sakrament darstellte 62 . Die explizite Verbindung von Vertrag und Sakrament hatte ihren Ursprung nicht zuletzt in der beschriebenen Auseinandersetzung der Kirche mit den aufstrebenden souveränen Staaten. Sie wurde hervorgerufen durch die staatlicherseits vielfach ausgesprochene Trennung des Instituts der Ehe in einen zivilrechtlichen Vertrag einerseits und ein kirchliches Sakrament andererseits 63 . Der primäre Zweck der kanonischen Ehe lag in der Zeugung und Erziehung der Nachkommenschaft64 . Wesentliche Eigenschaften dieser Ehe waren die Einheit und Unauflöslichkeit65 . Die Ehe war gültig, wenn sie mit dem erforderlichen Ehewillen in der richtigen Form und in Abwesenheit etwaiger Ehehindernisse geschlossen wurde 66 . Eine gültige Ehe war unter Getauften unauflöslich, wenn sie vollzogen worden war67 • In dieser Konstellation kam beim Scheitern der Ehe äußerstenfalls ein Getrenntleben der Ehegatten in Betracht, bei dem das Eheband als solches jedoch unangetastet blieb68 . Der Codex enthielt zudem ausführliche Regeln über das eheliche Prozeßrecht69, womit der Anspruch der Kirche auch auf die Gerichtsbarkeit in Ehesachen unterstrichen wurde7o . Fehlte es beispielsweise an einer der 60 Eine Kommentierung der eherechtlichen Kanones ohne Voranstellung des Wortlautes bietet Linnebom, Grundriß des Eherechts nach dem Codex Iuris Canonici, S. 48 ff. 61 Vgl. c. 1012 § 1 (CIC 1917). 62 Vgl. c. 1012 § 2 (CIC 1917). 63 Vgl. hierzu Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. IV, S. 193 f.; zu innerkirchlichen Bestrebungen der Trennung von Vertrag und Sakrament vgl. Krämer, Kirchenrecht I, S. 106 f. 64 Vgl. hierzu und zu den beiden Nebenzwecken der gegenseitigen Unterstützung und Förderung sowie der menschenwürdigen Befriedigung des Geschlechtstriebes die Kommentierung bei Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. H, S. 232, c. 1013 (CIC 1917). 65 Vgl. c. 1013 § 1 (CIC 1917). Zur kirchenrechtlichen Auffassung des Verhältnisses von Vertrag und Sakrament vgl. Neumann, Grundriß des katholischen Kirchenrechts, S. 280 ff. 66 Vgl. zu den Einzelheiten das 2. Kapitel. 67 Vgl. c. 1118 (CIC 1917). 68 Die "Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft" war geregelt in den cc. 1128 bis 1131 (CIC 1917). 69 Der kirchliche Eheprozeß wurde im vierten Buch in den cc. 1960 bis 1992 (CIC 1917) abgehandelt. Zu den Klagemöglichkeiten vgl. Linnebom, Grundriß des Eherechts nach dem Codex Iuris Canonici, S. 459 f. 70 Vgl. zur Begründung dieses Anspruchs aus heutiger Sicht Carreras, La giurisdizione della chiesa sul matrimonio e sulla famiglia, S. 1 ff.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

oben genannten Voraussetzungen für eine gültige Eheschließung, so konnte nur ein kirchliches Gericht die Nichtigkeit der Ehe feststellen. Durch den ausschließlichen Geltungsanspruch des Gesetzbuches im Bereich der Eheschließung, welcher in c. 1094 wie folgt formuliert war: "Nur die Ehen sind gültig, welche vor dem Pfarrer oder Ordinarius und wenigstens zwei Zeugen geschlossen werden.",

setzte sich die Kirche bewußt in einen nicht aufzulösenden Widerspruch zu der oben zitierten Bestimmung des Art. 93 C.C., welche - ebenso kompromißlos - noch immer die obligatorische Zivilehe vorschrieb. Abgemildert wurde diese Situation lediglich durch die Aufforderung der Kirche an die Gläubigen, den staatlichen Vorschriften wenigstens formell nachzukommen, wodurch allerdings keine kirchenrechtlich gültige Ehe zustande kommen konnte7l .

4. Die Lateranverträge von 1929 Eine Änderung dieses nun bereits seit langer Zeit völlig unbefriedigenden Zustandes bahnte sich an, als kurz nach der Regierungsübemahme durch die Faschisten in Italien im Jahre 1922 deren Führer Benito Mussolini erste Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl aufnahm, um über eine bessere Zusammenarbeit mit der nach dem Staat noch immer größten gesellschaftlichen Ordnungsrnacht die eigene innenpolitische Basis zu stärken 72. Eine im Jahre 1925 von der Regierung eingesetzte Kommission zur Revision der die Kirche betreffenden Gesetze mußte ihre Arbeit mangels Akzeptanz seitens des Vatikans jedoch schon nach kurzer Zeit wieder einstellen. Bereits im darauffolgenden Jahr begannen dann aber die geheimen Verhandlungen, welche schließlich mit den Lateranverträgen vom 11. Februar 192973 zur Lösung der "Römischen Frage,,74 und zur Schaffung einer 71 Vgl. hierzu Linneborn, Grundriß des Eherechts nach dem Codex Iuris Canonici, S. 77. 72 Vgl. hierzu Ziegler, Religion, Kirche und Staat in Geschichte und Gegenwart, S. 459 sowie Puza, Das staatliche Religionsrecht in Italien, in: Puza/Kustermann, Staatliches Religionsrecht im europäischen Vergleich, S. 60 f. Zur Instrumentalisierung der Religion als Herrschaftsmittel durch die Faschisten in Italien vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecciesiastico, S. 51. 73 Italienischer Text der gesamten Verträge in AAS, Bd. XXI (1929), Nr. 6, S. 209 ff.; italienischer Text mit autorisierter deutscher Übersetzung in: Die Lateranverträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien - Autorisierte Ausgabe mit einer Einleitung des Päpstlichen Nuntius Eugenio Pacelli. 74 Als "Römische Frage" wird der Konflikt zwischen italienischem Staat und katholischer Kirche zur Zeit der nationalen Einigung Italiens bezeichnet. Ursache des Konflikts waren die Annexion des Kirchenstaates durch Italien und die Weigerung des Heiligen Stuhls, auf diesen zu verzichten, vgl. Bastgen, Die Römische Frage, Bd. 1, S. 1 ff.; Reck, Die Lösung der Römischen Frage, S. 34 f.

H. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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neuen rechtlichen Grundlage für die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und italienischem Staat führten 75 , welche teilweise noch heute Bestand haben. Die Lateranverträge setzten sich zusammen aus einem Staatsvertrag zur Errichtung des souveränen Staates der Vatikanstadt76 und einem Konkordat, welches neben der Festschreibung des Selbstbestimmungsrechts der katholischen Kirche sowie Regelungen über Rechtsstellung und Privilegien des Klerus, über das kirchliche Vermögen und besondere kirchliche Einrichtungen auch und vor allem eine grundlegende Aufteilung der eherechtlichen Kompetenzen zwischen dem Staat einerseits und der katholischen Kirche andererseits enthielt77. Das Konkordat wurde durch das Gesetz Nr. 810 vom 27. Mai 192978 in innerstaatliches Recht transformiert. Ein weiteres Gesetz mit der Nr. 847 vom gleichen Tage - das Ehegesetz79 - enthielt detaillierte Anwendungsbestimmungen zum eherechtlichen Teil des Konkordatsgesetzes.

a) Art. 34 des Konkordats von 1929 Art. 34 enthielt die eherechtlichen Bestimmungen des Konkordats 80 , mit denen die bis dato vollkommen gegensätzlichen Positionen in Einklang gebracht und eine für beide Seiten akzeptable Lösung der Kompetenzstreitigkeiten angestrebt wurde. Gemäß dieser Vorschrift konnten nunmehr die vor einem katholischen Geistlichen nach den Regeln des kanonischen Rechts geschlossenen Ehen durch Eintragung in die staatlichen Zivilstandsregister - die Transkription - die volle zivilrechtliche Wirksamkeit erlangen. Zu75 Vgl. hierzu Durand, Die Bereinigung der "römischen Frage" oder: Vom Faschismus zur Republik, in: Mayeur, Erster und Zweiter Weltkrieg - Demokratien und totalitäre Regime, S. 467 ff. 76 Der Staatsvertrag wurde ergänzt durch ein Finanzabkommen, in dem sich Italien verpflichtete, 1,75 Milliarden italienische Lire als Wiedergutmachung für die Annexion Roms und die Enteignung des Kirchenvermögens an den Vatikan zu zahlen. 77 Der Text des gesamten Konkordats findet sich zweisprachig bei Schöppe, Konkordate seit 1800, S. 172 ff. 78 G.U. straordinario (Sonderheft) vom 5. Juni 1929 Nr. 130. Übersetzung bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. V, Italien, S. 100. Der Text des Gesetzes ist mit dem Text des Konkordats identisch. 79 Das Ehegesetz ("legge matrimoniale") ist veröffentlicht in der G.U. vom 8. Juni 1929 Nr. 133, deutsche Übersetzung bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. V, Italien, S. 101 f. 80 Wortlaut des Art. 34 in deutscher Übersetung im Anhang. Zur Entstehungsgeschichte des Art. 34 vgl. die detaillierte Darstellung bei D'Ostilio, La rilevanza deI matrimonio canonico, S. 23 ff.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

dem wurde hier die ausschließliche kirchenrechtliche Zuständigkeit für die Entscheidungen über die Nichtigkeit solcher nach kanonischem Recht geschlossenen Ehen festgeschrieben. Die Zivilehe wurde als nunmehr fakultativ beibehalten und blieb im Codice civile verankert81 . Mit der durch das Laterankonkordat des Jahres 1929 erreichten Aufhebung der strikten Trennung von staatlichem und kirchlichem Eherecht hatte man an die alte italienische Rechtstradition angeknüpft, welche durch die französische Einwirkung und deren Folgen unterbrochen worden war82 . Das kanonische Recht hatte in diesem für die Kirche so wichtigen Bereich entscheidend an Bedeutung zurückgewonnen - allerdings auf Kosten einer nicht unwesentlichen Einschränkung des Grundsatzes der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz 83 •

b) Das Gesetz über die akatholischen Religionsgemeinschaften Im Zuge der Reform des italienischen Staatskirchenrechts kam es erstmals auch zu einer gesetzlichen Regelung für die nichtkatholischen Religionsgemeinschaften84 . Mit dem Gesetz wurde für die Mitglieder der staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften 85 die Möglichkeit der akatholischen Eheschließung geschaffen, bei welcher nicht der Standesbeamte, sondern ein dazu vom Staat ermächtigter Geistlicher der zugelassenen Religionsgemeinschaft die Trauung vornehmen durfte, nachdem der Standesbeamte die Zulässigkeit der Eheschließung überprüft hatte 86 . Auch bei diesen Eheschließungen mußte nach der Trauung eine Eintragung in die staatlichen Register erfolgen, sie war jedoch im Gegensatz zur Transkription der Konkordatsehe nur deklaratorischer Natur. Der entscheidende Unterschied zur Konkordatsehe bestand darin, daß hier bis auf die genannten Abweichungen im übrigen allein das staatliche 81 Zunächst ergab sich der fakultative Charakter nur aus dem Ehegesetz, nicht aber aus dem Codice civile selbst, da Art. 93 c.c. (1865) unverändert blieb. 82 Vgl. Woopen, Die Zivilehe und der Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe in der Entwicklung des italienischen Zivilrechts, S. 70. 83 Vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 423. 84 Gesetz vom 24. Juni 1929 Nr. 1159, G.U. vom 16. Juli 1929 Nr. 164 sowie die Verordnung vom 28. Februar 1930 Nr. 289, G.U. vom 12. April 1930 Nr. 87 und Art. 83 c.c. Zum erstgenannten Gesetz und zur Gesetzgebung betreffend die akatholischen Religionsgemeinschaften insgesamt vgl. Peyrot, La legislazione sulle confessione religiose diverse dalla cattolica, in: D' Avack, La legislazione ecclesiastica, S. 519 ff. 85 Über die zahlreichen anerkannten Religionsgemeinschaften wurde und wird eine Liste beim italienischen Innenministerium geführt. 86 Vgl. Art. 3 und 8 des Gesetzes vom 24. Juni 1929 Nr. 1159, G.U. vom 16. Juli 1929 Nr. 164.

11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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Recht galt, es sich also lediglich um eine besondere Regelung im Rahmen der Gestaltung des Trauungsaktes handelte87 . 5. Die Entwicklung des staatlichen und kirchlichen Rechts seit 1929 Die Veränderungen des staatlichen und kanonischen Eherechts der folgenden Jahrzehnte hatten zunächst keine bedeutenden Auswirkungen auf das Regelungssystem der Konkordatsehe. Dies änderte sich mit dem Scheidungsgesetz des Jahres 1970, welches nachdrücklich den tiefgreifenden Wandel des Eheverständnisses in der italienischen Gesellschaft dokumentiert, der schließlich auch die Konkordatsrevision erforderlich machte. Die seit den 60er Jahren parallel verlaufende Entwicklung hin zur Konkordatsrevision selbst wird im nächsten Abschnitt gesondert darzustellen sein. a) Die Änderungen des Codice civile von 1939, die neue italienische Veifassung von 1948 und das 2. Vatikanische Konzil

Am 1. Juli 1939 trat das erste Buch des neuen Codice civile, in dem die Regelungen über das gesamte Personen- und Familienrecht enthalten waren, in Kraft88 . Es brachte zwar keine Veränderung des im Jahre 1929 etablierten Systems, dokumentierte jedoch durch einen eigenen Abschnitt über die katholische und die akatholische Eheschließung eine weitere Annäherung des staatlichen und des kirchlichen Systems 89 . Hatte sich der fakultative Charakter der Zivilehe nämlich bisher nur aus dem Ehegesetz, nicht aber aus dem Codice civile selbst ergeben, da die Regelung des Art. 93 des Codice civile von 1865 unverändert geblieben war, so dokumentierte das neue Recht nunmehr die klare Trennung zwischen katholischer und akatholischer Trauung einerseits90 und staatlicher Trauung andererseits 91 . 87 Ausführlich zu den Besonderheiten der akatholischen Eheschließung Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 58 ff. 88 Das erste Buch trug den Titel "Delle persone edella famiglia". Das aus sechs Büchern bestehende Gesamtwerk des neuen Codice civile trat erst am 21. April 1942 in Kraft; eine deutsche Übersetzung des gesamten Codice civile in der Fassung des Jahres 1992 findet sich in der Ausgabe von Bauer, Italienisches Zivilgesetzbuch, Zweisprachige Ausgabe. 89 Es handelt sich um den Abschnitt 11 des IV. Titels "Dei matrimonio". 90 Vgl. für die Trauung nach kanonischem Recht zunächst Art. 80 C.c (1939/42), später dann Art. 82 C.C., für die akatholische Eheschließung zunächst Art. 81 c.c. (1939/42), später Art. 83 C.C. 91 Vgl. zunächst die Art. 82 ff. c.c. (1939/42), später Art. 84 ff. c.c. 3 Waldmann

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

Auch die neue italienische Verfassung vom 27. Dezember 194792 , welche nach fast einhundert Jahren das Albertinische Statut ablöste93 , ließ den faktischen Zustand der Beziehungen zwischen italienischem Staat und katholischer Kirche unangetastet94 . In Art. 7 wurde die Autonomie der katholischen Kirche gegenüber der staatlichen Rechtsordnung allerdings ausdrücklich anerkannt und somit als Verfassungsprinzip etabliert. Der fortan für die Beziehungen von Staat und Kirche grundlegende Art. 7 lautet wie folgt: "Der Staat und die katholische Kirche sind, jeder im eigenen Bereich, unabhängig und souverän. Ihre Beziehungen sind in den Lateranverträgen geregelt. Von beiden Seiten gebilligte Änderungen dieser Verträge bedürfen nicht des für Verfassungsänderungen vorgesehenen Verfahrens. ,,95

Fundamentale Neuerungen gab es in der neuen Verfassung für die nichtkatholischen Bekenntnisse. Während diese nach Art. 1 des Albertinischen Statuts lediglich geduldet wurden, sind nunmehr nach Art. 8 Abs. 1 der Verfassung alle religiösen Bekenntnisse vor dem Gesetz gleichermaßen frei und haben das Recht, sich nach ihren Statuten zu organisieren. In Art. 8 Abs. 2 ist vorgesehen, daß die Beziehungen des Staates zu den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften auf der Grundlage von Vereinbarungen durch Gesetz geregelt werden 96 . Die Bestimmung des Art. 19 schließlich geWährleistet das Recht des freien Bekenntnisses, der Werbung sowie der privaten und öffentlichen Ausübung jedes Glaubens in den Schranken der guten Sitten. Innerhalb der katholischen Kirche brachte das 2. Vatikanische Konzil (1961-1965)97 einen Wandel des Eheverständnisses. Die Ehe sollte nun 92 An diesem Tag wurde die Verfassung verkündet, sie trat gemäß Punkt 18 der Übergangs- und Schlußbestimmungen am 1. Januar 1948 in Kraft. 93 Das Albertinische Statut war die Verfassung, welche König Karl Albert am 4. März 1848 dem Königreich Sardinien-Piemont gegeben hatte. Im Zuge der nationalen Einigung war seine Geltung dann auf die anderen Gebiete des Landes ausgedehnt worden. 94 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 9. 95 Übersetzung nach Kimmei, Verfassung der Republik Italien, in: Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, S. 243 f. Eine ausführliche Darstellung zur Entstehungsgeschichte und Interpretation von Art. 7 der Verfassung findet sich bei F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 101 ff. 96 Genauer Wortlaut des Art. 8 der Verfassung in deutscher Übersetzung bei Kimmel, Verfassung der Republik Italien, in: Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, S. 244. Es dauerte allerdings noch mehr als 30 Jahre, bis derartige Vereinbarungen auch tatsächlich mit verschiedenen Religionsgemeinschaften abgeschlossen wurden, vgl. hierzu 1. Kapitel, H. 7. a). 97 Einen guten Überblick zum Verlauf des Konzils bieten Rahner/Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, S. 13 ff.

11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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nicht mehr hauptsächlich ein Vertrag mit dem Ziel der Zeugung von Nachkommen sein, sondern vielmehr auch ein personaler Bund (foedus), dessen Wesen in der gegenseitigen Liebe und Hilfeleistung der Ehegatten zu suchen sei 98 . Eine Änderung der materiellen Rechtslage bedeutete dies zwar zunächst nicht, die Ergebnisse des Konzils fanden jedoch in der Folgezeit Eingang in den neuen Codex Iuris Canonici von 1983 99 .

b) Das Scheidungsgesetz von 1970 Eine gewaltige Zäsur in der seit 1929 bestehenden vergleichsweise harmonischen Koexistenz von staatlichem und kirchlichem Eherecht stellte dann aber das Scheidungsgesetz lOO dar, welches nach langen Diskussionen und gegen den entschiedenen Widerstand der katholischen Kirche 10 1 am 18. Dezember 1970 in Kraft trat und auch in Italien die Möglichkeit der zivilen Ehescheidung einführte 102. Die - wenn auch zunächst nur unter sehr strengen Voraussetzungen mögliche - gänzliche Auflösung des Ehebandes 103 eröffnete insbesondere die bisher verwehrte Möglichkeit einer erneuten Heirat. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte auch das staatliche italienische Recht nur das Institut der Trennung von Tisch und Bett, welches unter bestimmten Voraussetzungen zwar ein Getrenntleben der Ehegatten ermöglichte - nicht jedoch eine erneute Heirat, welche wegen des weiterhin bestehenden Ehebandes ausgeschlossen war 104 . Das staatliche Recht hatte sich bisher insoweit mit den Regelungen der katholischen Kirche gedeckt, die für den Fall des Scheiterns einer gültig geschlossenen Ehe seit jeher einzig die Möglichkeit der Trennung der Ehegatten bei bleibendem Eheband vorsahen 105. 98 Vgl. hierzu die Ausführungen in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute "Gaudium et spes", Art. 47 bis 52, deutsche Übersetzung bei Rahner/Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, S. 497 ff. 99 Vgl. zum neuen eIe von 1983 l. Kapitel, 11. 5. d). 100 Gesetz vom l. Dezember 1970 Nr. 898, G.U. vom 3. Dezember 1970, Nr. 308; deutsche Übersetzung bei Jayme/Luther, Das italienische Scheidungsgesetz vom l. Dezember in deutscher Übersetzung, FamRZ 1971, 113 ff.; einen Überblick über die neuen Regelungen bietet Bürger-Macherey, Das neue Ehescheidungsrecht in Italien, FamRZ 1971, 21 ff. 101 V gl. hierzu die zahlreichen Beschwerdenoten des Heiligen Stuhls, etwa in Dir.eccl. 1970, I, 179 f. 102 Vgl. Art. 1 des Scheidungsgesetzes; zum geschichtlichen Hintergrund speziell der Scheidungsproblematik Fleig, Die Ehescheidung im italienischen Recht, S. 1938. 103 Vgl. zu den Voraussetzungen das 2. Kapitel. 104 Die "Separazione personale dei coniugi" war geregelt in den Art. 148 ff. c.c. (1939/42), später Art. 150 ff. c.c. 105 Vgl. cc. 1128 bis 1131 (eIe 1917). 3*

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

Da nach Auffassung der katholischen Kirche das Prinzip der Unauflösbarkeit der vollgültigen Ehe unter keinen Umständen disponibel war 106 , galt es eine Lösung zu finden, die zumindest nicht in das kirchliche Rechtsverhältnis eingreifen und damit zu schweren Konflikten mit dem Heiligen Stuhl, aber auch der italienischen Verfassung 107 und den Bestimmungen des Konkordats führen würde. Diese Lösung enthielt Art. 2 des Scheidungsgesetzes, nach welchem im Falle einer Konkordatsehe durch das staatliche Gericht lediglich die Beendigung der zivilrechtlichen Wirkungen 108 der Ehe ausgesprochen werden konnte, nicht jedoch die Beendigung der kirchenrechtlichen Beziehung. Damit konnten die geschiedenen Partner nun jedenfalls zivilrechtlich neue Ehen eingehen. Über Fragen der Nichtigkeit sowie über eine etwaige Auflösung der kirchenrechtlichen Verbindung entschieden aber - wie auch über eine kirchenrechtlich relevante Trennung von Tisch und Bett - weiterhin ausschließlich die kirchlichen Gerichte nach kanonischem Recht. Wenn auch auf diese Weise die Souveränität beider Seiten gewahrt werden konnte, so war doch der zunehmende Autoritätsverlust der katholischen Kirche nicht zu übersehen. Er wurde im Jahre 1974 mit der Zustimmung der Mehrheit der italienischen Bevölkerung im Volksentscheid über das Scheidungsgesetz noch deutlicher 109. Das Votum offenbarte, daß der Einfluß der katholischen Kirche selbst in Italien nicht mehr groß genug war, um dem Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe auch im staatlichen Bereich Geltung zu verschaffen. Mit dem Scheidungsgesetz war die alte Ordnung zerstört, war die ausschließliche Zuständigkeit der Kirche für die Auflösung der nach dem Konkordat geschlossenen Ehen jedenfalls faktisch aufgehoben worden. In der Folgezeit sollte immer deutlicher werden, daß die Zeit des Innehaltens vorüber war und der Staat seine verfassungsrechtlichen Prinzipien 106 Vgl. für die Zeit des Scheidungsgesetzes nur c. 1118 (CIC 1917), er lautet: "Die gültige und vollzogene Ehe zwischen Getauften kann durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch den Tod, aufgelöst werden." 107 Die Verfassungsmäßigkeit des Scheidungsgesetzes wurde durch zwei Entscheidungen des Corte costituzionale ausdrücklich bestätigt: Corte cost. 8 luglio 1971 n. 169, Fora it. 1971, I, 1753 f. sowie Corte cost. 11 dicembre 1973 n. 176, Fora it. 1974, I, 11 ff.; ausführlich hierzu Fleig, Die Ehescheidung im italienischen Recht, S. 39 ff. 108 Sog. "Cessazione degli effetti civili". 109 Der Volksentscheid vom 12. und l3. Mai 1974 bestand aus der simplen Frage: "Wollen sie, daß das Gesetz vom 1. Dezember 1970 Nr. 898 über die Möglichkeit der vorzeitigen Eheauflösung aufgehoben wird?" (Übersetzung des Verf.). Verfassungsrechtliche Grundlage des Volksentscheids war Art. 75. Von etwa 37 Mio. Wahlberechtigten nahmen 32 Mio. an der Abstimmung teil, von diesen wiederum stimmten ca. 60% gegen die Abschaffung des Gesetzes. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Fleig, Die Ehescheidung im italienischen Recht, S. 44 f.

II. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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auch in der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche stärker in den Vordergrund stellen würde 110. c) Die Familienrechtsreform von 1975

Eine weitere grundlegende Änderung erfuhr das zivile Eherecht im Rahmen der Familienrechtsreform aus dem Jahre 1975 111 . Die Neuerungen betrafen unter anderem die zivile Eheschließung und hier insbesondere auch das für die Eheschließung erforderliche Alter, welches im Art. 84 c.c. der alten Fassung - in Übereinstimmung mit dem kanonischen Recht l12 - für den Mann bei 16, für die Frau bei 14 Jahren lag. Die Regelung des Art. 84 c.c. neuer Fassung sah nunmehr die Volljährigkeit, welche ihrerseits im Zusammenhang mit der Familienrechtsreform auf 18 Jahre herabgesetzt worden war l13 , als regelmäßig erforderliches Eheschließungsalter vor l14 . Im Rahmen der Putativehe wurden mit der Einführung der Art. 129 und 129bis c.c. erstmals vermögensrechtliche Ausgleichsansprüche verankert. Zudem hat der Gesetzgeber im Trennungsrecht den Wechsel vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip vollzogen und in diesem Zusammenhang die Trennungsgründe reformiert 115 . d) Der neue Codex Iuris Canonici von 1983

Noch vor der Konkordatsrevision kam es im Jahre 1983 zur Promulgation des neuen Codex Iuris Canonici 116 , welcher auf allen Gebieten des Kirchenrechts zahlreiche Neuerungen enthielt, die im wesentlichen auf die Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 12. Vgl. das Gesetz über die Reform des Familienrechts vom 19. Mai 1975 Nr. 151, G.U. vom 23. Mai 1975 Nr. 135, vgl. hierzu Jayme, Zum neuen italienischen Familienrecht, insbesondere zum Trennungsrecht, FamRZ 1975,463 ff. sowie Luther, Die Auswirkungen des italienischen Familienrechtsreformgesetzes von 1975 auf Eherecht, Erbrecht und Eheverfahren, StAZ 1976, 185 ff.; ders., Die Reform des deutschen und italienischen Familienrechts im Vergleich, RabelsZ 42 (1978), 304 ff.; ausführlich auch Carraro, 11 nuovo diritto di famiglia, Riv.dir.civ. 1975, I, 93 ff. 112 Vgl. c. 1067 (CIC 1917). 113 Gesetz über das Volljährigkeitsalter vom 8. März 1975 Nr. 39, G.U. vom 10. März 1975 Nr. 67, die Regelung findet sich in Art. 2 Abs. 1 c.c. 114 Nach Art. 84 Abs. 2 c.c. ist die Eheschließung unter Umständen auch bereits mit 16 Jahren zulässig. 115 Vgl. hierzu im einzelnen das 2. Kapitel. 116 Lateinischer und deutscher Text in der von Papst Johannes Paul II autorisierten zweisprachigen Ausgabe des Codex Iuris Canonici, herausgegeben im Auftrag der Deutschen und der Berliner Bischofskonferenz, der Österreichischen Bischofs110

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

Ergebnisse des 2. Vatikanischen Konzils und der nachkonziliaren Diskussion zurückzuführen sind 117. Die wichtigsten das Eherecht betreffenden Änderungen waren die bereits oben angesprochene Aufgabe der alten Ehezwecklehre, ferner die gänzliche Aufhebung einiger Ehehindernisse I 18 und eine Neuregelung der Irrtümer im Bereich des Ehewillens 119. Trotz dieser eherechtlichen Änderungen und der zeitlichen Nähe zur Revision des Konkordats kann von einem unmittelbaren Zusammenhang der Erneuerung des CIC mit diesem Ereignis nicht ausgegangen werden. 6. Der Weg zur Revision des Konkordats Die Geschichte der Bemühungen um eine Teilrevision der Lateranverträge reicht zurück bis in die Mitte der 60er Jahre 120. Die erste diesbezügliche parlamentarische Anfrage stammt aus dem Jahre 1965 121 . Nach etwa zwei Jahren, im Oktober 1967, kam es schließlich zu einer ersten Debatte in der Abgeordnetenkammer, in der die italienische Regierung aufgefordert wurde, dem Heiligen Stuhl vorzuschlagen, gemeinsam auf eine Revision des Konkordats hinzuarbeiten l22 . Im November 1968 setzte das Justizministerium dann eine erste Kommission ein, deren Aufgabe in der Ausarbeitung von Vorschlägen für eine Revision der Lateranverträge bestand. Die im Laufe des Jahres 1969 von dieser Kommission erarbeiteten, aber erst sieben Jahre später, also im Jahre 1976 veröffentlichten Vorschläge waren konferenz, der Schweizer Bischofskonferenz sowie der Bischöfe von Bozen-Brixen, von Luxemburg, von Lüttich, von Metz und von Straßburg. 117 Eine ausführliche Darstellung des neuen Kirchenrechts bietet etwa Schwendenwein, Das neue Kirchenrecht. 118 Zur Entwicklung im Bereich der Ehehindernisse vgl. das 2. Kapitel. 119 Zu den wichtigsten Änderungen vgl. Sebott, Das Neue im neuen kirchlichen Eherecht, in: Stimmen der Zeit, Bd. 201 (1983), S. 259 ff. 120 Eine detaillierte Beschreibung der gesamten Vorgänge findet sich in der offiziellen Dokumentensammlung bei Acquavivia, Un accordo di liberta - La revisione dei Concordato con la Santa Sede - La riforma della legislazione sugli enti ecclesiastici e i nuovi rapporti con le altre confessioni religiose. 121 Die Geschichte dieser ersten Anfrage zeigt, daß die Konkordatsrevision letztlich auf das Hochhuth'sche Theaterstück "Der Stellvertreter" zurückzuführen ist: der Abgeordnete Basso hatte die Revision nämlich deshalb beantragt, weil die Stadtverwaltung Roms die Aufführung des besagten Stückes, in dem die Haltung der katholischen Kirche während des zweiten Weltkrieges kritisiert wird, aufgrund des in Art. 1 Abs. 2 des Laterankonkordats "heiligen Charakters" der Stadt Rom verboten hatte, vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 57. 122 Vgl. hierzu Acquavivia, Un accordo di liberta - La revisione dei Concordato con la Santa Sede - La riforma della legislazione sugli enti ecclesiastici e i nuovi rapporti con le altre confessioni religiose, S. 99.

11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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jedoch nicht viel mehr als eine Neuauflage des alten Konkordats mit einigen kosmetischen Korrekturen 123 . Sie sahen unter anderem etwas strengere Transkriptionsvorschriften sowie eine Ausweitung der Kontrollmöglichkeiten der staatlichen Appelationsgerichte vor 124 . Die späte Veröffentlichung zeigt, daß die Arbeiten nicht von Erfolg gekrönt waren. Die Zeiten hierfür waren auch denkbar schlecht, denn seit 1966 geisterte das "Gespenst" der möglichen Einführung der Ehescheidung durch das Land, was die Beziehungen zum Vatikan erheblich belastete 125. An eine Konkordatsrevision war - insbesondere nach der tatsächlichen Einführung der Scheidung im Jahre 1970 - nicht zu denken.

a) Entscheidungen der 70er Jahre Nur kurze Zeit später, im Jahre 1971, trug auch die Corte costituzionale der veränderten gesellschaftlichen Gesamtsituation durch eine Entscheidung Rechnung, welche die Anfechtbarkeit der Transkription der Konkordatsehe betraf126 • In der Entscheidung wurde Art. 16 des Ehegesetzes von 1929, welcher durch einen Verweis auf Art. 12 die Anfechtbarkeit der Transkription der kanonischen Ehe regelte, insoweit für verfassungswidrig erklärt, als hier nicht auch - wie im Rahmen der Nichtigkeitsgründe des staatlichen Rechts - die Anfechtbarkeit wegen Geschäftsunfähigkeit eines der Eheschließenden vorgesehen sei. Dabei stützte sich die Corte costituzionale auf folgende Argumentation: der Konkordatseheschließung gehe immer die Entscheidung voraus, ob die Ehe in eben dieser Fonn oder als gewöhnliche Zivilehe geschlossen werden solle - diese Auswahl sei ein Willensakt, der allein aufgrund der Regelungen des Zivilrechts zu beurteilen sei 127 . Wenn hier die zivilrechtlichen Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit vorlägen, so müsse diese zumindest für den zivilrechtlichen Bereich gegeben sein, mithin die Transkription anfechtbar sein. Ein Eingriff in den Bereich der 123 So F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 57 f., die Veröffentlichung selbst war nicht von offizieller, sondern von privater Seite vorgenommen worden. Sie findet sich etwa bei Spadolini, La questione dei concordato con documenti inediti della Commissione Gonella, S. 233 ff. 124 Der Text der eherechtlichen Regelung (Art. 8) dieser "Proposta della commissione ministeriale" ist - zusammen mit den späteren Entwürfen in einer Synopse abgedruckt bei D'Ostilio, La rilevanza dei matrimonio canonico, S. 92. 125 Vgl. 1. Kapitel 11. 5. b). 126 Corte cast. 1 marzo 1971 n. 32, FOTO it. 1971, I, 521 ff. In einer anderen Entscheidung vom selben Tage, Corte cast. 1 marzo 1971 n. 30, FOTO it. 1971, I, 525 ff., war bereits darauf hingewiesen worden, daß die Lateranverträge wegen der in Art. 7 Abs. 1 cost. garantierten gegenseitigen Unabhängigkeit nicht geeignet seien, Grundprinzipien der staatlichen Verfassungsordnung außer kraft zu setzen. 127 V gl. hierzu F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 424.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

ausschließlich der katholischen Kirche vorbehaltenen Frage der Nichtigkeit des auf den besagten Willensakt folgenden und von diesem zu unterscheidenden Eheschließungsaktes konnte auf diese Weise vermieden werden. Das Gericht hatte aber deutlich gemacht, daß mit einer ausgeprägten Rücksichtnahme auf die Besonderheiten des kanonischen Rechts nicht mehr in dem bisher gewohnten Umfang zu rechnen sei. In die gleiche Richtung weist eine weitere Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes aus demselben Jahr 128 , in der mit Bezug auf das im Scheidungsgesetz enthaltene Institut der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe festgestellt wurde, daß dieses in die alleinige Regelungskompetenz des Staates falle und damit weder gegen das Konkordat noch gegen die Verfassung verstoße. Im Jahre 1973 kam es erstmals zu einer den Automatismus der Anerkennung der kirchlichen Urteile einschränkenden Entscheidung eines Obersten Gerichtes. Die Corte di Cassazione entschied, daß die Parteien eines vor den kirchlichen Gerichten ausgetragenen Rechtsstreits betreffend die Nichtigkeit einer Konkordatsehe im Verfahren der Anerkennung des Urteils vor dem staatlichen Appellationshof nunmehr selbst intervenieren und ihre abweichende Ansichten darlegen dürften 129. 1977 entschied die Corte di Cassazione dann erstmals, daß die Appellationshöfe die kirchlichen Entscheidungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem italienischen ordre public hin überprüfen könnten 130. b) Revisionsentwürfe der 70er und 80er Jahre

Die Entscheidungen fanden zwar einen breiten Widerhall in der Literatur, sie waren jedoch nicht die von manchen erhoffte Initialzündung für eine Konkordatsrevision. Erst als sich nach Jahren die Aufregung um die Einführung der Ehescheidung einigermaßen gelegt hatte, gab es 1976 den erneuten Versuch, die Revision des Konkordats zumindest wieder in die Diskussion zu bringen. Im November 1976 präsentierte die Regierung denn auch dem Parlament einen ersten Revisionsentwurf, die "Prima bozza di revisione", welche von einer gemeinsamen Kommission aus Regierungsmitgliedern und Abgesandten des Vatikans erarbeitet worden war l3l . Nachdem der erste geheime Versuch gescheitert war, suchte man diesmal offenbar Corte cost. 8 luglio 1971 n. 169, Foro it. 1971, I, 175. Cass. 3 aprile 1973 n. 9l3, Dir.eccl. 1973, II, 186 ff. 130 Cass. 29 novembre 1977 n. 5188, Dir.eccl. 1978, II, 113 ff. 131 Zur Debatte um die "Prima bozza di accordo tra la Santa Sede e la Repubblica Italiana con intese aggiuntive" vgl. Acquavivia, Un accordo di liberta - La revisione deI Concordato con la Santa Sede - La riforma della legislazione sugli 128 129

11. Die Entwicklimg von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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einen neuen Weg, in der Hoffnung auf größere Akzeptanz des Vorhabens. Nach heftiger Kritik von allen Seiten wurden in den folgenden Jahren von der Kommission die Entwürfe zwei bis fünf erarbeitet l32 , deren letzter eigentlich als Vorlage für die Revision dienen sollte. c) Die Entscheidungen der Corte costituzionale aus dem Jahre 1982

Dann aber griff die Corte costituzionale erneut in das Geschehen ein. Die beiden einschlägigen Entscheidungen der Corte costituzionale aus dem Jahre 1982 nämlich waren einer der wesentlichen Katalysatoren für die endgültige Durchführung der Konkordatsrevision 133. Die erste Entscheidung betraf das für die Eheschließung erforderliche Mindestalter 134 , welches im staatlichen Recht seit der Familienrechtsreform von 1975 höher angesetzt war als im kanonischen Recht 135 . Da das Unterschreiten des staatlichen Mindestalters nach der alten Rechtslage kein Transkriptionshindernis im Sinne des Art. 12 des Ehegesetzes darstellte, mußte bisher dennoch eine Transkription stattfinden. Die Corte costituzionale befand nunmehr, daß Art. 12 des Ehegesetzes insoweit verfassungswidrig sei, als er nicht vorsehe, daß die Transkription auch im Falle des Unterschreitens des staatlichen Mindestalters nicht stattfinden könne. Die Regelung in ihrer bisherigen Form verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 der italienischen Verfassung l36 . In der zweiten Entscheidung l37 erklärte das Gericht, daß zwar die in Art. 34 des Konkordats geregelte ausschließliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte in Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehen nicht verfassungswidrig, sondern vielmehr die logische Folge der Tatsache sei, daß die enti ecc1esiastici e i nuovi rapporti con le altre confessioni religiose, S. 103 f.; zum Text des Art. 8 vgl. D'Ostilio, La rilevanza deI matrimonio canonico, S. 92. 132 Die "Seconda bozza" entstand im Jahre 1977, die "Terza bozza" im Jahre 1978, die "Quarta bozza" im Jahre 1979 und die "Quinta bozza" im Jahre 1980, die Texte des jeweiligen Art. 8 finden sich wiederum in der Synopse bei D'Ostilio, La rilevanza deI matrimonio canonico, S. 92. 133 Vgl. zum Einfluß der Entscheidungen auf die Revision Cardia, La riforma deI matrimonio concordatario dopo le sentenze n. 16 e 18 deI 1982 della Corte costituzionale, Dir.eccl. 1982, 385 ff. 134 Corte cast. 2 febbraio 1982 n. 16, Foro it. 1982 I, 936 ff. 135 Nach c. 1083 (CIC 1917) betrug das Mindestalter für Männer 16 Jahre, für Frauen nur 14 Jahre, das staatliche Recht hingegen sieht seit der Reform im Jahre 1975 in Art. 84 c.c. ein regelmäßiges Mindestalter von 18 Jahren, bei Vorliegen schwerwiegender Gründe ausnahmsweise ein Alter von 16 Jahren vor. 136 Vgl. hierzu Spinelli, Problemi vecchi e nuovi sul matrimonio dei minori - a proposito della sentenza n. 16 deI 1982 della Corte costituzionale, Dir.eccl. 1982, 475 ff. I37 Corte cost. 2 febbraio 1982 n. 18, Foro it. 1982, I, 943 ff.

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l. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

Konkordatsehen nach kanonischem Recht eingegangen würden. Die staatliche Durchführungsgesetzgebung sei jedoch insoweit nicht verfassungsgemäß, als sie nicht vorsehe, daß die Appellationsgerichte im Rahmen der Anerkennung der kirchlichen Urteile prüfen müßten, ob den Parteien im kirchlichen Verfahren die Wahrnehmung ihrer prozessualen Rechte ausreichend gesichert war und ob die Entscheidungen auf Rechtsgedanken beruhten, die nicht mit dem italienischen ordre public zu vereinbaren seien 138 . Außerdem wurde die in Art. 34 des Konkordats vorgesehene Möglichkeit der Eheauflösung ex nunc durch päpstlichen Dispens für nicht vereinbar mit dem staatlichen Grundrecht auf ein justizförmiges Verfahren eingestuft und für verfassungswidrig erklärt 139 • Mit den beiden Entscheidungen sollte demnach eine Stärkung der bisher völlig unzureichenden staatlichen Kontrolle der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen durch die Appellationshöfe sichergestellt werden, ohne das bisher bestehende System gänzlich zu zerstören 140. d) Weitere Revisionsentwürfe und endgültige Fassung

Die nach den dargestellten Entscheidungen der Corte costituzionale aus dem Jahre 1982 erforderlichen erneuten Korrekturen wurden in den Entwürfen "Quinta bis" (1982) und in der "Sesta bozza" (1983) vorgenommen l4l . Die schließlich am 18. Februar 1984 in der Villa Madama in Rom von Bettino Craxi und dem Kardinal Casaroli unterzeichnete endgültige Fassung des "Accordo di modificazione deI concordato lateranense" enthielt nochmals kleinere Abweichungen von der letzten Vorlage l42 . Inhaltlich kann man durchaus von einem neuen Konkordat sprechen, da von den Regelungen des alten Laterankonkordats so gut wie keine unverändert geblieben ist l43 . Die formelle Einordnung als Vertragsänderung ermög138 Vgl. zur nunmehr erforderlichen Überprüfung der kirchlichen Entscheidungen am Maßstab des ordre public Dalla Torre, Principi supremi e ordine pubblico Notazioni sulla recente giurisprudenza costituzionale in tema di matrimonio concordatario, Dir.eccl. 1982, 401 ff. 139 Vgl. hierzu Lariccia, Nuove soluzioni al problema degli effetti civili deI matrimonio canonico, Dir.eccl. 1982, 460 ff. 140 Zur Kritik an der Vorgehensweise des Verfassungsgerichts vgl. Baccari, 11 matrimonio nel diritto canonico rinnovato dal nuovo Codex Iuris Canonici e nella legislazione concordataria alterata dalla giurisprudenza costituzionale, S. 141 ff. 141 Text des Art. 8 bei D'Ostilio, La rilevanza deI matrimonio canonico, S. 92. 142 Text des Art. 8 wiederum bei D'Ostilio, La rilevanza dei matrimonio canonico, S. 92. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß mit der Revision des Konkordats nur ein Teil der Lateranverträge geändert wurde, der Staatsvertrag also grundsätzlich auch weiterhin unverändert Gültigkeit besitzt.

11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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lichte jedoch staatlicherseits die Behandlung der Materie im normalen Gesetzgebungsverfahren l44 , während ein gänzlich neues Konkordat das komplizierte Verfahren für eine Verfassungsänderung hätte durchlaufen müssen 145 . Die Vereinbarung wurde schließlich am 25. März 1985 per Gesetz in italienisches Recht transformiert und trat am 3. Juni 1985 in Kraft 146. Seit den ersten Bemühungen um eine Revision waren nunmehr fast zwanzig Jahre vergangen.

e) Art. 8 des revidierten Konkordats von 1984 Der neue Art. 8 enthält die eherechtlichen Bestimmungen des revidierten Konkordats und löst damit Art. 34 des Konkordats von 1929 ab 147 . Zwar wurde das System der Konkordatsehe im Grundsatz beibehalten, gemäß den Vorgaben der Corte costituzionale wurden jedoch neue, stärker am staatlichen Recht orientierte Voraussetzungen sowohl für die Transkription der Ehen als auch für die Anerkennung der kirchlichen Ehenichtigkeitsurteile festgeschrieben 148 . Insgesamt spiegeln die Neuerungen das zuletzt immer deutlicher zutage getretene Bedürfnis des italienischen Staates nach emer angemessenen Berücksichtigung seiner Grundprinzipien wider 149 . 143 Für das Vorliegen eines völlig neuen Textes spricht auch Art. 13, nach dem all die Bestimmungen des Konkordats von 1929, die im neuen Text nicht wiederkehren, abbedungen sind. Zu den Neuerungen betreffend das Kirchenvermögen vgl. Berlingo, Gli enti e il patrimonio della Chiesa, in: Ferrari, Concordato e costituzione, S. 89 ff. 144 Dies ermöglichte Art. 7 Abs. 2 Satz 2 cost. Er lautet: "Von beiden Seiten gebilligte Änderungen dieser Verträge der Lateranverträge, Anm. d. Verf. bedürfen nicht des für Verfassungsänderungen vorgesehenen Verfahrens. Vgl. zu dieser Vorgehensweise F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 121 f. Aus der Diskrepanz von inhaltlich völliger Erneuerung einerseits und der Bezeichung als Änderungsvereinbarung andererseits resultieren auch die verschiedenen Bezeichnungen im Schrifttum während zum Teil inhaltsbezogen vom "Nuovo accordo" die Rede ist, benutzen andere Autoren die offizielle Formulierung "Accordo di modificazione", wieder andere sprechen von den "Accordi di Villa Madama". In der vorliegenden Arbeit soll vom "revidierten Konkordat" die Rede sein. 145 Das Verfahren ist in den Art. 138 und 139 Cost. beschrieben. 146 Gesetz vom 25. März 1985 Nr. 121, G.U. vom 10. April 1985. 147 Eine Übersetzung der eherechtlichen Bestimmungen des revidierten Konkordats findet sich bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. V, Italien, S. 104 f. Sie ist hier im Anhang wiedergegeben. 148 Zum Einfluß der Entscheidungen des Verfassungsgerichts auf die Revision vgl. Martines, Profili costituzionali e pronunce della Corte costituzionale nella materia concordataria, in: Vitali/Casuscelli, La disciplina deI matrimonio concordatario dopo gli accordi di Villa Madama, S. 56 ff. 149 Vgl. Vitali, La nuova disciplina deI matrimonio, in: Ferrari, Concordato e costituzione, S. 66 ff.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

Auch die spätere Kontroverse um die Zuständigkeit für die Beurteilung der Gültigkeit der Konkordatsehen, welche den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bildet, ist in Art. 8 angelegt, da hier nicht mehr - wie noch in Art. 34 des Konkordats von 1929 - von einer ausschließlichen Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte die Rede ist. 7. Die Entwicklung des Eherechts seit 1984 An dieser Stelle sei lediglich ein kurzer allgemeiner Überblick über die wichtigsten seit der Konkordatsrevision eingetretenen Neuerungen gegeben. Die detaillierte Erörterung der Auswirkungen auf das System der Konkordatsehe bleibt den weiteren Kapiteln vorbehalten.

a) Vereinbarungen mit anderen Religionsgemeinschaften In den Jahren nach der Konkordatsrevision konnten einige der kleinen Religionsgemeinschaften unter Hinweis auf die ihnen in Art. 8 Abs. 2 der italienischen Verfassung eingeräumten Rechte erreichen, daß der Staat ihren Mitgliedern im Rahmen bilateraler Vereinbarungen zugestand, die Ehe nicht nur vor dem jeweiligen Geistlichen, sondern auch nach ihrem eigenen Ritus abzuschließen 15o• Damit verbunden war eine weitgehende Trennung VOn re150 Es handelt sich um die Vereinbarungen des italienischen Staates mit den Waldensern (Tavola Valdese) vom 21. Februar 1984, Gesetz vom 11. August 1984 Nr. 449, G.U. vom 13. August 1984 Nr. 222, vg!. zu dieser Vereinbarung Jayme, FS Ferid, 1988, 216 f.; Luther, StAZ, 1985, 121 ff. und Casuscelli, L'intesa con la Tavola Valdese, in: Ferrari, Concordato e costituzione, S. 213 ff. sowie - ebenfalls zu den Waldensern - das Gesetz vom 5. Oktober 1993, Nr. 409, G.U. vom 11. Oktober 1993, Nr. 239; weiterhin die Vereinbarung mit den Adventisten des 7. Tages (Unione Italiana delle Chiese avventiste) vom 29. Dezember 1986, Gesetz vom 22. November 1988 Nr. 516, G.U. vom 2. Dezember 1988 Nr. 283, Supp!. ord. Nr. 107; die Vereinbarung mit den Pfingstlern (Assemblee di dio in Italia), Gesetz vom 22. November 1988 Nr. 517, G.U. vom 2. Dezember 1988 Nr. 283, Supp!. ord. Nr. 107; die Vereinbarung mit der Vereinigung israelitischer Gemeinden (Unione delle Comunita ebraiche italiane) vom 27. Februar 1987, Gesetz vom 8. März 1989 Nr. 101, Art. 13, G.U. vom 23. März 1989 Nr. 69, Supp!. ord. Nr. 21, vg!. hierzu Tedeschi, Il matrimonio secondo l'Intesa tra repubblica italiana e l'unione delle Communita Israelitiche italiane, Riv.dir.civ. 1987, I, 263 ff.; die Vereinbarung mit den Baptisten (Unione Cristiana Evangelica Battista d'Italia), Gesetz vom 12. April 1995 Nr. 116, G.U. vom 22. April 1995 Nr. 94, Supp!. ord. Nr. 46 und schließlich die Vereinbarung mit den Lutheranern (Chiesa Evange1ica Luterana in Italia), Gesetz vom 29. November 1995 Nr. 520, G.U. vom 7. Dezember 1995 Nr. 286, Supp!. ord. Nr. 146; vg!. zu den beiden letztgenannten Albisetti, Il matrimonio di Battisti e Luterani: epilogo di un sistema, Nuova giur.civ.comm. 1997, 11, 4 ff. Die Texte aller genannten Vereinbarungen finden sich auch bei Barberini, Raccolta di fonti normative di diritto ecclesiastico, S. 62 ff.

11. Die Entwicklung von weltlichem und kirchlichem Eherecht in Italien

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ligiöser Trauung einerseits und ihrer staatlichen Anerkennung andererseits, allerdings ohne daß ein der Konkordatsehe vergleichbares System installiert wurde. Anstelle der Trauperson müssen sich jetzt die Eheschließenden selbst um die vorherige staatliche Genehmigung kümmern. Im Rahmen der religiösen Trauung müssen die zivilrechtlichen Rechte und Pflichten in der Regel nicht mehr verlesen werden, die Konsenserklärung kann also allein nach den religiös vorgeschriebenen Formen abgegeben werden I51 . Dafür hat die Transkription in die staatlichen Eheregister, welche von der Trauperson innerhalb von fünf Tagen beantragt werden muß, nunmehr konstitutive Wirkung l52 . Diese Neuerungen stellen zwar für die entsprechenden Religionsgemeinschaften einen großen Fortschritt gegenüber der zuvor geltenden Regelung über die akatholische Eheschließung dar, nach der lediglich der jeweilige Geistliche den Standesbeamten ersetzen konnte. Dennoch bleibt es, anders als bei der kanonischen Ehe, letztlich eine nur formell andere Art und Weise der Eheschließung, da das materielle Eherecht des Staates auch durch die Vereinbarungen in keiner Weise abgeändert wird l53 . Für die anerkannten Religionsgemeinschaften, die noch keine bilaterale Vereinbarung mit dem italienischen Staat getroffen haben oder deren Vereinbarungen noch nicht in Kraft getreten sind, behält die Regelung von 1929 weiterhin ihre Gültigkeit 154. b) Die Novellierung des Scheidungsgesetzes im Jahre 1987

Im Jahre 1987 kam es zu einer Novellierung des Scheidungsgesetzes l55 , deren wichtigstes Ergebnis die Verkürzung der regulären Trennungsfrist von 151 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 184, eine Ausnahme bildet hier lediglich die Vereinbarung mit der Unione delle Comunita ebraiche italiane vom 27. Februar 1987, vgl. dort Art. 14 Abs. 4. 152 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 189. 153 Vgl. hierzu F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 465 sowie zur Eheschließung nach den Vereinbarungen gemäß Art. 8 der Verfassung insgesamt Saguto, La disciplina deI matrimonio nelle intese tra Repubblica Italiana e confessioni religiose diverse dalla cattolica, Dir.fam. 1994, 778 ff. 154 Zwei weitere Vereinbarungen liegen derzeit als Entwürfe dem italienischen Parlament vor, zum einen die Vereinbarung mit den Zeugen Jehovas, die "Intesa tra la Repubblica Italiana e la Congregazione Cristiana dei Testimoni di Geova" vom 20. März 2000, abgedruckt in Dir.eccl. 2000, I, 587 ff., zum anderen eine Vereinbarung mit den Buddhisten, die "Intesa tra la Repubblica Italiana e l'Unione Buddhista Italiana", ebenfalls vom 20. März 2000, abgedruckt in Dir.eccl. 2000, I, 594 ff. letztere mit kritischen Anmerkungen von Giulimondi, Intesa Stato Italiano-Unione Buddhista Italiana: ma questa Intesa e costituzionale?, Dir.eccl. 2000, I, 936 ff. 155 Gesetz vom 6. März 1987 Nr. 72, G.U. vom 3. März 1987; vgl. hierzu Buono, Neue Entwicklungen des Ehe- und Kindschaftsrechts in Italien, StAZ 1997,201 ff.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

fünf auf drei Jahre war. Besondere Auswirkungen auf Konkordatsehen waren mit dieser Neuregelung nicht verbunden. c) Die Entscheidungen des Jahres 1993

Im Jahre 1993 ergingen zwei für die hier zentrale Frage nach der Zuständigkeit für die Beurteilung der Gültigkeit von Konkordatsehen wesentliche Entscheidungen. Während die Corte di Cassazione a Sezioni Unite in einem Urteil vom 13. Februar 1993 die Auffassung vertrat, daß seit der Konkordatsrevision des Jahres 1984 eine konkurrierende Zuständigkeit der kirchlichen und staatlichen Gerichte bestehe l56 , ging die Corte costituzionale ihrerseits in einer Entscheidung vom 1. Dezember desselben Jahres vom Weiterbestehen der ausschließlichen Zuständigkeit der Kirchengerichte aus l57 . Die gegensätzlichen Entscheidungen der beiden Gerichte haben maßgeblich zur Verhärtung der Fronten in der Zuständigkeitsfrage beigetragen 158. d) Das Gesetz über die Reform des italienischen [PR aus dem Jahre 1995 Das neue italienische Internationale Privatrecht (lPR) aus dem Jahre 1995 enthält bedeutende Änderungen und reagiert damit auf die Erfordernisse des zunehmenden internationalen Rechtsverkehrs einerseits sowie auf gesetzgeberische und verfassungsrechtliche Entwicklungen innerhalb italiens andererseits l59 . Das Gesetz bietet zudem den Vorteil einer organischen und abgeschlossenen Behandlung der gesamten Materie, die zuvor in vielen verschiedenen Gesetzen verstreut war l60 . Im 4. Titel des Gesetzes, welcher erst am 31. Dezember 1996 in Kraft getreten ist l61 , findet sich in den Art. 64 ff. eine Regelung über die Anerkennung ausländischer Urteile, welche vormals in den Art. 796 ff. C.p.c. Cass. 13 febbraio 1993 n. 1824, Dir. farn. 1993, 109 ff. Cone cost. I dicembre 1993 n. 421, Dir.fam. 1993,960 ff. 158 Zu den Einzelheiten vgl. das 3. Kapitel. 159 Gesetz vom 31. Mai 1995 Nr. 218, G.U. vom 3. Juni 1995 Nr. 128, Suppl. ord. Nr. 68, in Kraft getreten am 2. September 1995, deutsche Übersetzung in IPRax 1996, 356 ff. 160 Vgl. zum neuen IPR-Gesetz Pocar, Das neue italienische Internationale Privatrecht, IPRax 1997, 145 ff.; zu den Auswirkungen auf den deutsch-italienischen Rechtsverkehr auch Rimini, Internationales Familien- und Verfahrensrecht in Italien, StAZ 1997, 193 ff. 161 Zu den Gründen für die mehrmalige Verschiebung des Inkrafttretens dieses Teils des Gesetzes vgl. die Ausführungen bei F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S.450. 156

15?

III. Das geltende Eherecht Italiens

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geregelt war l62 . Die mögliche Anwendung der einzelnen Bestimmungen der Art. 64 ff. des IPR-Gesetzes im Rahmen der Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen wird später ausführlich darzustellen sein 163.

111. Das geltende Eherecht Italiens Wie gesehen, bietet das heute in Italien gültige Eherecht nicht weniger als 5 verschiedene Eheschließungsformen an l64 . Dabei gelten zwar die meisten Vorschriften des staatlichen Ehe- und Familienrechts, namentlich die Bestimmungen über die allgemeinen Ehewirkungen l65 , die Vorschriften über die elterliche Gewalt 166 sowie die güterrechtlichen Bestimmungen 167 für all diese Ehen - mit Ausnahme der rein kanonischen Ehe - in gleicher Weise. In Fragen der Nichtigkeit, der Auflösung und der Beendigung der Ehe ergeben sich allerdings insbesondere im Rahmen der Konkordatsehe markante Unterschiede. Aus diesem Grunde erscheint es angebracht, abschließend einen Überblick sowohl über die einzelnen Eheschließungsformen als auch über die Möglichkeiten ihrer Auflösung im weiteren Sinne zu geben. 1. Möglichkeiten der Eheschließung

Die Ehe kann in Italien auf folgende Weise geschlossen werden: a) Wahlzivilehe nach den Art. 93 ff. C.c.

Die im Codice civile von 1865 ursprünglich als obligatorisch eingeführte Zivilehe besteht seit 1929 als fakultative Zivilehe fort. Sie steht all denjenigen zur Verfügung, die weder der katholischen Kirche noch einer der in italien anerkannten Religionsgemeinschaften angehören oder die nicht nach deren Riten die Ehe eingehen wollen. 162 Vgl. hierzu von der Heyde, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Italien gern. Artt. 64--66 IPRG - ein Zeichen internationaler Öffnung, IPRax 2000, 441 ff. 163 Vgl. hierzu das 4. Kapitel. 164 Wenn man die in den 6 Vereinbarungen mit den oben genannten Religionsgemeinschaften vorgesehenen Eheschließungsmodalitäten als jeweils eigene Eheschließungsform betrachtet, so sind es sogar 10 verschiedene Möglichkeiten der Eheschließung. 165 Art. 143 ff. C.C. 166 Art. 315 ff. C.C. 167 Art. 159 ff. c.c.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

b) Akatholische Eheschließung nach Art. 83 c.c.

Diese im Zuge des Konkordats von 1929 eingeführte Eheschließungsform ist ein Unterfall der Wahlzivilehe, der sich von dieser allein dadurch unterscheidet, daß ein zugelassener Geistlicher die Trauungszeremonie durchführt. Sie gilt heute nur noch für die anerkannten Religionsgemeinschaften, welche keine besonderen Vereinbarungen mit dem italienischen Staat getroffen haben l68 . c) Eheschließung nach den Vereinbarungen gemäß Art. 8 Cost.

Die bilateralen Vereinbarungen, die alle nach der Konkordatsrevision und auf der Grundlage des Art. 8 der italienischen Verfassung abgeschlossen wurden, stellen eine Erweiterung der Zugeständnisse an die jeweiligen Religionsgemeinschaften dar. Sie dokumentieren zugleich das Bestreben des Staates, eine weitgehende Pluralität bezüglich der Art und Weise der Eheschließung zu gewährleisten. Der Unterschied zur akatholischen Eheschließung besteht darin, daß neben der Bestimmung der "eigenen" Trauperson zusätzlich der Ablauf der Trauungszeremonie abweichend vom staatlichen Recht gestaltet werden kann. Das übrige materielle Recht des Codice civile wird auch durch diese Vereinbarungen nicht berührt. d) Die Konkordatsehe

Die Konkordatsehe unterscheidet sich grundlegend von den eben genannten Möglichkeiten der Eheschließung, denn sie stellt über die Art und Weise der Zeremonie und die besondere Trauperson hinaus eine von der "gewöhnlichen" Ehe zu unterscheidende Verbindung dar. Die Konkordatsehe unterliegt auch in ihrer heutigen Ausgestaltung zunächst vorrangig dem Recht der römisch-katholischen Kirche. Der Staat formuliert seinerseits die Bedingungen, die er an die zivilrechtliche Wirksamkeit dieser Ehen knüpft, wobei - und eben hier liegt der Unterschied zu den anderen bisher genannten Ehearten - keineswegs alle staatlichen Regelungen des Eherechts Beachtung finden. Die zahlreichen sich aus dem Zusammenspiel der staatlichen und der kanonischen Rechtsordnung ergebenden Probleme und Fragen sind Gegenstand der folgenden Kapitel. 168 Bis heute gilt für diese Eheschließungen das Gesetz über die akatholischen Religionsgemeinschaften aus dem Jahre 1929; es gibt allerdings einen Gesetzentwurf aus dem Jahre 1997 für ein neues Gesetz über die Religionsfreiheit, welches in Art. 10 unter anderem auch eine Neuregelung der eherechtlichen Regelungen enthält, der Entwurf hat jedoch die parlamentarischen Hürden bis heute nicht genommen, er ist abgedruckt in Dir .eccl. 1998, I, 173 ff.

III. Das geltende Eherecht Italiens

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e) Nur kanonische Ehen nach dem CIC

In Italien besteht schließlich seit der Revision des Konkordats auch wieder die Möglichkeit, eine nur kirchenrechtlich wirksame Ehe einzugehen, die keine zivilrechtlichen Wirkungen entfaltet, da es keine staatlichen Normen - wie etwa das im deutschen Recht vorhandene Verbot der kirchlichen Voraustrauung des § 67 PStG - gibt, die dies untersagen!69. Eine solche Ehe unterliegt zunächst allein den Bestimmungen des kanonischen Rechts 170. Ob sie zu einem späteren Zeitpunkt noch zivilrechtliche Wirkung erlangen kann, hängt von der Art und Weise der kirchlichen Eheschließung!?! und vom Willen der Parteien zu diesem Zeitpunkt ab - wenn dieser die Transkription umfaßte, dann ist eine solche auch nach längerer Zeit noch möglich. War es jedoch der Wille der Eheschließenden, eine nur kirchlich relevante Ehe einzugehen, so ist eine spätere Transkription nicht mehr möglich 172 . 2. Möglichkeiten der Auflösung im weiteren Sinne Die im folgenden dargestellten Möglichkeiten der staatlichen Eheauflösung im weiteren Sinne gelten grundsätzlich für alle oben genannten Eheformen mit Ausnahme der nur kanonischen Ehe, welche auch hier allein den Regeln des kanonischen Rechts unterliegt 173. Die Besonderheiten, welche sich im Rahmen der Konkordatsehe ergeben, sollen hier nur angedeutet werden, da sie wesentlicher Gegenstand der weiteren Ausführungen sein werden. a) Ehetrennung

Das Institut der Ehetrennung existiert sowohl im staatlichen italienischen als auch im kanonischen Recht. Bis zur Einführung der Ehescheidung im Jahre 1970 stellte es in beiden Rechtsordnungen die einzige Möglichkeit dar, die Rechtsfolgen des Scheitems einer gültigen Ehe zu regeln!?4. WähZur Situation vor der Revision vgl. das 2. Kapitel. Vgl. ce. 1055 ff. (eIe 1983). 171 Transkribierbar ist nur die nach den Regeln des Konkordats geschlossene kanonische Ehe, nicht aber andere kanonischrechtlich mögliche Eheschließungen wie etwa die geheime Eheschließung nach ce. 1130 ff. (eIe 1983), vgl. hierzu im einzelnen 2. Kapitel, 11. 1. c). 172 Vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 434 sowie zu den Möglichkeiten einer verspäteten Transkription insgesamt 2. Kapitel, 11. 1. c) bb) und III. 1. c) bb). 173 Vgl. zur den Möglichkeiten der Trennung ce. 1141 ff. (eIe 1983), zur Nichtigkeit im Rahmen der Konkordatsehe 2. Kapitel, 11. 3. 174 Vgl. hierzu 1. Kapitel, 11. 5. b). 169

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4 Waldmann

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

rend dies im kanonischen Recht auch weiterhin der Fall ist, hat sich die Funktion des Instituts der Ehetrennung im staatlichen Recht mit der Einführung der Ehescheidung grundlegend gewandelt. aa) Kanonisches Recht Das kanonische Recht kennt zwei Arten der Ehetrennung, nämlich die Auflösung der Ehe als solcher, welche nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig ist 175 , sowie die Trennung der Ehegatten bei bleibendem Eheband, die im Grundsatz mit dem Institut der staatlichen Ehetrennung vergleichbar ist 176 . Die letztgenannten Vorschriften finden heute im wesentlichen Anwendung auf die nur kanonischen Ehen nach dem CIC l77 . bb) Staatliches Recht Im staatlichen Recht ist die Ehetrennung 178 heute weniger ein eigenständiges Institut als vielmehr der wichtigste Scheidungsgrund und somit in aller Regel notwendiges Durchgangsstadium zur Scheidung 179 . Das italienische Recht unterscheidet drei Arten der Ehetrennung, von denen allerdings nur zwei eine ausführliche Regelung im Codice civile erfahren haben. Es handelt sich dabei zum einen um die gerichtliche Ehetrennung 180 . Sie erfordert Umstände, die die Fortsetzung des Zusammenlebens unzumutbar machen oder schwere Schäden für die Erziehung der Kinder verursachen, und erfolgt durch Urteil auf Antrag eines Ehegatten. Die Trennungsverfahren selbst 181 sowie die vermögens- und sorgerechtlichen Folgen einer solchen gerichtlichen Trennung sind gesetzlich geregelt 182 . Die zweite Möglichkeit besteht in einer einverständlichen Trennung, welche einen ernsthaften Trennungswillen sowie die Wahrung der Interessen 175 Vgl. zur sog. Lösung des Ehebandes die ce. 1141 ff. (eIe 1983), zur Bedeutung dieser Regelungen für die Konkordatsehe vgl. 2. Kapitel, 11. 2. 176 Vgl. hierzu die Regelungen der ce. 1151 ff. (eIe 1983). 177 Zur Bedeutung dieser Vorschriften im Rahmen der Konkordatsehe vgl. 2. Kapitel, 11. 2. 178 Sog. "separazione personale dei coniugi". 179 In dieser Funktion liegt der entscheidende Unterschied zur eben erwähnten Trennung bei bleibendem Eheband im kanonischen Recht. 180 Sog. "separazione giudiziale", geregelt in den Art. 151 ff. C.C. 181 Vgl. Art. 706 ff. C.p.C. 182 Eine ausführliche Darstellung der vermögensrechtlichen Folgen der Ehetrennung und ihrer Unterschiede zu denen bei einer Scheidung der Ehe enthält die Arbeit von Funke, Trennung und Scheidung in Italien, S. 45 ff.

III. Das geltende Eherecht Italiens

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der Kinder voraussetzt und zu ihrer Wirksamkeit der gerichtlichen Bestätigung bedarfl83 . Regelungen betreffend den Unterhalt und die Fürsorge für die Kinder können hierbei grundsätzlich von den Ehegatten frei vereinbart werden, wobei letztere Regelungen vom Gericht überprüft und beanstandet werden können l84 . Die tatsächliche Trennung 185 schließlich ist gesetzlich nicht geregelt. Eine solche Trennung aufgrund bloßer Vereinbarung der Ehegatten erzeugt grundsätzlich keinerlei Rechtswirkungen. Die ehelichen Rechte und Pflichten der Art. 143 ff. c.c. bleiben bestehen l86 . b) Ehescheidung

Die Ehescheidung ist grundsätzlich nur im staatlichen italienischen Recht l87 , nicht aber im kanonischen Recht vorgesehen 188. Der heute mit Abstand wichtigste Scheidungsgrund des staatlichen Rechts ist die vorherige gerichtliche oder einverständliche und vom Gericht bestätigte Trennung der Ehegatten 189. Die Trennung muß sich dabei vor Erhebung der Scheidungsklage über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren erstreckt haben 190. Weitere Trennungsgründe sind die Auflösung der Ehe im Ausland 191, schwere strafrechtliche Verfehlungen des anderen Ehegatten 192, der Nichtvollzug der Ehe 193 sowie rechtskräftige Berichtigungsurteile über die Geschlechtszugehörigkeit l94 . Zusätzliche Voraussetzung für die Scheidung ist ein gescheiterter Versöhnungs versuch der Ehegatten l95 . 183 Sog. "separazione consensuale", geregelt in Art. 158 c.c., vgl. auch hierzu Funke, Trennung und Scheidung in Italien, S. 79 ff. 184 So Art. 158 Abs. 2 c.c. 185 Sog. "separazione di faUo". 186 Zu den wenigen Ausnahmen vgl. Grunsky, Italienisches Familienrecht, S. 58 f. 187 Zur Geschichte der Entstehung des Scheidungsgesetzes vgl. 1. Kapitel, 11. 5. b); zur Reform von 1987 1. Kapitel, 11. 7. b). 188 Teilweise werden allerdings die in den cc. 1142 ff. (CIC 1983) genannten Eheauflösungsgründe auch als kanonische Scheidungsgründe bezeichnet, vgl. hierzu im einzelnen 2. Kapitel, 11. 2. 189 Die tatsächliche Trennung ist nur dann ein Scheidungsgrund, wenn sie mindestens zwei Jahre vor dem 18. Dezember 1970 begonnen hat, vgl. Art. 3 Nr. 2b Abs. 1 des Scheidungsgesetzes. Derartige Fälle dürfte es heute kaum noch geben. 190 Vgl. Art. 3 Nr. 2b Abs. 2 des Scheidungsgesetzes. 191 Vgl. Art. 3 Nr. 2e des Scheidungsgesetzes; hierzu ausführlich Stottmeister, Die Ehescheidung mit Auslandsbezug im italienischen Recht, S. 124 ff. 192 Vgl. Art. 3 Nr. la-d, Nr. 2a, c und d des Scheidungsgesetzes. 193 Vgl. Art. 3 Nr. 2f des Scheidungsgesetzes. 194 Vgl. Art. 3 Nr. 2g des Scheidungsgesetzes. 195 Vgl. Art. 4 Nr. 7 und 8 des Scheidungsgesetzes.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

Mit der Scheidung ist die Zivilehe aufgelöst l96 . Im Rahmen der Konkordatsehe führt die Scheidung lediglich zur Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen 197, während die kirchenrechtliche Ehe hiervon unberührt bleibt. Die weitgehenden namens-, vermögens- und sorgerechtlichen Folgen der Ehescheidung regelt das Scheidungsgesetz l98 . 3. Nichtigkeit der Ehe Probleme betreffend die Gültigkeit einer Ehe haben ihren Ursprung immer in Unzulänglichkeiten der Eheschließung selbst. Deshalb werden sie in aller Regel auch im Zusammenhang mit der Eheschließung thematisiert. Die hier und im folgenden vorgezogene Behandlung der Nichtigkeit als eigenständiger Abschnitt liegt darin begründet, daß bei der Konkordatsehe gerade die unterschiedlichen Regelungen des staatlichen und kirchlichen Rechts zur Nichtigkeit zahlreiche Probleme aufwerfen. Hier sei lediglich ein erster Überblick gegeben. a) Nichtigkeitsregelungen des kanonischen Rechts

Nichtigkeitsgründe des kanonischen Rechts können sich aus der Nichteinhaltung bestimmter Formvorschriften 199, aus Mängeln im Ehewillen der Beteiligten200 sowie aufgrund mangelnder Ehefähigkeit201 ergeben. Die entsprechenden Gründe sind im Ehenichtigkeitsverfahren vor den Kirchengerichten geltend zu machen 202 . Eine zeitliche Begrenzung für die Geltendmachung gibt es nicht. Die Nichtigerklärung wirkt auf den Zeitpunkt der Eheschließung zurück203 . b) Nichtigkeitsregelungen des staatlichen Rechts

Genau genommen ist eine Ehe nach staatlichem Recht bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nicht bereits nichtig, sondern vielmehr durch Vgl. Art. 1 des Scheidungsgesetzes. Vgl. Art. 2 des Scheidungsgesetzes. 198 Vgl. Art. 5 ff. des Scheidungsgesetzes, zu den Einzelheiten insbesondere der vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen vgl. Funke, Trennung und Scheidung in Italien, S. 141 ff. 199 Vgl. ce. 1108 ff. (CIC 1983). 200 Vgl. ce. 1095 ff. (CIC 1983). 201 Vgl. ce. 1073 ff. (CIC 1983). 202 Vgl. ce. 1671 ff. (CIC 1983). 203 Vgl. zum Ganzen Tedeschi, Nullita 0 annullabilita tra matrimonio civile e canonico, in: Cipriani, Concordato e legge matrimoniale, S. 451 ff. 196 197

III. Das geltende Eherecht Italiens

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eine Gestaltungsklage vernichtbar204 . Dabei wird zwischen absoluter und relativer Vernichtbarkeit unterschieden. Absolute Vernichtbarkeit bedeutet, daß neben dem Ehegatten und dem Staatsanwalt jedermann, der ein berechtigtes Interesse daran hat, die Ehe anfechten kann 205 . Zu diesen Eheanfechtungsgründen zählen die Eheverbote des staatlichen Rechts, nämlich das Verbot der Doppelehe206 , das Verbot der Heirat unter Verwandten im weiteren Sinne207 sowie das Eheverbot im Falle der Verurteilung eines Ehegatten wegen bestimmter Verbrechen 208 . Relative Vernichtbarkeit bedeutet die Beschränkung des Anfechtungsrechts auf die Ehegatten selbst. Wichtig sind hier vor allem die Fälle fehlender Ehemündigkeit oder -fähigkeit209 sowie das Vorliegen gravierender Mängel im Ehewillen, wie etwa die Eheschließung aufgrund von Zwang oder Irrtum 21O • Ebenso wie die Gründe unterscheiden sich auch die Folgen der zivilrechtlichen Nichtigkeit ganz erheblich von denen des Kirchenrechts 211 • So erzeugt die nichtige Ehe bis zum Urteil jedenfalls zugunsten des gutgläubigen Ehegatten die Wirkungen einer gültigen Ehe, ihre Nichtigkeit wirkt also insoweit nur ex nunc 212 . Anders als im kanonischen Recht sind für die Geltendmachung der genannten Nichtigkeitsgründe kurze Fristen vorgesehen, nach denen in der Regel eine Anfechtung nach Ablauf eines Jahres seit der Eheschließung nicht mehr stattfinden kann 213 . c) Nichtigkeit der Konkordatsehe

Wer nach heutiger Rechtslage für die Feststellung der Nichtigkeit der Konkordatsehen zuständig ist und nach welchem Recht die Gerichte die Frage der Nichtigkeit zu beurteilen haben, ist seit der Revision des Konkor204 Die Überschrift des entsprechenden Abschnitts des Codice civile "Della nullita deI matrimonio", Art. 117 ff. C.c., ist insoweit etwas irreführend; vgl. hierzu Tedeschi, Nullita 0 annullabilita tra matrimonio civile e canonico, in: Cipriani, Concordato e legge matrimoniale, S. 444. 205 V gl. Art. 117 Abs. 1 C.C. 206 Art. 86 C.C. 207 Art. 87 C.C. 208 Art. 88 C.C. 209 Art. 119, 120 C.C. 210 Art. 122 C.C. 211 Eine systematische Darstellung der Unterschiede findet sich bei Tedeschi, Nullita 0 annullabilita tra matrimonio civile e canonico, in: Cipriani, Concordato e legge matrimoniale, S. 440 ff. 212 Vgl. Art. 128 C.C. 213 Die Fristen finden sich jeweils bei den genannten Anfechtungsgründen. Eine Ausnahme bildet etwa das Vorliegen einer Doppelehe, Art. 124 c.c.

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1. Kap.: Grundzüge der Entwicklung des italienischen Eherechts

dats umstritten und soll in den folgenden Kapiteln eingehend untersucht werden. d) Besonderheiten im Rahmen der Eheschließungen nach den Vereinbarungen gemäß Art. 8 Cost. und der weiteren anerkannten Religionsgemeinschaften

Neben den genannten Nichtigkeitsgründen des staatlichen Rechts bestehen bei den akatholischen Eheschließungen zwei zusätzliche Möglichkeiten der Eheanfechtung. Es handelt sich hierbei zum einen um den Fall der fehlenden allgemeinen staatlichen Zulassung der Person, welche die Trauung vorgenommen hat, zum anderen um den Fall des Fehlens der Autorisation der Trauperson zur Vornahme der konkreten Eheschließung, da beides unabdingbare Voraussetzungen für die Erlangung der zivilrechtlichen Wirkung dieser Ehen sind214 . Bei Eheschließungen nach den Vereinbarungen gemäß Art. 8 Cost. sind diese Voraussetzungen weggefallen, so daß hier keine derartigen Anfechtungsmöglichkeiten bestehen.

IV. Zusammenfassung Der Blick auf die Entwicklung des italienischen Eherechts hat gezeigt, daß der Kompetenzkonflikt zwischen Staat und katholischer Kirche in diesem Bereich seit sehr langer Zeit andauert. Die besondere Bedeutung des Konflikts gerade in Italien erklärt sich aus der Tatsache, daß die katholische Kirche des Abendlandes bis auf eine kurze Unterbrechung im 14. Jahrhundert ihren Mittelpunkt immer in Rom hatte. Waren es zu Beginn der Entwicklung die römischen Kaiser, die mit der Kirche konkurrierten, so ist es heute der moderne italienische Staat. Dessen säkularen Bestrebungen steht die lange Tradition der katholischen Kirche- und ihre tiefe Verwurzelung in weiten Teilen der italienischen Gesellschaft gegenüber. Im Konkordat von 1929 hat der italienische Staat die damals noch vorhandene faktische Vormachtstellung der Kirche auf dem Gebiet des Eherechts zunächst akzeptiert und dem kanonischen Eherecht eine dominierende Stellung eingeräumt215 . Im Verlaufe der weiter fortschreitenden Mo214 Vgl. zum einen Art. 3 und Art. 8 des Gesetzes vom 24. Juni 1929 Nr. 1159 von 1929, G.U. vom 16. Juli 1929 Nr. 164, zum anderen die in Fn. 173 genannten jeweiligen Sonderregelungen. Zu weiteren Einzelheiten vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 468 f. 215 Vgl. hierzu Carbone, La giurisprudenza della Cassazione sulla delibazione delle sentenze ecclesiastiche, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 11.

IV. Zusammenfassung

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demisierung der Gesellschaft forderte der Staat jedoch eine strengere Beachtung seiner Grundprinzipien, was die Kirche im Jahre 1984 im Rahmen der Konkordatsrevision anerkennen mußte 216 . Das heutige italienische Eherecht ist geprägt durch eine Vielzahl möglicher Eheschließungsformen und damit korrespondierend vielen verschiedenen Wegen der Auflösung dieser Verbindungen. Die Konkordatsehe nimmt allerdings nach wie vor eine Sonderstellung ein. Sie manifestiert sich vor allem in den Regelungen des neuen Konkordats und den in diesem Zusammenhang bestehenden staatlichen Regelungen, welche im nächsten Kapitel analysiert werden sollen.

216 Vgl. De Luca, Liberta e autorita di fronte al problema degli effetti civili deI matrimonio canonico, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 85 f.

Zweites Kapitel

Das System der Konkordatsehe I. Einführung Mit der Einführung der Konkordatsehe im Rahmen der Lateranverträge des Jahres 1929 hatte die katholische Kirche auf dem für sie so wichtigen Gebiet des Eherechts ihre alte Vormachtstellung in Italien in wesentlichen Teilen zurückgewonnen 1. Die neue Regelung ermöglichte die Eheschließung nach den Vorschriften des kanonischen Rechts und sah zugleich die staatliche Anerkennung der so geschlossenen Ehe als Regelfall vor. Ferner wurde der katholischen Kirche das Recht zugestanden, über die Nichtigkeit und - im Falle der nichtvollzogenen Ehe - über die Auflösung der so geschlossenen Ehen zu befinden, wobei die entsprechenden Entscheidungen, welche auf der Grundlage des kanonischen Rechts getroffen wurden, volle staatliche Wirksamkeit erlangten. Die persönliche Trennung der Ehegatten und alle weiteren die Ehe betreffenden Regelungen wurden allerdings auch für die Konkordatsehe vom staatlichen Recht bestimmt2 • Die Grundlinien dieses Systems, nämlich eine weitgehende Zuständigkeit der katholischen Kirche im Rahmen der Eheschließung und der Nichtigkeitsfeststellung sowie die alleinige Regelungskompetenz des Staates in allen anderen das zivile Verhältnis der Eheleute betreffenden Fragen, sind trotz einschneidender Veränderungen der siebziger und achtziger Jahre auch nach der Revision des Konkordats im Jahre 1984 und bis heute erkennbar geblieben. Aus diesem Grunde soll zunächst das im Jahre 1929 eingeführte System mit allen Änderungen, die es bis 1984 erfahren hat, dargestellt werden. Darauf aufbauend werden dann in einem zweiten Schritt die Auswirkungen der zahlreichen Neuerungen erörtert, welche sich durch die EinfühI Wie wichtig die neue Regelung der katholischen Kirche war, verdeutlicht die Aussage des damaligen Papstes Pius XI., der in einer Ansprache an Professoren und Studenten der Mailänder katholischen Universität erklärte, "für diesen Artikel [Anm. d. Verf.: Art. 34 des Konkordats] sei er bereit gewesen, sein Leben hinzugeben", vgl. Neumann, Grundriß des katholischen Kirchenrechts, S. 305. 2 Für die allgemeinen zivilrechtlichen Wirkungen war dies bereits in c. 1961 Abs. 1 (CIC 1917) von der Kirche selbst anerkannt worden, für die die persönliche Trennung betreffenden Angelegenheiten wurde es in Art. 34 Abs. 7 des Konkordats ausdrücklich zugestanden.

11. Das System der Konkordatsehe von 1929

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rung des Codex Iuris Canonici von 1983 und durch die Konkordatsrevision des Jahres 1984 ergeben haben. Die Erörterung der durch die Revision selbst ausgelösten neuen Probleme und Kontroversen bleibt indes den folgenden Kapiteln vorbehalten.

11. Das System der Konkordatsehe von 1929 Die für die Konkordatsehe zentrale Bestimmung enthielt Art. 34 Abs. 1 des Konkordats von 1929, in dem es hieß: "Der italienische Staat, von dem Wunsche beseelt, dem Institut der Ehe, welches die Grundlage der Familie ist, die den katholischen Überlieferungen seines Volkes entsprechende Würde wiederzugeben, erkennt dem vom kanonischen Recht geregelten Sakrament der Ehe die zivilen Wirkungen ZU.,,3 Die in den folgenden Absätzen des Art. 34 enthaltenen eherechtlichen Bestimmungen wurden zum einen ergänzt und ausgefüllt durch die Vorschriften des staatlichen Ehegesetzes 4 und Teile des Eherechts des Codice civile5 , zum anderen durch die Regelungen des kanonischen Rechts 6 . Im folgenden sollen zunächst die Voraussetzungen der konkordatären Eheschließung dargestellt werden, dann die Möglichkeiten der Beendigung einer solchen Ehe und schließlich der Komplex betreffend die Nichtigkeit der Konkordatsehe, welcher im weiteren Verlauf der Arbeit eine zentrale Rolle einnehmen wird. 1. Die Eheschließung

Wie sich aus der oben zitierten Formulierung des Art. 34 Abs. 1 ergibt, richtete sich die Konkordatseheschließung grundsätzlich nach den Vorschriften des kanonischen Eherechts, welches dank der Schaffung des Codex Iuris Canonici 1917 in vollständig systematisierter Form vorlag7 • Hinzu kamen die in Art. 34 Abs. 2 bis 7 des Konkordats selbst und die im Ehegesetz 8 genannten besonderen Voraussetzungen, die zur Erlangung der zivil3 Übersetzung des Art. 34 nach BergmannlFerid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. V, Italien, S. 100; die Übersetzung findet sich im Anhang. 4 Gesetz vom 27. Mai 1929 Nr. 847, G.U. vom 8. Juni 1929 Nr. 133 ("legge matrimoniale" = Ehegesetz); Übersetzung bei BergmannlFerid, Internationales Eheund Kindschaftsrecht, Bd. V, Italien, S. 101 f. 5 Zunächst die Art. 53 ff. c.c. (1869), dann die Art. 53 ff. c.c. (1939/42), später dann die Art. 79 ff. c.c. 6 Vgl cc. 1012 ff. (eIe 1917). 7 Vgl. zur Entstehung des eIe 1917 das 1. Kapitel, II. 3. c). Das kanonische Eherecht war in den cc. 1012 ff. (eIe 1917) geregelt. 8 Art. 5 bis 16 des Ehegesetzes betrafen die Eheschließung.

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

rechtlichen Wirkungen einzuhalten waren. Zur Eheschließung waren demnach regelmäßig die im folgenden in chronologischer Folge dargestellten Schritte notwendig. a) Ehevorbereitung und Ehevoraussetzungen

Wenn die Brautleute den Entschluß zur Eheschließung gefaßt hatten, so hatten sie sich zunächst mit dem für sie zuständigen Pfarrer in Verbindung zu setzen. Dieser hatte sich dann gemäß den cc. 1019 ff. (eIe 1917) im Rahmen des sog. Brautexamens von der Ehefähigkeit der Brautleute zu überzeugen. Die Nachforschungen des Pfarrers erstreckten sich dabei auf folgende drei Bereiche9 : zum einen ging es um die Frage, ob bei den Brautleuten ausreichende Kenntnisse der christlichen Lehre vorhanden seien, zum zweiten um die psychische Ehefahigkeit, also um das hinreichende Wissen und Wollen der Eheschließung und damit um die Sicherstellung des Nichtvorliegens etwaiger Konsensmängel lO , zum dritten um die rechtliche Ehefähigkeit im Sinne des kanonischen Rechts, welche durch das Vorliegen etwaiger kirchenrechtlicher Ehehindernisse beeinträchtigt werden konnte. Eine Beachtung staatlicher Ehevorschriften war in diesem Vorstadium der Eheschließung noch nicht vorgesehen. aa) Kanonische Ehehindernisse 11 Der eIe 1917 unterschied zwischen den verbietenden Ehehindernissen 12, welche zwar die Eingehung der Ehe verboten, jedoch im Falle des Zuwiderhandeins nicht zur Ungültigkeit der Ehe führten, und den trennenden Hindernissen, deren Vorliegen eine Eheschließung grundsätzlich unmöglich machte 13. Für die Konkordatsehe waren demnach vor allem die trennenden Hindernisse von Bedeutung, da diese die Ungültigkeit der Ehe zur Folge haben und damit auch Auswirkungen auf den zivilrechtlichen Teil der Verbindung haben konnten. 9 Vgl. c. 1020 (eIe 1917) sowie die Kommentierung bei Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 240 ff. 10 Vgl. zu diesen im einzelnen 2. Kapitel, 11. 1. b). 11 Von den Ehehindernissen zu unterscheiden waren die Trauungsverbote, die sich nicht an die Brautleute, sondern an den Pfarrer richteten und bei Nichtbeachtung auch nicht zur Ungültigkeit der Ehe führten: ein Trauungsverbot für wohnsitzlose Personen beinhaltete etwa c. 1032 (eIe 1917). 12 Es handelt sich um die Hindernisse der einfachen Gelübde, c. 1058 (eIe 1917), der gesetzlichen Verwandtschaft, c. 1059 (eIe 1917) und der Bekenntnisoder Konfessionsverschiedenheit, cc. 1060 ff. (eIe 1917). Vgl. zu den Einzelheiten Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 280 ff. 13 Zu den Regelungen über die Feststellung der Nichtigkeit bei dennoch erfolgter Eheschließung vgl. 2. Kapitel, 11. 3.

11. Das System der Konkordatsehe von 1929

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Im Rahmen dieser trennenden Hindernisse des kanonischen Rechts soll hier im Hinblick auf die im Laufe der Untersuchung erforderlichen Vergleiche mit den zivilrechtlichen Ehehindernissen des Codice civile wie folgt unterschieden werden. Zum einen enthielt der CIC 1917 allein religiös motivierte trennende Ehehindernisse, nämlich die Religionsverschiedenheit, cc. 1070 und 1071 14 , den Empfang der höheren Weihe, c. 1072 15 , die Ablegung des feierlichen Gelübdes, c. 1073 16 und die geistliche Verwandtschaft, c. 1079 17 . Zu den allein im Kirchenrecht anzutreffenden Hindernissen gehörten ferner die Entführung der Frau, c. 1074 18 und die öffentliche Ehrbarkeit, c. 1078 19 • Diese trennenden Ehehindernisse traten ebenso wie die zuvor genannten verbietenden Hindernisse zwar nicht in direkte Konkurrenz zu den staatlichen Ehehindernissen, sie enthielten jedoch zusätzliche Ungültigkeitsgründe, die es für rein zivilrechtliche Ehen nicht gab 2o . Anders verhielt es sich zum Teil mit den trennenden Hindernissen, welche nicht religiös bedingt waren und grundsätzlich den Ehehindernissen des staatlichen Rechts ähnelten 21 . Es waren dies folgende. Hindernisse: der Mangel des erforderlichen Alters, c. 106722 , die Impotenz, c. 106823 , ein Vgl. Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 300 ff. Vgl. Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 302 f. 16 Zu den Einzelheiten vgl. Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S.303. 17 Gemeint ist die Verwandtschaft, die zwischen dem Getauften einerseits und dem Spender der Taufe oder dem Taufpaten andererseits begründet wird, vgl. auch Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 316 f. 18 Dieses Hindernis bewirkte, daß ein Mann eine von ihm in der Absicht der Eheschließung entführte Frau solange nicht heiraten durfte, wie sie sich in seiner Gewalt befand. Der Sinn der Regelung bestand in der Wahrung der Willens- und Entscheidungsfreiheit der Frau, vgl. hierzu auch Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 304 f. 19 Dieses Hindernis entstand dann, wenn eine ungültige Ehe bestand oder ein Konkubinat vorlag, zu den Details der Regelung vgl. Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 315 f. 20 Dies konnte im Rahmen der Nichtigkeitsfeststellung problematisch werden, da bei Vorliegen eines der genannten Gründe die Ehe nichtig sein konnte und auch ihre staatliche Gültigkeit verlor. 21 Die entsprechenden staalichen Hindernisse des Codice civile (1942) werden, soweit sie hier von Bedeutung sind, im folgenden ausgewiesen. Das einzige Ehehindernis, welches nur im staatlichen, nicht aber im kanonischen Recht vorkam, war das Hindernis der Geisteskrankheit, Art. 61 c.c. (1942). Nach kanonischem Recht konnte hier möglicherweise ein Konsensmangel vorliegen. 22 Das erforderliche Alter lag für Frauen bei 14 Jahren, für Männer bei 16 Jahren. Vgl. hierzu die Regelung der Art. 55, 63-fJ7, 104 und 110 c.c. (1942). Bereits hier lag das staatliche Eheschließungsalter mit 15 Jahren für die Frau und 18 Jahren für den Mann höher. Vgl. zum Problem der unterschiedlichen Altersanforderungen auch das 1. Kapitel, 11. 6. c). 23 Vgl. Art. 107 C.c. (1942). 14

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

bereits bestehendes Eheband, c. 106924 , das Verbrechen des Ehebruchs oder Gattenmordes, c. 1075 25 , die Blutsverwandtschaft und die Schwägerschaft, cc. 1076 und 107726 sowie die gesetzliche Verwandtschaft, c. 108027 . Die zum Teil unterschiedliche Ausgestaltung dieser auch im staatlichen Recht geregelten Ehehindernisse erwies sich im Laufe der Zeit als durchaus problematisch, da auch im Rahmen der späteren staatlichen Anerkennung der Eheschließung nicht alle diese eben genannten Hindernisse auf ihre Vereinbarkeit mit den staatlichen Regelungen überprüft wurden. Dies betraf vor allem das Hindernis des mangelnden Eheschließungsalters. Wie bereits im Rahmen der Entwicklung des Eherechts beschrieben, führte die Tatsache, daß die entsprechende staatliche Regelung andere Altersgrenzen vorsah, schließlich dazu, daß die Regelung, welche die staatliche Anerkennung einer unter den Voraussetzungen des Kirchenrechts zustande gekommenen Ehe dennoch ermöglichte, für verfassungswidrig erklärt wurde28 . Ein weiteres Problem bestand darin, daß von den meisten der genannten Hindernisse des kanonischen Rechts bei Vorliegen entsprechender Umstände eine Dispens erteilt werden konnte mit der Folge, daß trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Hindernisses eine gültige Ehe zustande kommen konnte29 , die mangels Überprüfbarkeit auch zivilrechtliche Wirkung erlangte, auch wenn im staatlichen Recht selbst eine Dispensregelung gar nicht vorgesehen war. Sah das staatliche Recht für ein bestimmtes Ehehindernis ebenfalls eine Dispensmöglichkeit vor, so reichte bereits die vom Pfarrer erteilte Dispens aus, um von dem Hindernis zu befreien. Eine staatliche Prüfung war auch hier nicht vorgesehen 3o . bb) Aufgebot und "Nulla osta" Nach Erteilung des Brautunterrichts 31 , in welchem insbesondere die Bedeutung der christlichen Ehe erörtert wurde, fand zunächst das kirchliche Vgl. Art. 56, 57 und 104 c.c. (1942). Zu den Einzelheiten Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. H, S. 305 ff., im staatlichen Recht gab es nur das Hindernis des Gattenmordes, vgl. Art. 62 und 104 c.c. (1942). 26 Einzelheiten bei Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. H, S. 310 ff., vgl. im Codice civile (1942) die Art. 58, 59 und 104. 2? Vgl. im Codice civile (1942) Art. 60 und 104. 28 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung im 1. Kapitel, H. 6. c). 29 Vgl. ce. 1042-1057 (CIC 1917); Kommentierung bei Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 258 ff., 30 Dies entsprach ohnehin den Regelungen des Konkordats, war aber in einem "Circolare" des Justizministeriums vom 30. Juli 1930 nochmals ausdrücklich geregelt worden; das "Circolare" ist abgedruckt bei Dei Giudice, Codice delle leggi ecclesiastiche, S. 419 ff. 24 25

II. Das System der Konkordatsehe von 1929

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Aufgebot nach den Vorschriften des CIC 1917 statt32 • Sofern hier keine auf dem kanonischen Recht beruhenden Einwendungen erhoben wurden, beantragten sowohl der Pfarrer als auch die Brautleute das zivilrechtliche Aufgebot beim zuständigen Standesbeamten33 . Der Standesbeamte führte sodann das zivilrechtliche Aufgebot nach den Vorschriften des Codice civile34 durch und unterrichtete im Falle etwaiger Einwendungen gegen die Ehe den Pfarrer. Gab es keine Einwendungen, so erteilte der Standesbeamte nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist35 das "Nulla osta"-Zeugnis36 , welches das Nichtvorliegen etwaiger Einwendungen dokumentierte und übersandte dieses anschließend an den Pfarrer der Heimatgemeinde der Brautleute. Auf welche Einwendungen sich die Prüfung des Standesbeamten erstrecken sollte, war umstritten. In der Praxis bezog sie sich sowohl auf die kanonischen als auch die staatlichen Ehehindernisse37 , was den Vorschriften des Konkordats jedoch nicht entsprach. Nach diesen hätte im Rahmen des zivilrechtlichen Aufgebots nur eine Überprüfung der Hindernisse stattfinden sollen, welche die Überschreibung der Ehe verhindern konnten 38 , denn hierauf war ja die Prüfungskompetenz des Staates ausdrücklich beschränkt worden 39 . Da es letztlich für die Gültigkeit der Ehe - außer in den Fällen des Art. 12 des Ehegesetzes - auf das "Nulla osta" jedoch nicht ankam, konnte durch die Praxis der erweiterten Prüfung die Beachtung der staatlichen Ehehindernisse ohnehin nicht erzwungen werden. Die Bedeutung des "Nulla osta" lag im wesentlichen in der Tatsache begründet, daß es gemäß Art. 11 des Ehegesetzes unter der Bedingung der Übersendung einer ordnungsgemäßen Eheurkunde die Transkription und damit die zivilrechtliche Wirksamkeit der abzuschließenden Ehe garantierte. Selbst wenn also in der Zwischenzeit ein Transkriptionshindernis des Art. 12 des Ehegesetzes entdeckt wurde, so mußte die Transkription zunächst dennoch vorgenommen werden4o . Vgl. ce. 1033 und 1034 (eIe 1917). Vgl. ce. 1022 bis 1032 (eIe 1917). 33 So bestimmte es Art. 6 Abs. 2 des Ehegesetzes. 34 Vgl. Art. 70 ff. c.c. (1865), dann Art. 91 ff. c.c (1939/42), später Art. 93 ff. C.C. 35 Die Frist betrug nach Art. 7 des Ehegesetzes 3 Tage gerechnet vom Ende der zivilrechtlichen Aufgebotsfrist. 36 Vgl. Art. 7 des Ehegesetzes. 37 Vgl. Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 41. 38 Vgl. zu diesen Transkriptionshindernissen 2. Kapitel, H. 1. c) aa). 39 Vgl. Dei Giudice, Manuale di diritto ecclesiastico, S. 473; für die Prüfung kanonischer und staatlicher Hindernisse durch den Standesbeamten jedoch Jemolo, 11 matrimonio, S. 279 ff. 40 Eine solche Ehe konnte dann allerdings gemäß Art. 16 angefochten werden, zu den Folgen vgl. 2. Kapitel, 11. 1. c) cc). 31

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

b) Konsenserklärung und mögliche Mängel

Sobald also das "Nulla osta"-Zeugnis vorlag, konnte der Pfarrer die ordentliche Eheschließung nach kanonischem Ritus vornehmen41 • Neben der Einhaltung der Formvorschriften des CIC 191742 war weitere Voraussetzung für einen gültigen Eheabschluß der hinreichende Ehewille beider Brautleute43 , welcher beim Eheschließungsakt von diesen geäußert wurde und sich sowohl auf die Trauung als solche als auch auf die später eintretenden zivil rechtlichen Wirkungen bezog44 . Dabei konnten folgende Konsensmängel die Gültigkeit der Eheschließung verhindern 45 : zunächst der Mangel der nötigen Erkenntnis, c. 108246 , ferner ein Irrtum über die Person des Ehepartners, c. 1083 47 , die ein- oder beidseitige Total- oder Partialsimulation des Konsenses, also der innere Ausschluß der Ehe als solcher oder einer ihrer wesentlichen Eigenschaften, c. 108648 und schließlich die Anwendung von Zwang oder die Erregung von Furcht, c. 108749 . Ähnlich wie im Rahmen der trennenden Ehehindernisse gab es auch im Bereich der Konsensmängel durchaus Unterschiede zwischen dem staatlichen und dem kanonischen Recht5o . Die staatlichen Regelungen über den Ehekonsens 51 fanden jedoch aufgrund der beschriebenen Systematik, nach 41 Vgl. cc. 1094 ff. (CIC 1917) - nach c. 1098 (CIC 1917) konnte die Ehe bei Todesgefahr oder Nichterreichbarkeit eines Pfarrers auch ohne dessen Beisein geschlossen werden, sog. Noteheschließung. Zur Transkription solcher "Notehen" vgl. Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 66 ff. 42 Vgl. cc. 1094 ff. (CIC 1917). 43 Vgl. cc. 1081 ff. (CIC 1917). Wie die Formulierung des c. 1081 zeigt, kommt die Ehe allein durch den Willen der Partner zustande, der Pfarrer assistiert lediglich bei der Eheschließung, vgl. c. 1094. 44 Die monistische Theorie, der sich die Rechtsprechung angeschlossen hatte, nahm in diesem Zusammenhang einen einheitlichen Ehewillen an, während die Gegenansicht von einem separaten zivilen Ehewillen ausging (dualistische Theorie), vgl. zu den Einzelheiten und den möglichen unterschiedlichen Auswirkungen, Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 119 ff. 45 Auch hier sollen Hinweise auf die entsprechenden Regelungen des staatlichen Rechts gegeben werden, da die Unterschiede im Rahmen der Nichtigkeitsfrage eine wichtige Rolle spielen. 46 Die Kenntnis umfaßt das Wissen um die wesentlichen Eigenschaften der christlichen Ehe, ihre Unauflöslichkeit und die Erzeugung von Nachkommen, vgl. zu den Einzelheiten Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 319 ff. 47 Gemeint ist nur der Irrtum in der Person selbst, vgl. Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 322 ff. 48 Vgl. zu den Einzelheiten Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 327 ff. 49 Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 333 ff. 50 Vgl. Tedeschi, Nullita 0 annullabilita tra matrimonio civile e canonico, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 442 f.

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welcher die Konsenserklärung vor dem Pfarrer zugleich den Konsens bezüglich der zivilrechtlichen Wirkungen umfaßte, keine Beachtung. Nach der Konsenserklärung verlas der Pfarrer gemäß Art. 34 Abs. 3 des Konkordats und Art. 8 Abs. 2 des Ehegesetzes diejenigen Artikel des Codice civile, welche die Beschreibung der zivilrechtlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten enthielten52 . Die rechtliche Relevanz der Verlesung war durchaus umstritten. Nach verbreiteter Ansicht war sie zwar nicht konstitutives Element der Eheschließung53 , ihr Fehlen hinderte aber dennoch die Erlangung der zivilrechtlichen Wirkungen, so daß sie in jedem Fall vor der Überschreibung nachgeholt werden mußte54 . Im Anschluß an die Trauung fertigte der Pfarrer zwei Originaleheurkunden aus 55 , von denen eine spätestens nach Ablauf von fünf Tagen an den Standesbeamten übersandt werden mußte 56 , damit dieser die Transkription der kanonischen Ehe vornehmen konnte. Soweit die genannten Tätigkeiten des Pfarrers mit der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Ehe in Zusammenhang standen, nahm dieser eine öffentlich-rechtliche Funktion wahr57 • c) Die Transkription 58

Wie oben gesehen, fand sich in Art. 34 Abs. 1 des Konkordats zunächst nur die Feststellung, daß "der italienische Staat [... ] dem vom kanonischen Recht geregelten Sakrament der Ehe die zivilen Wirkungen [zuerkennt]". Vgl. Art. 119 f. c.c (1939/42) - später Art. 121 f. C.C., dann Art. 122 f. c.c. Dies waren zunächst die Art. 130 ff. c.c. (1865), dann die Art. 141 ff. c.c. (1939/42) und schließlich die Art. 143 ff. c.c. 53 Vgl. Ciprotti, Diritto ecclesiastico, S. 270 f.; Dei Giudice, Manuale di diritto ecclesiastico, S. 284; nach Ansicht von F. Finocchiaro, DeI matrimonio, S. 330 ff., stellte die Verlesung hingegen sehr wohl ein konstitutives Element dar. 54 V gl. Art. 10 des Ehegesetzes. 55 Dies ergibt sich aus Art. 8 Abs. 2 des Ehegesetzes, welcher insofern über Art. 34 Abs. 3 des Konkordats hinausging, in dem nur von einer "vollständigen Abschrift" die Rede war. Zum notwendigen Inhalt der Urkunde vgl. Art. 9 des Ehegesetzes. 56 So Art. 34 Abs. 3 des Konkordats sowie Art. 8 des Ehegesetzes. 57 Zur öffentlichrechtlichen Funktion des Pfarrers vgl. Jemoio, I1 matrimonio, S. 387 ff.; die Eheschließungsurkunde genoß folglich den Schutz einer öffentlichen Urkunde, vgl. nur Cass. 23 marzo 1960 n. 605, Dir.eccl. 1960,11, 368 ff. 58 Eine ausführliche Darstellung aller mit der Transkription in Zusammenhang stehenden Fragen findet sich bei Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 63 ff.; zu einigen problematischen Fällen auch von Bergen, Der Einfluß der Lateranverträge auf die staatliche Gesetzgebung Italiens mit besonderer Berücksichtigung des Eherechts, S. 98 ff. 51

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Die einzelnen Voraussetzungen dieser Zuerkennung in formeller und materieller Hinsicht regelten die weiteren Absätze des Art. 34 sowie das staatliche Ehegesetz59 . Nach Art. 5 dieses Gesetzes60 waren die zivilrechtlichen Wirkungen der kirchlich geschlossenen Ehe ausdrücklich an die Überschreibung in die staatlichen Zivilstandsregister, die Transkription, geknüpft61 . Die im folgenden dargestellten ausführlichen Transkriptionsvorschriften der Art. 5 ff. des Ehegesetzes verdeutlichen die Zweiteilung der konkordatären Eheschließungsprozedur. Während das Rechtsgeschäft der Trauung nach kanonischen Regeln zustande kam, stellte die Transkription das konstitutive Element der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Konkordatsehe dar. Durch sie wurde die Ehe nun auch zum Gegenstand der staatlichen Rechtsordnung. Aus zivilrechtlicher Sicht bekundete die kirchliche Eheschließungsurkunde damit ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft, welches erst durch den Eintritt der Transkription wirksam wurde62 . aa) Transkriptionshindernisse Im System von 1929 war die Transkription als regelmäßig automatische Folge der kanonischen Eheschließung angelegt, da ja der auf die zivilrechtliche Wirkung der Ehe gerichtete Wille der Brautleute in der Konsenserklärung gegenüber dem Pfarrer bereits enthalten war63 . Um trotz dieses weitgehenden Automatismus eine Einhaltung der wichtigsten Prinzipien des staatlichen Eherechts sicherzustellen, hatte man die Transkription im Ehegesetz an die Feststellung des Nichtvorliegens bestimmter Transkriptionshindernisse geknüpft. Durch sie sollte die Einhaltung wenigstens einiger aus staatlicher Sicht unabdingbarer Voraussetzungen für eine gültige Ehe sichergestellt werden. Die Transkriptionshindernisse fanden sich in Art. 12 des Ehegesetzes. Demnach durfte eine Überschreibung der kanonischen Ehe nur aus folgenden drei Gründen nicht stattfinden: wenn einer der künftigen Ehepartner bereits durch eine zivilrechtlich gültige Ehe gebunden war64 , wenn die Ehegatten bereits zusamGesetz vom 27. Mai 1929 Nr. 847, G.U. vom 8. Juni 1929 Nr. 133. Art. 5 des Ehegesetzes lautete: "Die vor einem katholischen Geistlichen gemäß den Bestimmungen des kanonischen Rechts geschlossene Ehe hat vom Tag der Trauung an die gleichen Wirkungen wie die zivile Ehe, wenn sie [... ] in die Zivilstandsregister überschrieben ist." 61 Das Erfordernis der Transkription ergab sich zwar bereits aus Art. 34 Abs. 3 des Konkordats, die Formulierung des Art. 5 des Ehegesetzes war jedoch präziser (v gl. vorige Fn.); vgl. hierzu auch Ondei, 11 matrimonio con effetti civili, S. 6 f. 62 Vgl. hierzu Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 128 ff. 63 Vgl. 2. Kapitel, 11. 1. b). 59

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men in einer zivilrechtlieh gültigen Ehe lebten65 oder wenn einer der beiden oder auch beide wegen Geisteskrankheit entmündigt waren 66 und jeweils das "Nulla osta"-Zeugnis vor der Trauung nicht vorgelegen hatte 67 . Ob eines dieser Hindernisse vorlag, hatte der Standesbeamte, der die Transkription vornehmen sollte, neben der Abwesenheit etwaiger formeller Transkriptionshindernisse - zum Beispiel Mängeln der Eheurkunde68 - zu überprüfen. Da die weiteren Unterschiede zwischen den kanonischen und den staatlichen Ehehindernissen auch im Rahmen der Transkription keine Beachtung fanden, mußten auch nach den Regelungen des staatlichen Rechts eigentlich nicht zu schließende Ehen transkribiert werden und konnten damit zivilrechtliehe Gültigkeit erlangen. Hierin lag einer der wesentlichen Gründe, die schließlich zur Revision des Konkordats führten, da der italienische Staat es nicht auf Dauer hinnehmen wollte, daß eine zivilrechtlich gültige Ehe unter zwei verschiedenen Voraussetzungskatalogen zustande kommen konnte. Der grundsätzliche Automatismus bezüglich der Erlangung der zivilrechtlichen Wirkungen besaß aber auch aus Sicht der katholischen Kirche einen Nachteil. Er hatte nämlich zur Folge, daß es seit Inkrafttreten des Konkordats praktisch nicht mehr möglich war, eine nur kanonische Ehe zu schließen, die keine zivilrechtlichen Folgen erzeugt hätte, selbst wenn die Brautleute dies gewollt hätten69 . bb) Sofortige und verspätete Transkription Im Falle der rechtzeitigen Übersendung 70 der ordnungsgemäßen Eheschließungsurkunde und der Feststellung des Nichtvorliegens etwaiger Transkriptionshindernisse wurde die Transkription vom Standesbeamten inner64 Art. 12 Nr. 1 des Ehegesetzes, vgl. auch Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 74 ff. 65 Art. 12 Nr. 2 des Ehegesetzes, vgl. auch hierzu Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 74 ff. 66 Art. 12 Nr. 3 des Ehegesetzes, zu den Einzelheiten dieser Fallgruppe vgl. Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 81 ff. 67 Hatte das "Nulla osta"-Zeugnis vorgelegen und war dennoch einer der genannten Fälle gegeben, so mußte die Transkription zunächst stattfinden, konnte aber dann vor einem zivilen Gericht angefochten werden, vgl. Art. 16 des Ehegesetzes. Die Folge der Anfechtung war die Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe, vgl. von Bergen, Der Einfluß der Lateranverträge auf die staatliche Gesetzgebung Italiens mit besonderer Berücksichtigung des Eherechts, S. 104. 68 Vgl. zu weiteren formellen Transkriptionshindernissen und ihrer Behandlung Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 50 f. 69 Vgl. hierzu Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 28. 70 Die Frist betrug fünf Tage.

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

halb von 24 Stunden, also kurze Zeit nach der kirchlichen Trauung vorgenommen 71. Diese zeitliche Nähe entsprach dem eigentlichen Sinn der Regelung, nach der die kanonische Trauung ja gerade auf die zivilrechtliche Wirksamkeit gerichtet war und sie nicht allein im kirchlichen Bereich Wirkungen entfalten sollten. Um aber auch in den Fällen, in denen eine Überschreibung zunächst unterblieben war, zu einer Übereinstimmung des kanonischen und des zivilrechtlichen Ehestatus gelangen zu können, sah Art. 14 des Ehegesetzes die Möglichkeit einer späteren Überschreibung, der sog. verspäteten Transkription vor. Demnach war eine Überschreibung der kanonischen Ehe nach Ablauf der in Art. 34 des Konkordats und Art. 8 Abs. 3 des Ehegesetzes genannten Fünf-Tages-Frist unter der Voraussetzung möglich, daß die materiellen Transkriptionsbedingungen des Art. 12 des Ehegesetzes zur Zeit der Eheschließung vorgelegen hatten und auch in der Zwischenzeit nicht entfallen waren. Da die Eheschließung immer auch auf die Erlangung der zivilrechtlichen Wirkungen gerichtet war, bedurfte es zum einen keiner erneuten Bezeugung des zivilrechtlichen Ehewillens. Zum anderen erklärt sich hieraus die Regelung des Art. 14 Abs. 1 des Ehegesetzes, nach der jeder, der ein Interesse daran hatte, die verspätete Transkription beantragen konnte 73 . Etwaige Rechte Dritter, die im Zeitraum zwischen Trauung und Transkription entstanden waren, wurden durch die verspätete Transkription nicht berührt74 • Einen weiteren Sonderfall behandelte Art. 13 des Ehegesetzes, der die Überschreibung unter Einhaltung besonderer Verfahrensregeln auch dann für zulässig erklärte, wenn das Aufgebot unterblieben war. In diesem Fall mußte das Aufgebot praktisch "nachgeholt" werden, indem eine Anzeige über die bereits erfolgte kanonische Trauung für den Zeitraum von 10 Tagen am Rathaus angebracht wurde. Während dieser Zeit durften dann keine Einsprüche im Sinne des Art. 12 des Ehegesetzes geltend gemacht werden, anderenfalls war die Transkription abzulehnen. War die Transkription erfolgt, so hatte der Standesbeamte den Pfarrer binnen 24 Stunden hiervon in Kenntnis zu setzen, damit dieser sie im kirchlichen Eheregister vermerken konnte. V gl. Art. 10 Abs. 2 des Ehegesetzes. Andernfalls hätte man eine Regelung wie die des Art. 34 nicht treffen müssen. 73 Zur Eingrenzung des Personenkreises vgl. Ciprotti. Diritto ecclesiastico, S. 282, im wesentlichen muß es sich demnach um ein primär auf den Personenstand bezogenes, nicht etwa um ein rein monetäres Interesse handeln. 74 Diese Regelung des Art. 14 Abs. 3 des Ehegesetzes betraf vor allem die Fälle der Überschreibung nach dem Tode eines der Partner. Sie sollte verhindern, daß der überlebende Partner die Stellung der Erben beeinträchtigte, vgl. Cass. 23 maggio 1957 n. 1888; Foro it. 1957, I, 963 ff. sowie zuletzt Cass .• sez. unite. 4 giugno 1992 n. 6845, Dir.eccl. 1992,11, 108 ff. (einen Fall betreffend eine Transkription vor Gültigkeit des revidierten Konkordats). 71

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Mit der erfolgreichen Transkription erlangte die kirchlich geschlossene Ehe zivilrechtliche Wirkung rückwirkend vom Zeitpunkt der Eheschließung an75 • cc) Transkriptionsanfechtung Bei Vorliegen eines der Gründe des Art. 12 des Ehegesetzes konnte die Transkription gemäß Art. 16 des Ehegesetzes vor den staatlichen Gerichten angefochten werden76 . Die Folge dieser Anfechtung war zum einen zwar der Wegfall der Transkription und damit der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe, zum anderen aber gemäß Art. 17 des Ehegesetzes auch die Anwendung der zivilrechtlichen Regelungen über die Putativehe77 . Die Transkriptionsanfechtung vor ausländischen Gerichten konnte mittels Delibation im italienischen Recht Gültigkeit erlangen, wenn die Entscheidung auf einem der in Art. 12 des Ehegesetzes genannten Gründe beruhte78 . d) Sondeiformen der Eheschließung und Möglichkeiten der Transkription

Der CIC 1917 sah schließlich verschiedene Sonderformen der Eheschließung vor, für deren Transkribierbarkeit einige Besonderheiten galten. Die geheime Eheschließung - auch Gewissensehe genannt - nach cc. 1104 ff., wurde ohne vorhergehendes Aufgebot geschlossen und nur in einem besonderen kirchlichen Buch registriert, ansonsten blieb sie der Außenwelt verborgen 79 . Die Corte di Cassazione hat die Frage, ob eine solche Ehe später überschrieben werden konnte, ausdrücklich offen gelassen8o . Da sie jedoch nach dem Willen der Beteiligten gar nicht auf die Erlangung der zivilrechtlichen Wirkungen gerichtet sein konnten, war grundSätzlich von der Nichtüberschreibbarkeit dieser Ehen auszugehen 81 . Vgl. Art. 10 Abs. 2 des Ehegesetzes. Für diese Transkriptionsanfechtung galten gemäß Art. 16 Abs. 2 die Art. 117, 119, 124 und 125 des Codice civile. Zur Behandlung der einzelnen Transkriptionshindernisse durch die Zivilgerichte vgl. Matsch, Die Konkordatsehe im Italien, S. 74 ff. 77 Dies bedeutete im wesentlichen, daß die kirchliche Trauung in der Regel bis zum Aufhebungsurteil die Wirkungen einer gültigen Ehe erzeugte, vgl. zunächst Art. 116 C.c., später Art. 128 C.C. 78 Vgl. von Bergen, Der Einfluß der Lateranverträge auf die staatliche Gesetzgebung Italiens mit besonderer Berücksichtigung des Eherechts, S. 129 f. 79 Vgl. auch die Kommentierung bei Linneborn, Grundriß des Eherechts, S. 373 f. 80 Vgl. Cass. 7 gennaio 1948 n. 5, Dir.eccl. 1949, H, 333 ff. 81 Vgl. zu diesem Problem Matsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 94 ff. 75

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

Schwieriger zu beurteilen war die Überschreibbarkeit kirchlicher Notehen nach c. 1098. Unter der Voraussetzung der Todesgefahr eines oder beider Brautleute, c. 1098 Nr. 1, oder bei Nichterrreichbarkeit eines Priesters, c. 1098 Nr. 2, konnte die Ehe demnach auch ohne die Einhaltung der normalen Formalitäten abgeschlossen werden. Während im Falle des c. 1098 Nr. 1, also bei Todesgefahr eines oder beider Brautleute die Ehe jedenfalls dann transkribiert werden konnte, wenn neben der Abwesenheit etwaiger materieller Transkriptionshindemisse und der Einhaltung der wesentlichen Formvorschriften des Konkordats 82 bei der Eheschließung ein Priester zugegen war, konnten die ohne Beisein eines Priesters geschlossenen Ehen nicht überschrieben werden. Dies ergab sich aus Art. 5 des Ehegesetzes, nach dem nur die vor einem katholischen Geistlichen geschlossenen Ehen tran. skribiert werden konnten 83 . Die Eheschließung mittels Stellvertreter nach c. 1089 konnte ohne weiteres transkribiert werden 84 .

e) Im Ausland geschlossene kanonische Ehen Was die Möglichkeit der Transkription im Ausland geschlossener kanonischer Ehen anbelangte, gab es in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Standpunkte. Die Literatur ging mehrheitlich davon aus, daß solche Ehen nicht überschrieben werden konnten, da nach ihrer Ansicht das Konkordat lediglich die Beziehungen zwischen Italien und dem Vatikan regele und deshalb nur auf solche kanonischen Ehen Anwendung finden könne, die auf dem Staatsgebiet Italiens geschlossen wurden 85 . Nach Ansicht der Rechtsprechung war hingegen folgendermaßen zu differenzieren. Hatte die im Ausland nach kanonischem Recht geschlossene Ehe nach dem Ortsrecht zivile Wirkungen erlangt, so konnte gemäß Art. 115 c.c. an diesen zivilen Ehestatus angeknüpft werden, so daß eine Transkription gar nicht erforderlich war86 . Nach Ansicht der Corte di Cas82 Gemeint sind insbesondere die Verlesung der einschlägigen Vorschriften des Zivilrechts und die Anfertigung zweier Eheurkunden. 83 Vgl. App. Cagliari 4 febbraio 1958, Giust. civ. 1958, I, 743 ff. 84 So jedenfalls Cass. 28 febbraio 1958 n. 526, Dir. eccl. 1960, H, 86 ff. Nach Ansicht von F. Finocchiaro, Riflessioni sull'ordinamento civile di poteri confessionali sul matrimonio religioso, in: La rilevanza di alcuni aspetti delle potesta confessionali nel sistema giuridico civile: contesti e scopi (Salemo 1993), S. 97 karn eine Transkription nur dann in Betracht, wenn die vorn Zivilrecht für die Stellvertretung bei der Eheschließung geforderten Voraussetzungen vorlagen. 85 Vgl. Nappi, Trattato di matrimonio concordatario e civile, Bd. 1, S. 132; De Luca, Il riconoscimento deI matrimonio, in: Nuovi accordi fra Stato e confessioni religiose, S. 189.

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sazione knüpfte Art. 115 c.c. allerdings nur an das im Ausland entstandene zivile Eheband an und qualifizierte solche Ehen als reine Zivilehen mit der Folge, daß für diese keinerlei kirchliche Zuständigkeit - etwa im Bereich der Nichtigkeitsfeststellung - gegeben war87 . Konnte die Ehe nach dem geltenden Ortsrecht keine zivilrechtliehe Wirksamkeit erlangen, so kam in Italien nach Ansicht der Rechtsprechung sehr wohl eine Transkription in Betracht88 • Begründet wurde dies mit der universalen Geltung des kanonischen Rechts, mit dem Wortlaut des Konkordats, das eine Einschränkung auf kanonische Trauungen in Italien nicht vorsah und mit dem Hinweis auf die private Natur des Trauungsaktes, durch dessen Überschreibung die Souveränität des ausländischen Staates nicht verletzt werde 89 .

2. Die Beendigung der Konkordatsehe Auch für die Beendigung der Konkordatsehe hatte man eine Lösung gesucht, welche die Regelungen sowohl des kanonischen als auch des staatlichen italienischen Rechts angemessen berücksichtigte. Dabei war im Jahre 1929 zunächst nur zwischen der Auflösung der Ehe einerseits und der Trennung der Ehegatten bei bleibendem Eheband andererseits zu unterscheiden. Mit dem Scheidungsgesetz des Jahres 1970 kam für die Konkordatsehe das Institut der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen hinzu 9o . a) Regelungen über die Auflösung der Ehe

Während das staatliche italienische Recht zur Zeit des Konkordatschlusses einzig die Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten kannte 91 , unterschied das kanonische Recht diesbezüglich zwischen Ehen Getaufter und Ungetaufter, im Rahmen der ersteren zudem zwischen vollzogenen und nicht vollzogenen Ehen.

86 Ständige Rechtsprechung der Cass., vgl. nur Cass. 10 gennaio 1975 n. 68, Giur.it. 1975, I, 1986 ff. 8? Vgl. Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 108. 88 Ständige Rechtsprechung der Cass., vgl. nur Cass. 25 gennaio 1979 n. 557, Giust.civ. 1979, I, 1288 ff. 89 Vgl. zum Ganzen Pajardi, Il matrimonio nella giurisprudenza, S. 356 f. sowie zu weiteren Einzelheiten Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 109 ff. 90 Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel, H. 5. b). 91 Vgl. Art. 148 c.c. (1865) sowie Art. 147 c.c. (1939/42), später Art. 149 c.c.

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

aa) Unauflösbarkeit einer vollzogenen Ehe zwischen Getauften Eine vollzogene Ehe zweier Getaufter konnte nach kanonischem Recht nur durch den Tod aufgelöst werden 92 . Da insoweit eine Übereinstimmung mit dem staatlichen Recht gegeben war93 und es sich um eine faktische Beendigung der Ehe handelte, bedurfte diese Regelung keiner Erwähnung im Konkordat. bb) Auflösung nicht vollzogener Ehen zwischen Getauften Für nicht vollzogene Ehen zwischen Getauften sah das kanonische Recht zwei Möglichkeiten der Auflösung vor - zum einen die Auflösung infolge Rechtsbestimmung nach erfolgter Ablegung der Ordensprofeß94 , zum anderen die Auflösung durch päpstliche Dispens bei Vorliegen hinreichender Gründe 95 • Nach Art. 34 Abs. 4 des Konkordats von 1929 waren auch "die Angelegenheiten betreffend [... ] die Befreiung von der abgeschlossenen, aber noch nicht vollzogenen [... ] Ehe der Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte und Behörden vorbehalten."

Die kirchlichen Entscheidungen wurden dann gemäß dem in Art. 34 Abs. 5 und 6 beschriebenen Verfahren durch die staatlichen Gerichte anerkannt96 . Die Rechtsfolgen dieser staatlichen Anerkennung unterschieden sich allerdings von denen des kanonischen Rechts. Während die Auflösung im kanonischen Recht nämlich nur "ex nunc" wirkte, hatte sie im staatlichen Recht grundSätzlich Wirkung "ex tune" und erzeugte demnach die gleichen Rechtsfolgen wie die Feststellung der Nichtigkeit der Ehe 97 . ce) Auflösung von Ehen Ungetaufter Nach den ce. 1120 ff. (CIC 1917) konnte eine Ehe von Nichtchristen zugunsten des Glaubens vom Papst aufgrund des sog. Privilegium Paulinum Vgl. c. 1118 (CIC 1917) - heute c. 1141 (CIC 1983). Allerdings verlangte das staatliche Recht nicht den Vollzug der Ehe. 94 Vgl. c. 1119 Nr. 1 (CIC 1917), hierzu auch Linnebom, Grundriß des Eherechts nach dem Codex Iuris Canonici, S. 408 ff. In diesem Fall tritt das Eheband nach kirchlichem Verständnis hinter das mit Gott geknüpfte Band zurück. 95 Vgl. c. 1119 Nr. 2 (CIC 1917); Linnebom, Grundriß des Eherechts nach dem Codex Iuris Canonici, S. 410, nennt als Gründe etwa die Sorge um das Seelenheil der Eheleute oder den Familienfrieden. Die "dispensatio super matrimonio rato et non consummato" stellt einen Gnadenakt dar, auf den kein Rechtsanspruch besteht. 96 Zu den Einzelheiten dieses Verfahrens vgl. 2. Kapitel, II. 3. b) bb). 97 Vgl. hierzu im einzelnen D'Ostilio, La rilevanza deI matrimonio canonico, S.75. 92 93

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aufgelöst werden, wenn nach der Taufe des einen Gatten der andere nicht mehr bei diesem verbleiben wollte98 . Ob derartige Auflösungen zivilrechtliehe Wirkung erlangen konnten, war umstritten. Während die katholische Lehre von der Möglichkeit der Überschreibung ausging, lehnte die staatliche Seite die Anerkennung derartiger Auflösungen von Anfang an ab 99 • Gleiches galt für das ungeschriebene Recht des Papstes, Ehen zwischen einem Ungetauften und einem zur Zeit der Eheschließung bereits Getauften unter bestimmten Voraussetzungen - ebenfalls zugunsten des Glaubens aufzulösen, das sog. Privilegium Petrinum lOO • b) Die persönliche Trennung der Ehegatten

Die persönliche Trennung der Ehegatten bedeutete die Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Beibehaltung des Ehebandes. Eine erneute Heirat war in diesen Fällen ausgeschlossen. Die persönliche Trennung stellte zur Zeit des Konkordatsabschlusses sowohl im kirchlichen als auch im staatlichen Recht die einzige Möglichkeit der mit Rechtswirkungen verbundenen Beendigung des Zusammenlebens im Falle einer vollgültig geschlossenen - und nach kanonischem Recht auch vollzogenen - Ehe dartOt. Wichtigster Trennungsgrund war sowohl im kirchlichen als auch im staatlichen Recht der Ehebruch lO2 • Obwohl die weiteren Trennungsgründe durchaus Unterschiede aufwiesen t03 , war hier zunächst eine grundsätzliche Über98 Die Auflösung der ersten Ehe tritt nicht schon mit dem Vorliegen der genannten Voraussetzungen ein, sondern erst mit der neuen Eheschließung. Ausführlich zum Privilegium Paulinum Zapp, Kanonisches Eherecht, S. 236 ff. sowie F. Finocchiaro, 11 matrimonio nel diritto canonico, S. 115 ff. 99 Vgl. zu weiteren Einzelheiten von Bergen, Der Einfluß der Lateranverträge auf die staatliche Gesetzgebung Italiens mit besonderer Berücksichtigung des Eherechts, S. 114 ff.; Mosiek, Kirchliches Eherecht, S. 236. 100 Vgl. zum Privilegium Petrinum Neumann, Grundriß des katholischen Kirchenrechts, S. 301 f. 101 Im staatlichen Recht handelte es sich um die "Separazione personale dei coniugi", vgl. Art. 148 ff. c.c. (1865) sowie ebenfalls Art. 148 ff. c.c. (1939/42) heute Art. 150 ff. -; im kanonischen Recht hieß das Institut "Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft" oder "Trennung von Tisch, Bett und Wohnung" und war in den ce. 1128 bis 1132 (CIC 1917) geregelt. 102 Das staatliche Recht erlaubte die Trennung wegen Ehebruchs und anderer schwerer Verfehlungen, vgl. Art. 150 c.c. (1865)/Art. 149 c.c. (1939/42); für das kanonische Recht vgl. ce. 1129 und 1130, der Ehebruch war hier einziger Grund für die dauerhafte Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft. 103 Das staatliche Recht sah als weitere Trennungsgründe die strafrechtliche Verurteilung eines Ehegatten, Art. 151 c.c. (1865)/Art. 150 c.c. (1939/42) sowie das Fehlen einer angemessenen ehelichen Wohnung vor, Art. 152 c.c. (1865)/Art. 153 c.c. (1939/42); das kanonische Recht erlaubte die - allerdings nur - zeitweilige Trennung noch aus religiös motivierten Gründen, vgl. ce. 1130 und 1131.

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

einstimmung vorhanden, welche noch auf den Einfluß des kanonischen Rechts bei der Ausarbeitung des Codice civile von 1865 zurückzuführen war. Aus diesem Grunde konnte die katholische Kirche in die Regelung des Art. 34 Abs. 7 einwilligen lO4 , welche vorsah, daß die Zivilgerichte über die persönliche Trennung zu entscheiden hätten 105, und zwar gemäß Art. 19 Abs. 1 des Ehegesetzes nach den Regeln des staatlichen Rechts l06 . Die Kirche behielt sich zwar vor, ihrerseits weiterhin über Fälle der persönlichen Trennung nach kanonischem Recht zu befinden 107. Da die entsprechenden Entscheidungen aber keine zivilrechtliche Anerkennung finden konnten, hatte der Vorbehalt keinerlei Einfluß auf die in Art. 34 getroffene Regelung lO8 • Die Folgen der persönlichen Trennung im staatlichem Recht richteten sich zunächst nach dem Verschuldensprinzip, also der Verantwortlichkeit für die Trennung, welche durch das Gericht festgestellt wurde 109. Demnach konnte der nicht für die Trennung veranwortliche Ehegatte weiterhin die Rechte aus der Ehe geltend machen, soweit sie nicht zu der Trennung im Widerspruch standen, wohingegen der für die Trennung Verantwortliche dies nicht mehr konnte llo. Durch die Familienrechtsreform des Jahres 1975 ist das Trennungsrecht auch im Hinblick auf den durch das Scheidungsgesetz des Jahres 1970 eingetretenen Funktionswandel der Ehetrennung - tiefgreifend reformiert worden. An die Stelle des Verschuldensprinzips trat nunmehr jedenfalls im Bereich der Trennungsgründe das Zerrüttungsprinzip, so daß es seitdem für die Trennung grundsätzlich nur noch darauf ankommt, daß Umstände eingetreten sind, welche die Fortführung des Zusammenlebens unzumutbar machen 111. Im Bereich der Trennungsfolgen allerdings wurde das Verschuldensprinzip teilweise beibehalten 112. 104 Vgl. hierzu Jacuzio, Commento alla nuova legislazione in materia ecclesiastica, S. 348. 105 Art. 34 Abs. 7 lautete: "Hinsichtlich der die persönliche Trennung betreffenden Sachen stimmt der Heilige Stuhl zu, daß sie durch die zivilen Gerichte entschieden werden." 106 Vgl. Art. 149 ff. c.c. (1865) sowie Art. 147 ff. c.c. (1939/42), später Art. 150 ff. c.c.; Dei Giudice, Manuale di diritto ecclesiastico, S. 336. 107 Dies geschah nach den Regeln des c. 1131 (CIC 1917), vgl. zum Verfahren Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 398. 108 Vgl. hierzu Ciprotti, Diritto ecclesiastico, S. 298. 109 Es kam also darauf an, welcher der Partner einen der in den Trennungsgründen genannten Tatbestände erfüllt hatte. 110 Vgl. Art. 154 c.c (1939/42), bezüglich des Sorgerechs für die gemeinsamen Kinder Art. 153 c.c. (1939/42), später Art. 155 c.c. 111 Vgl. Art. 149 ff. c.c.; zu den Neuerungen im Trennungsrecht Luther, Die Auswirkungen des italienischen Familienrechtsreformgesetzes von 1975 auf Eherecht, Erbrecht und Eheverfahren, StAZ 1976, 189 f.; Jayme, Zum neuen italienischen Familienrecht, insbesondere zum Ehetrennungsrecht, FamRZ 1975,463 f.

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c) Die Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe Eine grundlegende Änderung für das System der Konkordatsehe brachte das staatliche Scheidungsgesetz vom 1. Dezember 1970 113 . Neben der Möglichkeit, eine Zivilehe endgültig aufzulösen, sah es für die nach den Regelungen des Konkordats geschlossenen Ehen, welche den weit überwiegenden Anteil der Eheschließungen ausmachten, die Möglichkeit der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe vor l14 . In Art. 2 des Scheidungsgesetzes heißt es: "In den Fällen, in denen die Ehe nach religiösem Ritus geschlossen und vorschriftsmäßig überschrieben ist, spricht der Richter die Beendigung der zivilrechtlichen, sich aus der Überschreibung ergebenden Wirkungen aus, wenn er nach einem gescheiterten Versöhnungsversuch [... ] feststellt, daß die geistige und materielle Gemeinschaft der Ehegatten wegen des Vorliegens eines der in Art. 3 vorgesehenen Gründe nicht mehr aufrechterhalten oder wiederhergestellt werden kann.,,115 Den wichtigsten Scheidungsgrund enthält Art. 3 Nr. 2b), nach dem der Scheidung eine gerichtliche Trennung durch rechtskräftiges Trennungsurteil oder eine gerichtlich bestätigte einverständliche Trennung vorausgehen mußte 1 16. Diese Trennung mußte zunächst im Falle eines einverständlichen Scheidungsantrags mindestens fünf Jahre, im Falle des Widerspruchs eines Ehegatten sogar sieben Jahre bestanden haben. Die Fristen wurden mit der Novelle des Scheidungsgesetzes im Jahre 1987 auf einheitlich drei Jahre gekürzt 1 17. Mit dem Scheidungsgesetz verlor zum einen die staatliche Ehetrennung ihren Charakter als eigenständige Form der mit Rechtswirkungen versehenen Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft, welchen sie bis dahin mangels Alternativen innegehabt hatte. Die Ehetrennung ist seitdem nurmehr ein Durchgangsstadium auf dem Weg zur endgültigen Scheidung. Mindestens ebenso gravierende Auswirkungen hatte der zitierte Art. 2 des Scheidungsgesetzes auf die Konkordatsehe. Zwar ließ die Regelung den kirchlichen Teil dieser Ehe zwangsläufig unberührt, da dieser sich dem 112 Vgl. insbesondere Art. 156 C.C., der die vermögensrechtlichen Folgen der Trennung regelt. Ausführlich zu dieser Problematik Funke, Trennung und Scheidung in Italien, S. 45 ff. 113 Gesetz vom 1. Dezember 1970 Nr. 898, G.U. vom 3. Dezember 1970 Nr. 308, vgl. hierzu auch die Darstellung im 1. Kapitel, 11. 5. b). 114 Es handelt sich um das bereits erwähnte Institut der "Cessazione degli effetti civili". 115 Übersetzung nach Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. V, Italien, S. 105. 116 Vgl. zu den weiteren Gründen des Art. 3, die nur eine untergeordnete Rolle spielen, die Übersicht im 1. Kapitel, III. 2. b). 117 Gesetz vom 6. März 1987 Nr. 72, G.U. vom 11. März 1987.

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

Kompetenzbereich des staatlichen Gesetzgebers entzog. Durch die jetzt gegebene Möglichkeit einer erneuten zivilen Heirat von kirchlich nach wie vor gebundenen Partnern entstand jedoch eine Situation, welche den Grundprinzipien des kanonischen Eherechts und - jedenfalls nach Ansicht der Kirche - dem Geist des Konkordats zuwider lief. Geradezu revolutionär war die Einführung des Instituts der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe auch aus einem weiteren Grund. Durch die Befugnis der staatlichen Gerichte, die zivilrechtlichen Wirkungen von Konkordatsehen zu beenden, war faktisch auch das Rechtsprechungsmonopol über diese Ehen angegriffen. Denn wenn auch die kirchlichen Gerichte weiterhin ausschließlich über die Gültigkeit der Konkordatsehen zu befinden hatten, so erwuchs ihnen durch die neue Möglichkeit der Auflösung der zivilrechtlichen Folgen der Ehe eine nicht unerhebliche Konkurrenz II 8. Entsprechend stark war auch der Widerstand des Heiligen Stuhls, welcher letztlich jedoch keinen Erfolg mehr hatte. Der tiefgreifende Wandel des Kräfteverhältnisses zwischen Staat und Kirche, welcher das Scheidungsgesetz erst ermöglicht hatte, zeigte sich ganz deutlich in der Argumentation des Verfassungsgerichtshofes, der in zwei Urteilen die Verfassungsmäßigkeit des Scheidungsgesetzes auch in diesem Punkt bestätigt hat 1l9 . Dort wurde darauf hingewiesen, daß bezüglich der Verpflichtungen, die der italienische Staat mit dem Konkordat von 1929 eingegangen sei, streng zwischen dem Vorgang der Eheschließung selbst und dem daraus resultierenden Eheband unterschieden werden müsse. Während der Vorgang der Eheschließung und alle damit im Zusammenhang stehenden Fragen, insbesondere solche über die Gültigkeit der Ehe, allein vom kanonischen Recht zu beurteilen seien, seien alle die zivilen Aspekte der ehelichen Gemeinschaft betreffenden Regelungen Sache des Staates. Zu diesen Aspekten gehöre auch die Frage, ob eine Ehe aus bestimmten Gründen aufgelöst werden könne, jedenfalls soweit es die zivilrechtlichen Wirkungen betreffe l2D . Eine solche Interpretation wäre zum Zeitpunkt des Konkordatsschlusses mit Sicherheit nicht vorstellbar gewesen, auch wenn sie aufgrund des Vertrages durchaus vertretbar war. Aus Sicht der Kirche mußte die Möglichkeit der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe in jedem Fall als Angriff auf das "Auflösungsmonopol" der kirchlichen Gerichte erscheinen, da jedenfalls für 118 Vgl. hierzu Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 69. Hierbei ist zu beachten, daß das Scheidungsgesetz auch auf die Ehen Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten eingegangen worden sind, vgl. nur Cass. 18 aprile 1974 n. 1059, Fora it. 1974, I, 1245 ff. 119 Corte cost. 8 luglio 1971 n. 169, Fora it. 1971, I, 1753 f.; Corte cost. 11 dicembre 1973 n. 176, Foro it. 1974, I, 11 ff. 120 Vgl. Corte cost. 81uglio 1971 n. 169, Fora it. 1971, 1,1754.

II. Das System der Konkordatsehe von 1929

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den zivilrechtlichen Teil der Ehe der Weg über die kirchliche Nichtigkeitserklärung und deren staatlichen Anerkennung nun nicht mehr die einzige reguläre Möglichkeit der Beendigung der Ehe darstellte 121 . Die Folgen der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen entsprechen denen der Ehescheidung. Die Regelung des Art. 5 des Scheidungsgesetzes sieht für diesen Fall in vermögensrechtlicher Hinsicht vor, daß das Gericht unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Gründe der Entscheidung die Verpflichtung eines Ehegatten festsetzt, nach Maßgabe des eigenen Vermögens und der eigenen Einkünfte dem anderen Ehegatten regelmäßig - und zwar auf unbestimmte Zeit - Unterhalt zu zahlen l22 . Neben der Möglichkeit, nach einer Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen einer Konkordatsehe ungeachtet der weiter bestehenden kirchlichen Verbindung eine neue, reine Zivilehe einzugehen, ergaben sich weitere Schwierigkeiten aus der jetzt möglichen Konkurrenz von kirchlicher Ehenichtigkeitsklage und staatlichem Scheidungsverfahren l23 und den entsprechenden Urteilen 124 , die nicht zuletzt auf den durchaus unterschiedlichen insbesondere vermögensrechtlichen - Folgen beruhen 125 .

3. Die Nichtigkeit der Konkordatsehe Die Entscheidung der Frage, wer über die Nichtigkeit der nach dem Konkordat geschlossenen Ehen zu richten habe, wurde von beiden Seiten als 121 Daß die Befürchtungen der katholischen Kirche keinenswegs unberechtigt waren, zeigt ein Vergleich der Anzahl von Fällen der Beendigung der zivilrechtlichen Wirkungen und der staatlich anerkannten Nichtigkeitsentscheidungen aus dem Jahre 1989, hier standen etwa 30.000 Scheidungen, von denen entsprechend den Eheschließungen mehr als 90% solche nach Art. 2 des Scheidungsgesetzes waren, lediglich 608 staatlich anerkannten kirchliche Nichtigkeitsentscheidungen gegenüber, vgl. Margiotta Broglio, Conclusioni e dati statistici, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 174. 122 Vgl. zum Sorgerecht für die Kinder Art. 6 des Scheidungsgesetzes; ein knapper Überblick zu den Scheidungsfolgen findet sich bei Kindler, Einführung in das italienische Recht, S. 119 f. 123 Vgl. zu den Einzelheiten dieser Problematik nach damaliger Rechtslage (1975) Fleig, Die Ehescheidung im italienischen Recht, S. 71 ff.; Jayme, Die Revision des Konkordats zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl und das deutsche Internationale Privatrecht, JbitalR, Bd. 2, S. 201 sowie zum heutigen Stand Trabucchi, Istituzioni di diritto civile, S. 276 f. 124 Vgl. hierzu etwa Cass. 28 ottobre 1978 n. 4972, DirJam. 1980, 785 - nach Auffassung der Corte di Cassazione wurde die Anerkennung eines kirchlichen Nichtigkeitsurteils nicht dadurch unmöglich, daß die Ehe bereits zuvor staatlich geschieden worden war, Einzelheiten hierzu im 4. Kapitel, IV. 125 Vgl. zu den vermögensrechtlichen Folgen der Anerkennung der Nichtigkeitsentscheidung und den Konkurrenzproblemen das 4. Kapitel, IV.

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

besonders wichtig angesehen, da - abgesehen von der Entscheidung über die Gültigkeit der Transkription - mit ihr die wesentliche Kontrolle über die Gültigkeitsvoraussetzungen der Eheschließung ausgeübt werden konnte. Die katholische Kirche hielt sich wegen des kanonischen Eheschließungsaktes und des daraus folgenden sakramentalen Charakters der Konkordatsehe für allein befugt, über das ordnungsgemäße Zustandekommen zu entscheiden. Sie stützte sich hierbei auf c. 1960 des CIC 1917: "Die Vollmacht, über Eheangelegenheiten unter Getauften zu richten, steht der Kirche zu. Die Vollmacht steht nur der Kirche zu, und zwar kraft eigenen Rechts.,,126 Der Staat hingegen wollte nicht vollends auf sein umfassendes Rechtsprechungsmonopol verzichten. Die in Art. 34 Abs. 4 bis 6 getroffenen Regelungen versuchten beiden Aspekten Rechnung zu tragen. Sie entsprachen aber, wie sich zeigen wird, letztlich weitgehend den kirchlichen Vorstellungen, wie sie im CIC 1917 ihren Ausdruck gefunden hatten 127 .

a) Die Zuständigkeit der Kirchengerichte In Art. 34 Abs. 4 des Konkordats hieß es zur Zuständigkeit kurz und präzise: "Die Angelegenheiten betreffend die Nichtigkeit der Ehe [... ] sind der Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte und Behörden vorbehalten." Die Zuweisung der Zuständigkeit an die Kirchengerichte hatte auch die Anwendung des entsprechenden materiellen und prozessualen Kirchenrechts zur Folge 128 • Für das materielle Recht stand dies außer Frage, für das Prozeßrecht ergab es sich aus der Formulierung des Art. 34 Abs. 5, welcher lautete: "Die diesbezüglichen Verfügungen und Urteile werden, wenn sie endgültig geworden sind, vor das Oberste Gericht der Signatur gebracht, das nachprüft, ob die Bestimmungen des kanonischen Rechts über die Zuständigkeit des Richters, die Ladung und über die rechtmäßige Vertretung oder Versäumnis der Parteien eingehalten worden sind." Entsprechend der Regelung des Art. 34 Abs. 5 war also auch die Nachprüfung der Einhaltung der kirchlichen Bestimmungen Sache der kirchlichen, nicht etwa der staatlichen Gerichte. 126 Übersetzung nach Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. III, Prozeßund Strafrecht, S. 316. 127 Vgl. F. Finocchiaro, Il matrimonio concordatario tra giurisdizione della chiesa e giurisdizione dello stato, in: Vitali/Casuscelli, La disciplina del matrimonio concordatario dopo gli accordi di Villa Madama, S. 273 f. 128 Die prozessualen Regelungen fanden sich in den cc. 1960 ff. (CIC 1917).

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b) Veifahren bei Nichtigerklärung der Ehe Die eben zitierte Formulierung des Art. 34 Abs. 5 enthielt zugleich eine Beschreibung der ersten Stufe des Prüfungsverfahrens für die kirchlichen Nichtigkeitsurteile, welches entsprechend den Wünschen des italienischen Staates nach Beachtung seiner fundamentalen Rechtsprinzipien in den Art. 34 aufgenommen worden war. Gemäß Art. 34 Abs. 5 fand zunächst eine interne Kontrolle seitens der kirchlichen Gerichtsbarkeit statt, die bereits über das im eIe 1917 vorgesehene Maß hinausging. Im Anschluß daran oblag es den staatlichen Gerichten, die Delibation der kirchlichen Entscheidungen vorzunehmen und so die zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe zu beenden. aa) Das kanonische Ehenichtigkeitsverfahren Materiellrechtliche Voraussetzung für die Anstrengung eines Ehenichtigkeitsverfahrens vor einem kirchlichen Gericht war das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes. Wie sich aus der bisherigen Darstellung ergibt, konnte eine Ehe nach kanonischem Recht nichtig sein wegen eines Formfehlers 129, wegen Mängeln im Ehewillen 130 oder aufgrund mangelnder Ehefähigkeit l3l . Die prozessualen Voraussetzungen für die Geltendmachung eines solchen Nichtigkeitsgrundes waren in den Vorschriften über den Eheprozeß, cc. 1960 ffY2, geregelt. Demnach war zunächst die Klageerhebung vor dem zuständigen kirchlichen Gericht notwendig 133. Klageberechtigt waren die Ehegatten selbst 134 und der Amtsanwalt bei den sog. öffentlichen Hindernissen 135 . Nach Klageerhebung sollte zunächst der Versuch einer Gültigmachung der Ehe - der Konvalidation - unternommen werden l36 . Erst wenn Vgl. die Formvorschriften der cc. 1094 ff. (eIe 1917). Vgl. zu den möglichen Konsensmängeln das 2. Kapitel, 11. 1. b). 131 Die mangelnde Ehefähigkeit im rechtlichen Sinne beruhte auf den im 1. Kapitel, 11. 1. a) aa) genannten trennenden Ehehindernissen. 132 Vgl. Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. III, S. 316 ff. 133 Vgl. zur Notwendigkeit der Klageerhebung c. 1970 (eIe 1917), zur Zuständigkeit cc. 1962 ff. sowie zur Einreichung der Klagschrift cc. 1706 ff. 134 Vgl. c. 1971 § 1 Nr. 1. 135 Vgl. c. 1971 § 1 Nr. 2, zur Definition des öffentlichen Hindernisses vgl. c. 1037, öffentlich war ein Hindernis dann, wenn es außer den Eheleuten mindestens zwei weiteren Personen bekannt war, vgl. Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. III, S. 324 ff. 136 Vgl. zur Konvalidation c. 1965 sowie cc. 1133 ff. Hiervon zu unterscheiden war die Möglichkeit der "sanatio in radice", welche in den cc. 1138 ff. geregelt war. Diese "Heilung in der Wurzel" war dann möglich, wenn ein Ehehindernis weggefallen oder durch nachträgliche Dispens beseitigt war. Für die "sanatio in radice" 129

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dies nicht gelungen war, sollte mit dem Eheprozeß begonnen werden. Zum Prozeß selbst mußte ein Ehebandverteidiger hinzugezogen werden l37 . Nach Erlaß eines ersten Endurteils, durch welches die Ungültigkeit der Ehe festgestellt worden war, mußte der Ehebandverteidiger an die nächste Instanz appellieren l38 . Nur wenn hier in einem zweiten Urteil die Nichtigkeit der Ehe aus demselben Grund wie im ersten Urteil festgestellt wurde und keine erneute Appellation stattfand I 39, stand das Ergebnis des Prozesses fest. Ein auf diese Weise zustande gekommenes kirchliches Nichtigkeitsurteil bedurfte nun nach Art. 34 Abs. 5 des Konkordats einer nochmaligen Überprüfung durch das Oberste Gericht der Apostolischen Signatur l40 , dem höchsten kirchlichen Gericht, um festzustellen, ob die prozessualen Bestimmungen des kanonischen Rechts eingehalten worden waren l41 . War dies der Fall, dann konnte das in Art. 34 Abs. 6 des Konkordats erwähnte Dekret erlassen werden, welches Voraussetzung für die Anerkennung durch das staatliche Gericht war. Da die Prüfung des Obersten Gerichts der Apostolischen Signatur auf formelle Aspekte beschränkt war und allein das Kirchenrecht zum Maßstab hatte, konnte sie den Bedürfnissen des Staates nach Beachtung seiner eherechtlichen Grundprinzipien nicht Rechnung tragen. bb) Anerkennung durch das staatliche Gericht Dem Anliegen des italienischen Staates, welcher sein Rechtsprechungsmonopol und damit seine Souveränität zumindest hinsichtlich der Auswirkungen der kirchlichen Entscheidungen auf den zivilrechtlichen Status der betroffenen Personen nicht beeinträchtigt sehen wollte, war - neben den Transkriptionsvorschriften - das in Art. 34 Abs. 6 des Konkordats für die zivilrechtliche Wirksamkeit der kirchlichen Nichtigkeitsurteile vorgesehene Verfahren gewidmet: "Die besagten endgültigen [... ] Urteile werden mit den diesbezüglichen Dekreten des Obersten Gerichts der Apostolischen Signatur dem örtlich zuständigen Appellationshof übersandt, der sie durch eine im Beschlußverfahren zu erlassende Verwaren nicht die Gerichte, sondern allein der Apostolische Stuhl zuständig; vgl. Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 403 f. 137 Zu den Rechten und Pflichten des Ehebandverteidigers im Prozeß vgl. cc. 1967 ff. sowie Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. II, S. 323 ff. 138 Vgl. c. 1986. 139 Vgl. zu den Möglichkeiten der Appellation in der zweiten Instanz c. 1987. 140 Vgl zur Stellung des "Supremo Tribunale della Segnatura Apostolica" c. 1445 § 1 sowie F. Finocchiaro, 11 matrimonio nel diritto canonico, S. 119 ff. 141 Vgl. den Wortlaut des Art. 34 Abs. 5 im Anhang.

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fügung für vollstreckbar erklärt und ihre Anmerkung im Standesregister am Rande der Eheschließungsurkunde anordnet."

Der Appellationshof überprüfte im Rahmen dieses Beschlußverfahrens allerdings lediglich, ob das feststellende Dekret des Obersten Gerichts der Apostolischen Signatur den formellen Anforderungen entsprach und ob es sich bei dem kirchlichen Endurteil um ein Nichtigkeitsurteil betreffend eine Konkordatsehe handelte 142. Waren diese beiden Voraussetzungen erfüllt, so erließ der Appellationshof die oben beschriebene Verfügung 143 . Eine weitergehende Kontrolle etwaiger formeller oder materieller Rechtsverstöße im Rahmen des kanonischen Verfahrens fand nicht statt, ganz zu schweigen von einer etwaigen Kontrolle der kirchlichen Entscheidungen am Maßstab des staatlichen Rechts l44 . Dies hatte zum einen zur Folge, daß solche Nichtigkeitsgründe, die nur im kirchlichen, nicht aber im staatlichen Recht existierten, durch die staatlichen Gerichte dennoch anerkannt werden mußten 145 . Dazu kam, daß umgekehrt die Beachtung von Nichtigkeitsgründen, welche es nur im staatlichen, nicht aber im kanonischen Recht gab, von den staatlichen Gerichten nicht eingefordert werden konnte 146. Es verwundert nicht, daß eine derart einseitige Regelung in der Folgezeit zu beträchtlichen Spannungen führte und schließlich nicht unerheblich zur Notwendigkeit einer Revision des Konkordats beitrug. Es bleibt anzumerken, daß die Entscheidung, wer für die Nichtigkeitsurteile zuständig sein solle, in gewisser Weise bereits in der Regelung des Art. 34 Abs. 1 des Konkordats angelegt war, nach der die Konkordatsehe ihren materiellrechtlichen Ursprung im kanonischen Recht haben sollte. Da man sich dessen seitens des italienischen Staates durchaus bewußt war, Vgl. D'Ostilio, La rilevanza dei matrimonio canonico, S. 70. Vgl. zum Streit um die Rechtsnatur dieser Verfügung D'Ostilio, La rilevanza deI matrimonio canonico, S. 71 f. 144 Vgl. hierzu Dei Giudice, Manuale di diritto ecclesiastico, S. 316 f. sowie lannacone, Diritto ecclesiastico, S. 260 ff. 145 Dies waren etwa die allein religiös motivierten Hindernisse der Religionsverschiedenheit, ce. 1071 und 1071 (eIe 1917), der höheren Weihe, c. 1072 (eIe 1917) sowie der feierlichen Gelübde, c. 1073 (eIe 1917), welche im Zivilrecht natürlich keinerlei Entsprechung fanden. 146 Hier ist etwa für den Bereich der Ehemündigkeit die gegenüber c. 1067 (eIe 1917) seit der Familienrechtsreform des Jahres 1975 höhere Altersgrenze des Art. 84 Abs. 1 c.c. zu nennen: während nach der kanonischen Vorschrift der Mann mit 16, die Frau sogar bereits mit 14 Jahren die volle Ehemündigkeit erlangten, setzte das staatliche Recht seit der Reform für beide Geschlechter grundSätzlich Volljährigkeit voraus, welche nach Art. 2 Abs. 1 c.c. mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintritt. Die Folge war, daß eine nach staatlichem Recht eigentlich ungültige Ehe dennoch transkribiert werden mußte und damit volle zivilrechtliche Wirksamkeit erlangte. 142 143

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hatte man das eigentliche staatliche Kontrollinstrument in den Bereich der Transkription verlagert und sich somit zumindest einen gewissen Einfluß auf die Beurteilung der Gültigkeitsvoraussetzungen gesichert. Da das kanonische Recht keinerlei Regelungen über die Rechtsfolgen der Nichtigkeit der Ehe enthielt, griff man im Rahmen der Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen durch das staatliche Appellationsgericht auf die Regelungen der staatlichen Nichtigkeitsfeststellung zurück. Zwar entfielen die Wirkungen der Ehe auch hier grundsätzlich "ex tunc", also rückwirkend vom Zeitpunkt der Eheschließung an. Die Regelungen der Art. 128ff c.c. sahen bei Gutgläubigkeit beider Ehegatten jedoch vor, daß die für nichtig erklärte Ehe bis zum Zeitpunkt des Nichtigkeitsurteils die Wirkungen einer gültigen Ehe erzeugte 147.

In vermögensrechtlicher Hinsicht allerdings bestanden bis zur Familienrechtsreform des Jahres 1975 dennoch keinerlei Ansprüche auf Unterhalt oder andere Zahlungen. Erst mit der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Einführung der Art. 129 und 129bis c.c. wurde eine Regelung geschaffen, die bei Gutgläubigkeit beider Ehepartner je nach Ermessen des Gerichts Unterstützungszahlungen über einen Zeitraum von höchstens drei Jahren für denjenigen Partner vorsah, der über kein ausreichendes eigenes Einkommen verfügte. Im Falle der Bösgläubigkeit des Haftenden ist nach der Bestimmung des Art. 129bis c.c. von diesem sogar eine ermessensunabhängige Entschädigung an den gutgläubigen Partner zu zahlen, die mindestens der Summe einer dreijährigen Unterhaltszahlung entspricht. Im Falle des Fehlens sonstiger Unterhaltsverpflichteter muß der bösgläubige Partner auch darüber hinaus eingeschränkten Unterhalt leisten l48 . e) Zivilreehtliehe Behandlung der" retraetatio" 149

Ein besonderes Problem ergab sich aus der Tatsache, daß die Entscheidungen über die Gültigkeit der Ehe im kanonischen Recht nach Vorlage des Urteils zwar vollstreckbar waren, sie jedoch niemals in Rechtskraft erwuch147 Abweichend hiervon gelten die in der Ehe geborenen Kinder auch bei Bösgläubigkeit beider Ehegatten als ehelich, es sei denn die Nichtigkeit beruhte auf Doppelehe oder Verwandschaft, vgl. Art. 128 Abs. 4 c.c. 148 Vgl. zur Familienrechtsreform von 1975 1. Kapitel, H. 5. c); zu den neuen Nichtigkeitsfolgen Luther, Die Auswirkungen des italienischen Familienrechtsreformgesetzes von 1975 auf Eherecht, Erbrecht und Eheverfahren, StAZ 1976, 187.; Zur Anwendung der Art. 129 und 129bis c.c. auf die staatlich anerkannten kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen vgl. Ditta, Buona fede ex art. 129bis cod. civ. e delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, Nuova giur. civ.comm. 1991, I, 336 ff. 149 Vgl. zu diesem Problem Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 187 ff.

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sen, sondern bei Vorlage neuer Beweise und Argumente jederzeit wieder ein neuer Prozeß stattfinden konnte l5o . Ein solcher Prozeß konnte für das italienische Zivilrecht dann problematisch werden, wenn er nach der bereits erfolgten staatlichen Anerkennung einer kanonischen Nichtigkeitsentscheidung mit dem Ergebnis endete, die Ehe sei doch gültig. Fraglich war hier, ob das kanonische Urteil auch die rechtskräftige staatliche Delibationsentscheidung rückgängig machen konnte. Während es sowohl in der Literatur l51 als auch in der Rechtsprechung l52 vereinzelte Stimmen gab, die unter Hinweis auf die im staatlichen Recht vorgesehene Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens, Art. 395 C.p.c., eine Anerkennung in bestimmten Fällen für möglich hielten l53 , ging die überwiegende Meinung davon aus, daß der "retractatio" zugunsten der Rechtssicherheit die staatliche Anerkennung versagt bleiben müsse l54 . d) Zur Anerkennung ausländischer Nichtigkeitsurteile

Wegen der universalen Geltung des kanonischen Rechts erstreckte sich die Möglichkeit der Delibation auch auf Nichtigkeitsurteile ausländischer Kirchengerichte, soweit sie dort ordnungsgemäß erlassen worden waren i55 . Nichtigkeitsurteile ausländischer staatlicher Gerichte konnten nur anerkannt werden, wenn der Entscheidung einer der Gründe des Art. 12 des Ehegesetzes zugrunde lag, auf die sich ja auch die staatliche italienische Gerichtsbarkeit beschränkte l56 . 150 Diese sog. "retractatio" ist geregelt in c. 1989 (CIC 1917); vgl. Jone, Gesetzbuch der lateinischen Kirche, Bd. 11, S. 337 f. 151 Vgl. hierzu Balena, Le condizioni per la delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 43. 152 Vgl. Cass. 13 settembre 1979 n. 4752, Dir.eccl. 1980,11, 89 f. 153 Es geht dabei um eine analoge Anwendung des Gedankens der Wiederaufnahme, welcher bei der Abwägung des Appellationsgerichts über die Anerkennung der retractatio herangezogen werden soll, vgl. Canonico, L'efficacia civile delle sentenze eeclesiastiehe di nullita matrimoniale, S. 190 f. 154 Vgl. für die Rechtsprechung nur Cass. 9 agosto 1977 n. 3638, Dir.eccl. 1978, 11, 133 f., Cass. 27 ottobre 1978 n. 4902, Dir.ecel. 1980, 11, 279 f., für die Literatur Jemolo, Lezioni di diritto ecclesiastico, S. 554 f., Lariccia, Diritto ecclesiastico, S. 256 ff.; vgl. zum Ganzen auch Di Marzio, Riconoscibilita degli effetti civili alla sentenza ecclesiastiea ehe abbia revoeata una precedente decisone dichiarativa della nullita di un matrimonio e.d. concordatario, cui era stata gUt rieonoseiuta efficaeia eivile con pronuncia passata in giudicato, Dir.fam. 1997, 147 ff. 155 Vgl. nur Cass. 22 luglio 1946, Dir.ecel. 1946/47, 65 ff. 156 Vgl. hierzu Cass. 19 maggio 1958 n. 1639, Giust.civ. 1958, I, 1252 ff. sowie Motsch, Die Konkordatsehe in Italien, S. 80 f.

6 Waldmann

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

111. Das System nach der Revision des Konkordats von 1984 Die Bestimmungen des revidierten Konkordats traten mit dem staatlichen Transformationsgesetz vom 3. Juni 1985 in Kraft l57 . Die eherechtlichen Regelungen des revidierten Konkordats sind im neuen Art. 8 enthalten, welcher sich in zwei Abschnitte gliedert: Art. 8 Nr. 1 beschäftigt sich mit der Erlangung der zivilrechtlichen Wirkungen der nach kanonischem Recht geschlossenen Ehen, Art. 8 Nr. 2 mit den Voraussetzungen der zivilrechtlichen Anerkennung der von den kirchlichen Gerichten ausgesprochenen Nichtigkeitsurteile l58 . Die Regelung wird ergänzt durch Art. 4 des Zusatzprotokolls zum revidierten Konkordat, welcher detaillierte Anwendungsbestimmungen zu einzelnen Aspekten der in Art. 8 geregelten Sachverhalte enthält l59 . Da ein neues, auf die Regelungen des Art. 8 abgestimmtes Ehegesetz im Zuge der Konkordatsrevision nicht erlassen und das alte Ehegesetz aus dem Jahre 1929 auch nicht abbedungen wurde, galt das alte Ehegesetz von 1929 insoweit fort, als es nicht zu den neuen Regelungen in Widerspruch stand. In den Jahren nach der Revison gab es dann zwar einige ernsthafte Bemühungen zur Schaffung eines neuen Ehegesetzes. Sie gelangten jedoch letztlich nicht über das Entwurfsstadium hinaus 160, weshalb das Ehegesetz von 1929 mit den genannten Einschränkungen bis zum heutigen Tage in Kraft ist. Dieses Versäumnis des Gesetzgebers wurde in gewisser Weise - jedenfalls bezüglich Art. 8 Nr. 1 des revidierten Konkordats - durch einen Erlaß des Justizministeriums vom 26. Februar 1986 kompensiert, in welchem zahlreiche Anweisungen zur Handhabung der eherechtlichen Bestimmungen des revidierten Konkordats an die Standesbeamten enthalten sind 161. 157 Vgl. das Gesetz vom 25. März 1985 Nr. 121, G.U. vom 10. April 1985. Zur Entstehungsgeschichte die Darstellung im 1. Kapitel, 11. 6. 158 Vgl. das Gesetz vom 25. März 1985 Nr. 121, G.U. vom 10. April 1985 sowie die Übersetzung nach Bergmann/Ferid, welche im Anhang wiedergegeben ist. 159 Das Zusatzprotokoll ist Bestandteil des revidierten Konkordats. Eine Übersetzung findet sich im Anhang dieser Arbeit. 160 Zu nennen ist hier insbesondere der Gesetzentwurf Nr. 1831 (zuvor 2252) aus dem Jahre 1987: "Disposizioni per l'applicazione dell'Accordo 18 febbraio 1984 tra I'Italia e la Santa Sede, ratificato con legge 25 marzo 1985, n. 121, nella parte relativa al matrimonio"; vgl. zu diesem Entwurf F. Finocchiaro, 11 progetto della nuova legge matrimoniale: un disegno di legge da emendare, Quad.dir.pol.eccl. 1988, 57 ff. 161 Das "Circolare dei Ministerio di Grazia e Giustizia - Direzione generale degli affari civili e delle libere professioni" trug die Überschrift: "Istruzioni agli ufficiali dello stato civile per l' applicazione, allo stato, dell art. 8, n. 1, dell' accordo fra la Repubblica Italiana e la Santa Sede, ratificato con legge 25 marzo 1985, n. 121". Es ist abgedruck bei Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 196 ff.

III. Das System nach der Revision des Konkordats von 1984

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Zudem ist das eherechtliche Regelwerk des revidierten Konkordats nach und nach durch Entscheidungen der Obersten Gerichte Italiens angereichert worden. Von diesen werden allerdings zum Teil durchaus unterschiedliche bis gegensätzliche Standpunkte auch in grundlegenden Fragen vertreten. Im folgenden soll nunmehr das seit 1984 bestehende System der Konkordatsehe erörtert werden. Dabei werden neben den Regelungen des revidierten Konkordats und ihren Folgeerscheinungen auch die neuen eherechtlichen Regelungen des Codex Iuris Canonici von 1983 darzustellen sein l62 . 1. Änderungen im Bereich der Eheschließung

Schon die einleitende Formulierung des Art. 8 Nr. 1 des revidierten Konkordats läßt die Akzentverschiebung gegenüber der alten Regelung erkennen: "Den nach den kanonischen Formen und Recht geschlossenen Ehen werden die zivilen Wirkungen zuerkannt, sofern sie nach vorausgegangenem Aufgebot im Bürgermeisteramt in die Zivilstandsregister überschrieben wurden." Zum einen fällt auf, daß nicht mehr vom Sakrament der Ehe die Rede ist l63 . Zum anderem wird hier im Unterschied zur Regelung des Art. 34 des Konkordats von 1929 nunmehr strikt zwischen der kanonischen Eheschließung einerseits und der staatlichen Anerkennung andererseits unterschieden 164. Die Bedingung der Überschreibung für die Anerkennung ist damit bereits im Text des Konkordats festgehalten. In Art. 34 dagegen war von etwaigen Bedingungen der Anerkennung keine Rede l65 . Dieser neue Geist zieht sich durch die gesamte Regelung und erscheint ebenso wichtig wie die konkreten Änderungen, die im Rahmen der Revision vorgenommen wurden l66 . 162 Der CIC 1983 gilt zwar bereits seit Dezember 1983 und war damit auch schon etwa eineinhalb Jahre vor der Konkordatsrevision in Kraft. Dennoch erschien es aus Gründen der Übersichtlichkeit angebracht, die im CIC 1983 enthaltenen Neuerungen im Zusammenhang mit den Regelungen des revidierten Konkordats darzustellen. 163 Vgl. hierzu De Luca, Ancora: la Corte di Cassazione e il matrimonio canonico tra giudice civile e giudice ecclesiastico, Dir.eccl. 2000, I, 351. 164 Vgl. hierzu De Luca, Ancora: la Corte di Cassazione e il matrimonio canonico tra giudice civile e giudice ecclesiastico, Dir.eccl. 2000, I, 352. 165 Diese waren gleichsam "versteckt" im Ehegesetz geregelt. 166 Vgl. De Luca, Liberta e autorita di fronte al problema degli effetti civili deI matrimonio canonico, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale,

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

a) Ehevorbereitung und Ehevoraussetzungen Wie die oben zitierte Fonnulierung zeigt, werden Ehevorbereitung und Trauungszeremonie weiterhin vorwiegend vom kanonischen Eherecht bestimmt, welches nunmehr in den cc. 1055 ff. des neuen Codex Iuris Canonici von 1983 geregelt ist. Änderungen brachte der CIC 1983 hier vor allem im Bereich der kanonischen Ehehindernisse l67 , deren Nichtvorliegen selbstverständlich weiterhin Voraussetzung für eine nach kanonischem Recht gültige Eheschließung ist. Insbesondere wurde die Kategorie der verbietenden Hindernisse aufgehoben, so daß es heute nur noch die trennenden Hindernisse gibt l68 . Die Regelungen über das Brautexamen und das kirchliche Aufgebot sind nicht mehr im CIC 1983 enthalten. Gemäß c. 1067 sind hierfür nunmehr die einzelnen Bischofskonferenzen zuständig. Ein solches kirchliches Aufgebot ist im revidierten Konkordat nicht mehr zwingend vorgeschrieben, es reicht vielmehr auch für die Konkordatsehe die Durchführung des zivilrechtlichen Aufgebots nach den Vorschriften der Art. 93 ff. c.c. aus. Gemäß Art. 6 Abs. 2 des Ehegesetzes muß dieses weiterhin sowohl von den Ehegatten als auch vom zuständigen Pfarrer beantragt werden l69 . Des weiteren läßt die oben zitierte Fonnulierung des Art. 8 Nr. 1 den Schluß zu, daß das zivilrechtliche Aufgebot nicht mehr unbedingt vor der Eheschließung, sondern lediglich vor der Transkription erfolgt sein muß. Diese Änderung erklärt sich aus der Tatsache, daß mangels automatischer zivilrechtlicher Wirksamkeit nunmehr durchaus wieder rein kirchliche Ehen geschlossen werden können. Wird später doch eine zivilrechtliche Wirkung dieser Ehe angestrebt, so muß vor der Transkription das zivilrechtliche Aufgebot durchgeführt werden 170. Ebenso wie im System von 1929 wird nach Ablauf der Drei-Tages-Frist des Art. 7 des Ehegesetzes vom Standesbeamten das "Nulla osta"-Zeugnis erteilt, welches die spätere Transkription der Ehe garantiertm. Die Prüfung des Standesbeamten beschränkt sich hierbei auf die Hindernisse, die der Überschreibung der Ehe in die Zivilstandsregister entgegenstehen l72 . 167 Vgl. cc. 1073 ff. (CIC 1983). Eine Kommentierung der ehrechtlichen Kanones findet sich in Lüdicke, Eherecht, cc. 1055-1165. 168 Zu den Änderungen im Rahmen der trennenden Hindernisse vgl. Heimerl, Das neue Eherecht der Kirche - Was ändert sich?, S. 11 ff. 169 Vgl. hierzu das "Circolare" des italienischen lustizministeriums unter Punkt III bei Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 197. 170 Vgl. hierzu 2. Kapitel, III. 1. c) bb). 17l Vgl. das "Circolare" des italienischen lustizministeriums unter Punkt VIII bei Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 199. l72 Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 35 f.

III. Das System nach der Revision des Konkordats von 1984

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b) Konsenserklärung

Auch im Bereich des Ehekonsenses wird die Wandlung vom fast automatischen Gleichklang des kanonischen und des zivilen Vorgangs der früheren Regelung hin zu der strikten Trennung von religiösem Eheschließungsakt und staatlicher Geltung der Ehe deutlich. Ging man im System von 1929 noch von einem einheitlichen - kanonischen und zivilen - Ehewillen aus 173 , so beruhen nunmehr beide Eheschließungsakte auf autonomer und voneinander unabhängiger Willensbekundung der Eheschließenden. Der auf den kanonischen Teil der Ehe bezogene Wille der Partner wird durch die nach den Regeln des Kirchenrechts vorgenommene Eheschließung bekundet 174 • Die Konsensmängel, die zur Ungültigkeit der Eheschließung führen können, sind nunmehr in den ce. 1095 ff. (CIC 1983) geregelt 175 . Neu eingeführt wurde der Ungültigkeitsgrund der arglistigen Täuschung, c. 1098, neu fonnuliert der Ungültigkeitsgrund der Simulation des Ehekonsenses, c. 1101. Hierunter rallt jetzt auch der Ausschluß eines der Wesenselemente der Ehe, welche in c. 1055 bezeichnet sind 176 • Der zivilrechtliche Ehewille kommt in den Unterschriften der Eheleute unter die für das Standesamt bestimmte Originaleheschließungsurkunde zum Ausdruck, welche später an den Standesbeamten übersandt wird. Das zweite Original, das ebenfalls von beiden Ehepartnern unterschrieben wird, verbleibt in der Pfarrei. Neu ist auch die ausdrückliche Gestattung der Aufnahme bestimmter zivilrechtlicher Vereinbarungen in die Eheschließungsurkunde 177 . Die Regelung betrifft zum einen die Vereinbarung des Güterstandes der Gütertrennung gemäß Art. 162 C.C. 178 , zum anderen die Anerkennung eines unehelichen Kindes gemäß Art. 254 und 283 C.C. 179 Die Vereinbarungen erlangen ihre GültigVgl. 2. Kapitel, II. 1. b). Vgl. ce. 1108 ff. (eIe 1983). 175 Eine Übersicht der Neuerungen findet sich bei Heimerl, Das neue Eherecht der Kirche. Was ändert sich?, S. 15 ff. 176 Die Wesenselemente der Ehe sind zu unterscheiden von den Wesenseigenschaften der Ehe, unter welchen die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe zu verstehen sind und die auch bereits im alten eIe enthalten waren. 177 Art. 8 Nr. 1 Satz 2, letzter Halbsatz lautet: " ... er setzt sodann in zweifachem Original die Eheschließungsurkunde auf, worin die von den Ehegatten nach dem Zivilgesetz gestalteten Erklärungen aufgenommen werden können." 178 Eine solche Güterstandsvereinbarung konnte seit einem Erlaß des italienischen lustizministeriums vom 5. September 1977, abgdruckt in Stato civile, 1977, S. 653, auch schon unter der Geltung des alten Konkordats geschlossen werden. 179 Die Möglichkeit einer solchen Vereinbarung wurde unter Geltung des Konkordats von 1929 mehrheitlich abgelehnt, vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 42. 173

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

keit mit der Transkription, wobei der Standesbeamte bei der Erklärung der Anerkennung des unehelichen Kindes vor der Überschreibung das Vorliegen der zivilrechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung überprüft 180. Inwiefern die Verlesung der zivilrechtlichen Rechte und Pflichten, die auch Art. 8 vorschreibt, als konstitutives Element anzusehen ist, ist weiterhin nicht unumstrittenm. Wenn jedoch die von beiden Ehegatten unterschriebene und für das Standesamt bestimmte Originaleheschließungsurkunde vorliegt, kann am zivilrechtlichen Eheschließungswillen kaum ein Zweifel bestehen. Während die Eheschließung selbst und die mit ihr in Zusammenhang stehenden eben beschriebenen Handlungen nicht mehr nur vom Pfarrer, sondern auch von einem Vertreter des Pfarrers vorgenommen werden dürfen 182, muß der Antrag auf Überschreibung in die Zivilstandsregister auch weiterhin vom Pfarrer persönlich - binnen einer Frist von fünf Tagen 183 gestellt werden. Während nach der alten Rechtslage lediglich eine Übersendung der Eheschließungsurkunde erforderlich war, muß jetzt zusätzlich ein schriftlicher Antrag erkennen lassen, daß eine Transkription der Ehe stattfinden SOll184. c) Transkriptionsvorschriften

Wie im alten System ist die Transkription auch nach dem revidierten Konkordat das konstitutive Element, durch welches die nach kanonischem Recht erfolgte Trauung ihre zivilrechtliche Wirksamkeit erlangt. Anders als früher handelt es sich jedoch nunmehr eher um ein eigenständiges Rechtsgeschäft, welches nur noch im Falle des ausdrücklich geäußerten Willens der Eheschließenden vorgenommen wird 185 . Aus den Regelungen über den Norrnalfall der sofortigen Transkription geht dies zwar nur mittelbar hervor, da die Transkription hier wie früher allein vom Pfarrer beantragt wird. Wie 180 Gemäß Art. 253 c.c. ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn das Kind bereits als ehelich anerkannt ist; Art. 251 c.c. verbietet die Anerkennung inzestuös gezeugter Kinder. 181 Teilweise wird die Verlesung noch immer für unabdingbar gehalten, vgl. etwa Lariccia, Diritto ecclesiastico, S. 271 f. 182 Vgl. Art. 8 Nr. 1 Satz 2. Wer den Pfarrer bei der Eheschließung vertreten kann, regeln die ce. 1108 ff.: neben dem Ortsordinarius und dem Ortspfarrer können demnach auch ein von diesen delegierter Priester oder Diakon bei der Eheschließung assistieren; zur öffentlichrechtlichen Funktion des Pfarrers und seiner Vertreter vgl. nunmehr F. Finocchiaro, Diritto ecc1esiastico, S. 431. 183 V gl. Art. 8 Nr. 1 Abs. 4; zu den Möglichkeiten einer Transkription nach Ablauf dieser Frist vgl. 2 Kapitel, UI. 1. c) bb). 184 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 52 f. 185 Vgl. hierzu Bordonali, La trascrizione deI matrimonio canonico, Dir.fam. 1989, 979 ff.

III. Das System nach der Revision des Konkordats von 1984

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gesehen, wird dieser Antrag jedoch nunmehr schriftlich und mit der Bekundung des zivilen Ehewillens der Eheschließenden gestellt l86 . Eindeutig zeigt sich die Veränderung an der Regelung des Art. 8 Nr. 1 Abs. 6 des revidierten Konkordats, nach dem eine verspätete Transkription jetzt nur noch auf Antrag der Ehegatten möglich ist und nicht mehr von jedermann verlangt werden kann. Dies kann allein dadurch erklärt werden, daß die Transkription nunmehr ein eigenständiges, auf dem Willen der Eheschließenden basierendes Rechtsgeschäft darstellt l87 • aa) Zu den Transkriptionshindernissen Im Bereich der Transkriptionshindemisse hat die Konkordatsrevision von 1983 zu weitreichenden Veränderungen gegenüber der früheren Regelung geführt I 88. Während im System von 1929 zunächst lediglich die in Art. 12 des Ehegesetzes enthaltenen drei Hindernisse der Transkription entgegenstanden, so ist die jetzige Regelung zum einen wesentlich detaillierter, zum anderen aber, wie sich zeigen wird, auch weniger eindeutig. Zunächst bestimmt Art. 8 Nr. 1 Abs. 2a) des revidierten Konkordats, daß die nach kanonischem Recht geschlossenen Ehen nur noch dann zivilrechtliche Wirkung erlangen können, wenn die Eheschließenden auch das zivilrechtlich erforderliche Heiratsalter erreicht haben l89 . Damit hatte man die Rechtsprechung des Verfassungs gerichtshofes umgesetzt, welcher die alte Regelung - nach der auch kanonische Ehen Minderjähriger zivilrechtliche Wirksamkeit erlangen konnten - wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 der Verfassung verworfen hatte 190. Weiterhin dürfen nach Art. 8 Nr. 1 Abs. 2b) auch keine sonstigen Ehehindernisse vorliegen, welche das Zivilrecht als zwingend ansieht. Als solche gelten gemäß Art. 4a) des Zusatzprotokolls die Entmündigung eines der Eheschließenden wegen Geisteskrankheit, Art. 85 c.c. sowie eine andere Vgl. 2. Kapitel, III. 1. a). Vgl. hierzu Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 29, der ausführt, daß sich der zivilrechtliche Ehewille im Nonnalfall ohnehin eindeutig aus den Erklärungen der Eheschließenden ergebe und daher nur in besonderen Fällen wie etwa denen der verspäteten Transkription eine nochmalige explizite Manifestation dieses zivilrechtlichen Ehewillens erforderlich sei. 188 Vgl. zum Ganzen Moneta, Gli impedimenti alla trascrizione deI matrimonio nel nuovo concordato, Dir.eccl. 1987, I, 880 ff. 189 Vgl. Art. 8 Nr. la) des revidierten Konkordats. Das regelmäßig für die zivile Eheschließung erforderliche Alter beträgt 18 Jahre. Unter den Voraussetzungen des Art. 84 Abs. 2 c.c. kann eine Eheschließung unter Umständen jedoch bereits mit 16 Jahren stattfinden. 190 Vgl. zur Entscheidung Corte cost. 2 febbraio 1982 n. 16, Foro it. 1982, I, 936 ff. die obigen Ausführungen im 1. Kapitel, II. 6. c). 186 187

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

zivilrechtlich gültige Ehe zwischen den Eheschließenden, Art. 86 c.c. Beide Hindernisse waren auch schon in Art. 12 des Ehegesetzes enthalten. Neu hinzugetreten sind dagegen die trennenden Hindernisse der strafbaren Handlung, Art. 88 C.C. 191 und der Verwandtschaft in direkter Linie, Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 C.C. I92 . Ob auch die weiteren nach staatlichem Recht nicht dispensierbaren Hindernisse des Art. 87 Abs. 1 Nr. 2 bis 9 C.C., welche neben weiteren Verwandtschaftsverhältnissen auch die Schwägerschaft, die Adoption und die Pflegekindschaft betreffen, der Transkription entgegenstehen, hängt davon ab, ob man die Aufzählung des Art. 4a) des Zusatzprotokolls nur um die beispielhafte Nennung der wichtigsten Hindernisse ansieht oder ob die Aufzählung als abschließend zu betrachten ist 193 . Tatsächlich ist die Frage auf die Adoption und die Pflegekindschaft beschränkt, da die weiteren in Art. 87 Abs. 1 enthaltenen Verwandschaftsverhältnisse und die Schwägerschaft auch nach kanonischem Recht nicht dispensierbare Hindernisse darstellen 194. Geht man vom Wortlaut des Zusatzprotokolls aus, so kommt eine Überschreibung in diesen Fällen nicht in Betracht 195 . Neu ist schließlich die Regelung des Art. 8 Nr. 1 Abs. 3 des revidierten Konkordats, nach der die Überschreibung trotz Vorliegens eines der eben genannten Hindernisse vorgenommen werden kann, sofern im Zivilrecht diese Fristen für die Nichtigkeits- oder Authebungsklage vorgesehen und bereits abgelaufen sind. Dies betrifft insbesondere den Fall der kanonischen Eheschließung unter Nichtbeachtung der staatlichen Altersgrenzen des Art. 84 C.C., deren zivilrechtliche Anfechtbarkeit in Art. 117 c.c. geregelt ist. So kann eine solche Ehe vom Minderjährigen selbst bis höchstens ein Jahr nach Erreichen der Volljährigkeit angefochten werden l96 . Hat der ehemals Minderjährige dieses Alter erreicht, so kann die Ehe nunmehr transkribiert werden l97 . Im Falle der Eheschließung eines wegen Geisteskrankheit Entmündigten gilt die Regelung des Art. 119 Abs. 2 c.c. Demnach kann 191 Art. 88 c.c. verbietet die Eheschließung derjenigen Personen, von denen eine wegen vollbrachten oder versuchten Mordes am Ehegatten des anderen verurteilt worden ist. 192 Vgl. zu den Transkriptionshindernissen F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 436 ff. 193 Vgl. hierzu Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 58 f. 194 Vgl. cc. 1091 und 1092 (CIC 1983). 195 So auch das "Circolare" des italienischen lustizministeriums unter Punkt IX bei Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 199 f. 196 Vgl. zu den weiteren Anfechtungsberechtigten und der jeweiligen zeitlichen Begrenzung der Anfechtungsmöglichkeiten dieser Personen Art. 117 c.c. sowie die Kommentierung bei A. Finocchiaro/M. Finocchiaro, Diritto di famiglia, S. 86 ff. 197 Zu weiteren Einzelheiten dieser Fallgruppe vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 69 f.

III. Das System nach der Revision des Konkordats von 1984

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hier die Ehe nicht mehr angefochten - und damit transkribiert - werden, wenn die Ehegatten nach Widerruf der vollen Entmündigung ein Jahr lang zusammengelebt haben. Bei der Eheschließung trotz Vorliegens der Verwandtschaft in gerader Linie, der Eheschließung trotz Vorliegens einer strafbaren Handlung oder eines Adoptivverhältnisses sieht der Codice civile keine Anfechtungsfristen vor. Eine Überschreibung gemäß Art. 8 Nr. 1 Abs. 3 ist hier also nur dann denkbar, wenn man davon ausgeht, daß diese Anfechtungsmöglichkeiten dennoch bestimmten Fristen unterliegen 198. Dafür, daß dies der Fall ist, spricht die Regelung des Art. 124 c.c., nach der einzig für den Fall einer bereits bestehenden zivilrechtlich gültigen Ehe explizit festgehalten ist, daß hier jederzeit eine Anfechtung erfolgen kann. Eine trotz Vorliegens dieses Hindernisses geschlossene kanonische Ehe kann demnach als einzige niemals gemäß Art. 8 Nr. 1 Abs. 3 des revidierten Konkordats überschrieben werden. bb) Zur verspäteten Transkription Die Modalitäten der verspäteten - also nach Ablauf der Fünf-Tages-Frist des Art. 8 Nr. 1 Abs. 4 beantragten - Transkription sind nunmehr teilweise im revidierten Konkordat selbst enthalten 199 und bringen einige bemerkenswerte Neuerungen 2oo . Die Eintragung kann gemäß Art. 8 Nr. 1 Abs. 6 jetzt nur noch " ... auf Antrag beider Ehegatten oder eines von ihnen mit Wissen und ohne Widerspruch des anderen geschehen, sofern beide Ehegatten den Ledigenstand ununterbrochen vom Zeitpunkt der Trauungszeremonie an bis zum Antrag auf Eintragung beibehalten haben ... ".

Wie bereits oben erwähnt, zeigt sich hier ganz deutlich die qualitative Veränderung des Transkriptionsvorgangs. Er setzt nunmehr in der Regel den auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der Ehe gerichteten Willen beider Partner voraus 201 . Erforderlich ist im Normalfall weiterhin die Übersendung einer Originaleheschließungsurkunde und die Einhaltung der weiteren Formalitäten der Konkordatsehe 202 • 198 Für das Bestehen einer Zehnjahresfrist vgl. A. Finocchiaro/M. Finocchiaro, Diritto di famiglia, S. 69 ff. 199 Früher Art. 14 des Ehegesetzes. 200 Vgl. Lagomarsino, Liberta matrimoniale e matrimonio religioso ad effetti civili differiti, Dir.eccl. 1998, I, 847 ff. 201 Die zweite Variante, nach der auch einer der Partner die Transkription beantragen kann, wenn der andere nicht widerspricht, betrifft den Fall, daß es dem anderen Partner jedenfalls nicht ausdrücklich auf die Transkription ankommt. Die Formulierung ist nicht sehr glücklich, vgl. hierzu Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 75 ff. 202 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 75.

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

Ist die kirchliche Ehe zunächst ohne Einhaltung der konkordatären Vorschriften geschlossen worden, so ist eine spätere Transkription grundsätzlich möglich. Die Antragsteller müssen hierfür dem zuständigen Standesbeamten ein Dokument vorlegen, aus dem die kanonische Eheschließung hervorgeht. Dieser muß dann für die Publikation der Trauung gemäß Art. 13 des Ehegesetzes Sorge tragen, die Verlesung der zivilrechtlichen Rechte und Pflichten nachholen und feststellen, daß kein Transkriptionshindernis vorgelegen hat und auch jetzt nicht vorliegt203 . Die Plausibilität dieser Vorgehensweise liegt vor allem in der Tatsache begründet, daß Art. 8 Nr. 1 Abs. 1 des revidierten Konkordats als Folge der klaren Trennung zwischen kirchlichem Trauungsakt und staatlicher Anerkennung nicht mehr vorschreibt, daß das Aufgebot vor der Eheschließung stattzufinden hat. Es reicht jetzt vielmehr aus, wenn dieses vor der Transkription nachgeholt wird 204 . Die Transkription der Ehe nach dem Tode eines Ehegatten ist jetzt entgegen der früheren Rechtslage in aller Regel nicht mehr möglich, da kein entsprechender übereinstimmender Wille der Partner mehr bekundet werden kann 205 . Die einzige Ausnahme bildet der Fall, in welchem einer der Partner verstirbt, nachdem der Antrag auf Überschreibung bereits eingereicht worden ist. In diesem Falle kann dem Antrag auch nach dem Tode eines der Partner entsprochen werden 206 . cc) Transkriptionsanfechtung Die Anfechtung der Transkription ist weiterhin möglich nach den Regelungen des Ehegesetzes mit der Maßgabe, daß alle jetzt gültigen Transkriptionshindernisse zur Anfechtung berechtigen.

d) Sonderformen der Eheschließung und Möglichkeiten der Transkription sowie im Ausland geschlossene kanonische Ehen Bezüglich der besonderen Formen der Eheschließung haben sich durch den neuen CIC 1983 einige Änderungen im kanonischen Recht ergeben. 203 So jedenfalls sieht es das "Circolare" des italienischen lustizministeriums unter Punkt IV und V vor, vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 197 f. 204 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 80 f. 205 Vgl. nur Petroncelli, Osservazioni sul collegamento tra celebrazione religiosa dei matrimonio e suoi effetti civili, Dir.eccl. 1985, I, 320. 206 Vgl. das "Circolare" des italienischen lustizministeriums unter Punkt XIV bei Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 203; in diesem Fall greift auch jetzt die Regelung betreffend die Wahrung der Rechte Dritter, die nun Art. 8 Nr. lAbs. 6 vorsieht, zu weiteren Konstellationen vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 88.

III. Das System nach der Revision des Konkordats von 1984

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Die Möglichkeiten der Überschreibung sind im wesentlichen unverändert geblieben. So sind die Modalitiäten der Gewissensehe, cc. 1130 ff., geändert worden, was an der Unmöglichkeit der Überschreibung jedoch nichts geändert hat207 . Die Möglichkeit der Überschreibung kirchlicher Notehen, c. 1116, ist nach wie vor umstritten. Wenn die wesentlichen Gültigkeitsvoraussetzungen vorliegen, so kann jedenfalls die in Anwesenheit eines Priesters geschlossene kanonische Notehe mittels nachträglicher Transkription zivilrechtliche Wirksamkeit erlangen 208 . Für die Eheschließung mittels Stellvertreter, cc. 1104 und 1105, gilt ebenso wie für im Ausland geschlossene kanonische Ehen auch nach dem revidierten Konkordat das zum alten System Gesagte 209 . 2. Änderungen bei der Beendigung der Konkordatsehe Die wichtigste Änderung betreffend die Beendigung der Konkordatsehe war bereits im Jahre 1970 durch die Einführung des Scheidungsgesetzes und der damit verbundenen Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der zivilrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe außerhalb des konkordatären Rahmens vorgenommen worden 21O . Durch das revidierte Konkordat haben sich dennoch weitere Änderungen ergeben, die hier kurz dargestellt werden sollen. a) Auflösung der Konkordatsehe 211 Zunächst ist festzustellen, daß das revidierte Konkordat keinerlei Regelungen über die Möglichkeiten für besondere Arten der Auflösung der Konkordatsehen mehr enthält. Insbesondere ist die in Art. 34 Abs. 4 des Konkordats von 1929 enthaltene Regelung, nach der die Angelegenheiten betreffend die Auflösung der nicht vollzogenen Ehen zwischen Getauften der Zuständigkeit der Kirche vorbehalten waren, nicht mehr zu finden. Den Ausschlag hierfür hatte eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahre 1982 gegeben, in der festgestellt worden war, daß die MöglichVgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 438 f. Vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 439 f. Die kirchliche Notehe entspricht unter diesen Voraussetzungen der Eheschließung in unmittelbarer Lebensgefahr, wie sie auch Art. 101 c.c. vorsieht. 209 Vgl. 2. Kapitel, 11. 3. 210 Vgl. zu den Auswirkungen des Scheidungsgesetzes auf die Konkordatsehe 2. Kapitel, II. 2. c). 211 Die Auflösung umfaßt hier nicht die Möglichkeit der "Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen", zu dieser der folgende Unterpunkt b). 207 208

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

keit der Eheauflösung ex nunc durch päpstliche Dispens bei nichtvollzogenen Ehen von Getauften nicht mit dem staatlichen Grundrecht auf ein justizförmiges Verfahren vereinbar sei und daß demzufolge die entsprechenden Abschnitte des Art. 34 sowie der hiermit korrespondierende Teil des Art. 17 des Ehegesetzes verfassungswidrig seien212 . Diese nach den Regelungen des CIC 1983 im kanonischen Recht weiterhin vorgesehenen besonderen Auflösungen können demnach bereits seit der genannten Entscheidung aus dem Jahre 1982 nicht mehr staatlich anerkannt werden 213 . Dies gilt erst recht für die Auflösungsmöglichkeiten des Privilegium Paulinum214 und des Privilegium Petrinum215 . Den einzigen im kanonischen und im staatlichen Recht gleichermaßen geregelten Auflösungsgrund stellt damit weiterhin der Tod eines der Ehegatten dar216 .

b) Persönliche Trennung und Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen Im kanonischen Recht bildet die Trennung der Ehegatten bei bleibendem Eheband auch weiterhin die einzige Möglichkeit der Beendigung der ehelichen Rechte und Pflichten einer vollgültig geschlossenen und vollzogenen Ehe 217 • Für das staatliche Recht hingegen stellt die persönliche Trennung seit dem Scheidungsgesetz im wesentlichen nur noch die Vorstufe zur Ehescheidung dar218 . 212 Corte cost. 2 febbraio 1982 n. 18, Foro it. 1982, I, 934 f. erklärte zum einen Art. 1 des Gesetzes Nr. 810 (Transformationsgesetz zum Konkordat) insoweit für verfassungswidrig, als es Art. 34 Abs. 4 bis 6 innerstaatlich zur Anwendung brachte, zum anderen den Art. 17 des Ehegesetzes insoweit, als dieser die genannte Regelung betraf; vgl. hierzu D'Ostilio, La rilevanza deI matrimonio canonico, S. 163 ff. 213 Die Auflösungsmöglichkeit des "matrimonium non consummatum" ist nunmehr in c. 1142 geregelt; vgl zur Frage der Anerkennbarkeit die scharfe und treffende Kritik von Di Marzio, Non riconoscibilita degli effetti civili alla decisione ecclesiastica di dispensa super rato et non consummato, Dir.fam. 1997, 1352 ff. an der Entscheidung des App. Torino, 9 luglio 1996, Dir.fam. 1997, 1351, in der eine solche päpstliche Auflösung überraschenderweise anerkannt wurde; ebenfalls ablehnend äußern sich Barbieri, Sull'esecutivita delle decisioni canoniche in materia di matrimonio rato e non consumato, Dir.fam. 1997, 934 ff. sowie Canonico, Dispensa canonica deI matrimonio super rato ed efficacia civile: un fantasma che riappare, evocato dai giudici torinesi, Dir.fam. 1997, 945 ff.; ablehnend nun auch Cass. 10 luglio 1999 n. 7276, Dir.eccl. 2000, 11, 47. 214 Vgl. zu diesen 2. Kapitel, 11. 2. a) cc); die Regelung des Privilegium Paulinum findet sich jetzt in den cc. 1143 ff., zu den Änderungen vgl. Heimerl, Das neue Eherecht der Kirche, S. 27 f. 215 Vgl. 2. Kapitel, 11. 2. a) cc); das Privilegium Petrinum ist auch im CIC 1983 nicht enthalten. 216 Vgl. Art. 149 c.c. sowie c. 1141. 217 Vgl. für die Trennungsgründe nunmehr die cc. 1151 ff.

III. Das System nach der Revision des Konkordats von 1984

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Bereits im alten Art. 34 Abs. 6 waren die die persönliche Trennung betreffenden Angelegenheiten den zivilen Gerichten zugewiesen worden. Dadurch, daß das Scheidungsgesetz für die Konkordatsehe die Möglichkeit der Beendigung der zivilrechtlichen Wirkungen geschaffen und zugleich als deren praktisch wichtigste Voraussetzung eine - jetzt noch - dreijährige Trennung der Ehegatten vorschreibt, ergibt sich nunmehr auch ohne diese Feststellung, daß nach der heutigen Rechtslage allein die staatlichen Gerichte für die persönliche Trennung der Ehegatten zuständig sind219 • Die Zivilgerichte sind ferner auch weiterhin im Rahmen des Scheidungsgesetzes für die Feststellung der Beendigung der zivilrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe zuständig 22o • 3. Änderungen betreffend die Nichtigkeit von Konkordatsehen

Das revidierte Konkordat enthält schließlich in Art. 8 Nr. 2 und in Art. 4a Nr. 3b) des Zusatzprotokolls detaillierte Regelungen betreffend das Verfahren zur Anerkennung der kirchlichen Ehenichtigkeitsurteile. Abgesehen von der bereits angedeuteteten Kontroverse um die Frage, ob die Kirche für diese weiterhin ausschließlich zuständig sein soll oder ob diesbezüglich nunmehr eine konkurrierende Zuständigkeit der staatlichen Gerichte besteht, haben sich in diesem Bereich einige weitere wesentliche Änderungen gegenüber der Regelung des alten Art. 34 ergeben. Dabei hat auch hier die grundlegende Verschiebung der staatlichen und der kirchlichen Durchsetzungskraft dazu geführt, daß der Staat eine stärkere Beachtung seiner Rechtsordnung einfordern konnte. So können nach der neuen Regelung prinzipiell nur noch die kirchlichen Ehenichtigkeitsurteile, nicht aber - wie zuvor - andere Arten der kirchlichen Eheauflösung staatlich anerkannt werden. Schließlich wurde den Zivilgerichten im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nunmehr explizit die Befugnis eingeräumt, vorläufige wirtschaftliche Regelungen zugunsten der Ehegatten zu treffen. a) Die Zuständigkeits/rage

Während im Konkordat von 1929 die Zuständigkeit für die Ehenichtigkeitsverfahren noch explizit den kirchlichen Gerichten und Behörden vorbehalten war221 , läßt die Formulierung im revidierten Konkordat, nach der 218 V gl. hierzu sowie zur Entwicklung des Trennungs- und Trennungsfolgenrechts bereits 2. Kapitel, 11. 2. b). 219 Vgl. Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 180 f. 220 V gl. hierzu bereits l. Kapitel, III. 2. b).

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

"Die Ehenichtigkeitsurteile, die von den kirchlichen Gerichten erlassen [wurden] ... , für in der italienischen Republik wirksam erklärt [werden], ... "

durchaus verschiedene Interpretationen zu. Die Formulierung kann nämlich auch dahingehend verstanden werden, daß neben den genannten kirchlichen Ehenichtigkeitsurteilen noch andere Ehenichtigkeitsurteile existieren können. Diese unklare Formulierung des Art. 8 Nr. 2 bildete den Ausgangspunkt für eine äußerst kontrovers geführte Diskussion um eine möglicherweise bestehende konkurrierende Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für die Nichtigkeitsverfahren nach dem Konkordat geschlossener Ehen. Die Bedeutung dieser Debatte, die Gegenstand des folgenden Kapitels sein wird, liegt nicht allein in der konkreten Frage nach der Zuständigkeit selbst. Vielmehr spiegeln sich in dieser Frage zugleich die verschiedenen Auffassungen über das richtige Maß kirchlichen und staatlichen Einflusses auf das Eherecht wider, weshalb sie für das Verständnis der Gesamtproblematik geradezu als exemplarisch gelten kann. b) Veifahren bei Nichtigerklärung der Ehe

Neben einigen Änderungen des kanonischen Ehenichtigkeitsverfahrens im Rahmen der Einführung des neuen CIC 1983 haben sich vor allem im Bereich der staatlichen Anerkennung der von den kirchlichen Gerichten erlassenen Nichtigkeitsurteile gravierende Veränderungen ergeben. So ist an die Stelle der mehr oder minder automatischen Anerkennung durch die staatlichen Gerichte ein detaillierter Regelungskatalog getreten, welcher in Art. 8 Nr. 2 a) bis c) des revidierten Konkordats und in Art. 4 b) des Zusatzprotokolls niedergelegt ist. aa) Neuerungen im kanonischen Ehenichtigkeitsverfahren Die prozessualen Voraussetzungen des kanonischen Ehenichtigkeitsverfahrens finden sich nunmehr in den cc. 1671 ff., die allgemeinen Prozeßvorschriften in den cc. 1400 ff.z22. Die beiden wichtigsten Neuerungen bestehen darin, daß bei einem erstmals die Nichtigkeit feststellenden Urteil an die Stelle der früheren Appellationspflicht des Ehebandverteidigers eine Art automatischer Appellation getreten ist. Gemäß c. 1682 § 1 hat das Gericht das Urteil von Amts wegen an das in zweiter Instanz zuständige Gericht zu 221 So noch in Art. 34 Abs. 4 des Konkordats von 1929: "Die Angelegenheiten betreffend die Nichtigkeit der Ehe [... ] sind der Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte und Behörden vorbehalten." 222 Vgl. zum Ablauf des ordentlichen Ehenichtigkeitsverfahrens Flatten, Die Eheverfahren, in: Müller, Gesammelte Schriften zum Kanonischen Recht, S. 491 ff.

III. Das System nach der Revision des Konkordats von 1984

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übersenden, welches dann das Berufungsverfahren durchführt. Die zweite Instanz selbst kann nunmehr durch die sog. Dekretbestätigung, c. 1682 § 2, erheblich verkürzt werden223 . bb) Anerkennung durch das staatliche Gericht Im Bereich der Anerkennung der kirchlichen Ehenichtigkeitsurteile durch die staatlichen Gerichte wurde entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes - wie bereits im Rahmen der Transkriptionsvorschriften - die staatliche Kontrolle wesentlich verschärft. Das alte, praktisch wirkungslose Kontrollverfahren wurde durch folgende Regelung ersetzt: zur Erlangung der zivilrechtlichen Wirksamkeit bedürfen die kirchlichen Ehenichtigkeitsurteile jetzt eines förmlichen Anerkennungsverfahrens vor dem staatlichen Appellationshof, welches nur noch auf Antrag der Parteien und nicht mehr wie früher von Amts wegen stattfindet224 • Die Eheleute können also selbst entscheiden, ob sie neben der kirchlichen Aufhebung der Ehe auch deren zivilrechtliche Wirkungen beenden wollen 225 • Wie bisher bedürfen die kirchlichen Urteile zwar einer Vollstreckbarkeitserklärung des Obersten Gerichts der Apostolischen Signatur226 . Anders als in Art. 34 Abs. 5 des Konkordats von 1929 wird eine Prüfung der Einhaltung der kirchlichen Verfahrensvorschriften durch dieses Gericht jedoch nicht mehr gefordert. Nach Art. 8 Nr. 2 a) und b) des revidierten Konkordats sind hierfür jetzt die staatlichen Gerichte zuständig 227 . Die Rechtsfolgen der Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen entsprechen auch nach der Revision des Konkordats denen der staatlichen Nichtigkeitsfeststellung, welche in den Art. 128 ff. c.c. geregelt sind228 . Die Anwendung der staatlichen Regelungen wird von der Recht223 Zum Verfahren in der 2. Instanz, insbesondere beim Vorbringen eines neuen Ehenichtigkeitsgrundes vgl. Llobell, Il tribunale competente per l' appello della sentenza di nullita deI matrimonio giudicata "tamquam in prima instantia ex Can. 1683", Ius eccl. 1996,689 ff. 224 Vgl. Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats - die Regelung geht zurück auf die Entscheidung Corte cost. 2 febbraio 1982 n. 18, Foro it. 1982, I, 934 f. 225 Vgl. hierzu F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 452 ff. 226 Dies ergibt sich aus Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats, welcher verlangt, daß "die Ehenichtigkeitsurteile, [... ] mit dem Vollstreckbarkeitsdekret des höheren kirchlichen Kontrollorgans versehen sind, ... ", Zu Stellung und Kompetenzen des Obersten Gerichts der Apostolischen Signatur vgl. c. 1445 (CIC 1983) sowie Bannet, La competenza deI tribunale della Rota Romana edel Supremo Tribunale della Segnatura Apostolica, lus eccl. 1995, 22 ff. 227 Vgl. hierzu im einzelnen 4. Kapitel, 11. 228 Vgl. hierzu Castronovo, Nullita canonica del matrimonio e rapporti patrimoniali putativi, Dir.fam. 1989, 1003 ff.

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

sprechung zum einen wie bereits nach der alten Rechtslage damit begründet, daß das kirchliche Recht auch heute keinerlei Rechtsfolgeregelungen für diese Fälle bereithält. Die katholische Kirche habe ihre Unzuständigkeit für diesen Bereich im neuen c. 1689 sogar explizit bestätigt, indem sie dort nicht etwa eigene Vorstellungen bezüglich etwaiger vermögensrechtlicher Folgen darlegt, sondern lediglich vorschreibt, daß im kirchlichen Nichtigkeitsurteil bereits auf mögliche zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtungen hingewiesen werden soll. Zum anderen wird die Anwendung der Art. 129 f. c.c. mit der Formulierung des Art. 8 Nr. 2 Abs. 2 des revidierten Konkordats begründet, in der es heißt, daß das Appellationsgericht " ... in dem Urteil, das die Vollstreckung des Urteils eines kirchlichen Gerichts ausspricht, vorläufige wirtschaftliche Anordnungen zugunsten eines der Ehegatten treffen [kann], deren Ehe für nichtig erklärt wurde, wobei er die Parteien zur Entscheidung der Sache an den zuständigen Richter verweist." Aus dieser Formulierung ergebe sich neben der Zuständigkeit des Zivilrichters für die endgültige Entscheidung über die vermögensrechtlichen Aspekte der Nichtigkeit auch die Anwendbarkeit der entsprechenden zivilrechtlichen Regelungen 229 . Die weiteren Einzelheiten des Anerkennungsverfahrens und die in diesem Zusammenhang nach Inkrafttreten des revidierten Konkordats entstandenen Probleme und Kontroversen sollen ebenso wie die Zuständigkeitsproblematik in einem eigenen Kapitel dargestellt werden. c) Weitere Kompetenzen der Zivilgerichte

Neben der bereits seit dem Konkordat von 1929 bestehenden Möglichkeit der Ehegatten, während des Nichtigkeitsverfahrens die einstweilige Trennung vor dem zuständigen Zivilgericht zu beantragen230, kann das Apellationsgericht nach der eben zitierten Formulierung des Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats, wenn es die Nichtigkeitsentscheidung des kirchlichen Gerichts anerkennt, zunächst vorläufige wirtschaftliche Anordnungen zugunsten eines der Ehegatten treffen. Grundlage sind hier die Art. 129 und 129bis c.c., die auch im Falle der staatlichen Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen Anwendung finden 231 • 229 Vgl. Cass. 13 luglio 1992 n. 8477, Dir.farn. 1993, 86; Cass. 27 aprile 1993 n. 4953, Dir.farn. 1993, lO60 ff.; vgl. hierzu auch Boua, Matrirnonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 34 ff. 230 Vgl. Art. 126 c.c. in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 des Ehegesetzes. 231 Vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 463, Proto Pisani, I provvedirnenti patrirnoniali nel giudizio di delibazione delle sentenze ecclesiastiche, in:

IV. Zusammenfassung

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Die Regelungen sind deshalb zunächst nur vorläufiger Art, weil im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nicht immer alle vermögensrechtlichen Aspekte in angemessener Weise berücksichtigt werden können. Andererseits kann eine sofortige Regelung unbedingt notwendig sein, wenn die finanzielle Situation es einem der Ehegatten nicht erlaubt, den Ausgang eines weiteren zivilrechtlichen Verfahrens abzuwarten. Auf Betreiben einer der Parteien kann jedoch im Anschluß an das Anerkennungsverfahren ein solches Verfahren zur Feststellung der tatsächlich bestehenden Ansprüche angestrengt werden 232 .

IV. Zusammenfassung Die eherechtlichen Regelungen des Konkordats von 1984 haben - trotz einiger weiterhin umstrittener Details - im wesentlichen erfolgreich dazu beigetragen, die religiösen Bedürfnisse der katholischen Kirche und ihrer Mitglieder mit den Grundprinzipien der staatlichen Rechtsordnung in Einklang zu bringen und die zuvor teilweise bestehenden Ungleichheiten der verschiedenen Ehe(schließungs)arten jedenfalls stark einzuebnen. Während es im System des Konkordats von 1929 noch möglich war, durch die Wahl der konkordatären Eheschließung eine letztlich zivilrechtlieh gültige Ehe zu schließen, die unter Anwendung des zivilen Eherechts nicht hätte geschlossen werden können, so ist dies heute wegen der vorgenommenen Änderungen insbesondere im Rahmen der Transkriptionsvorschriften nicht mehr denkbar. Durch die Abschaffung der nach dem alten System praktisch automatischen staatlichen Anerkennung der kirchlich geschlossenen Ehen ist für deren zivilrechtliehe Wirksamkeit nunmehr eine separate Willensentscheidung der Partner erforderlich, womit ein weiteres wesentliches Grundprinzip der staatlichen Rechtsordnung verwirklicht ist233 • Im Rahmen der Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen sind die staatlichen Kontrollbefugnisse ebenfalls ausgeweitet worden, wobei über deren konkrete Reichweite durchaus Uneinigkeit besteht234 . Letzteres gilt erst recht für die Frage der Zuständigkeit für die Beurteilung der Gültigkeit der Konkordatsehen. Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 119 ff.; kritisch allerdings Canonico, L' efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 143 ff. 232 Zum Verhältnis der vorläufigen Anordnungen zur endgültigen Entscheidung vgl. Moneta, Matrimonio re1igioso e ordinamento civile, S. 160; Cass. 25 luglio 1992 n. 8982, Quad.dir.pol.eccl. 1993, 850 ff. 233 Vgl. hierzu F. Finocchiaro, Il matrimonio concordatario tra giurisdizione della chiesa e giurisdizione dello stato, in: Vitali/Casuscelli, La disciplina dei matrimonio concordatario dopo gli accordi di Villa Madama, S. 278 f. 234 Vgl. hierzu das 4. Kapitel. 7 Waldmann

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2. Kap.: Das System der Konkordatsehe

Die gesamte Entwicklung wird am ehesten verständlich vor dem Hintergrund der jeweiligen historischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die bei den Regelungen zustande gekommen sind 235 . Das Konkordat von 1929 ist sowohl insgesamt als auch speziell im Bereich des Eherechts als ein Entgegenkommen des faschistischen Regimes zu betrachten, welches sich auf diese Weise vor allem die Nichteinmischung der katholischen Kirche in Fragen der Tagespolitik und deren generelles Wohlwollen sichern wollte 236 . Nach dem Ende der faschistischen Herrschaft und der Entfaltung der Demokratie wurden einige der die Kirche privilegierenden Regelungen in Frage gestellt. Teilweise konnten sie den Maßstäben der neuen Verfassung auch bei großzügiger Behandlung nicht standhalten. Die Neuregelung hingegen erfolgte zu einer Zeit, die geprägt war von dem Bestreben des Staates, die religiösen Interessen und Bedürfnisse der Bürger, die zugleich Mitglieder der katholischen Kirche sind, weitgehend zu berücksichtigen, ohne ihnen jedoch eine Sonderstellung zuzuerkennen, wie dies noch im Konkordat von 1929 geschehen war237 .

235 Vgl. F. Finocchiaro, 11 matrimonio concordatario tra giurisdizione della chiesa e giurisdizione dello stato, in: Vitali/Casuscelli, La disciplina deI matrimonio concordatario dopo gli accordi di Villa Madama, S. 272 ff. 236 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 19 f. 237 Vgl. Bordonali, "Atto di seelta" e concorso di giurisdizioni, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 182; Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 20 f.

Drittes Kapitel

Zur Frage der Zuständigkeit I. Einführung Bei der Frage, welche Gerichte nach heutiger Rechtslage für die Entscheidungen über die Nichtigkeit der Konkordatsehen zuständig sind, handelt es sich um die nach der Revision des Konkordats mit Abstand am heftigsten umstrittene Materie. Der Grund hierfür ist nicht so sehr in der konkreten Bedeutung der Gerichtsbarkeit über die Nichtigkeit der Konkordatsehen zu suchen I. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es jedenfalls in vermögensrechtlicher Hinsicht für die Beteiligten in der Regel keinen Unterschied macht, ob ein staatliches oder ein kirchliches Gericht für die Nichtigkeitserklärung zuständig ist, da sich insoweit die Rechtsfolgen der staatlichen Anerkennung einer kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung grundsätzlich nicht von denen einer staatlichen Nichtigkeitsfeststellung unterscheiden 2 . Die Intensität der Debatte erklärt sich vielmehr vor allem aus der Tatsache, daß die Frage zugleich Anlaß zur Diskussion der grundsätzlichen Frage nach der zulässigen und gewünschten Reichweite kirchlichen und staatlichen Einflusses auf das heutige italienische Eherecht bietet3 . Nach einer kurzen Rekapitulation der bereits im 2. Kapitel dokumentierten historischen Entwicklung der Zuständigkeitsregelung selbst werden im folgenden zunächst die bei den nach der Revision des Konkordats von 1984 zur Frage der Zuständigkeit in Literatur und Rechtsprechung diskutierten gegensätzlichen Positionen dargestellt. Es handelt sich dabei zum einen um die These vom Weiterbestehen der alleinigen Zuständigkeit der Kirchengerichte, zum anderen um die These einer nunmehr konkurrierenden GerichtsI Deutlich wird dies an der Zahl der vom Staat anerkannten Nichtigkeitsentscheidungen, welche sich mit etwa 600 im Jahre 1998 gegenüber etwa 30.000 Scheidungen doch eher bescheiden ausnimmt. 2 Vgl. zu diesen Rechtsfolgen bereits im 2. Kapitel, 11. 3. b) bb). Für die Voraussetzungen einer Nichtigkeitserklärung hingegen können sich dann Unterschiede ergeben, wenn man sich der Auffassung anschließen wollte, die staatlichen Gerichte hätten im Falle ihrer Zuständigkeit staatliches Recht anzuwenden, vgl. zu dieser ebenfalls sehr umstrittenen Frage 3. Kapitel, V. 2. 3 Vgl. hierzu Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 94 f.; PandolJi, Note sulla riserva di giurisdizione della chiesa in tema matrimoniale, Dir.eccl. 1990, I, 220.

7'

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

barkeit der staatlichen Gerichte in Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehe. Schließlich sollen auch die zwischen diesen Standpunkten vermittelnden Ansätze dargestellt werden. In einem weiteren Schritt werden die beiden zentralen Entscheidungen der Corte di Cassazione und der Corte costituzionale aus dem Jahre 1993 vorgestellt, welche das Bestehen grundlegender Differenzen in dieser Frage auch auf höchstrichterlicher Ebene offenbart haben. Zudem sollen die Entwicklung der Zuständigkeitsproblematik in Rechtsprechung und Literatur nach den genannten Entscheidungen sowie die im Zusammenhang mit der These der konkurrierenden Gerichtsbarkeit der staatlichen Gerichte auftretenden Folgeprobleme erörtert werden. Unter Abwägung aller vorgetragenen Argumente soll dann der Versuch unternommen werden, eine sachgerechte Antwort auf die Frage nach der Zuständigkeit zu finden.

11. Die Zuständigkeitsregelungen in den Konkordaten Nach der eindeutigen und unmißverständlichen Regelung des Art. 34 Abs. 4 des Konkordats von 1929 waren "die Angelegenheiten betreffend die Nichtigkeit der Ehe und die Befreiung von der abgeschlossenen, aber noch nicht vollzogenen Ehe [... ] der Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte und Behörden vorbehalten".

Nachdem diese ausschließliche kirchliche Zuständigkeit fast vierzig Jahre lang nicht in Frage gestellt worden war, zeichneten sich in den späten 60er Jahren staatlicherseits erste Bemühungen ab, unter Hinweis auf die gesellschaftliche Entwicklung gewisse Veränderungen auch in diesem sensiblen Punkt vorzunehmen4 . Dokumentiert sind diese Bestrebungen vor allem in den verschiedenen Revisionsentwürfen, welche im ersten Kapitel vorgestellt wurden 5 . Mit dem Scheidungs gesetz des Jahres 1970 und dem darin enthaltenen Institut der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe ging der Gesetzgeber dann erstmals auf Konfrontationskurs mit der katholischen Kirche6 . Es folgte das Verfassungsgericht, welches insbesondere mit seinen Urteilen zu Art. 34 des Konkordats aus den Jahren 1971 und 1982 deutlich machte, daß eine neue Übereinkunft zur Regelung der eherechtlichen Bestimmungen des Konkordats unter Berücksichtigung der geänderten Verhältnisse sinnvoll und angebracht see. Die alleinige Zuständigkeit der 4 Vgl. die ausführliche Darstellung bei D'Ostilio, La rilevanza dei matrimonio canonico, S. 123 ff. sowie 1. Kapitel, 11. 6. 5 Vgl. 1. Kapitel, 11. 6. b). 6 Vgl. 1. Kapitel, 11. 5. b).

H. Die Zuständigkeitsregelungen in den Konkordaten

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Kirchengerichte in Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehen hatte das Verfassungsgericht jedoch nach wie vor nicht angezweifelt, es hatte diese im Gegenteil sogar als logische Folge des kanonischrechtlichen Ursprungs der Konkordatsehe bezeichnet und sie damit ausdrücklich bestätigt8 . Die angestrebte Neuregelung der eherechtlichen Vorschriften fand ihren Niederschlag in Art. 8 des revidierten Konkordats von 1984 sowie in Art. 4 des Zusatzprotokolls zum Konkordat9 . Der Text des neuen "eherechtlichen" Art. 8 gab Anlaß zu zahlreichen Kontroversen, was angesichts der Materie nicht verwundern konnte. Während sich jedoch bei der Bewertung vieler der im 2. Kapitel vorgestellten Änderungen im Laufe der Zeit ein weitgehender Konsens herauskristallisiert hat, wird die Frage nach Fortbestand oder Beendigung der ausschließlichen Zuständigkeit der Kirchengerichte für Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehe und den damit im Zusammenhang stehenden Problemen 1o bis heute kontrovers diskutiert. Unmittelbarer Anlaß für diese Diskussion ist die unscharfe Formulierung des Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats, nach der "die Ehenichtigkeitsurteile, die von den kirchlichen Gerichten erlassen [... ] worden sind, [... ] durch ein Urteil des zuständigen Appellationsgerichts für in der italienischen Republik wirksam erklärt [werden]".

Das zentrale Problem der Formulierung besteht darin, daß aus ihr nicht ersichtlich ist, ob die kirchlichen Gerichte weiter allein für die Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehen zuständig sein sollen oder daneben nunmehr auch eine staatliche Gerichtsbarkeit für derartige Fragen besteht. Weil man sich des Problems, welches aus dieser Formulierung entstehen sollte, offenbar bewußt war, hatte man vorsorglich in Art. 4 des Zusatzprotokolls einige Interpretationshilfen für Art. 8 des Konkordats festgehalten 11. Das Zusatzprotokoll ist Bestandteil der Konkordatsrevision und dient nach seiner Präambel dem Ziel " ... einer bestmöglichen Anwendung [... ] der revidierten Vorschriften und der Vermeidung etwaiger Schwierigkeiten der Interpretation ... ,,12. Vgl. 1. Kapitel, H. 6. c). Vgl. Corte cast. 1 febbraio 1982 n. 18, Foro it. 1982, I, 934 f. 9 Vollständiger Text des Art. 8 sowie des Art. 4 des Zusatzprotokolls finden sich im Anhang dieser Arbeit. 10 Vgl. hierzu das 4. Kapitel. II Der Wortlaut des Art. 4 des Zusatzprotokolls findet sich im Anhang in deutscher Fassung, Übersetzung von Jayme, FS Ferid, S. 215. Die jeweils relevanten Passagen werden im folgenden erörtert. Zur Bedeutung des Art. 4 vgl. Baccari, Considerazioni sul protocollo addizionale al nuovo testo concordatario, in: Coppola, Il nuovo accordo tra Italia e Santa Sede, S. 437 ff. 12 Präambel der Zusatzvereinbarung (sog. "Protocollo Addizionale"), Übersetzung des Verf. 7

8

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

Wie angesichts der beschriebenen Entwicklung kaum anders zu erwarten, konnte dieses Ziel jedoch bezüglich der Zuständigkeitsfrage nicht erreicht werden. Vielmehr wurde auch das Zusatzprotokoll selbst zum Gegenstand zahlreicher Interpretationen, die in der gesamten Diskussion eine nicht unerhebliche Rolle spielen 13. Angesichts der Tatsache, daß man sich bereits während des gesamten Revisionsprozesses der Bedeutung der Zuständigkeitsfrage bewußt war, liegt die Vermutung nahe, daß eine mehrdeutige Formulierung mit allen Folgen letztlich von beiden Vertragsparteien als das kleinere Übel in Kauf genommen wurde. Da eine konkrete Festlegung auf die eine oder andere Variante praktisch nicht zu erzielen war, konnte man auf diese Weise auch nach der Revision weiter an seiner jeweiligen Interpretation festhalten 14• Die Vermutung, daß der Regelung derartige Motive zugrunde liegen, drängt sich nicht zuletzt deshalb auf, weil es theoretisch ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine unzweideutige Regelung zu treffen. Entweder hätte man die Formulierung des Art. 34 übernommen oder man hätte, wenn man eine klare Aussage zugunsten einer konkurrierenden Zuständigkeit der staatlichen Gerichte hätte treffen wollen, sich am Konkordat mit Spanien aus dem Jahre 1979 orientieren können 15 . Dort heißt es, daß die Parteien die kirchlichen Gerichte anrufen können. Die kirchliche stellt damit eine neben der staatlichen Gerichtsbarkeit zugestandene zusätzliche Möglichkeit dar, so daß hier eine konkurrierende Gerichtsbarkeit besteht 16 .

111. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage nach der Revision des Konkordats Die oben zitierte, mehrdeutige Formulierung des Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats und der eigentlich als Interpretationshilfe gedachte Art. 4 des Zusatzprotokolls bildeten den Ausgangspunkt für die beiden gegensätzlichen Interpretationen der Zuständigkeitsfrage seitens der Literatur und 13 Zum Teil werden diese Interpretationen dann als solche ,,2. Grades" apostrophiert, vgl. etwa Caputo, L'efficaccia civile della giurisdizione ecclesiastica matrimoniale, in: Coppola, Il nuovo accordo tra Italia e Santa Sede, S. 298. In der Debatte wird eine solche Differenzierung jedoch weitgehend nicht vorgenommen. 14 Vgl. Condorelli, "Scherz und Ernst" sul nuovo concordato, Dir.eccl. 1984, I, 376 sowie Botta, L'esegesi deI silenzio, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 677. 15 Konkordat vom 3. Januar 1979, abgedruckt in Dir.eccl. 1980 II, 174 ff., in Kraft getreten am 4. Dezember 1979. 16 Diese Position wurde durch den spanischen Gesetzgeber dann unzweifelhaft bestätigt, indem er im neuen Art. 73 codigo civil festhält, daß die Nichtigkeitserklärung bei Vorliegen entsprechender Gründe "unabhängig von der Form der Eheschließung" erfolgen kann.

III. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage

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auch seitens der Rechtsprechung. Während die einen vom Weiterbestehen der ausschließlichen kirchlichen Zuständigkeit in Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehe ausgingen, sahen die anderen mit dem revidierten Konkordat das Ende der ausschließlich kirchlichen Zuständigkeit und den Beginn einer konkurrierenden Zuständigkeit der staatlichen Gerichte gekommen. Neben dem Wortlaut des Art. 8 des revidierten Konkordats und des Art. 4 des Zusatzprotokolls wurde von beiden Seiten eine Fülle unterschiedlicher Argumente zur Stützung der jeweils vertretenen Thesen ins Feld geführt, welche im folgenden zunächst dargestellt und später einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Da sowohl das italienische Schrifttum als auch die jeweilige Rechtsprechung hinsichtlich der vorgebrachten Argumente in weiten Teilen einer nachvollziehbaren Struktur entbehren l7 , sollen die jeweiligen Argumente in Anlehnung an die allgemeinen Auslegungsregeln, wie sie im deutschen Recht gebräuchlich sind, vorgestellt und gewürdigt werden l8 . Demzufolge werden zunächst grammatische, dann systematische und teleologische Argumente untersucht, bevor jeweils in einem abschließenden Abschnitt die Konformität mit übergeordneten Rechtsprinzipien, insbesondere mit denen der italienischen Verfassung, erörtert werden 19. 1. Die These vom Weiterbestehen der ausschließlichen Gerichtsbarkeit der Kirche Eine nicht unbedeutende Anzahl italienischer Autoren sowie die überwiegende Anzahl der Instanzgerichte vertraten nach der Revision zunächst die Auffassung, die ausschließliche kirchliche Gerichtsbarkeit betreffend die Feststellung der Nichtigkeit der Konkordatsehen bestehe trotz der dargestellten Veränderungen des Konkordats fort 2o . Zur Begründung wurden im wesentlichen die im folgenden wiedergegebenen Argumente herangezogen.

a) Argumente der grammatischen Auslegung Die grammatische Auslegung bezieht sich hier zum einen ganz allgemein auf das revidierte Konkordat und das Zusatzprotokoll, zum anderen insbe17 In diesem Sinne Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 47, der von einer in dieser Frage "in sich extrem gespaltenen Literatur" spricht. 18 Vgl. zu diesen Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 320 ff. 19 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 320 ff., spricht von Wortsinn, Bedeutungszusammenhang, Regelungsabsicht und dem Gebot verfassungskonformer Auslegung. 20 Die einzelen Autoren und Gerichtsentscheidungen werden im Rahmen der Abhandlung der jeweils von ihnen vorgebrachten Argumente aufgeführt.

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

sondere auf den Wortlaut des Art. 8 des revidierten Konkordats sowie auf den des Art. 4 des Zusatzprotokolls. Da der Text zur Frage der Zuständigkeit selbst keine Ausssage trifft, geht es hier allein um die Formulierungen, welche zumindest einen indirekten Hinweis betreffend die Zuständigkeit enthalten können. Hierzu wird von den Befürwortern einer weiterhin ausschließlichen kirchlichen Zuständigkeit folgendes vorgebracht. aa) "Der" zuständige Richter In Art. 8 Nr. 2a) des revidierten Konkordats heißt es im Rahmen der Anerkennungsvoraussetzungen für die kirchlichen Nichtigkeitsurteile unter anderem, daß das Appellationsgericht feststelle, daß der kirchliche Richter "der" zuständige Richter gewesen sei, um in der Sache über die gemäß Art. 8 Abs. 1 geschlossene Ehe zu entscheiden21 . Aus der Verwendung des bestimmten Artikels sei nun zu schließen, daß nur ein einziger Richter für die kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen zuständig sein könne, da man anderenfalls den unbestimmten Artikel hätte verwenden müssen. Dieser einzige Richter aber müsse der kirchliche Richter sein, denn er sei dort ja genannt und nur er könne im übrigen die Frage der Nichtigkeit der Konkordatsehe unter allen Aspekten des kanonischen Rechts, aus welchem die Konkordatsehe hervorgegangen sei, untersuchen22 • bb) Hinweis auf die "Besonderheit des kanonischen Rechts" Ein zweites grammatisches Argument ergibt sich nach Ansicht der Befürworter der These vom Weiterbestehen der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit aus Art. 4 b) des Zusatzprotokolls. Dort heißt es, daß in Bezug auf Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats "der Besonderheit des kanonischen Rechts Rechnung getragen werden" solle. Aus dieser Formulierung wird nun teilweise geschlossen, daß die Besonderheit des kanonischen Rechts eben auch die alleinige Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte erfordere. Dies folge aus der Tatsache, daß es sich bei der nach kanonischem Recht geschlossenen Ehe um ein Sakrament handele, dessen Gültigkeit nicht von staatlichen Gerichten beurteilt werden könne23 . 21 Im italienischen Text heißt es: " ... che il giudice ecc1esiastico era il giudice competente a conoscere della causa ... ". 22 Vgl. Punzi, Il riparto di giurisdizione in materia matrimoniale, Riv.dir.civ. 1985, I, 566 ff., De Luca, Giurisdizione ecc1esiastica in materia matrimoniale: esc1usiva 0 concorrente?, Dir.eccl. 1985, I, 315 f.; in diesem Sinne auch Trib. Catania, 13 ottobre 1987, Dir.fam. 1988,372. 23 Vgl. Gherro, "Accordo di modificazioni del Concordato lateranense" e giurisdizione dei tribunal i ecc1esiastici, Dir.eccl. 1984, I, 460, in diesem Sinne auch Trib. Catania, 13 ottobre 1987, DirJam. 1988, 372 sowie Trib. Napoli, 22 aprile 1989,

III. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage

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b) Argumente der systematischen Auslegung

Im Rahmen der systematischen Auslegung werden die Stellung von Art. 8 Abs. 2 des revidierten Konkordats sowie von Art. 4 des Zusatzprotokolls und ihr Verhältnis zu den anderen Vorschriften des revidierten Konkordats erörtert. Zudem wird das Verhältnis zu anderen einschlägigen Regelungen, insbesondere den Delibationsvorschriften der Art. 796 und 797 c.p.c. diskutiert. aa) Keine stillschweigende Änderung Ein Argument der Befürworter der These vom Weiterbestehen der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit steht im Zusammenhang mit der Tatsache, daß von einer konkurrierenden Gerichtsbarkeit im revidierten Konkordat jedenfalls explizit nirgends die Rede ist. Dieses Schweigen des Textes müsse als Bestätigung der alten Regelung von 1929 gedeutet werden 24 , da die die Konkordatsehen betreffenden Nichtigkeitsentscheidungen seit jeher der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit unterworfen gewesen seien25 und eine stillschweigende Änderung bei einer derart wichtigen Frage keinesfalls angenommen werden könne 26 . Ferner hätte es im Falle einer konkurrierenden Gerichtsbarkeit auch einer Koordination der Zuständigkeiten im konkreten Fall sowie einer Bestimmung des durch den staatlichen Richter gegebenenfalls anwendbaren Rechts bedurft, was jedoch nicht geschehen sei. Dies alles zeige, daß man bei der Revision vom Weiterbestehen der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit ausgegangen sei 27 . An dieser Tatsache könne insbesondere auch Art. 13 des revidierten Konkordats, nach dem Foro it. 1989, I, 3480 ff., ebenso Trib. Torino, 30 giugno 1990, Quad.dir.pol.eccl., 1990, I, 615. 24 So Talamanca, La disciplina giuridica dei matrimoni canonici con effetti civiii: la riserva di giurisdizione al vaglio di dottrina e giurisprudenza, Dir.eccl. 1994, 1,920. 25 Vgl. hierzu Tedeschi, Problemi e prospettive, in: Berlingo/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisidzione civile, 326 f.; Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 72. 26 Vgl. Gherro, Riserva 0 concorso di giurisdizione?, in: BerlingO/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisidzione civile, 182 f.; in diesem Sinne auch Trib. Catania, 13 ottobre 1987, Dir.fam. 1988, 372, welches in seiner Begründung für die eigene Unzuständigkeit im Fall einer Nichtigkeitsklage der Ansicht war, "das Konkurrenzprinzip hätte einer expliziten Erwähnung bedurft". 27 So Mantuano, Ordine proprio della chiesa e delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimomiale, Dir.eccl. 1984, I, 609; zu diesen Problemen vgl. 3. Kapitel, V.

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

". .. alle Bestimmungen des Laterankonkordats, die im vorliegenden Text nicht wiederholt wurden, außer Kraft treten.,,28

nichts ändern, da es sich bei der ausschließlichen Gerichtsbarkeit der kirchlichen Gerichte in Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehen um ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip handele, welches nicht durch ein einfaches Gesetz abbedungen werden könne 29 . bb) Zur Delibation Als Beispiel für die nahezu unerschöpflichen Interpretationsmöglichkeiten kann das folgende Argument der Konkurrenz-Gegner dienen: aus der expliziten Erwähnung des Erfordernisses der Anerkennung der kirchlichen Entscheidungen durch den staatlichen Richter in Art. 8 Nr. 2 könne man schließen, daß es auch weiterhin eine ausschließliche Gerichtsbarkeit der Kirche in Nichtigkeitsfragen geben müsse. Wenn nämlich die kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen wie normale ausländische Entscheidungen behandelt werden sollten und demzufolge eine Konkurrenz möglich wäre, dann hätte das Erfordernis der Delibation, welches bei ausländischen Entscheidungen ohnehin gegeben sei, keiner expliziten Erwähnung bedurft. Die besondere Regelung des Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats sowie des Art. 4 b) des Zusatzprotokolls sei eben nur deshalb nötig gewesen, weil die kirchlichen Entscheidungen in die alleinige Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte fielen und zu ihrer staatlichen Wirksamkeit einer besonderen Delibation bedürften 3o . cc) Zum Verbot der Nachprüfung in der Sache Das in Art. 4 b) Nr. 3 des Zusatzprotokolls enthaltene Verbot der Nachprüfung in der Sache seitens der Appellationsgerichte stellt nach Ansicht der Befürworter der hier vorgestellten These ein weiteres Indiz für die alleinige kirchliche Zuständigkeit dar. Wenn nämlich die staatlichen Gerichte nicht einmal im Delibationsverfahren eine sachliche Prüfug vornehmen dürften, dann sei es geradezu ein Widerspruch anzunehmen, daß sie erstinstanzlich für die Nichtigkeitsentscheidungen zuständig sein könnten. Denn in diesem Fall müßte ja seitens der Zivilgerichte zweifellos eine Prüfung in der Sache vorgenommen werden, welche doch hier erst recht ausgeschlossen sei 3l . Übersetzung des Verf. Mit dem einfachen Gesetz ist das Transformationsgesetz zum revidierten Konkordat gemeint, vgl. Trib. Napoli, 22 aprile 1989, Foro it. 1989, I, 3480 ff. 30 So La Castro, Rilevanza civile delle procedure di composizione dei conflitti interne alle confessioni religiose, in: Berling6/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 68 f. 28 29

III. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage

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c) Argumente der teleologischen Auslegung

Die Beurteilung von Sinn und Zweck einer Vorschrift hängt in aller Regel maßgeblich mit der Intention zusammen, die vom jeweiligen Gesetzgeber mit dem Erlaß der Normen verfolgt wurde. Die besondere Problematik der konkordatären Ehevorschriften liegt nun gerade darin begründet, daß an ihrer Entstehung gleichsam zwei Gesetzgeber beteiligt waren, die in vielen Einzelfragen durchaus gegensätzliche Ziele und Regelungsabsichten verfolgten. Die Befürworter der ausschließlichen Zuständigkeit rekurrieren hier auf die Intention der katholischen Kirche. Diese hatte verständlicherweise nicht die Absicht, die ausschließliche Zuständigkeit ihrer Gerichte für die Nichtigkeitsentscheidungen abzuschaffen, was sie auch im Vorfeld der Unterzeichnung unmißverständlich deutlich gemacht hat. In einer entsprechenden Note des Vatikans heißt es in Reaktion auf die schon im Vorfeld aufgekommenen Diskussionen über eine etwaige konkurrierende Zuständigkeit staatlicher Gerichte, daß eine solche nur in dem Sinne verstanden werden könne, daß nunmehr eine Überprüfung der Entscheidungen durch staatliche Gerichte nötig sei, wenn die Parteien eine zivilrechtliehe Wirksamkeit der Entscheidung anstreben - also nur im Sinne einer Akzeptanz des Delibationsverfahrens 32 . Daß die Intention der Kirche jedenfalls in der Frage der Zuständigkeit die maßgebliche sein müsse, wird nach Meinung der Befürworter der hier dargestellten Position durch die Tatsache untermauert, daß die Gerichtsbarkeit in kanonischen Ehenichtigkeitssachen dem italienischen Staat ja nicht etwa mit dem Konkordat von 1929 verloren gegangen sei, sondern daß diese vielmehr seit jeher in den Händen der katholischen Kirche gelegen habe. Demzufolge könne der italienische Staat nicht behaupten, mit der 31 Vgl. Gherro, L'efficacia civile della giurisdizione ecclesiastica matrimoniale, in: Coppola, 11 nuovo accordo tra Italia e Santa Sede, S. 323 f.; Punzi, 11 riparto di giurisdizione in materia matrimoniale, Riv.dir.civ. 1985, I, 574 f. sowie Scalisi, Giudizio civile di nullita e diritto applicabile, in: Berlingo/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 239; in diesem Sinne auch Trib. Catania, 13 ottobre 1987, DirJam. 1988, 372, sowie Trib. Roma, 16 febbraio 1989, Dir.eccl. 1990, 11, 96; Trib. Napoli, 22 aprile 1989, Foro it. 1989, I, 3480 ff.; Trib. Torino, 30 giugno 1990, Quad.dir.pol.eccl., 1990, I, 615. 32 Vgl. hierzu die "Nota verbale deI Consiglio per gli affmi pubblici della chiesa" vom 31. Mai 1985, abgedruckt in Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 45 sowie Talamanca, La disciplina giuridica dei matrimoni canonici con effetti civili: la riserva di giurisdizione al vaglio di dottrina e giurisprudenza, Dir.eccl. 1994, I, 912 f. und Gherro, Riserva 0 concorso di gmnsdizione?, in: BerlingO/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 175 f.

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

neuen Regelung das Ziel verfolgt zu haben, seine volle Souveränität im Bereich der Ehegerichtsbarkeit wieder herzustellen33 . d) Übergeordnete Prinzipien

Eine besondere, wenn nicht gar die ausschlaggebende Rolle müssen schließlich auch in dem hier betroffenen äußerst sensiblen Verhältnis von Staat und katholischer Kirche die übergeordneten Rechtsprinzipien, insbesondere die verfassungsrechtlichen Grundlagen spielen. Da die Verfassungsnormen allen anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgehen, ist die Konformität einer Regelung mit den Normen der Verfassung zunächst die unabdingbare Voraussetzung ihrer Gültigkeit. Sind wie hier mehrere Verfassungsprinzipien betroffen, so muß eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter erfolgen. Das wichtigste Argument für die Beibehaltung der bisherigen Regelung gründet sich auf Art. 7 Abs. 1 der italienischen Verfassung, der bestimmt: "Der Staat und die katholische Kirche sind, jeder im eigenen Bereich, unabhängig und souverän.,,34

Nach Ansicht der Befürworter der These vom Weiterbestehen der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit entspricht es auch nach den im Zuge der Konkordatsrevision erfolgten Änderungen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Trennung von Staat und katholischer Kirche, den nach wie vor rein kirchlichen Akt der konkordatären Eheschließung ausschließlich von den kirchlichen Gerichten beurteilen zu lassen 35 . Schließlich handele es sich bei der Eheschließung nach dem revidierten Konkordat nach wie vor nicht lediglich um eine besondere Spielart der Zivilehe, wie dies etwa bei den Eheschließungen anderer Religionsgemeinschaften der Fall sei, sondern um einen zunächst allein vom kanonischen Recht geregelten Akt, der seinerseits die Grundlage für eine spätere Zivilehe darstelle. Diese Zweiteilung müsse auch bei der Beurteilung der Zuständigkeiten strikt beachtet werden 36 , denn nur so könne die in Art. 7 Abs. 1 der Ver33 Vgl. Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 72. 34 Übersetzung nach Kimmel, Verfassung der Republik Italien, in: Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, S. 243. 35 De Luca, Giurisdizione ecclesiastica in materia matrimoniale: esclusiva 0 concorrente?, Dir.eccl. 1985, I, 314; Gherro, Accordo di modificazione dei concordato lateranense e giurisdizione dei tribunali ecclesiastici, Dir.eccl. 1984, I, 458 f.. 36 So etwa Caputo, L'efficaccia civile della giurisdizione ecclesiastica matrimoniale, in: Coppola, Il nuovo accordo tra Italia e Santa Sede, S. 301; De Luca, Giudizio civile di nullita e diritto applicabile, in: Berlingo/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 223 ff.

III. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage

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fassung verbriefte gegenseitige Souveränität gewahrt werden 37 • Daß dies so sei, ergebe sich im übrigen auch aus den einschlägigen Entscheidungen der Corte costituzionale. In diesen sei ganz eindeutig festgehalten, daß zwischen der unbestrittenen Tatsache, daß der Akt der konkordatären Eheschließung kanonischrechtlich geregelt sei, und der Anerkennung der alleinigen Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Fragen betreffend die etwaige Nichtigkeit dieses Aktes ein untrennbarer Zusammenhang bestehe 38 • Die Unmöglichkeit der Annahme einer konkurrierenden Gerichtsbarkeit der staatlichen Gerichte ergibt sich für deren Gegner zudem aus der Unlösbarkeit der Frage, welches Recht der staatliche Richter im Falle seiner Zuständigkeit anwenden solle39 . Das kanonische Recht jedenfalls komme aus mehreren Gründen nicht in Frage: zum einen verletze der Staat damit sowohl die in Art. 7 Abs. 1 der Verfassung verankerten Prinzipien der Unabhängigkeit der katholischen Kirche als auch der Laizität des Staates. Zum zweiten werde auch die in Art. 8 Abs. 1 der Verfassung verbriefte Religionsfreiheit der Gläubigen verletzt, welche ein Urteil eines staatlichen Gerichts über ihren religiösen Eheschließungsakt nicht akzeptieren könnten 4o . Die Anwendung des staatlichen Rechts komme ebensowenig in Frage, da ein ursprünglich kirchlicher Rechtsakt nicht im Nachhinein mit Hilfe eines anderen Rechts überprüft werden könne 41 • Bei der nach den Vorschriften des kanonischen Rechts geschlossenen Ehe komme erschwerend hinzu, daß diese sakramentalen Charakter habe 42 , was die Anwendung staatlichen Rechts ohnehin unmöglich mache 43 . 37 Vgl. Casellati Alberti, Riserva della giurisdizione ecclesiastica matrimoniale ed esigenze di liberta, in: Studi in onore di Lorenzo Spinelli, S. 346; Spinelli, Il matrimonio canonico con effetti civili, in: Nuovi accordi concordatari tra Chiesa e Stato, S. 228. 38 Vgl. hierzu Spinelli, Il matrimonio canonico con effetti civili, in: Nuovi accordi concordatari tra Chiesa e Stato, S. 228 sowie Dalla Torre, La riforma della legislazione ecclesiastica, testi e documenti, S. 218 f., der insbesondere auf die Entscheidung Corte cost. 2 febbraio 1982 n. 18, Fora it. 1982, I, 934 ff. hinweist, in welcher das Gericht sinngemäß festgehalten hatte, daß Akte kirchlichen Ursprungs auch nur von kirchlichen Gerichten überprüft werden sollten (sog. "logico corallario"), auf diese Entscheidung verweisen auch Trib. Catania, 13 ottobre 1987, Dir.fam. 1988, 373 sowie Trib. Napoli, 22 aprile 1989, Fora it. 1989, I, 3484, ähnlich argumentiert auch Trib. Roma, 16 febbraio 1989, Dir.eccl. 1990, 11, 95. 39 Vgl. zu dieser Frage im einzelnen das 4. Kapitel, V. 2. 40 Vgl. hierzu Scalisi, Giudizio civile di nullita e diritto applicabile, in: BerlingoI Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 236 f.; Talamanca, La disciplina giuridica dei matrimoni canonici con effetti civili, Dir.eccl. 1994, I, 917. 41 Vgl. Lillo, Giudizio di nullita deI matrimonio concordatario e nuovo sistema di diritto intemazionale privato: osservazioni preliminari, Dir.fam. 1996, 1050 ff. 42 Vgl. Carreras, La giurisdizone della chiesa sul matrimonio e sulla famiglia, S. 69 ff.

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

e) Zwischenergebnis

Neben den genannten grammatischen, systematischen und teleologischen Argumenten spricht nach Auffassung der Befürworter der hier vorgestellten These vor allem die in Art. 7 Abs. 1 verfassungsmäßig verankerte Souveränität der katholischen Kirche dafür, daß die ausschließliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für die Beurteilung der Gültigkeit der Konkordatsehen auch nach der Revision des Konkordats unverändert fortbesteht.

2. Die These der konkurrierenden Gerichtsbarkeit von Staat und Kirche Nach der zweiten Ansicht ist an die Stelle der ehemals ausschließlich kirchlichen Zuständigkeit für die Frage der Nichtigkeit der Konkordatsehen durch die Revision nunmehr eine konkurrierende Zuständigkeit der kirchlichen und der staatlichen Gerichte getreten. Für diese Position sprechen einerseits gute Argumente, andererseits wirft eine solche Konkurrenz neue Fragen auf, die wiederum nicht immer in gleicher Weise beantwortet werden 44 • Zunächst sollen auch hier die einzelnen Argumente vorgestellt werden. a) Argumente der grammatischen Auslegung

Im Rahmen der grammatischen Auslegung beschränkt sich die Argumentation der Konkurrenz-Befürworter auf die Zurückweisung der von der Gegen ansicht vorgebrachten Ansichten. aa) "Der" zuständige Richter Das von den Befürwortern der These vom Weiterbestehen der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit angeführte Argument, die Verwendung des bestimmten Artikels in Art. 8 Nr. 2 a) des revidierten Konkordats spreche für ihre Auffassung, ist nach Ansicht der Konkurrenz-Befürworter nicht haltbar. Die Interpretation verkenne die Bedeutung der Vorschrift, in der es nicht um die Frage der ausschließlichen oder konkurrierenden Zuständigkeit gehe, sondern darum, unter welchen Bedingungen die kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen - seien sie exklusiv oder auch nicht - staatlich aner43 Vgl. Scalisi. Giudizio civile di nulliHl e diritto applicabile, in: Berlingo/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 239; Tedeschi. Problemi e prospettive, in: Berlingo/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisidzione civile, 329 f.; so auch Trib. Napoli. 22 aprile 1989, Foro it. 1989, I, 3484. 44 Zu diesen Fragen vgl. das 4. Kapitel.

III. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage

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kannt werden könnten45 • Zu diesen gehöre auch die Tatsache, daß die Entscheidungen der kirchlichen Richter nach Art. 8 Abs. 1 des revidierten Konkordats geschlossene Ehen zum Gegenstand haben müssten, nicht etwa um solche, die nach kanonischem Recht im Ausland geschlossen wurden46 . Eine ausschließliche kirchliche Gerichtsbarkeit betreffend die Nichtigkeit der Konkordatsehen lasse sich so nicht begründen. bb) Zur "Besonderheit des kanonischen Rechts" Die Befürworter der Konkurrenzlösung halten auch die Argumentation bezüglich des in Art. 4 b) des Zusatzprotokolls enthaltenen Hinweises, daß der Besonderheit des kanonischen Rechts Rechung getragen werden müsse, für nicht sachgerecht. Auch aus dieser Formulierung könne man nicht auf das Weiterbestehen einer ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit schließen, denn der Hinweis beziehe sich ebensowenig wie die Formulierung von "dem" kirchlichen Richter auf die Zuständigkeitsfrage. In Art. 4 b) des Zusatzprotokolls sei lediglich festgelegt, daß der Besonderheit des kanonischen Rechts im Rahmen der Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen Rechnung getragen werden solle, und zwar insbesondere durch die Beachtung der dort in den Nr. 1 bis 3 genannten Punkte. Mit der Zuständigkeitsfrage habe diese Formulierung nichts zu tun47 . b) Argumente der systematischen Auslegung

Im Rahmen der systematischen Auslegung befassen sich die KonkurrenzBefürworter zum einen mit Art. 13 des revidierten Konkordats, zum zweiten mit den Delibationsvorschriften des Art. 8 Abs. 2 sowie mit Art. 4 des Zusatzprotokolls und schließlich mit der Entstehungsgeschichte und den verschiedenen Vorentwürfen zum revidierten Konkordat. aa) Art. 13 des revidierten Konkordats Ein zumindest auf den ersten Blick überzeugendes Argument für eine nunmehr konkurrierende Gerichtsbarkeit liefert Art. 13 des revidierten Konkordats, nach dem die im neuen Text nicht wiederholten Vorschriften des Konkordats von 1929 aufgehoben sind48 . Aus dieser Regelung folge - entVgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 447. Vgl. hierzu bereits 2. Kapitel, II. 1. e). 47 Vgl. Cardia, Il matrimonio concordatario tra nulliHt canoniche, nullita civili e divorzio, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 408 f.; F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 447. 45

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

gegen der oben dargestellten Ansicht -, daß die ausschließliche kirchliche Gerichtsbarkeit nicht mehr bestehe, da von ihr - im Gegensatz zur Regelung des Art. 34 des Konkordats von 1929 - weder in Art. 8 noch in anderen Vorschriften des revidierten Konkordats die Rede sei 49 . Die Regelung des Art. 13 sei somit Ausdruck der zurückgewonnenen Souveränität des italienischen Staates auf dem Gebiet der Rechtsprechung im Bereich des Eherechts, welche im Konkordat von 1929 durch die Vorschrift des Art. 34 Abs. 4 stark eingeschränkt worden war50 . bb) Zur Delibation Eine ähnliche Situation wie die eben beschriebene findet sich auch bei der Beurteilung der neuen Delibationsvorschriften des Art. 8 Abs. 2 des revidierten Konkordats und Art. 4 b) des Zusatzprotokolls. Anders als oben wird hier die Auffassung vertreten, daß sich aus dem neuen System der Anerkennung der kirchlichen Urteile zwangsläufig die Abschaffung der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit ergebe - denn wer die Urteile eines anderen Gerichts der Delibation unterwerfe, erkenne dessen Alleinzuständigkeit gerade nicht an 5l . Im Falle der Ablehnung der Delibation etwa müsse den Betroffenen der normale Rechtsweg zu den Zivilgerichten offenstehen. Dies ergebe sich aus Art. 24 Abs. I der Verfassung 52 . Auch die Tatsache, daß die kirchlichen Entscheidungen nur noch auf Antrag der betroffenen Parteien anerkannt werden, spreche für eine konkurrierende Zuständigkeit der staatlichen Gerichte. Die Zuerkennung dieser Ent48 Art. 13 Abs. 1 des revidierten Konkordats lautet: "Die vorhergehenden Bestimmungen enthalten die von beiden Vertragsparteien akzeptierten Änderungen des Laterankonkordats; sie treten nach der beidseitigen Ratifikation in Kraft. Abgesehen vom Inhalt des Art. 7 Nr. 6 dieser Vereinbarung treten alle Bestimmungen des Laterankonkordats, die im vorliegenden Text nicht wiederholt wurden, außer Kraft." (Übersetzung des Verf.). 49 Vgl. hierzu Cipriani, Abrogazione espressa e sopravvivenza "logica" deUa riserva di giurisdizione a favore dei tribunal i ecclesiastici, Foro it. 1989, I, 3481; F. Finocchiaro, Giurisdizione deUo stato e giurisdizione ecclesiastica neU' esperienza giuridica, Riv.dir.proc. 1993, 982; Starace, Giurisprudenza costituzionale e modificazioni deI concordato, in: Coppola, 11 nuovo Accordo tra Italia e Santa Sede, S. 92 f; Trib. Benevento, 13 febbraio 1990, Dir.eccl. 1990,11, 77 ff 50 Cipriani, Abrogazione espressa e sopravvivenza "logica" deUa riserva di giurisdizione a favore dei tribunali ecclesiastici, Foro it. 1989, I, 3482; in diese Richtung argumentiert auch Trib. Benevento, 13 febbraio 1990, Dir.eccl. 1990, 11, 79 f 51 Vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 476; Vamier, I limiti deI nuovo matrimonio concordatario, in: Coppola, 11 nuovo accordo tra Italia e Santa Sede, S.736. 52 Vgl. Vamier, I limiti deI nuovo matrimonio concordatario, in: Coppola, 11 nuovo accordo tra Italia e Santa Sede, S. 736.

III. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage

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scheidungskompetenz sei mit einer ausschließlichen Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte nicht vereinbar53 . Schließlich zeige auch die Verweisung des Art. 8 Nr. 2c) des revidierten Konkordats in Verbindung mit Art. 4 b) des Zusatzprotokolls auf die Art. 796 und 797 c.p.c., daß nunmehr eine konkurrierende Gerichtsbarkeit der staatlichen Gerichte gegeben sei. Gemäß Art. 797 Abs. 6 c.p.c. sei nämlich Bedingung für die Anerkennung ausländischer Urteile, daß vor einem italienischen Gericht kein Verfahren in derselben Sache und zwischen denselben Parteien anhängig sei. Diese Verweisung mache nur Sinn, wenn man von einer Konkurrenz ausgehe54 . Zwar enthalte Art. 4 b) des Zusatzprotokolls auch den Hinweis, daß den Besonderheiten des kanonischen Rechts entsprochen werden solle. Die folgende Konkretisierung dieser Forderung in den Nummern 1 bis 3 enthalte aber gerade keinen Hinweis darauf, daß staatliche Gerichte hier möglicherweise nicht zuständig sein könnten. Hätte man dies beabsichtigt, so wäre eine explizite Erwähnung an dieser Stelle erforderlich gewesen55 . cc) Zum Verbot der Nachprüfung in der Sache Nach Ansicht der Befürworter der Konkurrenzlösung kann aus dem in Art. 4 b) Nr. 3 des Zusatzprotokolls erwähnten Verbot der Nachprüfung in der Sache nicht auf die alleinige Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte geschlossen werden. Diese Vorschrift entspreche vielmehr lediglich dem Standard der meisten zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Bereich der Anerkennung ausländischer Urteile 56 . dd) Zur Historie der Revisionsentwürfe Ein weiteres Indiz für die Abschaffung der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit ergibt sich für die Vertreter der hier vorgestellten Auffassung aus der Tatsache, daß diese zwar im ersten Reformvorschlag der Kommission von 1967 sowie im ersten Revisionsentwurf von 1976 noch 53 Vgl. Cardia, 11 matrimonio concordatario tra nullita canoniche, nullita civili e divorzio, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 396 f. 54 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 97 f.; Cardia, 11 matrimonio concordatario tra nullita canoniche, nullita civili e divorzio, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 399; Cipriani, Abrogazione espressa e sopravvivenza "logica" della riserva di giurisdizione a favore dei tribunali ecclesiastici, Foro it. 1989, I, 3490. 55 Vgl. Cardia, 11 matrimonio concordatario tra nullita canoniche, nullita civili e divorzio, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 40l. 56 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 154 f. 8 Waldmann

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

enthalten gewesen sei, in den weiteren Entwürfen und im endgültigen Text jedoch nicht mehr auftauchte. Vielmehr sei sie in den Beratungen zum vierten Entwurf von 1979 sogar ausdrücklich abgelehnt und den Parteien ein Wahlrecht zwischen ziviler und kirchlicher Gerichtsbarkeit eingeräumt worden 57 . Aus alldem sei zu schließen, daß die Vertragsparteien im Laufe der Beratungen bewußt Abstand von der alten Regelung genommen hätten 58 . c) Argumente der teleologischen Auslegung

Entsprechend der oben beschriebenen Problematik nehmen die Befürworter der Konkurrenzlösung zur Erforschung der Regelungsabsicht Bezug auf die Position des italienischen Staates. Die zahlreichen offiziellen politischen Erklärungen, welche den Wandlungsprozeß begleiteten, werden von ihnen als Indiz für die klare Entschlossenheit des italienischen Staates angeführt, der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit ein Ende zu setzen59. Gemeint sind hier zum einen Erklärungen maßgeblicher Politiker, welche während der Beratungen zum neuen Konkordat abgegeben wurden. Hierzu zählt etwa die Erklärung Giulio Andreottis betreffend den dritten Entwurf vom 6. Dezember 1978 vor dem Senat, in der er verlauten ließ, daß "die Gerichtsbarkeit in Nichtigkeitssachen nun nicht mehr den kirchlichen Gerichten vorbehalten sei,,6o. Zum anderen geht es um Äußerungen, welche die Verabschiedung des revidierten Konkordats begleitet haben, so eine Erklärung Bettino Craxis vom 25. Januar 1984 ebenfalls vor dem Senat, in der es hieß: " ... wir glauben, daß wir uns auf ein System zubewegen müssen, welches den Untergang der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit, wie sie in den Vorschriften des Jahres 1929 enthalten war, mit sich bringt,,61. Ein weiteres derartiges Beispiel für die staatliche Auffassung von Ende der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit enthält der Bericht der Regierung an den Senat vom 17. Juli 1984, welcher dem Gesetzesvorschlag für das Transforrnationsgesetz zum Konkordat beigefügt war. Dort heißt es, daß "die vielleicht wichtigste Neuerung des revidierten Konkor57 Vgl. Vegas, II matrimonio nella quarta "bozza" di revisione dei concordato, S.448. 58 So Balena, Le condizioni per la delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 36; Moneta, Matrimonio religioso e ordinamente civile, S. 96. 59 Hierzu ausführlich Margiotta Broglio, Sulla caduta della riserva di giurisdizione, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 160 f. 60 Andreotti, Presentazione della terza bozza al Senato, 6 dicembre 1978, in: Acquavivia, Un Accordo di liberta, S. 260; Übersetzung des Verf. 61 Craxi, Relazione al Senato ed alla Camera dei Deputati: Una nuova dimensione nei rapporti tra 10 Stato e la Chiesa, in: Acquavivia, Un Accordo di liberta, S. 304; Übersetzung des Verf.

III. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage

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dats das Ende der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit in Ehenichtigkeitssachen sei [... ],,62. Angesichts dieser klaren und unmißverständlichen Stellungnahmen und mangels offizieller Einsprüche seitens des Heiligen Stuhls sei davon auszugehen, daß letzterer dem revidierten Konkordat in dem Bewußtsein zugestimmt habe, daß es keine ausschließliche kirchliche Gerichtsbarkeit mehr gebe63 . d) Übergeordnete Prinzipien

Wie die Gegner der Konkurrenzlösung rekurrieren auch deren Befürworter auf verschiedene verfassungsrechtliche Aspekte, um die Richtigkeit ihrer Position unter Beweis zu stellen. aa) Rechtsprechungsmonopol des Staates Ein weiteres Argument ergibt sich für die Befürworter einer Konkurrenz aus dem in Art. 102 der Verfassung verankerten Rechtsprechungsmonopol des Staates. Während die Gegenauffassung annahm, es hätte für eine Konkurrenzlösung mindestens der expliziten Erwähnung im revidierten Konkordat bedurft, wird hier die Ansicht vertreten, daß sich bereits aus der Nichtnennung der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit die - in diesem Falle konkurrierende - Rechtsprechungsgewalt des Staates ergebe. Das Rechtsprechungsmonopol, welches sich aus Art. 102 Abs. I der Verfassung ergebe64, müsse im Falle der ausnahmsweisen Nichtgeltung - wie im Konkordat des Jahres 1929 - seinerseits explizit abbedungen werden65 . Dies sei jedoch im revidierten Konkordat gerade nicht mehr der Fall. bb) Schutz der Religionsfreiheit der Nichtkatholiken Vereinzelt findet sich der Gedanke, daß eine konkurrierende Gerichtsbarkeit auch deshalb unverzichtbar sei, da nur durch sie ein angemessener Schutz der Religionsfreiheit erreicht werden könne, welche in Art. 8 Abs. 1 Craxi in: Acquavivia, Un accordo di liberta, S. 387 f.; Übersetzung des Verf. So Chiapetta. Il matrimonio nella nuova legislazione canonica e concordataria. S.608. 64 Art. 102 Abs. I der Verfassung lautet: "Die Rechtsprechung wird von ordentlichen Richtern ausgeübt, die nach den Vorschriften über die Gerichtsverfassung eingesetzt werden und diesen unterworfen sind.", Übersetzung nach Kimmel. Verfassung der Republik Italien, in: Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten. S. 259. 65 Vgl. Oriani. Rapporti tra giudice italiano e giudice ecclesiastico nelle cause matrimoniali: e ammissibile il regolamento di giurisdizione?, in: Quaderni della scuola di specializzazione in diritto ecclesiastico e canonico 1993, 47 f. 62

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

der Verfassung garantiert ist. Diejenigen, die in konkordatärer Form eine Ehe eingegangen seien, zu einem späteren Zeitpunkt aber nicht mehr dem katholischen Glauben anhingen, müßten die Möglichkeit haben, sich auch zur Feststellung der Nichtigkeit der Ehe an die staatlichen Gerichte zu wenden 66 . cc) Rechtsschutzgarantie des Art. 24 Cost. Schließlich sei zu bedenken, daß im Falle einer durchaus möglichen Ablehnung der Delibation einer kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung durch ein staatliches Gericht67 den Parteien auch aus verfassungsrechtlichen Gründen der Gang vor ein Zivilgericht nicht verwehrt werden dürfe. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 24 COSt. 68 könne nicht über die Annahme einer ausschließlichen Gerichtsbarkeit für bestimmte Bereiche ausgehebelt werden 69 . e) Zwischenergebnis

Die wichtigsten Argumente der Befürworter der Konkurrenz-Variante ergeben sich aus systematischen Gesichtspunkten, insbesondere aus der Vorschrift des Art. 13 des revidierten Konkordats. Auch die verfassungsrechtlichen Beweggründe sind beachtenswert.

3. Vermittelnde Ansätze Einige wenige Autoren sind bemüht, Möglichkeiten einer differenzierenden Zuständigkeitsverteilung aufzuzeigen. Zwar gehen auch sie von einer grundsätzlichen Konkurrenz staatlicher und kirchlicher Gerichte in Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehe aus, sie sehen jedoch Einschränkungen bezüglich der Reichweite der Kompetenzen der staatlichen Gerichte. Zum einen wird vertreten, daß seit der Revision des Konkordats zwar auch die staatlichen Gerichte zum Zwecke der Nichtigkeitsfeststellung kanonischer Ehen angerufen werden könnten, die staatliche Gerichtsbarkeit 66 So Moneta, Matrimonio religioso e ordinamente civile, S. 98; Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 68. 67 Vgl. zu den möglichen Gründen Art. 8 Abs. 2 des revidierten Konkordats im Anhang. 68 Art. 24 Abs. 1 Cost. lautet: "Jedermann kann zum Schutze seiner eigenen Rechte und seiner rechtmäßigen Interessen die Gerichte in Anspruch nehmen.", Übersetzung nach Kimmel, Verfassung der Republik Italien, in: Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, S. 246. 69 Vgl. Vamier, I limiti deI nuovo matrimonio concordatario, in: Coppola, Il nuovo accordo tra Italia e Santa Sede, S. 736; Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 67.

III. Die Grundpositionen zur Zuständigkeitsfrage

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sich in diesem Fall aber nicht auf die Gültigkeit der kanonischen Ehe, sondern allein auf die Gültigkeit desjenigen Teils der Eheschließung beziehe, durch den die Brautleute ihren zivilrechtlichen Ehewillen zum Ausdruck gebracht hätten. Dieser zivilrechtliche Wille nämlich liege der Transkription zugrunde, welche über diese Konstruktion dann nicht nur wegen Vorliegens etwaiger Transkriptionshindernisse, sondern auch aufgrund der zivilrechtlichen Vorschriften der Art. 117 bis 124 c.c. anfechtbar sei. Dem Interesse des Staates an der Gleichbehandlung aller Bürger ohne Ansehen der Religionszugehörigkeit sei damit weitgehend Genüge getan. Zugleich wäre die katholische Kirche weiterhin allein für den Bereich der eigentlichen Eheschließung zuständig, was aufgrund der Tatsache, daß diese sich im Rahmen des Konkordats zunächst - also vor der Transkription - im wesentlichen nach kanonischen Vorschriften richtet, sinnvoll und notwendig erscheine7o . Auf diese Weise könnten zahlreiche Probleme, die insbesondere mit einer Konkurrenz der staatlichen Gerichte für den Bereich der vom kanonischen Recht geregelten Eheschließung einhergehen, vermieden werden 71 . In die gleiche Richtung zielt ein anderer Vorschlag, nach dem die staatlichen Gerichte im Falle ihrer Anrufung bezüglich der Nichtigkeit einer Konkordatsehe lediglich die Nichtigkeit des zivilrechtlichen Status festzustellen befugt seien, nicht aber die Nichtigkeit der Ehe als solcher unter Einschluß des kanonischrechtlichen Teils72 . Im Unterschied zur vorgenannten Position wird hier nicht die Konstruktion des der Transkription vorausgehenden zivilen Ehewillens bemüht, sondern es werden die Transkriptionsvoraussetzungen selbst zum Maßstab genommen. Im Ergebnis ist sie dennoch mit der vorgenannten Position identisch, da auch mit ihr die oben beschriebene Erweiterung der Anfechtungsgründe und eine Umgehung der kirchlichen Gerichte für den Fall möglich ist, daß dem Kläger im Falle der Nichtigkeit der Ehe allein an der Beendigung der zivilrechtlichen Wirkungen gelegen ist73. In bei den Fällen soll der staatliche Richter allein dazu befugt sein, das Vorliegen der Voraussetzungen für die zivilrechtliche Wirksamkeit der Ehe im Zeitpunkt ihrer Eingehung zu überprüfen und gegebenenfalls deren Nichtvorliegen festzustellen. 70 Vgl. F. Finocchiaro. Consenso e vizi deI consenso nel matrimonio concordatario, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 23. 71 Vgl. F. Finocchiaro. Sentenze ecclesiastiche e giurisdizione deHo stato sul matrimonio concordatario neH' accordo 18 febbraio 1984 fra l'Italia e la Santa Sede, Riv.dir.proc. 1984,415 ff. 72 Vgl. hierzu De Luca. Giudizio civile di nullita e diritto applicabile. in: Berlingo/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 229; ähnlich auch Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione deHo stato, S. 79, der von der Trennung der Zuständigkeiten ("separazione deHe giurisdizioni") spricht. 73 Vgl. Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione deHo stato, S. 79.

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

Schließlich gibt es Autoren, welche ihre Position zwar als vennittelnd darstellen, die aber bei genauerer Betrachtung dennoch relativ eindeutig einer der beiden Hauptströmungen zuzuordnen sind74 .

IV. Die Entscheidungen der Corte di Cassazione und der Corte costituzionale aus dem Jahre 1993 und ihre Folgen Keine Annäherung an eine Lösung der Frage, sondern vielmehr eine Festigung der Polarisierung der oben dargestellten gegenteiligen Auffassungen brachten zwei Entscheidungen der beiden obersten italienischen Gerichte, der Corte Suprema di Cassazione einerseits und der Corte costituzionale andererseits, aus dem Jahre 1993. Während nämlich erstere die Auffassung vertrat, daß seit Inkraftreten des revidierten Konkordats im Jahre 1985 eine konkurrierende Zuständigkeit der staatlichen Gerichte bestehe, geht die letztere in ihrer Entscheidung vom Weiterbestehen der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit in konkordatären Ehenichtigkeitsangelegenheiten aus. 1. Die Entscheidung 1824/1993 der Corte di Cassazione

Auf Vorlage des Tribunale Roma hat die Corte Suprema di Cassazione a Sezioni Unite75 in dem vielbeachteten Urteil Nr. 1824 vom 13. Februar 1993 klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie vom Ende der ausschließlichen Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte in der Frage der Nichtigkeit der Konkordatsehen und von einer nunmehr bestehenden konkurrierenden Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ausgeht76 . Dabei handelt es sich nach Ansicht der Corte di Cassazione um eine echte Konkurrenz in dem Sinne, daß entweder das staatliche oder das kirchliche Gericht für die Entscheidung in ihrer Gesamtheit zuständig sind, nicht um die bisweilen vertretene Konkurrenz-Variante, nach der die staatlichen Gerichte im Falle ihrer Zuständigkeit nur über die Gültigkeit der Transkription entscheiden könnten. 74 Hierzu gehört vor allem der Vorschlag von Punzi, 11 riparto di giurisdizione in materia matrimoniale, Riv.dir.civ. 1985, 563 ff., die von einer Aufteilung der Zuständigkeiten ("riparto di giurisdizioni") spricht, welche neben den unstreitigen Zuständigkeiten für die staatlichen Gerichte auch das Weiterbestehen einer ausschließlichen Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte in Fragen der Nichtigkeit vorsieht. 75 Zum Gemeinsamen Senat der Corte di Cassazione vgl. Art. 66 11 ordinamento giudiziario, Regio Decreto 30 gennaio 1941, n. 12. 76 Cass., sn unite, 13 febbraio 1993 n. 1824, Dir.fam. 1993, 109 ff. Die Cass. hatte diese Haltung im übrigen bereits im Jahre 1988 in zwei obiter dicta zum Ausdruck gebracht, vgl. Cass., sn unite, 5 febbraio 1988 n. 1212, Dir.fam. 1988, 1263 ff. sowie Cass., sn unite, 1 marzo 1988 n. 2164, Giust.civ. 1988, I, 1141 ff.

IV. Die Entscheidungen der Corte di Cassazione

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Der Entscheidung vorausgegangen war die Nichtigkeitsklage eines nach kanonischem Recht getrauten Ehemannes gegen seine Frau vor dem Tribunale Roma unter Berufung auf Art. 122 Abs. 2 c.c. wegen eines wesentlichen Irrtums über deren persönliche Eigenschaften77. Hiergegen hatte die Beklagte Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts festzustellen, da nach ihrer Ansicht auch nach der Revision des Konkordats weiterhin von einer ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit in Fragen der Nichtigkeit auszugehen sei78 . Die Corte di Cassazione begründet ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß im revidierten Konkordat nirgendwo explizit von einer ausschließlichen Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte in Nichtigkeitsfragen die Rede sei79 . Gleiches gelte für die Sakramentalität der Ehe, welche abgesehen von ihrer fehlenden Erwähnung im Konkordat wegen der mittlerweile erfolgten verfassungsrechtlichen Gleichstellung aller Religionen ohnehin nicht mehr dazu führen könne, daß der kanonischen Ehe ein anderer Wert zugemessen werde als einer auf andere Weise geschlossenen Ehe 80 . Betrachte man die genannten Umstände sowie die Tatsache, daß die Entwicklung, welche zur Revision des Konkordats geführt habe, namentlich die Einführung der Ehescheidung, nicht ignoriert werden könne, und nehme man dazu den Wortlaut des Art. 13 des revidierten Konkordats 8 \ so werde klar, daß der Text das Maximum an Zugeständnissen beider Seiten enthalte und eine ausschließliche Gerichtsbarkeit mangels ausdrücklicher Erwähnung nicht mehr bestehe 82 . Ein weiterer Beleg für die Richtigkeit dieser Ansicht sei darin zu sehen, daß im Gegensatz zum Konkordat von 1929 auch die explizite Anerkennung der staatlichen Zuständigkeit für die Fälle der Ehetrennung im revidierten Text nicht mehr enthalten sei - die zusätzliche Passage sei gerade wegen der nicht mehr gegebenen ausschließlichen Gerichtsbarkeit der Kirche entbehrlich geworden 83 . Die von der Literatur vorgebrachten Argumente zur Stützung der These vom Fortbestehen der ausschließlichen Gerichtsbarkeit sind nach Ansicht 77 Die Frau litt nach Angaben des Mannes unter "squilibri psichici", also unter geistiger Verwirrung, welche auch nach kirchlichem Recht einen Nichtigkeitsgrund darstellen kann, vgl. cc. 1095 und 1097 (CIC 1917). 78 Inwieweit eine kirchliche Entscheidung für die Ehefrau von Vorteil hätte sein können, läßt sich nicht sagen. Wenn die Nichtigkeit der Ehe festgestellt worden wäre, dann jedenfalls hätten sich nach staatlicher Anerkennung der Entscheidung letztlich dieselben Rechtsfolgen ergeben wie bei der staatlichen Zuständigkeit, vgl. hierzu 2. Kapitel, 11. 3. b) bb). 79 Vgl. Cass., sn unite, 13 febbraio 1993 n. 1824, Dir.farn. 1993, 122. 80 Vgl. Cass., sn unite, 13 febbraio 1993 n. 1824, Dir.farn. 1993, 122. 81 Vgl. zu Art. 13 des revidierten Konkordats das 3. Kapitel, III. 2. b) aa). 82 Vgl. Cass., sn unite, 13 febbraio 1993 n. 1824, Dir.farn. 1993, 117 ff. 83 Vgl. Cass., sn unite, 13 febbraio 1993 n. 1824, DirJarn. 1993, 123.

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

der Corte di Cassazione allesamt nicht überzeugend. So rechtfertige die Tatsache, daß neben der eindeutigen Aussage des Art. 13 die ausschließliche Gerichtsbarkeit nicht ihrerseits auch noch explizit für nicht mehr existent erklärt worden sei, nicht die Annahme ihres Weiterbestehens 84 . Die Formulierung " ... der zuständige Richter,,85 in Art. 8 Abs. 2 des revidierten Konkordats beziehe sich lediglich auf die im Rahmen der Delibation zu überprüfende Frage, ob es sich bei der für nichtig erklärten Ehe überhaupt um eine kanonische Ehe gehandelt habe, da der kirchliche Richter sonst keinesfalls zuständig gewesen sein könne. Eine konkurrierende Gerichtsbarkeit werde dadurch jedenfalls nicht ausgeschlossen 86 . Auch aus den übrigen Delibationsvorschriften des Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats ließen sich keine Schlußfolgerungen über das Bestehen oder Nichtbestehen der ausschließlichen Gerichtsbarkeit ziehen, da die Frage der Delibation gänzlich unabhängig von der Zuständigkeitsproblematik sei 87 . Schließlich existiere ein Rechtsprechungsmonopol des Staates, welches im Konkordat von 1929 explizit eingeschränkt worden sei und nunmehr mangels einer solchen Einschränkung wieder voll zur Geltung kommen müsse. Ein Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der katholischen Kirche sei hierin nicht zu erkennen 88 . Auf die Probleme und Fragen, welche sich aus der Annahme einer konkurrierenden Zuständigkeit ergeben, geht die Corte di Cassazione nur kurz ein. Demnach soll die Zuständigkeit im konkreten Fall gemäß dem "criterio della prevenzione" erfolgen. Dies bedeute, daß demjenigen, der die Gültigkeit einer kanonischen Ehe überprüft wissen möchte, grundsätzlich das Wahlrecht zwischen kirchlicher und staatlicher Gerichtsbarkeit zustehe, wobei die zeitlich zuerst getroffene Wahl entscheidend sei 89 . Alle anderen Fragen, insbesondere die des vom staatlichen Richter im Falle seiner Zuständigkeit anzuwendenden Rechts, beantwortet die Corte di Cassazione in ihrem Urteil nicht.

Vgl. Cass., sez. unite, 13 febbraio 1993 n. 1824, DirJam. 1993, 124 f. Vgl. hierzu 3. Kapitel, III. 1. a) aa). 86 Vgl. Cass., sez. unite, 13 febbraio 1993 n. 1824, DirJam. 1993, 125 f. 87 Mit diesem Hauptargument werden die Argumente der Literatur abgelehnt, welche von dieser aus dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 2 des revidierten Konkordats abgeleitet werden. 88 Vgl. Cass., sez. unite, 13 febbraio 1993 n. 1824, Dir. farn. 1993, 124 f. 89 Nach dem "criterio della prevenzione" stellt sich die Situation also folgendermaßen dar: wird die Klage zuerst bei einem kirchlichen Gericht eingereicht, so ist dieses (dann wiederum ausschließlich) zuständig und das staatliche Gericht kann nicht mehr angerufen werden, wird aber zuerst das staatliche Gericht angerufen, so ist dessen ausschließliche Gerichtsbarkeit für den Fall begründet. 84 85

IV. Die Entscheidungen der Corte di Cassazione

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2. Reaktionen der Literatur Wie kaum anders zu erwarten, wurde die Entscheidung des Kassationshofes von den Befürwortem des Weiterbestehens der ausschließlichen Gerichtsbarkeit scharf kritisiert9o . Neben den bereits bekannten Argumenten wurde insbesondere die - unvollständige - Regelung der Zuständigkeit durch das Prioritätsprinzip gerügt91 . Die Anhänger der Konkurrenzlösung hingegen sahen sich in ihren Ansichten von höchster Stelle bestätigt92 • 3. Die Entscheidung 421/1993 der Corte costituzionale In die entgegengesetzte Richtung weist die kaum weniger bedeutende Entscheidung Nr. 421 der Corte costituzionale vom 1. Dezember 1993, nach der die ausschließliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte in Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehen auch nach der Revision des Konkordats vom 18. Februar 1984 weiterhin Bestand hat93 . Der Entscheidung der Corte costituzionale war folgende Entwicklung vorausgegangen. Zunächst hatte ein nach kanonischem Recht getrauter Ehemann unter Berufung auf einen wesentlichen Irrtum über eine persönliche Eigenschaft der Ehefrau, vgl. Art. 122 Abs. 2 c.c., Nichtigkeitsklage vor dem Tribunale Torino erhoben. Dieses erklärte sich, anders als das Tribunale Roma, selbst für unzuständig, über die Frage der Nichtigkeit einer 90 Vgl. die ausführliche Kritik von Gherro, Riserva 0 concorso di giurisdizione?, in: BerlingO/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 175 ff. sowie Leziroli, 11 problema concordatario dei matrimonio. Brevi considerazioni sulla sentenza della Corte di Cassazione 13 febbraio 1993, n. 1824, Dir.eccl. 1994, I, 1054 ff.; La Castro, Competenza delibatoria e competenza diretta dei giudice dello Stato sui matrimoni canonici trascritti, Dir.eccl. 1994, I, 1068 f.; Talamanca, La disciplian giuridica dei matrimoni canonici con effetti civili: la riserva di giurisdizione al vaglio di dottrina e giurisprudenza, Dir.eccl. 1994, I, 908 ff. 91 La Castro, Rilevanza civile delle procedure di composizione dei conflitti interne alle confessioni religiose, in: Berlingo/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile - cooperazione e concorso in materia matrimoniale, S. 60 f. 92 Ausführlich Cipriani, Riserva 0 concorso di giurisdizione?, in: Berlingo/Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 199 ff. sowie ders., "Requiem" per la riserva di giurisdizione, Foro it. 1993, I, 723 ff.; Colaianni, Giurisdizione ecclesiastica in materia matrimoniale: la riserva che non c'e, Foro it. 1993, I, 727 ff.; Lariccia, Dalla riserva di giurisdizione dei tribunali ecclesiastici al concorso delle giurisdizioni civile e canonica: una giusta (ma tardiva) afferrnazione della sovranita statale in materia matrimoniale, Foro it. 1993, I, 734 ff.; grundsätzlich ebenfalls zustimmend, aber dennoch kritisch F. Finocchiaro, 11 concorso di giurisdizioni sul matrimonio cosi detto concordatario, Giust.civ. 1993, I, 877 ff. 93 Vgl. Corte cost. 1 dicembre 1993 n. 421, DirJam. 1993,960 ff.

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

nach dem Konkordat geschlossenen Ehe zu entscheiden. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten führte zum Corte di Appello di Torin094 , bei dem zugleich ein Delibationsverfahren anhängig war, welches die Anerkennung der Nichtigkeitserklärung derselben Ehe durch ein kirchliches Gericht zum Gegenstand hatte. Die bei den Sachen wurden verbunden und sodann der Corte costituzionale mit der Frage vorgelegt, ob Art. 1 des Transformationsgesetzes Nr. 847 vom 27. Mai 1929, soweit es Art. 34 Abs. 4 des Konkordats von 1929 in italienisches Recht transformiert, vereinbar mit Art. 7 Abs. 1 der italienischen Verfassung sei, nach dem Staat und Kirche unabhängig und souverän sind. Diese eigentliche Frage hat die Corte costituzionale für unzulässig erklärt, da sie wegen der jetzt gültigen Fassung des Art. 8 des revidierten Konkordats keine Bedeutung mehr habe. Sie hat aber die Gelegenheit ergriffen, um in einem obiter dictum ihre Ansicht zur Frage der Zuständigkeit für die Nichtigkeitsentscheidungen betreffend die Konkordatsehen darzulegen. Sie nimmt dabei Bezug auf frühere Urteile95 und bekräftigt, daß das früher Gesagte grundsätzlich auch weiterhin Bestand habe, da die neuen Regelungen im wesentlichen das Weiterbestehen des Systems der Konkordatsehe widerspiegelten. Auch nach der Revision sei zwischen dem kanonischen Trauungsakt einerseits und der Erlangung der zivilrechtlichen Wirkungen durch die Transkription andererseits zu unterscheiden. Daraus folge, daß auch jetzt noch der Ursprungsakt der Konkordatsehe allein im kanonischen Recht wurzele und daß deshalb allein die kirchlichen Gerichte über die Gültigkeit dieses Aktes entscheiden könnten. Diese Entscheidung könne dann im Rahmen der Delibation staatliche Wirksamkeit erlangen. Alle im Zusammenhang mit der Gültigkeit der Transkription stehenden Fragen fielen weiterhin in die Zuständigkeit der Zivilgerichte96 . Da die Ausführungen der Corte costituzionale lediglich in Form eines obiter dictum ergangen sind, haben sie keine allgemeine Bindungswirkung für die untergeordneten Gerichte, weshalb auch diese Entscheidung wenig zur Klärung der Zuständigkeitsfrage beitragen konnte 97 .

App. Torino 13 marzo 1992, Dir.fam. 1993,26 ff. Das Gericht verweist vor allem auf die entsprechenden Ausführungen in den Urteilen Corte cost. 1 febbraio 1982 n. 18, Foro it. 1982, I, 934 f.; Corte cost. 8 luglio 1971 n. 169, Foro it. 1971, I, 1753 ff. sowie Corte cost. 11 dicembre 1973 n. 176, Foro it. 1974, I, 11 ff. 96 Corte cost. 1 dicembre 1993 n. 421, Dir.fam. 1993,967. 97 An die Entscheidung gebunden war lediglich das vorlegende Gericht, vgl. App. Torino 29 aprile 1994, Foro it. 1994, I, 2502. 94

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IV. Die Entscheidungen der Corte di Cassazione

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4. Reaktionen der Literatur Auch hier waren Ablehnung und Zustimmung entsprechend den schon zuvor vertretenen Positionen verteilt. Wegen der von der Corte costituzionale nur bedingt vorgenommenen Auseinandersetzung mit den allseits bekannten Argumenten ist jedenfalls eine gewisse Stärkung der KonkurrenzBefürworter zu verzeichnen. Nach deren Auffassung hat sich die Corte costituzionale ganz im Gegensatz zur Corte di Cassazione nämlich deshalb nicht detailliert mit den einzelnen Argumenten der Konkurrenz-Befürworter beschäftigt, weil diese bei genauer Betrachtung nicht widerlegbar seien98 . Nach Ansicht der Befürworter der ausschließlichen Gerichtsbarkeit hingegen hat das Verfassungsgericht den bestehenden Widerspruch zwischen der Natur der Vereinbarung von 1984 als Konkordatsrevision - und eben nicht gänzlich neues Konkordat - und der Vorschrift des Art. 13 dieser Vereinbarung, nach der alle im neuen Text nicht mehr enthaltenen Vorschriften abbedungen seien, aufgedeckt und einer Lösung zugeführt. Die Regelung des Art. 13 könne sich nämlich nur auf die Aspekte beziehen, die im Zuge der Konkordatsrevision neu geregelt worden seien. Für alle anderen Punkte, insbesondere für die Frage der Zuständigkeit, gelte aber mangels einer Neuregelung weiterhin dasjenige, was im Konkordat von 1929 festgelegt worden sei 99 . Schließlich wurde - zum wiederholten Male - die Forderung erhoben, die immer noch bestehenden Unklarheiten durch ein Einschreiten des Gesetzgebers endgültig zu beseitigen 100.

5. Die Rechtsprechung nach den Entscheidungen von 1993 Die Rechtsprechung ist auch nach den bei den Entscheidungen von 1993 uneinheitlich geblieben, sie geht aber - anders als noch kurz nach der Kon98 Vgl. hierzu Lariccia, Dopo Corte cost. 421/93 e urgente la rifonna deI sistema matrimoniale concordatario, Foro it. 1994, I, 22 ff.; ebenfalls für die Konkurrenz sprechen sich u. a. auch weiterhin aus Cipriani, Alla ricerca della riserva perduta, Foro it. 1994, I, 15 ff.; Moneta, La Corte costituzionale e la riserva di giurisdizione ecclesiastica, Dir.fam. 1994,513 ff. 99 So La Castro, La giurisdizione sui matrimoni canonici trascritti, Giur.cost. 1993, I, 3492; für die Beibehaltung der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit u. a. auch weiterhin Canonico, Brevi note sulla riserva di giurisdizione dei tribunali ecclesiastici dopo la sent. n. 421/1993 della Corte costituzionale, Dir.fam. 1994, 509 ff.; Gherro, Requiem per un'interpretazione distruttiva deI matrimonio concordatario, Dir.fam. 1994, 520 ff.; Perrone, Giurisdizione ecclesiastica in materia matrimoniale: la riserva ritrovata, Giur.it. 1994, I, 435 ff. 100 Lariccia, Dopo Corte cost. 421/93 e urgente la rifonna del sistema matrimoniale concordatario, Foro it. 1994, I, 28.

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

kordatsrevision - nunmehr überwiegend von einer konkurrierenden Zuständigkeit aus. So hat nach der Entscheidung der Corte costituzionale neben der Corte di Appello di Torino lOl nur noch das Tribunale Brescia seine Unzuständigkeit für Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehe erklärt lO2 . Alle anderen seither mit der Frage konfrontierten Gerichte haben sich dagegen mit unterschiedlichen Begründungen der Ansicht der Corte di Cassazione angeschlossen. Zum Teil fand hierbei keinerlei Auseinandersetzung mit der Entscheidung der Corte costituzionale statt lO3 . Andere Gerichte folgten im wesentlichen der Argumentation der Corte di Cassazione, nach der vor allem wegen Art. 13 des revidierten Konkordats, welcher die nicht wiederholten Artikel des Konkordats von 1929 als abbedungen deklariert, ein Festhalten an der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit in Nichtigkeitsfragen nicht mehr möglich sei 104 . Schließlich findet sich auch die Begründung, die Corte costituzionale habe sich gar nicht explizit für die Beibehaltung der ausschließlichen Gerichtsbarkeit ausgesprochen, was aber angesichts der kurz zuvor ergangenen klaren und unmißverständlichen Entscheidung der Corte di Cassazione notwendig gewesen sei. Außerdem sei die Entscheidung der Corte costituzionale im Hinblick auf die Zuständigkeitsfrage ohnehin nur für das vorlegende Gericht bindend, da es sich insoweit lediglich um ein obiter dictum handele lO5 . Vor dem Hintergrund dieser Urteile und angesichts einer weiteren Entscheidung der Corte di Cassazione selbst, in welcher sie ihren Standpunkt im Jahre 1997 indirekt nochmals bekräftigt hat 106, hat es den Anschein, daß die sich abzeichnende Tendenz der weitgehenden Befürwortung des Konkurrenzstandpunktes im Bereich der Rechtsprechung allenfalls durch ein neues Urteil der Corte costituzionale revidiert werden könnte, in dem die Frage der Zuständigkeit dann eindeutig und verbindlich im Sinne einer Beibehaltung der ausschließlichen Gerichtsbarkeit beantwortet werden müßte lO7 . Vgl. App. Torino 29 aprile 1994, Foro it. 1994, I, 2502. Trib. Brescia 13 gennaio 1994, die Entscheidung selbst ist nicht veröffentlicht worden, sie wird jedoch eingehend erörtert bei Lillo, InvalidiHl deI matrimonio concordatario e giurisprudenza di merito, Riv.trim.dir.proc.civ. 1996, I, 359 ff. 103 Vgl. Trib. Cremona 17 febbraio 1994 n. 72, Dir.fam. 1994, 702 ff., Trib. Milano 17 giunio 1996, Giurisprudenza Milanese, 1997, I, 22 ff. 104 Trib. Padova 7 gennaio 1995, Dir.eccl. 1995,11,497 ff. 105 Trib. di Torre Annunziata 25 gennaio 1996 n. 96, Quad.dir.pol.eccl. 1996, III, 804 ff. 106 Vgl. Cass. 18 aprile 1997 n. 3345, Dir.eccl. 1997, 11, 294 ff., in der Entscheidung geht es um die Frage des Verhältnisses zwischen einem staatlichen Scheidungsurteil und einer kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung betreffend dieselbe Ehe, vgl. zu diesem Konkurrenzproblem das 4. Kapitel. 107 So Moneta, Riserva di giurisdizione e de1ibazione delle sentenze ecclesiastiche matrimoniali: recenti svi1uppi dottrinali e giurisprudenziali, Dir.eccl. 1997, I, 814. 101

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V. Probleme im Rahmen der Konkurrenzlösung

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v. Probleme im Rahmen der Konkurrenzlösung Vor einer Bewertung der dargelegten Standpunkte zur Zuständigkeitsfrage sind noch zwei Probleme zu erörtern, die sich aus der Annahme einer konkurrierenden Gerichtsbarkeit ergeben und die ihrerseits in Literatur und Rechtsprechung umstritten sind. Es handelt sich hierbei zum einen um das Problem der Bestimmung der Zuständigkeit im konkreten Fall, zum zweiten um die Frage des für den staatlichen Richter anwendbaren Rechts. 1. Die Bestimmung der konkreten Zuständigkeit

Wenn man von einer konkurrierenden Zuständigkeit der zivilen Gerichte für Fragen der Nichtigkeit der Konkordatsehen ausgeht, so ergibt sich zum einen das folgende Problem: aus dem Umstand, daß im revidierten Konkordat von einer konkurrierenden Gerichtsbarkeit explizit nicht die Rede ist, folgt, daß auch keine Bestimmungen über die Abgrenzung der Zuständigkeiten zu finden sind. Fraglich ist daher, ob es geeignete Kriterien gibt, um eine solche Bestimmung vornehmen zu können. Die Corte di Cassazione hat sich in ihrem Grundsatzurteil vom 13. Februar 1993 für das zeitliche Prioritätsprinzip entschieden, nachdem derjenige Richter allein zuständig ist, welcher von den Parteien zuerst angerufen wurde 108. Auch andere Gerichte haben sich dem angeschlossenl09 . Betrachtet man allerdings die Regelungen des internationalen Privatrechts, auf die das revidierte Konkordat in Art. 8 Nr. 2 verweist, so ergibt sich folgendes: unter der Geltung des Art. 797 Nr. 6 c.p.c. war eine derartige Auslegung durchaus möglich, da hier ein gewisser Vorrang für die italienische Gerichtsbarkeit festgeschrieben war 11O . Die Neuregelung des Art. 64 Nr. 1 t) des IPR-Gesetzes allerdings beruht auf der Annahme einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit der inländischen und ausländischen Verfahren. Demzufolge dürfte allein die Anhängigkeit eines Nichtigkeitsverfahrens vor den staatlichen Gerichten die Anstrengung eines ebensolchen Verfahrens vor einem kirchlichen Gericht nicht hindern. Im umgekehrten Fall müßte das ebenfalls gelten 111. Eine endgültige Entscheidung durch ein staatliches Gericht im Sinne einer ausschließlichen Zuständigkeit wäre erst dann erforderlich, wenn ein Antrag auf Anerkennung einer kirchlichen EntCass., sez. unite, 13 febbraio 1993, n. 1824, Dir.fam. 1993, 120 ff. Vgl. Trib. Cremona 17 febbraio 1994 n. 74, Foro it. 1994, I, 1576 ff.; Trib. Padova 7 gennaio 1995, Dir.eccl. 1995, II, 497 ff. 110 Vgl. zu den Einzelheiten 4. Kapitel, 11. 2. d). 111 In diesem Sinne Cipriani, Riserva 0 concorso di giurisdizione?, in: Berlingo/ Scalisi, Giurisdizione canonica e giurisdizione civile, S. 211. 108

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

scheidung bei einem Appellationshof einginge, während in derselben Sache bereits ein Verfahren vor einem staatlichen Gericht anhängig ist 1l2 . 2. Anwendbares Recht bei originärer Zuständigkeit der staatlichen Gerichte

Schließlich ist zu klären, welches materielle Recht der staatliche Richter im Falle seiner Zuständigkeit bei der Beurteilung der Gültigkeit einer nach dem Konkordat geschlossenen Ehe anzuwenden hat l13 . Auch hierüber sagt der Text des revidierten Konkordats nichts. Ein Teil des Schrifttums spricht sich für die Anwendung des kanonischen Rechts aus, da aus diesem die Konkordatsehe ja ursprünglich hervorgegangen sei 114. In diesem Zusammenhang wird auch auf die grundlegende Entscheidung des Kassationshofes aus dem Jahre 1993 verwiesen, in der festgestellt wurde, daß der konkurrierenden Gerichtsbarkeit eine mögliche Anwendung des kanonischen Rechts durch den staatlichen Richter nicht entgegenstehe, da dieser im Rahmen des Internationalen Privatrechts gegebenenfalls auch ausländisches Recht anzuwenden habe 1l5 . Der Kassationshof habe sich hier indirekt für die Anwendung des kanonischen Rechts ausgesprochen. Im übrigen führe die Anwendung staatlichen Rechts zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß dann für ein und denselben Sachverhalt je nach Zuständigkeit zwei verschiedene materielle Rechtssysteme zur Anwendung kommen könnten 1 16. 112 Vgl. zu dieser Fallkonstellation 4. Kapitel, IV. Letztlich kommt es für die Anerkennung aber auch darauf an, welches Verfahren zuerst angestrengt wurde. 113 Auch dieser Streit ist eher ideologischer Natur. Denn spätestens im Rahmen der durch die staatlichen Gerichte in jedem Fall zu beachtenden Regeln des ordre public - hierzu 4. Kapitel, III. - würden die im materiellen Recht bestehenden Unterschiede ausgeglichen. Die vermögensrechtlichen Rechtsfolgen einer etwaigen Nichtigkeit entstammen, wie im 2. Kapitel, Il. 3. b) bb) dargelegt, ohnehin immer dem staatlichen Recht. Il4 So Vaccarella, Il riparto di giurisdizione tra giudici statali ed ecclesiastici in tema di nullita dei matrimonio concordatario, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 648 ff.; Starace, Sul diritto applicabile al matrimonio concordatario nel giudizio italiano di annullamento e sull'ammissibilita della delibazione della sentenza ecclesiastica di annullamento del matrimonio di cui sia stato pranunciato il divorzio in Italia, in: Cipriani, Matrimonio concoradatario e tutela giurisdizionale, S. 157. 115 Vgl. hierzu die Ausführungen der Cass., sez. unite, 13 febbraio 1993 n. 1824, Dir.fam. 1993, 120 f. 116 Vgl. Balena, Le condizioni per la delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, in: Cipriani: Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, 54; Cipriani, Abrogazione espressa e sopravvivenza "Iogica" della riserva di giurisdizione a favore dei tribunali ecclesiastici, Fora it. 1989, I, 3493.

V. Probleme im Rahmen der Konkurrenzlösung

127

Auch zur Frage des vom staatlichen Richter anzuwendenden Rechts gibt es einzelne vermittelnde Stimmen. So wird etwa angeregt, der staatliche Richter solle eine Kombination aus materiellem staatlichem und kanonischem Recht anwenden, wobei das staatliche Recht nur insoweit Beachtung finden solle, als es Ausdruck des ordre public sei 117. Überwiegend wird jedoch in der Literatur davon ausgegangen, daß der staatliche Richter im Falle seiner Zuständigkeit sowohl in prozessualer als auch in materieller Hinsicht das staatliche Recht anzuwenden habe. Schließlich sei es die staatliche Rechtsordnung, die er vertrete und in der die Ehe letztlich ihre Wirksamkeit entfalte. Auf die kirchenrechtliche Gültigkeit beziehe sich das Urteil ohnehin nicht, da der staatliche Richter die Verfassungsgrundsätze der Souveränität und Unabhängigkeit der katholischen Kirche und die Laizität des Staates zu beachten habe 11 8. Auch zeige das Begehren desjenigen, der sich an ein staatliches Gericht wende, daß dieser gerade nicht an der Anwendung kanonischen Rechts interessiert sei 119. Schließlich spreche gegen die Anwendung kanonischen Rechts, daß der staatliche Richter auch in diesem Falle den italienischen ordre public beachten müsse und er damit ohnehin kaum zu anderen Ergebnissen kommen könne als bei der Anwendung staatlichen Rechts 120. Die untergerichtliche Rechtsprechung schien - entgegen der Intention des Kassationshofes - zunächst die Anwendung des staatlichen Rechts vorzuziehen, ohne dies näher zu begründen l21 . Im Jahre 1995 hat sich dann allerdings das Tribunale di Padova als erstes Gericht ausführlich mit der Frage des anwendbaren Rechts auseinandergesetzt l22 . Das Gericht kommt hierbei zu dem Ergebnis, daß die staatlichen Gerichte grundsätzlich sowohl kanonisches als auch staatliches Recht anwenden könnten. Während es die Anwendbarkeit kanonischen Rechts aus der Formulierung des Art. 8 Nr. 1 des 117 So Colaianni, Giurisdizione eeclesiastiea in materia matrimoniale: la riserva ehe non e' e, Foro it. 1993, I, 731 ff. 118 Vgl. Scalisi, Giudizio civile di nullita e diritto applieabile, in: Berlingo/Sealisi, Giurisdizione eanoniea e giurisdizione eivile, 238 f., F. Finocchiaro, Giurisdizione deHo stato e giurisdizione eeclesiastiea nell'esperienza giuridiea, Riv.dir.proe. 1993,988. 119 Vgl. Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione deHo stato, S. 85. 120 So F. Finocchiaro, Relazione eonclusiva, in: Cipriani, Matrimonio eoneordatario e tutela giurisdizionale, 250 f. 121 Vgl. Trib. Cremona 17 febbraio 1994, Foro it. 1994, I, 1576 ff., welches zwecks Überprüfung der Gültigkeit einer Konkordatsehe nach der Feststellung seiner konkurrierenden Zuständigkeit ohne weitere Begründung die Regelungen des Zivilrechts anwendet. Bereits vor der Entscheidung der Corte di Cassazione 1824/ 1993 hatte sich Trib. Benevento 13 febbraio 1990, Dir.ecel. 1990, II, 79 f. für die Anwendung staatlichen Rechts ausgesprochen. 122 Vgl. Trib. Padova 7 gennaio 1995, Dir.eccl. 1995, II, S. 497 ff.

128

3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

revidierten Konkordats herleitet 123 , begründet es die Anwendbarkeit des staatlichen Rechts im wesentlichen mit der Vorschrift des Art. 17 prel., nach der der Personenstand und die Rechtsverhältnisse der Familie vom Recht des Staates geregelt werden, dem die betreffenden Personen angehören 124 . Seien also die Eheleute italienische Staatsangehörige, so könne auch italienisches Recht angewendet werden. Welches Recht im konkreten Fall alternativ oder auch kumulativ - anzuwenden sei, ergebe sich allein aus der Klage und den darin enthaltenen Normen 125 • 3. Konkurrenzlösung aus Sicht des Kirchenrechts Aus kanonischrechtlicher Sicht ist eine Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für die Beurteilung der Nichtigkeit der Konkordatsehe nicht denkbar. Hier wird allein die ausschließliche kirchliche Zuständigkeit für möglich und richtig gehalten. Im Kirchenrecht selbst ist dies in c. 1671 festgeschrieben. Eine etwaige Anerkennung staatlicher Entscheidungen betreffend die Nichtigkeit von Konkordatsehen ist folglich ebenfalls ausgeschlossen.

VI. Eigene Stellungnahme In Abwägung der von Rechtsprechung und Literatur zur Zuständigkeitsfrage vorgetragenen Argumente soll im folgenden eine nach Ansicht des Verfassers sinnvolle Zuständigkeitsregelung herausgearbeitet werden. 1. Zu den Argumenten der grammatischen Auslegung

Da der Text zur Frage der Zuständigkeit selbst gar keine Aussage enthält, sind die auf den Wortlaut bezogenen Argumente von eher untergeordneter Bedeutung. Die von den Befürwortern der These der weiterbestehenden ausschließlichen Gerichtsbarkeit der kirchlichen Gerichte ins Feld geführten zwei Argumente vermögen nicht zu überzeugen, da sie jeweils den 123 In Art. 8 Nr. 1 Satz 1 des revidierten Konkordats ist von "den nach kanonischen Fonnen und Recht geschlossenen Ehen" die Rede. 124 Die Regelung des Art. 17 pre!. ist im Zuge der IPR-Reform weggefallen. Für die Gerichtsbarkeit in Nichtigkeitsfragen gilt jetzt neben der allgemeinen Regelung des Art. 3 des IPR-Gesetzes auch Art. 32 des IPR-Gesetzes. 125 In dem zu entscheidenden Fall hatte sich die Klägerin einzig auf Art. 122 c.c. (Irrtum) berufen, so daß nur das Zivilrecht zur Anwendung kam. Zur Kritik an dieser Entscheidung vg!. Canonico, Ammissibilita dei giudizio di nullita dei matrimonio concordatario dinanzi al giudice statale e diritto applicabile, DirJam. 1996, 1092 ff.

VI. Eigene Stellungnahme

129

Zusammenhang völlig außer acht lassen l26 . Insofern ist den Ausführungen im Rahmen der These von der konkurrierenden Gerichtsbarkeit, deren Befürworter sich auf die Zurückweisung der beiden grammatischen Argumente beschränken, nichts hinzuzufügen 127. 2. Zu den Argumenten der systematischen Auslegung a) Zum Schweigen des Textes und zu Art. 13 des revidierten Konkordats

Die Argumente der Befürworter des Weiterbestehens der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit für die Behauptung, das Schweigen des Textes sei als Bestätigung der alten Regelung aufzufassen und die Regelung des Art. 13 des revidierten Konkordats sei für die Frage der Zuständigkeit unbeachtlich, sind nicht stichhaltig. So ist die Gerichtsbarkeit über die Nichtigkeit der Konkordatsehen keineswegs - und zwar nicht einmal auf dem Gebiet des heutigen Italien - "seit jeher" und ununterbrochen ausschließlich Sache der kirchlichen Gerichte gewesen 128. Gerade auch die Entwicklung Italiens zum modemen souveränen Nationalstaat seit den Einigungsbestrebungen des 19. Jahrhunderts war begleitet von einem Kampf um die Vorherrschaft über das Eherecht einschließlich der diesbezüglichen Rechtsprechungsgewalt. Vielmehr legt gerade Art. 13 Abs. 1 des revidierten Konkordats eine stillschweigende Änderung nahe, da diejenigen Regelungen des Konkordats von 1929, die sich im neuen Text nicht wiederfinden, durch diese Vorschrift explizit abbedungen sind. Da sich alle an der Revision Beteiligten sowohl über die Bedeutung als auch über die gravierenden Differenzen in der Zuständigkeitsfrage im klaren gewesen sein dürften, liegt es allerdings am nächsten, daß hier von beiden Parteien letztlich ganz bewußt weder eine ausschließliche noch eine konkurrierende Zuständigkeit festgehalten wurden. Nur auf diese Weise konnte es nämlich beiden Seiten gelingen, "ihr Gesicht zu wahren" - denn weder hätte der italienische Staat zu diesem Zeitpunkt eine explizite Einschränkung seiner Souveränität hinnehmen, noch die katholische Kirche eine ausdrückliche Konkurrenz der Gerichte in dieser Frage akzeptieren können und wollen l29 . Es wäre unredlich von bei den Seiten, sich zugunsten der eigenen Auffassung im Nachhinein auf Vorschriften zu berufen, die die Frage der Zuständigkeit ursprünglich nicht berührten. Dies dürfte insbesonVgl. zu diesen Argumenten 3. Kapitel, III. 1. a). Vgl. hierzu 3. Kapitel, III. 2. a). 128 Vgl. hierzu 1. Kapitel, 11. 129 In diesem Sinne etwa Botta, L'esegesi deI silenzio, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 677; Vamier. I limiti deI nuovo matrimonio concordatario, in: Coppola, 11 nuovo Accordo tra Italia e Santa Sede, S. 731. 126 127

9 Waldmann

l30

3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

dere für Art. 13 des revidierten Konkordats gelten, der damit in der Frage der Zuständigkeit keine Klärung bringen kann. b) Zur Delibation

Das Erfordernis der staatlichen Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen wird von beiden Seiten als Nachweis für die Richtigkeit der eigenen Position herangezogen. Allerdings vermögen weder die Argumentation der Befürworter einer weiterhin bestehenden ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit, die aus der besonderen Regelung der Delibation im Rahmen des revidierten Konkordats auf das Weiterbestehen der alleinigen kirchlichen Gerichtsbarkeit schließen wollen, noch die Argumentation der Gegenauffassung, die aus dem Erfordernis der Anerkennung auf die Unmöglichkeit einer Alleinzuständigkeit der kirchlichen Gerichte schließt, zu überzeugen. Der Grund hierfür ist in beiden Fällen derselbe: die besondere Anerkennungsregelung des Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats und des Art. 4 b) des Zusatzprotokolls eignet sich grundsätzlich nicht für Rückschlüsse auf die Zuständigkeitsfrage, denn sie ist allein den Besonderheiten der Konkordatsehe an sich gewidmet, die im wesentlichen darin bestehen, daß ein einziges Rechtsinstitut ausnahmsweise zugleich von zwei Rechtsordnungen geregelt wird. Wer über welche Bereiche der Ehe welche Entscheidungen treffen kann und darf, bedarf wiederum besonderer Regelungen oder muß mangels solcher aus anderen Gesichtspunkten hergeleitet werden, nicht aber aus den Anerkennungsregeln selbst. Auch die weiteren im Zusammenhang mit der Anerkennung von den Konkurrenz-Befürwortern angeführten Argumente überzeugen nicht. So ergibt sich aus der Tatsache, daß es den Eheleuten nunmehr freisteht, die staatliche Anerkennung der kirchlichen Entscheidungen zu beantragen, nicht zwangsläufig eine konkurrierende Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für die entsprechenden Entscheidungen. Gleiches gilt für die Verweisung des Art. 4 b) des Zusatzprotokolls auf Art. 797 Abs. 6 c.p.c., welcher die Konkurrenz eines ausländischen Urteils zu einem Verfahren vor italienischen Gerichten in derselben Sache regelt. Zwar setzt die Regelung in der Tat die Möglichkeit eines Verfahrens in derselben Sache vor italienischen Gerichten voraus. Das mit der allgemeinen Verweisung des Zusatzprotokolls auf die Art. 796 und 797 c.p.c. die Zuständigkeitsfrage geregelt werden sollte, ist jedoch nicht anzunehmen.

VI. Eigene Stellungnahme

131

c) Zum Verbot der Nachprüfung in der Sache

Bei dem in Art. 4 b) Nr. 3 des Zusatzprotokolls geregelten Verbot der Nachpriifung in der Sache handelt es sich um eine Regelung innerhalb des staatlichen Anerkennungsverfahrens, welche nicht geeignet ist, entscheidende Impulse für die Zuständigkeitsfrage zu liefern. Derartige Formulierungen entsprechen dem Standard zwischenstaatlicher Anerkennungsverfahren 13o. Es ist eine Sache, die Nachpriifung eines konkreten Falles durch ein anderes Gericht aus Respekt vor dessen Unabhängigkeit zu verbieten. Eine ganz andere Frage ist es hingegen, ob ein anderes Gericht denselben Fall nicht auch hätte entscheiden dürfen.

d) Zur Historie der Revisionsentwüife Zu dem Argument der Konkurrenzbefürworter, daß die Entwicklung der Revisionsentwürfe auf eine Konkurrenz der Zuständigkeiten hindeute, ist zunächst anzumerken, daß einzig und allein die Beratungen zum vierten Entwurf einen solchen Hinweis enthielten. In den weiteren Entwürfen kehrte man wieder zu der gewohnten Zweideutigkeit zuriick, nachdem man im ersten Entwurf sogar noch von der ausschließlichen Gerichtsbarkeit der kirchlichen Gerichte ausgegangen war. Die Beratungen zum vierten Entwurf stellen demnach eher eine Ausnahme als eine richtungsweisende Entwicklung dar. Ohnehin können die Entwürfe allesamt nur als Quintessenz des jeweils zur Zeit ihrer Entstehung vorherrschenden Maximums an Konsensfähigkeit angesehen werden. Keinesfalls aber können sie in der hier zu entscheidenden und seit jeher umstrittenen Zuständigkeitsfrage ausschlaggebend für die Interpretation der endgültigen Lösung sein.

3. Zu den Argumenten der teleologischen Auslegung Wie bereits im Rahmen der einzelnen Standpunkte angedeutet 131 , können wegen der Besonderheit des konkordatären Regelwerkes weder die Ausführungen zu den Intentionen des Staates, welche von den Konkurrenzbefürwortem in die Diskussion eingebracht werden, noch die der Befürworter des Weiterbestehens der ausschließlichen Gerichtsbarkeit zu den Intentionen der Kirche zur Lösung der Zuständigkeitsfrage beitragen. Ein solcher Beitrag wäre in einem Fall wie dem vorliegenden nur dann denkbar, wenn bezüglich der Intentionen Einigkeit bei der an der Entstehung der Regelung beteiligten Parteien bestünde und man auf diese Weise Klarheit gewinnen könnte. Die 130

131 9*

Vgl. hierzu 3. Kapitel, III. 2. b) ce). Vgl. 3. Kapitel, III. l. c) sowie III. 2. c).

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

Tatsache, daß sich beide Ansichten diametral entgegenstehen, zeigt daher lediglich einmal mehr, daß die Suche nach einer möglichen Lösung allein anhand der übergeordneten Prinzipien Aussicht auf Erfolg bietet. 4. Zu den Argumenten im Rahmen der übergeordneten Prinzipien Der Schlüssel zur Lösung der Zuständigkeitsfrage liegt in der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Trennung von Staat und katholischer Kirche, welche auch die jeweilige Rechtsprechung umfaßt. Denn nur wenn beide Rechtssysteme die Rechtsprechung über die durch sie geregelten Bereiche der Konkordatsehe ausüben können, kann eine Verletzung der in Art. 7 Abs. 1 der Verfassung verankerten gegenseitigen Souveränität vermieden werden. Anders als dies die Befürworter der ersten These behaupten, führt dies jedoch nicht zwangsläufig zum Weiterbestehen der alleinigen Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte in Nichtigkeitsfragen. Insofern geht insbesondere die Berufung auf das Urteil 18/1982 des Verfassungsgerichts fehl 132. Denn mit dem revidierten Konkordat ist nunmehr eine neue rechtliche Grundlage geschaffen, für deren Beurteilung nicht die Rechtsprechung ausschlaggebend sein kann, die sich auf die alte Regelung bezieht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Regelungen erheblich voneinander abweichen, was in der Zuständigkeitsfrage der Fall ist. Aber auch die neuere Rechtsprechung des Verfassungsgerichts hilft in der Frage der Zuständigkeit nicht entscheidend weiter, da diese das Prinzip der gegenseitigen Souveränität nicht in vollem Umfang berücksichtigt. Hierfür müßte den staatlichen Gerichten zumindest die Möglichkeit zugestanden werden, in vollem Umfang über die zivilrechtliehe Nichtigkeit auch der nach den Regeln des Konkordats geschlossenen Ehen zu entscheiden. Das Prinzip der Achtung der gegenseitigen Souveränität läßt allerdings ebensowenig eine vollständige Konkurrenz der staatlichen Gerichte in dem Sinne zu, daß diese nunmehr auch über den kanonischrechtlichen Teil der Ehe entscheiden könnten, wie dies von der Gegenauffassung und dem Kassationshof vertreten wird. Insbesondere gilt das Rechtsprechungsmonopol des Staates gerade wegen Art. 7 Abs. 1 der Verfassung grundsätzlich nicht für kirchliche Rechtsakte. Die Religionsfreiheit nicht mehr dem katholischen Glauben verbundener Ehepartner, die ihre nach dem Konkordat geschlossene Ehe für nichtig erklären lassen möchten, rechtfertigt die Durchbrechung des Prinzips der Achtung der gegenseitigen Souveränität nicht. Der mögliche Gesinnungswandel ändert nämlich nichts an der Tatsache, daß zur Zeit der Eingehung der Ehe die Gültigkeitsvoraussetzungen vorge132

Vgl. hierzu 3. Kapitel, III. l. d).

VI. Eigene Stellungnahme

133

legen haben müssen, die für diesen Rechtsakt vorgeschrieben waren. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 24 gilt schließlich nur soweit, wie die Rechtsprechungsgewalt des Staates reicht. Sie kann nicht als Argument für die Erweiterung der Rechtsprechungsgewalt dienen. Ein Vergleich der Vorschriften des revidierten Konkordats mit den Regelungen des Laterankonkordats zeigt wohl am besten, woran sich eine verfassungskonforme Lösung des Zuständigkeitsproblems heute orientieren muß. Im Regelungssystem des Konkordats von 1929 war der Rechtsakt der Eheschließung ein einheitlicher, er umfaßte zugleich die kanonische und die zivile Eheschließung. Das gleichsam doppelte eheliche Band unterlag hingegen sowohl den Regelungen des staatlichen als auch denen des kanonischen Rechts. Die Rechtsprechung war im Konkordat für den Rechtsakt der Eheschließung allein den kirchlichen Gerichten übertragen worden. Insoweit hatte der Staat tatsächlich auf einen Teil seiner Souveränität verzichtet. Für das Eheband waren beide Rechtssysteme zuständig, und zwar jeder im eigenen Bereich. Die im Jahre 1970 staatlicherseits erfolgte Einführung des Instituts der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe war deshalb verfassungsgemäß, weil sie sich auf die Beendigung der zivilrechtlichen Wirkungen beschränkte und somit nicht gegen das Gebot der Achtung der gegenseitigen Souveränität verstieß. Nach den neuen Regelungen ist nicht mehr nur das Eheband ein doppeltes, auch der Rechtsakt der Eheschließung selbst ist nunmehr unterteilt in einen kanonischen Trauungsakt und einen vom zusätzlichen und separaten Willen der Ehegatten abhängigen weiteren Rechtsakt, welcher die zivilrechtliehe Wirksamkeit der Eheschließung zum Ziel hat. Entsprechend dieser neuen, klaren Trennung des Rechtsaktes der Eheschließung können die Zuständigkeiten unter Wahrung der gegenseitigen Souveränität etwa in der im folgenden dargelegten Form aufgeteilt werden. 5. Lösungsvorschlag Eine mögliche Lösung des dargestellten Problems könnte in der Verteilung der Zuständigkeiten entsprechend den jeweiligen Regelungskompetenzen der bei den beteiligten Rechtssysteme liegen 133. Dies bedeutet konkret, daß einerseits die Anrufung der staatlichen Gerichte zwecks Feststellung der Nichtigkeit der Konkordatsehe nach dem System des revidierten Konkordats möglich sein sollte. Die staatliche Gerichtsbarkeit sollte sich hierbei allerdings auf die Überprüfung der möglichen Nichtigkeit des zivilrechtlichen Teils der Konkordatsehe beschränken, wobei die Regelungen des 133 Insoweit stimmt der Lösungsansatz mit den hier im 3. Kapitel, III. 3. vorgestellten vermittelnden Ansätzen überein.

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3. Kap.: Zur Frage der Zuständigkeit

staatlichen Rechts zugrundezulegen wären. Die Anwendung kanonischen Rechts durch den staatlichen Richter sollte nicht möglich sein. Sie ist nicht mit der Anwendung des Rechts eines beliebigen anderen ausländischen Staates vergleichbar, was insbesondere an der für das kanonische Eherecht grundlegenden Eigenschaft der Ehe als Sakrament deutlich wird. Aus diesem besonderen Status der Ehe im kanonischen Recht folgt, daß die katholische Kirche Urteile staatlicher Gerichte, die unter Anwendung kirchlichen Rechts die Nichtigkeit einer Konkordatsehe feststellten, ohnehin nicht anerkennen würde. Mit einem entsprechenden Urteil wäre den Parteien also nicht geholfen. Durch die vorgeschlagene Eingrenzung der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte könnten zugleich die Unsicherheiten vermieden werden, welche sich anderenfalls bei der Auswahl des vom staatlichen Richter anzuwendenden Rechts ergeben würden. Die auch hier möglicherweise auftretenden Konkurrenzprobleme, welche durch die Anrufung unterschiedlicher Gerichte seitens der Ehegatten entstehen können, wären mit Hilfe der Vorschriften des Konkordats ohne weiteres zu lösen 134. Die Gerichte der katholischen Kirche schließlich blieben nach dem hier unterbreiteten Vorschlag weiterhin allein für die Beurteilung des kirchlichen Teils der Konkordatsehe zuständig. Zur Erlangung der Wirksamkeit im staatlichen Bereich bedürften sie demnach der Anerkennung nach den Regelungen des revidierten Konkordats.

VII. Zusammenfassung Als Ergebnis der Untersuchung der Zuständigkeitsfrage ist folgendes festzuhalten. Die ausschließliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für die Beurteilung der Nichtigkeit der Konkordatsehe in ihrer bis 1984 geltenden umfassenden Variante gibt es heute in Italien nicht mehr. Hätte man diese erhalten wollen, so hätte es auch im revidierten Konkordat einer Regelung bedurft, wie sie in Art. 34 Abs. 4 des Konkordats von 1929 enthalten war. Ein diesbezüglicher Konsens konnte jedoch in den langen Verhandlungen zur Konkordatsrevision nicht errreicht werden. Mit der Einführung der Regelung des Art. 8 Abs. 2 hat sich damit auch in Italien die bereits im Konkordat mit Spanien aus dem Jahre 1979 135 sichtbar gewordene Tendenz einer Durchbrechung der strikten Alleinzuständigkeit der kirchlichen Gerichte manifestiert. Diese Tendenz hat sich auch im Konkordat mit Malta, einer der stärksten Bastionen des kanonischen Rechts, aus dem Jahre 1993 fortgesetzt 136 . Als Ausnahme ist hingegen das polnische Konkordat, welches Vgl. hierzu 4. Kapitel, IV. Konkordat vom 3. Januar 1979, abgedruckt in Dir.eccl. 1980 11, 174 ff., in Kraft getreten am 4. Dezember 1979. 134

135

VII. Zusammenfassung

135

ebenfalls aus dem Jahre 1993 datiert, zu werten 137 . Hier wurde entgegen der allgemeinen Tendenz ganz eindeutig und unmißverständlich eine ausschließliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für die Beurteilung der Gültigkeit der nach kanonischem Recht geschlossenen Ehen festgeschrieben 138 . Die auch nach mehr als fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des revidierten Konkordats weiterbestehende Uneinigkeit der höchsten italienischen Gerichte ist ein deutlicher Beweis für die Schwierigkeiten bei der Behandlung der Materie. Allerdings enthalten die beiden Grundsatzurteile aus dem Jahre 1993 wichtige Elemente, durch deren ausgewogene Berücksichtigung eine Lösung der Frage - wie beispielsweise im oben dargelegten Sinne - möglich erscheint.

136 Vgl. zum Eherecht Maltas allgemein Bergmann/Ferid, Internationales Eheund Kindschaftsrecht, Bd. VII, Malta, S. 9 ff.; der Text des Konkordats vom 3. Februar 1993 ist abgedruckt im Maltesischen Gesetzblatt, Suppliment tal-Gazetta talGavem ta'Malta, Nru. 16,085 vom 10. März 1995. Er gehört als Anlage zum neuen maltesischen Ehegesetz aus dem Jahre 1995; vgl. zum Ganzen auch Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 51. 137 Konkordat vom 28. Juli 1993, abgedruckt in Dir.eccl. 1994, I, 671 ff., in Kraft getreten am 25.4.1998, vgl. Polnisches Gesetzblatt (Dziennek Ustar) 1998, Nr. 51, Pos. 318. 138 Vgl. Art. 10 Nr. 3 des polnischen Konkordats.

Viertes Kapitel

Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen I. Einführung Neben der Zuständigkeitsfrage haben vor allem die Anerkennungsvorschriften des Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats und des Art. 4b) des Zusatzprotokolls Anlaß zu weiteren Auseinandersetzungen gegeben. Dabei geht es neben Einzelheiten der Anwendung der neuen Bestimmungen zum einen um die Frage, in welchen Grenzen die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen tatsächlich stattfinden soll. Zum anderen ist zu klären, wie möglicherweise entstehende Konkurrenzsituationen zwischen staatlichen und kirchlichen Urteilen aufzulösen sind.

11. Allgemeine Voraussetzungen der staatlichen Anerkennung Die gesetzlichen Regelungen des Anerkennungsverfahrens für die kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen sind nur zum Teil in Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats enthalten. Gemäß Art. 8 Nr. 2a) und b) befindet der staatliche Appellationshof nunmehr sowohl über die konkrete Zuständigkeit des kirchlichen Richters als auch über die Frage, ob das Verfahren vor dem Kirchengericht in formeller Hinsicht den Anforderungen des italienischen ordre public genügt, insbesondere ob den Parteien das Recht auf Gehör gewährt wurde. Der Appellationshof befindet gemäß Art. 8 Nr. 2 c) ferner über die Frage, ob auch die weiteren Bedingungen vorliegen, welche von der italienischen Gesetzgebung für die Erklärung der Wirksamkeit ausländischer Urteile gefordert werden. Diese Bedingungen, die den zweiten Teil der Anerkennungsregelungen darstellen, waren bei Inkrafttreten des revidierten Konkordats in den Art. 796 bis 805 c.p.c. enthalten. Die Regelungen sind allerdings mit Inkrafttreten des 4. Teils des Gesetzes zur Reform des italienischen Systems des internationalen Privatrechts am 31. Dezember 1996 durch dessen Art. 64 bis 71 abgelöst worden, die sich mit der Wirksamkeit ausländischer Urteile und Rechtshandlungen befassen 1. Ob die Neuregelung

11. Allgemeine Voraussetzungen der staatlichen Anerkennung

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auch im Rahmen der Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen angewendet werden muß, ist umstritten.

1. Anwendbarkeit der Art. 64 ff. des IPR-Gesetzes Sowohl in der Literatur als auch der Rechtsprechung gibt es Stimmen, die in Art. 4b) des Zusatzprotokolls zu Art. 8 des revidierten Konkordats, in dem die Art. 796 und 797 c.p.c. ausdrücklich erwähnt werden, einen statischen Verweis sehen und daher von der weiteren Gültigkeit des Inhalts dieser an sich abgelösten Bestimmungen ausgehen 2 . Die weit überwiegende Ansicht nimmt jedoch an, daß die in Art. 8 Nr. 2c) des revidierten Konkordats enthaltene Bezugnahme auf die Bestimmungen für die Wirksamkeit ausländischer Urteile eine dynamische Verweisung auf das jeweils geltende staatliche Recht enthält, so daß heute die Art. 64 ff. anwendbar seien3 . Die Erwähnung der Art. 796 und 797 c.p.c. in Art. 4b) des Zusatzprotokolls sei dagegen lediglich als Hinweis auf die zur Zeit des Konkordatsschlusses gültige Rechtslage zu verstehen4 . Die am weitesten reichende Neuerung des Art. 64 des IPR-Gesetzes, nämlich die grundsätzlich automatische Anerkennung der ausländischen Entscheidungen, gilt für die kanonischen Nichtigkeitsentscheidungen jedoch nichts. Die im Konkordat enthaltene Verweisung bezieht sich nämlich nur 1 Vgl. zur Ablösung u. a. der Art. 796 bis 805 c.p.c. die Regelung in Art. 73 des IPR-Gesetzes. Das Gesetz stammt bereits aus dem Jahre 1995, das Inkrafttreten des 4. Teils wurde jedoch verschoben. Zu den Gründen hierfür vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 450; Art. 64 des IPR-Gesetzes findet sich in deutscher Übersetzung im Anhang. 2 Diese Art des Verweises wird im Italienischen "rinvio materiale" oder "rinvio ricettizio" genannt. In diesem Sinne Lacroce, La riforma deI sistema italiano di diritto intemazionale privato e l' efficacia delle sentenze dei tribunali ecclesiastici, Ius eccl. 1996, S. 688 sowie Canonico, L' efficacia ci vile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 46 f. 3 Sog. "rinvio formale"; vgl. nur Folliero, Giurisdizione ecclesiastica matrimoniale e diritto intemazionale privato, S. 176 ff.; Licastro, Problemi e prospettive deI diritto ecclesiastico intemazionale, S. 190 ff.; Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 112; F. Finocchiaro, Profili problematici dei riconoscimento civile deI matrimonio canonico, Dir.eccl. 1999, 41 ff.; so auch App. Napoli 15 aprile 1997, Foro it. 1997, I, 2962. 4 F. Finocchiaro, Profili problematici dei riconoscimento civile dei matrimonio canonico, Dir.eccl. 1999, 42. 5 Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die überwiegende Ansicht, vgl. die Nachweise in Fn. 3; anderer Ansicht ist allerdings App. Firenze 1 ottobre 1997, Dir.eccl. 1998, 11, 329 ff., diesem zustimmend einzig Massetani, La efficacia delle sentenze di nullita di matrimonio pronunciate dal giudice ecclesiastico, Foro it. 1997, V, 148 ff. an seiner abweichenden Ansicht festhaltend zuletzt wiederum App. Firenze

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

auf die Voraussetzungen, nicht aber auf das prozessuale Verfahren der Anerkennung selbst, welches für die kirchlichen Entscheidungen im Konkordat ja in besonderer Weise geregelt ist. Daß dies so ist, folgt zum einen aus Art. 2 des IPR-Gesetzes, nach dem die Bestimmungen des Gesetzes nicht die Anwendung der für Italien geltenden internationalen Abkommen beeinträchtigen, zu denen auch das Konkordat zählt6 . Es ergibt sich zum anderen aus Art. 7 der Verfassung, nach dessen Sinn und Zweck einseitige Regelungen betreffend das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche nicht zulässig sind. Die übrigen Voraussetzungen des Art. 64 des IPR-Gesetzes enthalten, wie sich zeigen wird, nur geringe Abweichungen zu den Regelungen der Art. 796 und 797 c.p.c. 7 2. Voraussetzungen für die Anerkennung gemäß Art. 64 des IPR-Gesetzes Die Voraussetzungen für die Anerkennung ausländischer Urteile sind in Art. 64 Nr. 1 des IPR-Gesetzes geregelt8 . Unter Berücksichtigung der Regelungen des Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats und des Art. 4 des Zusatzprotokolls ergibt sich für die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen das folgende.

a) Art. 64 Nr. la) des IPR-Gesetzes und Art. 8 Nr. 2a) Art. 64 Nr. la) des IPR-Gesetzes betrifft die Feststellung der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts. Demnach wird ein ausländisches Urteil in Italien anerkannt, wenn ". .. das Gericht, das es erlassen hat, nach den Grundsätzen der italienischen Rechtsordnung über die gerichtliche Zuständigkeit über den Rechtsstreit erkennen konnte.,,9 31 marzo 2000, Dir.eccl. 2000, 11, 244; eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage gibt es bisher nicht. 6 Vgl. Moneta, Riserva di giurisdizione e delibazione delle sentenze ecclesiastiche matrimoniali: Recenti sviluppi dottrinali e giurisprudenziali, Dir.eccl. 1997, 809 ff.; ebenso App. Napoli, 15 aprile 1997, Foro it. 1997, I, 2962. 7 Aus diesem Grunde sollte die Debatte nicht überbewertet werden, vgl. Comolli, La legge 218/1995 ed il riconscimento nello stato delle sentenze ecclesiastiche di nulliHt de1 matrimonio: a proposito di una recente sentenza, Dir.fam. 1997, 1651 f. 8 Wortlaut des gesamten Art. 64 in deutscher Übersetzung im Anhang. Die in den Art. 65 bis 71 des IPR-Gesetzes enthaltenen Regelungen spielen mit Ausnahme des Art. 67 im Rahmen der Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen keine Rolle. 9 Vgl. hierzu Art. 3 des IPR-Gesetzes, weIcher den Umfang der italienischen Gerichtsbarkeit bestimmt; vgl. hierzu Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 121 f.

II. Allgemeine Voraussetzungen der staatlichen Anerkennung

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Das revidierte Konkordat trifft hierfür in Art. 8 Nr. 2a) eine eigene Regelung, nach welcher die Anerkennung dann erfolgen kann, wenn "... das Appellationsgericht feststellt, [... ] daß der kirchliche Richter der zuständige Richter war, um in der Sache über die gemäß diesem Artikel geschlossene Ehe zu entscheiden." Die hier geforderte Feststellung der Zuständigkeit des kirchlichen Gerichts bezieht sich nicht auf die im vorigen Kapitel erörterte Frage der ausschließlichen oder konkurrierenden Gerichtsbarkeit, sondern auf die Zuständigkeit im Sinne des Art. 64 Nr. la) des IPR-Gesetzes. Daraus folgt, daß es anders als im Rahmen der im Konkordat von 1929 vorgesehenen Prüfung durch das Oberste Gericht der Apostolischen Signatur nicht mehr auf die Einhaltung der kanonischen Zuständigkeitsvorschriften ankommt. Entscheidend ist vielmehr, daß das kirchliche Gericht auch nach einem der in Art. 3 des IPR-Gesetzes für die internationale Zuständigkeit italienischer Gerichte genannten Kriterien zuständig gewesen wäre. Da diese Voraussetzungen im Falle der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen regelmäßig vorliegen, dient die besondere Regelung des Art. 8 Nr. 2a) im wesentlichen der Klarstellung der Tatsache, daß die Möglichkeit der Anerkennung hier auf Entscheidungen betreffend die kanonischen Ehenichtigkeitsurteile beschränkt ist.

b) Art. 64 Nr. lb) und c) des IPR-Gesetzes sowie Art. 8 Nr. 2b) Eine eigene Vorschrift für die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsurteile besteht in Art. 8 Nr. 2b) des Konkordats auch bezüglich der Voraussetzungen der Art. 64 Nr. Ib) und c) des IPR-Gesetzes, welche sich mit der Einhaltung grundlegender prozessualer Regelungen befassen. Die Formulierung des revidierten Konkordats orientiert sich an den diesbezüglichen Vorgaben des Verfassungsgerichtsurteils aus dem J abre 1982 10 . Gemäß Art. 4b) des Zusatzprotokolls wird hier der Besonderheit des kanonischen Rechts Rechnung getragen, indem keine allzu hohen Anforderungen an das Prozeßrecht gestellt werden, da hier eben gewisse historisch bedingte Unterschiede bestehen. Das Appellationsgericht muß hier vor allem sicherstellen, daß den Parteien vor den kirchlichen Gerichten die wesentlichen Verfahrensrechte, insbesondere das Recht auf Gehör, gewährt worden sind 11. 10 Corte cost. 2 febbraio 1982 n. 18, Fora it. 1982, I, 943 ff., vgl. zu diesem Urteil bereits 1. Kapitel, II. 6. c); vgl. zu dieser Problematik auch die mit dem genannten Urteil übereinstimmenden Aussagen der Cass. 12 aprile 1984 n. 2357, Dir.eccl. 1984, II, 462 ff. II Vgl. hierzu Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 124 f.; kritisch hierzu: Balena, Le condizioni per la delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giursidizionale, S. 43 ff.

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

c) Art. 64 Nr. Jd) des IPR-Gesetzes und Art. 4 b) Nr. 2 des Zusatzprotokolls

Art. 64 Nr. Id) fordert als weitere Voraussetzung, daß das ausländische Urteil nach den Gesetzen des Ortes, an dem es erlassen wurde, in Rechtskraft erwachsen ist. Da es eine endgültige Rechtskraft im Rahmen kirchlicher Ehenichtigkeitsprozesse jedoch nicht gibt 12 , bestimmt Art. 4 b) Nr. 2 des Zusatzprotokolls zu Art. 8 des revidierten Konkordats, daß bereits ein nach kanonischem Recht vollstreckbar gewordenes Urteil als rechtskräftig anzusehen ist.

d) Art. 64 Nr. Je), f) und g) des IPR-Gesetzes Art. 64 Nr. le) und f) des IPR-Gesetzes betreffen die Konkurrenz ausländischer Urteile mit italienischen Urteilen und in Italien anhängigen Verfahren. Die Anwendung dieser Bestimmungen im Rahmen des Konkordats ist nicht unproblematisch und soll deshalb in einem eigenen Abschnitt erörtert werden. Gleiches gilt für die Bestimmung des Art. 64 Nr. Ig) des IPR-Gesetzes, welche verlangt, daß die in dem anzuerkennenden Urteil enthaltenen Verfügungen keine Wirkungen erzeugen dürfen, die gegen die Grundwertungen der italienischen Rechtsordnung verstoßen 13.

III. Staatliche Anerkennung und Grenzen des ordre public Die Problematik der Grenzen der Anerkennung kirchlicher Nichtigkeitsentscheidungen besteht nicht erst seit der Revision des Konkordats. In Kenntnis der Notwendigkeit einer Veränderung des bisherigen Verfahrens hatte es bereits in den ersten Diskussionsentwürfen für die Konkordatsrevision, also in den späten 70er Jahren, jeweils einen Abschnitt gegeben, der sich mit den Voraussetzungen für die Anerkennung der Nichtigkeitsentscheidungen beschäftigte und jeweils auch eine Kontrolle am Maßstab des ordre public vorsah 14 • Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts aus dem Jahre 1982, in dem das Gericht den Anerkennungsautomatismus des Art. 34 des Konkor12 Vgl. zur Möglichkeit der jederzeitigen Wiederaufnahme des kanonischen Eheprozesses, der sog. "retractatio" bereits im 2. Kapitel, 11. 3. c). Die Regelung findet sich jetzt in c. 1643 (CIC 1983); zum heutigen Umgang mit der Möglichkeit der "retractatio" vgl. im 4. Kapitel, V. 1. 13 Die im folgenden zu erörternden Probleme sind allerdings nicht im Zusammenhang mit der IPR-Reform entstanden. Sie bezogen sich bis dahin auf die im wesentlichen gleichlautenden Voraussetzungen der Art. 796 ff. c.p.C. 14 Vgl. die einzelnen Passagen der jeweiligen Entwürfe in der synoptischen Übersicht bei D'Ostilio, La rilevanza deI matrimonio canonico, S. 92.

III. Staatliche Anerkennung und Grenzen des ordre public

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dats von 1929 im wesentlichen für verfassungswidrig erklärt und die Überprüfung der Entscheidungen auf mögliche ordre public-Verstöße angeordnet hatte, wurde das Problem dann noch vor Inkrafttreten des revidierten Konkordats akut lS • Mit dem revidierten Konkordat galt über die Verweisung des Art. 8 Nr. 2c) für die ordre public-Problematik zunächst die Vorschrift des Art. 797 Nr. 7 c.p.c., seit Inkrafttreten der Art. 64 ff. des IPR-Gesetzes die Regelung des Art. 64 Nr. 19) Hierdurch ist dem Appellationsgericht nunmehr die Möglichkeit der Kontrolle der Nichtigkeitsgründe des kanonischen Rechts auf mögliche materielle ordre public-Verstöße eröffnet. Die Tatsache, daß Art. 4b) des Zusatzprotokolls verlangt, daß bei der Anwendung der Vorschriften über die Wirksamkeit ausländischer Urteile der Besonderheit des kanonischen Rechts Rechnung getragen werden solle l6 , muß im Rahmen der Konkretisierung des ordre public berücksichtigt werden.

1. Konkretisierung des ordre public-Vorbehaltes In der Literatur wurde zunächst die Reichweite des ordre public Begriffes diskutiert. Neben der Möglichkeit der Klassifizierung als "ordine pubblico internazionale,,17 wurde zum einen die Anwendung des "ordine pubblico interno", der die innerstaatlich zwingenden Normen umfaßt l8 , zum anderen aber auch die Anwendung eines speziellen "ordine pubblico concordatario" diskutiert l9 . Am sinnvollsten erschien letztlich die Anwendung des "ordine pubblico internazionale", also der Grundprinzipien, die zwischen unabhängigen Staaten Geltung beanspruchen2o . Diese Umschreibung reichte als Konkretisierung allerdings nicht aus. 15 Es handelt sich um die bereits mehrfach erwähnte Entscheidung Corte cost. 2 febbraio 1982 n. 18, Foro it. 1982, I, 943 ff., vgl. hierzu bereits 1. Kapitel, 11. 6. c); vgl. zur Entwicklung des ordre public-Problems vor der Konkordatsrevision F. Finocchiaro, Sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale e ordine pubblico davanti alla Cassazione (Considerazioni critiche e necessita di riforrna), Giur.it. 1983, I, 1249 ff. 16 Vgl. den genauen Wortlaut im Anhang; zur Geltung der Art. 796, 797 c.p.c. respektive der Art. 64 ff. des IPR-Gesetzes 4. Kapitel, 11. 17 Vgl. Mengozzi, L'entrata in vigore deli' accordo di modificazione dei concordato lateranense, la sovranita dello stato e I'efficacia di sentenze canoniche di nullita matrimoniale, in: Le nuove leggi ci viii commentate, 1986, 2, 405. 18 Vgl. etwa Crisalli, Ancora sulla delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, Giur.it. 1984 I, 2, 635 ff. 19 Vgl. Lariccia, Esecutorieta delle sentenze ecclesiastiche in materia matrimoniale e ordine pubblico italiano, Foro it. 1982, I, 2800 ff. 20 Vgl. hierzu Barile, Principi fondamentali deli' ordinamento costituzionale e principi di "ordine pubblico intemazionale", in: Vitali/Casuscelli, La disciplina deI' matrimonio concordatario dopo gli Accordi di Villa Madama, S. 97 ff.; Canonico,

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

Gleiches galt für eine erste Konkretisierung des ordre public-Vorbehalts durch eine Entscheidung der Vereinigten Senate des Kassationshofes aus dem Jahre 1982, in der das Gericht sich mit den Grenzen der staatlichen Anerkennung der Nichtigkeitsentscheidungen auseinandergesetzt hatte. Nach den dort aufgestellten Grundsätzen kam eine Ablehnung der Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen nur dann in Betracht, wenn ein Verstoß gegen die fundamentalen Regeln und somit die Grundstrukturen des staatlichen Eherechts festgestellt werden konnte. Bei der Beurteilung müsse allerdings das besondere Verhältnis des italienischen Staates zur katholischen Kirche berücksichtigt werden 21 . 2. Auswirkungen auf die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

Die Anwendung der genannten Grundsätze bei der Überprüfung einzelner Nichtigkeitsentscheidungen des kanonischen Rechts hat ergeben, daß es für einen ordre public-Verstoß jedenfalls nicht ausreicht, daß die kirchliche Entscheidung auf einem Nichtigkeitsgrund beruht, der im staatlichen Recht in ähnlicher Form existiert, jedoch in seinen Einzelheiten anders ausgestaltet ist 22 . So wurde beispielsweise die Nichtigkeit einer Ehe aufgrund von Eheführungsunfähigkeit aus psychischen Gründen im Sinne des c. 1095 Nr. 3 anerkannt, auch wenn es für diesen Nichtigkeitsgrund keine Entsprechung im Zivilrecht gibt. Immerhin seien ja gewisse Parallelen zur zivilrechtlichen Unzurechnungsfähigkeit des Art. 120 c.c. vorhanden 23 . Auch Unterschiede im Bereich der Irrtümer, die im kanonischen Recht eine weitgehendere Berücksichtigung finden als im staatlichen Recht, stelL'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 113; Finocchiaro, 11 controllo dell'ordine pubblico (processuale e sostanziale) nel riconoscimento delle sentenze ecclesiastiche di nullita deI matrimonio, Giust.civ. 1988, I, 1552. Die Definitionen entsprechen in etwa dem deutschen ordre public-Vorbehalt des Art. 6 EGBGB. 21 Vgl. Cass., sn unite, 1 ottobre 1982 n. 5026, Dir.eccl. 1982, II, 598 ff.; zur vereinzelt gebliebenen - Kritik an dieser Rechtsprechung vgl. Mengozzi, Sovranita dello Stato, ordine pubblico come limite al riconoscimento di sentenze canoniche di nullita matrimoniale e l' Accordo de1 18 febbraio 1984 di modificazione deI Concordato lateranense, Justitia 1986, 211 ff. 22 Im folgenden kann hierzu nur ein grober Überblick gegeben werden. Eine detaillierte Untersuchung der Rechtsprechung sowohl der Instanzgerichte als auch des Kassationshofes zu den verschiedenen Nichtigkeitsgründen findet sich in der Abhandlung von Spinelli/Dalla Torre, Matrimonio re1igioso e giurisdizione dello stato. 23 Vgl. Cass. 9 dicembre 1993 n. 12144, Foro it. 1995, I, 279 ff.

III. Staatliche Anerkennung und Grenzen des ordre public

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len nach Ansicht des Kassationshofes in der Regel keinen ordre public-Verstoß dar24 . Ebenso verhält es sich mit der Tatsache, daß etwa die kanonischen Nichtigkeitsgründe der Unzurechnungsfähigkeit, c. 1095, des Irrtums, c. 1097 oder des Zwanges, c. 1103 nicht wie ihre zivilrechtlichen Pendants bestimmten Fristen unterliegen 25 . Einer Anerkennung der entsprechenden Entscheidungen steht dies nicht entgegen26 . Problematisch erscheint zunächst auch die Beurteilung der rein konfessionell motivierten Ehehindernisse und Nichtigkeitsgründe der Religionsverschiedenheit, c. 1086, der Heiligen Weihe, c. 1087, sowie des öffentlichen Keuschheitsgelübdes, c. 1088. Hier drängt sich auf den ersten Blick das Vorliegen eines ordre public-Verstoßes auf, da diese Nichtigkeitsgründe im Zivilrecht keinerlei Entsprechung finden 27 . Letztlich kann hier aber kein ordre public-Verstoß vorliegen, da diese Nichtigkeitsgründe allein den Zugang zur kanonischen Eheschließung verhindern. Wer durch diese Gründe an einer gültigen kanonischen Eheschließung gehindert ist, dem steht der Weg der zivilen Eheschließung offen 28 . Zudem sind diese Nichtigkeitsgründe eine der Besonderheiten des kanonischen Rechts, denen bei der Anerkennung der Entscheidungen gemäß Art. 4 b) des Zusatzprotokolls zum revidierten Konkordat Rechnung getragen werden so1l29. Schließlich verstößt auch die Anerkennung von Nichtigkeitsentscheidungen, die auf beidseitiger Simulation des Konsenses bezüglich einer oder mehrerer wesentlicher Eigenschaften der Ehe beruhen, nicht gegen den ordre public, da hier durchaus Parallelen zum staatlichen Nichtigkeitsgrund der Scheinehe (Art. 123 c.c.) bestehen. 24 Vgl. Cass. 26 maggio 1987 n. 4707, Giur.it. 1988, I, 1, 1006 ff., wo es um die Anerkennung eines kirchlichen Nichtigkeitsurteils ging, welches auf einem Irrtum über die Eigenschaft des Ehegatten als "Inhaber eines italienischen Hochschulabschlusses" ("Iaureato") gestützt war. Allein die Tatsache, daß eine Nichtigkeit nach Art. 122 c.c. nicht in Betracht gekommen wäre, begründe noch nicht die Annahme eines ordre public-Verstoßes. 25 Vgl. die zivilrechtlichen Fristen in den Art. 120 Abs. 2, Art. 122 Abs. 4 sowie Art. 2934 und 2946 c.c. 26 Vgl. nur Botta, La delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale nella giurisprudenza della Corte di Cassazione, in: Spinelli/Dalia Torre, Delibazione delle sentenze ecclesiastiche matrimoniali e ordine pubblico, S. 91; F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 459. Zur Irrelevanz der angesprochenen Unterschiede auch Cass. 6 dicembre 1985 n. 6128 und 6129, Dir.eccl. 1986, II, S. 399 ff. 27 Vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 458 f. Die Fälle dürften in der Praxis allerdings äußerst selten anzutreffen sein, einschlägige Urteile sind nicht ersichtlich. 28 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 153. 29 Vgl. Cardia, 11 matrimonio concordatario tra nullita canoniche, nullita civili e divorzio, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 414.

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

3. Nichtigkeit aufgrund einseitiger Simulation des Konsenses Den einzigen Fall, in dem seitens der staatlichen Gerichte einhellig ein Verstoß gegen den ordre public gesehen wird, bildet das Vorliegen des kanonischen Nichtigkeitsgrundes der einseitigen Simulation, also des Ausschlusses einer oder mehrerer Wesenseigenschaften der kanonischen Ehe Einheit, Unauflösbarkeit und Zeugung von Nachkommenschaft - durch einen der Eheschließenden zur Zeit der Eheschließung, c. 1101 § 230. Während im kanonischen Recht nämlich schon der einseitige Vorbehalt eine Ehe ungültig machen kann, ist im vergleichbaren zivilrechtlichen Fall der Scheinehe (Art. 123 c.c.) der Täuschungswille beider Partner erforderlich. Eine einseitige Mentalreservation ist hier, wie auch im übrigen Vertragsrecht, unerheblich. Der Unterschied erklärt sich daraus, daß zwar in beiden Rechtsordnungen der übereinstimmende Wille der Eheschließenden ein für das Zustandekommen der Ehe wesentliches Element ist. Während dieser Wille im kanonischen Recht jedoch absolut unabdingbare Voraussetzung ist, räumt das Zivilrecht anderen Rechtsgütem, insbesondere dem Vertrauens- und Gutglaubensschutz, unter Umständen einen noch höheren Stellenwert ein31 • a) Vorrang des Gutglaubensschutzes

Aus dem genannten Grunde hatte die Corte di Cassazione schon in der bereits oben erwähnten Entscheidung die Feststellung getroffen, daß die auf dem einseitigen Ausschluß einer der Wesenseigenschaften der Ehe beruhenden kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen jedenfalls dann gegen den zum ordre public gehörenden Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen und somit nicht anerkannt werden können, wenn der andere Partner diesbezüglich im guten Glauben gewesen und somit getäuscht worden sei. Habe der andere jedoch vom Ausschluß Kenntnis gehabt und diesen entweder gebilligt oder ihm sogar zugestimmt, dann liege kein ordre public-Verstoß vor, so daß eine Anerkennung jedenfalls aus diesem Grunde nicht abgelehnt werden könne 32 . 30 Vgl. zu den einzelnen Simulationstatbeständen Vitali/Berling6, 11 matrimonio canonico, S. 102 ff. Die Vorschrift ist abzugrenzen von c. 1098 (CIC 1983), welcher die Fälle der arglistigen Täuschung regelt. Die Simulation des Konsenses ist wegen der speziellen Regelung des c. 1102 § I kein Fall arglistiger Täuschung im Sinne des c. 1098. 31 Zu den Unterschieden von zivilem und kanonischen Ehekonsens vgl. Barbiera, Peculiarita deI consenso matrimoniale canonico e ordine pubblico, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 74 ff. 32 Vgl. Cass., sn unite, 1 ottobre 1982 n. 5026, Dir.eccl. 1982, 11, 606 f.; zur Kritik dieser Entscheidung vgl. Batta, L'exequator delle sentenze ecclesiastiche di

III. Staatliche Anerkennung und Grenzen des ordre public

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Uneinigkeit herrschte in der Folge jedoch beim Kassationshof selbst bezüglich der Frage, wie diese Grundsätze im einzelnen anzuwenden seien. Zunächst wurde eine personenbezogene Konkretisierung des ordre public vorgenommen und die Anwendung der obigen Grundsätze für den Fall verneint, daß der getäuschte und gutgläubige und damit schützens werte Partner die staatliche Anerkennung der Entscheidung betrieben und damit zu erkennen gegeben habe, daß er auf den Schutz verzichten wolle 33 . In diesem Fall sollte die Anerkennung also auch trotz ursprünglichen Vorliegens einer Täuschung möglich sein, da der andere diese im Nachhinein offensichtlich jedenfalls hingenommen habe. Nur kurze Zeit später stellte der Kassationshof dann jedoch fest, daß es doch nicht allein um den Schutz der sich auf Vertrauensschutz berufenden Person gehe. Für die Nichtanerkennung der kirchlichen Entscheidung reiche es aus, daß eine einseitige Mentalreservation vorgelegen habe. Der ordre public sei nicht subjektiv, sondern vielmehr objektiv zu bestimmen34 . Nach diesen gegensätzlichen Entscheidungen bedurfte es eines neuerlichen Eingreifens der Vereinigten Senate des Kassationshofes, die ihrerseits feststellten, daß die subjektive Seite doch den Ausschlag geben müsse, da der Schutz des guten Glaubens vor allem einen individuell zu bestimmenden Wert habe, der zur Disposition des Betroffenen stehen müsse. Dem Betroffenen müsse ein Wahlrecht bezüglich der Frage zugestanden werden, ob er an der von ihm in Unkenntnis der Täuschung eingegangenen Verbindung festhalten oder diese auflösen wolle 35 . b) Bedeutung des ehelichen Zusammenlebens

In der Literatur wurde die Lösung zum Teil kritisiert, da das Gutglaubensprinzip vom Kassationshof überbewertet werde 36 . Das staatliche Eherecht sei vielmehr ganz wesentlich vom Grundsatz der Erhaltung der ehenullita matrimoniale nei nuovi accordi tra stato e chiesa, Dir.eccl. 1986, I, 531 ff. sowie F. Finocchiaro, Simulazione unilaterale deI consenso matrimoniale e principi di ordine pubblico tra buona fede e dogma della dichiarazione, Giust.civ. 1985, I, 27 ff. 33 Vgl. Cass. 17 febbraio 1983 n. 1225, Dir.eccl. 1983,11,77 ff. 34 Vgl. Cass. 14 novembre 1984 n. 5749, Dir.eccl. 1985,11, 154 ff. 35 Vgl. Cass., sez. unite, 6 dicembre 1985 n. 6128, Dir.eccl. 1985, 11, 516 ff.; in diesem Sinne auch App. Milano, 18 giugno 1992, n. 1124, in der Entscheidungssammlung von Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 96; ebenso Cass. 19 maggio 1995 n. 5548, Giur.it. 1997, I, 126 f.; zuletzt Cass. 22 ottobre 1999 n. 11863, Dir.eccl. 2000, 11, 235; vgl. zur Entwicklung von Literatur und Rechtsprechung in dieser Frage auch De Meo, Orientamenti dottrinali e giurisprudenziali sulla delibazione delle sentenze eccIesiastiche di nullita del matrimonio, Giur.it. 1997, I, 127 ff. 10 Waldmann

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

lichen Gemeinschaft, der "effetiva convivenza coniugale" geprägt. Dieser Grundsatz aber lasse es nicht zu, daß etwa dem Nichtigkeitsgrund der einseitigen Simulation auch bei langjährigem Bestehen der Ehe eine auflösende Wirkung zukommen könne 37 • Zunächst wurde diese Ansicht auch in mehreren Entscheidung des Kassationshofes vertreten 38 • Dann aber stellte das Gericht genau das Gegenteil fest, nämlich daß auch das langjährige Zusammenleben den Vertrauensschutz nicht entfallen lasse, da dieser den grundsätzlichen Akt der Begründung des Rechtsverhältnisses betreffe39 • Es bedurfte daher eines erneuten Eingreifens der Vereinigten Senate des Kassationshofes, die folgendes klarstellten: zwar sei es richtig, daß aus Gründen des Schutzes der bereits bestehenden ehelichen Gemeinschaft im staatlichen Recht bei Vorliegen eines Irrtums die Anfechtungsmöglichkeiten zeitlich begrenzt seien4o . Diese Regelung enthalte jedoch kein derart wesentliches Grundprinzip des staatlichen Eherechts, als daß es die Anerkennung einer auf dem kanonischen Nichtigkeitsgrund der Simulation beruhenden kirchlichen Entscheidung verhindern könne41 . Bei diesen Grundsätzen ist es seither geblieben42 . c) Nachweis der Nichtkenntnis der Simulation

Ein weiteres Problem besteht darin, einen Maßstab festzulegen, nach dem die Kenntnis oder Unkenntnis der Täuschung bei dem betreffenden Partner beurteilt werden kann. Zunächst wurden seitens der Rechtsprechung an die Kenntnis des anderen keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Es sollte ausreichen, wenn er 36 Vgl. Realmonte, AIcune riflessioni sulla riserva di giurisdizione in tema di matrimonio concordatario, DirJam. 1989, 1073 f. 37 So Quadri, L'esecutorieta delle sentenze matrimoniali ecclesiastiche: esperienze recenti e prospettive, Foro it. 1985, I, 470 ff.; Vitale, Corso di diritto ecclesiastico, S. 330; in diesem Sinne auch Furgiuele, Osservazioni in tema di "simulazione unilaterale", rapporto di convivenza e delibazione di sentenza ecclesiastica di nullita matrimoniale, in: BordonalilPalazzo, Concordato e legge matrimoniale, S.734. 38 Vgl. Cass. 18 giugno 1987 n. 5354 und 5358, Foro it. 1988, I, 478 ff. sowie Cass. 3 luglio 1987 n. 5823, Foro it. 1988, I, 474 ff. 39 Vgl. Cass. 3 luglio 1987 n. 5822, Dir.farn. 1988, 197 ff. 40 Vgl. Art. 123 Abs. 2 c.c., der bestimmt, daß die Nichtigkeitsklage nach Ablauf eines Jahres seit der Eheschließung oder wenn die Partner nach der Eheschließung wie Eheleute zusammengelebt haben, nicht mehr erhoben werden kann. 41 Vgl. Cass., sez. unite, 201uglio 1988 n. 4700, Giur.it. 1989, I, 1,680 ff. 42 Vgl. etwa App. Bari, 6 aprile 1993 n. 308, in der Entscheidungssammlung von Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 111; Cass. 22 marzo 1995 n. 3314, Giust.civ. 1995, I, 2074 ff.

IV. Zur Konkurrenz kirchlicher und staatlicher Urteile und Verfahrell

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die Intentionen des täuschenden Partners zumindest hätte erkennen können43 . Nachdem man jedoch erkannt hatte, daß auf diese Weise der Schutz nur in ganz wenigen Fällen durchgreifen würde, hat man die Anforderungen an die Willensäußerung des Täuschenden erhöht und verlangt, daß für das positive Feststellen der Kenntnis des anderen - und damit des Ausschlusses der Anerkennung der Nichtigkeitsentscheidung - die Intention explizit gegenüber dem anderen geäußert worden sein mußte. Eine nur indirekt erkennbare Mentalreservation reiche für den Wegfall der Gutgläubigkeit hingegen nicht aus44 . Später hat man dann einen Mittelweg eingeschlagen und es für den Wegfall der Gutgläubigkeit als ausreichend angesehen, wenn der andere jedenfalls Kenntnis von der Mentalreservation hatte oder die Unkenntnis auf vermeidbarer Nachlässigkeit beruhe, er also von der Reservation hätte wissen müssen45 . Die für die Feststellung einer Mentalreservation möglicherweise erforderlichen Nachforschungen der Zivilgerichte stellen nach Auffassung des Kassationshofes keine Nachprüfung der Sache im Sinne des Art. 4 b) Nr. 3 des Zusatzprotokolls zum revidierten Konkordat dar, weil die entsprechenden Feststellungen im kirchlichen Prozeß grundsätzlich nicht erhoben würden46 .

IV. Zur Konkurrenz kirchlicher und staatlicher Urteile und Verfahren 1. Einführung

Die Regelung des Verhältnisses kanonischer Urteile zu italienischen Urteilen und Verfahren ist heute über die Verweisung des Art. 8 Nr. 2c) des revidierten Konkordats in Art. 64 Nr. le) und f) des IPR-Gesetzes zu finden. Bis zum Inkrafttreten dieser Neuregelung galten - seit der Revision des Konkordats im Jahre 1984 - die Regelungen der Art. 797 Nr. 5 und 6. C.p.c. Die Frage der Konkurrenz kirchlicher Entscheidungen mit einem staatlichen Urteil oder Verfahren hatte sich jedoch bereits vor der Revision des Konkordats, nämlich mit der Einführung des Rechtsinstituts der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Konkordatsehe im Rahmen des Scheidungsgesetzes im Jahre 1970 ergeben. Nachdem zur Bestimmung dieses Vgl. Cass. 3 maggio 1984 ll. 2677, Dir.eccl. 1984, 11, 457 ff. Vgl. Cass. 15 llovembre 1985 ll. 5599, Dir.eccl. 1985, I, 539 ff. 45 Vgl. Cass. 2 dicembre 1993 n. 11951, Dir.eccl. 1994, 11, 86 ff. 46 Vgl. Cass. 14 marzo 1996 ll. 2138, Giur.it. 1997, I, 127 f.; Cass. 29 aprile 1999 ll. 4311, Dir.eccl. 2000, 11, 53. 43 44

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

Verhältnisses zunächst allgemeine Regelungen und Rechtsgedanken herangezogen wurden, mußten seit der Konkordatsrevision auch hierfür die oben genannten Regelungen berücksichtigt werden.

2. Art. 64 Nr. le) des IPR-Gesetzes Gemäß Art. 64 Nr. le) des IPR-Gesetzes wird ein ausländisches Urteil anerkannt, "wenn es nicht mit einem anderen, von einem italienischen Gericht erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Urteil in Widerspruch steht." Die alte Regelung des Art. 797 Nr. 5 c.p.c. hatte einen nahezu identischen Inhalt. Demnach war das ausländische Urteil wirksam, wenn feststand, "daß es mit keinem von einem italienischen Gericht erlassenen Urteil im Widerspruch steht." Nach beiden Regelungen kann eine kirchliche Nichtigkeitsentscheidung also nur dann staatlich anerkannt werden, wenn sie nicht mit einem von einem italienischen Gericht erlassenen Urteil im Widerspruch steht. a) Verhältnis von kanonischer NichtigkeitsJeststeliung und Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen

Das mit Abstand wichtigste Konkurrenzverhältnis mußte zunächst ohne die genannten Regelungen beurteilt werden. Die in diesem Zusammenhang von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze lassen sich heute allerdings dennoch für die weiteren Konkurrenzkonstellationen nutzbar machen. Seit der Konkordatsrevision mußten die oben erwähnten Regelungen auch in dem hier behandelten Verhältnis beachtet werden. aa) Zur Relevanz dieses Verhältnisses Die heutige Bedeutung des Verhältnisses von staatlich anerkannter kanonischer Nichtigkeitsentscheidung und einem die Aufhebung der zivilrechtlichen Folgen der Ehe betreffenden staatlichen Urteil liegt in den unterschiedlichen Rechtsfolgen dieser Entscheidungen begründet, insbesondere in Vermögensfragen47 • Während nämlich die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung durch ein staatliches Gericht in vermögensrechtlicher Hinsicht dieselben Rechtsfolgen wie die staatliche Nichtigkeitsfeststellung erzeugt48 , also 47 Vgl. Proto Pisani, I provvedimenti patrimoniali nel giudizio di delibazione delle sentenze ecclesiastiche, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 119. 48 Vgl. hierzu 2. Kapitel, 11. 3. b) bb).

IV. Zur Konkurrenz kirchlicher und staatlicher Urteile und Verfahren

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Ausgleichszahlungen über einen Zeitraum von höchstens drei Jahren bei Gutgläubigkeit und eine Entschädigung und eingeschränkte Unterhaltszahlungen im Falle der Bösgläubigkeit49 , bestehen bei einer Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe wesentlich weitergehende Unterhaltsansprüche. Nach Art. 5 Abs. 4 und 6 des Scheidungsgesetzes hat nämlich das Gericht "unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Gründe der Entscheidung die Verpflichtung eines Ehegatten festzusetzen, nach Maßgabe des eigenen Vermögens und der eigenen Einkünfte dem anderen Ehegatten regelmäßig Unterhalt zu zahlen." Diese Verpflichtung unterliegt grundsätzlich keiner zeitlichen Beschränkung5o . Die Rechtsfolgen der Nichtigkeitsfeststellung sind jedoch eigentlich allein auf die Anfechtungsmöglichkeiten des staatlichen Rechts zugeschnitten, nicht aber auf die weitergehenden Möglichkeiten des kanonischen Rechts 51 . Neben der größeren Zahl der Nichtigkeitsgründe spielt eine wesentliche Rolle, daß der Codex Iuris Canonici, anders als das staatliche Recht, keinerlei zeitliche Begrenzung für die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage vorsieht52 . Beide Verfahren können also grundsätzlich jederzeit miteinander konkurrieren. So kann es durchaus vorkommen, daß eine nach den Regelungen des Konkordats geschlossene Ehe nach Jahrzehnten des Bestehens von einem kirchlichen Gericht für nichtig erklärt wird 53 . Es liegt auf der Hand, daß hier eine im Rahmen der staatlichen Anerkennung der Entscheidung getroffene vermögensrechtliche Regelung nach den Vorschriften über die Putativehe für den wirtschaftlich schwächeren Partner keine adäquate Lösung darstellt54 . Im folgenden Abschnitt soll ein Überblick über die Entwicklung der Standpunkte zu dieser Problematik in Literatur und Rechtsprechung gegeben und die heutige Lage dargestellt werden.

Vgl. Art. 129 und 129bis c.c. Vgl. hierzu zum einen die knappen Hinweise bei Kindler, Einführung in das italienische Recht, S. 120; ausführlich Funke, Trennung und Scheidung in Italien, S. 141 ff. 51 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 158 f. 52 Im staatlichen Recht sind für die Anfechtungsgründe - mit Ausnahme der Doppelehe, Art. 124 c.c. - jeweils besondere Fristen vorgesehen, vgl. Art. 117 Abs. 2 S. 2, 117 Abs. 4, 119 Abs. 2, 120 Abs. 2, 122 Abs. 4, 123 Abs. 2 C.C. 53 Vgl. hierzu Cardia, Il matrimonio concordatario tra nullita canoniche, nullita civili e divorzio, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 420 f. 54 Vgl. Botta, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 34 f. 49

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

bb) Behandlung dieser Fallkonstellation Der im Verhältnis von kanonischer Nichtigkeitsentscheidung und staatlichem Urteil über die Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe unproblematische Fall ist der, daß eine kanonische Nichtigkeitsentscheidung bereits vor einem etwaigen Aufhebungsprozeß staatlich anerkannt wurde. Da jeglicher Rechtsgrund für eine Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen entfällt, ist ein derartiges Verfahren nicht mehr möglich 55 . Problematisch ist es hingegen, wenn zunächst ein staatliches Aufhebungsurteil und erst später ein kirchliches Nichtigkeitsurteil in derselben Sache ergeht. Ob in einem solchen Fall noch eine staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung stattfinden kann, wird unterschiedlich beurteilt. Die Rechtsprechung hat lange Zeit den Standpunkt vertreten, daß es bei bei den Verfahren um gänzlich unterschiedliche Sachverhalte gehe und eine Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen kein Präjudiz für die Frage der Nichtigkeit bilden könne 56 . Dies ergebe sich aus der Tatsache, daß beide Verfahren andere Ziele und Voraussetzungen hätten, die Nichtigkeitsfeststellung eine Auflösung ex tune wegen der anfänglichen Ungültigkeit und die Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen die Auflösung ex nunc unter den im Scheidungsgesetz genannten Voraussetzungen57 . In der Literatur hingegen wurde überwiegend die Ansicht vertreten, daß die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung in diesem Fall ausgeschlossen sei, weil es keinen Sinn habe, über die frühere Gültigkeit einer bereits aufgelösten Verbindung zu entscheiden58 • Nur vereinzelt wurde die Position der Rechtsprechung unterstützt59 . 55 So die allgemeine Ansicht, vgl. etwa Liberti, Rapporti tra giudicati di divorzio e nullita (0 annullamento) di matrimonio, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tute1a giurisdiziona1e, S. 88. 56 Vgl. nur Cass. 9 ottobre 1974 n. 2724, Dir.fam. 1975,73 f., Cass. 3 novembre 1988 n. 5923, Dir.eccl. 1988, H, 553 ff., Cass. 9 dicembre 1993 n. 12144, Foro it. 1995, I, 279 ff. 57 Vgl. etwa Cass. 9 agosto 1977 n. 3638, Dir.eccl. 1978, H, 131 ff., zuletzt Cass. 9 dicembre 1993 n. 12144, Foro it. 1995, I, 279 ff. 58 So etwa Jemolo, Divorzio e va1idita deI matrimonio, Riv.dir.civ. 1975, H, S. 104; ähnlich BoUa, Matrimonio religioso e giurisdizione dello stato, S. 68 ff.; Carbone, La giurisprudenza della Cassazione sulla delibazione delle sentenze ecclesiastiche, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 25 ff.; Martinelli, Delibabilita della sentanza canonica di nullita deI matrimonio di cui sia stata pronunciata la sentenza di cessazione degli effetti civili in Italia, Nuova giur.civ.comm. 1994, I, 801 f. 59 Vgl. Balena, Le condizioni per la delibazione delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S.56.

IV. Zur Konkurrenz kirchlicher und staatlicher Urteile und Verfahren

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Die Folge der herrschenden Rechtsprechung war, daß derjenige, der sich durch ein staatliches Aufhebungsurteil finanziell überlastet sah, durch die Anstrengung eines kirchlichen Nichtigkeitsprozesses und dessen staatliche Anerkennung eine wesentliche Beschränkung seiner finanziellen Verpflichtungen erreichen konnte6o . Im Zuge der Konkordatsrevision und der damit verbundenen überwiegenden Annahme der konkurrierenden staatlichen Gerichtsbarkeit in Nichtigkeitsfragen wurden nunmehr zunächst in der Literatur Stimmen laut, welche in der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen zugleich eine implizite Entscheidung über die Gültigkeit der Ehe sehen wollten 61 . Dies sei der Fall, weil der Kläger die Gültigkeit nicht in Frage stelle und der Beklagte gegebenenfalls entsprechende Einwände erheben könnte, was dann eine inzidente Entscheidung für die Gültigkeit der Ehe zur Folge hätte. Auf diese Weise würden die vermögensrechtlichen Regelungen des Art. 5 des Scheidungsgesetzes weiterhin gelten und der Schutz des wirtschaftlich schwächeren Partners bleibe erhalten62 . Nach der Gegenauffassung ist die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung jedoch auch nach der Konkordatsrevision und auch unter Zugrundelegung einer konkurrierenden Gerichtsbarkeit sehr wohl möglich, da es sich immer noch um zwei ganz verschiedene Sachverhalte mit ebenso verschiedenen Folgen handele und zudem die Nichtigkeit der Scheidung nachträglich die Grundlage entziehe63 . Auch wenn im neuen Konkordat nicht mehr von der ausschließlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit in Fragen der Nichtigkeit die Rede sei, könne wegen der besonderen Stellung des kanonischen Rechts nicht ohne weiteres von den prozessualen Regelungen des staatlichen Rechts ausgegangen werden, nach denen die Frage der Nichtigkeit im Scheidungsprozeß gemäß Art. 34 c.p.c. als Vorfrage behandelt werden könne. Die Folge wäre hier eine Abänderung der vermögensrechtlichen Regelungen unter Zugrundelegung der Art. 128 ff. c.c. Ein anderer Vorschlag geht dahin, die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung zuzulassen, nicht aber eine Änderung der durch die Scheidung eingetretenen Rechtsfolgen64 . 60 Vgl. F. Finocchiaro, "Principi suprerni", ordine pubblico italiano e (auspicata) parita tra divorzio e nullita canonica deI matrimonio, in Cipriani, Matrimoni concordatario e tutela giurisdizionale, S. 71; Canonico, La prevalenza della pronuncia ecclesiastica di nullita deI matrimonio canonico trascritto rispetto al giudicato di cessazione degli effetti civili, Dir.fam. 1995,961 f. 61 Vgl. Balena, Sui problemi derivanti dal concorso tra la giurisdizione ecclesiastica e la giurisdizione civile in materia di nullita deI matrimonio, Foro it. 1995, I, 288. 62 Vgl. F. Finocchiaro, Diritto ecclesiastico, S. 451. 63 Vgl. etwa Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 164 ff.

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

Schließlich wird auch die Möglichkeit einer genauen Einzelfallanalyse erörtert, nach der die Nichtigkeitsurteile daraufuin überprüft werden müßten, ob sie auf Gründen beruhen, die im vorhergehenden Aufuebungsprozeß bereits anders beurteilt wurden. Sei dies der Fall, so könne keine Anerkennung erfolgen, andernfalls stünde dieser nichts im Wege65 . Der Kassationshof hat - unter Hinweis auf die entsprechenden Tendenzen in der Literatur - nach der Konkordatsrevision zunächst zum Ausdruck gebracht, daß er in Fällen, in denen die Nichtigkeit erst lange Zeit nach der Eheschließung festgestellt wird, den Schutz des schwächeren Partners angesichts der über diesen Zeitraum verwirklichten Gemeinschaft vor allem in vermögensrechtlicher Hinsicht nicht für ausreichend erachte. Der Gesetzgeber sei hier aufgefordert, im Rahmen des Möglichen und unter Beachtung der unterschiedlichen rechtlichen Ausgangspunkte eine Annäherung an die bei der Aufuebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe vorgesehenen vermögensrechtlichen Folgen vorzunehmen 66. Noch im Jahre 1993 hat der Kassationshof seine vor der Konkordatsrevision entwickelte Rechtsprechung zur Frage der Konkurrenz von staatlichem Aufhebungsurteil und späterer kanonischer Nichtigkeitsentscheidung ausdrücklich bestätigt67 . ce) Neue Linie des Kassationshofes In Anbetracht der Tatsache, daß nach fast 10 Jahren immer noch keine gesetzliche Regelung ergangen war, scheint der Kassationshof jetzt allerdings einen anderen Weg eingeschlagen zu haben, welcher ganz auf der Linie einer bereits zuvor in der Literatur vertretenen Ansicht liegt. In einer vielbeachteten Entscheidung des Jahres 1997 hat das Gericht nämlich festgehalten, daß das staatliche Aufuebungsurteil zugleich die inzidente Feststellung der Gültigkeit der Ehe enthalte. Eine etwaige kirchliche Nichtigkeitsentscheidung könne die Aufuebungsentscheidung folglich nicht mehr beeinfl ussen68. 64 So Ballarino, Divorzio, riconoscimento di annullamento ecclesiastico e addatamento, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 71 ff.; Proto Pisani, I provvedimenti patrimoniali nel giudizio di delibazione delle sentenze ecclesiastiche, ebda. S. 134 ff. 65 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 131 f. sowie Garofalo, La delibazione delle sentenze canoniche di nullita matrimoniale al vaglio dei principi di diritto processuale civile internazionale, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 86. 66 Vgl. etwa Cass. 20 luglio 1988 n. 4700, Giur.it. 1989, I, 1,680 ff. 67 Vgl. Cass. 9 dicembre 1993 n. 12144, Foro it. 1995, I, 279 ff. 68 Vgl. Cass. 18 aprile 1997 n. 3345, Dir.eccl. 1997,11,294 ff.

IV. Zur Konkurrenz kirchlicher und staatlicher Urteile und Verfahren

153

Begründet wird die Aufgabe der früheren Position zum einen mit der These von der konkurrierenden Gerichtsbarkeit kirchlicher und staatlicher Gerichte in Fragen der Gültigkeit der Konkordatsehe, zum anderen mit Art. 797 c.p.C. 69 , welcher die Delibation nur dann vorsieht, wenn die entsprechende Entscheidung nicht einer Entscheidung italienischer Gerichte zum selben Sachverhalt widerspricht7o . Mit der neuen Linie soll im wesentlichen verhindert werden, daß sich der aus einem Scheidungsurteil Unterhaltsverpflichtete durch die Anerkennung einer kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung seinen Pflichten entziehen kann 7l . Das Urteil ist jedoch aus den oben genannten Gründen, welche sich gegen die nunmehr vom Kassationshof adaptierte Linie der Literatur richten, durchaus problematisch72. Es handelt sich bei der Nichtigkeit und der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen um verschiedene Sachverhalte, die wegen der konkurrierenden kirchlichen und staatlichen Gerichtsbarkeit in Fragen der Nichtigkeit eben nicht ohne weiteres von den staatlichen Gerichten mitentschieden werden können. Eine generelle Gültigkeitsentscheidung kann in dem Aufhebungsurteil jedenfalls nicht enthalten sein, so wünschenswert dies wegen der vermögensrechtlichen Folgen auch sein mag. Um zu einer sachgerechten Beurteilung des Verhältnisses von kirchlicher Nichtigkeitsentscheidung und staatlichem Aufhebungsurteil zu kommen, erscheint einzig der Vorschlag geeignet, der in Anwendung des Art. 64 Nr. le) des IPR-Gesetzes eine Prüfung des anzuerkennenden kirchlichen Urteils dahingehend empfiehlt, ob dieses auf Gründen beruht, die im Aufhebungsurteil anders beurteilt wurden. Nur wenn sich hier ein Widerspruch ergibt, kann das staatliche Gericht die Anerkennung des kirchlichen Nichtigkeitsurteils verweigern 73.

69 Die Anwendung dieser Vorschrift beruht auf der Tatsache, daß diese zum Zeitpunkt des vom Kassationshof zu beurteilenden Ausgangsfalles noch in Kraft war. 70 Vgl. die Begründung der Entscheidung Cass. 18 aprile 1997 n. 3345, Dir.eccl. 1997, II, 295 f. 71 Vgl. Palombo, Riflessioni sul rapporto tra la sentenza ecclesiastica di nullita del matrimonio e il giudicato civile sul divorzio alla luce della sentenza della Corte di Cassazione n. 3345 deI 1997, Dir.eccl. 1997, II, 300. 72 Vgl. im einzelnen Graziano, Questioni vecchie e nuove relative al matrimonio canonico trascritto: tra probierni processuali e correttivi sostanziali, Dir.eccl. 1998, 1,295 ff. 73 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 131.

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

b) Weitere Fälle des Art. 64 Nr. le) des lPR-Gesetzes

Es bleibt zu bestimmen, inwieweit andere die eheliche Verbindung betreffende staatliche Urteile die Anerkennung einer kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung beeinflussen können. Ein unter Zugrundelegung der konkurrierenden Gerichtsbarkeit ergangenes staatliches Nichtigkeitsurteil hindert die Anerkennung einer entsprechenden kirchlichen Entscheidung in jedem Fall, da es bereits keine Ehe mehr gibt, deren Nichtigkeit nochmals festgestellt werden könnte. Ein staatliches Trennungsurteil dagegen hindert die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung nicht, da dieses Urteil allein das Getrenntleben der Ehegatten zum Gegenstand hat. Da es sich in keiner Weise mit der möglichen Ungültigkeit oder Auflösung der eigentlichen Verbindung beschäftigt, kann das kirchliche Urteil auch nicht zum Trennungsurteil in Widerspruch stehen74 . Das Verhältnis der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung zu einem staatlichen Transkriptionsnichtigkeitsurteil kann dagegen unter Umständen problematisch werden. Zwar lässt die Feststellung der Nichtigkeit der Transkription bereits die zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe entfallen. Die Anerkennung der kirchlichen Entscheidung ist demnach in diesem Falle nicht mehr erforderlich. Auch die Rechtsfolgen unterscheiden sich nicht, da im Falle der Transkriptionsnichtigkeit nach Art. 18 des Ehegesetzes ebenfalls die Rechtsfolgen der Art. 128 ff. c.c. eintreten. Wenn aber zum Beispiel ein staatliches Urteil vorliegt, in dem die Gültigkeit der Transkription aufgrund bestimmter Tatsachen festgestellt wurde, so kann ein kirchliches Nichtigkeitsurteil jedenfalls dann nicht anerkannt werden, wenn es bezüglich dieser Tatsachen gegenteilige Feststellungen trifft75.

74 Vgl. Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nulliHl matrimoniale, S. 180 ff. Vgl. hierzu Balena, Sui problemi derivanti dal "concorso" tra la giurisdizione ecclesiastica e la giurisdizione civile in materia di nullita deI matrimonio, Foro it. 1993, H, 279 ff. sowie Cass. 5 luglio 1984 n. 3940, Dir.fam. 1984, 922. 75 Vgl. hierzu Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 131 f., der als Beispiel den Fall anführt, daß in der staatlichen Transkriptionsentscheidung festgestellt wurde, daß keiner der Ehegatten sich zum Zeitpunkt der Eheschließung im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit befand, das kirchliche Nichtigkeitsurteil hingegen gerade auf der Annahme der Unzurechnungsfähigkeit eines der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung beruht.

IV. Zur Konkurrenz kirchlicher und staatlicher Urteile und Verfahren

155

3. Art. 64 Nr. If) des IPR-Gesetzes - Anerkennungsverfahren und Anhängigkeit eines Verfahrens vor staatlichen Gerichten Nach Art. 64 Nr. 1 f) ist weitere Voraussetzung für die Anerkennung ausländischer Urteile, daß "nicht ein Verfahren vor einem italienischen Gericht über dieselbe Sache und zwischen denselben Personen anhängig ist, das vor dem ausländischen Verfahren begonnen hat". Diese Regelung markiert einen der wesentlichen Unterschiede zur Regelung des alten Art. 797 Nr. 6) c.p.c., nach der das ausländische Urteil nur dann wirksam werden konnte, wenn das Appellationsgericht festgestellt hatte, "daß über denselben Gegenstand und zwischen denselben Parteien vor einem italienischen Gericht kein Verfahren anhängig ist, das bereits eingeleitet war, bevor das ausländische Urteil rechtskräftig geworden ist". Nach dieser Regelung konnte die Delibation einer kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung also ganz einfach dadurch verhindert werden, daß derjenige, dem die kirchliche Entscheidung zum Nachteil gereichte, nunmehr ein Verfahren in derselben Sache vor einem staatlichen Gericht anhängig machte. Die neue Regelung hingegen sieht den ausländischen Prozeß als grundsätzlich gleichwertig an und setzt lediglich voraus, daß nicht schon vor dem ausländischen Verfahren ein Prozeß in derselben Sache vor einem italienischen Gericht begonnen hat. Da es sich hier - anders als im Rahmen des Art. 64 Nr. 1e) - um "dieselbe Sache" handeln muß, reicht die Anhängigkeit eines staatlichen Verfahrens zur Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe zur Verweigerung der Anerkennung nicht aus, da es hier nicht um die Gültigkeit der Eheschließung geht. Vielmehr muß Gegenstand des Verfahrens die Gültigkeit der Eheschließung selbst sein76. Läuft bereits ein staatliches Nichtigkeitsverfahren, so kommt es darauf an, welches der beiden Nichtigkeitsverfahren zuerst begonnen hat: war es das kirchliche, so muß dieses anerkannt werden; hat dagegen das staatliche Verfahren zuerst begonnen, dann muß zunächst dessen Ausgang abgewartet werden, um die dann vorliegenden Urteile nach Art. 64 Nr. le) des IPRGesetzes zu beurteilen. Geht es im staatlichen Verfahren allerdings um die positive Feststellung des Bestehens der Ehe, so handelt es sich nach Ansicht der Rechtsprechung auch hier nicht um denselben Gegenstand, so daß der Anerkennung der kirchlichen Entscheidung in diesem Falle das staatliche Verfahren unabhängig von der zeitlichen Priorität nicht im Wege steht77 . 76

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Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 134. Vgl. Cass. 22 marzo 1995 n. 3314, Giust.civ. 1995, I, 2074 ff.

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

Die Anhängigkeit eines staatlichen Trennungsverfahrens ist - wie auch das Trennungsurteil - im Hinblick auf die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung irrelevant, da es beim Trennungsverfahren lediglich darum geht festzustellen, ob Tatsachen eingetreten sind, welche das Zusammenleben unmöglich machen oder Schäden für die Kinder zu befürchten sind. Zudem bleibt im Trennungsverfahren die Ehe als solche bestehen, so daß es sich keinesfalls um dieselbe Sache handeln kann78. Problematisch könnte allein die Anhängigkeit eines staatlichen Transkriptionsnichtigkeitsverfahrens sein. Zwar geht es auch hier eigentlich nicht um dieselbe Sache, da Gegenstand der kirchlichen Entscheidung die Nichtigkeit der Ehe als solcher, Gegenstand des staatlichen Verfahrens hingegen nur die Nichtigkeit der zivilrechtlichen Wirkungen ist. Da aber die Nichtigkeitsgründe beider Verfahren zum Teil übereinstimmen79 , könnte man hier in entsprechenden Fällen sogar vom Vorliegen derselben Sache ausgehen 8o . In diesem Fall käme es wiederum darauf an, welches Verfahren zuerst begonnen hätte. Auch für das hier erörterte Verhältnis ist die Entscheidung des Kassationshofes von Bedeutung. In einem obiter dictum hat das Gericht nämlich festgehalten, daß im Verhältnis von kirchlicher und staatlicher Gerichtsbarkeit letzterer grundsätzlich der Vorrang gebühre, so daß schon die Anhängigkeit eines staatlichen Verfahrens die Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidung unmöglich mache, das zivilrechtliche Verfahren aber nach wie vor einzig und allein dann hinfällig sei, wenn bereits eine staatlich anerkannte kirchliche Nichtigkeitsentscheidung vorliege81 . Diese Sichtweise entspricht der Regelung des alten Art. 797 Nr. 6 c.p.c., die jedoch gerade durch die wesentlich liberalere Regelung des Art. 64 Nr. If) des IPR-Gesetzes abgelöst wurde. Wenn der Kassationshof die alte Regelung beibehalten will, so hätte es hierfür zumindest einer Begründung bedurft, die jedoch völlig fehlt 82 . Diesbezüglich kann nur die weitere Entwicklung der Rechtsprechung Klarheit bringen. 78 Vgl. zu den Voraussetzungen der gerichtlichen Ehetrennung Art. 151 c.c.; in diesem Sinne App. Napoli, 21 febbraio 1991, Dir.eccl. 1991, 11, 398 ff.; Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 181 f. 79 Ein Beispiel wäre der kanonische Nichtigkeitsgrund der Verwandtschaft in gerader Linie, c. 1091 § 1 (CIC 1983), der auch ein staatliches Transkriptionshindernis darstellt, da es sich hierbei um ein nicht dispensierbares Hindernis im Sinne von Art. 8 Nr. 1 c) des revidierten Konkordats handelt, vgl. Art. 87 c.c. 80 Vgl. Moneta, Matrimonio religioso e ordinamento civile, S. 136 f. 81 Vgl. Cass. 18 aprile 1997 n. 3345, Dir.eccl. 1997,11,294. 82 Vgl. zur Anwendbarkeit der Art. 64 ff. des IPR-Gesetzes im Rahmen des Konkordats 4. Kapitel, 11. 1.

IV. Zur Konkurrenz kirchlicher und staatlicher Urteile und Verfahren

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4. Verhältnis kirchlicher und staatlicher Verfahren zueinander

Das Verhältnis ausländischer und inländischer Verfahren zueinander ist weder in Art. 64 des IPR-Gesetzes noch anderswo geregelt. Auch zuvor gab es eine solche Regelung nicht. Wegen der grundsätzlichen Unabhängigkeit und Souveränität verschiedener Rechtsordnungen können sich die Verfahren in der Regel gegenseitig nicht beeinflussen. Dies gilt auch für das Verhältnis von kirchlichem Nichtigkeitsverfahren zu den staatlichen Eheverfahren 83 . Laufen etwa ein kirchliches und ein staatliches Nichtigkeitsverfahren parallel zueinander, so entscheidet sich deren Verhältnis zueinander erst dann, wenn die Anerkennung des kirchlichen Urteils beantragt wird oder wenn zuerst die staatliche Nichtigkeit feststeht. Bezüglich eines parallel zu einem staatlichen Trennungsverfahren laufenden kirchlichen Nichtigkeitsprozesses hatte der Kassationshof vor der Konkordatsrevision folgendes festgestellt: selbst wenn im Trennungsprozeß eingewandt werde, daß eine Nichtigkeitsfeststellung im kirchlichen Prozeß zu erwarten sei, könne das Verfahren nicht ausgesetzt werden, da der Ausgang des kirchlichen Verfahrens nicht als Vorfrage im Sinne des Art. 295 c.p.c. behandelt werden könne. Diese Regelung gelte nur innerhalb eines Rechtssystems, nicht aber für verschiedene Rechtssysteme 84 . Diese Grundsätze dürften auch heute weiterhin Gültigkeit besitzen. Insbesondere ändert die konkurrierende Zuständigkeit der staatlichen Gerichte in Nichtigkeitsfragen hieran nichts. Selbst wenn nämlich in einem staatlichen Trennungsprozeß über die Nichtigkeit entschieden würde, änderte dies nichts an der grundsätzlichen Unabhängigkeit eines parallel laufenden kirchlichen Nichtigkeitsprozesses. Auch hier müßte zunächst wenigstens ein Urteil abgewartet werden, um dann das entsprechende Verhältnis nach den dargelegten Grundsätzen zu würdigen 85 . Die gleichen Erwägungen gelten auch für ein parallel zum kirchlichen Nichtigkeitsverfahren laufendes staatliches Verfahren zur Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe 86 und schließlich ebenfalls für ein parallel laufendes staatliches Transkriptionsnichtigkeitsverfahren. 83 Vgl. Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 184. 84 Vgl. Cass. 9 agosto 1977 n. 3637, Dir.eccl. 1978, 11, 136 ff. 85 Vgl. Balena, Sui rapporti tra il giudizio ecclesiastico e il giudizio civile, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 227 f. 86 Vgl. Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 184 sowie Trisorio Liuzzi, Processo di divorzio e giudizio ecclesiastico di nullita deI matrimonio, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 234 f. Auch dann, wenn der Prozeß vor den Kirchengerichten abge-

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

V. Weitere Probleme im Rahmen der staatlichen Anerkennung 1. Behandlung der "retractatio"

Für die Frage der Anerkennung einer kirchlichen Entscheidung, welche nach vorheriger Nichtigkeitsfeststellung und entsprechender staatlicher Anerkennung nunmehr im Rahmen einer "retractatio" doch die Gültigkeit der Ehe feststellt, gilt im wesentlichen das bereits Gesagte 87 . Die Ablehnung der Anerkennung einer solchen Entscheidung kann seit der Geltung des revidierten Konkordats noch zusätzlich durch die Tatsache untermauert werden, daß entgegen der weiteren Formulierung in Art. 34 des Konkordats von 1929 in Art. 8 Nr. 2 explizit nur noch von der Anerkennung der kirchlichen Ehenichtigkeitsurteile die Rede ist. Die Anerkennung positiver Entscheidungen ist nicht vorgesehen 88 . 2. Möglichkeiten der inzidenten Anerkennung der kirchlichen Entscheidungen

Neben dem oben beschriebenen Weg der Anerkennung gibt es grundsätzlich die Möglichkeit einer inzidenten Anerkennung ausländischer - und somit auch kirchlicher - Entscheidungen. Die entsprechende Regelung war zunächst in Art. 799 c.p.c. enthalten und findet sich heute in Art. 67 Abs. 3 des IPR-Gesetzes. Während die Anerkennung der kirchlichen Entscheidungen im System von 1929 gänzlich eigenen Regeln folgte und eine inzidente Anerkennung hierbei nicht vorgesehen war, erscheint eine solche seit der Revision des Konkordats wegen des in Art. 8 Nr. 2c) enthaltenen Verweises auf die Beschlossen, aber noch nicht die Anerkennung vor einem staatlichen Gericht beantragt wurde, entstehen keine Spannungen. Zur Frage der Behandlung der Konkurrenz des Delibationsverfahrens zum Authebungsprozeß vgl. auch Grasso, Su una interpretazione "sospettosa", in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S.180. 87 Vgl. hierzu bereits das 2. Kapitel, H. 3. c) sowie Di Marzio, Riconoscibilita degli effetti civili alla sentenza eccIesiastica che abbia revocata una precedente deci sone dichiarativa della nullita di un matrimonio c.d. concordatario, cui era stata gia riconosciuta efficacia civile con pronuncia passata in giudicato, Dir.fam. 1997, 163 ff. 88 Anders allerdings die nach der Konkordatsrevision bisher einzig ersichtliche Entscheidung zu diesem Problem, App. Napoli 4 maggio 1995, Dir.fam. 1997, 147, der eine Anerkennung einer nachträglichen positiven kirchlichen Entscheidung trotz vorhergehender staatlicher Anerkennung der Nichtigkeit der Ehe unter Bezugnahme auf Art. 395 c.p.c. für möglich hält.

VI. Zusammenfassung

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dingungen für die Wirksamkeit ausländischer Urteile jedenfalls nicht unmöglich. Ein erstes Problem ergibt sich aus der Tatsache, daß die inzidenten Entscheidungen nur Wirkung für den jeweiligen Rechtsstreit haben, in dem sie ergehen. Da derartige, nur begrenzt wirksame Entscheidungen den Grundsatz der Einheitlichkeit des Personenstandes gefährden könnten, werden sie bereits grundsätzlich weitgehend abgelehnt89 . Für die kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen ergeben sich darüber hinaus weitere Bedenken. Es ist zu beachten, daß es sich bei deren Anerkennung um ein besonderes Verfahren handelt, welches in Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats und Art. 4b) des Zusatzprotokolls in seinen Einzelheiten dargelegt ist. Dort ist von einer inzidenten Anerkennung jedoch nicht die Rede 9o . Wegen der Unabhängigkeit beider Rechtssysteme wäre ein entsprechender Hinweis in den bilateralen Vereinbarungen jedoch die Mindestvoraussetzung für die Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen. Im Ergebnis ist eine inzidente Anerkennung kirchlicher Nichtigkeitsentscheidungen im Rahmen staatlicher Verfahren daher auch nach der Konkordatsrevision nicht möglich.

VI. Zusammenfassung Durch die in den Art. 8 Nr. 2 des revidierten Konkordats, Art. 4 b) des Zusatzprotokolls und Art. 64 des IPR-Gesetzes enthaltenen Anerkennungsvoraussetzungen für die kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen wird - anders als im System von 1929 - heute die weitgehende Berücksichtigung des staatlichen ordre public erreicht. Die Bestrebungen des Kassationshofes, seine im 3. Kapitel dargestellte Auffassung einer eigenen Kompetenz auch für die Beurteilung des kanonischen Teils der Eheschließung durch die Annahme der grundsätzlichen Vorrangigkeit der staatlichen vor der kanonischen Rechtsordnung nochmals zu erweitern, sind in dieser Form nicht nachvollziehbar. Sie verstoßen ebenso wie bereits der Eingriff in den kanonischen Teil der Eheschließung gegen das Prinzip der Achtung der gegenseitigen Souveränität des Art. 7 Abs. 1 der Verfassung. Angesichts der weitgehenden Prüfungskompetenz der staat89 Vgl. hierzu Canonico, L'efficacia civile delle sentenze ecclesiastiche di nullita matrimoniale, S. 194 ff. sowie Vaccarella, La delibazione incidentale delle sentenze ecclesiastiche, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 216; anderer Ansicht ist Cipriani, Nullita del matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale civile, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S.629. 90 Vgl. F. Finocchiaro, Relazione conclusiva, in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 253.

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4. Kap.: Staatliche Anerkennung der kirchlichen Nichtigkeitsentscheidungen

lichen Appellationsgerichte und der damit verbundenen Sicherstellung der Wahrung der fundamentalen Prinzipien des italienischen Rechts im Rahmen der Anerkennung der kirchlichen Urteile ist die Notwendigkeit einer derartigen Interpretation auch nicht ersichtlich. Die insgesamt wünschenswerte Angleichung der Rechtsfolgen von staatlicher und kirchlicher Nichtigkeit einerseits und des Instituts der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen andererseits sollte nicht auf dem Umweg über eine derart einseitige Rechtsprechung, sondern vorzugsweise im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren stattfinden.

Fünftes Kapitel

Ausblick auf die weitere Entwicklung Der in den beiden vorangegangenen Kapiteln beschriebene Zustand relativer Unsicherheit in der Interpretation und Anwendung der Vorschriften des revidierten Konkordats ist vielfach bemängelt worden 1. Im wesentli chen gibt es zwei Vorschläge, wie die derzeitige Situation verbessert werden könnte. Dabei handelt es sich zum einen um die Forderung an den Gesetzgeber, ein neues Ehegesetz zu erlassen und auf diese Weise die bestehenden Unklarheiten, soweit dies durch einseitige Regelungen möglich ist, zu beseitigen2 • Zum anderen gibt es Anregungen, durch die Anrufung des Verfassungsgerichts eine eindeutige Klärung der streitigen Punkte zu erreichen. Die Anwendung des Art. 14 des revidierten Konkordats, heißt:

In

dem es

"Sofern in Zukunft Schwierigkeiten bei der Interpretation oder Anwendung der vorgenannten Vorschriften entstehen sollten, so werden der Heilige Stuhl und die Republik Italien die Suche nach einer freundschaftlichen Lösung einer von ihnen paritätisch nominierten Kommission anvertrauen. ,,3

ist von den Vertragsparteien dagegen offenbar nie ernsthaft in Erwägung gezogen worden, wenngleich es an entsprechenden Aufforderungen insbesondere seit den gegensätzlichen Entscheidungen des Kassationshofes und des Verfassungsgerichts des Jahres 1993 nicht gefehlt hat4 • 1 Vgl. nur Casuscelli, La problematica del convegno, in: Vitali/Casuscelli, La disciplina deI matrimonio concordatario dopo gli accordi di Villa Madama, S. 36; Catalano, Considerazioni introduttive, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 7; Folliero, Giurisdizioni in materia matrimoniale e diritti confessionali, S. 168 f. 2 Botta, Sentimento religioso e Costituzione repubblicana, S. 92 ff. hat angeregt, ein umfassendes "Gesetz über die Religionen" zu erlassen und unter Einbeziehung der Regelungen des Konkordats sowie der Vereinbarungen mit anderen Religionsgemeinschaften hier die eherechtlichen Regelungen zu bündeln. 3 Übersetzung des Verf. 4 Vgl. nur Lillo, Corte Costituzionale e riserva di giurisdizione in materia matrimoniale, Dir.fam. 1994, 498; Tedeschi, Ancora su giurisdizione canonica e civile. Problemi e prospettive, Dir.eccl. 1994, I, 218; Di Pietro, Esclusivita della giurisdizione ecclesiastica in materia matrimoniale e limiti deI sistema concordatario, Dir.eccl. 1994, I, 454 f. 11 Waldmann

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5. Kap.: Ausblick auf die weitere Entwicklung

Angesichts der dargestellten gegensätzlichen Auffassungen der hier zu beteiligenden Akteure und vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Rahmen der Verhandlungen zur Revision des Konkordats scheint diese Variante jedenfalls kurzfristig nicht sonderlich aussichtsreich.

I. Ein neues Ehegesetz Da der Gesetzgeber es versäumt hat, im Zuge der Konkordatsrevision ein neues Ehegesetz zu schaffen, gilt auch heute noch das Ehegesetz aus dem Jahre 1929, welches auf die Vorschriften des alten Konkordats zugeschnitten war. Wegen der zahlreichen Einschränkungen durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts und der Maßgabe, daß heute nur noch die Abschnitte anzuwenden sind, welche sich mit den Vorschriften des revidierten Konkordats vereinbaren lassen, wäre eine Neufassung des Ehegesetzes wünschenswert und sinnvoll. Eine solche könnte ohne die Mitwirkung der katholischen Kirche erlassen werden und würde auch nicht gegen die in Art. 7 Abs. 1 der Verfassung verbriefte Unabhängigkeit von Staat und Kirche verstoßen. Der einzige Gesetzentwurf für ein neues Ehegesetz stammt aus dem Jahre 19875 . Dieser Entwurf ging allerdings bezüglich der vermögensrechtlichen Aspekte nicht über die Anwendbarkeit der Art. 128 ff. c.c. für staatlich anerkannte Nichtigkeitsentscheidungen hinaus 6 . Er enthielt ebenso keine neuen Anhaltspunkte zur Klärung der Zuständigkeitsfrage7 . Ein neues Ehegesetz könnte diese Punkte nunmehr berücksichtigen und, wenn schon keine Angleichung, dann doch zumindest eine Annäherung der vermögensrechtlichen Folgen der - staatlichen und kirchlichen - Ehenichtigkeitsentscheidungen an die im Scheidungs gesetz vorgesehenen Folgen des Instituts der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen vomehmen8 . Hierfür wäre allerdings zusätzlich eine Änderung der Art. 129 und 129bis c.c. erforderlich9 . 5 Der "Disegno di legge n. 183111987: Disposizioni per l'applicazione delI' Accordo 18 febbraio 1984 tra l'ltalia e la Santa Sede, ratificato con legge 25 marzo 185 n. 121, nella parte relativa al matrimonio" ist abgedruckt in DirJam. 1989, 1180 ff. 6 V gl. Art. 17 N r. 1 des Gesetzentwurfs. 7 Art. 19 des Entwurfs wiederholt nur die Formulierung des Konkordats. 8 Für eine solche Annäherung Bianca, Il matrimonio concordatario nella prospettiva civilistica, Riv.dir.civ. 1986, I, S. 12; F. Finocchiaro, "Principi supremi", ordine pubblico italiano e (auspicata) parita tra divorzio e nullita canonica deI matrimonio, in: Cipriani, Matrimoni concordatario e tutela giurisdizionale, S. 71; Quadri, Patologia deI matrimonio e rapporti patrimoiali, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 561 ff.; auch Cass., sez. unite, 20 luglio 1988 n. 4700, Giur.it. 1989, I, 1,680 ff.

III. Schlußbetrachtung

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11. Verbindliche Entscheidung der Corte Costituzionale Bisweilen wird aufgrund der andauernden Untätigkeit des Gesetzgebers vorgeschlagen, Klage wegen Verfassungswidrigkeit der Art. 129 und 129 bis. c.c. zu erheben, da diese nicht vorsähen, die vermögensrechtlichen Folgen dann anders zu regeln, wenn die Nichtigkeitsentscheidung aufgrund bestimmter Umstände, insbesondere eines bereits langen Zusammenlebens der Ehegatten, praktisch einer Scheidung gleichkomme 10. Dieser Einwand bezieht sich vor allem auf die Anwendung der Art. 129 und 129bis c.c. im Falle der Anerkennung kirchlicher Nichtigkeitsentscheidungen, da hier wegen der fehlenden zeitlichen Begrenzung der Anfechtungsmöglichkeiten durchaus langjährige Beziehungen "zur Disposition" stehen können, die sich in der Ausgestaltung der tatsächlichen vermögensrechtlichen Situation nicht von einer gültigen Ehe unterscheiden. Das Verfassungsgericht könnte durch eine entsprechende Entscheidung zumindest die Richtung für eine neue gesetzliche Regelung vorgeben, in welcher die vermögensrechtlichen Folgen sich an der Dauer der für ungültig befundenen Verbindung ausrichten müßten. Bei langjährigem Bestehen sollten sich die Rechtsfolgen denen der Scheidung zumindest annähern 11. Auf diese Weise ließen sich zugleich die Probleme der Konkurrenz von staatlicher und kirchlicher Gerichtsbarkeit im Bereich der Ehenichtigkeit weitgehend entschärfen 12. Möglicherweise könnte ein entsprechendes Tätigwerden des Gesetzgebers auf diese Weise forciert werden.

111. Schlußbetrachtung Die bereits seit längerer Zeit bestehenden Tendenzen zur Zurückdrängung der eigenständigen Bedeutung des kirchlichen Eherechts haben sich auch nach der Revision des Konkordats fortgesetzt. Ihren größten Fürsprecher finden diese Tendenzen seit der Revision des Konkordats nicht mehr im Verfassungsgericht, welches noch den Revisionsprozeß maßgeblich mitbestimmt hatte, sondern in der Rechtsprechung des Kassationshofes. 9 Vgl. hierzu Castronovo, Nullita canonica dei matrimonio e rapporti patrimoiali putativi, Dir.fam. 1989, 1012 ff. sowie Piomelli, Incongruenze nella disciplina matrimoniale neoconcordataria: I rapporti tra giudizio civile di divorzio e giudizio canonico di nullita in un recente studio di Sergio Scarli, Dir.eccl. 1998, I, 656 ff. 10 Vgl. Proto Pisani, I provvedimenti patrimoniali nel giudizio di delibazione delle sentenze ecclesiastiche in: Cipriani, Matrimonio concordatario e tutela giurisdizionale, S. 122. 11 Vgl. hierzu Scalisi, Consenso e rapporto nella teoria dei matrimonio civile, in: Bordonali/Palazzo, Concordato e legge matrimoniale, S. 383 ff. 12 Vgl. hierzu Moneta, Matrimonio religoso e ordinamento civile, S. 160. 11*

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5. Kap.: Ausblick auf die weitere Entwicklung

Gesetzgebung und zivile Rechtsprechung tendieren auch in Italien mehr und mehr zu einer weitgehenden Pluralität im Bereich des Ehe- und Familienrechts. Dies zeigt sich nicht nur anhand der zahlreichen Vereinbarungen mit den nichtkatholischen Religionsgemeinschaften nach Art. 8 der Verfassung 13 , sondern auch an den Regelungen über die nichtehelichen Lebensgemeinschaften 14. Gerade in den Auseinandersetzungen um die Bedeutung und Reichweite des kanonischen Eherechts drängt sich bisweilen der Eindruck auf, die Beteiligten seien mit ihren Gedanken noch zu sehr in den überlieferten Schemata des Kampfes um die Vorherrschaft auf dem Gebiet des Eherechts verhaftet l5 . Dabei geht es heute bei der staatlichen Anerkennung der nach den Regelungen des revidierten Konkordats geschlossenen Ehen und einer damit verbundenen eingeschränkten Jurisdiktion der katholischen Kirche gar nicht mehr um diese Frage. Sie ist praktisch schon mit der Einführung der Ehescheidung und dem Institut der Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen zugunsten des Staates entschieden worden. Es geht heute vielmehr im wesentlichen darum, der noch immer weit überwiegenden Mehrheit der italienischen Staatsbürger mit katholischem Glauben eine Möglichkeit zu geben, ihren überlieferten religiösen Bedürfnissen nachzukommen, welche sich insbesondere in der Eingehung der Ehe nach dem Ritus der katholischen Kirche manifestieren.

Vgl. hierzu 1. Kapitel, 11. 7. a). Vgl. hierzu Kluth, Die vermögensrechtliche Abwicklung einer beendeten nichtehelichen Lebensgemeinschaft im deutschen und im italienischen Recht, S. 29 ff. sowie den Überblick bei Luther, Italienisches Familienrecht, JbitalR Bd. 7 (1994), S. 23 f. 15 Vgl. Botta, Matrimonio re1igioso e giurisdizione dello stato, S. 68. 13

14

Anhang Art. 34 des Konkordats vom 11. Februar 1929 1 Der italienische Staat, von dem Wunsche beseelt, dem Institut der Ehe, welches die Grundlage der Familie ist, die den katholischen Überlieferungen seines Volkes entsprechende Würde wiederzugeben, erkennt dem vom kanonischen Recht geregelten Sakrament der Ehe die zivilen Wirkungen zu. Das Aufgebot zu dieser genannten Eheschließung wird außer bei der Pfarrkirche auch im Rathaus der Gemeinde durchgeführt. Unmittelbar nach der Zelebrierung erklärt der Pfarrer den Ehegatten die zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe durch Verlesung der die Rechte und Pflichten der Ehegatten betreffenden Artikel des Zivilgesetzbuches und verfaßt die Eheschließungsurkunde. Eine vollständige Abschrift übermittelt er innerhalb von fünf Tagen der Gemeinde, damit sie in das Standesregister überschrieben werde. Die Angelegenheiten betreffend die Nichtigkeit der Ehe und die Befreiung von der abgeschlossenen, aber noch nicht vollzogenen Ehe sind der Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte und Behörden vorbehalten. Die diesbezüglichen Verfügungen und Urteile werden, wenn sie endgültig geworden sind, vor das Oberste Gericht der Signatur gebracht, das nachprüft, ob die Bestimmungen des kanonischen Rechts über die Zuständigkeit des Richters, die Ladung und über die rechtmäßige Vertretung oder Versäumnis der Parteien eingehalten worden sind. Die besagten endgültigen Verfügungen und Urteile werden mit den diesbezüglichen Dekreten des Obersten Gerichts der Signatur dem örtlich zuständigen Appellationshof übersandt, der sie durch eine im Beschlußverfahren zu erlassende Verfügung zivilrechtlich für vollstreckbar erklärt und ihre Anmerkung im Standesregister am Rande der Eheschließungsurkunde anordnet. Hinsichtlich der die persönliche Trennung betreffenden Sachen stimmt der Heilige Stuhl zu, daß sie durch die zivilen Gerichte entschieden werden.

Art. 8 der Vereinbarung vom 18. Februar 19842 1. Den nach den kanonischen Formen und Recht geschlossenen Ehen werden die zivilen Wirkungen zuerkannt, sofern sie nach vorangegangenem Aufgebot im Bür1 Übersetzung Bd. V, Italien, S. 2 Übersetzung Bd. V, Italien, S.

nach Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 100. nach Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 104 f.

166

Anhang

genneisteramt in die Zivilstandsregister überschrieben wurden. Unmittelbar nach der Eheschließungszeremonie erklärt der Pfarrer oder sein Vertreter den Eheschließenden die zivilen Wirkungen der Ehe, indem er die entsprechenden Artikel des Zivilgesetzbuches über die Rechte und Pflichten der Ehegatten verliest, und er setzt sodann in zweifachem Original die Eheschließungsurkunde auf, worin die von den Ehegatten nach dem Zivilgesetz gestalteten Erklärungen aufgenommen werden können. Der Heilige Stuhl nimmt zur Kenntnis, daß die Eintragung nicht erfolgen kann: a) wenn die Ehegatten nicht die Anforderungen des Zivilgesetzes über das für die Eheschließung erforderliche Alter erfüllen; b) wenn zwischen den Ehegatten ein nach dem Zivilrecht nicht dispensierbares Ehehindernis besteht. Die Eintragung ist jedoch zulässig, wenn nach dem Zivilgesetz die Nichtigkeitsoder die Aufhebungsklage nicht mehr erhoben werden kann. Der Antrag auf Eintragung erfolgt schriftlich durch den Pfarrer des Ortes, in dem die Ehe geschlossen wurde, nicht später als fünf Tage seit der Eheschließung. Der Zivilstandsbeamte nimmt, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung vorliegen, diese innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach Erhalt der Urkunde vor und benachrichtigt hierüber den Pfarrer. Die Ehe entfaltet ihre zivilen Wirkungen ab dem Zeitpunkt ihrer Schließung, auch wenn der Zivilstandsbeamte, aus welchem Grund auch immer, die Eintragung außerhalb der gesetzten Frist vorgenommen hat. Die Eintragung kann auch noch später auf Antrag beider Ehegatten oder eines von ihnen mit Wissen und ohne Widerspruch des anderen geschehen, sofern beide Ehegatten den Ledigenstand ununterbrochen vom Zeitpunkt der Zeremonie an bis zum Antrag auf Eintragung beibehalten haben; dies unbeschadet der legitim erworbenen Rechte Dritter. 2. Die Ehenichtigkeitsurteile, die von kirchlichen Gerichten erlassen und mit dem Vollstreckbarkeitsdekret des höheren kirchlichen Kontrollorgans versehen sind, werden auf Antrag der Parteien oder einer von ihnen durch Urteil des zuständigen Appellationsgerichts für in der italienischen Republik wirksam erklärt, wenn das Appellationsgericht feststellt: a) daß der kirchliche Richter der zuständige Richter war, um in der Sache über die gemäß diesem Artikel geschlossene Ehe zu entscheiden; b) daß im Verfahren vor den kirchlichen Gerichten den Parteien das Recht gewährt wurde, im Verfahren Anträge zu stellen und Verteidigungsmittel vorzubringen in nicht anderer Weise als gemäß den Grundsätzen der italienischen Rechtsordnung; c) daß die anderen Bedingungen vorliegen, die von der italienischen Gesetzgebung für die Erklärung der Wirksamkeit ausländischer Urteile gefordert werden. Das Appellationsgericht kann in dem Urteil, das die Vollstreckung des Urteils eines kirchlichen Gerichts ausspricht, vorläufige wirtschaftliche Anordnungen zugunsten eines der Ehegatten treffen, deren Ehe für nichtig erklärt wurde, wobei er die Parteien zur Entscheidung der Sache an den zuständigen Richter verweist.

Anhang

167

Art. 4 a) und b) des Zusatzprotokolls - in Bezug auf Art. 8 3 a) Zu den Zwecken der Anwendung der Nr. 1, Buchstabe b) werden unter den zwingenden Hindernissen des Zivilrechts verstanden: 1. die Entmündigung wegen Geisteskrankheit eines Partners; 2. das Bestehen einer zivilrechtlich gültigen Ehe bei den Brautleuten; 3. die Ehehindernisse, die sich aus einem Delikt oder aus der Verwandtschaft in direkter Linie ergeben. b) In Bezug auf Nr. 2 soll zu den Zwecken der Anwendung der Art. 796 und 797 der italienischen Zivilprozeßordnung der Besonderheit des kanonischen Rechts Rechnung getragen werden, welches das Eheband regelt, das in ihm seinen Ursprung hat. Insbesondere: 1. soll berücksichtigt werden, daß die Verweisungen des italienischen Rechts auf das Recht des Ortes, an dem das Verfahren stattgefunden hat, als solche auf das kanonische Recht zu verstehen sind; 2. wird als rechtskräftig das Urteil angesehen, das nach dem kanonischen Recht vollstreckbar geworden ist; 3. ist man sich darüber einig, daß auf keinen Fall eine Nachprüfung in der Sache stattfindet. .

Art. 64 des Gesetzes über die Reform des italienischen Systems des internationalen Privatrechts vom 31. Mai 19954 Wirksamkeit ausländischer Urteile und Rechtshandlungen Art. 64 (Anerkennung ausländischer Urteile)

1. Ein ausländisches Urteil wird in Italien anerkannt, ohne daß dazu irgendein Verfahren notwendig ist: a) wenn das Gericht, das es erlassen hat, nach den Grundsätzen der italienischen Rechtsordnung über die gerichtliche Zuständigkeit über den Rechtsstreit erkennen konnte; b) wenn das das Verfahren einleitende Schriftstück in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Ortes, an dem das Verfahren abgewickelt wurde, dem Beklagten zur Kenntnis gebracht worden ist und die wesentlichen Rechte der Verteidigung nicht verletzt worden sind; c) wenn sich die Parteien nach den Gesetzen des Ortes, an dem das Verfahren abgewickelt wurde, in das Verfahren eingelassen haben oder wenn die Säumnis in Übereinstimmung mit diesen Gesetzen erklärt worden ist; 3 Übersetzung nach Jayme, Zur Revision des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien, in: Heldrich/Sonnenberger, FS Ferid, S. 215. 4 Übersetzung nach Bauer/Eccher/König/Kreuzer/Zanon, Italienische Zivil prozeßordnung mit Nebengesetzen und IPR-Gesetz, S. 767.

168

Anhang

d) wenn es nach den Gesetzen des Ortes, an dem es erlassen worden ist, in Rechtskraft erwachsen ist; e) wenn es nicht mit einem anderen, von einem italienischen Gericht erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Urteil in Widerspruch steht; f) wenn nicht ein Verfahren vor einem italienischen Gericht über dieselbe Sache und zwischen denselben Parteien anhängig ist, das vor dem ausländischen Verfahren begonnen hat;

g) wenn seine Verfügungen nicht Wirkungen erzeugen, die gegen die Grundwertungen der Rechtsordnung verstoßen.

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Sachwortregister Albertinisches Statut 34 Aufgebot - kirchliches 60 f., 83 f. - zivilrechtliches 61, 66, 84, 90 Auflösung - der Konkordatsehe 69 f., 91 f., 150 f. - des Ehebandes 24, 35, 36, 69 f. - nichtvollzogener Ehen 70, 92 - von Ehen Ungetaufter 70 Auslegung - anhand übergeordneter Prinzipien 108 f., 115 f., 132 f. - grammatische 103 ff., 110 ff., 128 f. 105 ff., - systematische 111 ff., 129 ff. - teleologische 107, 114, 131 f. Codex Iuris Canonici - von 1917 28 ff. - von 1983 37 f. Codice Civile - del Regno d'ltalia von 1865 27 f. - von 1939 33 Corpus Iuris Canonici 23 Decretum Gratiani 23 Dekret "Tametsi" 24 Ehegesetz - Schaffung eines neuen 82, 162 - von 192931,33,39,41,61,63 ff., 154 Ehehindernisse - des kanonischen Rechts 58 ff., 84, 143 - des staatlichen Rechts 59, 61, 87 f. 13 Waldmann

Ehenichtigkeit - Anerkennung der kirchlichen Entscheidung durch staatliche Gerichte 43, 78, 95, 139, 158 f. - ausschließliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte 100, 103 ff., 115,139,151 f. - kanonisches Verfahren 52, 77 ff., 94 f., 140 - konkurrierende Zuständigkeit der staatlichen Gerichte 110 ff., 118, 139, 151 f., 163 - Rechtsfolgen 148 ff. - Regelung des Art. 8 Nr. 2 des Konkordats von 1984 93 f., 101 - Regelung des Art. 34 Abs. 4 des Konkordats von 1929 76 f. Eherecht - Entwicklung in Italien allg. 21 ff. - Entwicklung seit 1984 44 ff. Ehescheidung 26, 35, 39, 49, 51 f., 75, 119, 164 Eheschließung - akatholische 32, 45, 48 - Form 15, 16, 24, 27, 30, 62 f., 84 f. - gemäß Art. 8 Cost. 48 - kanonische 16, 57 ff., 117, 132, 143, 154 - Mindestalter 37,41 - mittels Stellvertreter 68, 91 - nur kanonische 49 - Sonderformen 67 f., 90 f. - Übersicht zu den Möglichkeiten der 47 ff. Ehetrennung - kanonisches Recht 50, 71, 92 - staatliches Recht 50 f., 71, 92, 119

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Sachwortregister

Ehevoraussetzungen 58 f., 84 Entscheidung 1824/1993 der Corte di Cassazione 17, 46, 118 Entscheidung 421/1993 der Corte costituzionale 17, 46, 121 Familienrechtsreform 37 Gerichtsbarkeit - ausschließliche der Kirche 17, 103 ff. - eigenständige der Kirche 16, 23 - konkurrierende von Staat und Kirche 17,110 ff. Gutglaubensschutz 144 f. Italienisches IPR-Gesetz - Anwendbarkeit der Art. 64 ff. 137 ff., 147 ff., 154 ff. - Reform von 1995 46 f., 136

125,

Konkordat - mit Malta 134 f. - mit Polen 134 f. - mit Spanien 102, 134 - revidiertes, von 1984 17, 18, 101 ff. - von 1929 16,31 f., 100 Konkordatsehe - Aufhebung der zivilrechtlichen Wirkungen 40, 73 f., 92, 100, 133, 147 f., 150 f., 164 - Beendigung 64 f., 91 f. - Eheschließung 48, 57 f., 83 f. - Ehevorbereitung und -voraussetzungen 58,84 - Nichtigkeit 53, 75 f., 93 f. - System von 1929 57 ff. - System von 1984 19, 82 ff. Konkurrenz - ausländischer Urteile mit italienisehen Urteilen 140 - kirchlicher und staatlicher Urteile 17, 136, 147 ff.

- kirchlicher und staatlicher Verfahren 17,157 Konkurrenzlösung - aus Sicht des Kirchenrechts 128 - Bestimmung konkreter Zuständigkeit 125 Konsenserklärung 62, 85 Konvalidation 77 Konzil von Trient 24 f. Lateranverträge - Entstehungsgeschichte 30 ff. - Revision 38 - Revisionsentwürfe 40, 42 Nichtigkeit der Ehe 17,30,35, 142 Nichtigkeitsgründe - des kanonischen Rechts 52, 142 f. - des staatlichen Rechts 39, 52 f., 142 f. Nulla osta 60, 84 Ordre public - Auswirkung auf Anerkennung der kirchlichen Entscheidungen 142 f. - Grenzen 17,40,42, 140 ff. - italienischer 136, 159 Privilegium Paulinum 70 f., 92 Privilegium Petrinum 71, 92 Putativehe 37, 149 Rechtsprechungsmonopol des Staates 76, 115, 120, 132 Rechtsschutzgarantie des Art. 24 Cost. 116, 133 Religionsfreiheit 109, 115, 132 f. Retractatio - zivilrechtliehe Behandlung 80, 158 Revision - des Konkordats 16, 17, 33, 38 f. - Entwürfe 40 f., 113, 131 Römische Frage 30

Sachwortregister Sakrament der Ehe 16, 23, 25, 29, 104, 109, 119, 134 Scheidungs gesetz - von 1970 35 ff., 100, 147, 162 - von 1987 45 f., 149 Simulation - beidseitige 143 - einseitige 144 f. - Nachweis der Nichtkenntnis 146 Souveränität - von Staat und Kirche 36, 108 ff., 112, 127 f., 132 f., 157, 159 f. Staatliche Anerkennung - ausländischer Nichtigkeitsurteile 46, 81 f. - kirchlich geschlossener Ehen 16 ff., 28, 40 ff., 56, 60, 70, 75, 78 f., 83 ff., 140 ff. - kirchlicher Nichtigkeitsentscheidungen 136 ff., 150 f. - Rechtsfolgen 79 f., 95 f., 99, 148 f., 160 - Voraussetzungen nach Art. 64 des IPR-Gesetzes 138 ff. Transkription - Anfechtung 67, 90 - Hindernisse 64, 117 - Nichtigkeitsverfahren und -urteile 154 ff. - sofortige 65 f. - verspätete 65 f. - Voraussetzungen 31, 64 ff., 86 ff., 117

13*

185

Trennung - faktische bei bleibendem Eheband 24, 35 - persönliche 71 f., 93 - staatliches Verfahren und Urteil 154, 156 f. Trennungsgründe 51, 71 f., 92 f. Unauflösbarkeit der Ehe 144

24, 36, 70,

Verbot der Nachprüfung in der Sache 106, 113, 131 Vereinbarungen mit anderen Religionsgemeinschaften 44 f., 54, 164 Verschuldensprinzip 37 Vorläufige wirtschaftliche Anordnungen des Zivilgerichts 96 Wahlzivilehe 47 ZeITÜuungsprinzip 37 Zivilehe - fakultative 15, 16, 18,47 - obligatorische 15, 47 Zivilrechtliche Wirkungen der Konkordatsehe 16, 31 Zusatzprotokoll zum Konkordat von 1984 101 f., 111 ff., 130 f., 136 f., 159 Zuständigkeitsfrage - Regelungen in den Konkordaten 76, 93 f., 100 ff. - Grundpositionen nach der Revision 102 f.